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Full text of "Realencyklopädie für protestantische theologie und kirche"

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Realencyklopädie 


für proteſtantiſche 


Theologie und Kirche 
—— 


In dritter verbeſſerter und vermehrter Auflage 
unter Mitwirkung | 
vieler Theologen und anderer Gelehrten 


herausgegeben 


von 


D. Albert Baurk 


Drofeflor in Leipzig 


Dreizehnter Band 


Methodisſsmus in Bnierika 
bis 


Neuplatonismus 


de 


TLeipiig 
3. €. Hinrihs’fhe Buchhandlung 
1905 


A‘ 


——— — — — — — — — — — — — — 


Alle Rechte, insbeſondere das der Überſetzung für jeden 
einzelnen Artikel vorbehalten. 


— — — — — — — — — — — — — — 


8. d. Hofe u. Univ.»Buchbruderei von Junge & Sohn, Erlangen. 


Berzeihnis von Abkürzungen. 
1. Bibliſche Bücher, 


Gen = Geneſis. Pr = BProverbien. — Bephania. RN — Römer. 
Er = Exodus. Prd — Prediger. ag — Haggai. Ko = Korinther. 
Se = Leviticus. HR = Hohe? Lied. Sad = Sacharia. G = Galater. 
Nu = Numeri. Sf = Jeſaias. Ma = Maleadi. Epp = Ephefer. 
Dt = Deuteronomium. Ser — Seremiad. Jud — Judith. Ph = BhHilipper 
Sof = Joſua. — Ezechiel Wei — Weisheit. Kl = Koloſſer. 
Ni = Nidter. Da = Daniel. To = Tobia. Th = Theſſalonicher. 
Sa = Samuelis. Ho = Hofea. & = Girad. Zi = Timotheus 
Kg — Könige. Joe — Joel. Ba = Baruch. Tit = Titus. 
Chr = Chronika. Am = Amos. Mat — Makkabäer. Phil — Philemon 
Esr = Esra. ob = Obadja. Mt — Matthäus. Hhr = Hebräer 
Neh — Nehemia. Jon — Jona. Me = Marceus. ga = Jakobus 
Eſth — Either. Mi — Micha. Le — Lucas. Pt — Petrus. 
Hi = Hiob. Na = Nahum. Jo — Zohannes. u = Judas. 
Bi = Bfalmen. Hab = Habacuc. AUG — Apoſtelgeſch. Apk = Apokalypſe 


2. Zeitſchriften, Sammelwerke nud dgl. 


A. = Artikel. 

ABA — Abhandlungen der Berliner Alademie. 
AdB — Ullgemeine deutſche Biographie. 
ASS — Abhandlungen der Göttinger Geſellſch. 


der Wiſſenſchaften. 
ALLES = Archiv für Litteratur und Sirchen- 
geihichte des Mittelalters. 


AMA — Abhandlungen d. Münchener Alademie. 

AS — Acta Sanctorum der Bollandiften. 

ASB == ActaSanctorum ordiniss. Benedicti. 

ASS = Abhandlungen der Sächſiſchen Gefell- 
ſchaft der Wiffenfchaften. 

AT — Altes Teftament. 

Bd — Band. Bde= Bände [dunensis. 

BM = Bibliotheca maxima Patrum Lug- 

CD = Codex diplomaticus. 

CR = Corpus Reformatorum. 


CSEL =: Corpus scriptorum ecclesiast. lat. 

DehbrA = Dictionary of christian Antiquities 
von Smith & Cheetham. 

DehrB = Dictionary of christian Biography 
von Smith & Wace. 

DEZ — Deutſche ung. 

Du Cange — Glossarium mediae et infimae 

latinitatis od. Du Cange. 


DZKER = Deutide deitfärift f. Kirchenrecht. 

rs — Forfhungen zur deutfhen Geſchichte. 

Gga — Göttingiſche gelehrte Anzeigen. 

—* = (origesgahröud. reset, 

93 = Hiſtoriſche Zeitſchrift von v. Sybel. 
affé — Regesta pontif. Rom. ed. Jaffö ed. II. 

HTH = Jahrbücher I deutiche Theologie. 

Sp = Sahrbüder für proteftant. Theologie. 

JthSt = Journal of Theol. Studies. 

or — Kirchengeſchichte. 

KO = irdenorbnung. 

LEB = Literarifhes Gentralblatt. 

Mansi == Collectio conciliorum ed. Mansi. 

R — Magazin. 

\ = Monumenta Germanise historica. 


MSG == Patrologia ed. Migne, series graeca. 
MSL == Patrologia ed. Migne, series latina. 
Mt — Mitteilungen. [Geſchichtskunde. 
NA — Neues Archiv für die ältere deutfche 
NT — Neue Folge. 

NIdTh — Neue Jahrbücher f. deutiche Theologie. 
Nt — Neue firdlihe Zeitſchrift. 


NT — Neues Teftament. 
x — Breußifhe Jahrbücher. [Potthast. 
otthast = Regesta pontificum Romanor. ed. 
ROSS = Römische Quartalſchrift. 
SBA = Sitzungsberichte d. Berliner Akademie. 
smU = u db. Münchener „ 


SWa = — d. Wiener 
88 — Seriptores. 
ThIB = Theologifcher nn 
THLB — Theologijches Literaturblatt. 
ThL8 — Theologifche Literaturzeitung. 
DS — Theologiiche Quartalſchrift. 
THSEK — Theologiihe Studien und Kritiken. 
— TZerte und Unterfuhungen heraus⸗ 
geg. von v. Gebhardt u. Harnad. 
UB — Urkundenbud. 
BU — Werke. Bei Luther 


da — „ für deutſches Alterthum. 
pm = „d. deutſch. morgenl. Geſellſch. 
dVB — „d. deutſch. Baläftina Vereins. 
— b = „ für hiſtoriſche Theologie. 
= „für Kirchengeſchichte. 

RR = „ für Rirdenredt. 

X = „ für katholiſche Theologie. 
I — „ fürlirdl. Wiſſenſch. u. Leben. 
IHR = „ fürlutber. Theologie u. Kirche. 
PR = „ für Broteftantismus u. Kirche. 

Britt = „ für praktiſche Theologie. 

HR = „ für Theologie und Kirche, 


„ für wiffenjhaftl. Theologie, 








— m. — — —h — —— — — 


Alle Rechte, insbeſondere das der Überſetzung für jeden 
einzelnen Artikel vorbehalten. 


— — — — — — — 





8. d. Hof⸗ u. Univ.⸗Buchdruckerei von Junge & Sohn, Erlangen. 


Berzeihuis von Abkürzungen. 
1. Bibliſche Bücher. 


Gen = Geneſis. Pr = PBroverbien. Ye = Bephania. Rö — Römer. 
Er = Erxodus. Prd = Prediger. ag — Haggai. Ko = NKorinther. 
Le = Leviticus HL — Hohes Lied. Sach = Sacharia Ga = Galater. 
Nu = Numeri Sf = Jeſaias. Ma — Maleadi Ep = Ephefer. 
Dt = Deuteronomium. Ser — Seremiad. Jud — Judith. hi = Ben. 
Hof = Joſua. & = Ezediel. Wei — Weisheit ol = Roloffer. 
Ki = Ridter. Da = Daniel. To = Tobia %h = Theflalonider. 
Sa = Samuelis. Ho = Hofen. St = Sirach zii = Timotheus. 
gg = Könige. oe == Joel. Ba — Barıd). Ti = Titus. 
Chr = Ehronifa Am = Amos. Mat — Maftabäer. an — ®Bhilemon. 
Esr = Era. ob = Obadja. Mt = Matthäus. 2 — Hebräer. 
Neh — Nehemia. Jon — Jona. Me = Marcus. a = Jabkobus. 
Eſth = Eitber. Mi — Mida. Le — Lucas. t = Petrus. 
Hi = Hiob. Na = Nahum. Jo = Johannes. Su = Judas. 
Bi = Palmen. Hab = Habacuec. US — Apoſtelgeſch. Apk — Apokalypſe 
2. Zeitſchriften, Sammelwerke und dgl. 
A. —⸗Artikel. MSG == Patrologia ed.Migne, series graooa. 
ABA — Abhandlungen der Berliner Alademie. MSL == Patrologia ed. Migne, series latina. 
AdB — Ullgemeine deutſche Biographie. Mt — Mitteilungen. [Geſchichtskunde. 
ASS — Abhandlungen ber Göttinger Geſellſch. NA — Neues a für die ältere deutfche 
der Wiſſenſchaften. NE — Neue Yolg 
ALKG = Urdiv für Litteratur und Kirchen⸗ en — Neue Sahrblcher f. deutjche Theologie. 
geichichte des Mittelalters. RB — Neue lirchliche Zeitſchrift. 
AMN = — Abhandlungen d. Münchener Alademie. NT — Neues Teftament. 
AS — Acta Sanctorum der Bollandiften. J — Preußiſche Jahrbücher. [Potthast. 
ASB = Actaßanctorum ordiniss.Benedicti. Potthast = Regesta pontificum Romanor. ed. 
ASS — Abhandlungen ber Sächſiſchen Gefel- ROS = Römiſche Quartalſchrift. 
ſchaft der Wiffenfchaften. SBA = Sitzungsberichte d. Berliner Akademie. 
AT — Altes Teftament. SMa = e db. Mindener „ 
Bd — Band. Bde = Bände. [dunenis.. SRU = — d. Wiener 
BM = Bibliotheca maxima Patrum Lug- SS —= Seriptores. 
CD = Codex diplomaticus. ThIB — Theologifcer nr 
CR = Corpus Reformatorum. THLB — Theologijches Literaturblatt. 
CSEL = Corpus scriptorum ecclesiast. lat. Th3 — Theologiiche Literaturzeitung. 
DcehrA = Dictionary of christian Antiquities THOS — Theologiſche Quartalſchrift. 
von Smith & Cheetham. THSEK — Thenlogiihe Studien und Kritiken. 
DehrB = Dictionary of christian Biography ZU — Terte und Unterfuhungen heraus» 
von Smith & Wace. geg. von v. Gebhardt u. Harnad. 
DILZ = Deutſche LitteratureBeitung. uB — Urkundenbuch. 
Du Cange — Glossarium mediae et infimae VB — Merle. Bei Luther: 


latinitatis ed. Du Cange. 
DIER — Deutſche Zeit riſt f. Kirchenrecht. 
Al.) — Forſchungen zur deutfchen Gefchichte. 


SA 4 = Ööttingifhe gelehrte Anzeigen. 


5 — Hiſtoriſch — Görresgeſellſch. 
93 za Bei art von v. Sybel. 
Jafle — Regesta pontif. Rom. ed. Jaflöed. II. 
IdTh = — für deutſche Theologie. 


IprTh = Jahrbücher für proteſtant. Theologie. 


JthSt == Journal of Theol. Studies. 

SR — Kirchengeſchichte. 

KD = Kirchenordnung. 

L2EB = Literarifches entralblatt. 

Mansi == Collectio conciliorum ed. Mansi. 
Rg — Magazin. 

MU = Monumenta Germaniae historica. 


WW EU — Werke Erlanger Ausgabe. 
WWWaA — Werte Weimarer Ausgabe. ſjgchaft. 
— Beitfhrift, für altteftamentl. Wiffen- 


„ für Theologie und Kirche. 
Theologie, 


U — „ für deutfches Alterthum. 
pm = „d. deutſch. mo — Geſellſch. 
dVB — „  d.deutich. Paläſtina Vereins. 
IH = „ für hiſtoriſche Theologie, 
KR = „ für Kirchengeſchichte. 

RR —= „ für Kirchenrecht. 

or) = „ für katholifche Theologie. 
tWe — „ fürfirdl. Wiſſenſch. u. Leben. 
IHR = „ fürlutber. Theologie u. Kirche. 
BR = „ Für Broteftantismus u. Kirche. 
prh = „ für praktiſche Theologie. 


TR 
wTh „für wiſſenſchaftl. 


Methodismus in Amerila. — Litteratur: 4. Quellen. The Doctrines and Dis- 
cipline of the Methodist Episcopal Church (erſcheint ſeit 1789 alle 4 Sabre nad) jeder 
Generaltonferenz; legte Ausgabe 1900; wenn fein Publifationsort angegeben, jind die Bücher 
im Methodist Book Concern zu New⸗-York und Cincinnati erfchienen): deutſche Ausgabe: 
Die Lehre und Kirchenordnung der Biſchöflichen Methodiſtenkirche (letzte Auflage 1900); 6 
Journal of the General Conference of the M. E. (Abkürzung für Methodist Episcopal) 
Church, feit 1792 alle 4 Sabre; Minutes of the Annual Conferences of the M.E. Church 
(jährlich in 2 Bänden; bis 1784 ſ. Wesley’s Larger Minutes, London); Methodist Review 
feit 1819 (vorher Arminian Magazine, London 1777ff.. und Methodist Magazine, London 
1797 f.); The Christian Advocate, New⸗Yort 1826 ff.; Der Ehriftliche Apologete, Cincinnati 10 
1848ff.; Daily Christian Advocate, 1848ff. (während der Sigungen der Generallonferenz); 
— 2. Neuere Gefamtbearbeitungen. Stevens, History of the M. E. Church, 4 vols. 
1864, deutihe Bearbeitung in 2 Bänden von Liebhart, 1867 und 1872 (Bd 1 ift bie unver- 
fürzte Ueberfegung von vol. 1, Bd 2 eine Zufammenfaflung von vols. 2—4 bes Originals); 
derj., Compendious History of American Methodism (Auszug aus erjtgenanntem Werke); ı5 
derſ., A Supplementary History of American Methodism, 1899 (Fortfegung des vorigen, 
von 1866— 1899); derf., Centenary of American Methodism. A Sketch of its History, Theo- 
logy, Practical System and Success., 1866. Deutfche Ueberjegung von Sacoby, Bremen 
1866; Scudder, American Methodism, Hartford Conn. 1868; Sacoby, Geſchichte des Me- 
thodismus, Bd 2; derf., Geſchichte des ameritunifhen Methodismus, Bremen 1870; Naft, 0 
Der hundertjährige Beſtand des amerik. Meth,, 1866; Porter, The Revised Compendium of 
Methodism, 1875; derj., Comprehensive History of Methodism, 1876; Simpson, A Hundred 
Years of Methodism, 1876; derf., Cyclopedia of Methodism, Philadelphia 1876; Daniels, 
The Illustrated History of Methodism, 1880; Atkinson, Centennial History of American. 
Methodism, 1884; Hyde, The Story of Methodism, 1889; Curtiss, Manual of the M. E. 3 
Ch., 1893; Tigert, A Constitutional History of American Episcopal Methodism, Nashville, 
Tenn. 1894; derf., The.Malking of Methodism, 1899; Buckley, A History of Methodism 
in the United States, 2 vols., New-Yort 1898; The American Church History Series, 
vol. I; H.R. Carroll, The Religions Forces of the U.S. p. 221ff., New-Yort 1893; vol. V 
The Methodists by J. M. Buckley; vol. XI, M. E. Church, South by Gross Alexander; 80 
vol. XII, United Brethren, Evangelical Association; Dorchester, Christianity in the U. S., 
New-Yort 1895; Nrtifel „Methodism“ in Mc Clintock and Strong, Theological Encyclo- 
pedia; Nippold, Handbud der neueften Kirchengefchichte, Bd 4, Amerikaniſche Kirchengeſchichte, 
S. 99ff., Berlin 1892. — 3. Gründung und Anfänge. The Journal of the Rev. Francis 
Asbury, Bishop of the M. E. Church from 1771 to 1815, 1821; Atmore, Concise History gg 
of the Introduction of Methodism in America, Mandjefter 1802; Atkinson, The Begin- 
nings of the Wesleyan Movement in America 1766—1773, 1896; berf., Centennial History 
of American Methodism, 1784—1804; Phoebus, Beams of Light on Early Methodism in 
America, 1887; Wakely, Loss Chapters Recovered from the Early History of American 
Methodism, 1889; Jesse Lee, A Short History of the Methodists in the U.S., Baltimore «0 
1810; N. Bangs, A History of the M. E. Church, 12 edition. 4 vols., 1832; Lednum, 
History of the Rise and Progress of Methodism, 1859; Sandford, Wesley’s Missionaries 
to America, 184. — 4. Geſchichte des Methodismus in einzelnen Staaten. 
Seaman, Annals of New York Methodism; Rayhold, Methodism in West Jersey, 1849; 
Barker, History of Ohio Methodism, 1899; Redford, Methodism in Kentucky, 3 vols., 46 
Nafhville 1868; Smith, Methodism in Indiana, Indianapolis 1879; Bennet, History of 
Meth. in Wisconsin, 1890; Burkhead, Meth. in North Carolina, Raleigh, 1876; Day, 
Meth. in New Providence, Newart 1898; Jones, Meth. in Mississippi, Nafhville 1887; 
Mc Farrin, Meth. in Tennessee, Rafhville 1869; West, Meth. in Alabama, Naſhville. — 
5. Biographien. Jackson, Lives of Early Methodist Preachers, London 1838, Vol. III so 
enthält die Lebensgefhichte der von Wesley nad Amerika gefandten Prebiger. Auf Beran= . 
lajiung Wesleys ſchrieben die meilten feiner Prediger Autobiographien, welche im Arminian 
Magazine veröffentlihbt wurden; Strickland, The Pioneer Bishop, or Life and Times of 
Francis Asbury, 1858; Larabee, Asbury and his Coadjutors, 2 vols. 1853; Briggs, Bi- 

Reals@ncyklopäbie für Theologie und Kirche. 8. A. XII. 1 


2 Methodismus in Amerila 


shop Asbury, 3 ed. London; Smith, Life of Francis Asbury, Raibrille 18%; Rippert, As- 
burys Leben, Bremen 1884; Cooper, Funeral Discourse, Delivered in St. Georges Church, 
Philadelphia, on the Death of cis Asbury, ®biladelphbia 1819; Drew, Life of Thomas 
Coke, 1818; Wm. Watters, A Short Account of the Christian Experience and Ministerial 
6 Labors of William Watters, Drawn up by himself, Wierandria 1806; Nathan Bangs, Life 
of Freeborn Garretson, Compiled from his Printed and Manuscript Journals other 
Authentic Documents, New-Yort 1832; Firth, Experience and Gospel Labors of Benjamin 
Abbott, Philadelphia 1825; Henry Boehm, The Patriarch of One Hundred Years; Flood 
and Hamilton, Lives of Methodist Bishops, 1882; Bishop R. Paine, Life and Times of 
10 Wm. McKendree, 2 vols., Najhville 1874; Stevens, Life and Times of Nathan Bangs, 
New-HYort 1863; Eharalterbilder aus ber Gefdichte ded Methodismus. Vorleſungen gehalten 
von verjchiedenen deutihen Predigern, Gincinnati 1881; Cartwright, Fifty Years a Presi- 
ding Elder; derf., Autobiography; auch überjegt unter dem Titel: Reformation im Hinter- 
wald. Ein Charakterbild von P. Cartwright und feiner Zeit; Strickland, Autobiography of 
15 Dan. Young. A New England Preacher of the Old Time, 1860: Clark, Life and Times 
of Elijah Hedding, 1855; Curry, Life Story of Bishop D. W. Clark, 1874; Hibbard, 
Bi phy of Bishop L. S. Hamline, 1880; Ridgaway, The Life of Bishop E. S. Janes, 
1882; J’rentice, Life of Bishop Gilbert Haven, 1883; Rust, Jsaac W. Wiley, Late Bishop of 
the M. E. Ch., 1885; Roche, The Life of John Price Durbin, 34 ed. 1890; Crooks, Life 
20 Dort 1890, of John Me Clintock, 1876; derj., Life of Bishop Matthew Simpson, New- 
or 

I. Gefhichtliher Überblid. 1. Anfänge und Urganifation. Die Anfänge 
des Methodismus in Amerika führen zurüd auf die Nachkommen der dur die Ver: 
nihtungstriege Ludwigs XIV. aus ihrer Heimat vertriebenen Pfälzer. Cine Anzahl der: 

25 felben hatte ch in Limerid County in Irland niedergelaffen, und unter ihnen fand der 
ethodismus raſch Eingang. Als im Jahre 1760 mehrere Familien (Peter Switzer, Paul 
ed, Paul Rudle, Philipp Embury, — mwohl urfprünglib Imburg — u. a.) nad) 

Amerifa auswanderten, befanden fich unter denfelben einige Methodiſten. Embury war 
fogar wesleyaniſcher Lofalprediger, doch predigte er im neuen Lande nicht, bi$ Barbara 

80 Hed, deren Unwille auf das heftigſte erregt wurde, als fie ihren Bruder mit einigen 
reunden beim Sartenfpiele antraf, in ihn drang, Öotteödienfte abzubalten. Zur criten, 

1767 in Emburys Haufe zu New-York gehaltenen Predigt ftellten fih vier Zuhörer ein, 
bald jtieg jedoch die Zahl der Teilnehmer, welche meift den ärmeren Klaſſen angehörten 
oder aus Soldaten der englifhen Garnison beftanden. Allgemeine Aufmerkjanteit er: 

85 vegten diefe Verſammlungen erjt als Thomas Webb, ein höherer engliicher Offizier und 

mwesleyanifcher Lofalprediger nad New-York kam und jofort mit hingebenbem Eifer und 
feueriger Beredfamfeit zu predigen anfing. Bald vermodte Fein Privathaus die Zu: 
hörer mehr zu faflen, man mietete einen Tafelboven (rigging loft) in der Williamftrage, 
und befonders auf Betreiben der energiichen Barbara Heck jowie des Kapitains Webb 
w wurde eine Bauftelle an der Johnſtraße ertvorben. Am 30. Oftober 1768 wurde die 
erfte Methodiftenkapelle in Amerifa eingeweiht. Site war ein ſchmuckloſes Gebäude, 
60 Fuß lang, 42 Fuß breit, Die Emporen waren ohne Geländer und murden mittelit 
Leitern erreicht, ein Feuerplag nebft Kamin durfte nicht fehlen, da es damals den Diffi- 
denten nicht geftattet war, „Kirchen“ zu bauen. Zu dem Bau hatten die vornehmiten 
45 Bürger der damals 20000 Einwohner zählenden Stadt New-York wie auch unbefannte 
Negerſklaven Beiträge gegeben, einen beträchtlichen Teil der Unkoſten bejtritt Webb aus 
eigenen Mitteln, und Embury, feines Handwerks ein Zimmermann, legte felbjt Hand 
ans Werk. Nur ein wenig fpäter fand der Methodismus im Staate Maryland Ein: 
gang. (Die vielfah für Maryland beanfpruchte Priorität ift durch die Unterfuchungen 

60 von Atkinson „the Beginnings of the Wesleyan Movement in America“ end— 

. gültig zu Gunften New-Yorks entjchieden worden; vgl. Alfred Hegler im theologiſchen 
itteraturberiht XVI, 358). Ein eingewwanderter irifcher Methodiſt Robert Strambridge 
fing an der Sams Creek an zu predigen und errichtete bald eine Blodfapelle (Log 
chapel), 22 Fuß im Quadrat, ganz rob, ohne Fußboden und ftatt der Thüren und 

65 Fenſter nur einige Öffnungen in den Wänden. 

In den nächſten Jahren wurde durch methodiftifche Einwanderer aus England und 
Irland, fowie durch amerikanische Methodiften, die ihren Bohne veränderten, der Grund 
zu methobiftifchen Gemeinden in den Staaten New-York, New-Jerſey, Pennſylvania, 
Maryland, Virginia und in Canada gelegt. Einzelne Männer wie Webb und Straw— 

6o bridge, denen bald andere folgten, reilten als Wanderprediger landauf, landab, doch die 
anze Bervegung war ohne Wlan oder Leitung, ausſchließlich durch eifrige Laienprediger 

— und genährt. Einige Jahre zuvor hatte Whitefield, der gewaltigſte Prediger 


Methodismns in Amerika 3 


aus der Anfangszeit des englifhen Methodismus, die Kolonien bereift und ein tiefes 
eeligiöjes Intereſſe hervorgerufen. Er bahnte dem Methodismus vielfach den Weg, gründete 
aber feine Gemeinden. Der Aufenthalt von Sobann und Karl Wesley in Georgia 
(1735—37) war für die Gründung des Methodismus in Amerika von feiner Bedeutung. 
Sollte die jetige Bewegung nicht im Sande verlaufen, jo bedurfte e8 einer planvollen . 
Leitung. Wesleys organifatorifcher Scharfblid erfannte dies und als bei der Konferenz 
im Sabre 1769 eine Petition der New-Yorker Methodiften um Prediger einlief, — „mir würden 
unfere Röde und Hemden verkaufen, um die Weberfahrt zu bezahlen”, fchrieben die 
Petenten, — fandte er zwei Prediger Richard Boardman und Joſeph Pillmoor nad 
Amerila. In den nächſten Sahren folgten noch mehrere andere, unter welchen bejonders 10 
Francis Asbury und Thomas Rankin zu nennen find, da fte die eigentlichen Leiter des 
rafch ſich ausdehnenden Werkes twurden. Erfterer war ein unermüdlicher Neileprebiger, 
voll heiligen Eifer und berzlicher Liebenswürdigfeit, dabei ein vwortrefflicher Menſchen⸗ 
fenner und ein organijatorisches Talent eriten Ranges, legterer ein ftrammer Disziplinär, 
dem Wesley bejonders die Durbführung der methodiftifchen Gemeindeordnung aufgetragen 15 
batte. Es handelte ſich hauptfählid um die Einführung des fog. Klaſſenſyſtems, wodurch 
die Ginzelfeeljorge aud in Abweſenheit der Prediger ermöglicht wurde, ſowie um das 
regelmäßige Reifen der Prediger und ihren Wechjel. In England mußten die „Helpers“ 
oder „Circuit Preachers“ alle ſechs Monate wechſeln, die „Assistants“ oder Superinten- 
denten über Bezirke alle drei; in Amerika zeigte ſich die Neigung einiger Prediger zu 20 
einem dauernden Paſtorat. Der Umfiht Asburys und der Entichloffenheit Rankins ıft 
es zuzufcreiben, daß diefe Eigentümlichkeiten, welche trefflich geeignet waren, die in fo 
kurzer Zeit über ein großes Ländergebiet ſich ausbreitende Bevölkerung religiös zu beein- 
Außen, und welchen der Methodismus nicht zum mindejten feinen Erfolg verdankt, ihm 
von Anfang an gewahrt blieben. Eine weitere Frage, welche bis zur Organtfation der 26 
Gemeinden zu einer felbititändigen Kirche Meinungsverfchtedenheit bervorrief, betraf die 
Berwaltung der Sakramente. Wesley wollte weder in England noch in Amerika eine 
Kirhe gründen und hatte deswegen jeinen Predigern das Austeilen der Saframente 
unterjagt. Asbury ſowie die anderen englifchen Prediger gingen in die Epiffopalfirchen 
zum Abendmahl, felbft wenn die betreffenden Geiftlihen den Methodiſten feindlich gefinnt so 
waren. GStrambridge, der fchon vor Ankunft der Emiffäre Wesleys das Abendmahl aus: 
geteilt hatte, weigerte fich davon abzuftehen, und überall in Maryland und Birginia be: 
ftanden die Gemeinden darauf, daß ihre Prediger auch die Saframente verwalteten. An 
der eriten, zu Philadelphia am 14. Juli 1773 abgehaltenen Konferenz wurde die Autori- 
tät Wesleys anerkannt, feine Vorfchriften angenommen und den Predigern unterfagt, die 86 
Saframente zu verwalten. Auf jener Konferenz waren 10 Prediger anweſend, alles 
Europäer (der erſte amerifanifche Prediger W. Watters war nicht anweſend, erhielt aber 
eine Beltellung), angegeben wurden 180 Glieder in New-York, 180 in Philadelphia, 200 
in New-Jerſey, 500 in Maryland und 100 in Virginia, zufammen 1160. Auf der nädjit- 
jährigen Konferenz wurde auch der mesleyanifche Reifeplan durchgeführt. Kein Prediger «d 
durfte länger als 6 Monate an einem Orte bleiben; die Prediger in den Städten mußten 
alle 4 Monate wechſeln. 

Die Stürme des Unabhängigkeitstrieges fchienen die Entwidelung des Methodismus 
aufs äußerfte zu bedrohen. Nicht nur, daß durch die politiichen Ereigniffe ſowie infolge 
des verrohenden Einfluffes, den ein lange dauernder Krieg ftet3 auf manche Schichten der 4 
Bevölkerung ausübt, die religiöfen Fragen zurüdgedrängt wurden, fondern da die meilten 
Prediger Engländer waren, demnach zu den Loyaliften oder Tories gehörten, jo wurde 
der Methodismus al3 ein engliches Öetwäche betrachtet, und je drohender die politifche 
Lage wurde, deito mehr wuchs das Mißtrauen. Einige Prediger waren jo unklug, ihren 
Sympathien mit England offenen Ausdrud zu verleihen, und ale Wesley im Jahre 1775 je 50 
verleiten ließ, ein politifches Flugblatt gegen die Unabhängigkeit der Kolonien zu fchreiben 
(A calm address to our American Colonies), da wurden die Methodilten allgemein 
als Landesfeinde betradhtet. Die Prediger wurden von Volkshaufen angegriffen, manche 
„getheert und gefebert”, andere arretiert. Die meiften fehrten, wie auch die Getitlichen 
der Epiffopallicche nad) England zurüd. Nur Asbury blieb, dody auch er mußte fich 55 
monatelang verborgen halten, humal da nad) der Unabhängigfeitserflärung (4. Juli 1776) 
Loyalität gegen England als Hochverrat bejtraft twurde. Während der letzten Kriegsjahre 
wirkten die amerikaniſchen Prediger namentlich in den füdlichen Staaten und getvannen großen 
Anbang. Manche der bedeutenbften Prediger der erjten Zeit, wie Seile Lee, Freeborn Garret⸗ 
ion, Benjamin Abbot, C. Pedicord u. a. ſchloſſen fich in jenen Jahren den Methodiſten an. eo 

1" 


a 


4 Metgebiseuns iu Bmerle 


Die religiöfen Zuftände der jungen Reyublid boren em Tauriges Bil. Viele Pre 
Diger hatten ihre (Hemeinden verlaffen unt als Kanıanı ode: Zriraer der Armee ge 
dient. Manche Kirchen waren zu Spitalern umacmankeh, re iont inter einentlichen 
Amede entfremdet worden. So waren ven ben ]4 Xmmer pa Zum Iar-Nf mur 
snod) 9 zu gebrauchen; von 95 Kirchipielen der Erima m Iuamız muren 34 
ala Prediger und 23 ganz aufgelöft; von 41 Gemzier meer mr 28 auf ihrem 
Poſten. Daß bei diefem Mangel an geiftlicher Tiflege ne Time icher me su münjden 
uͤbrig lieh, Legt auf der Hand. -—- Ter neue Stau Kur m ner Icmer emer Staats 
kirche gänzlich gebrochen. Keine Kirchengemeinfchaft wurt: rracd anerfamnt, 
0 noch mit Geldmitteln unterftügt. Religion war Prwariadxe = Ne Sur, tu die Pflege 
des religiöfen Yebens ſowie die Aufrechthaltung aller furklicdee I razeitenenen gänzlich 
dem freien Willen der Bürger anheimgeitellt war (vgl. Constitution of the United 
States Art. VI, Seo. 3 und Amendment I. Zcaff, Church and State in the 
U.8.). Unter diefen Umſtänden betonte Asbury in feinen Berichten an Beslen die Not- 
u wendigkeit einer befonderen Tirchlichen Organifattion und befürwortete eine brichöfliche Re: 
glerungsform. Da oft bunderte von Meilen weit fein ordinierter Getftlicher zu finden 
var, h hatten die Prediger in den Sübdftaaten fehon 1779 ein Komitee organiftert, 
welches die Sakramente verwalten und das Necht haben follte, ‘Prediger zu dieſem Zwecke 
zu ordinieren. Auf dev Konferenz zu Leeds 1784 entiprach Wesley Dem Verlangen feiner 
a amerifanischen Anhänger. Er ordinierte die Prediger Whatcoat und Vaſey als Pres- 
byter (Alieſte) für Anerika und fegte folenn durch Auflegung der Hände und mit Gebet 
Dr. Thomas Cote, Preobyter in der Kirche Englande, ale Zuperintendenten ein, „um Die 
Aufſicht über die Herde Chriſti in Amerika au führen.“ Ferner beauftragte er ihn, Asbury 
als feinen Mitfuperintendenten einzufegen (pl. Kirchenordnung, Geſchichtliche Darftellung). 
35 Das RNecht Wesleys, Diefe Ordination anzunehmen, iſt ſeitens jeiner Tirchlichen Gegner 
heftig beftritten worden. In feinem Schreiben an Dr. Gofe, Mir. Asbury und die Brü- 
der in Nordamerika führt er aus, wie feine Studien über die primitive Kirche ihn fchon 
vor „Jahren überzeugt bätten, daß Bifchöfe und Preobyter in demfelben Urdnungsrange 
ftehen und folglich das gleiche Necht zu urbinieren haben. Er babe ſich aber geweigert, 
so in England diefes echt au gebrauchen, weil er die Ordnung der Nationalficche, zu der 
er gehöre, nicht übertreten wollte. „Aber die Verhältniffe in Amerika find von denen in 
England ſehr verjchieden. Meine Skrupel Ind deshalb bezüglich der amerifanifchen 
Staaten zu Ende, und ich glaube bier in vollfommener Freiheit bandeln zu fünnen, da 
ich keine Ordnung übertrete, noch in jemandes Nechte greife, indem ich Arbeiter in die 
85 Ernte ſende . .. Wenn Einer einen vernünftigeren und ſchriftgemäßeren Weg anzeigt, 
g will ich ihn gerne einſchlagen. Es iſt freilich vorgeſchlagen worden, die engliſchen 
Jiſchöfe zu erſuchen, einen Teil unſerer Prediger für Amerika zu ordinieren. Aber zu 
Dielen Anſinnen kann ich mich nicht verfteben, 1. weil ich den Biſchof von Yondon er: 
h Me, aber nicht bewegen konnte, auch nur einen unferer Prediger zu erdinieren; 2. wenn 
ao fie wirklich einwilligen, ſo willen wir beftimmt, daß fie zu langfam zu Werke geben, 
während unſere Angelegenheit feinen Aufſchub erleiden darf; 3. mürden die englijchen 
Biſchöfe unſere Prediger ordinieren, fo würden ſie ebenfall® ertvarten, Autorität über fie 
auszuüben, und in welche Schwierigkeiten würde und das verwickeln; 4. da unſere 
amerikaniſchen Brüder jeßt gänzlih vom engliſchen Staate und ven der engliichen 
45 Hierarchie befreit find, jo Dürfen wir fie nicht wieder weder mit dem einen noch mit Der 
anderen verftriden. Sie baben völlige Freiheit, einfach der Schrift und der primitiven 
Stirche zu folgen. Und wir halten es für das Befte, daß fie nun befteben in der Frei: 
heit, womit Gott fie fo wunderbar befreiet bat.“ (Wesley, Works VII, 311f.). 
Coke landete mit feinen Gefährten am 3. November 1784 in New-York, reifte gleich 
so nad Delaware, mo er mit Asbury zufammentraf, und berief alle Prediger zu einer 
Konferenz nad Baltimore. Am 24. Derember 1784 kamen gegen 60 Prediger in der 
Lovely Lane Chapel zu Baltimore zufammen, und an jener og. Weihnachtskonferenz 
wurde die Bifchöflihe Methodiſtenkirche organifiert. Die Bejchlüffe diefer Konferenz 
wurden unter dem Titel: „Kirchenordnung für die Prediger und anderen Glieder der 
55 bifchöflichen Methodiftenfirche in Amerika”, Philadelphia 1785, publiziert. Nebſt den 
. Ölaubensartifeln, Negeln u. f. w. enthielt die Kirchenorbnung auch die von Wesley ab: 
gekürzte Liturgie (Sunday Services) der anglitanifchen Kirche, welche regelmäßig ge 
braucht werden Jeke Diejelbe fand jedoch feinen Anklang, und nad 1792 verſchwindet 
fie aus der Kirchenordnung. An Stelle des Titeld Superintendent trat 1788 die Be- 
0 zeichnung Biſchof, „da die Überjeger unferer Bibel das Wort Bischof ftatt des Wortes 


Methodismus in Amerika 5 


Superintendent angewandt haben, fo fchien e8 uns fchriftgemäßer zu fein, die Bezeichnung 
Bischof zu aboptieren.” (Bangs, History I, 166). Asbury hatte nur unter der Bes 
dingung in feine Ordination eingewilligt, daß die Konferenz ihn zum Bilchofsamte er: 
wähle. Bei der Ordination affiltterte der Pfarrer Otterbein von der deutfchen reformierten 
Kirche, ein warmer Freund Asburys. Die neue Kirche zählte etwa 15000 Glieder. 6 
Die nächſten Jahre zeigen ein rafches Ausbreiten des Methodismus, namentlich in 
den Neuengland-Staaten (durch elle Lee), in Kanada (wohin Barbara Held, Ph. Em: 
bury u. a. gezogen waren), auch in Neufchottland und Weſtindien. Die unermüdlichen 
Reifeprediger \ gten auch den Zügen der Anftedler, welche über die Alleghenygebirge 
nach dem Weiten gingen und den Örund zu den großen Staaten de3 mittleren Weſtens 10 
bis zum Miffiffippi legten. Wiederum waren es zumeift eifrige Laien, Ermahner und 
—— welche Klaſſen und Gemeinden gründeten. Die Statiſtiken für 1792 jeigen 
266 Prediger und ca. 66000 Glieder, für 1812 688 Prediger und 195377 Glieder. 
ALS Prediger werden nur die aktiven NReifeprediger angeführt, nicht die Lokalprediger. 
nfolge der Strapazen, mit mweldyen damals das beftändige Reiſen verbunden mar, faben 16 
ich jedes Jahr manche genötigt, aus den Reihen der Reiſeyrediger auszuſcheiden und als 
Lokalprediger (ſiehe über dieſelben ſpäter) zu wirken. it dem Wachstum der Kirche 
mußte auch die Organifation weiter ausgebildet werden. Zuerſt gab ed nur eine Konferenz, 
zu welcher alle Prediger gehörten, * mußte dieſelbe in eine nördliche und ſüdliche, 
dann in noch mehrere geteilt werden. Auf 1792 wurde eine zweite Generalkonferenz ein= 20 
berufen, welche die ganze Kirhenordnung noch einmal gründlich beriet, manche Einzel- 
heiten feſtſetzte und ejlimmte, daß alle 4 Jahre eine Generallonferenz, beitehend aus 
allen Predigern als oberite Kirchenbehörde tagen ſolle. Die Frage nach der Autorität 
der Biſchöfe, ſpeziell ihr Recht, den Predigern ihre Arbeitsfelder anzumerfen, führte zur 
eriten Trennung. Ein Prediger D’Kelly zog fich zurüd und gründete die Republican 35 
Methodist Church, die ſich aber nach einigen Jahren fchon auflöſte. Die General: 
fonferenz von 1796 teilte das ganze Werk ın 6 Konferenzen ein und traf auch Be 
ſtimmungen betreff3 des Kircheneigentums, eines kirchlichen Verlagshaufes, des Erziehungs: 
weſens, —* der Stellung zur Sklaverei und zum Handel mit geiſtigen Getränken. Im 
Jahre 1808 erhielt die Organiſation durch Beſtimmung der Zuſammenſetzung und Rechte der 80 
Generalfonferenz ihren vorläufigen Abſchluß. Da die machjende Eh U der Prediger, fo: 
wie Die räumliche Ausdehnung der Kirche es bald unmöglich machte, daß alle Prediger 
an der Generalfonferenz teilnehmen konnten, fo wurde eine Delegierte Generalfonferenz 
angeordnet, die aus je einem Delegaten auf je 5 Glieder der jährlichen Konferenzen be: 
ſtehen follte. (Mit dem Wachstum der Kirche wurde die Ratio der Vertretung erhöht, 86 
jegt ein Delegat auf je 45 Prediger.) Um baftige Gejehgebung zu verhüten, wurden 
durch die fog. 6 restricetive rules die Rechte der Generalfonferenz beichräntt. Am 
1. Mat 1812 verfammelte ſich die erfte delegierte Generallonferenz und feit jener Zeit 
tritt dieſe Körperfchaft alle vier Kahre im Monat Mat zufammen. Die Kirche war nun 
nach innen und außen fo eritarkt, daß tweder der Tod Wesleys (2. März 1791) noch der 40 
Wegzug und Tod von Bifchof Coke (15. Mai 1814), noch von Biſchof Asbury (31. März 
1816) eine Störung ausüben konnte. Bifhof Thomas Coke, geboren 9. September 1747 
zu Wales, wurde in Orford zum Kirchendienft erzogen. Als Vikar gelangt er zum per: 
ſönlichen Heilsglauben, wurde wegen feiner evangeliftifchen Predigten feines Amtes ent- 
jest, ſchloß ich darauf ben Methobiften an und wurde bald die rechte Hand Wesleys. 45 
Er war die Seele aller Miffionsunternehmungen der Wesleyaner und Treuzte felbjt den 
Ozean 18male, die Reifeloften aus eigenen Mitteln beftreitend. Auch nach feiner Or⸗ 
dination als Slot der Kirche in Amerifa machte er mehrere Reifen nad England und 
wurde auf Erjuchen der englifchen Konferenz im Jahre 1796 von der amertlanifchen General: 
fonferenz auf unbeftimmte Zeit beurlaubt. 1813 begab er fih auf eine Miſſionsreiſe bo 
nah Ceylon und wurde am 15. Mai 1814, vom Schlage getroffen, tot in feiner Kabine 
gefunden. Bifchof Francis Asbury wurde am 20. Auguft 1745 ald Sohn mwesleyanifcher 
Eltern in England geboren und zeigte ſchon von feiner Jugend an großen Eifer und 
Arbeitswilliglet. Während jeiner Wirkfamfeit in Amerika prebigte er etwa 16500 mal, 
ordinierte mehr als 4000 Prediger und legte zu Pferd und Wagen über 270000 Meilen 56 
wrüd. Er ftarb am 31. März 1816, feine Leiche wurde nad Baltimore gebracht und 
während der Generalkonferenz unter großer, Beteiligung begraben. Wesley, Whitefield, 
Cofe und Asbury werden mit Recht als die 4 bedeutendſten Repräfentanten der metho= 
diſtiſchen Bewegung bezeichnet. 
2. Ausbreitung und Abzweigungen. Mit der wachſenden Bevölkerung des 60 


hi Meihndiemus in Amerifa 


Yanbes hirlf aucde bie Au-lreifung bes Metborienms Schritt, und je nachdem es die Be- 
durfniſſe ferernfich mahblen, ande bie Airchenverfaſſung weiter ausgebildet. In feiner 
VLebre umd in heim Gigenſfümlichfeilen iſt der Mefhodiomus einbeitlich achlichen, Doch 
leſten Jul tet on. heemäaßigleifegründen, teils aus Meinungoverichiedenbeiten über 
mlirchenrechtlube Auen rinzeine Leile von Der Miutterlirche, der biſchöflichen Metbodiften: 
tue (Meothedist Bpiseopal Church) lo und bildeten ſelbſtſtändige Kirchengemein— 
ſhaften In ven. Lereinigen I taten eriſticven 17 verschiedene Zweige des Metbodis⸗ 
Ele, in Melanie gumnn anfaben find nech 4J Mirden ale verwandte TDenominationen 
u zahlen Ya vr Peilbobi. mim In viele able, Bat er mit allen amerifantichen 
18 Kuchen gemein unterſcheiden ja auch die Lutheraner in Amerika 21 3weige. Die Pros: 
mn 12 da Vaptiſten 13. ſogar die Katholiken 7 und liegt m Der Natur Der 
ter fanden firdiden Berbältin Nr eründet An den älumenifchen Kenferenzen. melde 
alle ter Saba gehalten werden edie erſte fand 1881 in London flatt, Me zweite ISO] in 
Waſhingien. Me Brittv POT wieder in vondon. 4. Proceedings of the nie 
ib Methorlist Confereneo), betei N ſich ſämtliche Incthodiftiide Gememichafte ften und bringen 
dee das Vewußlticin ihrer Zuſanimengebsrigkei: num Auodruck Tie — ichiedenen 
Prey telien wir ihrer Eir an nah in Folgende ren: 
N Inibitftandian Kirhen unter Der Menerberelferung Die ° Keger, melde 
it on omhet Zahl den Methodiſten anichloſſen. bilſdenen antänalic keine geienderten 
RD Gerreinden. Sondern — in malen Gemeinden an, mußten ſich aber, wie in 
ale Kirchen Deo Landes, sr Titen om Der Gallere Ösnmügen und durften feine Wer: 
anzrbetgen fu Tub Nat en Bold wurde Das Nerlaraen nach eigenen Gemeinden mit 
iriier Bars * a BT Be Sy Syaamianen folgender Kirchengemeinſchaften. 
Vtriean Methedist Episeopal Zion Church. Diseipline of the 
» Atıcau WY Zen d’lwrch, Bishop Hoi, One Hundred Years of the African M. E. 
um Church Nor db ts, Vaır Hietarı of the African M. E. Zion Church. 
dr nn SSH. 
Die Entitchung »rird en der Einleinma un Kirchenordnung wie folat berich:e:: 
BEATS On ver!tuder:! Da tarbisen (Nheder der Kirche in New: Mort dus Abendmabl 
ana arımtan beein Welten dasieibe genoßien hatten. Dieſes ſowie der Wunſch nad 
Dean. era ah kehlneiser: EN, mranlaßten ſie, ſich au organiſieren. Sie 
yo htm str. mel Sie „gien nannten. ſtanden aber in den eriten Jabren 


nad Merken us Sa Miygserfärche, deren Bilchöfe ihre Prediger ordiniwrien un? 

samen Den Ss Sedo Fefbieinbia. In Lebre und Ordnung itimmen tie Fakt 
wa. te Ni bie Basen Mebodittenfirdw überein. Sic zählen (1m 5755 Bre 

San, este vn Sirdenzchiute im Werte von ca. 3°, Millionen Tollar: 


yernaiı 2 SJemgufun ‚The Star of Zion“ unt African M. E. Zion Ouanerls 
a a Ye Liringstone College in North Carolina und 4 ‚High 
Selle R. N, Meisoeie Arata haben ſie innerhalb der letzten 10 Jahren Jon Dollar 


Uni sy ae Methodist Episcopal Church. Geagrunde: 8: 












cn Dos sye, de die dortigen farbigen Methodiiten einen aus ihrer Min. 
de ETTONLN Se lete Statiſtik item acht 125 Rrediger. Them Gil 
— DE nd 

«& KR — — Episcopal Church. Diseipline of the Atrica 
ee E sehen ad Aumdatien of the Afriear M. F. Church. Vriladelphtig ISer 
— v0 Nenn, Ftbe African M. F. Church. Wincinnat: IST: Payı. 

> " Arien m F Cderch Wafhnille In; 
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Fu ** fſmab Dr une Auimñcht von weiker Yrhaom nal) sro 
ee — u zsıe aniſierte ſi. Ne au emer umafnanzızım Nırzm 
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——— „The Christiar. Recorder” reraus un: were We 


68 Missions" ım! „Woman's Lirhr and Lowe 1: 





Methodismns in Amerika 7 


Heathen Africa.” hr Arbeitsgebiet umfaßt auch Bermuda, Guiana, Trinidad, 
St. Thomas, Hayti, Liberia und Sierra Leone. 

4. African Union Methodist Protestant Church. Entitand zur felben 
Beit wie die African M. E. Church. (1816), doch Tamen bier nebit der Raflenfrage 
noch Meinungsverfchiedenheiten bezüglich der Kirchenverfaflung in Betracht, indem dieſe 5 
Gemeinden die bifchöfliche Negierungsform, das Reiſepredigerſyſtem und ein falariertes 
Predigtamt verwarfen. Sie zählen (1900) 106 Prediger, 3563 Glieder, 88 Kirchen. 

5. Zion Union Apostolie Church. Gegründet 1869 in Pirginia. Gie 
zählen (1900) 30 Prediger, 2346 Glieder, 32 Kirchen. 

6. Colored Methodist Episcopal Church. Discipline of the Colored 10 
M. E. Church; Minutes of the General Conference of the Colored M. E. Ch.; Holsey, 
Manual of the Discipline; Hamilton, Handbook on Church Government of the Colored 
M. E. Church; C. H. Phillips, The History of the Colored M. E. Church. Sadfon, 
Tenneffee 1898. 

Sft ein im Dezember 1870 augamjerer Zweig der M. E. Church South. Nach 15 
dem Bürgerkriege verlor die füdliche Kirche, welche ganz auf feiten der Sezeſſion ge: 
ſtanden, ſehr viele ihrer farbigen Glieder, da dieſe es vorzogen, fich mit einer der jelbit- 
ftändigen Negerkirchen zu vereinigen. Im Jahre 1860 zählte die füdliche Kirche 207 766 farbige 
Glieder, 1866 nur noch 78742. Daher beichloß die Generalfonferenz im Jahre 1866 die 
Negergemeinden zu einer felbititändigen Denomination zu organifieren. Der neuen Kirche 20 
wurde alles Kircheneigentum, welches bisher von Ictvargen Gemeinden benütt worden 
war, im Werte von ca. 1’, Millionen Dollars gejchentt. Sie zählt (1900) 19 Kon- 
ferenzen, 2061 Prediger, 204972 Glieder, 1433 Kirchen. Ahr offizielles möchentliches 
Organ „The Christian Index“ erjcheint in Jackſon, Tenneffee. In ae und Kirchen: 
rbnung ftimmt fie vollftändig mit der bifchöflichen Methodiſtenkirche des Südens 26 

erein. 

7. Congregational Methodists, Colored. Die jelbititändigen farbigen 
Gemeinden der Congregational Methodists. Es find nur 5 Gemeinden mit 319 
Gliedern. 

8. Evangelical Missionary Church. Gegründet im Jahre 1886 in Ohio 80 
als ein Zweig der African M. E. Church 48 Prediger, 2010 Glieder, 13 Kirchen. 

Außer diefen Denominationen haben drei der „weißen“ methodiftifchen Kirchen ein 
blübendes Werk unter der farbigen Bevölkerung, nämlich die Mutterfirhe (M. E. Church) 
mit 2984 Kirchen und 246249 Glievern, die Methodist Protestant Church mit 
54 Gemeinden und 3183 Gliedern und die. Independent Methodists mit 222 Glie- 86 
dern. Die durchfchnittliche Bildung ſowie die religiöfe Erkenntnis der Neger ift niedrig, 
doch haben die verjchievenen Schulen und Kirchen jchon fehr viel zur Hebung der ſchwarzen 
Raffe beigetragen. Ob die Neger fchon zur fir den wie Staatlichen Selbitvertwaltung 
reif find, dürfte bezmeifelt werden. Kenner der ſüdlichen Verhältniffe behaupten, daß die 
jenigen Negerfirchen, welche unter der Aufſicht von Weißen ftehen, durchweg beſſere Ar: «o 
beit leiften als die ſelbſtſtändigen. 

B. Abzweigungen wegen Berfaffungsfragen. Drinkhouse, History of Me- 
thodist Reform, Baltimore 1899. 

9. Methodist Protestant Church. Discipline of the Methodist Protestant 
Church; T. Colhouer, Sketches of the Founders of the Methodist Protestant Church and 45 
its Bibliography, Pittsburg 1880; Basset, A. Concise History of the Methodist Protestant 
Church from its Origin. 2. Edition, Pitt3burg 1882. 

Die Organifation diefer Kirche, zu Baltimore, Md. am 2. November 1830 bildete den 
Abſchluß langer und aufregender Kämpfe über die Frage nach der Gleichberechtigung der 
Yaien in der Sirchenregierung und der Machtbefugnifle der Bifchöfe. Eine machjende so 
Partei verlangte gleiche Vertretung der Laien in den jährlichen Konferenzen und in der 
Generalkonferenz und forderte, daß die vorſtehenden Alteſten (Presiding Elders) nicht von 
den Biſchöfen angeftellt, fondern von den Konferenzen erwählt werden. Die General: 
fonferenzen meigerten fich dieſem Verlangen nachzugeben, die Agitation wurde heftiger, 
ganze Gemeinden nebit ihren Predigern zogen fih zurüd und ſchloſſen jich zu Union 55 
Societies zujammen, eine Zeitichrift „Mutual Rights“ wurde 1824 gegründet, 1830 
wurde eine feparate Kirche organiſier. Die Methodist Protestant Church ftimmt in 
allen Yehrpunften mit der Wutterfirche überein, hat auch dieſelbe Kirchenordnung, nur 
daß fie feine Bifchöfe hat, und daß fie in allen ihren Konferenzen Laienvertretung zuläßt. 
Tie erjte Generaltonferenz fand 1834 ftatt, und auf derfelben wurden 14 jährliche Kon- o 
ferenzen mit über 500 Predigern und gegen 27000 Gliedern angegeben. Sie ift jebt 


8 Methodismus in Amerika 


(Bericht der Generalfonferenz 1900) herangewachſen auf 181310 Glieder, 1645 Prediger, 
2001 Kirchen, 2042 Sonntagsfchulen mit 16680 Lehrern und 126031 Schülern. Der 
Wert ihres Kircheneigentumg beträgt 4756721 Dollar. Sie bejist zivei Verlagshäufer, 
zu Baltimore, Mod. und zu Pittsburg, Pa., zwei möchentliche Organe The Methodist 
& Protestant und The Methodist Recorder, außerdem mehrere Sonntagsfchul- und 
Miffiongzeitichriften. Die Kirche unterhält 1 theologifches Seminar und 3 Collegien in 
Amerika und treibt Miffion in Japan (12 Mifftionare und 15 eingeborene Helfer auf 
19 Stationen. Seit 1894 eritiert auch ein rauenmiffionsverein (Sahreseinnahme 
ca. 7000 Dollars), der 6 Milfionarinnen in Japan und 2 in Shanghai, China 
10 unterhält. | | 
10. Primitive Methodist Church. Dieſe Denomination ift ein Zweig des 
engliichen Methodismus (fiehe d. A. Methodismus Bd. XII ©. 747). Sie wurde durd) 
engliiche Einwanderer nah Kanada verpflanzt (1844), und kam von da aus nach den 
Vereinigten Staaten. Sie zählte (1900) 3 Konferenzen, 74 Prediger, 6549 Glieder, 90 Kirchen. 
5. 11. Congregational Methodist Church. Gegründet am 8. Mai 1852 
von einer Anzahl Nrebiger und Laien der füblichen Methodiſtenkirche, da fie die kongre— 
nationale Form des Kirchenregimentes der bifchöflichen worzogen. In der Lehre Stimmen 
ie mit den übrigen Methodiften überein. Die meiften Gemeinden traten zu den Kongre- 
gationaliften über, als diefelben nad) dem Bürgerfriege in den Südftaaten zu arbeiten be- 
20 gennen. Sie zählten (1900) 325 Prediger, ca. 20000 Glieder und 330 Kirchen. Ihr 
gan ift The Congregational Methodist. 

12. Free Methodist Church. Doctrines and Discipline of the Free Metho- 

dies Ferer bicago 1895; E. Bowen, History of the Free Methodist Church, Rocheſter, 
ew⸗Vor 
26 Seit etwa 1850 machte ſich hauptſächlich in den Staaten Ohio und New-York eine 
Bewegung gegen die Logen und geheimen Geſellſchaften, ſowie gegen die vermeintliche 
Verweltlichung der Kirche im allgemeinen geltend. Mehrere Prediger wurden in ihren 
Angriffen auf die Kirche fo heftig, daß fie von ihren Konferenzen ausgeſchloſſen wurden. 
Die Unzufriedenen gründeten am 23. Auguft 1860 zu Pekin, New-HYork eine eigene 
80 Kirche. In der Lehre find fie Methodiften, fügen ihren Glaubensartifeln einen befonderen 
über „Hetligung” bei (Article XIII Entire Sanctification) und haben ftrifte Regeln 
egen geheime Gejellihaften und meltliche Vergnügungen. An Stelle von Bilchöfen 
* ſie Superintendenten, welche auf 4 Jahre gewählt werden. Sie unterhalten Mif- 
onen in Afrifa, Indien, San Domingo und Japan (Beiträge von 1890—94 
86 23569 Dollar), befigen 1 College und 7 Seminarien (Vorbereitungsjchulen). Im Sabre 
1900 hatten fie 922 Prediger, 27292 Glieder, 944 Kirchen. 

13. New Congregational Methodists. Einige Gemeinden ber füblichen 
Methodiſtenkirche im Staate Georgia traten 1881 aus und vereinigten fich unter diefem 
Namen. Die meiften fchloffen fi bald nachher den Kongregationaliften an. Immerhin 

40 zählen fie (1900) noch 192 Prediger und gegen 4000 Glieder. 

14. Independent Methodists. Wit diefem Namen bezeichnen ſich 15 Ge- 
meinden mit 2569 Gliedern in den GSüdftaaten, die in der Lehre Methodilten, in der 
Verwaltung jedoch ganz unabhängig find. | 

C. Spaltungen wegen der Sflavenfrage. Hy. Wilson, History of the Rise 

46 and Fall of the Slave Power in America. 3 vols. Boftun 1872— 77; L. C. Matlack, History 
of American Slavery and Methodism, 1849; E. Bowen, Slavery in the M.E. Church, 1859; 
L. C. Matlack, Anti-Slavery Struggle and Triumph in the M. E. Church, 1881; L. M. 
Hagood, The Colored Man in the M. E. Church, 1890. 

Keine andere Frage hat in der erften Hälfte des Jahrhunderts in Staat und Kirdye 

so mehr Kämpfe verurfacht als die Sklavenfrage. Die Kämpfe in beinahe allen Denomina- 
tionen des Landes, welche zu einer Neihe von Spaltungen führten, waren ein Vorfpiel 
der politifchen Sezeflton, welche den blutigen Bürgerkrieg entzündete. Die Methodiiten- 
kirche hatte vor 1800 eine entichiedene Stellung gegen die Sklaverei eingenommen, indem 
fie diefelbe als ein moralifches Übel verurteilte. “Die Konferenz von 1784 nahm einen 

65 eingehenden Plan zur Abjichaffung der Sklaverei an; ter nicht innerhalb eines Jahres 
jeine Sklaven freigab, follte von der Kirche ausgejchloffen werden. ie Bilchöfe Coke 
und Asbury befuchten Präafident Wafhington und legten ihm eine Petition an den Kon- 
greß vor, die Wafhington auch zu befürworten verſprach. Dieſe Beltrebungen ftießen 
jedoh in den Südftaaten auf wachſenden Widerſtand, der ſtets bitterer wurde, zumal da 

60 die moralifchen Fragen mit politifchen verquidt wurden. In den nördliden Staaten ent: 


mn — non 


Methodismus in Amerika 9 


ſtanden die Abolitionsgeſellſchaften, die a trafen Gegenmaßregeln; einige verboten ſogar 
Die Freigebung von Sklaven. Bon Jahr zu Rn wuchs "die Spannung. An den “ährlichen 
Konferenzen und den Generalkonferenzen liefen Petitionen über Petitionen ein und riefen 
heftige Debatten hervor. Die Konferenzen in Neu:England unterjtüßten . die politifche 
Abolitionspartei, deren Beftrebungen von den dortigen kirchlichen Zeitſchriften befürwortet s 
wurden; einige neue Zeitjchriften wie Zion’s Watchman und The True Wesleyan 
wurden ins Leben gerufen und führten eine beftige, aufreizende Sprache. Seit 1832 
gab es 3 Parteien in der Kirche, die ertreme Abolitionspartei, die Sklavenhalter und 
die vermittelnden. Konferbativen. Mit Spannung ſah man der Generalfonferenz von 
1840 entgegen. Doch da diefelbe Kompromißbeichlüffe aunahm, welche feine Partei be: 10 
friedigten, jo fcehritten die Führer der Abolitioniften zur Gründung einer neuen Kirche. 

15. Wesleyan Methodist Connection of North America. Discipline 
of the Methodist Wesleyan Connection in America; Matlack, History of American Slavery 
and Methodism from 1780—1849 and History of the Wesleyan Connection of America, 
2. vols. New-York 1849, | | 16 

- Organifiert 1843 zu Utica, NY. durch die Abolitioniftenführer Drange Scott, La 
Roy Sunderland, 2. C. Matlad u. a. Der neuen Kirche fchlofjen ſich im erften Jahre 
gegen 15000 Glieder aus den andern Methodiftenfirchen an, eine große Anzahl derfelben, 
unter ihnen bie Leiter, Tehrten 1867 wieder zur Mutterlicche zurüd, nachdem die Sklaven: 
frage endgültig befeitigt war. Sie zählt jegt (1900) 595 Prediger, 17201 Glieder, 0 
506 Kirchen; bat ein Buchgeihäft in Syracuſe, N.:., wo ihr wöchentliches Organ 
gan Methodist”, der monatliche Gospel Record und 4 Sonntagsſchulzeitſchriften 
ericheinen. Ä 

16. Methodist Episcopal Church South. Discipline of the M. E. Ch. 
South, Naſhville, Tenn. 1898; Journals of the General Conference of the M. E. Ch. 3 
South; Minutes of the Annual Conferences M. E.. Ch. South; Ritual, General Rules, and 
Articles of Religion of the M. E. Ch. South; M. Tyeire, Manual of the Discipline, With 
Episcopal Decisions Added; Th. O. Summers, Commentary on the Ritual of the M. E. 

. South; Chas Elliott, History of the Great Secession from the M. E. Ch., Eincinnati 
1854; History of the Organization of the M. E. Ch. South, Comprehending all the Offi- 90 
cial Proceedings of the General Conference of Nashville 1845; Myers, Disruption of the 
M. E. Ch. 1844—46, Comprising a thirty Years’ History of the Relations of the two 
Methodisms, Najhville; Harrison, Methodist Union, Threatened in 1844, Formally dissolved 
in 1848, Nafhville; Redford, History of the Organization oftheM. E. Ch., South, Nafhville 
1871; Alexander, History of the M. E. Ch. South, New-York 1894 (Vol. XI American s5 
Church History Series.) Mc Tyeire, History of Methodism, Naihville 1884; The Year 
Book of the M. E. Ch. South, Naſhville 1900 (wird jedes Jahr publiziert). The Methodist 
Review, Nafhville Tenn. 

Maren es bei Gründung der Wesleyan Connektion die radifalen Elemente des 
Nordens, welche fich von der Kirche loslöſten, weil diefelbe der Sklaverei gegenüber nicht «o 
ittenge genug war, fo jollte es bald zu einer noch größeren Sezeffion des ſüdlichen Ele- 
mentes kommen, dem die Kirche zu —* war. Der Brud erfolgte auf der General: 
fonferenz zu New-York 1844. Diefelbe beitand aus 62 Delegaten von Sklavenftaaten 
und 118 bon „freien“ Staaten. Es verlautete, daß einer der Bifchöfe, T. D. Andrei 
Stlaven hg und auf direlte Anfrage gab er unumwunden zu, daß er durch Erbfchaft as 
in den Befig von 2 Sklaven gelommen fei. Die Gefete jeined Staates (Georgia) ver: 
bieten die Emanzipation, nad einem freien Staate oder nah Afrika wollten die beiden 
nicht gehen, fte jeien nur gefeglich fein Eigentum, thatfächlich bewegen fie ſich mit völliger 
Freiheit und er habe Teinen materiellen Nugen von ihnen. Ferner fei feine Frau Eigen: 
tümerin mehrerer Sklaven, die fie aus erſter Ehe geerbt habe, die aber gefeglich ihr aus: so 
Khließlich angehörten. Nach mehrtägiger jehr erregter Debatte (andere Debatten über die 
Zklavenfrage waren jchon vorangegangen, bejonder® aus Anlaß des Appells eines Pre- 
digers der Baltimorekonferenz, welcher wegen Beliges von Sklaven fuspendiert worden 
war) wurde beichlofien, daß Biſchof Andrew von der Ausübung feines Amtes fo lange 
abiteben folle, bis dies Hindernis befeitigt ſei. Die füdlichen Delegaten proteftierten da= 56 
gegen und fündigten an, daß fie ſich trennen müßten, falls diefer Beichluß beſtehen bliebe. 
Ta trog der eingehenden Crörterungen ſich fein Ausweg zeigte, die ftrittige Frage zur 
allgemeinen Zufriedenheit zu ordnen, jo wurde ein Plan entivorfen, nad) welchem die 
Teilung von ftatten gehen follte (Plan of Separation), fall die Südlichen Konferenzen 
fich nicht fügen mollten. Am 10. uni vertagte ſich die Generalkonferenz, und am folgen: 60 
den Tage hielten die ſüdlichen Delegaten eine Verfanmlung und beriefen eine Konvention 


10 Methodismus in Amerika 


1845 „, welche von ben Konferenzen der Sklaven: 

auf ler Dee — neue be gegründet werben jollte, Auf jener Kon: 

| Church, South gegründet, mit der fich 

a = 
Rieder vereinigten. Die im ichöfe, on 

mit 6120° if 5329 Sofalprebiger 1464808 Fk 13940 Sor en 


mit 849101 Scülern, 3382 —— mit 119748 Gliedern. 





Über ine — und ðin 


ener Zeit hat die G (der Dh odi ugenommen. 
Ei 3 im Jahre 1901 19 ra 4 5* öfe, en ;ährliche K jo sun ‚17752 
15 rg an — ed ieder, 32119 Gonntag ** len mit 


ebäube im Werte von 126273871 Dollar und 

T120e —— = von 19486073 Dollar. Nachdem die Wunden, 
ent gr —* bürgerlichen und politifchen Leben der —* mo lagen bat, 
con Verhältnis der beiden Hauptzweig ethodismus 

0 we u Sram cn Fr Heut es und brüberliches ———— Die et ber organischen 


erörtert und gewinnt an Befürwortern. Die General- 
— beiber —— \aben eine „Commission on Federation“ ernannt, und jo- 
mit mag die Wiedervereinigung in ab jehbaver eit zu ftande fommen, 

Die des amerikanischen M Sbismug, chließlich feiner auswärtigen 

3 eg beträgt nad) der Statiftil der dritten öhumenifchen onferenz (September 1901) 

42064 Neifeprediger (im Jahre 1881: 32632; 1891: 39974); 46884 Lolalprediger; 

6437361 Glieder (im Jahre 1881: 4999581; 1891: 5384194); 62030 Kirchen im Merte 
von über 180 Millionen Dollars; 62409 Sonntagsichulen mit 5091987 Schülern. 


D. Methbodismus e Kanada. Euren 'E ‚History of Methodism in Canada, 
30 Toronto 1862; Fi of Me Canada, Toronto 1881; Ryerson, 
Canadian Methodism and Characteristies, Zoronto 1882; Carmichael, era 
Union of Canadian Ohurchen Montreal 1887; Proceedings of the Annual Conferences of 
the Methodist Church, Toronto. (Wird ſahrlich publiziert.) 
1. Methodist Church of Canada, Der Methodismus wurde ſchon im 1763 
35 2 iiche Einwanderer in at are eingeführt, im Jahre 1771 in Neu-Scyottland. 
ftlihen Provinzen umeift bon —* land aus mit Predigern verjeben, 
die ee Teile de du amerikanische Kofoni ten befiedelt wurden und in 
nike Verbindung mit der M. E. Ch. blieben. (Am Yabre 1774 fiedelten Ale Embury, 
Barbara Heck und andere Pfälzer bei Montreal an; der erfte gi eifeprediger, 
MW. Blad, wohnte der Weihnachtsfonferenz zu Baltimore —8 ald wurde auch unter 
den Inbianern miſſioniert. Durch den Krieg von 1812 —*— En land und den Ver— 
einigten Staaten) wurde das Werk empfindlich geftört; die amerikanischen Prediger * 
Kanada verlaſſen; manche Gemeinden blieben ohne — und — ſich nach Eng- 
land, von mo aus fie kirchlich verſorgt wurden. So faßten auch die (engliſchen) Wes- 
45 Iopaner Teen Hu in Kanada. Auch nach Beendigung des Krieges fonnten die Ge 
ni geſetzlichen Nechte erlangen, da fie unter Kontrolle einer 
—— —5* Im Jahre 1824 wurde eine ſeparate Konferenz von Kanada 
organiſiert, und durch die —S— von 1828 erhielt das kanadiſche Werk völlige 
digleit. Die Mesleyaner, Die Ir unter dem Namen Wesleyan Methodist 
650 Church in British North America organifiert hatten, dehnten ſich befonders in den 
öftlichen Provinzen aus, Etwas fpäter wurden durch Einwanderer von England einige 
andere Zweige bes englifchen Methodismus eingeführt, die Wesleyan New Connection, 
Primitive Methodist Church und Bible Christian Church. Im Sabre 1874 vereinigten 
fc die Wesleyan New Connection und die Wesleyan Methodist Church, 1883 
— oſſen ſich die drei anderen Zweige dieſer Vereinigung an und bilden seitdem die 
odist Church of Canada. Die vereinigte Methodiftenkirche zählte 1633 Prediger, 
169 803 Glieder und beſaß Kiccheneigentum im Werte von 9130807 Dollar. Im Jahre 1900 
betrug ihre Gliederzahl 284901, die Zahl der Prediger 2032. Die Kirche treibt Miffion 
unter ben Indianern, Ehineſen und aneſen Canadas und auch in Japan (34 Miſ— 
60 fionare und 2355 Glieder) und Weſt-China (7 Miſſionare). Sie unterhält im ganzen 


Methobismns in Amerika 11 


533 Miffiongftationen mit 647 Miffionaren und Helfern. Im Sabre 1900 betrug die Mil: 
fionstollefte 265979 Dollar (jiehe 77% Annual Report of the Missonary Society 
of the Methodist Church, Toronto 1901). Die bedeutendite Hochichule iſt Victoria 
University zu Toronto, ferner find 9 andere Schulen mit 2201 Studenten unter Leitung 
der Kirche (ſiehe 17th Annual Report of the Educational Society, Toronto 1901). 6 
Buchgefchäfte befinden fich in Toronto, Halifar und Montreal, wo die offiziellen Organe: 
The Christian Guardian, The Wesleyan, The Methodist Magazine, The Epworth 
Era, publiziert werben. | 

2. British Methodist Episcopal Church. Die Gründung diefer aus 
Negern beitehenden Gemeinfchaft fand im Jahre 1856 ftatt, in welchem Jahre die kanadiſchen 10 
Gemeinden der African M. E. Ch. felbititändig organifiert wurden. 


E. Berwandte Kirdben. 1. United Brethren in Christ. (Pereinigte 
Brüder.) Discipline of the Church of the United Brethren in Christ, Contains a state- 
ment of the Origin of the Church, Confession of Faith, the Constitution, and the Rules 
of Government. Aud; in Deutidh.; Drury, Disciplines of the U. B. in Christ from 1814 15 
till 1841; Minutes of General Conference of the U. B. from 1873—1897 ; Naft, Katechis⸗ 
mu3 für die deutichen Gemeinden der U. B. in Chriſto; Frig, Leitfaden aut Kirchengeſchichte 
und der Entſtehung und Lehren der Kirche der U. B. in Chriſto; Kephart, Manual of Church 
Discipline; Weaver, Practical Comment on the Confession of Faith of the U. B. in 
Christ; Shuey, Handbook of the U. B. in Christ; Daniel Berger, History of the Church % 
of the U. B. Prepared and published under the direction of the General Conference; 
Year Book of the U. B. (wird jebes Jahr herausgegeben); Drury, Rev. Philip William 
Otterbein, Founder of the Church of the U. B. in Christ. — (Säntlih eridienen zu 
Dayton, Ohio im Berlag des U. B. Publishing House). 

Die Gründung diefer Gemeinschaft, zuerft vielfach „deutiche Methobiften” genannt, 2 
führt zurüd auf den zu Dillenburg, Naffau, im Jahre 1726 geborenen und in Deutfchland 
theologiſch ausgebildeten Philipp Wilhelm Otterbein. Er wanderte im Jahre 1752 nad) Lancaſter 
Co. Penniylvania aus und wirkte dort als reformierter Paſtor, bi er durch Vermittelung 
von Bifhof Asbury, mit welchem ihn herzliche Freundichaft verband, an eine deutſche 
reformierte Gemeinde nad) Baltimore berufen wurde. Otterbein ſowie der lutherifche 80 
Paſtor Smoop fchloffen fih an Asbury an und folgten in ihrer Wirkſamkeit dem Bei- 
ipiele der Methodiſten. Sie ftießen bald auf Widerftand, doch ſchloſſen fich gleichgefinnte 
Paſtoren ihnen an, die fi) vom Jahre 1789 an zu regelmäßigen Konferenzen zufammen fanden. 
Unter diejen befand ſich Martin Böhm, beffen Großvater ala Pietift in feiner Heimat, 
der Schweiz, verfolgt worden und nad der Pfalz zu den Mennoniten geflohen war 86 
(. Hy. Böhm, The Patriarch of One Hundred Years, New-York). Im Sabre 
1800 wurde eine jeparate Organtfation unter dem Namen United Brethren in Christ 
gegründet, Otterbein und Böhm wurden als Superintendenten oder Bifchöfe gewählt, die 

Lehre und Kirchenordnung wurde feitgefegt und zwar in Anlehnung an die der Methodiften, 
| mit welchen die neue Kirche alle Eigentümlichkeiten teilte. Sie wirkten anfänglic) unter «0 
| den Deutfhen Pennſylvanias, wurden aber allmählich engliſch, fo daß jest nur 2 ihrer 
| 48 Konferenzen deutich find. Eine Spaltung twurde im Jahre 1889 herbeigeführt, indem 
eine Minorität der Prediger und Gemeinden eine von ber Gengauenfereng angeordnete 
Verfaſſungsänderung nicht anerkannte und ſich als die eigentliche Kirche der U. B. profla: 
mierten. Da die beiden Zweige in Namen, Lehre und bis auf wenige Einzelheiten in «s 
Kirchenordnung übereinftimmen, nennt man die Majorität U. B. (New Constitution), 
die Minorität U. B. (Old Constitution). Letztere zählen (1900) 619 Prediger und 
26296 Glieder; eritere 1833 Prediger, 239639 Glieder. Sie befiten 3235 Kirchen: 
gebäude im Werte von 5343294 Dollars; unterhalten die Otterbein University, das 
Union Biblical Seminary und 10 andere Schulen; treiben Miffion in Japan, Afrika, 50 
Porto Rico und haben ein Werk in Deutichland. Seit 1875 eriftiert ein Frauenmiſſions⸗ 
verein, der bis 1899 273903 Dollar für Miffionszmede beigetragen hat. Seit 1899 
Young People’s Christian Union mit 1791 Bereinen und 71547 Gliedern. Ihr 
Buchgeſchäft befindet fih in Dayton, Ohio, wo das wöchentliche Religious Telescope, 
„Der Fröhliche Botichafter”, „Quarterly Review“, „Watchword for Young People“, 65 
ſowie mehrere Sonntagsjchulzeitungen verlegt werden. — Die Bereinigten Brüder find 
n dem Artikel „Baptiften” als eine Nebenpartei der Baptiften in Amerika aufgezählt 
worden (Bd. II ©. 390); fie ftehen jedoch in feiner Verbindung mit jener Kirche. 
| 2. Evangelijche Semeinihatt und Vereinigte Evangelifheftirche fiehe den 
Arrilel Evangel. Gemeinichaft. Bd. V ©. 667. 60 
F. Der deutfhe Methodismus in Amerifa. „Der Chriftlihe Apologete“, 


Bietbedidmnd in Amerika 


stnn Werk Kirche. Gricheint wöchentlich jeit 1839, Cincinnati; 
=: mund vert IST, Gincinnari; Kalender nebſt den Protofollen 
0. Rnmmerenzen der Biſchöfl. Meth. Kirde. Erſcheint jedes Jahr; 
ımiher Merbodiimus S. 1861.) Bremen 1870; Adam Vtiller, 

-. % I. eh. Einemnan 1545: Adam Miller, Experiences of Ger- 
-... menmer INe: Mebmer, Fünfzig Jahre des deuigen Methodis: 


...  »rnmhart Muitnaer, Ein Qebensbild: ©. N. Brennig, Von 

wine, Men Lebensgang, Bremen 1882. — "Eine reichhaltige 

=... weder a 11m. betigr das „Muſeum der biiteriichen Gefell: 
Does east ap dinannun 


= jan Kuh mit dem Teutichtum in Pennſylvania und 
. ea den eriten Merbodiltenpredigern befanden ſich einige 
. --: Zrrasi ibren Yandsleuten predigten, wie Zimon Müller, 
nn or. Nehm, Reminiscences),. Böhm überjegte mit 
> Momer Die metbodiftiiche Kirchenordnung und lieh 

BERN Zuchtordnung der Biſchöflich-Methodiſtiſchen Kirche. 
ng Ruf æ Anraten des Ehrwürdigen Biſchofs Asbury und der 
-. . nz der Anweiſung von Heinrich Böhm zum Trud be 

sono ds murde auch der Nerfuch gemacht, das Werk der 

n et 28. Deutſche Methodiſten“ befannt waren, der Methodiften: 

u eryrrm aber an dem Widerſtande von Viſchof Asbury und 

. x bee waren, Daß das Deutſchtum in Amerika binnen wenigen 

x. et Zoe entitanden Die beiden jeparaten Denomtnationen, Die 

N td Ne Epangeliſch Gemeinſchaft“, welche anfänglich ausichlieh: 

Lirkten. Die deutſchen Methodiſten bilden feine ſeparate Kirchen— 

Na m MIND erganifch mit den drei englifchen Kirchen verbunden, melde 

“nn Amerikas wirken. Die Biihörl Meth. Kirche des Züdens bat eine 
star 12 Reiteprediger, 17 Yofalprediger, 1291 Glieder, 30 Zonntags- 

er dr Zchüler) in Youtfiana und Teras, Die proteſtantiſche Methodiltentirche 

or Beenden in Illinois und Indiana (vgl. Minutes of the First 
wowelt of the Chicago German Mission Conference of the Meth. 

;  wai at Eikhart Ind. 1898), weit bedeutender iſt aber Das deutſche Werk 
Mu Kirche. Dasſelbe nabın 1835 feinen Anfang, als Dr. Wilbelm Naſt 

.. Myñonar in Gincinnati, Ohio angeftellt wurde. Naft, geboren 1807 zu 
Aide von feinen ftreng gläubigen Eltern zum Pfarramt beftimmt. Wäbhrend 

\ „teitsunterrichtes erbielt der Knabe tiefe religiöfe Eindrüde und gelangte zur 

der Bergebung feiner Sünden. Zein Rund var, nun ine Basler Miflions: 
nirtet, Doch jandte ihn fein Vater aufs Seminar nach Blaubeuren und ſpäter 
odigen. An beiden Urten jtand er unter Dem Einfluß von C. F. Bauer; in 
an “bloß er ſich an feinen Mitjtudenten D. F. Ztrauß an. Naſt geriet in Schwere 
weüel, entlagte dem Studium der Theologie, zahlte die Studiengelder zurüd 
d.Aicie ſich philologiſchen und äjtbetiichen Studien. Im Jahre 1828 wanderte vr 
unetika aus, wurde zuerſt Hauslehrer in einer methodiſtiſchen Familie, ſodann nach 
ni prachlehrer an der Militärakademie zu Weit: Boint, dem hitherifchen Seminar 
zreburg und Dem Kenven College. Innerlich ruhelos, beſuchte er methodiſtiſche 


rn. 
un. 


on "nanite und fand ſchließlich wieder Friede für ſeine Zede 1835 wurde er als 


ie der in Die Cincinnati-Konferenz aufgenommen (ſ. Golder: Rev. W. Naſt in 
ha Amerikaniſche Zeitſchrift fiür Theologie und Kirche, Mar 1899.) —- Der geiſtlich 
lets Zuſtand Der Teusjchen, welche in Den dreißiger Jabhren maſſenhaft ein: 
tier, ließ an manchen Urten den Wunſch nach deutſcher Predigt entſtehen, die An⸗ 
nreuheit wurde in der metbhodiſtiſchen Preſſe erörtert und Da man in Naſt ben paſſen⸗ 


sa Mann gefunden batte, wurde Die deutſche Miſſion eröffnet. Am Ende Des erſten 


S ap batte Naſt troß Der größten Oppoſition (Die Deutjchen Zeitungen Cincinnatis über: 

al ihn mit Hohn, und öftere wurde er fogar thätlich angegriffen) eine Heime Ge— 
Yan beit 12 Perjonen geſammelt. 1837 wurde der Katechismus und die „Allgemeinen 
Kun Der methodiſtiſchen Kirche in deutſcher Überſetzung gedruckt, im Jahre 1839 wur— 
vun ON Mintel zur Herausgabe einer Wochenichrift „Der Chriſtliche Apologete“ geitchert. 


Ya den Webilfen, Die ſich bald um Naſt ſammelten, find befonders zu nennen Adam 


lid, vi Nachkomme deutſcher Mennoniten, ein eifriger Mitbegründer des deutſchen 


Yen Geſt. 1901); Peter Schmucker, ein früherer lutheriſcher Paſtor, Johann Swablen 
wit 1888), Wilhelm Ahrens (geſt. 1901), Kranz Nuelſen, Leonhard Mulſinger, Engel: 


Methodismus in Amerika 13 


hard Riemenfchneider (geft. 1899) u.a. Das Werk dehnte N nun raſch aus. In Pitts⸗ 
burg organiſierten ſich eine Anzahl deutſcher Pietiſten, die ſich den engliicen Methodiften 
angejchloflen hatten, ald eine deutfche Gemeinde, in Wheeling, Weft-Birginia, murde die 
erite deutfche methodiftifche Kirche gebaut. 1844 wurde das beutfche Werk in eigene 
Diſtrikte eingeteilt, 1864 murben deutſche jährliche Konferenzen organiſiert. Die Aus— 
breitung des Werkes im einzelnen zu befchreiben ijt bier nicht der Ort. Gegenwärtig 
(1901) zählt der deutfche Methodismus in Amerika 10 jährliche Konferenzen, 774 Pre- 
diger, 411 Lofalprediger, 62811 Glieder, 880 Sonntagsichulen mit 11078 Lehrern und 
Beamten und 56116 Schülern, 596 Augendbundvereine mit etwa 16000 Gliedern. Er 
befigt 878 Kirchengebäude im Wert von gegen 3', Millionen Dollar, und 529 Prediger: 10 
wohnungen im Werte von beinahe 900000 Dollar. Die Gejamteinnahmen für alle 
firchlichen Zwecke beliefen er auf 771000 Dollar, über 11 Dollar pro Glied, davon 
etwa 70 Cents pro Glied für das Miſſionswerk (f. Golder in Deutfch-Amerikanijcher 
geitiehrift für Theologie und Kirche, Januar 1899). An dem befonderen Dankopfer von 
20 Millionen Dollars, das die Biichöfl. Meth. Kirche zum Beginne des 20. Sahrhunderts 15 
jammelt, haben die deutjchen Methodiften etwa 7 Dollar pro Mitglied gefammelt. Das 
offizielle Organ ift der wöchentlich erjcheinende, 32 Seiten ſtarke „Chriftlihe Apologete”, 
von 1839—92 von Dr. W. Naft, jett von deſſen Sohne, Dr. Albert %. Naſt und 
Dr. C. Golver redigiert; ferner publizieren fie das monatlihe Familienmagazin „Haus 
und Herd,” gegründet 1872 dur Dr. Liebhart, jet redigiert von Dr. F. Munz, die 20 
wöchentlichen Sonntagfchulzeitfchriften „Die Glode” und „Die Heine Glode”, ſowie den 
vierteljährlichen „Bibelforicher.” Außer den Geſangbüchern und Sonntagsichulbüchern 
wurden 410 Bücher und 700 Traftate in deutfcher Sprache herausgegeben. 

An höheren Schulen befitt der deutſche Methodismus 1. das Naft theologtfche 
Seminar zu Berea, Ohio mit 4 Profejforen und 36 Studenten. Der Zjährige Kurjus a6 
desjelben fett Abfolvierung eines Collegialkurſus voraus. Seit 1899 wird die inter: 
denominationelle Deutfch- Amerikanische Zeitfchrift für Theologie und Kirche von der Fakul⸗ 
tät herausgegeben; 2. Deutfches Wallace Collegium zu Berea, Ohio, mit welchem das 
Naft theol. Seminar verbunden tft. Die Anftalt wurde 1864 durdy Dr. Naft gegründet, 
ibr gegenwärtiger Präfident ift Dr. C. Riemenſchneider. Sie zählt 19 Lehrer, 223 Stu- so 
denten, bat Gebäude im Wert von 106000 Dollar und einen Unterhaltungsfond von 
102000 Dollar (f. „Der Bereaner,” das monatliche Schulorgan); 3. Central Wesleyan 
College und theologiſches Seminar zu Warrenton, Mo.; 18 Lehrer, 294 Studierende, 
Wert des Eigentums 105000 Dollar, Unterhaltungsfond 78000 Dollar (f. The College 
Star; 4. Mt. Pleasant College zu Mt. Pleaſant, Soma, in Verbindung mit der Jowa 36 
Wesleyan University, 20 Lehrer (einjchließlich der an der engliſchen Anftalt angeltellten), 
115 Studierende, Wert des Eigentums 20000 Dollar, Unterhaltungsfond 28800 Dollar 
(ſ. Mt. Pleajant Wesleyaner); 5. Charles City College zu Charles, City, oma, 
13 Lehrer, 212 Studierende, Wert des Eigentums 55000 Dollar, Unterhaltungsfond 
24000 Dollar (f. The School Quarterly); 6. St. Paul’s College zu St. Paul 40 
Part, Minn., 7 Lehrer, 75 Studierende, Wert des Eigentums 45000 Dollar; 7. Blinn 


a 


Memorial College zu Brenham, Texas, 7 Lehrer, 130 Studierende, Wert des Eigen: 


tums 16000 Dollar, Unterhaltungsfond 33000 Dollar (ſ. Der Texas Stern); 8. Enter- 
prise Normal Academy zu Enterprife, Kanſas. An Wohlthätigfeitsanjtalten find zu 
nennen Die Waifenhäufer zu Berea, Ohio (gegründet 1864, Wert des Eigentums 120 000 Dollar, 45 
136 Kinder) und zu Warrenton, Mo. (Wert des Eigentums 25000 Dollar, 84 Kinder); 
das Altenheim zu Duinch, Illinois (gegründet 1889, Wert des Eigentums 16000 Dollar, 
32 Infafen); das Diakoniffenmutterhaus und „Bethesda Hospital“ zu Cincinnati, 
Ohio mit 40 Scheitern, Eigentum im Werte von 90000 Dollar und Zweiganſtalten 
Ind. Milwaukee, Wis. und La Croſſe, Wis.; die Diakonifjenanftalten zu Brooklyn so 
(7 Schweſtern), Chicago (7 Scheitern), Louisville (6 Schweitern) (ſ. Golder, Geichichte 
der weiblichen Diakonie S. 296 ff., Bethesda, monatliches Organ des Mutterhaufes). 
Diefe Diakonifjenhäufer ftehen unter Leitung einer Gentralbehörde, beftehend aus Ber: 
tretern der jährlichen Konferenzen und der verfchiedenen Anftalten. 


IL. Lehre und Eigentümlichleiten. — 1. Quellen. Die Glaubensartilel fiehe in 56 
ben Kirhenorönungen und in Scaff, Creeds of Christendom, III, 822 ff.; The Works of 
Jchn Wesley, ? Bde, 1831; The complete Works of Rev. John Fletcher, 4 Bde, 1831; 
Annual Minutes of the Methodist Conferences from the First held in London by the Late 
Ber. J. Wesley in 1744; Arminian Magazine feit 1778; Richard Watson, Theological 
Institutes, 2 Bde; vgl. H. D. Decanyer, Catalogue of Works in Refutation of Methodism 60 


14 Methodismus in Amerika 


from its Origin in 1729 to the Present Time, Philadelphia 1846 (277 Titel); Osborn, 
Outlines of Wesleyan Bibliography or a Record of Methodist Literature from the 
Beginning, London 1869. — 2. Öefamtbarftellungen von jeiten amerikaniſcher Methopdiften. 
M. Raymond, Systematic Theology, 3 Bde; J. Miley, Systematic Theology, 2 Bde, 1893; 
5 R.S. Foster, Studies in Christianity, 7 Bde, 1898 ff.; Mc Clintock and Strong, Cyclopaedia 
of Biblical, Theological, and Ecclesiastical Science and Literature, 18 Bde, New-York 1859 ff. 
(die dogmatiſchen Artikel); Jacoby, Kurzer Inbegriff der hriftlichen Glaubenslehre, Bremen 1855; 
Naft, Der größere Katechismus für die deutfchen Gemeinden der Biſchöfl. Meth. Kirche. 
Mit Genehmigung der Generaltonferenz herausgegeben, Cincinnati und Bremen; Sulzberger, 
10 Erklärung der Glaubengartifel und Hauptlehren der Methodiſtenkirche, Bremen; Gulzberger, 
ChHriftlihe Glaubenslehre, 2. Aufl., Bremen 1886; Hüljter, Die chrijtlihde Glaubenslehre 
vom Standpunkte des Methodigmus, 1888; W. F. Warren, Syitematifche Theologie, Bremen 
1865 (nur Bd I „Einleitung“ erfchienen. Auf Seite 168 ff. eine Bibliographie methodiftiicher 
Kitteratur); Nippert, Leitfaden zur hriftliden Glaubens- und Gittenlehre, Bremen 1881; 
15 C. F. Paulus, Das chriſtliche Heilsfeben, 1900. — 3. Monographien; Garrison, Probationers 
Handbook. Aud in Deutih: Handbüchlein für Probeglieder; Bass, Probationers Manual; 
Hawley, Manual of Methodism, 1869; Marvin, The Doctrinal Integrity of Methodism, 
St. Louis 1878; Curtiss, Arminianism in History; Miley, The Atonement in Christ; Merrill, 
Atonement, 1901; Hare, Scripture Doctrine of Justification; Davies, Treatise on Justification; 
2 Merrill, Aspects of Christian Experience In Deutih: Die chriſtliche elaheung auf den 
verjchiedenen Stufen des Gnadenwerkes, 1883; Foster, Philosophy of Christian Experience. 
Ueber die Taufe: Merrill, Christian Baptism; Hibbard, Christian Baptism; Hughey, Baptismal 
Remission; über Heiligung: Wesley, Plain Account of Christian Perfection. Auch in Deutſch: 
Eine kurze Erklärung der chriſtlichen Vollkommenheit; J. Fletcher, Christian Perfection ; 
35 Geo. Ped, The Scripture Doctrine of Christian Perfection; D. Steele, Looe Enthroned, 
Essay on Evangelical Perfection; J. T. Peck, The Central Idea of Christianity; Foster, 
Christian Purity; Lowrey, Possibilities of Grace; Mudge, Growth in Holiness Toward 
Perfection or Progressive Sanctification, 1895; dagegen: D. Steele: A Defense of Christian 
Perfection und Dunn, Manual of Holiness. — Huntington, Sin and Holiness or What it 
3% is to be Holy, 1898; Rodemeyer, Biblifche Heiligung, 2. Aufl., Bremen 1879. Zeitichriften 
Guide to Holiness und Wegweifer zur Heiligung, herausgegeben von H. Grengenberg. 


In feiner Lehre ftimmt der amerifanifche Methodismus mit dem englifchen überein. 

Die 25 Glaubensartikel, welche feine doktrinelle Bafıs bilden, und welche „nicht wider: 
rufen, verändert, noch mit anderen vertauscht werden dürfen” (KO 8 67), find die Wesleyſche 
36 Bearbeitung der 39 U. der anglifanifchen Kirche, mit Ausnahme von U. 23, weldyer von 
der Regierung der Vereinigten Staaten handelt und erft 1804 angenommen wurde. 
Daneben gelten ale „standards methodiltifcher Lehre Wesleys 58 vor 1771 veröffent: 
lichte Predigten und feine Notes on the New Testament (eine Abkürzung von Bengels 
Gnomon, j. Preface),. In Übereinftimmung mit dem urfprünglichen Befen des Me- 
0 thodismus, der nicht eine Neformation der Lehre, fondern des Lebens, nicht Gründun 
einer Kirche, fondern Erweckung und Vertiefung des geiftlichen Lebens bezweckte, hat auch 
der amerikaniſche Methodismus die methobiftifchen Eigentümlichkeiten nicht in Glaubens: 
artifeln formuliert. In der methodiftiichen Predigt werden a jedoch beftimmt und 
übereinftinnmend vorgetragen. Die bejonders betonten Lehren find: 1. Die Allgemeinheit 
45 der Sünde und des Verderbens der menjchlichen Natur und die Allgemeinheit der gött- 
lichen Gnade. Die vorlaufende Gnade wirkt univerfell und unmittelbar, nicht gebunden 
an Kirche, Sakrament oder göttlihes Erwählungsdekret. Kein Menſch fteht nur unter 
dem Einfluß der Sünde, fondern auch unter dem der Gnade, wodurch er in den Stand 
gejegt wird, die Bedingungen des Heild anzunehmen oder zu veriverfen, jo daß „das 
co Heil oder Nichtheil eines jeden Menjchen lediglidy von feinem eigenen freien Verhalten 
gegenüber den Cinflüffen des Heiligen Geiftes abhängt” (ſ. Miley, Syſt. Theol. II, 241 
immediate or unconditional benefits of the atonement). 2. Die Notmwendigfeit 
der Buße und der Wiedergeburt. Buße oder Sinnesänberung befteht „darin, daß man 
jeine Sünden mit Scham und Wehmut erkennt und befennt, dieſelben haſſet und läßt 
655 und ſich von Herzen zu Gott kehrt“ (Naft, Katechismus Fr. 282). Die Wiedergeburt ift 
„pie große Veränderung, welche Gott in der Seele wirkt, wenn er fie in Chriſto Jeſu 
erneuert nad) dem Ebenbilde Gottes, wodurd wir Kinder Gottes werden” (Katechismus 
Fr. 293). Diefe Beränderung gefchteht nicht in der Taufe, fondern fie wird von Gott 
zu gleicher Zeit mit der durch den Glauben erlangten Rechtfertigung („diejenige That 
co Gottes, wodurch er mir aus freier Gnade alle meine Sünden um Chrifti willen vergiebt,“ 
Katech. Fr. 289) gewirkt. Daß der Methodismus eine bejtimmte Methode für dag Ent: 
—5— und den Verlauf der Buße lehre oder daß jeder Methodiſt Zeit und Ort ſeiner 
Bekehrung (Welcher andere Ausdruck wird gebraucht, um die große Veränderung zu bes 


Methodismus in Amerika 15 


zeichnen, twelche jeder Sünder erfahren muß, um in den Himmel zu fommen? Antw.: 
Die Belehrung, welches Wort das bezeichnet, mas der Menſch zu thun bat, während die 
Miedergeburt das iſt, mas Gott allein thun kann.“ Katcch. Fr. 294) angeben müfle, tft 
ene unbegrünbete Behauptung. Noch Fein methodiftiicher Dogmatiter hat je derartiges 
gelehrt. er Name Methodismus bat nichts mit einer Heildmethode zu thun, ſondern 6 
wurde den Brüdern Wesley und ihren Genofien vom „heiligen Klub” während ihrer 
etudentenzeit zu Oxford als Spottname ihres Itreng methodifchen Lebenswandels wegen 
xgeben, iſt aljo lange vor Wesleys Belehrung entitanden, zu einer Zeit, da er noch nicht 
de lebendige Glaubenserfahrung gemacht hatte, fondern wie Luther im Klofter durch 
allerlei geſetzliche Werke das Heil feiner Seele zu erlangen fuchte (Stevens, History of 10 
ism. I, 72 f.). Die methodiftifche Xehre von der Buße wird Har und treffend 
von Paulus (Das chriftliche Heilsleben) dargelegt. Er definiert Buße als „die völlige, 
rüdbaltlofe Abkehr von der Sünde, die fih in die 3 Momente der Sündenerfenntnig, 
der Reue über die Sünde und der Sehnſucht nad Erlöfung von der Sünde zerlegen 
äßt“ und jchreibt: „In der Erfahrung der einzelnen nimmt die Buße, troß der Gleich: 
beit ibrer weſentlichen Momente, die mannigfaltigften Formen an. Es läßt fich daher 
&benfo wenig eine beitimmte Zeit für die Dauer oder eine bejtimmte Form für Die 
Außerungen der Buße feititellen, als ein beitimmter Grad der Intenſität des Buß: 
ihmerzes oder Bußkampfes. Wo der Geift des Herrn ift, da ift Freiheit. Nur die An- 
maßung eines engberzigen Fanatismus Tann hier feite Schranfen ziehen und beſtimmte 20 
zormen vorjchreiben wollen. Für das Leben gelten bir Vorſchriften nicht; da werben 
welmehr die Außerungsformen der Buße aufs mandhjadiite modifiziert. Hier erfcheint fie 
serwiegend als ein Alt klar bewußten, nüchternen Wollens, dort ald das Refultat einer 
ühermächtigen Steigerung des religiöjen Gefühls; hier gleicht fie mehr dem ftillen Schmerze 
des liebenden Kindes, das trog dem Bervußtfein feiner Schuld und Strafbarkeit nicht an au 
des Vaters Liebe zweifeln kann, dort mehr der Angſt wilder Verzweiflung, wie fie den 
Babrecher ergreift, dem das Geſetz das Todesurteil gefprochen hat; bier ſeht die Angſt 
ver der Hölle im Vordergrund, dort die Sehnſucht Bi Erlöfung; hier reihen die An 
fünge der Buße zurüd bis in die frühefte Jugendzeit, und ihr Verlauf erfcheint als ein 
Amähblich Fortichreitender, 17 jtetS vertiefender Prozeß der Losfagung von Sünde und so 
Velt, Dort dritt fie plöglic ein mit einer gewaltigen Erſchütterung nicht nur des geiftigen, 
indern auch des leiblichen Lebens, fo daß fich der Bußkampf fogar bis zum „Bußkrampf“ 
kigert” (S. 111). — 3. Die Gemißheit des Heild oder das Zeugnis des hl. Geiſtes. 
Te Heilsgewißheit wird nicht als eine unumgängliche Bedingung der Seligfeit, wohl 
iber als ein allen Gläubigen verheißenes köſtliches Vorrecht aufgefaht, Diefelbe ift nicht sa 
a die Sakramente gebunden, ſondern wird nach Nö 8, 16 durch das direfte Zeugnis 
5 hl. Geiftes bewirkt. „Der Geiſt Gottes ift die zeugende Perſon und mas er 
ms bezeugt, ift, daß wir Gottes Kinder find” (Wesley). Daß wir nicht mehr den Geift 
ker Anechtichaft und der Furcht empfangen, fondern den Geift der Kindſchaft, „ift die 
Gabe des bl. Geiſtes und wird den Gläubigen gegeben, meil fie Gottes Kinder «e 
md, nicht um fie zu folchen zu machen. Er bezeugt ihnen ihre Kindfchaft, ſobald fie aus 
im Geiſte geboren find, und iſt fomit das Zeugnid des Geiftes etwas Unterfchiedliches 
wa dem, was der Geilt in der Wiedergeburt wirkt. Es ift etwas diefem Werke Hinzu: 
fügtes, um dem Herzen das Dafein und die Echtheit desfelben zu bezeugen: es it das 
Me Siegel, das Gott den Seinen aufbrüdt, das Unterpfand der verheißenen Gnade“ «s 
Beil, iftl. Erfahrung ©. 129). Diefe fubjektive Gewißheit, die durch den unmittel- 
kren Einfluß des Geiftes Gottes „auf eine mächtige obgleich unerklärliche Weiſe“ (Wesley) 
xiande kommt, iſt nicht eine bloße Gefühlserregung, Einbildung oder Schwärmerei, 
kadern fie ift gegen dieſen Selbitbetrug geichügt durch die dieſem eugnis voraufgehenden 
) olgenden Kennzeichen, Buße, Glaube, Vergebung der Sünden, Wiedergeburt, vg 
nebrhaft gottjeliger geiftticer Wandel. „Ein jeder, welcher vor Selbſtbetrug bewahrt 
Haben möchte, wird bei forgfältiger und aufrichtiger Prüfung diefer Kennzeichen nicht die 
fakernis für Licht halten, und den zwiſchen dem wirklichen und nur angemaßten Zeugnis 
Kinpichaft beftehenden großen Unterjchted jo beftimmt erkennen, daß er nicht das eine 
az dem andern verwechſelt. So wenig es Schwärmerei ilt, den Baum an feinen Früchten ga 
rs edennen, fo wenig Tann dad Bekenntnis der Erfahrung vom Zeugnis der Kindſchaft 
Meärmerei genannt werden, wenn dieſelbe mit den bibliſchen Merkmalen unziveideutig 
kreinftimmt” (Sulzberger, Glaubenglehre S. 429). — 4. Die völlige Liebe oder chrift: 
de Bolflommenheit. Diefe Lehre nimmt im Methodismus eine ſolch zentrale Stellung 
u, da fie von Warren als „das formale Prinzip des Methodismus“ (Syit. Theol. ©. 149), eo 


u 
oO 


16 Methodismus in Amerika 


von Stevens ald „die große, madhtgebende dee des Methodismus“ (History of Me- 
thodism I, 406), von Ped ald die „Zentralidee des Chriſtentums“ (Central Idea of 
Christianity) bezeichnet wird. Sie iſt nicht autoritativ formuliert worden, es wird aber 
von allen Methodiſten übereinitimmend gelehrt, daß es das Vorrecht und die Aufgabe 
s eines jeden Gläubigen tft, ein Leben der völligen Liebe und des beftändigen Sieges über 
jede erfannte Sünde im Glauben an Jeſum führen zu dürfen. „Das Prinzip der chrift- 
lichen Vollkommenheit ift nach Wesley die völlige Liebe zu Gott und zu unjerem Nächſten, 
und die Frucht derjelben die Reinheit de Herzens und Lebend. Da diefelbe weder eine 
abfolute, noch eine paradiefifche, noch eine geſetzlich-moſaiſche, fondern eine chriftliche Boll 
10 fommenbeit ift, fo fchließt fie Wachstum in der Gnade und Erkenntnis, menſchliche Mängel 
und Gebrechen, Verfuchungen, Prüfungen und möglichen Abfall nicht aus und bevarf 
ftets des Verfühnungsopfers Chriſti. Sie wird allein durh den Glauben an Chriftum, 
ala an unſern vollendeten Erlöjer, erlangt und bewahrt” (Sulzberger, a. a. O. 445). 
Es herricht jedoch Meinungsverjchiedenheit hinfichtlich der Art und Weile, wie diefer Stand 
15 der chriftlihen Vollkommenheit erreicht werde; die einen nehmen einen definitiven, auf die 
Rechtfertigung folgenden zweiten Aft an (second blessing), die anderen fehen darin das 
allmählich zu erreichende Wachstum der in der Rechtfertigung - begonnenen Heiligung 
(. Miley, Syſt. Theol. II, 354 ff.); und während einige eine völlige Ausrottung (era- 
dieation) der angeborenen Sündhaftigfeit annehmen (f. Lowry, Possibilities of Grace), 
2 jo lehren die meiften eine völlige Unterdrüdung (suppression) der fündhaften Neigungen 
(fo %ofter, Christian Purity, ©. 74, „power of suppression or subjugation over 
the mania of depravity“; Whedon, Commentary on Rom. VII, Wiley, a. a. D. 
©. 364. . \ ’ 
Cigentümlichfeiten. Der amertlanifche Methodismus war von Anfang an und ilt 

25 peute noch „feinem Weſen nach eine Erweckungskirche, feiner Organisation nad) eine Miſſions⸗ 
irche”. Seine Prediger, wenn auch oft der theologischen Bildung ermangelnd, maren 
zumeift „Männer von unermüdlichem Eifer für die Rettung unfterblicher Ceelen, von 
energifhem Miſſionsgeiſte, gefunden, praftifchen Verſtand, populärer und eindringlicher 
Beredſamkeit“ (Schaff). Seine Predigt trägt durchweg evangeliftifches Gepräge; „im all: 
so gemeinen iſt die beite Methode des Predigers: 1. von der Sünde zu überzeugen, 2. Chrijtum 
anzubieten, 3. einzuladen, 4. zu erbauen; und alles diejes einigermaßen in jeder Predigt 
zu thun” (KO 8 134). Daß aber die methodiftifche Predigt ausſchließlich die Gefühle 
erregen till, ijt eine unbegründete Behauptung. Man muß unterfcheiden zwiſchen dem 
primitiven kulturellen und geiftlichen Zuftande der Pionierbevölferung Amerifas und den 
85 heutigen Verhältniffen, ebenfo zwijchen den äußerjt lebhaften Verfammlungen der unges 
bildeten, naiven Neger und den religiöfen Bedürfniffen einer gebildeten amerikaniſchen 
Gemeinde. , Männer wie der ermorbete Präſident Mc Kinley fowie viele in den höchiten 
Staatlichen Amtern ftehende Politifer und Juriſten, wären wohl faum zeitlebens Methopiften, 
wenn der Methodismus nur ihre Gefühle bearbeitete. Ihren Höhepunkt erreichte die 
«0 methodiltische Erweckungspredigt auf den „Lagerverfammlungen‘ (camp meetings). Dieſe 
im Jahre 1799 in einer Presbyterianer-Gemeinde zuerſt entitandenen Berfammlungen wurden 
jehr raſch allgemein eingeführt. „Mehr ala 10 000—20 000 Menschen famen oft bei dieſen 
Gelegenheiten zufammen, gewöhnlich ward eine Woche ausschließlich mit gottfeligen Übungen 
zugebracht, während die Leute in Zelten oder Buben wohnten, die um den Predigtitand 
5 her arrangiert waren. SHellflanmende, auf Gerüften erhöhte Feuer erleuchteten nacht? den 
lat, wo nad beſtimmten Regeln und. von einer temporären Polizei Ordnung gehalten 
wurde. Cie erhielten bald den Namen ‚Allgemeine Lagerverfammlungen‘, weil alle Kirchen: 
parteien ſich daran beteiligten“ (Stevens, Hist. of M. E. Ch. I, 260). Dieſe Ber: 
fammlungen finden aud) heute noch Statt, wenn auch zum Teil in etwas anderer Weife, 
co Während in den neueren Gegenden des Weſtens noch der primitive Charakter zu Tage 
tritt, find in den älteren Gebieten an den LZagerverfammlungsitellen permamente Villen: 
folonien entjtanden, mit Hotels, Penfionen, großen „tabernacles”, wo Hunderte von 
Familien ihre Sommerfrifche zubringen. Ocean Grove, Marthas Vineyard, Round Lake, 
Chautauqua, Lakeſide zählen zu dem beliebtejten Sommerfrifchen, da dort feine weltlichen 
655 Vergnügungen gebulbet werden und dem getftigen wie geiftlichen Bedürfnis durch Vorträge 
und Bibellurfe Rechnung getragen wird. Die eigentlihe Lagerverſammlung dauert ge 
wöhnlidh eine Woche (%. ©. Swalloiv, Camp Meetings, Their Origin, History and 
Utility). — Die bejonderen, faft jedes Jahr in beinahe allen Gemeinden jtattfindenden, 
oft mehrere Mochen dauernden Evangelifationsverfammlungen (Revivals, Protracted 
e Meetings, anhaltende Berfammlungen) find jegt nicht mehr bloß dem Methodismuß eigen» 


Methodismns in Amerika 17 


tümlich, ſondern haben fich bei den anderen Kirchen eingebürgert und gehören geradezu zum 
Weſen des amerikaniſchen Kirchentums. Vielfach berricht der Gebraub „erivedte und Bit: 
fuchende” Perſonen, welche wünſchen, daß man mit ihnen oder für fie bete, aufzufordern, 
fich zu erheben oder zum „Altar (mourners bench, „Bußbank,“ eine von Methodiften 
jelten, von ihren Gegnern oft gebrauchter Ausdrud) zu treten oder zu einer Nachverſamm-⸗ 6 
lung aurüdzubleiben. Dem Methodismus eigentümlic find immer noch die „Liebesfefte‘‘ 
und „Klaſſen“. Bei eriteren wird in Anlehnung an die urchriftlichen Agapen Brot und Waſſer 
um Zeichen der brüderlichen Gemeinjchaft berumgereiht und die Zeit mit Singen und 
eien Belenntniffen, Mitteilungen von Gnabenerfahrungen zugebradt. Das Klaſſenſyſtem 
war bei den großen Bezirken, welche die Neifeprediger früher zu bedienen hatten, von be— 10 
fonderer Wichtigkeit, um das geiftliche Zeben rege zu halten und die Kirchenzucht zu band: 
baben. Der Zweck der Organifation von Klaſſen, die wo möglich aus nicht mehr als 
20 Perſonen beftehen und fich wöchentlich verſammeln follen, it: 1. eine Baftoralaufficht 
zu erzielen, von welcher thatfächlich jedes Glied der Kirche erreicht wird; 2. eine zum ge- 
meinschaftlichen Gebet, zu gegenfeitiger Belehrung, Aufmunterung und Ermahnung be— 
ftimmte Berfammlung einzuführen und aufrecht zu erhalten als ein jegensreiches Gnadenmittel; 
3. wenn e3 verlangt wird, in der Durchführung des kirchlichen Finanzplanes behilflich zu 
jein“ (RD 8 50). In mandjen Gemeinden ift, ſeitdem die Amtszeit der Prediger ver- 
längert worden ift, das Klaßfyitem eingegangen, und an Gtelle der einzelnen Klaſſen ift 
eine fonntägliche „allgemeine Klaßverſammlung“ (Befenntnisftunde) oder die wöchentliche 20 
Bet: und Erfahrungsitunde bezw. die Belenntnisftunde des Jugendbundes getreten (ſ. KO 
— — J. Atkinſon, The Class Leader, His work and how to do it; J. H. 
Vincent, The Class Meeting, Methodist Review, September 1901). — Bezüglid) 
der Ordnung der fonntäglichen Gottesdienfte herrichte bis vor wenigen Jahren völlige 
Freiheit. Erſt die Generallonferenz von 1892 fegte die folgende Ordnung feit: 1. Prä- 26 
ludium auf der Orgel; 2. Gemeindegefang, jtehend; 3. das apoftolifche Glaubensbefenntnis; 
4. Gebet, welches mit dem Gebet des Herm, das alle laut mitbeten, jchließen foll; 5. Lied 
vom Gemeindechor,; 6. Schriftleftion aus dem AT. Wenn diefelbe aus den Pfalmen ge: 
nommen wird, jo mag fie in refponfiver Weife gelefen werden; 7. Singen des Gloria 
Patri; 8. Schriftleftion aus dem NT; 9. Kollefte und Bekanntmachungen; 10. Ge: 30 
meindegefang, ftebend; 11. Predigt; 12. Kurzes Schlußgebet, worin der Segen Gottes 
auf das gepredigte Wort berabgeflebt wird; 13. Gemeindegefang mit der Dorologie 
ſchließend; 14. der apoftolifche Segen. Nr. 1, 3, 5, 7 können weggelaſſen werden (KO 
8 56). — Die vorgejchriebenen Rituale für Taufe, Abendmahl, Aufnahme von Mit: 
gliedern, Trauung, Begräbnisfeier, Weihe und Ordination, Edjteinlegung und Kirchen: 35 
einweihung, Einfegnung von Diakoniffen finden fih in der KO S 142—463 und Anhang 
$ 55 (R. G. Cooke, History of the Ritual of the M. E. Church). 

VBerfaffung und Ordnung. — R. Emory, History of the Discipline of the M. 
E. Ch. 1851, 1864; D. Sherman, History of the Revisions of the Discipline of the M.E. Ch. 
1874, 1888; J. J. Tigert, Constitutional History of American Episcopal Methodism. 
Nashville, Tenn.; S. M Merrill, Digest of Methodist Law 1885, 1901; Baker, Guide in 
the Administration of the Discipline 1876; G. H. Dryer, Manual for Church Officers; 
H. N. Mc Tyeire, Catechism on Church Government with Special Reference to that of 
the M. E. Ch. South; J. W. Henry and W. L. Harris, Ecclesiastical Law and Rules of 
Evidence; Th. A. Morris, Discourse on Methodist Church Polity; Th. E. Bond, The # 
Economy of Methodism Illustrated and Defended 1852; J. T. Crane, Methodism and its 
Methods. 1876; D. Dorchester, The Why of Methodism 1887; Th. B. Neely, Evolution of 
Episcopacy and Organic Methodism; Neely, History of the Origin and Development of 
the Groverning Conference in Methodism 1893; Potts, Pastor and People 1879. 

Nebſt feiner Lehre und dem Eifer feiner Anhänger hat der Methodismus von jeher so 
feinen Erfolg jeiner Organifation zugefchrieben. Diefelbe entjtamınt den organifatorifchen 
Genie ee, bat aber im Sau? der Zeit bedeutende Modifikationen durchgemacht, „um 
den neuen Anfprüchen, welche durch das Wachstum der Kirche an fie geitellt wurden, 
gerecht zu werden” (KO Bilchöfliche Anrede). Die gefammte Verwaltung liegt in Händen 
dreier Kreife von Konferenzen, den „Bierteljährlichen”, den „Jährlichen“ und der General: 65 
Konferenz. Jede einzelne Gemeinde fteht unter. Zeitung der „Vierteljährlichen Konferenz“, 
fo genannt, weil fie viermal des Jahres in Sigung tritt. Ste bejteht aus allen Beamten 
der Gemeinde, nämlich den Reife und Lofalpredigern, den Ermahnern, Klapführern, Ver: 
waltern, Trujtees, Superintendenten der Sonntagsfchulen und Präfidenten der Jugend: 
vereine; den Vorſitz führt der „Vorſtehende Alteſte“ oder deſſen Stellvertreter. Sie 60 
beauffichtigt alle Gemeindeangelegenheiten, ernennt oder beitätigt jäamtliche Beamte (aus: 

RealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 2 


⸗⸗ 


PN 


5 


18 Metgesisnns in Umerila 


genommen ven „Auffihtspreniger”), nimmt deren Berichte, jowie den Bericht Des Kredigers 
,‚ verwaltet —— Finanzen und das Eigentum der Gemeinde. beitimmtt dem 

Gehalt des Hirebigers, vw. f. w. Tamit den Angelegenbeitten der Gemeine tcuuz den 
„Kuohlthätigleitsanftalten die gebübrende Aufmerkjmten gerbentt werde, met x am 
gg der (Hemeindeglieder Ausſchüſſe für 1. Mifionen; 2. Kirchenbau⸗ Sem⸗ 

4. Zraftate; 5. über; 9 Prebigenpot 6. Grriebungsiaube; © . Geiellichert rar be 


——— der vierteljährlichen — en werde Der Voerſtand eder Die 
führer: und Verwalter-Verſammlung berichtet auch bezüglich kcanter eder Fm;sehl 
bebürftiger Glieder und empfieblt Probeglieder zur Auinahme in volle Verbindung (Rt 
" 96- 102). Je 20-50 Gemeinden bilden einen Diftrikt. über melden Der „Vor 
tehende Aileſte“ die Aufficht führt, und 2—6 Tirkrikte buden eime „Jübtlihe Kowferem;“. 
(Die Diftriktsfonferenzen, AUS SS 92 And zumeift eingegangen) Tivielbe buiecht mer 
aus Weifepredigern und verſammelt ſich jäbrfüch unter Dem Torfige eines Biden. Sie 
nimmt Prediger auf, prüft den Charakter jedes Predigers, — jur Trdinatien uber: 
20 ud ettvaige Rlagen gegen Pretiger, but Tisziplimargerult über dieieiben, mm Pie 
Jerichte derfelben ſowie alle währen des Jahres für moebltbürige Zwecke emmzapmanımen 
(Helder entgegen, flihrt die Aufficht über exwaige Konferenzinisulten wie we Schulen, Baijen⸗ 
dufer, Dialoniffenanftaltn uw ſ. w. und an ber Konferenz, min der Bokber jedem 
Irediner fein Arbeitsfeld für das kommende Jabt an (RC S 69-35. Te Geumnal- 
PR fonfereng, Die nö geiehgebente Beborde, verkummelt uch ale + \abre und beitebe mes 
Predigern (je ein Delegat auf 45 Glieder einer jährlichen Konferenz) und aus der gleichen 
Inabl von Laien. Die Laiewertretung wurde erit 1872 eingefübrt; ;werk nur > Laien 
aus dem (Nebiete jeder jährlichen Konferem, tea 1900 gleiche Vertretung Dir Laien⸗ 
delegaten werden von einer Laienwabikonferenz erwäblt, welche aus je eimem Xertreter 
mw ana jeder vierteljährlichen Konferenz beitebt, und ſich am jelben Urt und zur ſeiben 
berfanmmelt wie die betreffende, ver Generalkonjerenʒ unmittelbur vorangebende jbruche 
Konferenz. Die Biſchoöfe führen abwechſelnd den Vorſiz, baben aber fein Stimmrecht. 
Die Generalkonferenz bat volle Macht, Regeln und Berortmungen für die Kirche zu er: 
ni mit Ausnahme einiger Eimkbräntungen die Glaubensartifdl, Das Bixbersumt, Die 
Inemeinen Kegeln” u. j. w. betreifene. Ewaige fonititutienelle Anderungen wien 
—*— zwei Drittel Stimmenmebrbeit der Generalfonferenz beſchloſſen und vum Nitiaben 
Munferengen zur Ratifilation vorgelegt werden, und berinien eine trei Viertel Stimmmen- 
aneteheit aller Glieder der jährlichen Konferenzen, um ın Kraft zu rain De Gemeral⸗ 
konferenz erwäblt die Binböle, die Redakteure ver offiziellen Zeitkbriften, die Buacheurmulter 
und bie Zefretäre der Woblibatigkeitsanftalten und führt die Aufficht über die akgemeinen 
kirchlichen Anftaltım (RT SS 5368). 

(Hliederfhaft. Die Aufnabme in die volle Verbindung geſchiebt nmach ver 
mindeſtens jechsmonatlihen Probezeit auf Empfeblung des Aakfubrers und des Kirchen⸗ 
borftandes, Die jünlihe Metbodiftenkirche bat tie Probezeit ganz abgeichafft Die ge 

an Inuften Rinder von Gliedern der Kirche find ven Probegliedern gleich geitellt un? foumen, 
„wenn fie ein binreihentes Alter erreiht buben, die Verbinplichleiten der Religien zu 
verfichen, und Beweiſe von Herzensitömmigfeit geben, auf die Empreblung eines Nübrers, 
j en Hlafle fie mindeſſens 6 Monate bejucht baben, als volle Glieder in vie Kirche 
ufgenommen werben, indem fie öffentlich vor der Gemeine ſich zu dem Taumbunde be- 

ZU —* und die Frage über Lebre und Kirchenordnung bejabend brantieerten“ (RES 47). 
nfirmationspraris int im Metbodismus nicht belamnt, doch ſind Die Prediger ungeioiien, 
die getauften Kinder, „jobald fie 10 Jabre alt find, in beſondere Klaften einzuteilen und 
Diefelben über ; Diejenigen Wabrbeiten zu unterrichten, welche notwendig find, um weiſe zu 
machen zur Seligkeit“ (RT S 16). In den deutichen Gemeinden wird regelmaͤßig 
1 Ratebismusunterribt erteilt, welcher mit einer öffentlichen Prüfung ſchließt. Die Auf⸗ 
nahme der Katechumenen als volle Glieder der Kirche ift aber nicht immer mit der Ent: 
laffung aus dem Heligionsunterriht verbunden. Tie Forderungen, weldx an die Older 
gettellt twerten, find in ten ven Wesley aufgeftellten und ven ber Gneraltentereng nicht 
zu widerrufenden „gemeinen Regeln” entbalten (RT SI 26-33). Die Gruntforkerung 

it „ein Berlangen, dem zukünftigen Zom zu entflieben und von Sũnden vrlöft zu werben,“ 


Methodismns in Amerika 19 


und demgemäß lauten die Fragen, weldhe an foldye Perfonen gejtellt werben, die fih auf 
Probe anzuschließen wünſchen: 1. Habt ihr ein ernjtes Verlangen, von euren Sünden 
erlöjt zu werden? 2. Wollt ihr alles, mas den Lehren des Wortes Gottes zumider tft, 
meiden, und euch beitreben, ein beiliges Xeben zu führen und die Gebote Gottes zu halten? 
3. Seid ihr entichloffen, den ehrerbietigen Gebrauch der Gnadenmittel, die Predigt des 5 
göttlichen Worte und das verborgene und öffentliche Gebet gewiſſenhaft zu beobachten?” 
(KO S 444.) An die in volle Verbindung aufzunehmenden Probeglieder werden die 
folgenden ragen geitellt: „1. Erneuert ihr in der Öegentvart Gottes und diejer Gemeinde 
das feierliche Berfprechen, welches im Taufbunde enthalten ift? Beitätigt und bekräftigt 
ihr dasfelbe und erfennet ihr eure Verpflichtung an, diefen Bund treu zu beobachten und 10 
zu halten? 2. Befiget ihr feligmachenden Glauben an den Herrn Jeſum Chriſtum? 
(Antwort: Ich glaube es Auberfichtlich) 3. Glaubet ihr an die Lehren der beiligen 
Schrift, wie fie in den Glaubensartifeln der Bild. Meth. K. enthalten find? 4. Wollt 
ihr bereitwillig euch den Regeln der Biſch. Meth. K. untertwerfen, die Verordnungen 
Gottes heilig halten und euch beftreben, jo viel an euch ift, das Wohl eurer Brüder und ı5 
die Ausbreitung des Reiches Chrifti zu befördern? 5. Wollt ihr von eurer irdischen Habe 
nah eurem Vermögen zur Unterftügung des Evangeliums und der verſchiedenen wohl— 
tbätigen Anftalten der Kirche beitragen?” (RD 8 445.) Wünſcht ein Glied fich mit 
einer anderen Gemeinde zu vereinigen, jo foll der Prediger ihm einen Gliederichein 
ausftellen, auf Grund deſſen der Betreffende in irgend einer Methodiftengemeinde, mo er 20 
denfelben abgiebt, ald Glied aufgenommen wird (KG 41—55). Das Sircheneigentum 
wird von einem „Trustee-Board“ (nicht weniger als 3, nicht mehr ald 9 Perſonen) ver- 
iwaltet, der gefeglich inforporiert ift und das Eigentum in trust für die betreffende 
Gemeinde eignet (KO 8 299— 320). Die Sorge für den finanziellen Haushalt liegt in 
änden der „Verwalter“ Stewards (nicht weniger als 3, nicht mehr als 13). An 
einigen Gemeinden werden die Kirchenbänfe vermietet, in den meilten unterbreiten die 
Verwalter der Gemeinde jährlich einen Überjchlag über die nötigen Ausgaben wie Prediger: 
gebalt, Heizung, Beleuchtung, Reparaturen des Kirchengebäudes, Kirchendiener, Organiit 
u. |. tv. und fragen jedes Glied perfünlich, wie viel es in wöchentlichen, monatlichen oder 
bierteljährlichen eiträgen beizufteuern millens ift (RO S 276—291). 30 
Das Predigtamt. Es werden zwei Klafjen von Predigern unterjchieden: 1. Lokal⸗ 
prediger, d. h. Zaren, welche ihrem irdischen Berufe folgen und daneben predigen, ohne 
bejondere Vergütung zu empfangen; 2. Neifeprediger, welche ihre ganze Zeit dem Dienfte 
der Kirche widmen und Glieder einer jährlichen Konferenz find. Lokalprediger werden 
von ihrer vierteljäbrlichen Konferenz, nachdem fie über Lehre und Kirchenordnung geprüft 85 
worden find, eingejegt. Während der eriten 4 Jahre müffen fie jährlich eine Brüfung über 
einen von den Bifchöfen vorgejchriebenen Studienkurſus ablegen, und ihre Licenz muß 
jedes Jahr erneuert werden. Wenn es die jährliche Konferenz für gut findet, fünnen 
fie auch ordiniert werden, nach vierjähriger Amtszeit als Diafone, nach achtjähriger als 
Altefte (KO SS 196—202, 165, 168). — Die Bedingungen zur Aufnahme in das Reife: 40 
predigtamt find: 1. eine Empfehlung ſeitens ciner vierteljährlichen Konferenz; 2. Ablegen 
einer Prüfung; 3. eine mindeltens zweijährige Probezeit. Ohne die Empfehlung einer 
vierteljährlichen Konferenz, in welcher Charakter, Yrömmigfeit, Gaben und ° üßlichteit des 
Kandidaten berüdfichtigt werden, darf feine jährliche Konferenz jemanden auf Probe auf: 
nehmen. Dadurch liegt die Beitimmung, wer die Fünftigen Prediger der Kirche fein jollen, 45 
in Händen der Gemeinden. Das Hauptgeiwicht wird auf die perfünliche Frömmigkeit ge: 
legt, ſowie auf die Überzeugung des Kandidaten, einen göttlihen Ruf zum Predigtante 
zu baben, tie aus 8 103 der KO hervorgeht: „Um diejenigen zu prüfen, welche glauben, 
vom heiligen Geift zum Predigen angetrieben zu fern, Stelle man folgende Fragen: 
1. Kennen fie Gott als einen Sünden vergebenden Gott? Mohnt die Liebe Gottes in 50 
ihnen? Berlangen fie nichts als Gott allein? Sind fie heilig in ihrem Lebenswandel? 
2. Haben fie Gaben ſowohl ald Gnade zu dem Werke? Haben fie in einem hinreichen- 
den Grade, Tlaren, gefunden Verſtand, richtiges Urteil in göttlihen Dingen, richtige Be: 
griffe von dem Seligwerden durch den Glauben? Hat ihnen Gott irgend einen Grad 
von Beredſamkeit gegeben? Sprechen fie richtig, fließend, deutlich? 3. Sind irgend 55 
welche Perjonen durch ihr Predigen wahrbaft von ihren Sünden überzeugt und zu Gott 
befehrt worden, und werden die Gläubigen durch dasfelbige erbaut? Wo dieje Kenn: 
zeihen bei einem Menfchen vorhanden find, da glauben wir, daß derfelbe von Gott zum 
Predigen berufen ft. Wir erkennen diefelben an, als genügenden Beweis, daß er vom 
bl. Geiſte angetrieben tmird.” — Theologische Schulbildung wird nicht unbedingt ge= 60 
D *r 


20 Methodismus in Amerika 


fatal, Feb nal rs 531 fur. den Nandidaten Den Beſuch eines theologiſchen 
ma N Mebanı 7 Shen, tt den einzelnen Monferenzen bleibt es überlaſſen, 
tal plunttı geraten Al Mei ll Ciniae Neonferenien nehmen feinen Randidaten 
th, Bun hehe anmelden ae et und aitliche Ausbildung ausweiſen kann. Die einzige 
n Uu oleygsheln  nslınf ten tu, unlbiherie ſeaneraltenferenz verlangt, iſt Abſolvieren eines von 
ren Maybaten Yahgnditae —tuütnutkurius wabhrend Der eriten 4 Jabre des Predigtamtes 
Von nen ont vn jihrliben Weanierenz buitimmten Prüfungskommiſſion. Auf Grund 
enter atiiiget ange ven men Hweloatichen Seminar kann Der Kandidat von dieſem 
ram ellünten eren mit Manabme Der Prufung in Yebre und Kirchenordnung (RT 
ra Unlang hr Je mrijſenſchaitliche Korbildung Der Prediger iſt demnach | je nach den 
„Jiteruiiden Dei eintelnen Mentferensert eine ſehr verſchiedene. Es liegt jedech im eigenen 
‚terene Br Uaunttalen, ſich eine moglichiſt umfaſſende Vorbildung anzueignen, Da der 
Katie der ehe much die böheren Stellen Dem weniger Gebildeten oder Berabigten ver: 
ſchleſſen bleiben yes Glied einer jabrlichen Konierenz bat Das Rechz auf eine An— 
1. Hell, die Konierenz kann demnach nur je viele Kandidaten aumehmen, wie Ste offene 
Hiellen bat Tie KAeiſtimmung rs Arbeitsfeldes jedes Prediaers lest ausſchließlich in 
Bent Handen des Arichrte; Die Aeſtimmung Des Gebhaltes it Der änidnen Sencinde an: 
benngeltshlt Eine Gehäaltijtala eriſtiert nicht, ſo daß in Mieter Besichanz Schr große 
Umteiſchiede erijtieren. Gemeinden in neuen Anliedelungen adır in surzerzsiten Teilen 
sten Gröoßſtadien, die ſiebt einen Prediger erbalten fonnen + Meteor Gegenſatz zu 
elbſterhaltenden GGememden“) erhalten Zuſchuß aus der Wrtinsti -- Nebſt Den 
enheliwen“ Predigern unterſcheidet man „Nupermuimerterti . 2.27.5224 Mi zus (elund: 
hpeiteruchſichten ein oder mehrere Jahre fang Arber A * > San Gebalt 


beziehen NSS 10h, und uperannuierte Sr zurezmon. ( Tee legteren 


en et.» nn m — m. 


ade De Witwen und Waiſen Der pirtierpimm hreh2z manz ze ie NI Konferenz 


zur Keriugung ſtehenden Mitteln Reiner:tac De Da2257 Te NIT ααÚœ Kellekten 
eine PRenſion., Die aber bieber noch ſehr RN NT FIT SG ꝛerder energiſche 
Aninengungen zur beſſeren Bertot; ung DU PELT Po FLUR Zu: Pr Ze BEE Zn amaub —X 195). 
Eo werden zwei ordines und fer rt 7uabrige? Ticenjtzeit; 
an haben das Recht zu taufen, au trauen met db— Adendmables su aſſiſtieren 
Nds 88 8163 16%, Il). > Alret my Dome NL SS 166 217 , 130). 
Tıe Bichofe find Alteſte, Diva. are en re gewäblt und gewribt 
werten ING SS 171, Hi 23: 
Die hochſien Beartier oo N vLebenszeit (das einzige 
= Iebenslanglide Ant 8 N | mise werden don Dir: 
jelben Beberde beitem N ° NEE DE (Hebiet 
der Mirde bereitet . der Verſitz (zweimal 
—B En En erlan für das 
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kommende halb, “ Ru Arppellation 
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An iM ner f ni: \ ” " de vt verpflichtet, 
Arbeiter NN ne deruckſichtigen 
div Beirellum v. EEE NN 9 Die dor: 
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ſtebenden I ee xt der Nonferen. 
1 stellung ER PP IN Bleiben; im Jabre 
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I a „acbeben, jo daß os 
Die — * Gmeinbe zu ſenden. 
NT a NN ‚Ne Prediger kann der 
„0 Auf ra ODE xaılture, Evangeliſten, 
SM J sd Ateften werden vom 
—R* —W on . und führen Die Aufſicht 
za! Nies \ j we den Diſtrikt regelmäß 
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yLauı * no. 8 

Nr . | Ss ielgende Überficht erſtreckt 


RR FO W WM diejenigen der anderen 


Methodismus in Amerika 21 
3338 ſchon erwähnt ſind und ſie in ihrer Organiſation denjenigen der Hauptzweige 
gleichen. 


1. Die Miſſionsgeſellſchaft. — J. M. Reid, Missions and Missionary Society of 
the M. E. Ch. Revised and Extended by J. T. Gracey, 3 vols. — Annual Report of the 
Mise. Soc. — Die Beitichriften Gospel in all Lands und World Wide Missions. — 6 

Die Gefelliehak wurde 1819 zu New-York gegründet, befonders zum Zwecke der 
Indianermiffion. Im erften Jahre nahm fie 823 Dollar ein. Sie ift ala „Geſellſchaft“ 
inforporiert, ift aber nicht ein Privatunternehmen, fondern fteht unter Leitung der General: 
fonferenz. Jeder Prediger ift verpflichtet, mindeitens einmal im Jahre über Miffton zu 
predigen, jeden Monat eine Mifftonsbetitunde ahzuhauen im Verein mit dem von ſeiner 10 
vierteljährlichen Konferenz eingeſetzten Komitee über Miſſionen für die Verbreitung von 
Miſſionslitteratur zu ſorgen und perſönlich oder durch Kollektoren Beiträge zu ſammeln 
(RO SS 368-372), Dem PVorftehenden Älteiten liegt es befonders ob, darauf zu fehen, 
daß dieſe Anordnungen ausgeführt werden (KO 88 366, 367). In allen Sonntags- 
ſchulen ſollen Miffionsgejellichaften organifiert und jeden Monat eine Miſſionskollekte 15 
erhoben werden ($ 374). Mit der Verwaltung der Gejellichaft, deren Sig in New-York 
ift, find betraut zwei von der Generallonferenz auf je 4 Jahre (zumeift Wiedertvahl) ge- 
wählte Sefretäre (jet Dr. U. B. Leonard und 9. k Carroll), ferner ein aus Predigern 
und Laien beitebender Verwaltungsrat (Board of Managers), der fih jeden Monat 
verjammelt, und fchliepli da® General Missionary Committee, das alle Jahre zu: 20 
fammentritt. Letzteres beiteht aus den Sekretären, dem Schatmeijter, fämtlichen Bifchöfen, 
12 Wertretern der Verwaltungsrates und je einem Vertreter jedes Generallonferenz- 
diſtrikts (die jährlichen Konferenzen find in „Generaltonferenzdiftrifte gruppiert; die 
deutfchen Konferenzen bilden einen Diſtrikt). Das Komitee ift die höchite Miffionsbehörde, 
es enticheidet, in welchen Feldern Miſſion betrieben werden joll und beitimmt jedes Jahr 26 
die Oelbbersiligungen für jedes einzelne Feld fomohl im ausländifchen, wie im ein- 
beimifchen Werk, da beide Gebiete unter einer Leitung Stehen (RD SS 350—374). Im 
Sabre 1901 betrugen die Einnahmen 1345297 Dollar, für das einheimische Werk wurden 
bewilligt 495297, für das ausländifche 683942 Dollar, für Verwaltungskoſten, Aus: 
jendung von Miffionaren, Verbreitung von Miffionslitteratur, unvorhergefehene Ausgaben 30 
166058 Dollar. Das einheimische Miſſionswerk umfaßt außer dem Werke unter der 
englifchredenden Bevölferung in neuen Yandesteilen der meitlichen Staaten und der Groß: 
ftädte, dag Merk unter der Negerbevölkerung der Südftaaten, fowie unter Indianern, 
Chinefen, Japaneſen, Finnländern, Vortugiefen, Böhmen und Ungarn, Franzofen, Stalienern, 
Epaniern, Welſchen (Welsh), Nortwegen, Dänen, Schweden, Deutichen. Die ausländifchen s5 
Miffionen find folgende: 1. Afrika, begonnen 1833, bat 3 Konferenzen, Liberia, Welt: 
Gentral:Afrita an der Weitküfte füdlihb vom Aquator, und Oſt-Central-Afrika nördlich 
von Transvaal, 37 Miffionare (ſtets einfchlieglich der von der Frauenmiſſionsgeſellſchaft 
ausgefandten Frauen), 7665 lieder (volle Glieder und Probeglieder), Bewilligun 
40000 Dollar. Das Werk in Afrika ſteht unter Leitung von Miſſionsbiſchof X. Harkell. 40 
— 2. Eüdamerifa, begonnen 1836, 2 Konferenzen, die ſüdamerikaniſche in Brafilien, Argen- 
tinien, Uruguai und die meftlich-füdamertlanische in Chili und Ecuador, 54 Mifftonare, 
4984 Glieder, Bewilligung 79167 Dollar. — 3. China, begonnen 1847, 5 Konferenzen, 
115 Miffionare, 25081 Glieder, Bewilligung 126630 Dollar. Die Generaltonferenz 
beftimmte Shanghai als regelmäßigen Biihofsfis, Biſchof D. H. Moore hat die Aufficht. as 
— 4. Indien, Begonnen 1856, 5 Konferenzen, 153 Miffionare, 94488 Glieder, Be: 
willigung 149589 Dollar. Das Merk Steht unter Aufficht der drei Miffionsbifchöfe, 
Thoburn, Barker und Warne. — 5. Japan, begonnen 1872, 47 Miffionare, 5620 Glieder, 
Bernilligung 54000 Tollar. — 6. Merito, begonnen 1873, 15 Mifftonare, 5155 Glieder, 
Bervilligung 51586 Dollar. — 7. Malayfien, begonnen 1885, 34 Miffionare, 775 lie: 50 
der, Bewilligung 25981 Dollar. Schließt auch das Werk auf den Philippinen ein, mo 
nun 3 Miffionare ftehen. — 8. Korea, begonnen 1885, 26 Miffionare, 3897 lieber, 
Berrilligung 23000 Dollar. — Unter Zeitung der Gefellichaft fteht auch das Werk in 
Europa. TDeutfchland, begonnen 1849 durb Dr. L. S. Jacoby, 2 Konferenzen mit 
148 Predigern, 18678 Gliedern, einer Predigerfchule zu —** a. M. Martins 66 
Miſſionshaus) und Buchgeſchäft zu Bremen (Verlag des Traktathauſes), Bewilligung 
35 700 Dollar ſiche Jacoby, Geſchichte des amerikaniſchen Methodismus, ©. 248 ff., 
Bremen 1870; H. Mann, Jacoby und ſeine Mitarbeiter, Bremen 1892; „Der Evangeliſt“, 
wöchentliches Organ der Biſch. Meth. Kirche in Deutſchland, Bremen ſeit 1850). — 
Schweiz, begonnen 1856, 50 Prediger, 8420 Glieder, Buchgeſchäft in Zürich (Chriſtliche co 


44 Methoedis ans in Amerils 


Vereisehusdkantlung,, Serilligung :27: Tcllar ınee Pcrer. Geichichte Der Biſch. Meth. 
Hudı in ver Tan, Zundb I*72; „Zar Simmern Evangeli. Jim ſeit 1893). — 
Yon, kennen 1773, 99 Frediger, 953 Glieder, Barilligung 11600 Tollar. 
ehineren, beaennen 1854, 11% Trekiger, 16352 Glieder, Bartllunung 1500 Dollar. 
# Lau⸗murt, begonnen 1857, 22 Prediger, 3440 Glieder, Bewilligung 7000 Dollar. 
Aunlant, beaunnen 1588, 9 Prrediger, 955 Glierer, Bewilligung 5200 Dollar. — 
ulgarıen, begunnen 1857, 15 Prediger, 241 Glieder, Bewilligung 78368 Tollar. — 
‚alien, beaunnen 1870, 30 Prediger, 2325 (lieder, Barilligung 15 0043 Dollar. Das 
euzspalde Kerl ft unter Aufliht von Bilhot N. H. Vincent, webnbaft in Zürich, 
it Zdreiz (non der (denerallonferen, von 1900 ale Biihorsntg beitimmt. — Außer dieſer 
Miſſiunaguciellſchaft beitehen noch zwei weitere unter Den Frauen der Kirche, eine für 
“yimästiae Hliffion, die Woman’s Foreign Missionary Society, und eine für ein- 
heiumniſche Milfion, die Woman’s Home Missionary Society. (ritere wurde 1869 
zu Bolton gegründet von einigen aus Indien zurückgekebrten Miifionaröfrauen, um die den 
„ Millionaren unzugänglichen, in den Zenanas eingeichlofienen ‚rauen Indiens zu erreichen. 
1972 wurde fie von der Generalkonferenz anerlannt. Sie bat einen von rauen ge- 
leitelen Uerwaltungsrat, die Veſtimmung der Arbeitsfelder jowie Die Geldbewilligungen 
unterliegen jedoch der Beftätigung des Allgemeinen Miſſionskomitees (KT S 375; M. ©. 
Atheclen, Ihe Woman’s Foreign Missionary Society, 1881; F. 3. Baler, Story of 
the Womun’n F, M. 8. 1896). Die Geſellſchaft zäblt jegt 6469 Lokalvereine mit 
hans Mitgliedern, darunter 282 deutfche Vereine mit 6490 Gliedern (f. 31. Jahres⸗ 
besuht Inn IH00), Sie unterbält 219 Miffionarinnen, zumeiit in Indien, China und 
dapan, von denen 21 geprüfte Arztinnen find; außerdem über 1000 eingeborene Bibel: 
ten Sie beſitzt 19 Spitäler und Kliniken und unterrichtet über 18000 Schüler in 
llren Zchulen. Im Jahre 1900 wurden 414531 Tollar gelammelt; außerdem will die 
(Geſellſchaft ein befonderes 20. Jahrhundert-Dankopfer von 200 000 Tollar fammeln. Sie 
puhltglert 1 sjeltfehriften, Davon eine in deutfcher Sprache, „Der Frauen-Miſſions-Freund“. 
Te Frauen Geſellſchaft für einbeimifche Miſſion befteht fett 1880. Ihr Zweck iſt 
Iefenteene unter den bebürftigen und vertwahrloften Frauen und Kindern in den Ber: 
gen 7aaten ohne Anterfchied der Raſſe oder Nationalität zu arbeiten. Ihre Ein: 
mbmme im Juhre 19000 betrug 210911 Dollar; der Wert ihrer Gebäulichkeiten (Induſtrie⸗ 
ſchulen, Ambergurten, Spitäler) beläuft fih auf 737712 Dollar. 
te Geſamtſtatiſtik des auswärtigen Miſſionsweſens ift: 265 Miffionare, 225 Frauen 
vn Miſſſtonaren, 68 unverbeiratete Miſſionare, 219 Miffionarinnen der Frauen-Geſell⸗ 
0 hal, 1221 eingeborene Delferinnen der rauen: Mifftonsgefellichaft, 831 eingeborene or: 
lnerle Prediger, TON eingeborene unordinierte Prediger, 1384 eingeborene Lehrer, 2829 
vlnyebimene Vokalprediger, Nolporteure, Bibelboten, 182957 Glieder, 8024 Taufen von 
UArmiibſenen, HEHE Jauſen von Rindern, 13 tbeologifche Schulen mit 48 Lehrern und 
ET flat, 68 böbere Schulen mit 182 Yehrern und 6861 Zöglingen, 1344 Tages: 
so ſchulen milt 2570 abnilern, 1902 Sonntagoſchulen mit 201908 Schülern, 1174 Kirchen 
te Mupellen im Mert von 35633 151 Dollar, 914 gemietete Säle, 576 Miffionsgebäude 
(omas un Merte don LORGNNO Dollar, Waiſenhäuſer, Schulen, Spitäler, Drudereien 
im MWerte don IGPHORG Dollar, Geſamtwert des Milftonseigentums nah Abzug der 
Zibulden 1768 Dollar (82T Annual Report of the Miss. Soc. 1901). Be 
3 ſondere Vorbereitungſchuülen für Miſſionare eriftieren nicht (doch fiebe unten die Scarritt 
Bible Nehooh. Pie Miſſionare werden aus den Neiben der Neifeprediger genommen. 
„Nei jeder jahrlichen Konſerenz ſoll man Diejenigen, welche auf Probe oder in volle 
Verbindung auſſenommen werden, fragen, ob fie willig find, ſich dem Miſſionswerk zu 
widmen. Alle, welche ſich hierzu bereit erllären, ſollen als willig und bereit angeſehen 
werden, ſich als Miſſionare anſtellen zu laſſen, ſobald einer der Biſchöfe ſie zum Mifftons- 
dienſte beruft” (NOS In. 

Die Miſſionogeſellſchaſt der füdlichen Mietbodiften wurde 1846 gegründet. Ihre 
Einnahme im Jahre 1900 betrug 316079 Dollar. Davon wurden bewilligt für 
einbeimiſche Miſſionen 57.997 Dollar, für ausländische 181249 Dollar. Die 
Miſſionoſelder find: China, begonnen 1818, 35 Miffionare (einschließlich der von der 
Frauen Miſſionogeſellſchaft ausgeſandten), 957 Glieder, Bewilligung 33416 Dollar. — 
Brafilien, begonnen 1871, 25 Mifftonare, 2785 Glieder, Bewilligung 36800 Dollar. — 
Meriko, begonnen 1871, 33 Nonferenzen, 93 Miſſionare, 5788 Glieder, Bewilligung 
6577 Dollar. © Japan, begonnen 1886, 20 Miffionare, 688 Glieder, Bewilligung 
60 3362501 Dollar Korea, begonnen 1896, 8 Miffionare, 242 Glieder, Bewilligung 


€ 


= 
oO 


Methodismng in Amerika 23 


10802 Dollar. — Cuba, begonnen 1872, 10 Miffionare, 499 Glieder, Bewilligung 
11400 Dollar. — Die Frauengefellihaft für auswärtige Miffion wurde 1878 gegründet. 
Sie zählt 3420 Lolalvereine mit 72 524 Gliedern, unterhält 50 Miffionarinnen, 166 Lehrer, 
17 Sculinititute (Boarding Schools), 61 Tagesichulen, 2 Spitäler, 60 Bibelfrauen. 
Die Emnahmen, einfchließlidh des bejonderen Dankopfers betrugen 118707 Dollar. 5 
Unter ihrer Leitung iſt auch die Scarritt Bible and Training School in Kanjas 
City, Mo., woſelbſt junge Leute für den einheimijchen und ausländiſchen Miſſionsdienſt 
ausgebildet werden. Die Frauengefellichaft für einheimifche Miffion wurde 1886 ge 
gründet. Sie unterhält 6 Induſtrieſchulen, eine für Cubaner, ftellt Stadtmiffionare an 
und leibt armen Gemeinden Geld zum Bau von Predigerwohnungen. Die Gejamt: 10 
miſſionsſtatiſtik der füdlichen Methodiften ift: 131 Miffionare, 100 eingeborene Reifeprediger, 
312 „Helfer“, 10959 Glieder, 121 Kirchen und Kapellen, 90 Schulen, 2 Bibelichulen, 
6 Spitäler, Geſamtwert des Miffionseigentums 994755 Dollar (f. 55% Annual Report 
Board of Missions 1901 und 234 Annual Report Woman’s Foreign Miss. Soc. 1901). 

Die Kirchenbaugefellihaft (Church Extension Society) wurde 1884 gegründet, um 15 
neu gegründeten, ärmeren Gemeinden das Erbauen von paflenden Kirchengebäuden zu 
ermöglichen. Die Verwaltung ift ähnlich mie die der Miſſionsgeſellſchaft, die Glieder 
des Generalmiſſionskomitees bilden auch die höchite Behörde diefer Geſellſchaft. Bebürftige 
Gemeinden werben durch Gaben unterftüst und auch durch unverzingliche, in Raten 
zurüdzuzablende Darlehen. Der zu letzterem Zweck verfügbare Fond beträgt 2'/. Millionen 20 
Dollar. In jeder Gemeinde wird jährlich eine Kollekte dafür gehoben. Seit Gründung 
der Geſell ha find gegen 7 Millionen eingegangen, womit 11677 Kirchen unterftüßt 
wurden (KO 88 379402). 

Das Diakoniſſenwerk verdankt feine Anregung bauptfächlich dem Diakoniſſenweſen 
Deutſchlands. Seit 1872 wurde die Angele enbeit in den Zeitſchriften erörtert, doch erft 25 
im Sabre 1886 wurden die eriten praftiichen Schritte durch den aus Indien urück⸗ 
gekehrten Dr. Thoburn, ſowie durch * L. Rider Meyer und Fr. Robinſon, die in 
Deutſchland eine Anzahl Diakoniſſenanſtalten beſucht hatte, gethan. 1888 nahm eine 
zu Chicago abgehaltene Konferenz von Freunden des Werkes einen einheitlichen Plan an 
und im Jahre 1900 organiſierte die Generalkonferenz das Diakoniſſenweſen. Die Leitung a0 
liegt in Händen der Bifchöfe, welche die „Allgemeine Diakonifjenbehörde” bilden. Jede 
Konferenz foll eine Behörde von 9 Perjonen, von denen 3 Frauen fein follen, erwählen, 
welche die Aufficht über die in den Grenzen der Konferenz befindlichen Anftalten bat. 
AS Diakonifjen werden Yungfrauen ordiniert, „die das 23. Lebensjahr überfchritten 
baben und von ihrer vierteljährlichen Konferenz oder von dem Vorſtand einer Anftalt 35 
empfohlen find. Sie müfjen 2 Jahre als Probefchweitern gedient und vor der Konferenz: 
behörde eine Prüfung über ihre religiöje Befähigung und ihre Kenntnis in dem von den 
Biſchöfen für Diakoniſſen vorgezeichneten Studienkurſus beftanden haben, ebenfalld ein 
gefundbeitliches Attejt von einem Arzte bringen”. „Keiner Diakoniſſin foll ein Gelübde 
l länglicher Dienſtzeit abgenommen werden, und es ſoll ihr zu jeder Zeit das Recht a0o 
zuſtehen, aus dem Diakoniſſenamt auszutreten.“ Die Dinkoniften find teils Kranten- 
pflegerinnen, teil Gemeindeſchweſtern. „Es jol die Pflicht einer Diakoniffin fein, den 
Armen beizufteben, die Kranken zu pflegen, für die Waifen zu forgen, die Traurigen zu 
tröften, den Berirrten nachzugehen und, indem fie alle anderen Berufsarten einstellt, fich 
diefen und anderen Formen chriftlicher Thätigfeit zu widmen” (KO SS 205—212, An: 6 
bang SS 55, 63). Die Kirche beſitzt jett 73 Diakonifjenanftalten und Spitäler im Werte 
von über 1’, Millionen Dollar. Im ganzen arbeiten 561 Diafonifien. Die be: 
deutendjten Spitäler find in Cincinnati, Brooklyn, Minneapolis, Chicago (ſ. C. Golder, 
Gefchichte der weibl. Diakonie, 1901, ©. 201 ff.), ferner 14 Waifenhäufer und 6 Heimaten 
für alte Leute. In der füdlichen Kirche iſt das Diakoniſſenwerk erft in feinen Anz so 
fängen, doch wird jest in St. Louis, Mo. ein Spital gebaut, infolge eines Legat3 von 
1100000 Dollar. 

Das Erziepungsw erk. — Liebhart, Die Stellung des Methodismus zu geiftiger Aus⸗ 
bildung, 1866; A. Cummings, Early Schools of Methodism, 1866; 8. M. Vail, 
Ministerial Education in the M. E. Church, Bofton 1853. 55 

Die Gründer des Methodismus in England twie in Amerifa waren afademifch ge 
bildete Männer, die den Wert der gelehrten und der Volfsbildung fchäßten und diefelbe 
in den neuen Zändergebieten zu heben verfuchten. Gleich bei ihrem erften Zuſammen— 
treffen beichloffen Coke und Asbury ein Kollege zu gründen, und bald nad) der „Weib: 
nachtskonferenz wurde der Grund zu dem Cokesbury College in der Nähe von 60 


J 


2 Methodismns in Amerika 


Maltionen gelegt Bars Gehäude brmmme 1797 nieder, und als es nach dem Wiederaufbau 
ae bat glelibunn Schnell betroſſen wurde, ba meinten Die vielen Gegner des Schulweſens 
unter Inn. uerigern und den vaien, Darin den Willen Gottes zu erfennen, Daß ber 
melleriemue anebt beraten ſei, Schulen zu gründen. Im Sabre 1818 madıte man in 
Ya hunphlie ben Kerſuch sin Seminar zu gründen, und im Jahre 1820 empfahl die 
Wenallunlerenm die Anlage  boberer Schulen. Nun entitanden in rafcher ;yolge 
listen Wellen und Univerſitäten. Gegen theologiſche Schulen berrichten lange 
bel Rorurleile. da man befuürchtete, dieſelben — Irrlebren erzeugen oder doch 
kan Verenoframinigleit binderlich fein, indem ſie verltandeamäßiges Wiſſen für wabre 
Vonniiglen ſüſunerten Nach beitiger Uppoittion wurde 1847 Das Methodist General 
Milliead Inntitnte au Coneord. New sumpiire begonnen. welches ſpäter nach Boſton 
verhar und die theolegudde Falulta: der Boston University wurde, im Jabre 1855 
ſelaen die wentiden Keniewnzen ut Ser Erundunag des Garrett Biblical Institute 
nen ber odieaae es: die tesinsiche nfulsst der Northwestern University 


und u AMT txI NN Drew Theviogieal Seminarv :u Madiſon, N. J. in 
Nu Navy Nas Paten I Daye Nuns rs Seen 22 zen einer balben Willien Dollar 


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' RER ve yoraahn —— werden auf Anregung rn Büchof Hurſt 
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\owtooy Pre Wie Netrodismus beteiligen. Tietelbe ĩoll jedech erit er: 

ren. Ne even digen sebauden ein Fonds ven mindeiten® 5 Willionen 

Ya giindunssipelen Tteht unter Yeitung eines von der General⸗ 

N Cisit Senate“, melder Das Minimum Der in den kirchlichen 

ra. Nase. tse beitmmt, ımd Bea Board of Education mit einem 

an in fer Erziebungsſache widmet. Tiefe Behörde verwaltet den 

oo nanyn Surnsbedurftige Studenten unterſtützt werden, indem jiv un: 

Yo niisfsunäblende Anleihen erhalten. In jeder Gemeinde und 

a — ine Kollekte zu Dielen Zwecke erboben (NT SS 331 -334. 

V. .. . New an the Board of Education 1901. — „Ihe Christian Student“, 

a! che Board of Education. — Tie Programme und \abrbücher Der 
N a —V— 

heeſen wird ebenfalls große Beachtung geſchenkt, mas um jo not— 


as on din Wollsichulen fein Bibel: oder Religionsunterricht ſtattfindet. Die 

ne inet onntagsſchulweſens unterttebt einem von der Generalkonferenz er: 

© 91 hand Velten auch Die umfjaſſende für Lebrer und Schüler herausgegebene 
ah nett AND S 313. 3199. Der frübere Sekretär, Dr. (jetzt Biſchof) 
su rranitallet am Chautaugua-Zve im Ztante New York während Des Zomnierg 
Yin ut onntagoſchullehrer, woraus ſich Die große, alle Kirchen in den verfchiedenen 
iyrenaatiden umfaſſende Chautauqua Bewegung mit ibren Zommerichulen (im Jabre 1900 
\wemblioa®) und Leſekurſen (uber 260000 Teilnehmer) entwidelt bat, welche ala 
von tenbung Aunfter Der amerikaniſchen Volksbildung anerfannt wird (1. J. 9. Vincent, 
Kl O'huutanıua Movement, N. V. 1886. „The Chautauquan”, Gleveland, Obio, 
Wenuehluun. „Un Bildung und wahre Frömmigkeit unter den jüngeren Yeuten in 


Methodismus in Amerika Methodins . 25 


unferen Gemeinden zu fördern und fie zu chriftlicher Thätigleit heranzubilden” (KO 8 329), 
dient auch der Jugendbund oder Epworth League (jo genannt nad) dem Geburtsorte 
Wesleys), welcher 1889 gegründet und 1892 von ver Generalfonferenz anerfannt wurde 
(KO 8 339—342). Er zählt jest 20420 Lofalvereine mit gegen 1900000 Mitgliedern. 
Das offizielle Organ ift der wöchentlich erjcheinende Epworth Herald mit über 
100000 Abonnenten. Alle 2 Jahre hält der Jugendbund der nördlichen und füblichen 
Kirche und der Methodiften Canadas eine gemeinfame Konvention ab (die Konvention zu 
Can Francisco, California im Juli 1901 hatte eine Teilnehmerlifte von 18841). — Yür 
das Erziehungswerk unter den Negern und auch unter der vernachläffigten weißen Be: 
völlerung der Sübdftaaten befteht ſeit 1866 die „Freedmens’ Aid and Southern 1 
Educational Society.“ Diejelbe unterhält jest 23 Schulen für Neger, darunter das 
Gammon Theological Seminary, und 25 für Weiße. Die meiſten derfelben find 
Induſtrieſchulen. Im Sahre 1900 wurden für diefen Zweck 90625 Dollar verausgabt 
(KO 5 403— 407). Der jebige Sekretär iſt ein Neger. — Die „Traktatgejellichaft”, 
fhon 1817 angeregt, aber erft 1852 von der Generalfonferenz anerkannt, beiteht zu dem 15 

wecke, chriftliche Titteratur unentgeltlich oder zu den billigften Preifen zu verbreiten. Im 

ahre 1899 wurden 24723 Dollar dafür verwandt. Für alle diefe Gefellichaften, die 
unter der Leitung der Generalkonferenz ftehen, ſowie für die interdenominationelle 
„Amerikaniſche Bibelgefellichaft”, wird in jeder Gemeinde jährlich eine Kollefte gehoben. 
— Ende 1898 erließen die Bifchöfe einen Aufruf mit der Aufforderung, den Anfang des 20 
neuen Jahrhunderts durch eine beiondere Dankopfergabe von 20 Millionen, die bejonderg 
für die Erziehungs- und Wohlthätigkeitsanftalten, forwie zur Abtragung von Kirchen: 
ſchulden beitimmt fein foll, zu bezeichnen. Bon diefer Summe find bis November 1901 
gegen 13 Millionen in baar eingegangen oder in Unterjchriften gefichert. 

Buchweſen. Fünf Jahre nah der Organifation der Kirche gründete die General: 25 
fonferenz ein kirchliches Buchgefchäft. Der erite „Book Steward“, %. Dickins fing das 
Geſchäft in Philadelphia mit einem geborgten Kapital von 600 Dollar an. Das erite 
Buch, das verlegt wurde, war die Mesleyiche Bearbeitung von Kempis Nachfolge Jeſu. 
Im Jahre 1804 wurde das Geſchäft nach New-York verlegt, im Jahre 1820 wurde ein 
— in Cincinnati, Ohio gegründet, und aus dieſen Anfängen bat ſich das Methodist 80 

ook Concern, das größte Tirchliche Verlagshaus in Amerika entwidelt. Die Leitung 
ſteht unter einem von der Generalkonferenz erwählten, meift aus Laien beitehenden Book 
Committee, das aus einem Vertreter für jeden Generalkonferenzdiſtrikt beiteht und fich 
jährlich verfammelt. Es führt die Aufficht über das ganze Buchweſen und beitimmt auch 
die Gehälter der Biichöfe, Redakteure und Publitationsagenten. Die Generaltonferenz 85 
wählt 2 Agenten für das Gefchäft in New-York, jett Eaton & Maine, Zweiggeſchäfte 
in Bojton, Philadelphia, Detroit, San Francisco, und 2 für Cincinnati, jetzt Jennings & Pye, 

weiggeſchäfte in Chicago und Kanjas City (der Verlag der deutfchen Bücher ift mit dem 

eſchäft in Cincinnati verbunden); ſowie die Redakteure der offiziellen Zeitfchriften. Aus 
dem Reingewinn werden die Unkoſten der verſchiedenen Stomiteen bejtritten, die Meife- 40 
toften der Bifchöfe u. ſ. w. Der Überfchuß wird den jährlichen Konferenzen zur Unterftügun 
der fuperannuierten Prediger übertwiefen. Für diefen Zweck wurden vom Bucgefhäft 
egen /, Million beigefteuert. Der Verlagskatalog weiſt über 3000 Titel auf. Die Ber: 
tänfe des öftlichen Gejchäftes betrugen im Sahre 1900 946051 Dollar, dag Vermögen 
1656201 Dollar, die des meitlihen Geſchäftes 1063915 Dollar, das Vermögen 65 
1339906 Dollar. — Die auf Beihluß der Generalfonferenz veröffentlichten offiziellen 
Organe find Methodist Review, eine alle zwei Monate eetheinende theologifche Zeit: 
ichrift, der wöchentliche Christian Advocate (New-NYork), Pittsburg Christian Advocate 
(Bittsburg), Western Christian Advocate (Cincinnati), Northwestern Christian 
Advocate (Chicago), Central Christian Advocate (Kanjas Gity), Pacific Christian 50 
Advocate (Portland, Oregon), Southwestern Christian Advocate (Neiw-Orleang), 
Der Chriftliche Apologete und Haus und Herd. Nebft diefen eriftieren eine Anzahl von 
Lolalblättern, die von einzelnen Konferenzen oder Diftrikten herausgegeben werden. Das 
Buchgeſchäft der füdlichen Methodiften befindet fich zu Naſhville, Tenneflee. 
% 8, Nuelfen:Berea, Ohio. 56 


Methodins, Biichof von Olympus in Lycien, geftorben wahrſcheinlich 311. — Ueber die 
Schriften und Ausgaben des Methodius |. Richardſon. Bibliogr. Synopsis zu Ante-Nic. 
Fathers (Buff. 1887) ©. 75f.; A. Harnad, Geſch. der altchriftl. Litt. bis Eufebius I, 468 ff.; 
G. Krüger, Geſch. d. altchriftl. Litter. in d. erften drei Sahrh. ©. 145 ff.; Bardenhemwer, Patro— 
logie? ©. 154 ff.; Ehrhardt, Die altchrijtl. Litter. und ihre Erforfhung von 1884—1900 vo 


oO 


Nikanind 


been Ir. arib te Ur. 1900 5. 363 7. Te Zumroion 
Yen pen Mu IB, dm Jahre darauf erichten eine Leber: 
vo hellen Amelie Marniine den Anfang von De autexusio ediert (in 
rt Fuhinn oe Bumbeno hat 1614 und 1672 alle von WM. Er: 
arm Mulbsaneh dullvan Auvgube tn 8d TIL der Bibl. vet. patr. aufs 
et tn AN Nena doll. VIE veröffentlichte Fragmente ver: 


I ma haneh an udn IAn meie! Turkarbeitung gab A. Jahn eine 
Met De sen Nor npetich enthält die bis dahin 
el. e..le 2 Nomen uber sunleich eine Deutfche 

J N SON vaaany an) De msurreetione umd einer An- 

u vo dt Tue Drcten 320 einzig ISUlı; hier aud) 
NANNTE VL — Ueberiegungen: 

vn NT N —. 72. WI 18861: ruſiſch von 

Son N N oc. ur 55 ie IUlethodiorum scriptis, 

en . ren 2er Send. ). Bhiloi. VI, 4; 
j 2 >... 8. Scnun DehrB I, 909: 

tn Nr lose Ir. 21:8. Zantom, 

u a N on ser Mami iss: Arud, Togmengejch.? 
, - s saure, rich a ar il. Eschatologie 

No Spez ın Abh. % 7. Corringen geividmet, 

Son... nr. „Mider Die Schem‘ cs dem Armen. 

—R eier. Byz. Litt. 695, 6-7. K. H. van de 


on Non 16015 Soll, Aragm. um. BB ad. 

‚ii: die Apofalnpie des Firzrenerhodius vgl. 

>. tpuf des M. von Batara und Fe wur. Viſionen 

.tende onjfch), Mokau 1007: € SZatur. Subull. 

oa Adde und Die tiburtin, Sibnüe, Sl: ISIS: Fr. 
Ss, Rupie, ZN N N 10), < S. *R3* 

i. war Riſchof au Olvmpus in warn zul Zahn 

.urrit Leontius, oder von Tyrus, mic teron. De 

nu nass, Rev. VII isn], 311 erfları den Irrtum 

.. Zummpus und Phönikus geweſen ſei). EWeinlich 

ot werorden, aber ſicher nicht zu Chalcis ix Wrtechen: 

sand, obwohl er ibn kennt (Hier, ApoL I adv. 

\ ailerdingo unter „anderem Namen) feiner Praepar. 

ME LEN Sijchof don - Ipmpus bezeichnen Bi Me Hand⸗ 

sw VLLT De Berges I Olvmpus gedenft M. selbit De 

stkentt des M. iſt nur das Zrmpofion griechisch voll: 

une Bibl. 237 und Die Saera Parallele), Schon ſein 

onottint zu Platos Sympoſion. Die formelle Abbangigkeit 

veitgebendſte, vgl. Jahn, M. plntonizans (2. Teil teiner 

nad der Arete, Den Ara TS dodaupatas, geladene Jung⸗ 

on Dem Preis der \ungfräulichleit als des Weſens der erſt 

on. Meuabnlihfeit (or. 1) folgt (or. 2) die Betonung der aonlichen 

trade pb 5, 26ff. eigentlich von Chriftus und der Nirche und iſt 

\ de. das Vorzüglichere (or. 9. Sie iſt nach Pf 137 Das beite 

ynsapteit (or. 1), Das große Gelübde des ganzen Menichen Nu 6, 

. Nntibriiell bewahren nad Dit 25, 178. ſich unbefledt zur Vermäblung 

VIvyvnen gilt Hob 2,2.1,99,6, 78, den Märtorern fteben 

—X ab Apk 12, 1 ff. iſt Die Kirche, die als Mutter zur Teilnabme 

en, Dumnb ſeinen freien Willen, denn ein Fatum giebt es nicht, vermag 

Yon ze duhrung Det Fugen u folgen (or. 8) Mit ihr haben wir uns 

“rnit Ye 23, BORD Die Muferitehung, zu ſchmücken (or. 9. Erſt 

Neon abo ine etvneien, Die N lkommene Gerechtigkeit Ko, 8ff., in Die Welt de: 

—1 bließlich vereinigen ſich alle Jungfrauen zu einem Hymnus auf den 

tr. eu. Von De autexusio iſt nur 1- 7, jelbjtitändig griechiſch 

nen 1 unter dem Namen Des Marximus in des Euſebius Praep. 

Vi'““, von wo es Die Philocalia entlebnten, Photius Bibl. 2:36 bietet um— 

un etyie. Die Knera Parallela zahlreiche Fragmente, der Tinten Dre Adaman: 

NV amd Ez me „Wider Die Sekten“ 1, 1.5, 17 2. 29- 168 ff. haben 

riben, eine altflaviiche Überfegung Des 11. Jahrb. es ganz wiedergegeben. Die 


. 
.L” 


ooonbuin haylvı Aberfetung „Bon Gott, von Der Materie und von dem freien Willen” 


yon IAnhall noch deutlicher: der Urſprung des Böſen Das eigentliche Thema. Zwei 


Methodins 27 


Ungeivordene können nicht fein, auch befreit die Annahme einer eiwigen Materie Gott 
nicht von der Urbeberfchaft des Böſen und können die fich mwiberfprechenden Elentente 
nicht aus einer einfachen Urmaterie fich enttwidelt haben (cp. 5—13). Das Böfe, als 
Accidenz muß auf eine Willensthat zurüdgeben. Durch das Verbot Gottes hatte der ein 
Rebell gewordene Teufel die Kenntnis des Böjen erlangt. Gott hat diefen, obwohl feinen 5 
Abfall vorherwiſſend, erfchaffen und hat ihn hernach nicht vertilgt, damit das Gute eine 
freie That fei und fih in Überwindung des Böfen bewähre (14—22). — In eol 
yeynray, wovon nur bei Bhotius Bibl. 235 furze Fragmente, befämpft M. des Drigenes 
Lehre von einer ewigen Weltichöpfung; Gott in feiner Abfolutheit bedarf nicht der Welt, 
um Schöpfer zu fein, und ein Anfang feines Schaffens widerftreitet fo wenig mie fein 10 
thatfächliches ufpören der Unveränderlichleit Gottes. Da einer der Kollofutoren bier 
Xenon heißt, jo fünnte dies der Dialog diefes Namens fein, deſſen Soerates 1. c. ge 
denkt; doch liegt bier fein Widerruf des Angriffs gegen Origened vor. — Gegen diejen 
ift auch die neben dem Sympofion bedeutendſte Schrift des M., Die „über die Auferftehung“ 
gerichtet. Die Verhandlung, in Patara unter dem Vorſitz eines Theophilus, führen für 15 
Drigened ein Arzt Aglaophon und ein Proklus; M. (in feinen Dialogen Eubulius) und 
Memian greifen an. Beſonders des Drigenes Darlegungen in der Erklärung des 1. Pſalms 
werden mitgeteilt (I, 20—24. III, 2—13. 17. 19—22) und durch naturmifjenchaftliche 
Argumente unterftügt I, 9—11. 25. Dem jegt M. neben Gründen aus der Schrift 
logische und naturwiſſenſchaftliche Beweisführung (II, 9—14. 20. 22—24. 26—30) ent: 0 
gegen. Der Leib ift nicht Urfache der Sünde und nicht Strafe für diefelbe, fondern als 
Gottes eigenes Werk zur Unfterblichkeit beſtimmt (I, 29—35). Er ward ſterblich, damit 
die Sünde, die in ihm Wohnung gemadt, durch den Tod wieder völlig ausgetilgt werde, 
wie ein verunftaltetes Bild in feine Elemente zerſchmolzen wird, um es wieder makellos 
berzuftellen (I, 36—46). Gewordenes ift, wie die Engel bemeifen, noch nicht notwendig 26 
vergänglich; auch iſt dag Vergehen der Welt nur ihre Umwandlung, alfo muß nicht der 
Leib mit ihr völlig vergeben (I, 47f.). Nicht leibloſe Engel, fondern „mie die Engel“ 
werden die Auferftandenen fein, bewahrt in ihrer Art (I, 49 ff.). Nur das Tote kann 
auferftehen, die Seele aber ift unſterblich (I, 51, 4ff.). Pi 66 redet nicht von dem Fall 
der Seelen, fondern von den Märtyrer (I, 54ff.). Ebenjo ſchildert Nö 7 nicht den Zu: 30 
ftand vor und nad) Empfang des Leibes (I, 57—II, 8). Durchgehends beftätigt die 
Schrift die Auferftehung des Leibes: 2 Ko 4, 10ff.,5, 1ff. (II, 15f.), auh 1 Ko 15, 50 
(II, 17—19), Ze 23, 39f. (II, 21), 1 Th 4, 16 (II, 21, 4, Io 1. 2 (II, 25). Eme 
MWiderlegung der Schriftgründe des Drigened im einzelnen giebt III, 1—22, worauf 
cp. 23 mit einem Gebet ſchließt. — Auch De resurrectione ijt ganz nur in alt: 86 
jlavifcher, leider gegen Ende immer mehr verkürzend verfahrender Überfegung vorhanden. 
Den griechifchen Tert von I, 20—II, 8 hat Epiphanius durh Aufnahme ın fein Banarion 
haer. 64, 12ff. gerettet. Dazu kommen Excerpte des Photius, Bibl. 234, Fragmente 
in den Sacra Parallela (vgl. Hol 1. ec. 162f.) und in den davon unabhängigen fyri- 
ihen lorilegien, die Verwertung bei Adamantius, die aber bier nicht fo umfangreich w 
und nicht fo tertgetreu ift wie bei De autex. (Die Entlehnungen angegeben bei Bal- 
buyzen ©. XXXVIIIf. und fchon faft fämtliche in meiner Ausgabe [gegen Preufchen Bo IV, 
621, 47]), und von I, 38 ff. in der Gatene des Procopius, ferner durch Juſtinian ad 
Menam, Decumenius, Euftratiug u. a. Wie das Sympofion fo ift auch De resurr. 
(wenigſtens größtenteild) vor De eibis 1, 1 gejchrieben. — Nur drei Fragmente find « 
aus der Schrift gegen Porphyrius erhalten (ex parte hat nach Hier., In Dan opp. V, 
617. 730 M. dem Porphyrius ermidert), fie gewähren aber einen Einblid in die Er- 
löfungslehre de M. — Die Fragmente mit Erklärungen dee M. zu Hiob 9. 25. 
27—29. 38. 40 geben wertvolle Beiträge zu feiner Gnadenlehre. Ganz gering find die 
Fragmente aus nepl uaptiowy bei Theodoret und den Parallela. — Weitere Schriften co 
nur (oder Ioj nur) altjlavisch erhalten. Die Abhandlung „Über das Leben und die 
vernünftige Handlung” will das rechte menſchenwürdige und chriftliche Verhalten in den 
Wechſelfällen des Lebens zeigen; fie iſt noch ſtärker ſtoiſch beeinflußt als die übrigen 
Schriften des M. Ein mehrfah in der alten Kirche erörtertes Thema behandelt die 
Schrift „Über die Unterfcheivung der Speifen und über die junge Kuh, die im Leviticus 56 
erwähnt wird, mit deren Aſche die Sünder befprengt werden.” Op. 1—5 durd eine 
Ausführung über den Segen des Leidens eingeleitet, giebt fie dann eß 6—15 in einer 
Erklärung von Nu 19, 14ff. eine Darlegung über das Weſen wahrer Reinheit und über 
das geiftige Verftändnis der Schrift. Bon der Abhandlung „An Siltelius, Bom Aue- 
jag” bat die Handſchrift Coisl. 294 auch einige griechiſche Fragmente aufbewahrt, die er: 60 


lennen lafien, wu aub bier ber Zlave zer ar WM. zart iep. 1-10 beim. 12), 

daß tu Ancrinungen Des Geiezes über ten Ausis ee Ammeiiunz für die dhriitliche 
% st tele noch (ep. 15 #.: von aner Scrinteridern empfangene 

Aufihlufle tiber me rechte Eregeie, mweriell von 13 J 

6 .joA, welcher in ben Sprichwortern it, und ven Tie Himmel verlünten die Ebre 

Gottes” teuer IH. ven Igel Ir 0, 13%. 124, Ft, auf Die geittige Schlange, Die un: 

Pr Peg re T mM - 

14, 2. Tie Zhrift „Bom Yab”, aut die M. ki ı 

ft verloren. Ebenſo die von Hierowmus, De vir. iD. 53 enmübnten De Pythonyssa 
und bie Kommentare zur Geneſis und zum Hobenlied «über Fragmente Daraus und zu 
den Pſalmen und Habaluk 1. Preuſchen bei Harnack, Litt. Geich. I, 478) und eventuell 
f, 0.) der Tialog Xenon. Über ein im Cod. 1182 saec. 17 des Kloſters Iwiron er- 
mwähntes Verzeichnis von Schritten des M. 1. Tb. Meyer, ZG XI, 156. — Unecht 
find die Heben De Symenne et Anna, In ramos palmarum und die armenifchen 
1 eogmene aus In ascensionem d. n. J. Christi. Über die Revelationes Me- 
u. 

2. Tie Theologie des M. bat zwei Centren und iſt durch ein doppeltes Beſtreben 
haralterifiert: fie will gegen Origenes den altdhriftlihen Realismus aufrecht erbalten und 
andererfeits in einem gewiſſen Anſchluß an jenen durch Asfeje und Kontemplation zu 

2 —* Vollkommenheit anleiten. M. iſt in weitem Umfang von der platoniſchen — 
ormell fo ſehr, daß ſelbſt feine exegetiſchen Abhandlungen zum Teil den Eingang von 
Plato entlehbnen -, aber auch der jtoifehen Philoſophie abhängig und gleich den Aleran: 
drinern glaubt er nur durch allegorifche Schriftauslegung in die Tiefe Ariftlicher Erkennt⸗ 
nis eindringen und zur Vollkommenheit gelangen zu können. Andererſeits bekämpft er 

25 jede Zurückführung des Böſen auf ein materielles Weltſubſtrat, lehnt des Origenes Lehre 
von einer ewigen Weltfhöpfung und von einer Präeriltenz der Seele und deren Ein- 
ferferung in den Yeib ab und vertritt eine wirkliche Auferjtebung des Leibes. Vielleicht 
gehört die Polemik gegen Urigenes mehr der fpäteren Lebenszeit des M. an (anders 
Socrates 1. 0.), aber die gleichen Anfchauungen begegnen fchon im Sympofion und find 

so weſentlich von der kirchlichen Tradition übertommene — M. will Schrifttheolog fein; 
aber wie er der Schrift Welterfenntnis entnimmt (vgl. De res. II, 10. 13, 6. 9), fo 
dient Pi auch die Philofopbie und Naturbeobachtung zu einer Quelle in Fragen der 
Heilserkenntnis. Faſt nur dialektiſch wird De autex. 5ff. die Frage nad) dem Urfprun 
des Böſen erörtert und Symp. 8, 13 ff. die Unmöglichkeit eines Fatums eriviefen; vgl. 
as auch die breiten naturtwiflenschaftlichen Ausführungen in De resurrectione. — Für den 
(Hottesbegriff auch des M. ift das Ungewordenſein, daber dann Macht und Bebürfnig- 
loſigkeit charakteriftifch. Segen die Ewigkeit einer von Gott unabhängigen Welt entjcheibet 
ihm schon die AUmmöglichleit des Neben: und Ineinanderſeins zweier Unendlider. Ein 
Weltſubſtrat genügt auch nicht zur Erklärung des Böfen, denn auch dann wäre Gott ent- 
ad weder Urheber des Böſen oder unfähig, c8 zu überwinden (De autex. ſ. o.). Ebenfo 
lehnt M. aber auch in De creatis (ſ. 0.) die von Origenes gelebrte ewige Meltfchöpfung 
ab, während er allerdings De autex. 22, 9 ©. 61 feitbält, daß Gott die Welt fchon 
dor ihrem äußeren Dafein in feinem Denken fich gegenwärtig hatte. Iſt der Vater das 
eigentliche Prinzip alles Seienden, fo der Sohn die nach außen wirkende Kraft, die felbft 

nn Mater ibr Prinzip bat und Durch die Gott alles manigfadh geftaltet (De creat. 9. 11 
2.318, 1aff, BI, 16ff, Symp. 2,6 S. 45, 5f., 8 11 ©. 203, 2). Photius mar 
geneigt im Somp. wegen des Subordinatianismus nterpolationen anzunebmen (Bibl. 
zZ 318, If ed. Velen. Doch betont M. auch ſtark die göttliche Art des Sohnes 
(De aanguis. 7, N; alles Weltverbältnis Gottes tt Durch ihn vermittelt (De res. I, 

80.37, 2. 11, 10,2. 0, wie er zugleich der Mittler aller Seilsoffenbarung ſchon im AT iſt 
(Zump 7,0). Das Ziel der Welt iſt Der Menich, er gleichfam das Bild in diefem 
Tempel und allein von Gottes Hauch belebt (De aut. 22, 8. De res. I, 34, 1. 35, 2), der 
Mikroloomoo (De res. IL, 10, 2), und desbalb zur Serrichaft über die Melt berufen 
(ebd. 1. 19, mM. Sein eigentümlichſter Vorzug tt die Wablfreibeit (De aut. 16, 2. 5. 

Bl... IS. Il. De res L 36 2583 II, 2, 9. em Fatum giebt es nicht (Symp. 
S, 18); die volle Gottegemeinſchaft Toll te der Yohn feiner freien That fein (De aut. 
ü 09 Do res. 112 V. Tamit war freilich die Mönlichteit des Böſen, nämlich 
din Unaeberiane Do aut. 17.2. 18, ID), zu dem ex durch div Verführung Des Teufels 
gelemmen G. v. zu De aut.) gegeben. Hat durch den Fall Das Verderben in dem 

a Menichen Wobnung gemacht (val. 3. B. De res. IL 7. 2.8.2.0), fo begegnet doch 


Methodius 29 


Gott demfelben durch den leiblichen Tod (De res. I, 38—45. Symp. 9, 2). Zugleich 
lehrt Gott den Menjchen den Teufel zu befiegen (De aut. 20, 4. 21, 5ff.). Durch eine 
ftufenmäßig fortfchreitende Offenbarung unterweilt er über feinen Willen (zu gi 28, 13. 
Symp. 7, 5. 6. 1, 2f.) und bereitet durdy Geſetz und Propheten für die Erlöfung vor 
(De eib. 7ff. Symp. 5, 7f). Das AT bildet jo das NT vor, wie diejes das Wahr: 6 
baftige (Symp. 9, oh), Aber erit der Menfch gewordene Logos hat durch fein Kreuz die 
Dämonen niedergerungen und den durdy das Verderben vergewaltigten Menfchen befreit 
(Adv. Porph. ©. 346, 7ff.); leidenslos leidend ward er alleın Leiden ein Leiden und hat 
er den fterblichen Menfchen zur Unvergänglichkeit erhoben (ebd. ©. 347. und De res. III, 
23, 4). In Chriſtus hat ſich das vorbildlid in der Ekſtaſe Adams Gen 2, 21 Ge: 10 
ichebene verwirkliht. Denn er ift ein Menſch zum Vollbeitand gelangt durch die lautere 
und volllommene Gottheit und iſt Gott in einem Menjchen befaßt (Symp. 3, 4ff.). Der 
durdy Die Aufnahme der dvapuooria ſelbſt dvdouooros gewordene Menſch follte durch 
die Aufnahme der douovia in Chriftus wiederhergeftellt werden (ebd. 3, 7). Daher die 
Notwendigkeit der wirklichen Fleiichwerdung des Logos (De res. II, 18, 8). Chriſtus 16 
bat die „Erkenntnis des Vaters des Alle” gebracht und durch feinen Tod unfer „Fleiſch 
in das ewige Xeben eingeführt” (De cib. 9ff., 12, 2. 8, vgl. zu Hi 38, 16). „Yon dem 
alten Menſchen die Menfchheit entblößend, erleuchtete” er fie „mit feinem Fleiſch“ (De 
lepra 16, 3). — Dieje Neubelebung erfolgt aber durch die Kirche, das Weib Apk 12 
(Symp. 8, 5), wegen deſſen der Logos den Vater im Himmel verlaſſen (Symp. 3, 8 20 
S. 70). Aus feiner „Seite“, d. b. feinem Geift, bereitet ihm Gott nad) der „Ekſtaſe“ 
(Gen 2, 21), d. h. der Menjchwerdung und jeinem Leiden, die „Gehilfin”, d. h. die ihm 
verlobten Seelen (ebd. ©. 727). Geichieht die Geftaltung zur Ähnlichkeit Chrifti durch 
die Einprägung derjelben in der Taufe, jo ift Doch das eigentliche Weſen der Kirche die 
durch Menjchwerbung und Leiden wirkſam gewordene neufchaffende Kraft des Logos, daher 26 
bilden die wahre Kirche die Volllommenen, die als „Gehilfin“ Chrifti mitwirken, die An- 
fänger zur Bollgeftalt der Tugend wiederzugebären (ebd. S. 73) und fie gleihfall3 zu 
folden den Glauben in anderen erzeugenden Gliedern der wahren Kirche zu ' machen 
(Symp. 3, 9 ©. 75). Einen gewifjen hierarchiſchen Zug erhält diefe Abjtufung, wenn 
in De lepra 15, 3 in der Kirche als dem Kleid des Herrn die Biſchöfe und Lehrer den a0 
Aufzug bilden, in den die Laiengemeinde eingewebt wird. Aber charakteriftifch werden 
bier Bifchöfe und Lehrer zufammengeordnet, und auch der Biſchöfe vornehmliche Aufgabe 
iſt Arzt der Seelen zu jein (ebd. 7, 5) und „mit beiligen Erfenntniffen zu nähren” 
(ebd. 18,5); zu der fchriftfundigen Lehrerin (ebd. 13 ff.) vgl. Plato, Symp. 22. Daber iſt 
audy für M. die äußere Zugehörigkeit zur Kirche weder Garantie noch) Bedingung des Heils gs 
(ebd. 8, 2ff.); die Bußzucht hat jeelforgerliche Art zu tragen (vgl. Abh. U. v. Dett. gew. 
S. 39ff.). — Das Heil ift freilich ein Werk der Gnade, die das dem ernſtlich Streben- 
den noch Mangelnde ergänzt (zu Hi 25, 1) und dem Wollen das Vollbringen ſchenkt 
(De mart. ©. 349, 15 f.) Auch der Chrijt gelangt jedoch in diefem Leben nicht zu 
völliger Auswurzelung der Sünde (De res. I, 38ff.). Zu begehren oder nicht zu be « 
geben ſteht nicht in unferer Macht, fondern nur den Begierden nicht durch die böje That 
Folge zu leiiten (De res. II, 3f.); durch die Vergebung der Sünden und die eriveiterte 
und ‚vertiefte Kenntnis des göttlichen Willens ift nur das natürliche Gute in und gejtärkt 
(ebd. 8, 7). Aber durch die in der Kirche wirffame Gnade foll Chriftus fo ın den 
Gläubigen geboren werben, daß fie durch Umgeftaltung in ihn gleichjam felbft Chriftufe as 
werden (Symp. 8, 7ff. S. 190 ff). Prinzipiell durch die Taufe gejchehend (Symp. 3, 8. 
8, 6. 8), Hi diefe Hineinbildung doch als eine durch geiftliches Wachstum ſich erſt aus- 
wirkende gedacht (ebd. 3, 9). In der Richtung auf fie Äpricht fich der religiöfe Charakter 
der Ethik des M. aus. Dieſe „Einbildung” Chrifti in das Herz vollzieht fih durch 
gläubige Erkenntnis (Symp. 8, 9). Ihre Grundbedingung iſt daber die rechte Gottes- 50 
erfenntnis und reine Lehre (ebd. 8, 10f. De lepra 11, 4.14, 4). Das Eindringen in 
dag wahre geiltige Verſtändnis der Schrift ift das Heillraut für alle Schäden und die 
Wurzel alles wahrhaft fittlihen Verhaltens (Symp. 1, 1. 5, 4. 7, 2. 9, 3f. De lepra 
1, 27. 2, 4. 3, 2. De cib. 1, 4f.). Wo die Weisheit blüht, ift die Wülte, in der die 
Braut des Logos weilt (Symp. 8, 11 ©. 198, 2). Der Fortichritt aber im Chrilten- 55 
tum geſchieht in einem Ineinander von Erkenntnis und fittlicher Selbſtzucht, die in der 
Virginität fulminiert. Diefe ift gegenüber der Ehe das Vorzüglichere, die ſpezifiſch chrift- 
liche Tugend, erft feit der Erfcheinung des doyınapdEvos offenbar geworden (Symp. 1,5). 
Durd fie ftrahlt die Seele die Idee wieder, nad) der fie gefehaffen worden (ebd. 6, 1), 
ift fie die Braut Chriſt. Nur muß die äyveia wie dem Leib, jo auch der Seele gelten 60 


9 Werke Gerrsstbense rrusetse 


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nd Koekrngen  vtnlee md omuuz De eib. iv. Euiebius und Secrates 
DR zer ntsiaht, ao oe au Beste rufen ibm aber feine Willigkeit, 
ee Pre end ou een, Aeseusee, ums gr Salate gu aufs Wichdrüdlichite bezeugt, 
[een Taeklrkr pe zu ten Taort kumme ıDe res. III, 3, 2; 
uni Pin, fee rrgpwirhr: Ir. B im Tialog Des Adamantius und bei 
Kerzen faps sefanrap, mi mit es tem biermit und mit feiner Forderung nur auf 
ka ehe wserhleter Intriudfang ‘De aut. }. %, 4 De res. I, 2. ?7, 4 geweſen ift. 
heben mehts 9 tbun Lie ibm unter verichiedenen Namen zugefchriebenen 
Hr vlblemen, tar em ber befichteiten Bucher Des Mittelalters bildeten und in ber: 
9 Photon Sprsehen ihericht wurden. Wie alle Derartige Schriften bat auch dieſe Apo- 
Phi Sujrie orbehren, fie nit aber in lateiniicher Überfegung ſchon in Handicriften des 
 chehr erhunten mt gehört nach ihrem (Frundſtock wobl ſchon in das fichente. 
Bouwetſch. 


YWHeihenina, azhbiſchof v. Sirmium ſ. Bd IV S. 381, 16. 
hi Weihnfala, | pn 9. zetb u. d. Zetbiten. 


Metiuphanea Mritopnlos, Patriarch von Mlerandrien im 17. Kabrbundert. — 
Vrternten EM etrimah, De Metrophane Critopulo hujus (Altdorphinae) Academiae 
untl che, Gone patrinschn Alexandrino, Altlorfii 1769. Fabric. Harl. Bibl. Graeca. 

mon Neal neuere gute Biogräaphie jchrieb der Grieche A. C. Demetra: 
Rp Dhpetae DO Nich ihm Merafinos G. Mazarakis, Kairo 1854, mir nur befannt 
an Bine Talballihe Neſprechung In der "Fra. Kr dr, a V S. 101 ff. von B. Georgia. 
WM run Vehtere ſihrleb einen weiteren Artifel in der "Eve. .1ydea, II. Per. Bd III 1 
“HM MNece MM Mens Aue nur lesäon nur Dronartı giäor atror (1617 — 1628), 


Metrophanes Kritopulos 3 


Athen 1893, angezeigt von Kattenbufch in der THRZ. 1894, ©. 194. Legrand, Bibliographie 
Hellenique des 17. Sahrhunderts, 4 Bde, 1894—1896. Seine Schriften am beiten bei 
Demetracopulod. Bon feinen Briefen 29 in der Hamburger Stadtbibl., 5 hat Dietelmair 
veröffentlicht; 2 bei Legrand a. a. O. IV, 418 u. 430, aud) jonft noch einige. 


Metrophanes ftammte aus Berrhöa in Macedonien. Als fein Geburtsjahr bat 5 
Demetr. nach der Umſchrift eines 1627 in Straßburg gefertigten Porträts das Jahr 
1589 feitgeftellt. Renieris ftimmt dem zu, Mazarakis will nach einer fpäteren Kopie 
des Bildes 1599 vorziehen. Die frühere Annahme, Metr. fei Schüler des Maximos 
Margunios (f. d. A. Bd. XIIS. 470) geweſen, tft unhaltbar, da diejer bereit 1602 ftarb und 
damals Elementarunterricht nicht mehr erteilte. Metr. trat bald in ein Klofter ein 10 
und wurde dann Protofygkellos des Patriarchen von Konftantinopel. Durch Kyrillos 
Lukaris (f. d. A. Bd XI ©. 682) mit Empfehlung an den Erzbifchof von Canterbury 
Abbot nad England gefandt, ftudierte er in Orford bis 1623 (Demetr. ©. 9) Bon 
dort wandte er fi) über Hamburg nad Helmftebt, wo er die unten zu beſprechende 
Confessio verfaßte. Er befuchte auch Wittenberg, Nürnberg, Altvorf, Tübingen und 15 
reifte dann über die Schweiz nad Stalin. Dabei kehrte er 1627 in Genf ein und 
fnüpfte mit den dortigen Neformierten an, und zwar im Auftrage des Kyr. Lukaris 
(Legrand IV, 375; Mohnite THStK 1832 ©. 560 ff). Im Jahre 1630 in Venedig 
(Zegr. III, 157), unterjchreibt er ich bereits in einem Briefe Ende 1631 von Alerandrien 
aus als Metropolit von Memphis und Agypten (Zegr. IV, 419). Auch 1636 war er 20 
das noch (Xegr. IV, 430), doch hatte er im Januar 1637 bereits den Thron in Alexan⸗ 
drien beftiegen (Xegr. IV, 443f) Als Patriarch unterfchrieb er 1638 die Befchlüfje der 
Synode, die die Lehre des Kyr. Lukaris verdammte. Mazarakis nimmt mit anfcheinend 
fiherer Begründung 1639 als fein Todesjahr an; ficher it, daß das der Conf. ortho- 
doxa vorangehende Empfehlungsichreiben von 1643 [Son von einem anderen Patriarchen 26 
Mehr Aleennbrien unterzeichnet ift, und daß ſich fpäter Teine Lebenszeichen von Metrophanes 
me en. 

Unter den Werten des Metrophanes verdient unfere befondere Aufmerkſamkeit die 
oben erwähnte, in Helmftäbt von WMetrophanes abgefaßte und von Johann Hornejus 
publizierte Konfeſſion (OuoAoyla is dvarolıxns Exxinoias is xadolıjc xal 8 
dnooroArns rd). Schon Kimmel hatte den griechischen Tert mit dem auf der Biblio: 
tbef zu Wolfenbüttel vorhandenen Autographon (über dies ftehe von Heinemann: Die 
Handichriften der herzoglichen Bibl. zu Wolfenbüttel, II, 1886 ©. 313—314) verglichen; 
dte biernach berichtigte Ausgabe aber ift erjt nad) Kimmels Tode von Weiffenborn be- 
forgt in dem Appendix libr. symbol. ecel. orientalis, Jen. 1850. Es iſt eine ziem⸗ 86 
ih ausführliche, Har und gewandt gefchriebene Darlegung der griechtichen Lehre und des 
Kultus, zwar nicht ftreng ſymboliſch formuliert, fondern in der freieren Form einer theo- 
logifchen Abhandlung, welche auch eigentümliche Auffaflungen einflechten darf, während 
fie im ganzen das Gemeingültige treu wiedergeben will. Der Verfaffer will ſich und 
feine Sache im günftigen Lichte darftellen, das beweiſt jchon die —e— ſehr an: @ 
erfennende Debilation an die Helmſtädter Univerfität. Gr bejtreitet vielfach. die römische 
Zebre, deren Verhältnis zu der eigenen Kirche er den Leſern klar machen will, enthält 
fih aber nad) der proteitantifchen Seite aller Polemik. Das griechifche Lehrſyſtem zerfällt 
nach jeiner Anordnung in zwei Teile, eine „einfache“ und eine „ölonomifche” Theologie 
Conf. p. 13 ed. Weissenb.). “Die eritere begreift die Gotteslehre und Trinität und «s 
hrt zu den befannten Beweiſen für den Ausgang des heiligen Geiſtes nad) der griedi- 
fhen Auffaſſung (Confess. p. 15 sq.). Bergleihen wir die von Verfaſſer gegebenen 
Erflärungen mit den traditionellen der griechifchen Kirchenwäter, fo ergiebt ſich eine größere 
Abrundung des Dogmas, ähnlich der lateinischen Lehrform. Dede göttliche Perſon ſoll 
zu den beiden anderen in ein beitimmtes Verhältnis treten und zugleich ein gemeinfames 50 
Moment der Gottheit darbieten. Die ökonomiſche Theologie beginnt mit der Schöpfung 
der Geilterwelt; neun Engelllafjen find einander gefolgt, in der unterften der Lucifer, und 
deſſen Abtrünnigkeit brachte eine Lücke in der „logiſchen Welt“ hervor, welche Gott durch 
Erihaffung der gemifchten menſchlichen Kreaturen auszufüllen beſchloß. Nachdem der 
Menſch durch die erfte Übertretung zwar nicht alle Freiheit und Willenskraft, wohl aber us 
das prreumatifche Licht des Geiftes verloren, nachdem das Geſetz ihn lange verurteilt und 
nicht gerechtfertigt hatte, wie konnte die verderbte und veraltete Mafle der Menfchheit er- 
neuert werden, wenn nicht durch dag Herablommen und die Vereinigung Gottes mit ihr? 
„Gott hätte auch andere Mittel jun Wiederheritellung ergreifen können, aber dieſes mar 
das befte” (Conf. p. 64. 69). Dan fieht, der Verfaſſer wollte das Dogma nicht bis zum ao 





au 
Fr gäueen Yo bei der Euchariftie mit Ver- 
nijchen Gebrauch des U reg: 33 


machen Bilder: eiligenverehrung, Falten, Mönd)- 
: bei dem Geber ſowie die ae Ste am Sonn- 
— 54 Kniel u beten. dieſen 
34 die gr Ihe V (ungen ber 


Beh zard 0dox ana or ' ToÖ u "In coÜ 
Altdo 1626 (genauer il bei Legrand I ©. 220). 


Bibliothek in Münden, sign. Dogm. 391. Die 
Nach wi — die mit dem vobe von 


—— — ——— — Tal. 8, 16 
— Noribergae 1626 (ber a = — I, 220), einzig nntes Eremplar 
in München, sign. Di. er: Es handelt ſich "namentlich um bie Erflärung des 


—— Re aveũ & Metr. erklärt en pobrmua Tod weuuaros und 
46 —— be sei eien ———— ra en und der oaoE, obwohl man 
rt bei en fünnte. So fommt er endlich 


von —— und do 

echt ei auf den Oegenfat vo e mt Ye binaus. Sein gutmütiger Necenjent 

3 a Herausgeber I dies Mefultat, haben * als gute Lutheraner dafür den 

von motus spirituales und carnales eingeſetzt, und können ſo dem Metro— 

50 —J weiterem Fortſchritt vorausſagen, daß er eine lux matris ſein werde, wie 

ſchon ſein Name 

lich ſei noch — die Epistula Metr. Crit. De vocibus in musica 

Graecorum usitatis, * rieben im Mai 1626, zuerſt herausgegeben von 

F J Crudelius 1737 F Gab, 1739 nach Fabricus, 1740 nad Dietelmair und 

55 emetr.), mir befannt aus M. Gerbert, seriptores ecelesiastiei de musica tom. III, 

Typis, San-Blasianis 1784 ©. 398-402. Das Scriftdyen entbält die Erklärungen 

der Namen Eiguös Tgondägiov, xovrdxıov, bnaxön, Efanooreidgiov, Ywroyayındv 
und zarar unter Hinweis auf das Menologion. 

Als Arkzdora nennt Demetracopulos namentlich Predigten, eine Streitichrift gegen 

den Unierten Neöspvros Rhodinos, die den Titel Ayuınavoriia führt und eine Ueber: 


Metrophanes Mette 33 


ſetzung des Neuen Teltaments ins Volksgriechiſche. Daß Metrophanes eine foldhe Über: 
ſetzung gejchrieben, halte ich für unmwahrjcheinlich. Diejen Ineditis füge ich nach Georgia- 
dis (ExxA. ’AA. Per. II. Bd III ©. 41), ein größeres Werk, hinzu, das Ähnlichkeit 
haben foll mit feiner Confessio und in Cod. Harl. 5059 enthalten it. Es wäre ge- 
nauerer Bearbeitung iert. 6 
Was nun endlich die firchenpolitifche Stellung des Metrophanes betrifft, fo ift er 
von Nikolaus Komnenus für einen Graeco-Lutheranus erllärt, von Nihufius für einen 
Galviniften (vgl. aber auch Claude, Reponse au livre de Mons. Arnaud „De la 
rpetuit& de la foi ©. 279); Eugenios Aitwios aber, jein Zeitgenofje und ein Ber: 
ebrer des Kyrillos Lukaris jagt von ihm: 6 Önolos Exivöuvevoe nolla And Tods 10 
narıoras navyrayod, Alla Öyı ueypı Telovs, tovro elvaı pavepov eis Ölovs. (Leben 
des Eugenios ed. Anast. Gordios bei Sathag, Biblioth. Med. Graec. III, 
423—479. So ift er denn auch für einen Freund der Katholiken gehalten. Wohl feines 
dieſer Urteile ift richtig. Metrophanes bat in: feinem Punkte deutlich ſich als heterodor 
gezeigt. Vielleicht benutzte er aber gern die Gunſt der Mächtigen, ohne Unterſchied des 1 
Belenntnifjes, wenn fie ihm nügen konnten. Bielleiht mar er darum gegen fremdes Be: 
kenntnis nicht polemifch und gegen fein eigenes gleichgültiger als andere. 


(Ga +). Ph. Meyer. 
Metropolit ſ. d. A. Erzbiihof Bo V ©. 488. 


Mette. — Bingham-Griſchovius, Antig. eccl. V, 310-312; 315—338; Binterim, Denk: 20 
würdigfeiten IV, 1. & 357 ff.; Bäumer, Geſch. des Brevierg, Freiburg i. B. 1895; Thalhofer, 
Handb. der kath. Liturgik II, 358, 434 ff.; 450; Art. Brevier Bd III, 393 ff.; Weber u. Welte, 
Art. Matutin (VIII, 1042 ff.); Kraus, Real-Enc. des driftl. Altertums, Art. Officium (II, 
530 ff.); Armknecht, Die alte Matutin- und Vesperordnung in der evangel.-luth. Kirche, Göt⸗ 
tingen 1856; Kliefoth, Lit. Abhandlungen? 6 [3], 1859, ©. 185 ff.; 7 [4], 438 ff. 489 ff.; und 26 
8 [5], 1861, S. 164 ff.; Lucas Lossius, Psalmodia, hoc est, Cantica sacra veteris eccl. se- 
lectae, ed. secunda, Witebergae 1561 (1. Ausg. 1553); Keuchenthal, Kirchengefänge lateinifch 
und beutie u. ſ. w., Wittenberg 1573; Schöberlein, Schatz des liturg. Chor: u. Gemeinde: 
geſangs I (1865), 515 ff.; Rietſchel, Lehrb. d. Liturgit I (1901), 169; 394 f.; 441 ff. 


Mit dem Namen Matutinum (daher Mette) hat man zu verjchiedenen Zeiten ver: go 
ſchiedene Gebetsftunden oder Horen bezeichnet. Urfprünglic war damit die Gebetsftunde 
am Morgen (3—6 Uhr; 4. Nachtwache) gemeint. Als aber für diefe die Laudes üblich 
wurden, jo genannt, weil dabei ftet3 die drei Lobpſalmen 148—150 gebetet wurden, und 
als man das offieium noceturnum nicht mehr de in der Nacht, fondern vielfach 
in der Morgenfrühe betete, bezeichnete man dieje nächtliche Gebetsſtunde mit Matutinum. gs 
Heute wird diejed Matutinum regelmäßig mit den Laudes verbunden. Sie gehören mit 
einander zum officium nocturnum. Der Berlauf der Mette tft nad) dem heutigen 
Brevier folgender: 1. Stille Rezitation von Paternojter, Ave Maria und Credo; 2. Die 
Berfifeln: Domine, labia mea aperies etc. (Bj. 51, 17) und Deus, in adiutorium 
meum intende (Bj. 70, 2) nebit den entfprechenden Reſponſorien; 3. die Dorologie go 
Gloria patri mit Laus tibi Domine und SHalleluja; 4. das jog. Invitatorium, die 
Aufforderung zum Gebet, beitebend aus dem 95. Pfalm mit einer nad) der kirchlichen Zeit 
wechfelnden Antiphone, die den Palm einleitet, öfter durchbricht und endlich abjchliekt; 
5. der Gefang eines Hymnus, je nach dem Feſt oder der Feſtzeit verfchieden; 6. die 
Pſalmodie und die Lektionen, ein Akt, der in drei ſog. Nokturnen verläuft; jede Nofturne 45 
ift fo geordnet, daß einer dreifachen Leſung der Geſang etlicher Pſalmen vorhergeht. Eine 
Antiphone leitet den Geſang ein; nach jedem Pſalm wird ein Versus gejungen, jede 
Nokturne jchliept mit einem Versus, mit dem jtillen Vaterunfer und der Abjolution. 
Darauf folgen, je durch eine Benedictio eingeleitet, die betreffenden drei Xeltionen. Im 
ganzen finden aljo neun Lektionen ftatt, und zwar die drei eriten aus der Schrift, die so 
drei nächſten aus Sermonen der Kirchenväter und die drei legten de homilia evangelii 
de tempore vel de festo. Die Bialmen find die eriten 109 des Pfalters und werden 
in einer Woche durchgefungen. Nach den Lektionen folgt entweder ein Rejponjortum, 
oder dad Te Deum, und zwar dies letztere an den meiften Sonntagen, in der Oſterzeit 
und, mit einer Ausnahme, an allen Feiten; während desfelben werden an Feſttagen die 56 
Gloden geläutet. Damit fchließt jet die Mette ab und die Laudes folgen unmittelbar. 
Iſt dies aber nicht der Fall — und fo iſt «8 in der Chriftnadht —, jo folgt auf das 
Te Deum das Dominus vobiscum mit Kollefte und Benedicamus Domino. 

Nie die Vesper, fo tft und war die Mette mirklih Gemeindegottesdienit, während 

RealsEncptlopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 3 


Wette 


TOR FOR id den Monde schalten merden. So batte 
nt. ZUEUM A nerfnter. 
nr Ne budenbt auf Thomas Munger surüd: 
20.82 che gereiniatie um? pertiumsie There 
\ sc behen. Er bu fd urz m. Veczze su: 
0 tn Me en ziedduenfiea um Der Gemandt 523 ge 
V rd mes Mm IF oder > Un genancrt 2Xen, Der 
a halb pen cu Bor allem ſol rier Du Zen acleen 
ne dB SRDE „Las ſollen zrım einer ode smim. oDer 
RR ve nd Dit ander: mu Das am Beier artaler”. 
2m dent Me ganze Bibe: geieien werden. Cm cama 
, 00.0020. der seht folgen. Taraui „ok man maszen (Sott 
, u non Be Worte a. Dazu ok man brauden »er Tal: 
N von, Antpbon; fur, alte, Dap ve Alles in emer Zrund 
\ \ x te eällen”. Es toll. te beinmm:z er Ipater, an Kĩalm, 
“ “ann aller Mollelie geſungen werden, Deren Muswapl Der 
W oe EN 2, Daft WA 12. 757. Nach der Formula 
’ on ro weſentliches an Der üblichen Matutina su ander. 
\ u .. uenui et horae . .. nihil sunt nisi scripturae di- 


ia onne Werden, Drei Pſalmen mu einem oder mit zwei Ne: 

EN as ID und nad Den ganzen Pialler und Die ganze heilige 

us zu billigen. Auch bier fordert vuther furze Auslegung Der 

x respe Der Hymnen und Das Te Deum will er nicht beſeitigt 

Na Tell aber ganz in Der Hand Des Piarrers jteben. (CN opp. 

or hd In Der „Deutichen Meſſe“ 1526 ipricht er zunädit von 

sehe vmb funfe oder fechie finger man etliche Pſalmen, als zur 

dat al Die Epiftel Des Tages . . . Tarnad ein Antipben und 

vr fuinlamus oder Benedietus umb einander, mit einem Vater Unier, 

Yenolivamus Domino“. In Der Woche verläuft Dieter Frübgottesdienſt 

zurzachſi ſingen Die Mutaben und Schüler etliche Pſalmen lateiniſch, „wie 

Yan ewoöohneit“. Darauf „leien Die Mnaben einer umb Den andern ween 

oapeiel, Vateiniſch, aus dem neuen Teſtament, darnach's lang iſt. Darauf 

a: Kuabe daſſelbige Capitel zu Deutſch, ſie zu üben, und ob Jemands von 

a und zuhoret“. Tarauf folgt eine Antiphone und eine deutiche Lektion 

“00a Kleitflage aus Dem Katechismus; Mittwochs aus Matthäus; Donnerstags 

za die taglichen Wochenlektionen). „Nach der Lektion ſinget der ganze Haufe 

ch vied, darauf ſpricht man heimlich ein Bater Unſer; darnach der Pfarrherr eine 

on und beichlieen mit Dem Benedieamus Domino, wie gewobnet it” (EA 22, 

nn, WM I, 78 und 801. Tiefer Gottesdienſt it aber nur in Den Städten 

na, te oa, „Damm Schulen bat” 12.237). Auf eine beiondere Beteiligung der 

eb tt man offenbar von Anſang an nicht gerechnet. Tie Schüler find es, denen 

A viölieedienſt dor allen zu gute kommen ſoll. Taber fällt in den Wochentagsmetten 

N Frrtint wen. Wir konnen aus Yutbero Angaben jeben, wie ſich dieſer Gottesdienſt 

eo BET IENE offenbar Immer mehr von Der urjpringliden Ordnung entfernte und eine 
IITOTRNTERR Form gewann. 

Trob der Eupfehlung Luthers und Des Vorbildes von Wittenberg hat ſich dieſer 
ebienſte durchaus niebt allgemein eingebürgert. Ganz unmöglich war er auf den 
we dh Schulen fehlten. Aber auch in den Städten iſt Die Durchführung eine 
Ariuülih vercuzelte. Im allgemeinen gilt, daß dieſer Brauch ſich wohl im Norden, nicht 
uber Anonabimen abgerechnet tm Zuden findet. Die Meformterten kennen ibn 
ubuseups nbe. Nur wo das Luthertum zur Geltung kam, zog auch Diefer Gottes: 
dienſt ln. aber auch da nicht überall. So haben x B. Die Nürnberger Die Mette 
munterbhäſen Smend. Evangel. deutſche Meſſen S. 1SD. Dagegen kennen z3. B. fol: 
Bgende Ahnden ader Kuchenordnungen Die Mette: Herzogtum Preußen 1525 Richter KCC 

l, 2a ordlner MUND ichter L IsSbr: Reformatio Hassiae 1526 (Michter I, 
sb; Bualuerian NOS, RBiiitatiens Artidel DIS ALM; Naſſauiſche NO (I, 
ad, Made entuderer NO bit. Desbi als Eriatz fur Die Fruhmeſſe an 
Werltiaſene, Kiliciberger SOLID Ha: Dotaıı Remmeriche NO 153 (IL, 258a) 


— 


wie Lebt db be mdn, Wanna NO US Reue Mteilungen aus dem Ge— 


Mette Mes, Bistum 35 


biet hiftor.zantiquar. Forſchungen, Bd XIX, Halle a.©. 1898, ©. 524 ff); Northeimfche 
KO 1539 (I, 288); Hamburger KO 1539 (I, 318bf.); Kaſſeler KO 1539 (I, 305 b); 
Herzog Heinrichs Agende 1539 (I, 312b und 313a); Brandenburgifhe KO 1540 (I, 
328a); Halliihe KO 1544 (I, 340a); Schleswig-Holfteinifche KoO 1542 (I, 3558); 
Galenberg-Göttingifshe KO 1542 (I, 363); Pfalz:Neuburger KO 1543 (II, 29); Cöl⸗ 6 
nifche Reformation 1543 (EI, 50b); Braunfchmweig-Wolfenbüttelfhe KO 1543; Preußifche 
KU 1544 (II, 68a) und 1558; Medlenburgifche KO 1554 (Bl. 83 b); Stralfunder KO 
1555 (II, 168); Waldeckſſche KO 1556 (II, 173a); Churländifhe KO 1570; Lauen— 
burgiſche KO 1585 u. a. m. — Die Elbogener KO 1523 jtellt es den Pfarrern frei, 
ob fie „Vesper, Metten, Complet und andere Tagzeit“ halten wollen oder nicht (Richter 10 
1,17 a); die Frankfurter KO 1530 wünſcht, daß eine Mettenfeter gehalten werden könnte, 
aber es fehlt in Frankfurt „am genötigiten Stüdlein hiezu”, nämlih an einer Schule 
(Richter I, 141a). Aber auch die lutherifche Agende von Frankfurt a M. von 1644 
fennt die Mette nicht. Cinheitlichkeit in dieſem gottesdienftlichen Gebrauch innerhalb des 
lutheriſchen Gebietes befteht keineswegs. Hier bält man die Mette täglich, dort nur fonn- 15 
täglich, am dritten Drt wieder nur an den hohen Feſten. Zu Träftigem Leben ijt die 
Mette nirgends gelommen. Auch der agendarifche Verlauf war durchaus nicht allgemein 
der gleiche. Ich gebe einige Beifpiele. In Königsberg hielt man 1544 die Mette in 
folgender Weife: Der Chor fingt zwei oder drei Pſalmen, und zwar, nad) Tatholischer 
Tradition, aus den eriten 109 Pſalmen der Reihe nad. Darauf verlieft der Diakon ein 20 
ganzes oder ein halbes Kapitel deutſch mit kurzer Auslegung, und zwar wird das Alte 
Teftament bis auf die Propheten in lectio continua gelejen. Darauf fingt man ein 
Reiponforium, lateinifch, zur Übung der Schüler. Danach fingt der Priefter den Verfikel: 
Erzeige ung, Herr, deine Barmherzigkeit, worauf der Chor refpondiert. Kollefte und Segen | 
machen den Schluß. Anders war der Brauch in Mecklenburg. An „gemeinen Sonn: 96 
und Feiertagen” fangen zu Anfang die Schüler einen, höchjtens drei Pfalmen „mit der 
Antiphbon de dominica oder festo“. Danach las ein Knabe eine Lektion aus dem Alten 
Zeitament lateiniidy und ein anderer deutfh. Dann folgte der Geſang des Benedictus, 
deutich oder lateinifch, zumeilen auch das Te Deum, ebenfalls zweiſprachig. Endlich 
—* man mit einer Antiphone und Kollekte. Die Waldeckſche KO von 1556 ſchreibt o 
olgenden, an das fatholiiche Vorbild fich treu anlehnenden Gang vor: Gefang des Veni 
sancte spiritus; darauf das Invitatorium und der 95. Pſalm, „ob. man fan”, Antt: 
pbon und Pfalmen vom Tage, Lektion und Reſponſorium cn Selten drei), Te Deum, 
Benedictus mit der Antiphon, Ktollefte, Benedicamus. Wancherorten fang man aud 
das Symbolum Athanasianum (Sehling, Kirchengejeggebung, S. 180). Bielerorten ss 
war mit der Mette auch noch das Singen oder Auffagen des Katechismus verbunden; 
andertwärts ftand die Auslegung, die zur Predigt wurde, im Vordergrund. Wo man die 
Mette nicht kannte, hatte man doc wenigſtens „Frühgebete”. So in Straßburg fchon 
1526 und nad der KO von 1570 (p. 92 u.110; vgl. Smend, Evangel. deutfche Meſſen 
138 Anm. 6), wo kurze Morgenpredigten unter diefem Namen gingen; ebenjo in der «0 
Kurpfalz (nach der KO von 1611), offenbar ein Erſatz nicht der alten Mette, fondern 
der Frühmeſſe. Wie auch in lutherifchen Kreifen immer mehr die alte Mettenform ver 
laffen murde, zeigt die „chriftliche Kirchenagende, fo bei öffentlichem Gottesdienft der Ge: 
meinden Augsburgijcher Konfeſſion nützlich gebraucht werden kann“, die die Fakultäten 
u Wittenberg und Tübingen 1617 berausgaben. Danach foll zweimal in der Mode es 
ÜNredigt und viermal „Frühgebet“ ftattfinden, bejtehend aus Gefang, Schriftverlefung mit 
fummartfcher Auslegung, Gebet (Morgenſegen), Fürbittgebet, Vaterunjer, Gefang, Ab: 
fündigungen und Segen (p. 220 u. 232 ff.). Es lag in der Natur der Sache, daß dieſe 
Gottesdienite allmählich ſchwinden mußten. Nur die Metten der drei hohen Feſte, zumal 
die Chriftmette, trogten dem Mandel der Zeiten. So fannte ;. B. die Friedberger RD so 
bon 1704 die Ghriftmette in der Chriſtnacht früb 4 Uhr (p. 213; 229); und in Sachen 
wurden Ghrijtmetten und Chrijtvespern zwar durch ein fönigl. Rejtript 1812 verboten, 
aber fie leben heute noch, wenn auch in erneuter Geftalt, als volfstümlicher Brauch (vgl. 
Trews, Das kirchl. Leben der Ev.:Luth. Landeskirche des Königreihs Sachen, ©. 224 
und Mitteilungen des Sächſ. Vereins f. Volkskunde II (1902), S. 302 ff). Keine der 56 
neueften Agenden hat m. W. verfucht, die alten Metten wieder einzuführen. Drews. 


Met, Bistum. — Pauli diaconi Gesta episcop. Mettens. MG SS II, ©. 260 ff.; 
I XIII ©. 303ff.; Gesta episcop. Mettens. MG SS X, ©. 531ff.; Alperti de episcop. 
libell. MG SS IV, ©. 696 ff.; Biographien von Meper Biichöfen: Arnulf, MG Ser. 

3 


36 Des, Diem Some 


wr. Merse. II. 2 - 9®.. Girsdegisz NG EN 2 2m, zwi 
Asaliers II. = "W, 2. Fr: Trdorsihter se UL Z 35%: 


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49 


Weser, 2G. Lesiälends. aus IM) I ©. A. A 5; 
5 penmim.: Eilel, Hirarrhia — m. zei ? ee Rire: 120 ı 141. 


ich 
bis über tie Legeien Fans wur, ds Salem sen ben —— UNLENITETTEN rurde, Der 
<g ve leltichen Eelteribanr tr Meumurst Se Aumeer DTircdurum d. i Götter 
burz wur, wie ter Kıme wur, ein us Kulmscmmum, ĩ. Kicert. Yebrbuc ver alten 
w(rgımbu, 2 2.513. Bum das Erritenum m tim Tal Gullims —— iſt, 
wiñen wir nicht Tenn die jungen Legenden. rd nis die Weyer Gemeinde die Grün- 
rung turh Apeitelichuler in Anirtucb neben, In weise Man komm mo vermuten, 
bat Tocktwum ichen in ter Kim me Ettitegemeinde in ĩeinen Mauern baue 
Tie SZtadt uberdauerie ten wall des temtichen Wed; in Der irantüchen Zeit ericheint 
fe unter tern neuen Ramen Mes, d. ı Meg Sie it jegt Sig eines Biſcheis. Schon 
1 J. 555 unterkbreibt ter Bichej Heirertus das Treteleil der Zune ven Clermont, 
MG cc Il 2. zu. Seitdem itebt wenigntens Die Xamenreibe der Biichöie ziemlich feit. 
Tie Austebnung ver mittelalterliben Tieceie wer ſebr bedeutend; ihre Beitgrenze lief 
ungejabr 21) Kilemeter jemiets der jegigen deutich fran: icben Grenze; Die Sürgrenze 
25 fiel mit diejer nabezu zuiammen; tm Liten bildete Die Stammesgren;e wilden Franken 
und Alamannen die Grenze der Dieceien Ret un? Straßburg. jo daß alie Bitſch noch 
zu ber eriteren gehörte. Im Nerden reichte ite im das Gebiet der beutigen Rbeinpfalz 
und ter Hbeimprovin; binen. Tie Tiecete war iprachlich gemiſcht, je aber, daß der 
deutiche Beitandteil uberwog: dagegen war der Biichefeſiß überwiegend Franzöttich. Zeit 
35 der Urgunifatien Der frãntiſchen Erzbistumer war Meg Zuffraganbistum pen Trier. 
Biihofliite: Heiperius 535, VRillicus, Petrus? cb ientich mit Gundulf?, Agiulf 
61, Amcald, Pappolus, Amuli 611 oder 512—6527, Goerich Abbo), Gede, Ghlodulf, 
Abbe, Aptatus 7, Felix?, Zigibuld, Chredegang get. 766, Angilram 7681791, Gundulf 
galt 822, Trogo 823—855, Adventius S5S— >75, Wala 876-v 882, Auctpert 883 — —917, 
igerich 917--927, Benno zurüdgetreten 929, Adalbero I. geit. 962, Dietrich I. 
eh, Adalbero II. 984--1005, Dietrich II. geit. 1047, Adalbero III. geit. 1072, 
ermann geft. 109; Gegenbiſchöfe: Walo zuruckgetreten 1085, Brun vertrieben 1088; 
Poppo 1490. 11037, Gegenbiiher Adalbero IV. 1099 —1117 oder 1118; Tbeoger 
1118—1120, Ztefan 1120—1162, Tiemib IH. von Bar 1164—1171, Friedrich 
s5 1171--1173, Tietrih IV. v. Yothringen 1173— 1179, Bertram (Bertbold) 1180—1212, 
Konrad 1212— 1224, Jobann I. von Aiprement 1224—1238, Jakob von Yotbringen 
1239 — 1260, Philipp von ‚sloranges 126U— 1264, Wilbelm von Trainel 1264 1269, 
Lorenz von Leiſtenberg 1269 - 1279, Jobann II. von Flandern 1230—1282, Burcharb 
von Hennegau 1282—1296, Gerhard von Nelange 1297 — 1302, Reginald von Bar 
“1302—-1316, Seinrih I. de la Tour 1319— 1324, Yudwig von Portiers 1325— 1327, 
Ademar von Monteil 1327—1361, Johann III. von Vienne 1361—1365, Dietrich V. 
Beyer von Boppard 1365— 1383, Peter II. von Zuremburg 1384—1387, Gegenbifchof 
Tilmann von Bettenburg 13847, Radulf von Couch 1387 — 1415, Konrad II. Beyer 
von Boppard 1415--1459, Georg von Baben 1459—1484, Heinrih von Lothringen 
#6 1485 — 150. Hand. 


Menniter, |. d. U. Maon Bd XII S. 243. 


Meurer, Moris, Lie. theol., wurde am 3. Augujt 1806 zu gresid bei Witten: 
berg geboren, als Zohn eines dortigen Juſtizbeamten, der jpäter ins Sächſiſche Vogtland 
verjeßt ward. Nachdem er die Fürſtenſchule zu Grimma bejucht batte, ‘widmete er fich 

6 1825 -28 dem ‚Studium der Theologie auf der Univerfität Yeipzig. Hier affiltierte er 
am 4. April 1827 dem von Nönigeberg berufenen D. Auguſt Hahn bei jeiner Habilitations- 
Dieputation auf Grund einer Schrift de rationalismi qui dicitur vera indole. Der 
Hauptgegner war der die Kantiſche Richtung vertretende Philoſoph Krug. Von dem nad): 
haltigen Eindrude, den M. von jenem jechsitündigen Redeturnier einpfing, zeugt die lebendige 

65 Schilderung in einer Reihe von Artikeln des Sächlifchen Kirchen: und Sculblattes aus 
dem Jahre 1870, Überhaupt verdanfte er dem genannten Lehrer, wie fo manche feiner 
Kommilitonen, die tiefjte Anregung. Nach bejtandener Kandidatenprüfung wirkte er 4 Sabre 
lang ale Hauslehrer in der Jamilie des Zuperintendenten D. Heubner in Wittenberg, 


Meurer 37 


dem er auch fpäter in warmer Verehrung zugethan blieb. Der Aufenthalt in der alten 
Zutberftabt hat jedenfalld auch fein reges Intereſſe für Reformationsgeſchichte begründet, 
das ibn dann lebenslang begleitet und manche fehöne Frucht getragen hat. Nach einer 
durch Kränklichkeit veranlapten längeren Erholung im Elternhauje fand er eine Anftellung 
am Lebrerfeminar zu Weißenfels, wurde aber bald darauf nad Sachſen zurüdberufen, 
um zuerjt mehrere Jahre hindurch ein geiftliches Amt in Waldenburg zu befleiven. Am 
Sabre 1841 murde er dann Pfarrer ın dem nahegelegenen Gallenberg und iſt bis zu 
feinem Tode feiner dortigen Gemeinde treugeblieben, da er fich niemals zu einer Weiter: 
bewerbung entichließen konnte. Doch wurde feine tüchtige Kraft vielfach auch für meitere 
Kreife in Anfprucd genommen. So wurde er zweimal zur Affiftenz bei der für die 10 
einzelnen Ephorien der Sächſiſchen Landeskirche angeordneten allgemeinen Kirchenvifitation 
zugezogen. Ebenſo oft war er Mitglied der Landesfynode und brachte dabei feine im 
lutberifchen Bekenntniſſe feftgegründete Überzeugung in ebenfo entſchiedener mie maßvoller 
Weiſe zur Geltung. Bejonders einflußreicdy zeigt fich feine Mitwirkung bei einer im Sahre 
1874 abgehaltenen außerordentlihen Synode, die ſich u. a. mit der Frage eines Bibel- 15 
auszuges befchäftigte.e — Hatte M. bereit3 in den Jahren 1840—47 ein firchliches Ge⸗ 
meindeblatt „Der Pilger aus Sachſen“ herausgegeben, fo übernahm er im Xahre 1861 
aus den Händen von Profeſſor D. Luthardt die Redaktion des Sächſiſchen Kirchen- und 
Schulblatts, des damals einzigen Organs der Landeskirche, und hat fie volle 12 Jahre 
hindurch fortgeführt, nicht jelten unter fchioierigen Verhältniſſen und harten Kämpfen. 20 
Daneben fand er aud immer Zeit zu weiterer literarifcher Thätigfeit im Dienfte der 
theologischen Wiflenfchaft. Sein bedeutendftes Werk in diefer Richtung ift: Luthers Leben 
aus den Duellen erzählt, zuerit 184546 in 3 Bänden bei Juſtus Naumann in Leipzig 
erſchienen, fpäter in 2. und 3. Auflage 1852 und 1870 in Einem Bande. Von der 
1. Auflage wurde eine englifche Überfegung 1848 in New-York gedrudt. Noch immer 36 
dürfte diefe Zutberbiographie, von der ein kurz gefaßter, für chriftliche Leſer insgemein 
beftimmter Auszug ebenfalld® eine 2. Auflage erlebt hat, einen ehrenvollen Pla in der 
Reihe der übrigen einnehmen. Entſpricht ſchon diefe auf gründlichen Forſchungen be= 
rubende und eines durchaus objektiven Urteils fich befleißigende Hauptfchrift durch ihre 
allgemein verjtändliche Ausdrucksweiſe den Bedürfniſſen eines weiteren Leferfreifes, jo tritt 80 
dies bei den zahlreichen Publikationen verwandten Inhalts noch mehr hervor. Dazu ges 
hören als Heinere Monographien „Der Tag zu Schmalkalden und die Schmalfaldischen 
Artikel” (1837), „Luther als Subelfeftprediger” 1839 und „Martin Luthers lebte Lebens⸗ 
tage, Tod und Begräbnis” 1846. Einen größeren Umfang bat: Katharina Luther, geb. 
v. Bora (2. Aufl. 1873) und Philipp Melanchthons Leben (2. Aufl. 1869). Seit 1862 86 
gab M. in Berbindung mit anderen ein Sammelwerf unter dem Titel „Das Leben der 
Altväter der lutherifchen Kicche” heraus, von den nach und nad 4 Bände in dem oben 
erwähnten Verlage erfchienen find. Von M. felbft find behandelt: Johann Bugen- 
bagen (Bd 2), Nikolaus Hausmann (Bd 3) und Friedrich Myconius (Bd 4). Zur 
Charafterifierung des bei dem ganzen Unternehmen befolgten Verfahrend mögen einige «d 
Sätze aus dem Profpekte dienen. „Der Leer foll aus dem Munde der alten Väter ſelbſt 
bören, wer fie waren und mas fie wollten, oder er foll es fich von gleichzeitigen oder 
doch ganz naheftehenden Berichterftattern fagen laflen, und der Biograph wird ihnen nicht 
dreinreden, wird ſich in der Darjtellung felbft aller Unterfuchungen und Grörterungen, 
insbeiondere aber aller Reflerionen, Antvendungen und rhetoriichen Beiwerks enthalten; «s 
auch an der fchmudlojen Sprache der Quellen nicht fünfteln und überhaupt nur ſoweit 
—— auftreten, als der Zuſammenhang, die Ordnung und das Verſtändnis es er: 
ordern.” 


An dem Bilde des fchlichten und doch fo vielfeitigen und arbeitsfreudigen LZand- 
pfarrerd würde ein Hauptzug fehlen, wenn nicht feiner Bemühungen auf dem Gebiete der v0 
firchlichen Kunft gedacht würde. Der notwendig gewordene Neubau feiner eigenen Kirche 
ließ ihn umfafjende Studien nach diefer Seite bin machen. Auf Grund der gewonnenen 
Einficht und der auf mehrfachen Reifen gejammelten Erfahrungen diente er oft und gern 
auch anderen mit feinem Rate. Im Jahre 1863 veranjtaltete er im Verein mit einigen 
Freunden in dem nahen Stäbtdyen Hobenftein eine Ausstellung von Erzeugnifjen kirch- 56 
liher Runft und Gewerbthätigkeit, die fich eines überaus zahlreichen Beruches aus dem 
In- und Auslande zu erfreuen hatte. Cine ſolche fand fpäter auch bei Gelegenheit eines 
Stuttgarter Kirchentages ftatt und hat auch dort babnbrechend gewirkt. Geine Gefamt- 
anſchauung hat M. in 2 Schriften niedergelegt, Die noch immer eine treffliche Anleitung 
bieten. Die eine kürzere ift „Der Altarfchmud, ein Beitrag zur Paramentif der evangeli⸗ co 


38 Meurer Merito 


fchen Kirche” vom Jahre 1868, die andere größere, — fein Iebtes Wert — „Der Kirchen: 

bau vom Standpunkt und nad) dem Braude der evangeliſch-lutheriſchen Kirche vom Jahre 

1877.“ Zwei Monate nach der Vollendung diejes Werkes, wenige Tage vor der eier 

der filbernen Hochzeit mit feiner zweiten Ehegattin ift er nach Turzer Krankheit am Himmel: 
5 fahrtötage — 10. Dat — 1877 fanft entichlafen. Th. Fider. 


Mexiko. — In diefer Rupublif wohnen (nad) dem Genfus von 1900) 13545 465 
Geelen auf 1987201 Duadratfilometern. Der Staat fonnte ſich erjt 1824 feine erfte 
Verfaflung geben, wenn auch jchon 1822 die Losreißung von Spanien vollzogen war. 
Doch verleugnete dag neue Staatsgebilde in Eirchlicher Beziehung zunächſt feinen bisherigen 

10 Sulamnenhang mit dem Geiſte des Mutterlandes wenig; denn es wurde nur der römifch- 
atholiichen Kirche Eriftenzberechtigung zuerfannt. Nach einer Reihe innerer Kämpfe um 
die Negierungsgemwalt brachte das Jahr 1857 eine fortgejchrittenere Verfaſſung der „Ber: 
einigten mexikaniſchen Staaten“, 27 an der Zahl jamt 2 Territorien, jo daß eine föde— 
rative Republik bergeitellt war. Die „Eonjtitutionellen Garantien” der neuen Ordnung 

15 erleichterten bejonders die Naturalifation von Zumanderern und bejeitigten nicht nur die 
Alleinberechtigung der katholischen Kirche, fondern auch alle äußere Hilfeleiftung des Staats 
zu ihren Gunſten, befonders gegenüber der perjünlichen Freiheit des einzelnen Katholiken. 
„Der Staat gejtattet feinen Vertrag und feine Anordnung, welche die freiheit eines 
Menſchen verlegt in Bezug auf Arbeit, Erziehung oder religiöfe Gelübde. Ebenfo erkennt 

20 das Geſetz keine Mönchsorden an und geitattet nicht, daß fich irgend ein folcher gründe, 
welchen Namen und Charakter fie auch annehmen fünnten.” Allerdings unterblieb auch 
hier die wirkliche Durchführung des Verfafjungsgefeges, zum Teil wohl deshalb, meil die 
Macht der Orden bereits jeit 1835/36 beträchtlich geſchwächt war durch die damalige Auf: 
hebung der meiften Klöfter und Säfularifation der Miffionen, diefer auf der Hörigkeit 

235 von Farbigen rubenden Beberrfchung nicht weniger Landſtriche. Jedenfalls blieben mehrere 
Mönchsorden allezeit im Lande, fo daß z. B. jener des hl. Franziskus fteben unter der 
„PBropaganda” in Rom ftehende Miffionskollegien aufrecht erbält. Aber aud) außerdem 
fonnte ſich die katholiſche Kirche, zum Teil infolge der Thätigfeit des fett 1851 bei der 
Republik beglaubigten päpftlihen Nuntius, vorteilhaft ausgeftalten, wenn auch nad) 1857 

so noch wiederholt Maßregeln von feiten der Regierung getroffen wurden, um die Staats: 
gewalt unabhängiger von der Kirche zu machen. So fam es nicht nur zu der Herftellung 
dreier Kirchenprovinzen anftatt der einen von Mexiko, fondern 1863 wurden auch fteben 
neue Bistümer errichtet (darunter Vera Cruz, Dueretaro, Leon). Weiterhin famen noch 
die Diözeſen Taumalipas (1870) und Tabasco (1880) hinzu, mie 1874 das apoftolifche 

35 Vilariat Nieder-Kalifornien bergeitellt ward. Co feben wir denn die Fatholifche Kirche in 
der Republik geleitet durch 3 Erzbifhöfe und 19 Biſchöfe. Der Metropolitanvermwaltung 
von Meriko unteriteben 9 Suffraganbiihöfe mit 780 Pfarreien, jener von Guadalarara 
6 Bilchöfe mit 270 Pfarreien, endlich derjenigen von Michoacan (im Weſten von Mexiko, 
Hauptitadt Morelia) 4 Biihöfe mit 174 Pfarreien. Die im Jahre 1900 erhobene Seelen: 

0 zahl der Fatholifchen Kirche beträgt 12517530, wobei allerdings zu erfennen ift, daß 
eine weit größere Menge als die nachgewiefenen 69407 Menfchen, weldye feine Angabe 
machten, bei der Feititellung der Konfeſſion unberüdfichtigt blieb. Denn es fanden ich 
nur 42266 Proteftanten vor und eine jehr geringe Summe Andersgläubiger. — Zu den 
Proteſtanten iſt natürlich ein großer Bruchteil jener 69400 einzubeziehen, da diefe Kon: 

45 feilionsangehörigen weitaus am meisten aus naturalifierten und fremdbürgerlichen Ange- 
hörigen der nordamerikanischen Unionsstaaten beiteben; bet ihnen aber ift die Ablehnung 
der Konfeſſionsangabe faſt ebenjo eine Sitte in Bezug auf den Cenſus wie bei den Eng: 
ländern. Die Proteitanten Merxikos ſetzen jich infolge ihrer Herfunft aus den Unions- 
ſtaaten (wenig aus englifchen Gebieten; es gab nur 3384 Engländer im Lande) auch aus 

bo einer größeren Anzahl von kirchlichen Gemeinschaften zufammen, unter welchen die Be- 
fenner der presbyterianiſchen und metbodtitiichen ‘Denomination, ſodann Baptijten und 
Gläubige der Hochkirche am meilten Verbreitung erlangten. Doch bat es 3. B. auch die 
Sekte der Mormonen zu einer Anzahl von Gemeinden gebracht; es find darunter 6—7 
fogenannte Kolonien, alſo Yandgemeinden, melde um ihres raſchen wirtſchaftlichen Em: 

65 porblühens willen hervorgehoben werden. Da nur die geringe Zahl von 2340 Deutfchen, 
dem Bürgerrecht nach, dazu etwa ein Viertel diefer Zahl naturalifierter, aber nicht roma⸗ 
nijierter Deutjcher als größtenteils proteftantifch anzufeben tft, die Engländer nur um 
Taufend Köpfe mebr betragen, von Unionsangebörigen 10222 gezählt wurden, fo ift der 
amerifanifcheengliiche Charakter des merifanifchen Proteſtantismus natürlich der herrſchende, 


Mexiko Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm 39 


mit ibm aber auch deſſen Zerfplitterung. Die Deutfchen haben es nicht einmal in ber 
Hauptjtadt zu einer vollitändigen kirchlichen Gemeinvebildung gebracht, um fich eines 
dauernd bejegten Pfarramts zu erfreuen. Man bält ſich bier mie in anderen Städten 
deutjcherfeitd meift an die Miflionsgeiftlichen der Brüdergemeinde. Lebtere unterhält 
— wiederum von Amerika aus — eine Anzahl von Stationen im Lande, zu melden in 
der Regel auch eine Schule gehört. Die Deutfchen in der Hauptitadt aber gründeten 
nur eine konfeſſionsloſe Schule (1893) mit 6 Klafjen (darunter 2 höheren Knabenklaſſen 
und einer folchen für Mädchen) und deuticher Unterrichtsjprache, es wirken unter einem 
Direftor 4 Lehrer und 3 Lehrerinnen; den Borfit in dem Schulvorſtande führt der je: 
mweilige Geſandte. Schon daraus, daß die im Jahre 1900 erhobene Zahl der vorhandenen 10 
Deutichen allgemein überrafchte, ergiebt fich, daß dieſe in geringem Maße deutiche Ver: 

einigungen pflegen, weshalb natürlich auch Firchliche Gemeinschaften deutf an el mod 

. Göß. 


a 


zu gemwärtigen find. 


Meyer, Heinrih August Wilhelm, geit. 1873. HU W. Meyer ift laut des 
Taufregifters bei der St. Margarethenticche zu Gotha (Fol. 492, Nr. 18) dortjelbft am 16 
10. Januar 1800 geboren und am 12. desjelben Monats getauft. Sein Vater war der 
Bürger und Hofihuhmader Johann Nikolaus Meyer; feine Mutter, eine geborene Lein- 
boff, welche bis zum Jahre 1851 lebte, wird gelegentlich als eine ſehr kluge und energilche 
Frau bezeichnet. Welchen Einfluß Bretichneider, melcher als Generalfuperintendent und 
Überpfarrer an der Margarethentirche jtand, auf die Entmwidelung Meyers gehabt babe, 0 
it aus den vorliegenden Alten und Familiennachrichten nicht zu erſehen. Seine gelehrte 
Borbildung erbielt er auf dem Gymnasium illustre jeiner Vaterſtadt, melches unter 
Doerings Direktorate ftand und an welchem auch Rojt wirkte. Unterm 23. März 1818 
erhielt Meyer bei feinem Abgange zur Univerfität das folgende Zeugnis: — per plures 
annos in Gymnasio nostro versatus extremo tempore jure meritoque primum 3% 
loeum inter disceipulos nostros occupavit. Excelluit enim ille in plurimis, quae 
apud nos traduntur, diseiplinis, praecipue in accuratiore latinae linguae cog- 
nitione, quam elegante carmine latino, in memoriam Lutheri sacris saeculari- 
bus ab eo decantato, publice probavit. Jam vero cum ad solidioris doctrinae 
studium accederet modestia, vitae probitas et animi integritas, facile, qualis 0 
ille olim extiturus sit, augurari possumus. Er ging nad) Jena, um Theologie zu 
itubdieren, und blieb hier bi8 Michaelis 1820. Die Vorlefungen von Gabler, Schott, Danz 
und Baumgarten-Crufius hat er fleißig bejucht; neben den theologifchen Disziplinen 
nahmen ihn aber auch die philofophifchen Vorlefungen von Fries und gefchichtliche und 
pbilologifhe Studien unter Luden, Eichjtädt und Reifig in Anfprud; auch Arabiſch hat 85 
er unter Kofegarten getrieben. Die durch eine unglüdliche Bürgjchaftsleiftung feines 
Vaters verurfadhte Erfhöpfung der Geldmittel zwang den lernbegierigen jungen Mann, 
mit 2°), Sahren des Univerfitätslebens fich zu begnügen und — mas gefeßlich zuläffig 
war — das fechjte Semefter in häuslichen Studien hinzubringen. 

Vor feiner heimatlichen Kirchenbehörbe beftand er um Oſtern 1821 und um Michaelis «0 
1822 die beiden ordnungsmäßigen theologischen Prüfungen, und zwar „völlig gut.” Schon 
vor der zweiten Prüfung mar er aber in eine Wirkſamkeit eingetreten, welche in mehr 
ala einer Hinficht von enticheidender Folge für feinen Lebensgang geivorden iſt. In Grone 
bei Göttingen hatte der dortige Paſtor Oppermann ein Nenfionat zur wiſſenſchaftlichen 
Ausbildung von Knaben aus höheren Ständen gegründet. Für diefe Anitalt wurde 6 
Meyer als Lehrer gewonnen. Hier fand er in einer Tochter des Paſtors Oppermann 
jeine Lebensgefährtin, mit welcher er, als er am Ende des Jahres 1822 in dag Pfarr: 
amt zu Ofthaufen, feit 1826 zum Meiningenjchen gehörend, eingetreten war, fidh verband 
und welche bis zum Jahre 1864 feinem Haufe vorgeitanden hat. Bedeutungspoll wurde 
ferner der Aufenthalt in Grone dadurch, daß Meyer bier die Hannoverjchen Verhältniſſe so 
jo lieb gewann, daß in ihm der Wunjch entitand, in der Hannoverſchen Landeskirche An: 
ftellung zu finden. Er felbjt fpricht dies mit warmen Worten in feinem unterm 5. Februar 
1827 an das Konfiftorium zu Hannover gerichteten Gefuche aus. Es handelte fih, wenn 
Mevers Wunſch erfüllt werden follte, zunächſt um Erteilung des Indigenats an den— 
jelben feiten® des königlichen Kabinetsminiſteriums. Auf den günftigen Bericht des Konfi= 55 
jtoriums wurde unterm 27. April 1827 das Indigenat erteilt. Hierauf hatte Meyer ein 
Kolloquium bei dem Konfiftorium zu beftehen, auch cine Probepredigt und Katechtfation 
in einer Kirche zu halten, und nachdem diefe Prüfung rühmlid) (Bene in omnibus) er: 
ledigt war, wurde auf jeine Anjtellung Bedacht genommen. Eine getwilfe Schwierigkeit 


40 Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm 


fand man in den Gehaltsverhältniſſen. Meyer babe fchon eine Einnahme von 300 bis 
400 Thalern, in einer fehr mohlfeilen Gegend, berichtete das Konſiſtorium an das Kabinet 
des Königs, er mürde deshalb auf eine Pfarre Anfpruch machen, zu welcher gemöhnlid) 
Prediger translociert werden; man könne aber ihn, der vom Auslande komme, nicht vor⸗ 
5 ziehen. Indeſſen im Jahre 1829 fand fich eine geeignete Stelle zu Harſte bei Göttingen. 
ever bat von Dfthaufen aus um Verleibung derfelben, indem er namentlich betonte, 
dab die Nähe der Univerfitätsjtabt mit ihrer Bibliothek für ibn bei feinen wiſſenſchaft⸗ 
lichen Beitrebungen von Wichtigkeit fein würde. Die mit der Etelle verbundene Ein- 
nahme wurde zu 529 Thalem 23 Gr. 8 Pf. veranfchlagt. Unterm 30. Oktober 1830 
10 erfolgte die Ernennung für Meyer, und am 30. Nanuar 1831 wurde er in Harfte als 
Paftor eingeführt. Seit dem Tage bat er bis an feinen Tod der Hannoverichen Landes⸗ 
firche angehört. 

Im Jahre 1837 wurde Meyer auf die Superintendentur-Pfarre zu Hoya befördert 

und dort am 22. Dftober eingeführt. Damaliger Eitte gemäß batte der neu ernannte 
15 Superintendent im Plenum des Konfiitoriums eine lateinische Abhandlung vorzutragen. 
Diener nahm das Thema de fundamento ecclesiae. Tie in lichtvoller Darftellung 
gegebene Arbeit ift für Meyers Eigenart bezeichnend. Er ftellt fich feit auf 1 Kor 3, 11, 
etont, daß es fih um die Perſon, nicht etwa um die Lehre de Herrn handelt, blidt 
von bier aus auf die übrigen Schriftzeugnifie, die er anzieht, und dringt darauf, daß 
2 man, unter Fernhaltung philoſophiſcher Worausfegungen, mit gejchichtlicher Treue ben 
wahren Sinn der apoftolifhen Worte gewinnen folle, indem er namentlich gegen Strauß 
polemifiert. Für die paftorale Praxis giebt er die Anweifung: Aptum vero atque 
consentaneum aeterno illi fundamento, quod coelestis opifex ecclesiae nostrae 
posuit, Jesum Christum et immortalia ejus merita e sacra scriptura pie ac 
25 sedulo indagare, contemplari, perscrutari, Jesu Christi evangelium absque 
omnibus humanis additamentis mutationibusque praedicare, et perpetuo ten- 
dere ad id, ut Jesus Christus animos impleat, mentes illuminet, vitam regat. 
Aber ſchon nah wenigen Jahren wurde Meyer, welcher nicht nur in feinen firchlichen 
Ämtern fich vorzüglich bewährt hatte, fondern auch durch feine fchriftftellerifchen Arbeiten 
80 in immer weiteren Streifen einen rübmlichen Namen gewann — im Jahre 1841 erhielt 
er eine Ginladung, als Profeffor in Gießen einzutreten — zu einer für die Landes⸗ 
firche bedeutungsvolleren Wirkſamkeit berufen. Auf Antrag des Konfiftoriums ernannte 
ihn der König im Jahre 1841 zum Konjiftorialrate und zum Paftor an der Neuftäbter 
Hof: und Schloßfirche und zum Superintendenten der damald mit jener Pfarre ver: 
85 bundenen, zivar Eleinen, aber mancherlei Arbeit bringenden Ephorie. Am 5. Oftober 
1841 wurde Meyer in den dreifachen Dienit eingeführt. In einer Gemeinde von etiwa 
5000 Seelen verwaltete er allein das Pfarramt; die Hilfeleiftung eines Kaplans mar 
nicht geeignet, eine twejentliche Erleichterung zu gewähren. Am SKonfiftorium fielen dem 
neu Cingetretenen, deſſen Tüchtigfeit vor Mugen lag, bedeutende Arbeiten, insbefondere 
«0 bei den Generalſachen und bei den tbeologifhen Prüfungen zu. Dazu fam die immer 
iteigende Arbeit an dem großen Werke über das Neue Teitament. ever ſelbſt äußert 
einmal, er babe eine faſt unverwüſtliche Gefundbeit und Kraft gebabt und babe ſchonungs⸗ 
los feine Kräfte angeipannt. Er lebte eingezogen und äußerft regelmäßig; des Morgens 
um 5 Uhr, ja um 4 Uhr, faß er ſchon an feinem Schreibtifche. Aber die Arbeitslajt 
6 war zu groß. Im Jahre 1846 wurde er von einem ſchweren Zeberleiden niedergeworfen, 
und wenn er auch genas, fo bat er doch ſeit jener Zeit die frühere Kraft und Friſche 
nicht mebr gebabt. Im Nabre 1817 mußte er um Erleichterung feiner Arbeitslaft bitten; 
die Einnabmeverbältniffe ſchienen dahin zu führen, ibm den Konfiltortaldienit abzunehmen. 
Aber gerade für diefen Teil der Geſchäfte wollte man ihn behalten. Es wurde deshalb 
50 Einrichtung dahin getroffen, daß er jein Pfarr: und Ephoralamt niederlegen und fich 
ganz der konſiſtorialen Wirkſamkeit widmen konnte (Johannis 1848). 

In der fo geordneten Stellung iſt Mever, welcher im Jahre 1861 den Titel eines 
Oberkonſiſtorialrates erbielt, bis dabin verblieben, daß er im Jahre 1865, feiner Bitte 
gemäß, in einen ebrenvollen Nubeltand emtrat. Cine kurze Zeit bindurch hat er auch 

65 nac feiner Penſionierung noch bei den tbeologifchen Prüfungen mitgewirkt; im mefent- 
lichen aber war feine noch vorbandene Kraft feinem Werke über das Neue Teftament ge 
widmet. Nach einer fehr peinvollen Unterleibstrankbeit ift er am 21. Juni 1873 ent- 
ſchlafen. Das Kreuz auf feinem Grabe in dem Kirchbofe feiner früheren Neuftädter 
Gemeinde bat den Spruch Röm 14, 8. — 

60 Meyer war eine durchaus lautere Natur, von wahrhaft evangelifcher Yrömmigfeit, 


Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm 41 


von Herzen bemütig, in feiner ganzen Xebenseinrichtung befcheiden, einfach, rubig, klar 
und Von feiner eminenten Gelehrfamfeit und von feinem unermüdlichen Fleiße 
geugen feine Arbeiten. Nur durd fein eingezogenes, regelmäßiges Leben — zu welchem 
insbeſondere auch die täglichen Gänge mit jeinem Freunde und Landsmanne, dem ge- 
lebrten Kühner, oder mit feinen Großfindern gehörten — bat er es ermöglicht, daß Zeit 5 
und Kraft ausreichten, um die übernommenen Arbeiten zu vollbringen. Er verſtand es 
auch, jich zu beichränten, zu fonzentrieren. Auf erhebliche Nebenarbeiten ließ er fich felten 
an. Im Winter des Jahres 1846 war er Mitglied der Firchlichen Konferenz zu Berlin. 
Im Jahre 1857 ernannte ihn der König unter den „angejebenen evangelijchen Geiſt⸗ 
lihen”, der ftändifchen Verfaffung gemäß, zur eriten Kammer der allgemeinen Ständever: 10 
fammlung, und da hat Meyer insbefondere bei der Schulgefetgebung mitgewirkt. Sodann 
bat er der Halleichen Konferenz zur Revifion der lutheriſchen Bibelüberfegung Neuen 
Teitaments angehört und bei feiner Benfionierung wurde befonders beitimmt, daß er auch 
nad derſelben Mitglied jener Konferenz bleiben ſolle. Unvergeſſen ift ferner feine Teil: 
nahme an der Vorſynode (1863), aus deren Beratungen die Kirchenvoritands- und Syno⸗ 15 
dalordnung vom 9. Dftober 1864 berborgegangen iſt. 

Die weſentlichſte Wirkſamkeit Meyers lag aber einerjeitS auf dem Gebiete feines pfarr- 
amtlichen und feines konſiſtorialen Dienftes, andernteils in feiner litterarifchen Thätigfeit. 
Seine Predigtweife war einfach, klar und herzlich, in dem gegebenen Terte und im ganzen 
der bl. Schrift feit gegründet. Er war ein vortrefflicher Katechet und veritand es na= 20 
mentlich, die Herzen feiner Konfirmanden zu gewinnen. Im Konfiftorium war er ein 
pünftlicher Arbeiter von kirchlichem Sinne; auch feine eigenen Theologumenen wußte er 
dem Bekenntnis und den Ordnungen der Kirche nachzufegen. Er war ein ausgezeichneter 
Eraminator, von zweifellofer Präzifion in feinen Fragen, ein gewandter Yateiner, da big 
zu der neuen Prüfungsordnung vom Jahre 1868 die lateinifche Rede bei den Prüfungen a5 
eine ziemlich weitgehende Anwendung fand, und von foldher Sicherheit und Reichhaltigfeit 
des Wiſſens, daß er in woller Freiheit den Prüflingen gegenüber fich bewegen und wohl⸗ 
wollend der denfelben mwillfommenen Richtung folgen konnte, ohne doch die feite Leitung 
zu verlieren. Wer fleißig gearbeitet und etwas Tüchtiges gelernt hatte, konnte ficher fein, 
daß dies bei der Meyerſchen Prüfung zu Tage fam und freundlich anerkannt wurde. 80 
Aber Phrafen, melde zur Verdeckung von Unkenntnis dienen follten, fonnte er nicht 


vertragen. 

Bei über die Grenzen der Hannoverichen Landeskirche hinaus erftredte fich aber die 
Iitterarifche Wirkſamkeit Meyers. Auch diefe läßt, jo umfangreich fie ift, doch diejenige 
Konzentration erkennen, auf welche oben hingewieſen it. Es war im mefentlichen nur 86 
ein Gebiet, auf welchem er arbeitete; bier mar er aber auch völlig heimiſch. Und feine 
ganze Kraft ſetzte er an die enticheidenden Hauptarbeiten, ohne auf gelegentliche Leiſtungen, 
wie Abhandlungen, Rezenfionen u. dgl. ſich einzulaflen. 

Die im Jubeljahre der Augsburgiichen Konfeffion erjchtenene Ausgabe der fymbo- 
Ifchen Bücher der Iutherifchen Kirche wurde von Meyer felbjt (Vorrede zu Matthäus 2c. vd 
1832) ala eine Arbeit angejehen, melde in das eigentliche Hauptwerk feines Lebens 
zwilcheneintrat. Dies große Werk galt dem Neuen Teitament. Der urjprüngliche Titel 
lautete: Das Neue Testament Griechisch nach den besten Hülfsmitteln kritisch 
revidiert mit einer neuen Deutschen Uebersetzung und einem kritischen und 
exegetischen Kommentar. Der anfänglibe Plan des Verfaſſers ging dahin, daß «6 
das ganze Merk in drei Abteilungen vollendet fein, nämlich erjtlih Tert und Über- 
fesung, fodann den Kommentar über die Evangelien und die Apoſtelgeſchichte, end— 
lib den Kommentar über die übrigen Bücher enthalten und, in knapper Faſſung die 
iſagogiſchen Unterfuchungen, die Geichichte der Exegefe, namentlich aus den griechifchen 
Vätern, und die eigene Auslegung nad) ftrenger, philologiſcher Methode bietend, ein Hand: bo 
buch für die Studierenden fein follte. In meiterer Ferne ſchwebte dem Verfaſſer auch 
nob ein „Syſtem des biblischen Rationalismus” (a. a. D. S. XV) vor, eine neuteita- 
mentlicbe Theologie, zur lehrhaften Zufammenfaffung der eregetifchen Ergebniffe. Meyer 
batte das Glüd, eine angejehene Buchhandlung in Göttingen zum Verlage bereit zu finden, 
und im Sahre 1829 erichien, dem erjten Plane gemäß, Tert und Überfegung in zwei 56 
Bänden. Die erite Brobe des Kommentars, die drei fonoptifchen Evangelien umfaſſend 
(419 Seiten), folgte im Sabre 1832. Der uriprünglih entworfene Plan wurde jedoch 
alsbald erweitert und es erichienen nun die erften Auflagen des Johannes 1834, der 
Apoftelgefchichte 1835, des Römerbriefs 1836, des eriten Korintherbriefs 1839, des zmeiten 
1840, des Galaterbriefs 1841, des Epheferbriefs 1843 und der Briefe an die Philipper, 0 


42 Meyer, Heinrich Auguft Wilpelm Meyer, Johann Friedrich v. 


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er wird fehr weite Abſtände wah— ortwährend bat Pur, ii Km 
mit —* a Offenei — an feiner fi * cn She 


e vor — 
ur Mitarbeit an —— Kommentar eM üngere Kräfte berbeig 

F oxalbr. 1 2 Bir, Jud, 123 Fo — * (12 Theſſ, On), * 
85 Died (Aph. Daß nach Reyers Tode der Kommentar in wündi iger Weiſe weiter gefübrt 
—* Li u —J von D, Weiß in Berlin mit Nat und That unterftükte 
geftellt. Neue Bearbeitungen find von B. Weiß Mt, ob, 
De — * 1 2: 3 0) B. und en W * Bad Wendt (AG), Heinriei 
(1 2 Ren) Sieffert (Sal), Haup t (Gefang n X. G. Frande bear- 
0 beitet) Baumann (1 2 Th "RL ‚= 2 30 —— de und Boufjet (Apk) ges 
geben. — Eine Lebensb reibung Meyers hat bn, Profeſſor Dr. Meyer, Schul- 
or zu Hannover, in der Vorrede zur 4. —2* des Kommentars zu ben Briefen an 
bie Philipper uf. iv. un: einen Nefrolog bat der —— in der — — 


Kirchenzeitung (1873, ©. 498 f) geliefert. D. Fr. Duſterdiech 
45 er, Johann Friedrich v., geit. 1849. — leitung” im ber 
Sen Bär fir 5 t 1853, 1 ©. VOR; 3. Same 


Auswah aus ben Blättern für höhere hrheit“ Stutt art 1 
in WB XXI ES. 597. n i 


Der Theologe, Jurift und Staatsmann J. F. v. Meyer wurde zu Frankfurt a. M,, 

wo fein Vater, Jobann Anton, Kaufmann war, am 12. September 1772 geboren und 
50 frühzeitig zu einem wiſſenſchaftlichen Berufe beitimmt, Seine erſte Yiebe waren die las 
feinsten Klaifiter die er auf dem © ——— und die griechiſchen, die er privatim mit 
eftor Purmann las. Seinen Kunſtſinn bildete er durch Zeichnen, Malen, Harfenſpiel. 
Während er von 1789 an in Göttingen dem Rechtsſtudium oblag und mit einer juri- 
diſchen Abhandlung 1792 den alademijchen Preis errang, ſetzte er feine philologiichen 
5 Studien in Heynes Seminar und Borlefungen fort und veröffentlichte bereits 1790 eine 
en ndlung über die fadeltvagenden Gottheiten der Griechen und Römer. 1793 begab 
—— Leipzig, um ſich hier einige Zeit wiſſenſchaftlichen Beſchäftigungen und per— 

fönl n Anregungen hingeben zu können; bier fing er auch an, die Philoſophie und bie 
Naturwiſſenſchaften in den Kreis feiner Interefjen zu zieben: die Frucht der Leipziger 





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Meyer, Johann Friedrich 43 


Muße waren eine Reihe von Auffägen archäologifchen, philofophiichen und belletriftiichen 
Inhalts, die er 1793 in Heerens Bibliothel, 1794—1795 in Wielands Merkur veröffent: 
lichte, und der zmweibändige Roman Kallias, Leipzig 1794. Seine praftiiche Schule wurde 
das Neichsfammergericht in Weslar, mo er in der Tochter des nachmaligen baierifchen 
Gebeimrats von Zwackh feine Gattin fand. Von nun an bemwegte er fih in welchſelnden 5 
Stellungen — zuerjt ala fürftlih Salm-Kyrburgiſcher Hof: und Domänenrat, dann als 
Rechtsanwalt in feiner Vaterftabt, hierauf als pfalz-baierifcher Appellationsgerichtsrat in 
Mannheim. 1802 ließ er ſich dauernd in Frankfurt nieder und übernahm im folgenden 
Sabre die Leitung der Bühne, die er zu einer fittlichen Bildungsanftalt zu adeln bemüht 
war — ein ibealer Traum, der an den fpröden Schranken der Wirklichfeit zu nichte 10 
wurde. 1807 ernannte ihn der Fürſt Primas zum Stadtgerichtsrat, 1816 trat er in den 
Senat, 1821 wurde er Schöffe, vier Wochen jpäter Syndikus, 1837 Gerichtsfchultheik 
(Präfident des Appellations- und Kriminalgerichtes); in demfelben Jahre übernahm er 
die Vertretung der vier freien Städte im Bundestag; 1825, 1839 und 1843 hat er das 
ältere Bürgermeifteramt bekleidet. 15 
Meyer ſah längft in der Bibel ein ehrwürdiges Buch, aber noch verftand er fie im 
Einne des herrichenden Nationalismus, fein Epos Tobias in fieben Gefängen (1800) 
atmet noch diefen Geiſt; aber der Ernft der Zeit, der erfehütternd in fein Leben fiel 
und ihn aus einer Stellung in die andere trieb, weckte tiefere Bedürfniſſe; er las die 
Schrift nicht mehr bloß zum äjthetifchen Genuß, fondern zum Troſt feiner Ceele, er er: 20 
fannte die Notwendigkeit der Offenbarung, er ſah in der Erlöfung den Mittelpunft und 
das Weſen des Chriftentums, Aber er verachtete dabei die meltliche Wiſſenſchaft nicht, 
fondern hielt dafür, ihre Erkenntniſſe feten ihm von frübe an gegeben, um fie im Dienft 
des Heiligen zu verwerten. 1806 und 1807 überjegte er die theologiſchen Schriften 
Ciceros von der Natur der Götter, dem Fatum und der Weisfagung, die ihn von der 25 
Unzulänglichkeit der menfchliden Vernunft zur vollen Erkenntnis der göttlichen Dinge 
überzeugt hatten; 1813 veröffentlichte er feine Überfegung der Cyropädie; für die erite 
Ausgabe von Schloffers „Weltgefchichte in zuſammenhängender Erzählung” jchrieb er 
1815 auf des Verfaſſers Kunie die Gefchichte des Volkes Israel (Bd I, 25—44). Aber 
der Schwerpunft feiner Antereffen lag in der Bibelforfchung. Noch im 35. Lebensjahre so 
(1807) entſchloß er fich, das Hebrätiche gründlich zu lernen, bei der Lektion des Alten 
Teftaments zog er ältere und neuere Überfegungen ſowie die Kommentare zu Hilfe und 
legte fi einen umfaflenden Apparat an. Bald fühlte er fich nicht bloß benötigt, von 
den Exegeten zu nehmen, ſondern auch befähigt, zu geben; die Befchreibung der Stifte- 
bütte und des Tempelbaues gab ihm Gelegenbeit, feine archäologischen, die Beitimmungen s5 
des moſaiſchen Gejetes feine juriltiichen Kenntnifje zu verwenden. Scon 1812 gab er 
jeine „Bibeldeutungen” heraus, in denen er nicht ohne Schärfe und Bitterkeit, vielleicht 
mebr aus dem Schmerz über die eigenen Berirrungen, als aus dem über fremde Thorheit 
erwachien, die feinem Glaubensſyſtem entgegenftebenden theologischen Auffafiungen der 
Zeit befämpfte; allmählich erſt „zog er das polemifche Schwert ein und dachte darauf im «0 
Frieden ein Neues zu bauen“. Den anfänglichen Blan einer neuen Bibelverdeutichung 
vertaufchte er bald mit dem einer Berichtigung der lutherischen Überfegung, die er als ein 
geiftliches Kunſtwerk betvunderte, worin der Kirchenftil feine böchite und unantaftbare 
Würde entfalte. Nochmals wurden nun in gründlichem Studium alle Hilfsmittel herbei- 
gezogen und in fortlaufenden, erflärenden Anmerkungen zum revidierten Tert das Beite, «6 
was die Exegeſe big vahin geleitet, in der knappſten Kürze zufammengedrängt. Im Sabre 
1819 erſchien das Bibelmerk in erfter, 1823 in zmeiter Ausgabe (jene mit, diefe obne 
Anmerkungen); eine Ausgabe letter Hand mit Anmerkungen hat 1855 die Zimmerſche 
Buchhandlung in Frankfurt veranftaltet. Auf Marheinekes Wunsch fchrieb Meyer eine 
Beichichte dieſes Werkes zur Darlegung feines theologischen und eregetifchen Bildungs: 60 
ganges, welche jener in ben Berliner Nachrichten vom 3. Dezember 1818 veröffentlichte; 
die theologische Fakultät von Erlangen aber krönte Meyer mit ihrem Doftorgrade, und fo 
trat die feltene Antinomie ein, daß ein Doktor — nicht beider Rechte, fondern der Theo: 
logie — in dem Appellations- und Kriminalgerichte der freien Stadt den Vorſitz führte. 
Seit 1816 leitete er auch ale Präſident die Frankfurter Bibelgefellfchaft. 66 
Meyer war indeflen nicht bloß biblifcher Theologe, fondern Myſtiker und Theoſoph, 
und als folcyer zeigte er fich befonders in der dritten Periode feines Schriftitellertung. 
So wenig als die Aufflärerei des Nationalismus konnte ihn die mechaniſche Weltanjchau: 
ung des transcendenten Supranaturalismus oder gar die formale Korreftheit der Ortbo- 
dorie befriedigen. Natur und Bibel waren ihm nur zwei zufanunengehörige, fich gegen: 60 


44 Meyer, Johann Friedrich v. Meyfart 


feitig erflärende Urkunden einer und derfelben Offenbarung. In der Schrift war ihm 
das helle Licht aufgegangen, das feine Strahlen über alle Kreiſe der Schöpfung, über 
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verbreitet. Auf allen Gebieten mar es ihm um 
lebendiges, organiſches Verjtändnis zu thun: er juchte im Buchſtaben den Geiſt, in dem 
5 Keime die zufünftige Entwickelung, in dem Endlichen die Typen des Unendliden; Zahlen 
und Figuren waren ihm die Formeln emwiger Wahrheiten, die fichtbaren Tinge ein Bilder: 
buch voll tiefjinniger Hieroglophenfchrift, die Erſcheinungsweli eine Sphäre, in welcher 
nicht nur die Myſterien einer höheren Welt ſich zeigten, ſondern auch ihre Kräfte wirkſam 
eingreifen und dem ſich kundgeben, der ihre Realität mit frommem Sinne erfaßt hat. 
10 Seine Schrifterklärung geht darauf aus, den Tiefſinn des göttlichen Wortes zu ergründen, 
der ſich hinter dem grammatiſchen cbenſo verbirgt, als verrät. Mit Vorliebe wandte er 
fich der Eschatologie und der Apokalyptik zu: aus dieſem Streben ging ſchon 1810 ſeine 
Schrift: „Hades, ein Beitrag zur Theorie der Geiſterwelt“, hervor, ſpäter ſein Schlüſſel zur 
Offenbarung Johannis von einem Kreuzritter“, 1833, und ſein lehie⸗ Schriftchen: „Blide 
15 in den Spiegel des prophetifchen Wortes”, 1847. Mit warmer Teilnahme folgte er den 
Verhandlungen über den Rebensmagnetismus; er bezeichnet Diele rätielbaften Zuſtände 
ale „ein Aufgefchloffenfein des natürlich feelifchen Vermögens”, er nennt fie „Pſycho— 
pompos in die unfichtbare Welt”, befürchtet aber deren feelenverderblichen Betrug, wenn 
fie der unlauteren Wißbegierde oder gemeinen Neugierde dienen. Seine Anfiht vom 
20 Symbol und feine Vorliebe für die ſymboliſche Lehrart leitete ihm nicht bloß auf die 
Myſterien der alten Welt, fondern auch in die Grade der höheren Maurerei. Er gebörte 
der dent reftifizierten Spfteme zugethanen Zoge Karl zur aufgebenden Sonne in Frank⸗ 
furt bis zu ihrer Auflöſung im Jahre 1845 an. Aus dieſer a flog: „Das Bud 
Jezira, die ältejte, kabbaliſtiſche Urkunde der Hebräer”, 1831 (bebräifch, deutfch, mit An- 
25 merfungen und Glofien), ferner „Zur Ägyptologie“, 1840, und der. Auffab über die 
Guldeerr. Sein Hauptwerk find die elf Sammlungen der „Blätter für höhere Wahr: 
heit”, 1819—-1832, woran fih als zwölftes fein „Inbegriff der Glaubenelchre”, 1832, 
reiht. In feinen Gedichten leuchtet, wie Albert Knapp (ev. Liederſchatz 2. Aufl. ©. 1317) 
fagt, „ein ganz eigentümlicher duftiger Geiſtesglanz, den man die Romantik Israels 
so nennen könnte“. Cine Reihe von Rezenſionen bat er unter der Chiffre J. M. D. von 
1811---1818 in die Heidelberger Jahrbücher geliefert. 

Das verhängnisvolle Jahr 1848 bat er durchlebt, aber von feinen Erfhütterungen 
wurde er nicht mehr berührt: mit heiterer Ruhe blicte er, fait lächelnd, in das wüſte, 
zerſtörungsſüchtige Treiben und den leidenſchaftlichen Kampf der Parieien; es war, als 

85 hinge der nach der Heimat verlangende Geiſt nur noch durch loſe Bande mit dem wege⸗ 
mübden Gefährten der langen Wanderung zufammen. Das Ende des Sahres fand ihn 
bereit3 mit völlig erjhöpften Kräften auf dem Kranfenlager, von dem er nicht mehr er 
Itand. Am 27. Sanuar 1849 verjchted plöglich abends feine Gattin; 13 Stunden fpäter 
folgte er ibr in das Land des Schauend. Am 31. Januar wurden beide Leichen von 

4 einem proteftantifchen und fatholifchen Geiftlichen zum Friedhofe geleitet. 

Senior Dr. Steitz }. 


Meyfart, Johann Mattbäug, geſt. 1642. — H. Witten, Memor. theolog. nostri 
saec., Frankf. 1685, Sept. Dec. p. 1007 „ex schedula quam B. Vir, dimidia ante obitum 
suum hora, non nemini in calamum dietavit“; Gottfr. Ludwig, Ehre des Gafimiriani in 

«5 Coburg 1725, Bd ITS. 261f.; Tholud, Lebenszeugen der luth. Kirche vor und während der 
Beit des dreißigjährigen Kriegs, Berlin 1859, ©. 209, Bertheau in AdB Bd XXI ©. 646. 

Meyfarts Schriften ſind aufgezählt hinter der Memorie bei Witten S. 1011 und voll: 
jtändiger bei Ludwig S. 264—67 und bei Brigleb, Geſchichte des Gym. Casim. Acad. 1793, 
S. 178—82. Auf der Bibliothek zu Wolfenbüttel finden jid) alle bei Witten genannten Werke, 

50 ausgenonmen Die Arx Sionis, die Meletemata, den Anti-Becanus und „De resurrectione 
mortuorum“, aber feine der zahlreichen Disputationen, welche bei Ludwig und Brigleb ges 
nannt jind, und zwar meist ohne Drudort; find diefe vieleicht nur handſchriftlich vorhan⸗ 
den, oder nachher in die größeren Sammlungen übergegangen ? 

J. M. Menfart oder Mayfart, lutheriſcher Theolog zu Koburg und Erfurt, als en⸗ 

56 tbuſiaſtiſcher Myſtiker ohne Unwiſſenheit und als reformatoriſcher Tadler der Schäden 
ſeiner Zeit einer der trefflichſten Vorläufer Speners ward am 9. November 1590 zu 
Jena im Hauſe feines Großvaters - - jo Witten p. 1007, anders Gottfr. Ludwig ©. 261: 
„In vitam introivit a 1590, d. IX. Nov. in Thuringia Walwinckeliae prope 
Waltershusam, unde et Waltershusanus saepe dietus est“ — als der Sohn eine® 

60 Geiftlichen zu Walwintel am Ihürimger Walde, nachher zu Hayna an der Neffe, geboren. 


Meyfart 45 


Auf der Schule zu Gotha erhielt er eine ausgezeichnete philologifche und phitolonhiihe 
Bildung; zu der leteren gehörte eine Vorliebe für die ramiftiiche Lehre und Methode, 
welche ihn aber nicht, wie fo viele andere, gegen humaniftiiche Studien und Ariſtoteles 
eingenommen madte. In Xena und Wittenberg verband er das Studium der Logik mit 
dem der Phyſik und Ethik, des Altertums und der Geſchichte. Erſt nach folder Worbe- & 
reitung, 1611 zum Magiſter Treiert, ging er zur Theologie über. 

inzwischen war außer Wittenberg, Beibgin und Jena noch eine vierte ſächſiſche Hoch: 
ſchule eröffnet zu Koburg. Nicht durch jtrenges Yuthertum, wie Jena und Wittenberg, 
jondern was nötiger fchien, durch ftrengere Zucht der Sitten und Gemeinnüßigfeit für 
das Vaterland follte das im Jahre 1605 eröffnete Gymnafium Gafimirtanum Jena und 10 
alle übrigen Iutherifchen Univerfitäten übertreffen; in diefem Sinne hatte der Herzog Jo— 
hann Caſimir von dem jenaifchen Humanijten Wolfgang Heider die Statuten für das— 
felbe entwerfen laffen, und ftellte es, wie fich felbit, unter die geiftliche Leitung Johann 
Gerbards, welcher auch, nachdem er ihn 1616 an Xena verloren hatte, dennoch ftet3 mit 
ibm und feiner Hochſchule in engfter Verbindung blieb. 15 

An diefer Lehranitalt wurden in demjelben Jahre 1616 Meyfart als Profeſſor an: 
geitellt und 1623 mit der Direktion derfelben beauftragt; 1624 erwarb er auch in Jena 
die theologische Doktorwürde. Er ging auf die Eigentümlichkeit der neuen Schule mit 
Geiftesverwandtfchaft ein. Als feine erjten Cchriften werden theologische Disputationen 
ihon aus den Jahren 1617—19 angeführt; ein größeres dogmatiſches Werk fing er 20 
1620 an: Prodromus elucidarii theologieci s. distinctionum theol. centuriae duae, 
ex omnium prope theologorum, qui post exhibitam A. C. floruerunt, scriptis 
oollectae etc. nad) den zwei eriten zu Koburg 1620 in 4” gebrudten Bänden, welche 
nur die Abfchnitte de theologia, de philosophiae sobrio usu, de S. S. und de 
symbolis enthalten, brach er die Arbeit ab. Dann folgten mehrere polemifche Schriften; 26 
dahin gehört eine Fortfegung der im Jahre 1614 angefangenen Disputationes anti- 
iesuiticae des weimariſchen Theologen Alb. Gramer unter dem Titel: „Grawerus con- 
tinatus“ T. II ete., Koburg 1623 in 4°; noch umfangreicher ijt der Anti-Becanus 
sive manualis controversiarum theol., a Becano collecti, confutatio, Yeipzig 
1627, 2 Bände in 8%, im eriten nur über die drei von Becanus vor allen hervor so 
gehobenen Hauptpunfte de ecclesia, de iudice controversiarum und de vocatione 
ministrorum, in zweiten über fpeziellere Diſſenſe; endlid) der „Nodus Gordius 
Sophistarum solutus, h. e. de ratione solvendi argumenta sophistica etc. 
libri IV, SKoburg 1627 in 8°; durch die beigebrachten theologifchen Beifpiele, welche fo 
zahlreich find, daß das Buch einen befonderen, nad allen Artikeln des dogmatiſchen ss 
Spftems geordneten Inder derfelben giebt, gehört diefe Schrift auch der theologijchen 
Polemik an. Zugleich aber kündigt fie ſich als eine philoſophiſche Vermittelung von Art: 
ftoteles und Petrus Ramus an, mie li denn auch fait jedesmal ziveierlei Löſungen der 
beitrittenen Sophismen nebeneinander ftellt, die eine juxta doctrinam Peripateticam, 
die andere juxta doctrinam Ramaeam. Auch dies Bermitteln war ſchon den Ab- 40 
fichten bei Stiftung des Cafimirianums gemäß; als erjte Lehritunde wird 1607 die „dia- 
lectica Philippo-Ramaea" genannt. Doch wird ſonſt Meyfart um dieſe Zeit noch 
ziemlich allein geitanden fein, wenn auch nicht mit feiner Anerkennung der Philo—⸗ 
fopbie überhaupt und der Notwendigkeit ihrer friedlichen Verbindung mit der Theologie, 
doch mit feinem verfühnenden Aufiuchen des Guten fogar in zwei philofophifchen Syitemen, 46 
deren Anhänger einander ſonſt noch fo feindlich entgegenjtanden. Noch feltener damals, 
wenn auch noch natürlicher, war es, daß diefe durch Philoſophie wie durch Gefchichte und 
Poeſie des Altertums erregte Selbitthätigkeit ſich bei ihm verband mit einem fehnfüchtigen 
Suchen höchſter Ideale, mit einer innigen felbjterlebten Chrijtusliebe, mit einem enthulia- 
ſtiſchen Verweilen bei jenfeitigen und überirdijchen Zuftänden der Vollendung, aber darum so 
auch, wenn er auf der Erde um ſich ber blickte, mit einer Scharflichtigfeit für die Ver— 
wüſtung der Kirche, für die Erjtorbenheit der bloß traditionellen, bei der Menge bloß 
nachgeſprochenen Theologie ohne eigenes Leben, und für die neben dieſer theoretijchen 
Berirrung muchernden fittlichen Schäden. Dies zeigen nody zwei Neihen feiner deutjchen 
Schriften die einen eschatologiichen Inhaltes, Die anderen reformatoriich den gröbiten und 56 
Mei Gebrechen befonder8 der damaligen lutherischen Kirche Deutſchlands ent- 
geg tchtet. 

Die erite beginnt 1626 mit der „Tuba novissima, d. i. von den vier IcKten 

Dingen des Menſchen, nämlid vom Tod, jüngiten Gericht, ewigen Xeben und Ver— 
dammnig, vier Predigten gehalten zu Koburg“, gedrudt daſelbſt 1626 in 40; Die dritte co 


46 Rofart 


von dieſen, ebenjo wie die zweite über Mt 17 gebalten (vie erite über Meisbeit Sal. 5, 
Die legte über LE 16, 1958.), ſchließt 2. 85 mu Meviarts Lite „Jerufalem, du hoch— 
gebaute Stadt“, meldes er bier auf die Aufforderung folgen läßt: „Meint doch vor 
Freuden, die ihr vor Freuden nicht triumpbieren wollt, erieufiet Doch vor Freuden, die ibr 
5 vor Freuden nicht jauchzen wollt, eritummet doch ver Freuden, die ihr vor Freuden nicht 
reden wollt: Jeruſalem“ u.i.w., und dann werden die einzelnen Verſe des Liedes, welches 
bier als der Austrud Des Heimmwebs und der überirdiſchen Sebnſucht echter Chriften da⸗ 
ftebt, noch mehrmals durch Zwiſchenreden unterbroden. Weld eine andere Sprache und 
Kraft bier, wie die fonit gewöhnliche weitſchweifige Der damaligen Kontroverspredigt! 
» Schon dieſe vier Predigten machten einen ſolchen Eindruck, daß man ibn noch weiter über 
diejelben Stoffe hören wollte. So ließ er noch drei größere deutiche Werke in ſechs ftarfen 
Oktavbänden folgen, zuerit zwei Bücer „von dem bimmliſchen Jerufalem, auf biftorifche 
Weiſe ohne alle Streitiahen aus den boldteligiten und fröblichiten KRontemplationen alter 
und neuer gelebrter Väter und Männer beichrieben und bei dieſen betrübten Läuften allen 
u frommen Chriſten zu einem Troit neben anmutigen precationibus iaculatoriis oder 
Zeufzerlein in Trud verfertigt”, Koburg 1627, 2 Bde in 8°, fpätere Auflagen 3. B. 
Nürnberg 1664, 8° und 1674, 8°; femer „Tas hölliſche Sodoma“, oder die ewige Ber: 
dammnis, „auf biftorifche Weiſe“ u. }. f. wie vorber (nur ftatt „boldfeligften und fröb- 
lichſten“ jteht bier „inbrünitigften und andächtigiten”), Koburg 1630, 2 Bde, 8°, auf 
0 einer Ausgabe von Nürnberg 1671 in 8° jtebt „zum fünften Mal gedruckt“; endlih „Das 
jüngite Gericht, auf biftorifche Weile“ u. ſ. f. wie vorber, Nürnberg 1632, 2 Bände in 8°, 
auf einer Ausgabe, Nürnberg 1672, beißt es „zum adıten Male wieder gedrudt”. Ein 
deuticher Tante voll Gelehrfamfeit und Phantaſie, wie diejer, wird faum irgendwo, fo 
wie er ſich in diefen Merken darjtellt, anzutreffen fein; die Menge und die fchnelle Auf- 
25 einanderfolge der Ausgaben zeigt, wie dürſtend in der dürren Zeit der Iutberifchen Scho- 
laftit und Polemik das deutihe Yand nah der Erfriſchung ſo lebendiger Myſtik und 
Poeſie mar. 
Die zweite Klaſſe feiner deutichen Schriften, nämlich diejenigen, welche man refor: 
matorifche nennen darf, gehören erit feinem jpäteren Wirkungskreiſe und feinen legten 
80 Jahren an. In der Anbänglichkeit an fein Gafimirianum und an deſſen ftrenge und 
fromme Sitte blieb er ſich ftets gleich; er ſchrieb auch noch mandjerlei andere Yebr- und 
Schulbücher für dasjelbe, wie 1627 das Mellificium oratorium, 1628 dad Compendium 
geographiae u.a. Aber im Jahre 1631 (Mitten) oder wohl erit 1633 (Ludwig), nachdem 
Guſtav Adolf Erfurt eingenommen und die dortige Univerſität als eine Iutberifche berzuftellen 
85 angefangen batte, ließ er fich als Profeflor der Theologie dorthin berufen, ward 1635 Rektor 
der Univerfität, wurde auch Paſtor und zulegt Senior des geiftlichen Minifteriums, und blieb 
bier bis an feinen frühen Tod am 26. Januar 1642. Hier nötigten ibm andere Sitten 
wie die feiner „Gaftmirianer”, wenn auch noch nicht fo verdorbene, wie fie ein Jahr⸗ 
bundert fpäter in Erfurt berrichten, andere Schriften ab; doc auch über verbreitetere 
u Schäden, als die feiner nächiten Umgebung, ließ er nach dem idealen Aufſchwung feiner 
eschatologifchen Werke nun in diefen jpüäteren Schriften fein Gericht warnend und ftras 
fend ergeben. Und gerade an die verbreitetiten und dadurch unbemerfteiten, aber ver: 
derblichiten Gebrechen wagte er es bier fait ohne Gemeinschaft und Mitwirkung, aber 
nicht ohne eigene (Sefahr, Hand anzulegen. Seine „Chriſtliche Erinnerung an gewaltige 
65 Regenten und gewiſſenhafte Brädifanten, wie das abfjcheuliche Laſter der Hererei mit Emit 
auszurotten, aber in Verfolgung desfelben auf Hanzeln und in den Gerichtsbäufern ſehr 
befcheidentlich zu handeln ſei“, Schleufingen 1636, in 4°, nachher wiederholt in Thoma: 
us’ „Schriften von Unfug des Herenprozefles”, Halle 1703, S. 357—584, gehörte zu 
den eriten und eimdringlichiten Warnungen vor den Gräueln, welche man bier durch Ge- 
50 wohnheit und Verbildung (ſ. oben Bd VIII S. 30ff.) erträglich und berechtigt zu finden 
gelernt batte; in der Vorrede bezeugt er, wie er die Schrift fchon vier Jahre vorher be= 
endigt habe, es fei aber „das Werk auf Drudereien wegen vieler Verhinderung zur Seite 
gelegt”; aber „Sollte ich gänzlich fchmeigen, würde mein Gewiſſen betrübt werden”; er 
ſei „vortreffliher Männer und Freunde Gutachten bierin gefolgt, welche ihm heftig an- 
55 gelegen bei jo beichaffenen Umständen in dem Handel fortzufabren”; zwar nicht „aller 
Orten fer der Hexenprozeß den Rechten und der Billigkeit ungemäß“, aber er giebt doch 
in erfennen, daß er es an den meijten fei; er preift „pen Fatholifchen, aber lobwürdigen 
Mann, der die praxin criminalem gejchrieben“, Fr. v. Spee, ohne ihn zu nennen. 
Seine „Chriftlihe Erinnerung von den aus den hohen Schulen in Deutfchland entwichenen 
eo Ordnungen und chrbaren Sitten“, Schleufingen 1636, in 4°, welcher 1634 eine ala= 


Meyfart Micha 47 


demifche Rede, „Bildnis eines wahren Studenten der hl. Echrift, genommen aus dem 
ebrliben Leben des Propheten Daniel auf der königlichen Akademie zu Babylon”, Erfurt 
1634, in 4°, vorbergegangen mar, zug eine andere Schmady Deutichlands hervor; fie 
beichrieb den fittlichen Zuftand auf den Lutherifchen Univerfitäten, befonders bei der fünf- 
tigen Generation der Geiftlichen, und mies den Zufammenhang nad, in welchem diefer 5 
mit dem Verfall der humaniftiichen Studien und der Xeblofigfeit der ſcholaſtiſch gemor- 
denen Theologie, mit der Unterbrüdung der von Melanchthon ausgehenden Anregungen 
und der Aufmunterung der gegenfeitigen Anfeindung um der jedem vworgefchriebenen Tra- 
dition willen ftand; fie verlegte aber dadurch jo gründlich die Selbitjeligfeit derer, die am 
chtlichiten „ſich dünkten, die Säulen der Iutherifchen Kirche zu fein”, daß felbft ein 10 
nn, wie Johann Gerhard in Jena, mwenigitens Hoe von Hohenegg gegenüber in ber 
zu freimütigen Schrift faſt nur Hypochondrie und Preßvergehen zu fehen wermochte (Brief 
an Hoe vom 30. Auguſt 1636 ın Fiſchers V. Gerhardi p. 545), und daß unter der 
Schande des Pennalismus noch Jahrzehnte hindurch das neue Geſchlecht lutheriſcher Geift: 
licher fo gründlich verdorben werden Tonnte, daß es zunächit nur durch die Abſchwächung des ıs 
Pietismus miederherzujtellen war. Noch weiteren über die Grenzen des Univerfitätsleben 
binausgehenden Reformen und einer Vereinigung von Kräften dafür ging Meyfart in diefen 
feinen legten Jahren nad); eine Denkſchrift desjelben mit Vorſchlägen, wie den Sitten der 
Geiftlichen, dem Gottesdienſte, der Kirchenzucht und Gebetszucht abzuhelfen, und dem Nepo— 
tismus und der Simonie, dem Kirchenunfrieden und dem gegenfeitigen Haß zu mehren a0 
fei, wurde friebliebenden Theologen, wie Galirtus und Val. Andreä, zur Begutachtung 
und Anfchließung vorgelegt, und Fürften, wie Herzog Auguft von Braunfchweig, interef- 
fierten ji dafür; ein lateinifches Programm Meyfarts, De concilianda pace inter ec- 
clesias per Germaniam evangelicas, Schleufingen 1636, jtellte 17 Eigenschaften zu: 
jammen, durch welche Theologen zur Friedensſtiftung ungeeignet zu werden pflegten, 3. B. 26 
insufficientia morum et eruditionis, metus odii et invidiae, intuitus humanae 
auctoritatis. Aber folche Eigenjchaften waren aud damals noch ftarf und verbreitet 
genug, um jeden bleibenden Erfolg des Meyfartſchen Reformationg: und Friedenswerkes 
zu verhindern; er fonnte zulett die Thefen dazu nur in jein Werk über die afademifche 
Sittenzucht, wie zu den —* aufnehmen. Andere ſeiner legten Schriften ſtanden dieſen so 
Aufgaben fern. So ging auch er, wie man von Galirtus geſagt hat, an feiner Zeit „faſt 
ipurlos vorüber, aber wie eine Weisſagung“. Heute +. 


Micha, der Bropbet, — Litteratur: Ed. Bocod, Commentary on Micha, Orford 
1677; Großſchopf, Die Orakel des Propheten M., Jena 1798; Juſti, M. überf. u. erl. (1799); 
A. TH. Hartmann, M. neu über). u. erl., Semgo 1800: Caspari, Ueber M. den Morafthiten, 85 
Ehrift. 1852; T. Roorda, Comm. in vatic. Michae, Leiden 1869; 2. Reinte, Der Proph. M., 
Gießen 1874; T. 8. Cheyne, Micah, with notes and introduction, Cambridge 1882; 
8. Ryfiel, Unterfj. über d. Textgeftalt und die Echtheit d. B. M. Ein krit. Komm. zu M., 
Leipzig 1887; H. J. Elhorſt, De profetie van Micha, Arnheim 1891. Ferner: J. W. Andler, 
Animadv. in M., Tübingen 1783; Echnurrer, Animadv. phil. crit. ad vat. M. (1783); A. L. 0 
Bauer, Animadv. critt. in duo priora capp. proph. M. (1700); Hartmann in SHentes 
R. Mag. IV; Paulus collatio versionum in textu M. in Pott? Sylloga I; Meier in Zellers 
Theol. Fahebi I, 3; Hofmann, Weisſ. u. Erf. I, 117. 212. 215 ff. 244 ff. 249 ff.; Schriftbew. 
IL1 ©.9 u. 94; II,2 ©. 5345.538; SHengitenberg, Chriſtol. I, 474 ff.; Nöldeke in Schentels 
Bibeller.; Preiswert, Morgenland II, 129; Gaspari in ZITHB 1852, III; Abhh. von Dort 45 
w Suenen in der Leidener Ztihr. 1871, 501; 1872, 45; Dehler, Theol. d. AT. II, 84ff. 89. 
212. 260. 265; Duhm, Theol. d. Proph. 178; Stade, ZatW 1881, 161 ff. u. dazu Gieſebrecht, 
ThS3 1881, 433 f.; Delipii, Meſſian. Weisjag. 112 f.; J. Taylor, The massoretic text and 
the ancient versions of the book of M., London 1891; J. W. Pont, Micha Studien in der 
Boll. Ztſchr. Theol. St. 1888. 1889. 1892; Nomwad, Bem. über. d. B. M. in ZatW Jahrgg. so 
IV, —2%. Sagenhaftes über M. bei Pieudo-Epiphaniug und Pjeudo:Dorotheug, jo: 
wie bet Fozomenos VII, 29 coll. Huetius, Demonstr. evang. I, 437; Carpzov Introd. 

, 373 ff. 

Micha (eigent. "77 d. h. mer [ift] wie Jahlwe) beißt von feiner in der jüdäiſchen Nies 
derung gelegenen Baterjtadt N NEM, auf deren Namen er 1, 14 anfpielt, der Morajthite. 58 
Er wird im der Überjchrift des nach ihm genannten prophetifchen Buches und Ser 26, 18 haupt: 
ſächlich wohl deshalb jo bezeichnet, um ihn von anderen Michas — e8 tragen im AT außer 
unferem Propheten noch 11 Perfonen diefen Namen — und insbefondere von dem Propheten 
Micha ben Jimla 1 Kg 22,8 zu unterfcheiven. Da die Worte, mit welchen unfer 
Buh 1,2 beginnt (073 Dr WO), fih auch 1 Kg 22, 28 in dem Munde dieſes Micha 60 
ben Jimla finden, fo. glaubten. Higig, Kleinert, Nägelsbach u. a., daß fih unjer Prophet 


I Micha 


u in nhth. arenn Feten ennaniigen Reigauger angeſchlojſen babe. Allein jene Norte 
taten NN wblenn werlich urferumalic Wie Micha jeiner Ab: 


ur 
N“ man har Kyeder Anpa ugetette 'e ver er Such SCHERE eronbetijche Thätigkeit in 
Vera pewn Yrebsyrtiäyjat pipe SOTinsanene, sungube Dies ſieht man teils 
on wre Wobei r.z Suter zer sc Nee sansen Volk von Juda 
nem nme on N she na u Smmiarrm scheben jen fann, teile 
"on. . NN en Bm Den Deriemtm Senennt nur Die Drei 
1 on Inch . Looenc angefochten wird, 
NS No: yewmanmme Tmmasm. 8 3, em judäiſcher 
. NN and See oommon as De Zement R. mweisjagte 
RE ee Se meui vun» Dune eo knmt, jo bleibt 
INN nn Non ne NITLE zemme. Aber wann ilt 
\ an Son x EEE Se mer ram mober eine ganz 
NN Io ame '. in Smenz zeegen Die 
.. em Inn zn Saha hen, cde: nur unter Hiskia 
NN Nee wer m Surf WSrund Der Zus Jer 26,18 
. EZ Se sr Dakar su Aber Die Mar —: baben, wie 
en . se Zperzäse einer Aede aus Dir Sem ns Abbas; und 


az Sir Dir genuine Ürbeber De Saces 4, 1—D 
8 onstwznde Annahme bleibt, da Derian ber Jeſaja 
on “or zsesiagungen einleitender und berstziczerder Iert“ 
re an >27 Jeſaja noch bei Micha uriprunzue 77, tb nicht 
un FRE, weil \ 29 sugeltandenerzztez zu den 
oc nett, Folgen, Dap wir in Mi 1, 1. 3 an schen zu 

= Berielle noch Mitregent ſeines qusizgizen Raters 

Er hart ver uno baben. Ter Zeit Hiskies er mürde 

m vorzugoweiſe angebören, als er unter Keen Nönige 

v. „zu Geſprochene mit der bierzu nötigen Veranderung Der 

N Sc zuſammenfaßte und Durch Die öffentliche Verleſung 
a propbetifche Wirkſanikeit in konzentrierender Weiſe ab— 

sw. Kapiteln Des Buchs werden ja nur Die Kap. 1--3 dem 
Nr weils ganz, teils ſtückweiſe ihm abgeitritten? Wie ver: 

S.. Trage zu beantworten, vergegenivärtigen wir uns den Inbalt 


aM. Das bevorſtebende Strafgericht Gottes über Die Neiche 

.. nr Soll es zuerſt treffen und Dann Juda. In Rap. 2--3 ber 

. nut Diefes Gerichts vorzugsweiſe Die Zunden der Bornebmen, 

—ER und ihrer Selferabelfer, der falſchen Propheten. In dielem 

word 1213 ale den Zuſammenhang jprengend ausgeichieden 

an wit Zuſammenhang berzuftellen unmöglich, wenn man nicht mit 

A.r vr Hofmann, Kleinert, Orelli, Strack in V. 127. die Rede eines Yılgen- 

ons selben, Der, wie V. 11 ſagt, „dem Wind nadacht und Trug lügt”, 

licben Einführung der Rede eines ſolchen Propheten durch ein 

wen WI nicht befremdlich, um jo weniger, ala M. den Gegner unmittel- 

vlen lit. Was Diele Yügenpropbeten weisſagen, eine glückliche Wen— 

nn ine Lage, eine Wiederſammlung des geſamten Volkes durch Jabwes 

. FE GE ee EI das wäre „dieſem Volk“ genehm; ein in dieſem Sinne 
0.80 Der Einwand Hengſtenbergs, daß eine vLügenweisſagung 

reden würde (V. 12), Da dieſer Ausdruck auf ein voraus⸗ 

. ande mein, iſt unzutreffend, da ja zur Zeit, als M. weisſagte und zu: 
en hun Pub ſeiner Weisſagung unter Hiskia verfaßte, Unbeil genug über 
ur est wal, um ſeinen jetzigen Beſtand als TREI TON (2 Na 19,4) zu 
be My Auſſaſſung von W, 12--15 als eines trügliben Prophetenworts wird 
sl enſablalbe TEN AL) aber jagte””) 3,1 beſtätigt, womit M. zu dem über— 
a hhill ſeit Voli in falſche Hoffnungen einzuwiegen, wirkich verkündigt hat, 
tler oa Giernhl uber Juda, das auch Jeruſalem zu einem Trümmerbaufen und den 
IDEEN Mealbhobe macht (3, 12%. Erſt jenſeits Des Gerichts ſchaut er dann Den 
enieeine neuen zeit, in welcher Zion Der unter Dem von Dort ausgehenden Geſetz 
dm fpueblilb' chenden Welt Mittelpunkt werden und Jahwe ſein zerſtreutes Wolf 
lin Mad, um Jen Konig zu ſein Fur immer und damit das zerſtörte Zion wieder 


Micha 49 


zu einer Königsftabt zu machen (4,1—8). Doch in Kap. 4 u. 5 fol ja nun nad) Stabe 
4,1—4; 11—14; 5, 1—3; 6—14 nachexiliſch; 4, 5—10; 5,4. 5 noch jpätere Inter⸗ 
polationen feien und zwar wegen des Vorhandenjeins von Widerfprüchen und verfchiedener 
Gefichtöpuntte. Aber mit Recht hat es Ryſſel als ſchwerwiegendes Moment gegen bie 
Objektivität der Darlegungen Stabes bezeichnet, daß nicht nur Nobertfon Smith (Encyel. 6 
Brit. B. 16 ©. 225 betreffs der Stelle 4, 9—10), ſondern auch Reuß (Gefch. der bl. Schr. 
ATs 8 256) bekennt, diefe Widerfprüche nicht entdect zu haben. Neuß fügt hinzu, daß 
man dann auch ef 8,22. 23; Ho1 u. 2 und an vielen anderen Orten, wo der Öefichtee 
punkt des Propheten ſich Partie ändere, Die gan eined „Epigonen” und „Deutero-“ 
erfennen müjle. Ryſſel hat a. a. D. 218ff. auf Grund forgfältigfter Unterfuchung nadjzu: 
weiſen gefucht, daß, wenn man von der faljchen Annahme von Hinterdreinweisfagungen und 
falfcher Beſchränkung gewiſſer propbetifcher Vorftellungen und Hoffnungen abjehe, keine 
Gründe vorhanden feien, die und nötigten, die Kap. 4u. 5 in ihrem ganzen Umfang oder 
einzelne Teile derfelben dem Micha oder überhaupt einem Verf. der Zeit um Hiskia ab- 
zufprechen; daß vielmehr durchaus alle Anſchauungen und Wendungen der Prophetie der 16 
aſſyriſchen Periode entſprächen und auch mit den Gedanken in den — allgemein als echt 
anerlfannten — Kap. 1—3 durchaus ftimmten. Ob freilich der Argumentation Ryſſels 
in allen Punkten beizupflichten it, fcheint mir fraglich; fo, wenn er den Anftoß, den 
man daran genommen hat, daß V. 10 — während der Zeit der aſſyriſchen Herrichaft — Babel 
al3 der Ort erwähnt werde, wohin Zions Volk fommen folle, durch den Hinweis darauf 20 
zu bejeitigen ſucht, daß 1. Babel zur Zeit Micha d.h. in dem Anfang der NRegierun 
hiskias zum afigrifchen Reiche gehört habe, daß 2. die Afiyrer die befiegten Judäer nad 
Babylonıen hätten verbannen können (2 Chr 33, 11), fo gut wie umgekehrt Sargon manche 
Babylonier nad) Syrien und Samarten verpflanzt habe (Schrader, KAT: 276ff. 403); 
und daß 3. wirklich in mejentlich gleichzeitigen prophetifchen Ausfprüchen, wie Jeſ 22,18 236 
Babylonien ald Deportationsort erſcheine. Am nächiten läge doch immer die Annahme, 
daß der Prophet an die Babylonier ald an die Gefangenführenden gedacht hat. Auf 
die Stelle 5, 4. 5 fünnte man ſich dagegen nicht berufen, da Micha ficher ebenjo gut 
wie Jeſaja mußte, daß die Babylonier, wenn auch dazumal unter aſſyriſcher Ober: 
bobeit, doch ein beſonderes Volk ausmachten, das gelegentlich nad) Selbititändigkeit rang. so 
Daher denn Köhler (Bib. Gefch. III, 242? Anm.) feinen Widerſpruch darin findet, wenn 
Micha etwa annahm, vor dem Anbruch der meffianifchen Vai werde Zion noch durch die 
Babylonier gefangen geführt werden, und zugleich annahm, in der melltanifchen Zeit 
werde auch Aſſur noch, wie zu feiner Zeit, ein gegen Zion feindliche Volk fein. Aber 
die Dinge lagen nun einmal zu Michas Zeit jo, daß Aſſur das herrichende Voll war * 
und Aſſurs Stadt Ninive. Und darum würde er, wenn die damalige Zeitlage feine Weis- 
ſagung beitimmt hätte, Ninive und nicht Babel als Deportationgort genannt haben. Redet 
er nichtsdeſtoweniger von Babel, jo bat er ald Prophet geredet, defien Wort ſich durch 
die geichichtliche Deportation Judas nad) Babel betwahrheitet hat. Beides aber, die Vor: 
agung, daß Juda dorthin kommen werde, und die Thatfache, daß es dorthin ge: 40 
ommen tft, hat jeinen inneren Grund in der mweltgejchichtlichen Bedeutung Babeld, vermöge 
deren es als Ausgangspunkt der Völkerwelt dem Volt Gottes und als Sit des eriten 
völferweltlichen Reiches (Gen 10, 10—11) der Stadt Gottes gegenüberiteht”. Heißt es 
von dem Volke Zions, daß es gefangen nach Babel wandern muß, fo iſt dies der ftärfite 
Ausdruck für den Gedanken, daß es feiner Sonderjtellung unter den Völkern verluftig zu «$ 
geben Gefahr läuft. Zurüdgeivorfen bis dahin, von wo das Völkertum ausging, jcheint 
es im Strudel des Weltverfehrs, als deſſen Mittelpunkt Babel vor der Seele des Propheten 
fteht, untergehen zu follen. Aber es wird — fährt M. fort — von dort erlöft werden. 
Er wiederholt 4,11ff. die Weisfagung Joels von einem Tage des Streites, mo ein 
Herr der ganzen Völkerwelt Jeruſalem vergeblich befehden wird und darüber zu Grunde se 
gebt; aber erit dann wird dies gejchehen, wenn Zions Volt zuvor nach Babel gelommen 
und von dort erlöjt fein wird und zurüdgebradht. Jetzt — in der näheren Zukunft — 
muß Zion die Mißhandlung feines Königs durch feine Feinde ſehen; und von wo David 
gelommen, aus dem geringen Bethlehem (aljo aus dem auf feinen damaligen Stand 
zurüdgebracdhten Haufe Davids, in dem es ſich befand, als David aus Bethlehem geholt 8 
ward) wird der König kommen, der das einheitlich beimgebrachte Volf-regiert und iirmt, 
der König, auf deſſen Kommen es von je abgejehen war, der von alters her im Kommen 
begriffen ift (HP mm DIRP vnRein), Bis ihn gebiert, die ihn gebären foll, - wird 
Jahwe fie dahingeben; dann wird aber der. Reſt feiner Brüder d.h. Juda ſamt denen 
von Israel zurüdkehren und in Frieden leben, gegen fremde Macht fiegreich fich bes 60 
Realstencnhflopädte für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 4 


U) 
o© 


Nice 


| verſanung Steht bier auf ihrem Höbepunkte. Die 
ip "15 gefunden bat, jehiwinden, wenn man erivägt, 
. ne bar und eine fernere Zufunft einander gegenüberjtellt 
u. rpm ID sm: Sion wird zerſtört, ebe es der Sig jener Die 
N yunden uuiihaft Jabwes wird (3, 12--4, 8): Zions Voll wird 
—W einen Sieg über das Völkerheer davonträgt (4, 9--13); 
.. I: winhbalndiung ſeiner Feinde preisgegeben, ehe jener Sohn Davids 
und Ne Arien gründen und über das einheitliche Jsrael herrſchen wird 
wovon, sa Der ſich Die Weisſagung in Rap. 4 u. 5 aufgelchmungen, fteigt 
wet berab, indem fir, zur Gegenwart fich wendend, in Form eines Rechte 
und deſs Volkes Dartbut und zeigt, in welcher Weiſe allein dieſelbe wahr: 
di derden konne; wie Dies aber in der Gegenwart nicht gefchehe, weil da das 
ons Zunden verbarre, wofür ibm Der Bropbet das Unbeil anfündigt, von dem 
tie Na ſeine Untreue betroffen wird. Auf dieſe Trobung (6, 9--16) ant⸗ 
er Denit Die glaubige Gemeinde in Israel mit einem Bußgebet, in welchem fie die 
Gidemcibeit Dev tiefen ſittlichen Verderbens reumütig befennt und fih unter das gött⸗ 
av zorngericht beugt (7, 1. 6), aber auch ihren Glauben ausſpricht, mit dem fie auf 
yelter est, Der ihr ausbelfen wird, und fich Schließlich mit Dem Ausdrud guter Zu: 
werd een Babel kehrt und deſſen getröftet, Daß Gottes Zorn, den fie getragen, 
verubeigehen, hingegen Babel fallen wird, um nicht wieder zu erſtehen; und wenn 
Aubel allt, ſtrömt ve herbei zu Jahwe aus Ägypten und Aſſur und füllt das Yand von 
Myupteite Grenze bie zum Gupbrat, von Meer zu Meer, von Gebirg zu Gebirg. Dieſe 
Hoſſnung, Det Die Gemeinde Auedruck giebt, gebt dann V. 14 über in cin Gebet zu 
so ibrenn Wort um Erneuerung der früberen Gnadenbeweiſe, worauf Gott mit der er: 
heißung antwortet, daß er feinem Wolfe Die Wunder der Vorzeit erneuern werde (V. 
Ir od und der Prophet mit dem Yobpreis der göttlichen Gnade und Barmberzigfeit 
ſihlickt (R. 18-20). 
Aber Die Kap. 6—7 ſollen ja — ſagt man --- von einem anderen Propheten ber: 
wo rulnen. wald bat zuerjt Die Autorſchaft Michas beftritten und als Zeitpunkt der Ab: 
ſaſſung Die Regierungszeit des Königs Manaſſe angenommen. Tiefe Anfegung Ewalds 
hal viel Anklang gefunden, wenn auch nicht für Das ganze <tüd. Mellbaujen Bleeks 
Einl. in d. AT von Wellhauſen 425 Anm.) verſetzt nur 6 u. 7, 1216 in Manaſſes Zeit, 
«We Exil. Cornill hört 7,7ff. eme Stimme aus der fümmerlichen ZJeit des 
so woeiten Tempels. Auch Stade ſetzt nur 6, 1-216; 7, 146 in Die Periode Panaffes 
und meint, Der ursprüngliche Schluß diefer Weisſagung ſei im Exil durch 7, 7 ff. erſetzt 
worden. Andere, wie Trelli, balten an Michas Autorfchaft für Die in Rede ſtehenden 
Kapitel feit; Kleinert bält fie wenigitens für wahrſcheinlich. Nöldeke befennt, feinen 
Grund zu feben, um Kap. 6 u. 7 abautrennen und einem anderen Propheten beizufegen; 
“und aud Steiner (Hitzigs Kl. Broph.* 1881) erklärt die von Ewald für feine Bchaup: 
tung geltend gemachten Gründe für nicht durchichlagend. Ryſſel endlich, der Die Trage 
am eingebenditen beleuchtet bat, it der Meinung, daß die Abfaffung von 6, 1—7,6 
unter Manaſſe auch mit der Autorjdaft Michas vollig vereinbar ſei; daß ſich aber bie 
Anjeßung Des Abfchnittes in der fpüteren geit Hiskias noch mehr empfeble; daß ji 
45 ferner die Yostrennung des Stückes 7, —20 von den anderen Weisfagungen Michas 
und bejonders feine Verlegung in die Zeit des babyloniſchen Grils durch nichts recht: 
fertigen laſſe; ſein Inhalt fich vielmehr am einfachiten erkläre, wenn man es dem Micha 
zueigne, möge man nun die Abfaſſung in die Hiskianiſche Zeit vor dem Cinfalle San⸗ 
heribs oder bis in die Anfangszeit Manaſſes binein verlegen. In der That nötigt weder 
50 die Form noch der Anbalt der Nap. 6 u. 7 zu einer kritiſchen Ausſcheidung, wie fie 
von den oben genannten Gelehrten vorgejfchlagen it; und wenn Wellbaufen unter Zus 
ſtimmung von Stade, Robertſon Zmitb, Cheyne u. a. Die Verſe 7,7--20 vom Stand: 
punft des babyloniſchen Crils aus gejchrieben ſein läßt: wie erfärt jih die Erwähnung 
Aſſyriens und Agpptens (V. 12) in einer Zeit, wo, „allein Babel und Perſien im Vorder: 
55 grund jtehen, während Die Beziebungen zu Aſſyrien und Agypten ja gerabe ber Zeitepoche 
Michas angehören“? Und wie die Hoffnung auf eine Rückkehr aus den letztgenannten 
Ländern? Iſt Daraus nicht zu ſchließen, daß zur Zeit der Abfaſſung nur erſt Deporta⸗ 
tionen nadı biefen erfolgt waren, Da anderenfalls doch wenigſtens Babplonien mitgenannt 
fein mußte? Der all Jerufalems liegt nicht hinter dem Verf. von 7, 7—20, ſondern 
co vor ibm. Er ijt ihm eine gewiſſe Thatſache der Zukunft, ebenjo wie feine Wieder: 


Micha 51 


berftellung. Schon 1, 9—11 ift die beporftehende Zerftörung der Hauptitadt angedeutet 
und 3, 12 Har und bejtimmt ausgefprochen, wie in Kap. 4—5 die Wandlung des be: 
voritehenden Gerichts in Heil und der Wieberaufbau der bl. Stadt. Beachtet man die 
zablreihen Berührungen des Stüds 7, 7—20 einerfeitd mit den Kap. 1—5 (vgl. 7, 8 
mit 3,12; 7,10 mit 4, 11—13; 7, 11—13 mit 4,1f,; 7,14 mit 5,3; 7,19 mit s 
1,5; 3, 8), andererjeits mit dem Abjchnitt 6, 1—7, 6 (vgl.7, 9 mit 6, 1f.; 7,15 mit6, 4; 
7,20 mit 6, 4f.), fo wird man zu dem Schluffe gedrängt, daß das Stüd 7, 7—20 den 
gleichen Berfafler hat, wie die übrigen Teile des Buche. Der Überblick über feinen In— 
balt erweiſt dasjelbe als ein in allen feinen Teilen zufammenhängendes, planmäßig und 
organiſch gegliedertes Ganze, das dem Propheten Micha abzufprechen feinerlei zwingende 10 
Gründe vorliegen. Wir wiederholen daher, mas wir oben ausgelprochen, daß Micha unter 
König Hiskia dieſes fein Buch öffentlich vorlag (Jer 26, 18), nachdem er es als Reka— 
pitulation feiner Verfündigung unter Jotham, Ahas und Hisfia redigiert hatte. 

Bon befonderem Interejje ift der Inhalt von Kap. 6 und zwar in zweifacher Hin: 
fiht. Es ftimmt nämlich, worauf Kloftermann (Der Pentateuc) 155) bingerviefen, dag 16 
Schema der Geichichte, das der Prophet bei feinen Zeitgenoflen als fo belannt voraus⸗ 
jet, daß er nur andeutend daran zu erinnern braucht, genau mit dem überein, welches 
das Buch Numeri in feiner urfprünglichen Verbindung mit dem Buch Joſua beherricht. 
Wie nämlih im alten Buche Numeri — vor Einfügung der deuteronomiſchen Thora — 
vor dem mofaifchen Liede Di 32 über Balak und Bileam (Kap. 22—24), den Aufenthalt 20 
mn Sittim (25, 1; 33,49) und nad) demfelben im Buche Joſua über den Zug von 
Sittim nad Gilgal, jenem Heerlager berichtet war, von dem aus Joſua jene Feldzüge 
unternahm, die Israel in den Bejig des Verheipungslandes festen: jo gedenkt Mi a unter 
Nachahmung des moſaiſchen Liedes (6, 1ff.) des Balak und Bileam und der TNiPTE von 
Sittim bis Gilgal: ein Beweis dafür, daß ihm das fogenannte jehoviftifhe Buch vor: 36 
gelegen hat. Der andere Punkt, deſſen Beſprechung von Snterefie ift, betrifft Michas 
Stellung zum Opfer. Man bat aus 6, 6—8 geichloffen, daß der Prophet die Opfer 
nicht als Inhalt der göttlichen Thora angeſehen hat. Was hat es mit diefer Stelle auf 
ich? Micha erklärt dort dem Volke, das anſcheinend voll Scham über feinen Undanf Gott 
egenüber und voll Eifers, ihn zu verfühnen, in Wahrheit aber ohne rechte Erkenntnis so 
feiner Schuld feine Bereitwilligkeit ausipricht, Gott, wenn er es fordere, zahlloje Opfer 
zu bringen, ja das Teuerite hingeben zu wollen, daß ihm fchon früher fund gethan, was 
Jahwe von ihm verlange; und zwar thut er es 1. in der Weile, daß er auf das Ent: 
Ichiedenfte in Abrede jtellt, daß Gott das ihm von dem Volle Dargebotene wolle oder 
auch tuolle (EX? 79), und 2. fo, daß er ihm zugleich die ſchon vorbandene göttliche a6 
Kundgebung jeines Willens ins Gedächtnis zurüdruft. Es ift die Forderung Dt 10,12, 
an die er erinnert, indem er bon der dortigen allgemein lautenden Ausjage, ſein Wort der: 
felben formell gleichgeftaltend, eine fpezielle zeitgemäße Anwendung madt. Während es 
nämlich Dt 10 beißt, Jahwe verlange nichts von Serael, als ihn zu fürdhten, auf allen 
jenen Wegen zu wandeln, ihn zu lieben und ihm von ganzem Herzen zu dienen, jagt 40 
der Prophet, der an feiner Zeitgenoflenfchaft gerade Sünden der Ungerechtigfeit, der lieb: 
lofen Unterbrüdung, der Hoffart zu rügen hat, fein Gott verlange nichts, als daß man 
Gerechtigkeit übe, Milde liebe und einen demütigen Wandel mit ihm führe. Wenn er 
nun aber die Lehre, daß der Herr nicht Opfer, ſondern Gerechtigkeit u. |. w. verlange, 
für eine Lehre des Geſetzes erklärt und auf eine Stelle des Gefeges, wo diefelbe ausgefprochen «5 
it, deutlich anfpielt, auf die deuteronomiiche Thora: fo meiß er fraglos von einen ge 
eglich geregelten Opferfultus und fann es ihm nicht in den Sinn fommen, denfelben zu 
beriverfen oder auch nur gering zu achten. Was er vertvirft, ift das opus operatum 
des Opferdienſtes, das tote Opfer. Weil e8 aber der Mangel an den von Gott ge 
forderten Tugenden der Gerechtigkeit, Ziebe und Demut ift, was die Opfer des Volks zu so 
toten Werken macht, jo jegt er den toten Opfern als von Jahwe nicht verlangten, „nicht 
etwa im rechten Sinn gebrachte Opfer, fondern Gerechtigkeit, Liebe und Demut als das, 
was er fordere, fo ſcharf entgegen”. Es iſt eine treffende Bemerfung Casparie, daß die 

topheten gerade deshalb, weil Israel ſelbſt die Scele und den Leib des Gerimonial- 
tus boneinander trennte und bloß an dem legteren feſthielt, gleich als wäre er ders 
ganze und eigentliche Kultus, und neben diefer vermeintlichen Beobachtung des Gerimonial- 
Handlungen beging, die aus einem Geift bervorgingen, der in ſchneidendem 
enfag zu dem Geilte ſtand, in welchen das Gerimonialgefeg beobachtet werden 
follte — daß die Propheten gerade deshalb das Gerimonialgefeg in Gegenjag zum 
4* 


52 Micha Michael Scotus 


Moralgeſetz ſtellen und die Erfüllung dieſes als Hauptſache hinſtellen und ſo ſowohl ſelbſt 
darauf aufmerſam werden, daß jenes nicht die adäquate, legte, ewige Yorm des Gottes⸗ 
dienftes fein könne, als andere eben darauf aufmerkſam maden. Übrigens fchließt fich 
Mihas Wort dem Einne nad jenem Ausipruh Samuel Saul gegenüber 1 Sa 15, 22 
s allenädjit an. Zugleich nebmen wir von der in ®. 8 vorliegenden Beziebung auf die 
ha momife Ihora Alt, die alfo, etwa hundert Jahre vor Joſia, befannt geweſen 
ein muß. 
Mas den grammatifchen Charakter der Sprache Michas betrifft, fo iſt derſelbe 
Haffiih rein. Den rhetorischen Eigentümlichkeiten nach ftebt Micha zwiſchen feinen beiden 
10 Zeitgenofjien Hojea und Jeſaja gewifjermapen mitten inne, jedoch fo, daß er legterem be 
deutend näher fteht als erjterem. Tenn während er mit Hofea nur in dem fprungbaften 
Charakter der Rede, in dem rajchen und plöglichen Wechjel der Übergänge zufammentrifft, ift 
er vermöge tief innerlicher Geiftesvermandtichaft der würdige Genofje Jeſajas. Er teilt 
mit ihm die ergreifende Miſchung von Milde und Strenge, von Sanftmut und Erhaben⸗ 
15 heit, die draftifche Lebendigkeit und Vorliebe für künftlihe Redeformen. In letzterer Be 
ziehung fteht namentlich die Stelle 1, 10—15 mit ihren fühnen Paronomafien einzig. 
artig da. Quo certior esset — Sagt Carpzov in feiner Introd. III, 375 — doc- 
trinae fides, voluit Deus Jesajam et Micham loqui simul quasi uno ore et 
talem consensum profiteri, quo possent convinci omnes rebelles. Wie eine 
20 Reminiscenz an Am 5, 13 Elingt dag KT "77 r2 ©» Mi2,3. Über die Znqaffen. 
ſchaffenheit des Textes des Buches Micha ſ. Ryſſels Unterſuchung a. a. O. ©. 1ff. 
Bolck. 


Michael Cärnlarios |. d. A. Cärularios Bd III ©. 620. 
Michael von Gefena ſ. d. U. Franz von Affifi, Bd VI S.212, a7ff. 
25 Michael, Engel |. dv. AU. Bd V ©. 368, s0ff. 


Michael Scotns, geit. um 1250. — Sourdain, Geſchichte der ariftotelifchen Schriften im 
Mittelalter. Aus dem Franzöfiihen überjept von N. Stahr, Halle 1831, S. 133—144 u. a.; 
8. Hauréau, De la philosophie scolastique, tome I, Paris 1850, ©. 467—473, €. Nenan, 
Averroes et l’Averroisme, Baris 1852, ©. 162 - 166; J. L. A. Huillard⸗Bréholles, Historia 

80 diplomatica Friderici secundi, Préface et introduction, Paris 1859, S. DXXIVSq., tom. 
pars. I, p. 381—385; 8. Xeclerc, Histoire de la medecine arabe, tome II, Paris 1876, 
©. 451-459; F. Wüftenfeld, Die Heberjegungen arabifher Werke in dag Lateinifche feit dem 
11. Sahrh.: AGG, Hist. philol. Classe XXII, 2, Göttingen 1877, &.99—107; 9. Reuter, 
Geſchichte der religiöfen Aufklärung im Mittelalter, 2. Bd, Berlin 1877, ©. 271. 386; Stöckl, 

85 Michael Scotus: Kirchenleriton Weber u. Weltes, 2. Aufl. VIIL Sreiburg i. Br. 1893, 
©. 1492f.; F. Ueberweg, Grundriß der Geſchichte der Philofophie II. Teil, 8. Aufl. hrsg. von 
M. Heinze, Berlin 1898, ©. 258. 262; N. Potthaſt, Regesta pontificum Nr. 7888. 


Michael Scotus, geb. c. 1190 in England in der Grafichaft Durbamfhire, ftubierte 
in Orford Naturwiſſenſchaften, ging dann nach Paris, hat fih lange Zeit in Toledo 
40 aufgehalten, fand ebrenvolle Aufnahme am Hofe Kaifer Friedrichs II. in Deutichland, der 
ihn zu feinem Aſtrologen ernannte, ift dann aufs neue nah Spanien zurüdgelehrt, um 
jchließlich feiner Heimat fich wieder zuzumwenden, mo er am Hof König Eduards I. von 
England ein Amt befleivet haben fol. Das Todesjahr ift unbelannt (Jourdain a. a. O. 
©. 144 erhebt begründete Bedenken gegen die Nachricht, daß Scotus bis 1290 gelebt 
4 acc und empfiehlt die Zeit kurz nad dem Tode Katfer Friedrih II. (13. Dezember 
1250). 

Das erfte fichere Datum feines Lebens tft die in das Jahr 1217 fallende Überfegung 
eined im 13. Jahrhundert ftark verbreiteten aftronomischen Werkes des Alpetragius (Wüſten⸗ 
feld a. a. O. S. 99; Jourdain S. 141f.) aus dem Arabifchen ins Yateinifche. Diefer Thä: 

50 tigkeit als Überfeger hat er dann einen großen Teil feiner Kraft gewidmet und dabei fein 
Intereſſe vorzugsweiſe der Pbilofopbie zugewandt. Im Auftrag des Kaiſers überfeßte 
er die Gefchichte der Tiere des Ariitoteles (aus dem Hebrätfchen, nicht aus dem Alra- 
bifchen vgl. Wüſtenfeld a. a. 0. S. 105) und deilen Bücher de coelo et mundo und 
de anima, ferner zablreihe Schriften von Averroes (Fourdain S. 1367). Dieſen 

65 Überfegungen verdankte er großen Huf, wenn auch bedeutende Zeitgenoffen wie Albertus 
Magnus und Roger Bacon über fie nicht günftig geurteilt haben (Jourdain a. a. D. 
©. 143). Hinter diefen Keiftungen als Überfeger ftehen feine eigenen Schriften, die eben 


Michael Scotus Michaelis 53 


falls der Anregung des Kaiferd ihre Entftehung verdankten (De physiognomia; Super 
auctorem sphaerae expositio u.a. vgl. Wüſtenfeld a.a. O. ©. 100; Haurdau a. a. O. 
©. 469), zuruͤck Carl Mirbt. 


Michaelis, eine Familie, aus der im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrere Glieder fich 
auszeichneten als gelehrte Drientaliften und — tie damals beides verbunden zu fein 5 
pflegte — Theologen, die fich befonders um Exegeſe und Kritit des Alten Teftaments 
zum Teil große Verdienfte erwarben. Den beiden älteren Michaelis (I. und IL.) iſt es 
bauptfächlih zu danken, „daß die Frandefchen Anregungen für die Wiſſenſchaft nicht 
gänzlich verloren gingen, daß der bedeutenden Gefahr ausgewichen murde, zu — 
der erbaulichen Benutzung ſder Bibel] allen Apparat zu gründlichem Verſtändnis bei ſeite 10 
zu legen” (Dieftel a. a. D. ©. 41516). | 

I. „0 ann Heinrih Michaelis, geft. 1738. — Litteratur: Dieftel, Geſch. des 
AT (1869) 415Ff. 

Derfelbe, geboren zu Klettenberg in der Grafſchaft Hohnftein am 26. Juli 1668, war 
zuerit für die — beſtimmt, ging dann zum Studium der Philoſophie und Theologie 16 
über und legte ſich beſonders auf die morgenländifchen Sprachen, wie er noch 1698 zu Frank⸗ 
furt a. D. bei dem berühmten Ludolph das Aethiopiſche lernte. Darauf begann er in 
Halle, wo damals Speners Schule ihren Hauptfit hatte, Vorlefungen zu halten und ward 
bereitö 1699 a. o. Profeflor der morgenländifchen Sprachen dafelbit, 1709 ordinarius 
der thologifchen Fakultät, 1732 deren Senior und Inſpektor des theologischen Seminars. 20 
Er war durch zwei Dinge fehr einftn hrei: 1. dadurch, dag er im Schoße der Spener: 
ſchen Gefühlstheologte den kritiſchen Verftand vertrat, was für die Ausbildung der ge- 
jamten Bibelauslegung in Halle fehr wichtig war. Denn als durch A. H. Frande das 
Collegium orientale theologieum eingerichtet werben follte — das erfte Seminar für 
tiefere exegetiſche Gelehrſamkeit — ward von ihm vorzugsmeife der Plan für diefe Anſtalt 26 
entworfen (vgl. die Zeitfchrift: Frandens Stiftungen II, ©. 209ff.). „Schon unterrich- 
tete und zum Lehramte geübte Anlagen zeigende Studierende wurden unter Leitung eines 
jich auszeichnenden Aufſehers in gefellfchaftliche Verbindung ihres täglichen Lebens ge- 
bracht. Sie follten immer lateinisch ſprechen und fchreiben, Sprachkenntniſſe und Schrift: 
erflärung das Ziel ihres Strebeng fein. Sie follten wenigſtens in den eriten Jahren so 
ihres Aufenthaltes in dieſer Pflanzichule das AT jährlih einmal, das NT dreimal in 
den Grundiprachen durchlefen, dabei für jenes immer die alerandrinifche Überfegung be: 
nügen. Nicht nur in der behräifhen und chaldäiſchen Grundſprache, auch in den anderen 
verrvandten orientalifchen Sprachen follten fie geübt werden”. Heinrich Michaelis mar 
die Seele der Anftalt. 2. Auch dadurd hatte Johann Heinrid) Michaelis große Be- a5 
deutung, daß er eine fritifche Handausgabe des ATs veranftaltete, in welcher 5 Er: 
furter Handfchriften und 19 gebrudte Ausgaben verglichen und ihre Varianten angezeigt 
wurden. Leider war die Kollation, aus der gemeinfamen Arbeit jener Anjtalt hervor: 
gegangen und zu raſch gefertigt, nicht fo zuperläffig, wie es erforderlich geweſen märe, 
bätte jene Ausgabe (jeit 1720 mehrmals in verfchiedenen Formaten) eine Grundlage für «o 
mweitere kritiſche Behandlung des altteftamentlichen Textes abgeben follen. Er felbit gab 
ausführliche Anmerkungen (UÜberiores adnotationes, Halis 1720) dazu in drei Quart⸗ 
bänden heraus, wobei er namentlich die alten Überfegungen fleißig zu Rate zog. Nähe- 
res über die Unvollfommenheit der (immer noch mertvollen) Bibelausgabe von 1720 
findet man bei J. D. Michaelis, Orient. und Ereget. Bibliothel, I, Frankf. a. M. 1771, 6 
S.207— 222. Dort find auch die Gründe jener Erfcheinung näher dargelegt. Dieſtel a. a. O. 
redet von zwei Bibeln; einer „flüchtig“ gearbeiteten und einer „forgfältigen”. Hier ſcheint 
ein Mißverftändnis vorzuliegen. In der That verdient bie eine Bibel beide Prädikate; 
auch müſſen allerlei widrige Zwiſchenfälle, wie fie die Praefatio ©. 7. 8 nennt, in Be⸗ 
tracht gezogen werben. 50 

9 anderlei joä bare eregetifche Arbeiten über einzelne Bücher des Alten Teitamentg, 
namentlich die über die Hagiographen (Uber. adnot. f. o.), ftehen noch in gutem Anfeben, 
während die eigentlich grammatifchen völlig veraltet find. Dagegen find mehrere Diſſer— 
tationen und der fonderbare Lebenslauf Peter Heylings in Lübeck und deſſen Reife nad) 
Atbiopien (Halle 1724, 4°) noch immer beachtenswert. 3. H. M. ftarb hochgeehrt am 55 
10. März 1738 im 71. Lebensjahre. 

II. Chriſtian Benedikt, des vorigen Schweſterſohn (Orient. Bibl.a.a. D.©. 212), 
war zu Elrich in der Grafichaft Hohnftein am 26. Januar 1680 geboren, hatte gleich- 
falls in Halle feine theologifchen und orientalifchen Studien gemacht und eine große Ge: 


at Ricaæcli⸗ 


ie umesäie gr Neo nr ir Aura meue Orsöedles und ward bald 
.. 8 


nenn u 2 mtr 7. erdentlicher Profeſſor 
ums ae we UI eädesinmr Korte der Tenor: TT5S aud Der grie⸗ 
a on anoptpr Js hpen nommen Amer 2 Tom e am 22, Februar 
um ilornae sn \aworoypme Ironur Le Zemtniae mut sehr fruchtbar, 

u SAY N NnaNe a: Tyesanıis müeus de varis sctionibus N. T. 


an weilgreitsoo IL BAGEPIS Tr. aa Bengels kritiſche Sösrbeit gerichtet, 
un aong Dom.ebenonpıosrännmen Nu Die dissertt. de antiquitatibus 
ran said TS Te. mid intereſſant. In die Bibel von 1720 
\ an per ae Teac 5 2 en Teil der Adnotationes: auch uam Tert 

> m. Be. I 22 Iımeı Anteil gebabt haben. Tosuleihen bat 


. 
1. $% Pu \ n ..u nn 


"U eor gunee maxzzsetter (Pr, Klagl., Da). Endlich beiigen mir 


. eos Sinicsuszzbe (mit griech. Apokrpphen und NT 17411. 
ia > 0 enteo Sordor denen su jollen. Aber auch te falle 08 auf, 
x. . 0. Nur Dar oc IT surüdanit auf Die (immerbin recht aute) Aus— 
un Ne >, Brrmi \shr cine etwas beichränfte Auffaflung nicht ver: 
, Se .ne sr per wuzznälih su Tage tritt. 
>..D> mt al. — Litteratur: X M. Heñenkamb, Leben des 
x a. wen din fele beiährieben, 1703: Buhle, Michaelis litterariicher Brief: 
“ Sm Deite, Weih. des AI (18059;, bei. S.383. SH. 45 6 Rud, 


2 So guagee, werizede, ISUS. Ueber Wicdaelis Stellung zur Göttinger Ge: 
rei sn ne an Beröftentlihungen vgl. neuejtens die ausführliche Dar⸗ 

“or. Westseite dieſer Geiellichait (Beiträge zur Gelehrtengejchichte Göt⸗ 
S. owr, befonders von S. 651 an. 


x a 
au Da Kurs. Der Sobn von Cbriſtian Benedikt Michaelis, war einer 
n ar ad nähen Gelehrten einer Zeit, micht allein unter den Theo: 


So nuupi. Seberen iſt er zu Halle 1717; er beiuchte dert Die Schule 
mn, Run Ne Univerſität, ging Darauf nab England und Solland, mo er 
SD tr ar u aufnabın. Beionders Die äußerlich zur Schau getragene 
oneietab either Hinausgeſchrittenſein über fie, wie er fie in Dem da- 
Again pas ebibten konnte, Scheint auf ibn beitimmend eingewirkt zu 
ansee ein gelebriger Schüler dieſer Richtung geblieben. Zeit Dem \abre 
sy Ne Niparitsit Göttingen am und Diele Hochſchule iſt bis zu feinen 
Frutie vurer Wirkſamkeit geblieben. Er wurde dort 1746 Profeſſor der 
ı Ordinarius für orientaliſche Sprachen. In diefer Stellung verblieb 
a ti erfolaten Tode. 
N, Names bat eine ungewöhnlich reiche wiſſenſchaftliche und beionders jchrift- 
mist entialtet. Von 1755 bie 1770 war er vielfach ala Recenjent in den 
sonen Anzeigen thätig; ſeit 1771 gab er feine Orientaliſche und Eregetiſche 
ve pater unter Dem Titel? Neue orient. und ereg. Bibliotb.), eine Art 
ar et am allein geichrieben, im Der er eine Dienge vigener, aber auch nicht 
van niderer zur Kenntnis weiterer Kreiſe brachte. Als Yeiter und eifrigiter 
ya Xiden Unternehmungen übte er einen vielfachen und bedeutenden Gin: 
am nt ge es ibhm au bewirken, daß Friedrich V. von Dänemark eine 
>... Naben ſandte, Deren Leitern Mich, ſeine bekannten „ragen an eine 
"endet Welebrten” (1762) verlegte. Außerdem befigen wir aber von Mich. 
X augan icibitſtandiger Schriften. Im Jabhr 1769 begann er eine Überfegung 
“ uente mit erflärenden Anmerkungen berauszugeben, Die um Yaufe der 
ui anwüchs und 1786 vollendet wurde. In ähnlicher Weiſe bearbeitete 
"us Name Teltament 179075. Auch erichtenen von ibm erenettiiche Bearbeitungen 
neuer Walnen (1759, Des 1. Makkabäerbuches (1778) und des Buches 
ta LIES). Seine Bibelüberſetung iſt der erſte Verſuch, die Ergebniſſe 
XxXxuitiſchen Vorausſetzungen ſich nach Kräften losmachenden wiſſenſchaftlichen 
u a Edgrift einem größeren gebildeten Rublikum mitzuteilen. So erklärt ſich 
aaa 2owächen ihr ungeheuerer Einfluß, beſonders in bohen und böchſten 
Zw wurde an proteſtantiſchen und katholiſchen Höfen viel geleſen. 
ueren Erfolg hatte er mit ſeiner Einleitung in das Neue Teſtament, die 
„apa war. Sie fand anfangs noch weniger Beachtung, wurde aber mit 
ee Bearbeitung nicht nur erweitert, ſondern auch vertieft (1. Aufl. 1788). Mich. 
Sala weniger eigene Wege, als Daß er Den Spuren Semlers folgt, aber er 


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Michaelis B5 


thut es mit ſo großem Geſchicke und ſo vielſeitiger Gelehrſamkeit, daß ſein Buch auf 
lange hinaus eine reiche Fundgrube für die Arbeit auf dieſem Gebiete wurde, wie er denn 
das erſte hiſtoriſch⸗kritiſche Lehrbuch dieſer Disziplin geſchaffen hat. Weniger tiefgreifend 
wirkte ſeine Einleitung ins Alte Teſtament (1767), von der nur ein Teil erſchien. Sein 
Werk, ebenfalls von den Anregungen Semlers aufs ſtärkſte beeinflußt, muß zwar heute 5 
noch mit Ehren genannt werden, aber an Einfluß und Bedeutung ift es fehr bald durch 
die bahnbrechende, bis heute fruchtbar nachwirkende Einleitung Joh. Gottfr. Eichhorns 
(1780 ff.) überholt worden. 

Seine bejonderen Verdienfte hat nun aber Michaelis noch auf dem Gebiete ber 
biblifchen, hauptfächlich der alttejtamentlichen Hilfswiſſenſchaften. Schon 1757 fchrieb er 10 
die Abhandlung über die Mittel, die ausgeftorbene hebräifche Sprache zu verfteben, be- 
fonders aber ließ er 1786 in zwei Bänden Supplementa ad lexica hebraica ericheinen. 
Hier ftellt er vor allem die Forderung (in Anlehnung an Schulteng), daß die hebräifche 
Wortforſchung ſich von den Rabbinen emanzipiere und die orientalischen Dialekte, in eriter 
Linie das Arabijche, zu Rate ziehe. Er hat daneben auf die alten Bibelüberjegungen 16 
bingetviejen und ihren fprachlichen mie ihren tertkritiichen Wert ind Licht geftellt. Unter 
ihnen bat er bejonders der fyrifchen feine Aufmerkſamkeit zugewandt, wie er überhaupt 
als einer der Väter der fyrifchen Philologie gelten Fann. — Ebenfo wie um die Sprache 
der Bibel hat er fih um die biblifchen Realien erfolgreich bemüht. Er faßte die Geſetze 
des Pentateuch als das moſaiſche Recht; ſie Schienen ihm der Ausdruck befonderer ftaat3- 20 
männifcher Kunſt Mofes, die darauf ausging, Israel von den Heiden abzufondern. Diefe 
Betrachtungsiweife war neu; fie brach mit der dogmatiſchen Schablone und lehrte bie 
Dinge der alten Zeit mit dem Maßſtabe der eigenen Zeit meifen und nach den Be 
dürfniſſen derjelben veritehen, ftatt daß man fie lediglich nach den Maßſtäben der chrift- 
liben Kirche maß. Hier find befonders wirkſam geworden die 6 Bände feines Mofatichen 25 
Rechtes (1770, 2. Aufl. 1775), aud die Abhandlung von den Ehegeſetzen Mofts (1755 
und 1768). Außerdem verdienen rühmende Erwähnung jeine geographiichen und archäo- 
logifhen Arbeiten. Hier befchränft er jich zwar keineswegs auf die Bibel, wie fchon feine 
Bemühungen um die Erpedition nad) Arabien beweisen, aber feine Arbeit wollte doch in 
letzter Linie der Erklärung der Bibel dienen. Hierher gehört: Spicilegium Geogra- s0 
phiae exterorum (1769. 1780), ſowie manches in feinen vermiſchten Schriften (1766. 
1769) und dem Syntagma commentationum (1759. 1767). Hier läßt er mehrfach 
auch feine Schüler zum Worte kommen, wie überhaupt diefe Arbeiten zum großen Teile 
aus akademischen Übungen herausgewachjen zu jein fcheinen. 

Erwähnen wir fchlieglich noch die Thatfache, daß er feine LZehrthätigleit ebenſowenig 86 
wie feine jchriftitellerische Arbeit auf die Eregefe und ihre Hilfswiſſenſchaften im weiteſten 
Sinne beichränfte, fondern in beiden Richtungen auch die ſyſtematiſche Theologie, Dog: 
matik und Moral, in den Bereich feines Wirkens 309, fo wird erſt der richtige Eindrud 
von der ungemeinen Bieljeitigleit und Fruchtbarkeit feines alademifchen und litterarifchen 
Wirkens gewonnen. Er las, obwohl nie Mitglied der theologifchen Fakultät, regelmäßig «0 
über dieje Fächer und fchrieb 1763 einen Entivurf einer tupifchen Gottesgelehrtheit und 
ibon 1748 und in 2. Aufl. 1779 Gedanken über die Lehre der bl. Schrift von Sünde 
und Genugthuung; 1760 und 1787 ericheint, erit lateinifch, dann deutich, fein Com- 
pendium Theologiae dogmaticae, 1797 jeine Glüdfeligfeitslehre. Diefe Seite ber 
wiflenjchaftlichen Arbeit des vieljeitigen und betriebfamen Mannes iſt infofern die mindeſt «s 

üdliche geweſen, als er gerade für fie den allergeringiten inneren Beruf beſaß. Es ge: 

ach ihm an Konfequenz und moraliihem Mut. Innerlich von der alten Orthodorie ſich 
losfagend, wagt er nicht, offen mit ihr zu brechen, und fo kommt er nicht über Tleinliche 
Beräußerlichung aerleiben und lahme, innerlich unhaltbare Kompromifjfe mit ihr hinaus. 
Zündenfall und Erbjünde erklärt er aus dem Eflen von einer giftigen Frucht, das testi- 50 
monium spiritus sancti erfennt er darın, daß in der hl. Shritt eine „Anzeige und 
Spur ihrer Göttlichleit” anzutreffen ſei. Damit konnte er weder nach rechts noch nad) 
links befriedigen. 

Aber andererjeit3 lag auch darin, daß er mit feiner Seite volllummen zu brechen 
wagte, eines der Geheimnifle feines faft beifpiellofen Erfolges. Schüler und aufftrebenvde 55 
Talente von überallher, nicht zum menigften aus den beiden Fatholifchen Kirchen, fetten 
fih zu feinen Füßen. Die Regierung fah in dem angefebenen Gelehrten von internatios - 
nalem Rufe und mit vielfachen internationalen Verbindungen ihren natürlichen Vertrauens: 
mann, den fie weit über das ihrem wie feinem Anfehen für die Dauer zuträglide Maß 
über feine Kollegen Schalten lich. Die Göttinger Gefellfchaft der Wiffenfchaften ſah in so 


Michaelis 
keit erworben. Er in ſeiner A eu etwas Drigine 
Docent — — er * 1714 






— er se 


von 1720 


Kr — — — * 
tech. Apolryphen und NT) 1741. 


I Jake De David et 1791. — ee J. M. famp, Leben 
ic)aelis, von (6ft bejchrieben, 1793; Buhle, Michaelis litterarifcher Brieh 
an Dehfet8 Se, 1794—96 ; — des AT (1869), bei. ©. 583ff. 683 ff. 745 ff.; Nub. 
‚ Joh. Dav. Michaelis, Feſtrede, 1898. Weber Michaelis Belang zur Göttinger Ge: 
jetjeft ber — —535 rc 35 a — er 
bon r er Geſe e zur be te = 
„Mr Berlin 1001, —J 569 ff. beſonders von S * 
—— David —— der Sohn von rin — Michaelis, war einer 
und einflußrei Gelehrten ſeiner Zeit, nicht allein unter den Theo— 
ie, jondern überhaupt. boren iſt er zu Halle 1717; er bejuchte dort die Schule 
des Waifenhaufes, dann die Univerfität, ging darauf nach. England und Holland, wo er 
itſcheidende Eindrüde in ſich aufnahm. —— die äußerlich zur Schau getragene 
so Orthodoxie bei innerlich vielfachem Hinausgeſchrittenſein über ſie, wie er ſie in dem da— 
maligen England reichlich beobachten konnte, ſcheint au * beſtimmend eingewirkt zu 
haben. Er iſt zeitlebens ein —— Schüler dieſer Richtu lieben. Seit dem Jahre 
1745 9 er ber Univerfitit Göttingen an und biele & ſchule iſt bis zu feinem 
Lebensende die er en Nirkamtet geblieben, Er en dort 1746 Profeſſor der 
s5 Philoſophie und 1750 Ordinarius * orientaliſche Sprachen. In dieſer Stellung verblieb 
ee "Yichoais wiſſenſchaſtüiche und befonbes (heit 
ad eine ungewö e willen e und befonders jchrift- 
Bötäinger Öclefrten Inieigen thäig; feit 1771 996. er jene Orientaliihe und Gregeifde 
* nzeigen g; gab er jeme Orientaliſche geti 
40 Bibliothef heraus (fpäter unter dem Titel: Neue orient. und exeg. Biblioth.), eine Art 
Zeitfehrift, aber von ihm allein geichrieben, in der er eine Menge eigener, aber auch nicht 
wenige Arbeiten anderer au Kenntnis weiterer Kreiſe brachte. Als Leiter und eifri ter 
Mitarbeiter diefer beiden Unternehmungen übte er einen vielf und bedeutenden 
fluß. Schon 1761 gelang es ihm zu bewirken, daß Friedrich V. von Dänemark eine 
45 Expedition nad Arabien jandte, deren Yeitern Mich. feine befannten „Fragen an eine 
Gefellichaft veifender Gelehrten” (1762) vorlegte. —— beſitzen wir aber von Mich. 
—* große Anzahl jelbitftändiger Schriften. Im Jahr 1769 begann er eine Überſetzung 
Alten Teitamentes mit erflärenden Anmerkungen berausjugeben, die im Laufe ber 
Be auf 13 Bände anwuchs und 1786 vollendet wurde. An ähnlicher Meife bearbeitete 
50 er auch das Neue Tejtament 17907. Auch erjchienen von ibm exregetifche Bearbeitungen 
einzelner meffianifcher Palmen (1759), des 1. Makkabäerbuches (1778) und des Buches 
— —AA— 1768). Seine Bibelüberſetzung iſt der erſte Verſuch, die Ergebniſſe 
einer —* — orausſetzungen ſich nach Kräften losmachenden wiſſenſchaftlichen 
der Schrift einem größeren gebildeten Publikum mitzuteilen. So erklärt ſich 
65 bei ni Schwächen ibr ungebeuerer Einfluß, beionders in boben und bödyiten 
Kreifen. Sie wurde an proteftantiichen und katholiſchen Höfen viel gelefen. 

Gleich großen Erfolg hatte er mit — Ein eitung in das Neue Teſtament, die 
ſchon 1750 erſchienen war. Sie fand anfangs noch weniger Beachtung, wurde aber mit 
jeder neuen Bearbeitung nicht nur erweitert, ſondern auch vertieft (4. Aufl. 1788). Mich. 

“0 * hier freilich Bu eigene Wege, als daß er den Spuren Semlers folgt, aber er 









Bl er —— 





—— Zeit lang hinub 
Michaelsbruderſchaft ſ. d. A. Bruderfhaften Bd III ©, 441, isff. 
Micelianer |. d. A. Hahn, Mid. Bo VII ©. 343,00, 


Micronins, Martinus, geit. 1559. — J. Utenhovii simplex et fidelis narratio de 
instituta ac demum dissidata B aliorumque peregrinorum in Anglia ecclesia, et 
30 ung de susceptis postea illius nomine itineribus, quaeque eis in illis evenerunt, 
Basil. 1660; E, Meiners, Oostvrieschlandts kerkelyke geschi sse, 2 din, Groningen 
1738/39; Reershemius, DOftfriesländifches Bredigerdenfmahl, Aurich 1796; J. H. Gerretsen, 
—— Zijn leven, a —— zijn —— ren 1995. ge 
onbers bie Beurteil egtgenannten Buches in ogisch Tijdschrift, jaargang 1396, 

86 blz. 304—817 Ed, Dr. 8° Oramer, e 
Martinus Micronius (Marten de 1e) ift 1522 oder 1523, cheinlich zu Gent, 
von wohlbabenden Eltern geboren. (Gerretien jagt blz.1 1522, aber in einem „erratum“ 
nennt ex diefe Angabe ein Verfeben und ftellt 1523 als Geburtsjahr von Micronius auf. 
Bei der Disputation zu Wismar 1554 war Micronius 31 Jahre alt. Da dieſe Disputation 
40 am 6. Februar 1554 Itattgefunden bat, muß er aljo 1523 geboren fein, wenn fein Geburts- 
tag vor oder am 6. Februar war, hingegen 1522, wenn derjelbe nach dem 6. Februar fiel.) 
Über feine Jugend wiſſen wir nichts. Auch von feinen Studien wiffen wir nur, daß er Dazu 
in Bafel und Zürich geweilt bat. Daß er in Bafel auch medizinische Studien getrieben hat, 
nimmt Gerretien an, obne es, meiner Meinung nach, genügend zu beweifen. Zu Beginn 
45 des Jahres 1550 trat er zu London als Prediger der Flamländer auf. Im felben Jahre 
wurde die Kirche von YAuftin Friars der Fremdlingsgemeinde zur Verfügung geftellt und 
nachdem die nötigen Neparaturen beendigt waren, hielt Micronius darin am 21. Sep: 
„ tember 1551 feine erjte Predigt. Mit großem Eifer arbeitete er fürs Wohl der Ge 
meinde. 1550 hatte er fich pr Yondon verheiratet mit einer für uns unbelannten Gecilin, 
50 „puella casta ac plane pia, quae Evangelii nomine patriam ac parentes reli- 
uit“, Nacd dem Tode Eduards VI. (1553) verbot die Königin Maria die öffentliche 
Bertündigung des Evangeliums, Mit a Yasco, Utenhove und vielen anderen, bie zur 
Fremdlingsgemeinde gehörten (im ganzen 175 Perſonen) verließ Mieronius am 17. Sep: 
tember 1553 freiwillig England. Sem Reifegiel war Dänemark, wo er vom König Er: 
65 laubnis zu erhalten hoffte, den Gottesdienst ungeftört ausüben zu fünnen. Durch den 
Widerſtand der ——— erreichte er dort ſein Ziel nicht. Mieronius begab ſich nun nach 
Hamburg, Lübeck, Wismar und zuletzt nach Emden. Ein Teil der Londoner Verbannten 
war inzwiſchen in Wismar angekommen und da mit den Mennoniten in Konflikt 


25 doch 


Micronins Midian 57 


gelommen. Micronius wurde nun aus Emden geholt und disputierte am 6. und 
15. Februar 1554 mit Menno Simons (vgl. Microntus’ Waerachtigh Verhaal, und 
Menno Simons, Een gants claer en duytlick Antwoort). Die Lutheriſchen 
machten ihm und den Vertriebenen den Aufenthalt dafelbft unmöglich, fo daß er, auf 
Grund eines NRatöbeichluffes, zu Beginn des Jahres 1555 Wismar verlaflen mußte. 5 
Micronius begab ſich mit den Seinen nad Lübeck, wo er eine Disputation hatte mit 
den lutherſchen Prebilanten; die Folge davon mar, daß er innerhalb 4 Tagen die Stabt 
verlaffen mußte. Auch in Hamburg, wohin er nun zog und wo er mit Joachim Weit: 
pbal ein Kolloquium hatte (vgl. Micronius’ Apologeticum Scriptum) durfte er nicht 
bleiben. Endlich fand er nah all diefen Irrfahrten in Emden einen Ruheplatz, aber 10 
fhon bald danach wurde er zum Pfarrer von Norden berufen, wo er am 20. Mai 1554 
anlam. Auf a Laskos Bitte hin, ging er im folgenden Jahr einige Zeit nach Frank—⸗ 
furt a / M. um mit ihm die Niederländifche Flüchtlingsgemeinde, die ſich dort angefiedelt 
hatte, zu organifieren. Er kehrte jedoch bald nad Norden zurück. Abgejehen von der 
Gemeindearbeit hielt er Disputationen mit Mennoniten und arbeitete verſchiedene Schriften 15 
aus. Eine lange Arbeitgzeit war ihm übrigens nicht vergönnt. Im Jahre 1559 brach 
die Peit in Norden aus. Zunächſt ftarben feine beiden Amtsbrüder Feddo Hommius 
und Albertus Holtmannus. Ihnen folgte auch Micronius am 12. September 1559 nad). 

Bei feinen Zeitgenoflen ftand Micronius in hoher Achtung. Utenhove preilt ihn 
ſehr als einen aufrechten und friebliebenden Mann, mit fcharffinnigem Urteil und tüchtig 20 
in Unterſuchungen und Erklärungen der heiligen Schrift. Seine Auffaffungen verteidigte 
er mit allem Freimut und großer Ruhe, im Disputieren war er Meifter. Seine Schriften 
eigen ihn als forgfältig, als jemand, der weiß, mas er will, logifch in feiner Beweis⸗ 
übrung, aber nicht frei von Weitfchmeifigleit. Daß er aber ein Mann von außergemwöhn- 
licher Arbeitstraft war, zeigt fih in der Erfüllung eines ſchweren Hirtenamtes und im 26 
gleichzeitigen Schreiben von verichiedenen umfangreichen Werfen. 

Eigentlihe dogmatifche Schriften hat Micronius nicht nachgelaflen, fo daß ein voll- 
kommener Überblid über feinen dogmatifchen Standpunkt auch nicht gegeben werden Tann. 
Er war ein reformierter Theologe, opne jtrenger Calviniſt zu fein. Seine Shriftologie ib 
neftorianifch gefärbt, feine Abendmahlsauffafjung mehr Zminglifch, während er in betreff so 
der Frage, ob das Heil für alle Menfchen beitimmt ſei, fehr beitimmt univerſaliſtiſch 
dachte. Bullinger, fein Lehrer, der jtets fein Berater und Freund blieb und mit dem 
er regelmäßig Briefe taufchte, hat auf feine dogmatische Betrachtungsweiſe den meiſten 
Einfluß ausgeübt (j. Gerretjen, blz. 123—144; vgl. A. J. van 't Hooft, De Theologie 
van Heinrich Bullinger in betrekking tot de Nederlandsche Reformatie. Amster- 3 
dam 1888). Die großen Berdienfte von Micronius liegen indeſſen nicht darin, was er 
als Theolog gethan hat, vielmehr in den Dienften, die er denjenigen bat angebeihen 
lafien, die um ihres Glaubens willen aus den Niederlanden flüchten mußten. 

Diefen Gemeinden hat er auch durch feine vielen Schriften gedient, wovon Gerretjen 
(biz. 73—103) eine ausführliche Überficht giebt. „Een corte undersouckinge des 40 
gheloofs" (ed. 1553, neue Ausgaben 1555 und 1556 London, 1558 Emden, 
fpäter noch mehrmals) mwird gewöhnlich a Lasco zugefchrieben, iſt aber von Microniug, 
wie fchon die Acta der Synode von Dordrecht von 1574 zeigen (Rutgers, Acta der 
Nederlandsche Synoden der 16. Eeuw. ’s Gravenshage 1889, biz. 196; vgl. 
Gerretfen biz. 23—33). Durch diefes Büchlein hat er fich ſehr verdienftlih gemadıt, 4 
ebenfo durd feinen „De kleyne Catechismus oft Kinderleere der Duytscher Ghe- 
meynte van Londen enz“ (1.ed. 1552, fpäter noch oft). Über das Abendmahl fchrieb 
er „Een claer bewijs van het recht gebruyck des Nachtmaals Christi ende 
wat men van de miss houden sal“ (1.ed. 1552, jpätere Ausgaben von 1554 und 
1560). Über die Einrichtung der Londoner Gemeinde unterrichtet und „Christlicke so 
Ordinancien enz“ (1554 u. fpäter. Deutſche Über]. von Xob. Maver, Heidelberg 1565). 
Wir brauchen hier nicht feine ſämtlichen Schriften aufzuzählen; nur feine polemifchen 
Schriften feten noch angeführt, nämlich: 1. „Een waerachtig verhaal enz“, (Emden 
1556 und Später) worin er feine Tisputationen mit Menno Simons erzählt; 2. „Apo- 
logeticum Scriptum“ (3 partes 1557) gegen Joachim Weltphal; 3. „Een Apologie 55 
of verandtwoordinghe" (Emden 1558 und fpäter) gegen Menno Simons gerichtet 

. D. van Veen. 


Midian, Midianiter. — Litteratur: TH. Nöldele, Ueber die Amalekiter und einige 
andere Nachbarvölker der Seraeliten, 1864; Richard %. Burton, The Land of Midian (revi- 





66 Midian 
sited) I & zn —— 187 SB); ' —— 

BB ae an Bean are au Ei 
Geſchichte en I, 47 fi. 


d | 
oe of. ge Beilinferiften und bus Ma (1009, 10 
5 Der Name midjän, dan ——— une, Sn im A ni 





deutlich —— ie om midjani (f 
ar a 
o fi den Sean. Kenn * ur in Beit Gideons (.d 
famen — gm als e und beu Nomaden auf 
Kamelen und mit Herden etwa im der — Br Semi —* an: 


— de Cm — Belle dat bern die j and 
um eine 1.4 er 
Kulturland une vom Joꝛ — dom A 


efangen 
6; W810, 


| —— 
St 3—6: 11-24; 7,1.9—8,3: RENATE ‚10,30; 
| "einheitlich b ein deut: 


& . — = gegeben. Eins m eg — man mit 
Erzäh A „be m Haup Jahwi | mn; 

sflegt. Denn IE LEE 
richt ‚den u Fuinen —— die in 


im St Si biefer Wafl Sehe 
ea has Gebiet von Moab, jondern die 2 RE — 


Nüfte etwa in der Richtung des fpäteren der Nömer ſüdwärts zieben oder von 
den Quellen des Arnon (wädi ——— ärts etwa auf dem heu HL ob Wege 
so nach el-käf eilen wollen. a. —— t von zwei „Königen“ ber 


und Zalmunna; da nun der Verfaſſer um die Berbattnie der nomabifierenden Rt, 
—— * * Königtum nicht fennen, Beſcheid gewußt haben wird, fo liegt die Ver— 
ie jehbafte a im Auge bat. Dadurch würde der aud) auf andere 
Grüne ve druck bejtätigt werden, — es ſich in ir er lung um eine völlig 
35 andere Begebenheit handelt als in der zuerjt beſprochenen. es fih, wie Auenen und 
Moore gemeint haben, in gewiſſen Stüden der Erzählun * . um einen Kampf Gi— 
beons gegen die M. im air Carina handelt, kann Bier babingeitellt bleiben, da ſich 
daraus für bie Heimat ber * 
Die 5 Er ob das NT au Aa art Alk 2 —* * bejaht werden zu 
“nz Er 2, 15 ſpricht von einem „Land“ d Cop ‚Hab 3, 7), in das Moſes 
on Agypten aus geflohen ſei. Es {iegt bier nicht —* allgemeine Bezeichnung des Ge 
bietes der Nomaden vor wie in ETR FT Gen 25, 6 oder SIR == VS 29, 1, fonbern 
die Benennung eines Gebiet? nad einem beitimmten Stamm; daraus iſt zu ie ließen, 
daß diefes Gebiet als ftändiger Befig des Stammes galt. Dabei bleibt e8 eine offene 
4 Wed bis zu melchem Grade der Sehbaftigfeit der betreffende Stamm gelangt mar, ober 
w Teile des Stammes bereits ſeßhaft geworden waren, welche nicht enn —— 
hler von Ri 8, Aff. ſeßhafte M. im Auge bat, fo iſt damit durchaus nicht aus 
3 ‚ dab es zu gleicher Zeit noch nomabihern M. gegeben bat, wie fie Ri — 
3—6} 7, off. vorauögejegt werden. In Betreff der Yage des Landes der M. 
50 fich aus Er 2— (und Nu 10, 29-327) mur jo viel, daß es öftlih von Aghpten nd 
dlich von dem Gebiete des | ordans gefucht werden nuß. Ptolemäus erwähnt in feiner 
ie VI,7 einen Ort Tadıdua im Binnenlande an der Ditfüfte des roten Meeres; 
Eujebius und ‚Sieronmmus — Onomastiea saera ed. de Lagarde 276 und 1 136 
eine Stabt Madıdu, Madian jenfeits, im Süden der römifchen Provinz Arabien in der 
5 Müfte der Saracenen djtlih vom roten Meere (vgl. aud Hieronymus zu ef 60 und 
Ez 25), und die arabiſchen Geographen des Mittelalters beſtätigen ihrerſeits den Namen 
madjan und die Lage ber Stadt, ..B. Edrisi ed. Jaubert I, 5.328.333. Wir ver: 
danfen dem Engländer Richard , Burton, bejonders feiner zweiten Reife 1878 eine 
iemlich genaue Kenntnis dieſes Ortes und des dazu gehörenden Gebiets. Burton Jen 
% Ruinen —— schuſaib — bie Höhlen Jethros als die Stätte des alten Me 





X Midian 


INA N an OPER IL SR oo Reese Deiisih, Wo lag das Para: 
ur EN GERN BE Ger Et weinen um) Yt Al: 407: Ed. Blaier, Skizze 
rn Sr . nu. > IN, PRISON 4 — an 7 - v 8: sufler. neh Jeraels I, 47 fl. 

' Na Dat Denkt and Mio MI Imi, In 
f I Non ai, Wir TE SUD dd. ee acer im AT nicht 


8 eds am Det Deo wer Zoe, Die Ramarmzia Me Friplungen Ni6—8 
trans Some viren zhn > vaen zuıi;iz? 3m midjänit, plur. 





EN J un... — —a TUE Nu23, 17; 
ee ein zen ZN AUT SE en Zoe oT Slichen, teils in 
VON Nenn I part am os Zur = ge m Gideons (). d. 
ne Yan, Darei mM, ar ent mr amemerist Nomaden auf 
rer u. Dom an dur asent zer Des Zeam über den 
—W Soma neo Ahtg Dr !s: ur Ne Iran Se "Vauem Es handelt 
“ Dun cm wma Dapke Brieien Som wm Teuer müber \srael 
N wa. eo .Tinmt Well num Selen Sei hm Ti M. wurden 
en need Ne pen \orsi pin iihern obertaker ze> ın Das Oft 
Non meet a Srfanen her ZT Srch un? Zeet merher dort gefangen 
Sort... 2, L'teosiınal \ee a: led PER, 10. 


run ser, mar To me enbeitlich hetradıten oder mem # fan Deut: 
Ver nzatieer. Asımaı Der N gegeben. Etwas wmeca *23 man mit 
rue berehnn 108.421), die in Der Haupriache Dem Sarmilten zuge: 


u Aa ha Zormonach 3% 11 erele ideen Me M. m dez Nähe öſtlich 
> mn asgrzer entipridt Den heutiaen Muinen adsehbehät, Die in 


a td 2m im Liten Der Waſſerſcheide smriichen ren Zucllbächen 

san. Ne Szeert und Den zum ‚\erdan binabsichenden Ihälern liegen. 
. 00. >mer mer Waiſerſcheide bewegen, jo int Far, daß X⁊ Stel nicht 
Ay Sondern Die Wüſte iſt, ſei es nun, daß fi am AMande der 

N. wer. des tpiteren lJimes Der Mömer fühmäarts chhr eoder von 
. a TE wadi el-modschib) oſtwärts etwa aut Dem bcunaen Wege 
. . vun." Sat (x sablung fpridht von mei „Nonigen” Nr a. Sebah 
N. ia Ns KVeriaſſer um Die Verbältniſſe Der nemadifierenten Nlülten: 

Mes. n Dub lennen, Veſcheid gewußt haben wird, ir liear Die Wer: 

N ur ste M. im Auge bat, Dadurch mürde Der aud auf andere 


ri Baken BEN deinatigt werden, daß es ſich in bicher Er; ablung um wine völlig 
erst ndelt ala in Der erst beiprochenen. Ob es ich, mic Kuenen und 
als mac in gewiſſen Ztriden der Erzäblung 7, uUff. um einen Kampi Gi: 


en da N im Weſtjordanlande bandelt, kann bier Dahingettellz bleiben, da ſich 
N Weite Der M. nichts ergiebt. 
Yo han 55 de AT aud ſonſt ſeßhafte WM. kennt, Icheint bejabt werden zu 
rw. 15 ipricht von einem „Yand“ Der M. wol. Hab 3, Tı, in Das Moſes 
vn Mao. in Aus geilohen ſei. Es liegt bier nicht vine allgemeine Bezeichnung Des Ge⸗ 
irie der Nomaden dor wie in 557 TR den 25,06 oder 27772 TUR 20, 1, jondern 
B — eines Gebiets nach einen beitimmten Stamm; Daraus iſt zu tchlichen, 
ab dio Adrbier ale ſtandiger Veſitz des Stammes aalt. Dabei bleibt es cine offene 
ll. Bio zu welchem Grade Der Seßbhafitigkeit Der betreffende Stamm aclanat war, oder 
welche Teile des Stammes bereits ſießbait geworden waren, welche nicht. Wenn wirklich 
ie Erzabler von Rs, hüf. ießbafte M. im Auge bat, fe ir damit durchaus nicht aus 
eſbteiſen, daß es zu galeicher Zeit nech nomadifierende M. gegeben bar, wie ſie Ri 6, 
#27, 87 vorausgeſeß: werden. In Betreff Der Yaaı dis vandes der M. ergicht 
hub to Or 2 bemd Nu Je, Du Ani pur do viel daß es oftlih von Agrvten und 
judlab ven dem ash UNS Jordans geiucht werden mu, —— erwähnt in feiner 
Wragrapdie VI. enen Or: Mareer im Binnenlande an der Tirfuite Des roten Meeres; 
Euſebius und Hicrenpmus tennen Onomastica sacra ed. de Lagarde 276 und 136 
eh. zutt Muderu. Madian —— im Zuden der omiichen Provinz Arabien in der 
bi wuiie Sr Faunenen elta vom ren Meere mal Sir Hieronvmus zu Ne 60 und 
Kr 25. und Die aabüchen ra oben des Mit:eau:ers deitgri aen irreriein den Namen 


aäſun und die Yase Ss Zion N Edrist od. Jaubert I. 5.328.539. Wir ver: 
danten dem englander Nicharnd J Binten. beienders TO weiten Reiſe 1878 eine 


x 


vanılub MILE Kennini«s Mila Drtoo und Des Mini gererenden Gebiets. Yurton ſieht 
die Rumen magha ir sehwiaib - div Hoblen Jerbros als Die Statte Des alten Ma- 


Midian 59 


Ödua an und beinerft, daß die von Ptolemäus angegebene Lage 28° 15’ n. Breite lat. 
„faft richtig” ift, während er den ähnlich Mingenden Namen Moödlava oder Modovva 
nach Ptolemäus VI,7 einem füblicher liegenden Küftenorte (27° 45° n. Breite lat., ſüdlich 
von 4 — ‘ainüna) zujchreibt. Die „Höhlen“ find Gräber, die mit denen von Petra 
eine auffallende Ahnlichkeit haben (I, 103. 107), fo daß man nicht daran zweifeln kann, 6 
daß fie von den Nabatäern angelegt worden find. Der Ort liegt an der alten Handels- 
ftraße, die von Elath (f. Bd. V, 285ff.) in einiger Entfernung vom Meere nad) der 
mittleren und füblichen Küfte Arabieng führte und heute noch von den ägyptiſchen Mekka— 
pilgern benutzt wird; daraus begreift fich feine Wichtigkeit für die Nabatäer. Dieſes Land 
M., arab. ard madjan, hat nach der Ausfage der gegenwärtigen Bewohner feine Nord- 10 
grenze bei el-akabe, das ungefähr dem alten Elath entfpricht, und feine Südgrenze bei 
der Kleinen Küftenfeitung el-muwelih und dem aus dem Innern des Landes kommenden 
wädi es-surr; feine Länge von Norden nad) Süden beträgt etwa 770 km, feine Breite 
40—60 km. er das niedrige Küftengebirge erheben fich die hochragenden Gipfel der 
tihäma, über diefe nach Often das Randgebirge (esch-schafa) des inneren Arabiens, 15 
der Hochebene des Nedschd. Zahlreiche Thäler durchichneiden diefe Bergketten meift in 
der Richtung von Often nad Welten, die Bewäſſerung iſt ziemlich gut; es finden fich 
zahlreiche Spuren von Bergwerken und Erzwäfchereien, namentlich für Silber und Kupfer, 
während das füdlichere Gebiet auch Gold geliefert hat. Ein voller Beweis dafür, daß 
diefes Land Schon Er 2, 15 gemeint fei, läßt fich freilich bei dem großen zeitlihen Ab⸗ 20 
ftande, der zwiſchen den jehoviftifchen Erzählungen des Ventateuchd und Ptolemäus vor- 
banden ift, nicht führen. Doc darf man es als mahrjcheinlich bezeichnen, daß der Ort 
und das Land den Namen des alten Stammes feitgehalten hat, wie auch Josephus 
Antiq. II, 11, 1 8 257 vorausſetzt, obwohl der Stamm längſt verjchollen mar. 

Die freundlichen Beziehungen der M. zu Israel find mit der Perfon des Moſes 26 
verfnüpft, der fih nad Er 2, 15ff. zu dem Priefter der M. begab. Der Name diejes 
Mannes, deſſen Wohnfig mir im „Lande“ der M. annehmen müffen, ſchwankt in der Über: 
lieferung: Nu 10, 29; Ri 4, 11 (1, 16) Hobab Sohn Reguels, und danad iſt wohl 
Er 2, 18 zu verbejlern, Er 3, 1 und 18, 1 Jethro oder 4, 18 Jether. Vermutlich hat 
die ältejte Überlieferung den Namen des midianitifchen Priefterd nicht gefannt Er 2,» 
16. 21, erit fpäter ift er auf verfchievene Weiſe ergänzt worden. Ri 4, 11 (vgl. 1, 16) 
wird Hobab als Keniter bezeichnet; daher vermuten Budde u. a., daß Nu 10, 29 ur: 
fprünglich auch „Keniter” ftatt „Midianiter“, wie wir heute lejen, gejtanden habe. Diefer 
Unterfchied läßt fich vielleicht mit Stade ZAW 1894, 286 fo erllären, daß der ſchwache 
Stamm der Keniter in alter Zeit mit den M. verbündet war und daher aud) unter ihrem ss 
Ramen auftreten konnte (ſ. Kain. Bd IX, 698f.). Die Bereutung, die das Fenitifche 
oder midianitiſche Prieftertum für die mofaifche Neligionzitiftung bat, ift bier nicht zu 

prechen. Handelt es ſich dabei mwirflih um ein midianitifches Prieftergefchlecht, jo 
kheint man fih nad Er 2, 15ff.; 3, 1ff.; 4, 18ff.; 18, 1ff. die Sache fo denken zu 
müfjen, daß der Prieſter im „Lande“ der M. wohnt, daß feine Herden aber von Moſes «0 
in der Wüſte zwiſchen Edom und Agppten geiveidet werden, und daß fpäter Jethro won 
feinem Wohnſitz aus ſich bei Moſes dort einftellt., Noch heute iſt es fo, daß die Be- 
wohner des Landes madjan Verbindungen mit Agypten und der Stinaihalbinfel unter: 
balten. Handelt es fich aber um ein fenitifches Prieſtergeſchlecht, jo fehlt jeder Anlaß, 
an das „Land“ der Midianiter zu denken. Der Abſchnitt Nu 10, 29—32 ift und un: #5 
vollftändig erhalten. Wenn in ihm wirklich von M. die Nede ift, jo find darunter nicht 
ſchon feßhafte, fondern nomadifierende M. zu verjtehen, die zwischen Edon und Agypten 
ibre Herden meiden. Bezieht fich das Stüc aber urſprünglich auf Keniter, fo kommt es 
bier ebenfalls nicht in Betracht. 

Auch an anderen Stellen des AT hat man fich zu fragen, ob der Erzähler ſeßhafte, vielleicht 50 
balbfeßbafte oder nomadifierende M. im Auge hat. Die midianit. Kaufleute Gen 37,28. 36 
find nicht Bebuinen, fondern feßbafte Leute, die vermutlich, aus Arabien Waren nad) 
dem Norden gebracht haben und nun über Baläftina und Agypten wieder nach ihrer 
Heimat zieben wollen. Dagegen laflen die „jungen Kamele“ M.s Jeſ 60, 6 auf Beduinen 
ſchließen, die Kamele züchten. Nicht rechte Klarheit gewinnt man über die M., die Nu 56 
22; 25 und 31 fowie Sof 13, 21f. in Verbindung mit Bileanı erwähnt werden. Sie 
\ Nu 22,4. 7 unter Geſchlechtshäuptern (ERT vol. z. B. 1Sa30,26ff.), 31,8 
unter fünf „Königen”, die Joſ 13,21 dagegen „Fürſten“ (EIW’E2) genannt werden. Sie 
treten Nu 25, 1ff. mit Israel in Gonnubium, während Ddiefes in Sittim am Fuße Des 
Gebirges öjtlih vom Jordan lagert, und merden aud) 22,4. 7 und 31,2ff. in der 


62 Mieczyslaw 
verbrannt oder ins Waſſer 





—— Yin * — — 5*— — dem —— din (Ai, Oh ya 
RE NL, 3,8 im ten A m Alan a 

ralau. Davon zeugt insbe bee noch ‚bis m Die Mitte 
ee Mn m Dee a 
"Aunabme des — eichrestt. haben foll. Auch ift scrlan anfangs on 
hument für biefes ur Aorbanen ein wich ltusfo it dei 
—— — 









ein Man IT. von Aloten di Sale Ton oder 1027 an den damaligen 
König Vieczyslaro II. von Polen (f. Sir Geſch. der deutſchen —— II, 676), 
mit welchem fie ibm ein lit Bud) zueignet, indem fie unter Anderem jagt: quis 
in laudem (| — — —— Cum in propria et — 
20 digne venerari posses, in non sa raecam superaddere uisti. 
Auch als jpäter Die römifche Kirhenorganifation —* Stiftung von Bistümern und 
Unterordnung derſelben unter ein abendländiſches € m jchon im Gange war, wurden 
„Vhnens na dal —* — —— —es — De 
—— — — 


* 
el, Babe eltend sehe Nachrichten in der bö * Chronit — p. 37 
b. er 1541 und J der Moravia sacra bon Stwedoivsth, deren beider Glaubwürdigkeit 


gl. 
117 u. Nö ell, Geſch Volens I, 6227. Gbenfoiwenig vie dieje Annahme von — 
36 —— —* Polen — hätten, iſt die oft kon 
‚272; II, 16), daß bei dem Zuſammenbruch des mä 

Slide aus * das Chriſtentum auch nach Polen Pod — deſchichua 
zu begründen; denn der Bericht des Konſtantinus ——— Sp administrando 
imperio, op. ed. ran p- 127) bejagt nur, daß Überbleibfel der Mähren bei 
40 dem Eindringen der Magyaren zu den benachbarten Bulgaren, Türken, Chrobaten und 
anderen Völkern geflüchtet jeien, und erwähnt von einer Ausbreitung des Chriftentums 
—* dieſe Flüchtlinge gar nichts. Überdies aber gehörte Chrobatien ebenſowenig wie 
Krakau damals ſchon zu Polen. Gefetst aber, es ſei durch ſolche Flüchtlinge oder durch 
chriſtliche Kriegsgefangene der Same bes Ghrftentum nah Polen gefommen, jo kann 
45 das bob nur vereinzelte Befehrungen zur Folge gebabt haben, Wenn aber in der pol- 
nifchen Yiturgie (missale proprium reg. Polon. Venet. 1629 und offieia propria 
patronorum regni Polon. Antwerp. 1637) das Gedächtnis dev Mährengpoſtel Eyrillus 
und Methodius als Befehrer der Polen zum chrijtlichen Glauben mit den Worten gefeiert 
BR qui nos per beatos pontifices et confessores tuos nostrosque patronos 
um et Methodium ad unitatem fidei christianae vocare dignatus es, wenn 

— bijhöflichen Sprengel von Przemysl der 10. März zum Andenken an die Stiftung 
der Kirche durch fie in Rothrußland feierlich begangen wurde und ihrer noch jegt in ber 
Liturgie gedacht toird, und wenn auch im Erzbistum Gneſen eine jolche dee bes Ges 
dächtniſſes derjelben Eingang fand, jo erklärt jih das aus dem großen Anjeben, welches 
55 die beiden großen Slavenapoftel in der ganzen oſt- und ſüdſlaviſchen Welt erlangt hatten, 
und insbejondere aus dem Umſtande, Daß die Verdienfte, Die jie fi um die Pflanzung 
des Chriftentums in ſolchen Gebieten eriworben, die erſt jpäter zu Polen binzufamen, wie 
ne, —— * Chrobatien mit Stratau, auf das gejamte Polen übertragen 
wurden, als —— haupt das Chriſtentum in Polen begründet. Übrigens mag 

60 nicht unerwähnt bleiben, ee der mähriſche Sprengel von Welehrad, in dem Methodius 


Mieczyslaw 61 


1843, H. 2; 8. Gieſebrecht, Wendiſche Geſchichten, Berlin 1843; W. v. Giefebrecht, Geſch. der 
deutſchen SKaiferzeit I, 4. Aufl., Braunjchweig 1873; Haud, Kirchengeſchichte Deutſchlands ILL, 
202— 204. 272 1. 629 ff. 

Es handelt fih zunächſt um die „erften Anfänge des Chriſtentums“ in ber flavifchen 
Bölkerfchaft der Polen, welche in bald meiteren, bald engeren Grenzen zwiſchen dem 6 
ruſſiſchen Gropfüritentum im Often, Preußen und Pommern im Nordoften und Norden, 
den wendiſchen Völferftämmen im Nordweſten, dem deutfchen Reich bis an die Oder im 
Weiten und dem großen mäbrifchen Reihe im Süden und Südweſten ihre Wohnfite 
batten. Zum erjtenmal ſehen wir diefe Völkerichaft unter dem Namen Polen auf dem 
Scauplat der Geſchichte in den heftigen Kämpfen, in die fie mit den ſtammverwandten 10 
Wenden zur Be Dttos des Großen geriet. Ihr Herzog Mieczyslaw, der vierte in der 
Reihe der piaftifchen Fürjten, welche ſie beherrichten, wurde 963 in zwei Schlachten von 
den Wenden unter deren Führer Wichmann, einem fächliichen Grafen und abtrünnigen 
Verwandten des Kaiſers Otto, der die wendiſchen Stämme gegen Saifer und Reich auf: 
getviegelt hatte, befiegt. Gleichzeitig aber war Markgraf Gero, der Hüter des Neiches ı5 
gegen die wendiſch⸗-ſlaviſchen Völker im Norden, in fiegreihem Kampfe gegen die Wenden 

5 an die Oder, Volens Grenze, vorgedrungen. Da war der Polenherzog Klug genug, 
feine feindliche Haltung gegen den Kaifer und die Deutfchen aufzugeben. Er unterwarf 
fih und fein Volf zum Schutz gegen die Menden dem Kaiſer, indem er demſelben ven 
Lehenseid ſchwur, Heeresfolge leijtete, von feinem Land bis zur Oder Tribut zahlte und 20 
auf den großen Hoftagen in Deutichland erichien. 

Aber wie großartig aud die Ausfichten waren, welche ſich der Miffion der deutfch- 
abenbländilchen Kirche dadurch, daß die Polen in ſolche enge Beziehungen zu Deutichland 
fnmen, nad Oſten bin eröffneten, wie wichtig auch diefe durch tributpflichtiges Lehns⸗ 
verhältnis geitiftete dauernde Verbindung mit dem Kaifer und dem deutfchen Reich bald a6 
für die Gründung und Geftaltung ter Kirche in Polen werden mochte, fo find doch die 
Borausfegungen der eriten Anfänge des Chriftentums dafelbjt nicht in der deutſch⸗ 
abendländiichen Kirche, fondern in den Nachwirkungen der ſlaviſchen Miffton der griechiich- 
morgenländifchen Stirche, die im 9. Jahrhundert in ihrer höchſten Blüte jtand, zu fuchen. 
Es feblt gänzlib an hiſtoriſchen Beweiſen für jofortige deutſch-abendländiſche Miffiong- so 
unternehbmungen unter den Polen nad) der Anfnüpfung jenes Abhängigkeitsverhältnifjes. 
Dies war jedenfalls vorläufig ein rein perjönliches des Herzogs zu dem Kaiſer Otto ohne 
Annahme des Glaubens desjelben. 

Nach dem ältejten und zuverläffigiten Bericht über die erfte Einführung des Chrijten- 
tums in Polen, den mir dem Bilchof Thietmar von Merſeburg verdanten, bahnte fich 86 
dasfelbe zuerit von Böhmen aus, wo es durch Herzog Boleslam I. den Frommen und 
durch den Einfluß jeiner Gemahlin Emma, einer deutſchen Prinzeſſin, mahrjcheinlich einer 
Tochter des Könige Konrad von Burgund, zur dauernden Herrichaft gelangt war, feinen 

nad Polen. Der Herzog Mieczyslaw vermäblte ſich nämlih im Jahre 966 mit 
Dambromta (Dobramwa), der Schweiter des Böhmenberzogs Boleslam II. und trat ein @ 
Jahr darauf, 967, zum Ghriftentum über, indem er ſich taufen ließ. Daß feine Gattin 
bieran Anteil gehabt babe durch ihre Einwirkung auf die Gefinnung des Herzogs, märe 
auch obne das ausdrüdliche Zeugnis, welches darüber vorhanden ijt (Thietmar, Chron. 
IV, 55 S. 94, Bogupbal bei Sommersberg Script. rer. Sil. p. 27), als ſelbſtverſtändlich 
anzunebmen. Nach Tbietmars Urteil machte fie auf ihn und ihre polnifche Umgebung «s 
durch ihr der Bedeutung ihres Namens, der Guten, entjprechendes Wefen den tiefiten 
Eindruck. Daß fie als von Haus aus chriftlihe Brinzejfin von Böhmen Geiftliche an 
ben polnifchen Hof mitgebracht habe, um zunächit für ihre Berjon ihren gewohnten Gotteö- 
dienit zu üben, ift von vornherein ebenjo wahrjcheinlich, iwie es von dem eriten pol= 
niſchen Gejchichtichreiber chron. Polon. I, c. 5 berichtet wird. In Böhmen aber war so 
das Chriftentum von dem mähriſchen Reiche aus eingedrungen, wo es die Brüder Kon- 
ſtantin (Gyrillus) und Methodius aus Thejjalonich, die Apoftel der ſüdſlaviſchen Völker, 
feit 863 in der Form der griechifch-morgenländifchen Kirche verbreitet hatten. Mährifche 
Briefter famen, nachdem Herzog Borziwoi von Böhmen fi 890 von Methodius hatte 
taufen laffen, nadı Böhmen. So wurde denn auch an dem Hofe des Volenherzogs durch 56 
die aus Böhmen gelommenen Priejter der Gottesdienit nach griechiichem Ritus eingerichtet. 
Tem Beifpiel des Herzogs folgten fofort die Großen und ein Teil des Volle. Die 
weitere Ausbreitung des Chriſtentums ließen fih dann die in größerer Anzahl nach der 
Taufe des Herzogs aus Böhmen herbeifommenden Priejter angelegen ſein. Auf des 
Herzogs Befehl mußten alle. feine Untertbanen, feinem Beifpiel folgen und ſich taufen eo 





Mieczyslaw 


62 

me hist. — — ib I Gi —* Koma bed. Geier — 
wurden Dieſe une ber m und Rt — 
in —— — — —*— e⸗ 





6 und bei Gebräuche, in Ca 
# ie Eige tim li des LT f fr Ve 1 | ec en K irchenweſens 
bes Königreichs Polen, ID). Davon —— außer dem ——— — 






griechiſchen Malereien uralter Kirchen, d. * m —— —— 
trafau. Davon een der — } Lupe * ve — 
—tbeſte dene ſtrenge enritus er me genl‘ di b>griechi den Anke Suften 






Annahm des Ehrift abgeſce uch ji = 
hunent fü dies u —* — men, ie mit dem Ge 
1 —— A Gebrauch der —— rei längere Yen (dei 


dauerten, ein Brief der Mathilde vom Jabre 1026 oder 1027 an den damaligen 
König Mieczyslanı II. von Polen (j. Giefebrecht, Geh. der Deutichen Raifereit IT, 676), 
ee ee 003.6 A ng fie unter Anderem fagt: quis 
in laudem tider vit linguas! Cum in propria et latina Deum 

»digne ee in hoc tibi non satis, graecam superaddere maluisti. 
Auch als fpäter die römische Kirchenorgani ation dur Stiftung von Bistümern und 
— = — ee "us ver Tlasiihrprehilden Rinde 

ur Fi | | aus 

Böhmens nach Bo —— Frieſe I, 62 —— — | 

2 * es aber in weiten vor dem —— in 





durch neuere — völlig re * . — v. I, 91. 


117 u. —* 
36 Apoiteln, die B te Behauptung, (air, KO 
ſe, „u, or nt bei dem ufanmenbenc des mährif 
Flüchtlinge aus Mähren das m DER 





45 Das —* nur — — —* — —* baben, Wenn aber in der pol 
niſchen —— —— gern ge Polon. Venet. 1629 und officia p line 


wir: en nos per beatos —— et confessores tuos ——— — 
so Cyrillum et Methodium ad unitatem fidei christianae vocare dignatus es, wenn 
im biſchöflichen Sprengel von — der 10. März zum Andenken an die Stiftung 
der Kirche durch ſie in — d feierlich begangen wurde und ihrer noch jetzt in der 
Liturgie gedacht wird, und wenn auch im Erzbistum Gneſen eine Aug ier des Ge 
dächtniſſes derjelben Eingang fand, jo erflärt fih das aus dem großen Anjeben, welches 
65 die beiden großen Slavenapoftel in der ganzen oſt- und ſüdſlavi En Melt — hatten, 
und insbeſondere aus dem Umſtande, daß die Verdienſte, die ſie ſich um die Pflanzung 
des Chriſtentums in ſolchen Gebieten erworben, die erſt ſpäter zu Polen hinzukamen, wie 
Wolhynien, Rothrußland und Chrobatien mit Stratau, auf das gejamte Polen übertragen 
wurden, als hätten jie überhaupt das Chrijtentum in Polen begründet. Übrigens mag 
eo nicht unerwähnt bleiben, daß ve mäbrijche Sprengel von Welchrad, in dem Methodius 


Mieczyslaw 63 


bis ca. 885 nicht bloß für die Gründung einer flavifchen Nationallirche in Mähren, fon: 
dern auch in den benachbarten Ländern eifrig wirkte, fi) bis an das Ufer des Styr im 
jegigen Volhynien, bis an die Grenzen Polens, erjtredtee Da läßt ich wohl vermuten, 
daß nah ibm auch griechische ſlaviſche Miffionare von Mähren aus verfucht haben, dem 
Chrijtentum nach Polen den Weg zu bahnen. Aber die zuperläffige geichichtliche That- 5 
fache der Verbreitung des Ehriftentums in Polen Tnüpft fid) doch erjt an die Berheiratung 
des Polenherzogs Mieczislar mit der böhmiſchen Herzogstochter und an feine Taufe, fo- 
wie weiter an fein vertrautes Verhältnis zum Kaiſer. Er öffnete der deutichen Milfion 
Thor und Thür. Unter feinem Schuß wirkte mit großem Eifer und unter vielen Mühen 
und Beſchwerden ein Deuticher, der Briefter Jordan, als Miffionar unter den Polen. 10 
Zhiet. IV,ıs ©. 95: Jordanus primus eorum antistes multum cum eis sudavit, 
dum eos ad supernae cultum vineae sedulus verbo et opere invitavit. Aber 
es fehlte noch viel am Siege des Chriſtentums. Außerlich zwar nahmen die Polen den 
Chriſtenglauben nad) dem Beifpiel ihres Herzogs an, aber den alten Göttern hingen fie 
im Geheimen noch lange an. Ja es konnte das innerlich) noch nicht überwundene Heiden: 15 
tum fpäter, wenn auch nur fur; vorübergehend, ſich wieder zu einer Reaktion gegen das 
Chriftentum erheben. 

Der Annahme des Chriftentums feitens des Herrichers folgte bald die kirchliche Organi⸗ 
jation des Landes. Dieſe fonnte unmöglich als Anhängſel der ſiaviſch-griechiſchen Miſſion er- 
folgen; dazu war die Kirche in Böhmen, von wo Polen das Ehriftentum in feinen erjten An- 20 
fängen empfangen batte, zu wenig felbjt befeitigt. Die enge politifche Verbindung, in der Bolen 
mit Deujchland ſtand, und das Xehensverhältnis, welches den Volenherzog mit dem Kaiſer 
verbunden erhielt, brachte auch ein immer engeres Verhältnis zu der deutich-abendländifchen 
Kirche zumege, und erft von diefer konnte eine feite Begründung und Einrichtung des 
polnischen Chrijtentums und Kirchentums ausgeben. Die Beziehungen des Polenherzogs 26 
Mieczyslaw zu Deutichland und zur Kirche in Deutfchland wurden fpäter noch inniger, 
als derjelbe nach dem 977 erfolgten Tode feiner eriten Gemahlin —* mit Oda, der 
Tochter des ſächſiſchen Markgrafen Dietrich, vermählte. Dieſelbe war bereits eine Nonne 
des Kloſters Kalbe geworden. Nur eine Löſung ihres Eides ermöglichte die Ehe. Die 
Geiſtlichkeit verzieh ihr den Bruch des Kloſtergelübdes nur darum, weil fie hoffte, daß 20 
durch dieſe ebeliche Verbindung der Friede zwijchen den Deutichen und den Polen werde 
erhalten werden. Und in der That war Odas Einfluß jo groß, daß durch fie die Sache 
des Chriſtentums in Polen Förderung und Befeitigung erfahren fonnte Der bis dahin 
unter dem Einfluß der Herzogin Dambrowka vorherrichend geweſene jlaviihe Nitus wich 
allmählich den römischen Gottesdienftformen, die aus der deutjchen Kirche herüberfamen. 36 
Die feiten Formen des römischen Kirchenweſens waren ee, in weldyen überhaupt eine un: 
jafjende Irganifation der Kirche in Polen zu ftande kam. | 

Freilich geſchah das nicht, wie polnifche Hiſtoriker in fpezififch römiſchem Intereſſe 
bebauptet haben (Dlugoss. hist. Pol. 1. II u. a. bei riefe I, ©. 226), dadurd, daß 
ſich Mieczyslaw gleich nach feiner Taufe unmittelbar an Papſt Johann XIII. durch eine wo 
Geſandtſchaft gewandt hätte, um ſich römische Miffionare zu erbitten und fich ſamt feinem 
Reiche unter den Schuß des päpftlichen Stuhles zu ftellen. Es ift durchaus unbegründet, 
daß fofort cin päpftlicher Legat, Agivius, mit vielen zu Lehrern des Volkes beitimmten 

ikern nad) ofen gelommen fei, und Mieczyslaw dann unter feiner Leitung zwei Erz: 
bistüumer (Gneſen und Krafau) und mehrere Bistümer geftiftet habe. Won einer ganz 45 
anderen Seite her wurde ein engerer Anſchluß Polens an die abendländiiche Kirche be— 
wirkt, nicht von Rom aus, wo man ſich um die Miffion unter den flavischen Völkern 
im Norden und Oſten wenig fünmerte, —8 von dem deutſchen Kaiſertum aus, welches 
dieſe von der römiſchen Kirche vernachläſſigte Miſſionspflicht im Zuſammenhange mit ſeinen 
politiſchen Beziehungen zu den ſlaviſchen Völkern zu erfüllen eifrig bemüht war. Otto 80 
ber Große trug ſich gerade jeßt, mo das Chrijtentum in Polen jo mächtig eindrang, mit 
den umfaſſendſten Plänen zu einer dauernden GChriftianifierung der ſlaviſchen Völker, die 
unter feine Gewalt jich beugen mußten. Er wartete nicht mit der Ausführung derfelben 
bis zu dem jchon lange vorbereiteten und beißerfehnten Zuftandelonımen des Erzbistums 
Magdeburg, welches der Ausgangspunkt der von ihm eifrig geförderten deutfchen Miſſion 85 
und der feiten Urganifation der Kirche unter den Slaven in engem Anjchluß an die von 
ihm, nicht vom Papſt, geleitete deutſche Kirche jein jolltee Während Otto aus kirchlichen 
und politiichem Tinterefje darauf bedacht fein mußte, das Ghriftentum unter den Polen 
dur kirchliche Organisation zu befeftigen, hatte Mieczyslaw, der von einem Teile feiner 
Lande ihm Tribut zahlte, alle Urjache, ich mit dem mächtigen deutfchen Kaifer in einem 60 


64 Mieczyslam 
freundfchaftlichen — erhalten. So wurde denn auf Ottos Antrieb und Mit— 


—— — — ee ee dee 
* —— in Polen ſehr verdienten 





| — ht. 
Unter —— Sohne aus erſter * Boleslaw — dem Kühnen (992—1025), 
go dem gewaltigſ yerifchten der alten Polenberzö 0 wurde der An Polens 
an die römiſche feſter. Unter ihm wird das ſelbſt noch nicht einmal äußerlich 
völlig — Polen —* das Werkzeug zu weiterer Verbreitung des Chriſtentums 
unter den benachbarten Völkern, indem er freilich die Miffion feinen gewaltigen kriege: 
riſchen Unternehmungen dienſtbar machte. Er hatte dem heiligen Adalbert den W ni 
86 — gebahnt, unter ſicherem Schutze ihn dorthin entſandt und nachher die Gebeine 
dieſes Maͤrtyrers von Preußen für —— Gold eingelöft. Über dem Grabe Adalberts 
in Gneſen jchloß er mit dem begeijterten Verehrer desielben, dem Kaiſer Otto IIL., der 
um Gebet an Srabjtätte in na Freundes bortbin wallfabrtete, einen engen Freund- 
baftsbund und empfing von ihm den Ehrennamen „eines Bruders und Mitarbeiters am 
40 Reich, eines — und Bundesgenoſſen des römiſchen Volks“ (ſ. Gieſebrecht, Geſch. 
d. deutſchen Kaiſerzeit II, 104, 192 ff.). Es war nun für die Kirche Polens von folgen- 
reicher Bedeutung, daß der Kaifer aus eigener Machtvollfommenbeit mit Zuftimmung des 
Boleslaw ein eigenes Erzbistum über Adalberts Gebeinen errichtete und dadurch zugleich 
dem merkwürdig ſchnell ch ausbreitenden Adalbertsfultus nicht bloß für Polen, jondern 
45 aud) für Die gan ze abendländifche Kirche einen Mittelpunkt jchuf, Sen —* ——— 
er pnode zu Gneſen, dem alten Gentrum des polniſchen 
im Jahre 1000 bie icchliche Abgrenzung und Einteilung des —* —33. vor⸗ 
genommen, das Erzbistum Gneſen, welches dem Halbbruder des heiligen Adalbert, Gau— 
bentius, anvertraut wurde, mit fieben ibm untergebenen Bistiimern eingerichtet, und jo 
50, bie * 5 Organiſation der polniſchen Kirche vollzogen. Es gehörten nämlich 
au hie] m Gneſen außer vier nicht näber bezeichneten Bistümern das Bistum 
— das bereite unterrvorfene Pommern, Krafau für das von Böhmen eroberte 
Chrobatien und Breslau für das den Böhmen entrifjene Schlefien. Der Biſchof Unger 
von Bofen verjagte jeine Zuftimmung zu den B —— der Synode, und unterwarf 
66 ſich nicht dem Erz hof von nen; fondern blieb —— unter dem Magdeburger 
Erzſtifte mit — ngeſchränkten Sprengel. Durch die tung des —— 
bistums wurde die * indung der polniſchen Kirche mit dem Ol deburger ala 
jo mit der deutjchen Kirche und dem deutichen Neid, in hohem Grade gelockert. D 
ie langjährigen furchtbaren Kämpfe zwiſchen Boleslam und Katjer Heinrich IL, 
so welchen jener triumphierend ſich die Königskrone aufſetzte, wurde fie zeitweilig ganz 


Mieczyslaw 65 


gehoben und von Gnefen aus die unmittelbare Verbindung mit Rom immer enger ge 
üpft, die ſchon in dem Geſchenk eines Armes des hl. Mdalbert für eine Kirche auf der 
Tiberinfel ihren fombolifchen Ausprud gefunden hatte. Boleslaw beklagte fi) bei dem 
Vapft in einem Sendfchreiben (1013), daß es ihm megen der geheimen Nadjitellungen 
des Königs (Heinrichs II.) nicht möglich fei, dem Apoftelfürften St. Petrus den ver- 
fprochenen Tribut zu zahlen (ſ. Thietmar VII, 32). Das deutet auf unmittelbare Ver: 
bandlungen mit dem PBapite bin. Während der gewaltigen Kämpfe mit Deutichland 
können die deutichen Priefter nicht mehr ungehindert mie zuvor das Land durchziehen; 
die von Magdeburg Ip den flavifchen Völkern, ja bis nach Skandinavien hin, ausgehende 
großartige deutfche Miſſion findet die Wege nach Polen wiederholentlich verfperrt. 10 

Aber während der Eifer deuticher Miffton für den Dften infolge diefer Kämpfe bald 
erfaltete, bewies fich Boleslam ala mächtiger Beichüter und Förderer der abendländifchen 
Miffion, ald Ausbreiter der Kirche unter den noch heibnifchen Völkern feines großen 
Reiches und über feine Grenzen hinaus. Wie unter feinem Schuge Adalbert die Miffion 
nach Preußen unternahm, jo war er es wieder kurze Zeit — der die kühne Unter: 16 
nehmung des Brun von Querfurt, des begeijterten Schülers und Nacheiferers des hl. Adal- 
bert, zu den wilden heibnifchen Völkern des fernen Oftens, insbeſondere den Petjchenegen, 
mit feiner Macht kräftig unterftüßte, und troß der Vertwandtichaft desfelben mit Heinrich II. 
ihm zur Ausführung feiner großartigen Pläne, die man am Hofe des Kaiſers als aben- 
teuerlich verfpottet hatte, jeglichen Beiftand zufichertee Brun mar vom Papit ſelbſt an 20 
die Spitze der Prieſter geitellt worden, meldye ſich Boleslam für die heidniſchen Völker 
jenes Reiches erbeten hatte. Unter feinem Schuge fandte er einen Teil von Polen aus 
über das Meer zu den Schweden, wo diefe Miffton den glüdlichiten Erfolg hatte. Die 
Quelle für die Gefchichte diefer von Polen aus am Anfange des 11. Jahrhunderts unter 
Bruns Leitung und Boleslaws Beijtand betriebenen und bis in die neuere Zeit unbefannt 26 
getvejenen fühnen Miffionsthätigkeit ift ein Brief Bruns ſelbſt vom Sabre 1008 an 
Heinrich, in welchem er zwei Haupthinderniffe der Miſſion im Often beflagt: den Krieg 
Heinrichg mit Boleslaw und den ſchmachvollen Bund —5*— mit den a Liutizen 
egen Polen, und ihn im Intereſſe der Sache des Chriſtentums ermahnt, ſich mit dieſem 
ür die Miſſion zu feiner Beſchämung fo eifrigen Fürſten, den er liebe „mie feine Seele so 
und mehr als fein Leben“, wieder zu verfühnen (f. W. Gieſebrecht a. a. D. II, 669 ff. 
und das Dokument ©. 648 ff.; vgl. d. U. „Bruno“, Bd III, ©. 513). Vergebens. Die 
Thätigkeit Bruns für die deutiche Kirche war verloren. (Haud, Kirchengeſch. Deutſchlands 
3, 630, 2. A.) Je weiter Boleslam feine Macht über die benachbarten flavifchen Völker 
ausdehnte, deito mehr erfüllte feine Seele die Idee eines großen chriftlich-flavischen König: 86 
reich, deflen Krone er ſich vom Papſte erbat, und vor deilen Macht 1018 das griechifche 
Kaiſertum in Konitantinopel fih fürchten, und das im Sturm eroberte ruſſiſche Reich, in 
deſſen Hauptitadt Kiew er ein römifch-fatholifches Bistum gründete, fich beugen mußte. 

Der innere Zujtand der polnischen Kirche entiprady der urfprünglich rein äußer: 
Iihen Einführung und fortan nur gewwaltfamen Aufrechterhaltung des Chriftentums. Im- 0 
mer noch erbielt jih im Volke nach der äußerlichen Annahme des Ehriftentums die Herr: 
ſchaft des zähe feitgehaltenen Heidentums. Die jährliche eier der Vernichtung der alten 
Götter, bei welcher die Bilder derjelben in das Mailer getvorfen wurden, pflegte noch 
lange unter Abfingung trauriger Lieder ftattzufinden (j. Grimm, Deutſche Mythol. IL, 733). 
Nur durch graujame Strafgefehe wußte man das rohe, heidniſch gejinnte Volt zu hrilt: «6 
licher Sitte und Beobachtung kirchlicher Satzungen zu bringen. Wie Boleslam, felbit 
noch halb ein Barbar, die Frevel feiner Graufamfeit durch Abbüßungen nad der Tare 
der Bußregel wieder gut zu machen meint, fo fennt er nur die furchtbarſte Strenge als 
Mittel zur Zügelung des wider die firchlichen Gebote, namentlich auch gegen die ſchwere 
Abgabe des Garbendecemd an die römische Geiftlichkeit fich auflehnenden Volke. Ehebruch so 
und Unzucht wird mit fchredlicher Verftümmelung, Fleiſcheſſen in der Faſtenzeit mit Aus: 
khlagen der Zähne beitraft; „dern die göttlichen Gebote”, fagt Thietmar IX, 2, „die erit 
neuerdings in diefem Lande bekannt geworden find, werden durch foldhen Zwang befler 
befeftigt, ale durch ein von den Bilchöfen verordnete allgemeines Falten. Boleslams 
Untertbanen müſſen gehütet werden, wie eine Heerde Rinder, und gezüchtigt, wie ſtöckiſche 56 
Eſel, und find ohne ſchwere Strafe nicht jo zu behandeln, daß der Fürſt dabei be- 
fteben kann“. 

Mieczyslaw II. trug in der Weiſe feines Vaters Sorge für die Erbaltung und ‚Für: 
derung der Kirche. Er baute Kirchen, er jtiftete ein neues Bistum, Cujavien, in dem 
Wendenlande an der Weichſel; in drei Sprachen, lateinisch, griechiſch und polnisch, ließ er eo 

Reals@ncyllopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 5 


66 Mieczyslaw 


den Gottesdienſt in ſeinem Reiche halten (ſ. den ſchon angeführten Brief der Herzogin 
Mathilde an ihn bei W. Gieſebrecht II, 657). Aber die von ihm eifrig geförderte Kirche 
wurde nach feinem Tode 1034 in die fchredliche Zerrüttung des polnifchen Reiches mit 
a nden. So wenig batte die äußere gewaltſame Skeiftianiierung die Kirche be 

5 feitigt, daß jet die Exiſtenz derfelben und des Chriftentums auf dem Spiele ftand. Viele 
vom Adel und Volk fielen ins Heidentum zurüd; die Städte und Kirchen waren weit 
und breit verwüftet. Die Laien lehnten ſich auf wider den Klerus. Bon Deutichland 
aus gejchah nichts mehr zur Stügung und Befeltigung der wankenden polnijchen Kirche. 
Das Erzbistum Magdeburg batte unter Konrad II. feines großen Miffionsberufs für den 

10 Often und befonders für Polen immer mehr vergejjen; fein Einfluß auf die polniſche 
Kirche oder die Verbindung diefer mit der deutjchen Kirche hörte fett 1035 gänzlich auf, 
indem das Bistum Poſen fich fortan unter das Erzbistun Gnejen ftelltee Gneſen murde 
dur) den Herzog von Böhmen zerftört, der die Gebeine des bl. Adalbert nah Prag 
übertrug (f. Ludwig Giejebrecht, Öitendifche Geſch. IL, 75— 78). Zwar richtete Caſimir, 

15 Mieczyslaws II. Sohn, der mit feiner Mutter Ricbenza, einer Nichte Kaiſer Ottos IIL., in 
Deutſchland Zuflucht gefunden hatte, nach Wiedereroberung feines Erbe die verwüſtete 
Kirche wieder auf, indem er fie und fein Yand unter den Schuß der deutjchen Königs⸗ 
macht jtellte. Aber es währte lange, ebe die fejten Ordnungen derfelben wieder hergeftellt 
wurden. Non neuem wurden fie gewaltig erjchüttert, als Boleslaw II., der ſich unter 

20 kluger Benutzung der Zivietracht der deutichen Fürſten 1076 von 15 Bilchöfen hatte zum 
König krönen laffen, wegen feiner rohen Gewalttbaten von Biſchof von Krafau mit dem 
Bann belegt wurde, diefen dafür an beiliger Stätte mit eigener Hand ermordete und 
dadurch eine Empörung des gejamten Adels wider fihb und einen furchtbaren Bürgerkrieg 
bervorrief (j. chron. Polon. I, 27--30). 

25 Die Zuftände der Kirche Polens blieben, nachdem ihre Ordnungen unter dem toben, 
graufam gemaltthätigen Boleslam III. noch mehr zerrüttet, dann aber infolge feiner 
wegen feiner vielen Frevelthaten beiviejenen Reue und Buße wieder bergeftellt worden, 
in den nachfolgenden Zeiten beitändig von den ich wiederholenden politiichen Wirren 
abhängig, jo daß eine gedeihliche Entwidelung derjelben in Pflanzung und Pflege chrift- 

so lichen Lebens nicht möglich war. Tie in den loſen Flugſand ihres Bodens zur Zeit 
politischer Ruhe eingedrüdten Spuren innerlichen Ehriftentums wurden durch die politif 
Stürme immer von neuem verweht; die kaum in denjelben gepflanzten Keime wurden 
immer wieder herausgerilfen und verrichtet. Die Miſſionsthätigkeit der polnifchen 
Kirche nahm zwar unter Boleslaw III. wieder einen neuen Aufihwung. Bon Polen 

85 ging Die Chriltianifierung Pommerns durch Biſchof Otto von Bamberg im zweiten Viertel 
des 12. Jahrhunderts aus. Boleslaws Krieger geleiteten ihn in das nad) langen hart⸗ 
nädigen Kämpfen unterworfene Yand der Pommern. Der politifchen Abhängigkeit Pom⸗ 
merns von Polen und dem von feinen politifchen Intereſſen unzertrennlichen Eifer Bo⸗ 
leslaws für die Ausbreitung des Chriftentums dafelbjt iſt das fchnelle Gelingen der 

40 Miſſionsarbeit Ottos zuzufchreiben (ſ. L. Giefebrecht, Wendiſche Gefchichten II, 252—288). 
Auch nach Preußen war man ſpäter eifrig bemüht, die Kirche auszubreiten, um es der 
polniſchen Herrſchaft deſto ſicherer zu unterwerfen. Solche Miſſionsbeſtrebungen waren 
aber nicht ſowohl ein Zeichen vom inneren Leben der Kirche als vielmehr von der poli- 
tiihen Energie der Fürſten. Die Zerjtüdelung des Neichs nad Boleslaws Tode (1139) 

45 unter feine vier Söhne hatte wieder für lange Zeit Zerrüttung und Verwirrung ber 
Kirche zur Folge; fie kam bis zur Zeit der Neformation bin nie zu einer ruhigen inneren 
Entwidelung. 

& einer tieferen Cinführung des Chrijtentums in das innere Leben, in das Her, 

den Geijt und Willen des polniichen Volkes, zu einer Darauf gerichteten Thätigfeit der 

so Kirche konnte es unter den fortdauernden Erjchütterungen, welche die Kirche teils oe 

der willkürlich und gemwaltthätig in ibr Inneres eingreifenden Fürſtengewalt, teils infolge 

der aus ihrer Mitte jih bis zur Neformationszeit bin erbebenden Oppofition gegen Rom 
und das Papſttum erfahren mußte, nicht gelangen. 

Die Fürſten überjchütteten entweder aus jelbjtjüchtigen und Parteiintereſſen die Geift- 

65 lichen mit Gütern und Privilegien auf Koften des Adels und des Volles, deſſen Haß 
gegen fie dadurch noch mehr gejteigert wurde, während der fittlihe Zuftand des Klerus 
dadurch immer mehr verderbt wurde, oder fie tafteten die Nechte und Güter der Bistümer 
gewalttbätig an und erniedrigten die zu maßloſer Herrſchaft und verderblichem Reichtum 
gelangte Geiftlichfeit zu deſto ſchmachvollerer Knechtſchaft. Eine Synode zu Leuchka 1180 

so mußte den Fürſten bei Erfommunifation den Naub der Beligtümer verftorbener Biſchöfe 


Mieczyslaw Migetins 67 


verbieten. Durch die von Zeit zu Zeit von Ki der Fürften erfahrenen Begünftigungen 
wurde die Geiftlichleit in fortvauernde Kämpfe mit dem faktiöfen Adel vermwidelt. Eine 
fortvauernde befondere Urſache heftiger Streitigkeiten zwiſchen Klerus und Adel wie Laien 
überhaupt war teild die Abgabe der Zehnten an die Kirche, teil die millfürliche Aus- 
dehnung der geiftlichen Gerichtsbarkeit, fo namentlich unter der langen Regierung Kafimirs 
des Großen (1333— 1370). Wiederholt wurden die widerſpenſtigen Bilchöfe von den 
taubfüchtigen Fürſten in Feſſeln gefchlagen und die Fürften wiederum von den Bifchöfen 
mit dem Bann belegt oder von den Päpften mit Interdikt bevroht. 

Durch die ganze polnifche Kirchengeichichte zieht ſich andererjeitd in engem Zufammen- 
bange mit dem nationalen Clement und dem Öegenfas des Slavismus gegen Romanis- 
mus und Germanismus die DOppofition gegen das Papſttum, in der ſich Fürften, Adel 
und Geiftlichkeit, ihres Haders untereinander vergellend, zuweilen vereinigten. Die Fürften 
wahrten energifch das durch Otto III. einſt dem Boleslaw verliehene Hecht der Beſetzung 
der Bistümer gegen päpftliche Anmaßung desfelben, befonders die Fürjten aus dem ja- 
gellonifchen Stamme feit Ende des 14. Jahrhunderts. Papſt Martin V. beichwert ſich ı6 
in Briefen an den König von Polen darüber, daß die Nechte und Freiheiten der Kirche 
mit Yüßen getreten, daß die Maßnahmen und die Auftorität des päpitlichen Stuhles nicht 
mehr gefürchtet würden, daß die Wahlen zu kirchlichen Amtern nicht mehr frei, und daß 
Ausländer von denfelben ausgeſchloſſen feien (vgl. ee Kirchengeſch. II, 4, ©. 48. 49). 
Gaftimir III. erlärte dem päpstlichen Legaten, der ihn aufforderte, den vom Papft ernannten 20 
Biſchof von Krafau wieder einzufehen, lieber wolle er fein Königreich verlieren, und die 
ftolze Antwort des Legaten: „beiler märe es, daß drei Königreich untergingen, als daß 
en einziges Wort des Papftes zu fchanden würde”, blieb ein bloßes Wort. Gleichen 
Proteſt gegen päpitliche Srmennung der Biſchöfe erhoben feine Nachfolger. 

Nic minder erfcheint der polnische Klerus oft in Oppofition gegen Rom, indem 26 
er das Streben nach Unabhängigkeit von dem unmittelbaren päpftlichen Einflug mit den 
Zürften teilt. Daher ſchon die Klage Gregord VII. in einem Briefe vom Jahre 1075: 

isoopi terrae vestrae ultra regulas sunt liberi et absoluti. Ein Biſchof von 
Tofen tagte ed, das von Innocenz III. über einen Herzog verhängte Interdikt in feinem 
Sprengel nicht befannt zu machen. Die Priefterehe war Tradition von den griechischen 80 
Anfängen der Kirche ber. Daher unter dem polniſchen Klerus die allgemeine Oppoſition 
gegen das Geſetz des Gölibats. Um 1120 waren alle Prieſter im Breslauer Sprengel 
verheiratet; in der Mitte de 12. Jahrhunderts hatte es noch die Mehrzahl des polnifchen 
Klerus und eine Synode von Gneſen (1219) beklagt, daß die früheren Verbote der 
Prieſterehe ohne Wirkung geblieben ſeien. Ein denkwürdiger Akt der Oppofition gegen 86 
das abjolute Bapittum war auf dem Coftniger Konzil jener’Appell der polnischen Nation 
vom Papft an ein allgemeines Konzil, als Bapjt Martın V. die Schrift des Dominifaners Jo— 
hann von Falkenberg, der im Intereſſe des deutfchen Ordens gegen das polnische Volt 
und feinen König Mord und Empörung gepredigt hatte, nicht verdammen wollte. — Im 
Adel und Bold wurde dur das arge Sittenverderben des Klerus, der die Güter der «o 
Kirche in üppigem, ſchwelgeriſchem Leben vergeudete, durch Simonie, Unzucht, politiſche 
Umtriebe, Zerreißung aller Bande kirchlicher Disziplin ſich um alle Achtung brachte und 
feine kirchlichen Pflichten in gröblichſter Weiſe vernachläſſigte, eine immer weiter um ſich 
i antiklerikale und antikirchliche Bewegung hervorgerufen. Das vom Klerus ver: 
nachläffigte religiöfe Bedürfnis, welches ſich troß der durch denſelben mitverfchuldeten Ver: 4 
bes Volkes in Gott: und Eittenlofigfeit befonders in den Zeiten allgemeinen 
—— und Elendes im 15. Jahrhundert geltend machte, forderte immer mächtiger ſeine 
iedigung. Dieſer Forderung kam auch hier die Reformation entgegen, welche nach 
den geſchilderten kirchlichen Zuſtänden in Polen von allen Seiten offene Thüren fand. 
D. Dr. Erdmann. v0 


8 


Migetins, 8. Jahrhundert. — Quellen: Elipandi epist. 1 bei MSL 96 S. 859, 

ad el. ©. 918 und ep. epis. Hisp. ad. ep. Gall. L 101 S. 1330; Cod. 
Carol. 95—97 MG EE III ©. 636 ff. — Graf Baudifjin, Eulogius und Alvar 1872; Hefele 
Gonciliengefchichte III S. 628 ff.; Haud, KG Deutihlands IT ©.283. 


Gegen Ende des achten Jahrhunderts erregte ein Spanier Namens Migetius oder 56 
Pingentius durch feine Ausfagen über die Trinität Anſtoß. Wir kennen fie nur aus 
den Bericht eines heftigen Gegners, de3 EB. Elipandus von Toledo. Wenn diefer fie 

hat und treu wiebergiebt, fo lehrte Migetius drei körperliche Perſonen 
in der Trinität: die Perfon des Vaters ſei (specialiter!) David, die des Sohnes die 
5 


68 Migetins Militſch 


aus der Jungfrau angenommene aus dem Samen Davids, die Perſon des hl. Geiſtes ſei 
im Apoſtel Paulus zu ſehen. Er ſetzte alſo in ziemlich roher Form an Stelle der kirchlichen 
Trinität eine dreifache geſchichtliche Manifeſtation des einen Gottes. Eine Analogie mit 
muhammedaniſcher Vorſtellung vom Prophetentum ließe ſich darin finden (Baubiffin), aber 
5 jchwerlich eine bewußte; noch fraglicher ft es, ob man an Nachwirkungen des Priscillia- 
nismus zu denken bat. Die bei Priscillian außerordentlich ſtark betonte Einzigkeit der 
Gottesoffenbarung in Chriſto jchließt ihre Gleichfegung mit der Offenbarung in David 
und Paulus aus. Dean wird demgemäß aucd den fittlichen Rigorismus des Migetius 
nicht als Erbe aus dem Priscillianismus zu betrachten haben. Er war jo ſtark ausgeprägt, 
10 daß noch im folgenden Jahrhundert Migetianer mit Donatiften und Zuciferianern zuſammen 
genannt werben, Ep. Saul. Cord. ad Alv. bei Florez Espana sagrada XI ©. 166. 
ber während bei Wriscillian die asfetifche Richtung der Ethik durchaus vorfchlägt, 
handelte es ich für Migetius zunächſt um Zuctfragen: Die Priefter müßen, um die 
firchlihen Handlungen vollziehen zu können, jündenfret fein (mas er, wenn Elipandus 
15 nicht lügt, auch von fich felbit behauptete), die Gläubigen follen ſich nicht durch Tiic- 
gemeinfhaft mit den Ungläubigen (Muham.) verunreinigen. Überdies fcheint er für das 
irchliche Verbot des Genuſſes von Tierblut, das wohl in gotifche Sitte nicht überge- 
gangen war, eingetreten zu fein. Eine fchon ältere Differenz über die Ofterfeier kam 
hinzu, ebenfo, wie es fcheint, Erörterungen über die Prädeſtination, deren Gegner Wigetius 
20 geivefen fein muß. Und dabei trat er in der durch die jarazenifche Herrichaft vom Fe 
jammenbang mit Rom fait ganz losgelöften fpaniichen Kirche nit nachbrüdlicher Ver: 
ebrung der römischen Kirche auf, melche er febr zum Arger des toletaniihen Prälaten 
überfchwenglich als die allein fatholifche, reine, ja als das himmliſche Jerufalem pries. 
Um diefelbe Zeit hatte der EB. Wilchar von Sens unter Zuftimmung des Papftes 
35 Hadrian, offenbar um wieder NWerbindung mit der fpanifchen Kirche zu ſuchen, einen ges 
willen Egila zum Bifchof geweiht und mit einem Presbyter Johannes als Wanderbifchof 
zur Predigt des ortbodoren Glaubens und der bi. katholiſchen Kivche „in „partibus 
Spaniensis provinciae“ dahin geihidt. Egila nahm in Spanien zahlreihe Mißſtände 
wahr: Mifchehen mit den Ungläubigen, Konkubinat der Prieſter mit Eheweibern, ab- 
80 weichende "Diterberechnung, Nichtbeobachtung kirchlicher Kanones. Unter dem Eindrud hier 
von fcheint er mit dem kirchlichen Opponenten Migetius Fühlung gewonnen zu . 
Deſſen Begeifterung für Rom und das Römische bildete ja obnebin einen Antnüpfunge 
puntt. Die Spanier aber glaubten nun die beiden ihnen unbequemen Männer zugleich 
befeitigen zu fünnen. Gegen Migetius erklärte fi) Elipandus in einem ausführlichen Lehr⸗ 
85 brief, und der ſpaniſche Epiffopat jtunmte ihm, twabrfcheinlih auf einer Synode zu 
Sevilla, zu. Des Migetius Trinitätslehre machte «8 leicht, ihn für einen Häretiler zu 
erklären. Ten fränkiſchen Wanderbiſchof aber denunzierte man in Rom als Anhänger 
des Ketzers. Das Lebtere war vergeblid. Denn Egila wußte fi vor dem Papſte zu 
rechtfertigen; feine Ortbodorie wurde ausprüdlih anerkannt, cod. Car. 96 ©. 644. 
Doc hören wir nichts weiter von ihm. Auch Migetius, der nach Elipandus im füb- 
lichen Spanien tbätig war, verfchiwindet, da ſich das Intereſſe dem nun ausbrechenden 
adoptiantichen Streite zuwendet. Er wird bald geftorben fein; denn aus dem Klatfch, 
den Elipandus wiedergiebt, läßt ſich folgern, daß er ein kranker Mann war. 
Zeitlich laſſen id Ddiefe Vorgänge nur dadurch beftimmen, daß in Hadrians Ant- 
45 wort auf die fpanifche Denunziation cod. Car. 95 S. 636f. auch der adoptianifchen 
Lehre des Elipandus gedacht wird. Zie fallen aljo um 785. Hefeles Anja der Synode 
zu Sevilla: 782 läßt fih nicht beweiſen. Möller (Hand). 


Militärfeelforge |. Seelſorge. 


Militih von Kremfier, geit. 1374. — Quellen zur Gefchichte des Milicius find 
50 zunächſt jeine Werke in lateinischer, deutſcher und tſchechiſcher Sprache. In lateinifher Sprache 
exiſtieren zwei Arebigtfammlungen Gratia Dei und Abortivus. Beide finden fi) in mehreren 
Handidhriften; die Sermones synodales bilden einen Teil des Abortivus, ein Sermo 
clerum de dedicatione cecclesie, da8 Quadragesimale (Saftenprebigten) und die Prothemata 
de beata virgine, von denen Balbin und Voigt beridyten. Cein Libellus de Antichristo ed. 
55 Mencit in Veitnit (Sih.:Ber. d. kgl. böhm. Gef. d. Wiſſenſch.) 1890, ©. 328—336. Eine 
Citatenſammlung: Sermo de die novissimo. Seine Briefe find nur teilmweife erhalten: ber 
an Urban V. ijt von Meneit in Vöſtnik l.c. S. 318—325, Fragmente von anderen in der 
Vita Milicii publiziert. Die deutſche Predigtfammlung Militſch' iſt nicht erhalten, ebenfos 
wenig Deutjche &ebete, Die es einſt im 14. Jahrhundert gab. Das legtere gilt auch von den 


Militſch 69 


tichechifchen Gebeten, die wie jene nach der Predigt verleſen wurden. Sonſtige Schriften in 
tſchechiſcher Sprache werden Militih mit Unrecht zugefchrieben. gu jeinen Biographen ge- 
hört einer feiner Schüler, ein Geiftliher niederen Ranges, der Militih nad) Avignon ge- 
leitete. Deſſen Vita venerabilis presbyteri Milicii praelati ecclesiae Pragensis einft von 
Balbin Miscell. IV B- II 44—64 herausgegeben, liegt jeßt in der neuen Ausgabe Emlers in 5 
den F. F. rer. Boh. I, 401-430 vor. Einen Bericht über das Leben des Militich fchrieb ein 
anderer Borläufer des Huk Matthias von Janow in feinem berühmten Wert Regulae V. et 
N. Testamenti. Das Stüd findet fich jetzt gleichfall8 in F.F. rer. Boh. I, 431—436. Ein Bruch⸗ 
itüd über da8 Zeugenverhör gegen Milie |. Mendit wie oben S. 317—318. Die Echreiben 
Gregors XI. in Raynaldi Ann. eccl. a. a. 1374. Die 12 Artikel des Militih ſ. in Balady, 
Die Borläufer ded Hufitentums in Böhmen, N. Ausg. Prag 1869, S. 39—43. Die Articuli 
declaratorii contra eundem ebenda ©. 43—46. Einzelne Alten über die XThätigleit bes 
Militſch in den Acta consist. Pragensis ed. Zadra im Hift. Arch. der tichech. Akademie I. 
Neuere Ritteratur: Tome, Gef. v. Prag III (tſchechiſch); Palady, Die orläufer f. oben; 

lady, Geſch. Böhmens III, 1; Neander, Allg. Geſch. der chriſtl. Rel. u. Kirche II, 2, 16 

. 767— 772; Lechler, Johann v. Wichif II, 118—122; Loſerth, Hub u. Wiclif, S. 50—53. 
Neuere tſchechiſche Litteratur geringerer Bedeutung . in Klicmand Artikel Milie im XVII. Bd 
des Slovnik nauẽny ©. 342. 


In der Neihenfolge der Männer, die man feit Jac und Neander als die Vor: 
läufer des böhmischen Reformators Johannes Huß zu bezeichnen pflegt, trotzdem die Art 20 
ihrer Wirkſamkeit eine weſentlich andere und der Einfluß, den fie durch Wort und Schrift 
auf ihn genommen, ein p winziger iſt, daß er kaum wahrgenommen wird, ſteht Militſch 
an zweiter Stelle. Er iſt in dieſer Beziehung Nachfolger des trefflichen Predigers Konrad 
von Waldhauſen, einſt Angotinercherherrn in Oberöſterreich, dann Rektors der Kirche zur 
bl. Maria vor dem Frohnhof in Prag, deſſen Thätigkeit als Kanzelredner und Lehrer 36 
des Volkes eine jo erfolgreiche war, daß fie dem bedeutenditen Gefchichtichreiber Böhmens 
in jenen Tagen nicht unbemerkt geblieben it. Wenn man diefe jogenannten Borläufer 
nicht der Zeitfolge nad), jondern nad den Ergebnifjen ihrer Wirkſamkeit beurteilt, fo 
muß Militſch zweifellos an die erjte Stelle gejeßt werden. Ergab ſich diefer Sad): 
yalt ſchon aus dem wenigen Material, dag in der Zeit Paladys und Neanders von 80 
den Schriften des Militich befannt war, fo mird er noch weſentlich durch die ausführ- 
liheren Auszüge aus den Predigten des Militich, feiner Schrift vom Antichrift und dem 
wichtiger Briefe verftärkt, den er 1367 an Papſt Urban V. geichrieben hat: Schriften, 
die in jüngfter Zeit durch den Drud befannt worden find. Militſch — fo lautet 
jein Taufname, Matthias von Janow überfeßt ihn mit carissimus, der Liebſte — 86 
wurde zu Kremfier in Mähren, man weiß nicht, in welchem Jahr, von armen Eltern 
eboren. Man kennt den Gang nicht, den feine Bildung genommen hat. Es murde 
erkt, daß er faum an einer deutfchen Schule ftudiert haben dürfte, da er erſt fpät, 
fein Biogroph fagt im Greifenalter, die deutſche Sprache erlernte. Aber diefe Angabe 
des Biographen iſt durchaus unrichtig. Wenn wir Militfch in der Kanzlei des deutichen 40 
Kaiſers Karl IV. beichäftigt fehen und ihn durch zivei Jahre mit dem Hofe des Kaifers in 
deutfchen Gegenden, vornehmlich in Nürnberg, finden, jo muß er wohl damals ſchon des 
Deutichen mächtig geweſen fein, ohne deſſen genauere Kenntnis er wohl faum Aufnahme 
in die deutſche Reichslanzlei gefunden hätte. Ob er in Deutichland, in Italien ſtudiert, 
ob er feine Ausbildung in der Heunat erhalten, was wohl das Wahrjcheinlichite iſt: «6 
darüber ift nichts ficheres überliefert. Man nimmt an, denn ficheres iſt auch hierüber 
nicht befannt, daß er um 1350 zum Geiftlichen geweiht worden und dann in die Dienfte 
des Markgrafen Johann von Mähren eingetreten fe. Er kam dann in die Ffaiferliche 
Kanzlei. Dort war er 1358—1360 als Regiftrator, die beiden folgenden Jahre als 
Korrektor thätig. In diefer Eigenjchaft begleitete er den Kaiſer ins Reich, mas ihm 50 
Gelegenheit bot, der Stellung des Aatjertums als ſolchem eine eingehendere Betrachtung zu 
widmen. Er nennt e8 als Beifpiel „eines in fich geteilten Landes“: Karl IV. habe 
feinen Biſſen Brot, den ihm nicht Böhmen gewähre. Bon Papſt Innocenz VI. erhielt 
Militib 1361 die Provifion auf eine Pfründe. Er wurde Kanonikus und Schatzverwalter 
der Prager Kirche (1362). Vom Erzbiſchof zum Archidiakon ernannt, erfüllte er als 66 
ſolcher feine Pflichten im Gegenſatz zu den Archidiakonen, wie man fie damals und fpäter 
kannte, mit größter Gewiffenhaftigfeit: „er begehrte von den Pfarrern, die er vifitierte, 
nichts als ihr eigenes und das Geelenheil der ihnen anvertrauten Gemeinden”. In 
asketiſcher Selbitzucht trug er ein härenes Gewand auf bloßem Leib. Plötzlich Iegte er 
(1363), des Treibeng der Welt müde, feine Amter wieder, angeregt wie einſt der hl. Franz go 
zisfus, durch die Worte des Herrn, zur evangeliichen Armut. Der Erzbiſchof — «8 mar 


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0 


70 Militſch 


der treffliche Arneſt von Pardubitz — ſah ihn ungern ſcheiden. Was könnt Ihr, Herr 
Militſch, ſagt er ihm, wohl beſſeres thun als Eurem Herrn helfen, die ihm anvertraute 
Gemeinde zu weiden? Militſch lehnte das nicht unbedingt ab; er war entſchloſſen, fich 
ganz der Predigt zu widmen; doch wollte er erſt ſeine Tauglichkeit hierzu erproben und 
5 zog nach Biſchof⸗-Teinitz, mo er ſich in feiner Thätigkeit übte und voll von Entſagung 
—9— auf jene unſchuldigen Vergnügungen Verzicht leiſtete, die ihm der ſchattige Garten 
des dortigen Pfarrhofes gewähren konnte. Schon nach einem halben Jahre konnte er die 
Stätte ſeines Wirkens in Prag aufichlagen: er predigte erft in St. Nillas auf der Klein⸗ 
feite, dann bei St. Egid in der Altſtadt. Sein Zubörerkreis war anfänglich Hein. Man 
10 war in Prag an glänzende Kanzelredner gewöhnt, während er eine in den befleren Kreifen 
der Bürger wenig geachtete Sprache redete (aus denn Cab des Biograpben: licet ab 
aliquibus propter incongruentiam vulgaris sermonis derideretur, darf man nidt 
mit Palady und Neander berauslefen mollen, daß er wegen des ungewohnten Klanges 
feines mähriſchen Dialektes verlacht wurde. Es war eben etwas bis dahin ungebräud- 
15 liches, in tichechifcher Sprache zu predigen). Sein linkiſches Gebahren, feine Vergeßli 
teit bei der Verkündigung der Stirchenfefte erregten anfangs viel Heiterleit. Seine Freunde 
rieten ihm zum Nüdzug: gebe es doch in Prag jo bedeutende Prediger, und mie winzig 
jet ihr Erfolg. Militih erinnerte fie, daß auch Chriftus anfangs verladht wurde, und 
blieb feſt. Allmählich zog er fich eine Gemeinde heran, die zu ihm hielt; feine ftrengen 
0 Worte gegen den Hochmut der Menge, ihre Habſucht und Unzucht fchlugen in den Herzen 
Vieler Wurzel: „Weiber legten ihre ftolzen Gewänder, die mit Gold und Edelfteinen ver: 
vierten Hauben und anderen Pub ab, öffentliche und geheime Sünder thaten Buße, 
Wucherer gaben ihre Beute zurüd u. ſ. w.“ Von feltenem Eifer erfüllt, predigte er zwei⸗ 
mal, ja wenn e3 Not tbat, ſelbſt vier- und gelegentlich wohl auch Klnfmal des Tages. 
25 In die große Frage, die Damals viele beivegte, ob es dem Menſchen erlaubt ſei, bäufig 
oder gar täglicd das Abendmahl zu nehmen, bat, fo meit man fieht, auch Militich ein- 
egriffen — freilich mehr praktiſch als theoretiih. Seinen Worten ließ er die That 
Folgen: er gab dahin, was er hatte; die Gaben, die er erhält, teilt er mit den Armen. 
Er predigte nicht nur in Prag fondern auch auswärts, vor allem in feiner mährifchen Heimat. 
so Der Zudrang des Volkes wird immer ftärter. Neben der Predigt zieht ihn das Studium 
der hl. Schrift am meilten an: „Von ibr wurde er weitaus heftiger entzündet, nach ihr 
fehnte er fih mehr als nach Türperlicher Nahrung.” Und do, fo groß die Erfolge des 
Militih bisher waren, fie gewährten ihm nicht die gewünſchte Befriedigung. Er erfannte 
wie er felbit jagt, „daß er nur dann, wenn er in fich jelbft die Sünde befiegte, vom 
35 Brote des Lebens eſſen dürfe, das in der Erkenntnis der bl. Schrift beſteht.“ & wollte 
jene Weisheit erlangen, die niemanden trügt, aber auch felbft nicht getäufcht wird, bie 
Mittel kennen lernen, durch die er fich jelbft und der Kirche zu helfen vermöchte. Eine 
innere Stimme ruft ihm zu, das Kreuz auf fich zu nehmen, fih in einen ſtrengen Orden 
Aurüdqugichen, der Predigt zu entfagen, weil ihm zu dieſer der innere Beruf fehle.” Mit 
40 Mühe bringen feine Ratgeber — und man darf bier, ohne fehl zu gehen, wohl an feinen 
freund und Gönner Konrad von Waldhauſen denten — ihn von ſolchen Plänen ab, 
aber jo weit ringt er fich durch, daß er durch längere Zeit das Predigen einftellt. Bald 
fommen neue Anfechtungen über ibn, deren er aus eigener Kraft nicht Herr werben kann. 
Er denft an die Weisfagungen von der Ankunft des a und vertieft ſich auf den 
45 Nat feines Beichtvaters bin in dag Studium der Bibel. Aufs tiefite ergriffen lieſt er 
die Worte Mattbäi im 24. Kapitel vom Gräuel der Verwüftung an bl. Stätte und von 
den Anzeichen des kommenden Meltgerichtes. Er möchte milfen, wann biejes erwartet 
wird. Vergebens forjcht er bei jübdifchen und chriftlichen Gelehrten. Er entichließt fich, 
zum Papſt zu zieben, denn dieſer allein wird feine Zweifel löfen. Es ift die Beit, in 
50 der die Rurie ihren Sig von Avignon nach Nom verlegt, und auf dem päpftlichen Stuhl 
Int Urban V., der beite der avignoneſiſchen Päpſte, ſchon bei Lebzeiten ein heitigmäßiger 
Mann. So ziebt Militſch im Frühling 1367 nah Nom. Dort kommt ihm die 
leuchtung, wie die danielifchen Tage zu verfteben jeien. Menn man zu den 1335 Jahren 
bet Daniel (XII, 12), denn das follen Daniels „Tage“ bedeuten, jene 42 Jahre ad» 
65 diert, die vom Tode GChrifti, da das „tägliche Opfer” abgetban ward, bi8 zur Zerſtö⸗ 
rung Serufalems verfloffen find, fo gelangt man auf das Jahr 1367. Es iſt fein 
Zweifel, daß danach das Jahr 1367 das Jahr der Vollendung ift. Das Ende tft nahe. 
Und nun findet er auch, daß alle Anzeichen des Untergangs, wie fie das Evangelium fchildert, 
vorhanden find, denn mehr als je ift die Liebe des Menfchen erfaltet. Er behält fein 
co Geheimnis im Anfang bei fih. Ta fih die Ankunft des Papftes verzieht, will er nad 


Militſch 71 


Avignon gehen. Wieder iſt es eine innere Stimme, die ihm zuruft, mit ſeinen Anſichten 
nicht zurückzuhalten. Er läßt eine Ankündigung an die Kirchenthore von St. Peter heften, 
darin ſagt er, er wolle predigen, daß der Antichriſt ſchon gekommen ſei, und Klerus und 
Volk ermahnen, auf daß ſie für den Papſt und Kaiſer beten, damit ſie die hl. Kirche in 
geiſtlichen und zeitlichen Dingen fo ordnen, daß die Gläubigen ihrem Schöpfer mit Sicher: 
beit zu dienen vermögen. Militſch kam nicht dazu, feine Predigt zu halten. Die In—⸗ 
quifition nahm von feinem Vorhaben Kenntnis und feste ihn gefangen in dag Minoriten- 
Hofter Ara Celi auf dem Kapitol. Hier wird er mit der Folter Bedroht, wenn er feine 
Antichriftmeinungen nicht vortragen wolle und das mar der Grund, weshalb er feinen 
„Libellus de Antichristo“ oder mie fte richtiger heißt, feine „Prophecia et revelatio 10 
de Antichristo“ im Gefängnis der Minoriten nieberichrieb. Sie enthält Tein Wort 
über eine durchgreifende Reform der Kirche. Dabei unterwirft er fich und fein Büchlein 
ganz dem Urteil des Papftes, denn „dieſem zer allein gegeben, Geilt und Schrift zu prüfen”. 
Er erwies ſich ſonach von guter Gefinnung und wurde denn auch nach der Ankunft des Papſtes 
(Oktober 16) aus der Haft entlaflen. Nicht genug daran, er gewann das Wohlwollen 16 
des Kardinald von Albano, Ange Grimaud, des Bruders des Papftes; ob dies auf die 
Bermittelung Konrads von Waldhaufen zurüdzuführen ift, der ald Auguftiner mit dem 
Kardinal als einjtigem Prior eines Auguftinerllofters Verbindungen hatte, wie jüngſtens 
bemerkt wurde, mag dahın geitellt bleiben. Die Quellen geben bierüber keine Auskunft. 
Militich mar eine dem Papft und dem Kardinal durchaus tongeniale Natur, als daß 20 
fie nicht aneinander Gefallen gefunden hätten. Bor feiner Abreife aus Nom überreichte 
er dem ft noch ein Schreiben, voll von fchweren Klagen über die Gebrechen in der 
Kirche; zu ihrer Heilung thue ein allgemeines Konzil Not. Gute Prediger müflen ausgeſandt 
werden, das chriftliche Voll zu belehren. Es iſt ja begreiflidh, daß Milttfch, den feine 
Berechnungen über die Ankunft des Antichrift fo handgreiflich getäufcht hatten, auf dieſe 26 
Studien nicht wieder zurückkam. Sie hatten ihm lange genug hart zugelegt und ihn 
bereits in ſchwierige Lagen verfeßt, ehe er noch nach Rom ging. Wie und Matthind von 
Janow berichtet, ließ er ſich einit in feiner Predigt — er ſprach wohl mwieder von der 
Ankunft des Antichriftt — von feinem Eifer fo fehr hinreißen, daß er vor der verfam- 
melten Menge mit dem Finger auf den Kaifer Karl IV. hinmweifend in die Worte aus: 80 
brach: „das ift der große Antichrift”, wofür er freilich eine zeit lang hinter Schloß und 
Riegel büßte. Diefe Periode war nun vorbei. In Prag von der großen Gemeinde feiner 
Anbänger mit Jubel begrüßt, zum Arger der Bettelmöndhe, die von ihren Kanzeln herab 
ſchon trumpbierend gemeldet hatten, Militſch würde verbrannt werden, gab er fidh mit 
größerem Eifer als jemals zuvor feiner Thätigfeit als Prediger und Lehrer des Volkes hin. 86 
b einmal, aber nur aus kurze Zeit und man weiß nicht aus welchem Motiv, zog er 
nah Rom. Es war zu Beginn des Winters von 1369. Noch ehe er heimgefehrt war, 
war am 8. Dezember 1369 fein großer Genoſſe Konrad von Waldhauſen gejtorben, und 
nun begann Militich als fein Nachfolger an der großen Teynkirche die Predigt dafelbit. 
Er predigte dort täglich in deuticher Sprache, böhmiſch in St. Egid und feit 1372 in @ 
feiner Stiftung Serufalem. Über die Art feiner Predigt und feine Erfolge find einige 
Andeutungen zu machen. Zunächſt machte die Kühnheit, mit ber er der unwürdigen 
Geiftlichkeit, vor allem den Bettelmönchen, zu Leibe ging, Aufjehen, dann aber auch die 
Driginalität jeiner Sprache. Es mochte Leute geben, die fchon früher hinter feinen 
Predigten Ketzerei getwittert hatten. Damals twaren in Prag zwei Gelehrte von großem 45 
Anfel Der eine war Albertus Rankonis de Ericinio, deſſen Huß einmal als des 
zierlichften Redner gedenkt, der andere der Dekan Wilhelm von Hafenburg. Ihnen über: 
gab der iſchof des Militih Predigten zur Durdficht und Prüfung. Adelbert lehnte 
ibre Verbeſſerung mit den ſchönen Worten ab: Es kann meine Aufgabe nicht fein, 
Werke einer Verbefferung zu unterziehen, die unter der offenbaren Einwirkung des hl. Geiſtes 50 
verfaßt worden jind. Die feine Predigten wurden dann aud) fleißig kopiert, im ganzen 
Land und weit über die Grenzen Böhmens hinaus verbreitet. Sie enthielten, was die 
Menge anzog. Sie reben in ergreifenden Worten: fo wenn Militſch, um nur ein Bei: 
fpiel berauszuheben, die Liebe und den Schmerz der Gottegmutter fchildert, wie in ihrem 
Herzen doppelte Liebe lebt, die zu ihrem Cohn und zum ganzen Menſchengeſchlecht und 56 
doppelter Schmerz es zerreißt, der über den Tod ihres Sohnes und über unfere Ber 
dammnis, wie aber die Liebe zum Menjchengefchlecht ſelbſt den Schmerz über den Tod 
ihres Sohnes überragt. Seinen Zeitgenoffen erſchien es tie ein Wunder, daß er für 
feine Predigten alles das in wenig Augenbliden zufammenitellte, wozu ſelbſt gelehrte 
Männer Donate brauchen. Dabei iſt feine Predigt nicht etwa eine Ausleje von Gitaten. 60 


12 Militſch 


zieh er Autoritäten herbei, fo gefchiebt e8 in maßvoller Weiſe. Er entnimmt feine 
eifpiele gern dem alltäglichen Leben und der Natur. In Träftigen Tönen weiß er bie 
Laſter zu ftrafen, und die fittliche Energie feines Weſens erzielte von Jabr zu Jahr ſich 
fteigernde Erfolge. Es war fein Ruhm, über 300 öffentlibe Dirnen zu unbefcholtenem 
6 Leben und ehrbarer Hantierung jurüdgeführt zu haben. Er errichtete an der Stätte, 
wo bisher der Venus geopfert worden war (im Bollsmund Venedig genannt), mit 
Unterftügung des Kaifers und anderer frommer Perſonen eine vornehmlich der bl. Mag: 
dalena geweihte Stiftung für gefallene und ſodann büßende Frauen: Jeruſalem genannt, 
to dieje früheren Gejchöpfe der Sünde, obne in einem wirklichen Klofter zu jein, ein 
so zurüdgezogenes auferbauliches Leben führten. Am ſtärkſten freilich wirkte feine Rebe, —* er 
den Sündenpfuhl berührte, in welchem er den größeren Teil des zeitgenöſſiſchen Klerus, vor 
allenı die hochgeitellten Prälaten, verfunfen fah. Da ift ihm kein dort ſtark genug, um ihre 
Unzucdt (adulteriis, fornicationibus, incestibus carnalibus, mulierum amoribus, 
amplexibus, concubinarum cohabitationibus, meretricum commereiis se ingerunt), 
15 ihre Hab- und Genußſucht (non laborant nisi sint lucra et pingues praebendae), 
ihre Völlerei und Trunkſucht (die ac nocte bibunt et devorant sicut porci) und 
andere Lafter zu ſchildern. Wie machte er ſich über ihre Gewandung luftig, in der fie 
Harletinen glichen. Man begreift, daß dieſer Klerus einen Prediger hafte, der ſich nicht 
icheute, wie ung die Gerichtsaften des Konſiſtoriums in Prag, die Acta iudiciaria, | 
20 felbit gegen den Erzbiſchof aufzutreten, ſich freilich zum Schluß, denn der Erzbiſchof felbft 
ift tadellos, vor ihm in tiefer Demut beugte. Dazu kommt der alte Haß der Bettel: 
mönche, die ihn ſchon vorlängft verklagt hatten, daß er fie Betrüger geicbolten, indes er 
bloß die gläubige Menge nicht an fie, Sondern an ihre Ortöpfarrer wies. Dazu fommt 
endlich die Entrüftung der Pfarrer felbft, in deren Seelforge er durch die Errichtung von 
3 Jeruſalem eingreift. Diefer Klerus bringt feine Klage 1373 vor die Provinzialſynode 
Herriich werden feine Anhänger, die Militianer, zurüdgedrängt. Aber noch halten Kaiſer 
und Erzbifchof ihre jchügende Hand über den Dann, deſſen unvergleichliches Wirken im 
Intereſſe der Geſellſchaft fie durchaus billigen. Der Klerus erreicht mit feinen Anklagen 
in Prag nichts. Da fehlt es freilih nicht an Schelt- und Schimpfworten für Militſch. 
20 Er wird Begharde genannt und Heuchler geſcholten. Gefährlicher wird die Anklage, die der 
Prager Klerus nunmehr in Avignon ſelbſt führt, durch einen Magiſter Johannes Klen⸗ 
koth twerden bei der Kurie zwölf Klagepunkte eingereicht. Cie betreffen feine Lehre vom 
Antichrift, feine Strenge gegen den Wucher, feine Lehre vom häufigen Abendmahl, bie 
Gründung von Jerufalem u. |. w., aber auch ſeinen angeblichen Haß gegen das Studium 
86 der freien Künſte, das er für ſündhaft gehalten haben ſoll. Die Kurie verlangte Bericht. 
Ein Schreiben an die Erzbiſchöfe von Prag und Gneſen, an die Biſchöfe von Olmütz, 
Leitomiſchl, Krakau und Breslau verlangte Bericht, was an den zwölf Artikeln wahres ſei. 
Am 13. Februar 1374 ſandte Gregor XT. endlich noch ein Schreiben an Karl IV.: Er 
babe vernommen, daß ein gewiſſer Milicius unter dem Schein der Heiligkeit ſich das 
40 Vredigtamt anmaße und ketzeriſche Lehren im Böhmerlande und den Nachbarprovinzen 
auoſtreue. Der Kaiſer werde den Biſchöfen ſeine Hilfe nicht verſagen. Der Erzbiſcho A 
hatte Sorge, nicht weniger um feinet: als um des Predigers Willen. Militich fpra 
ihm Troſt zu. Er appellierte und begab fich felbft nach Avignon, wo fih alles zu feinen 
Gunften wandte. Auch diesmal war es Grimaud, der die Hand über ihn hielt. Klen— 
45 koth ſelbſt erflärte, in den Artikeln nichts keheriſches zu finden und ſie nur auf Betreiben 
eines Prager Pfacrers vor den Papſt gebracht zu haben. Die Rechtfertigung Militſch 
war fo vollſtändig, daß er vor den Kardinälen predigen durfte und von Kardinal 
von Albano zur Tafel gezogen ward. Bald nachher jtarb Klenkoth, worüber Militich 
Berichte nach Prag ſandte. Er felbjt erkrankte nicht lange nachber. Sein Ende er- 
60 wartend, nahm er von feinen Freunden, fo namentlih von Grimaud und ben Herren 
von Rofenberg brieflih Abfchied. Als Grimaud das Schreiben las, fagte er: So ſehr 
unſer Herr, der (verſtorbene) Papſt Urban V., durch Wunderwerte glänzt, ih meine, 
Militſch wird noch früher heilig geſprochen werden. Militſch ſtarb am 29. Juni (das 
„in die sancti Petri“ des Biographen fann aber auch der 1. Nuguft fein) 1374. Auf 
655 Die Hunde biervon fan es in Prag zu einer getwaltigen Erregung der Gemüter, deren 
Nachwirkung in dem Bericht des Biographen noch deutlich zu Tage tritt. Mili ch war, 
wie ſchon Lechler hervorhob, ein wahrhaft ehrwürdiger Mann der „inneren Miſſion, der 
in der Vorzeit des Huffitentums teils durch feine Predigt in der Volksſprache teild durch 
befondere Beachtung der Kommunion Epoche machte.“ 
co J. Loſerth. 


Mi Milner 13 


Mil, Kohn, geb. 1645, geft. 23. Juni 1707. — gl. Dictionary of national 
biography, Bd 37, London 1894, ©. 388b — 390b und Gregory, Textkritik des NT Bd 2, 
Leipzig 1902, S. 945— 947. 

Der Sohn eines Weberd namens Mil, Milln, oder Milne (fo bie Sohn Mil 
bis 1673) in Hardendale, Parochie Shap, Weitmoreland, bezog Kohn Mill 1661 Dueen’s 
College in der Univerfität Orford, und erhielt den Baccalaureus artium 1666, den 
M. A. 1669, den B.D. (divinitatis) 1680, D.D. 1681. Er war „fellow“ feines 
Kollegiums 1670— 1682, wurde 1670 ordiniert und zum „Tutor“ ernannt, war Kaplan 
Sr William Palmer's zu Warden in Bedfordfhire, 1676 Kaplan des Bilchof3 von Ereter 
Thomas Lamplugh, 1677—1705 „prebendary“ von Greter, 1681 bis zum Tode 10 
„rector“ (Oberpfarrer etwa) von Bletchington in der Grafſchaft Orford, 1685 „prin- 
eipal“ von St. Edmund Hall in der Univerfität Orford, 1694 „proctor“ der Kleriter 
der Diöcefe Canterbury in dem Unterhaufe der „Convocation“, 1704 „preben- 
dary“ von Canterbury. Seine Unpopularität als Menjch geht uns hier nichts an. Big 
dabin war der griechifche Tert des NTs nur dürftig herausgegeben worden. Der Or 15 
forder Profeflor Edward Bernard richtete Mill Aufmerkſamkeit auf diejen Text, und 
zehn ‚ Biichof von Oxford, der ar im Sabre 1675 eine namenloje aber wertvolle 

ine Ausgabe bejorgt batte, übergab dem Mill jeine Vorarbeiten und übernahm die 
Koften des Anfangs der von Mil zu veranftaltenden Ausgabe. Feld Tod im Jahre 
1686, als die Ausgabe nur bis Mt 24 gediehen war, fjcheint Mill entmutigt zu haben, 0 
und das Werk erichien erit im Sabre 1707 vierzehn Tage vor feinem eignen Heimgange. 
Mil gab den Tert von Etienne vom Jahre 1550, bi8 auf einunddreißig Stellen, wieder. 
Das Beiwerk aber, namentlich der kritiſche Apparat, mar von einer vorher nicht an⸗ 
näbernd erreichten Ausführlichkeit, und brachte Mills eigene Anficht über den Tert an 
den Stellen, die er nicht gewagt hatte zu ändern. Das Vorwort befprady mit ftaunene- 26 
werter Gelehrfamteit, a) die Bücher des NT und den Kanon, b) die Gejchichte 
des Tertes, und ce) die Art diefer Ausgabe Wie weit Mill feiner Zeit vorausgeeilt 
war, erhellt aus den heftigen Angriffen Daniel Whitbys, der die vielen Lesarten im 
Apparat als eine Gefahr für den Beitand des Tertes erachtete, und aus dem Umitand, 
daß Küſters ergänzter Neudrud der Ausgabe, Amjterdam 1710, immer wieder mit neuen 80 
Titeln, wie Leipzig 1723 und Amſterdam 1746, angeboten wurde. Die Ausgabe Mills 
war die erfte wahrhaft große Ausgabe des griechifchen NT und fteht noch heute vor: 
nehm und beachtensmwert ba. Gafpar Rend Gregory. 


Millennium ſ. d. X. Chiliagmus Bd III ©. 805. 


Milner, Joſeph, geit. 1797 und Iſaak, geft. 1820. — Eine Biographie Joſeph 85 
Milners von feinem Bruder ift der PBredigtiammlung, f. u., vorgedrudt. Life of Isaac Milner 
by Mary Milner, London 1842. Dictionary of National Biographie Bd 38 ©.17 (J. H. 
Overton) u. ©. 9 (3.8. Clark). 


Die durch ihre Kicchengefchichte bekannten Brüder, Joſ. u. Sf. Milner, der erftere 
am 2. Januar 1744, der lettere am 11. Sanuar 1750 geboren, ftammten aus einer un: 40 
bemittelten Familie in Leeds und erhielten ihre Erziehung in der lateinifchen Schule 
ihrer Baterjtadt. Joſeph, von Kind auf kränklich, hatte ſich der befonderen Teilnahme 
und Yürforge feines Lehrers Divore zu erfreuen. Schon in feinem 13. Lebensjahre galt 
er ala ein „gelebrter Junge” und fette durch fein Willen und fein außerordentliches Ge- 
bachtnis die Erwachſenen in Erftaunen. Er war eben zum Abgang auf die Univerfität « 
bereit, als fein Vater, der in Geſchäften Unglüd gehabt hatte, ftarb und feine Familie 
in fümmerlihen Berbältnifjen hinterließ. Doch durch die Bemühungen feines Lehrers 
und einiger einflußreicher Freunde erhielt Joſeph eine Art zreiftelle in Cambridge ale 
Chapelclerk in Satherine-Hall, Iſaak aber wurde als Lehrling in einer Mollfpinnerei unter: 
gebracht. Joſeph ſtudierte fleißig und mit ſolchem Grfolge, daß er die Kanzlersmedaille vo 
für Haffiiche Philologie davontrug (1766). Nun aber waren feine Geldmittel erichöpft, 
fein Freund Moore gejtorben, und es blieb ihm feine andere Mahl, als die Univerfität 
zu verlafien und eine Hilfslehreritelle an einer Schule anzunehmen. Doch nah Kurzem 
wurde er zum Rektor der lateinifchen Schule und Wesperprediger in Hull emannt — ein 
Amt, das er 30 Jahre lang verfah, bis er faft einftunmig von der Stadt Hull zum Über: 56 
pfarrer gewählt wurde. Er ftarb aber nur wenige Mocen nacber am 15. November 
1797. — Auf Kanzel und Katheder zeigte ſich Joſeph Milner ale ein gleich tüchtiger 
Mann. Die vorher vernadhläfligte Schule hob ſich unter ihn zuſehends. Durch fein mufter: 


1 Miluer 


de minder ale durch feine Kennminſe erwarb er ſich die Achtung und 
ln A at icin Andenken durt ein Grabdenkmal in der Hauptkirche zu 
ll ebeten As Prediger war st angnalich tchr beliebt, jo lange er im Geifte der Zeit 
Moraldinien iz In (eieläheft 1m EN der woerlunterrichtete, ungemein unter: 
alteitde Mann gere zReieren Ade⸗ in 7 um daes SET zu — ging eine völlige 
TATORT Suppen DENT Wr wurde vn und Tr SET und zog ſich vom ge: 
ieilen Mark ung Zum bauen SUN em ander Buß⸗ und Enmedung® 
are gun ag die il Ir MUT Nauen Seine bisherigen Ber: 
NT es one ann vremme une Re:rvor Aber Die aeringeren 
" Ren — a Na Avrmiv, wiom Terme amn Amt eines Geritlihen un: 


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>= >= more wur om Nranfenbert geruien und 
u gain an Au win Yo DE Kuren nu2 er Erbauungöftunden, wes⸗ 
FR na enernmninaf X. r:ct vurde. Wenn Milner kurzweg 
un Moos ern owrd Ir ma meet mem als er auf Die damals ver: 

er krasse yg Frozen ze safe, Nas Scurtgewicht auf Buße und Be 
N in eo hmm emo amembartlice Erbauung als bauptſach⸗ 

un R.Snmmn. zen tr mr. ST unterichied ſich aber von den 

apa SAD NT LT J9J Tauben entgegen war, itrena an ben 
Ana ne namen dm —— — nn Simnrefinchentum das Wort redere, ſofern 
US — sreeit vnbe. die Hand der Gläubigen stärke und 
Sr apenerun Sysı men Tee m Setenzums mindere. Religiöte (Semein- 


N nem Nom in end. der Fromme Geiſtliche Ridurdien in 
MATTE ET nie eracniñerte methobiftifche Gheiellichrften. 
Le U ES EEE a Re, Die Die evangeliſche Richtun der 
Soma Mesae om om ne I geinahe a in 
N NETT Srien Umichnung erleben dürfen. Rachdem 

ni SIT genau NEE ertragen müllen, wandten lich Die Yeute 
m ae NN "Leni at ehpirand gewonnen an ben lebendigen evan⸗ 
amd Ta ads Fo bar Milner auch durch einige kleinere 
end Srundlebren au fördern, Angriffe darauf ab: 
rem IT IT winhe Es find bier zu nennen: 1. Die viel: 

a amd 77T see wilatkable passages in the life of William 
wm DOT as weeuat of Christianity considered“, eine tüchtige 
—R Sn Zune ie Met dos berühmten Siltorifers; 3. „Essays 
we don FT as Nantt, ISO, eben kurze Abhandlungen "uber die 
en Mn un N a tens und Rechtfertigung, den Einfluß des 

SINN N ” same 5 Date Sören, ſowie Die Auswahl aus feinen 


ve SONS Be sm allen rbetoriſchen Schmud, eft itilittmi 
Sen aa sid rad beben tm weiten Kreiſen Eingang gefunden 
a m 8 gene liapeser Posen tt Seine Kirchengeſchichte, welche ſein 
Ne yet gms voranaeichickt werben Toll, che über 

\ 8 wand 
SEN TO ge Syn N Span feine lareiniichen und aricchtichen 
\ u e Nee EN N F Schulrehner in Hull geworden, es 
Fe - wor Ne ITZUDNITN Nedendei bereitete er ich umer des 
mn og teiwekitioper on mt ihn 1,,ı alö tea. sizar ıfamulus) 
NEBEN Rs Nenn ee. 8 fzar er zamablid su Den böditen alade 
Nor Noise ont AN WSSTONSSINSD Darauf Tuter und endlich 
un I. u XG N at NT OAUINORDNE sszhiich auf Marbemanf und 
a UN Nase 08 MEN STETTEN. aeleat und Durch mehrere 
x“ ven uni. SUNG ID NT FACH, daß dieie ihn 1780 
> N wen Ne Net N on aN 5 gr Trofefer Der NRatuwiſſen⸗ 
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u X ve: Doeszansı von Garlisle über: 
ν. 2,2 Ne Rredigen in Dir Kathe⸗ 
audio... Dar an Minen wandre fich mit 





Milner 75 


Vorliebe diefem neuen Berufe zu. Er hatte früher fchon neben feinen mathematiichen 
Studien die Theologie nicht vernadhläffigt und mar in der üblichen Stufenfolge der aka⸗ 
demifchen Grade zum Dr. Theol. aufgeitiegen. Mit den FTirchlichen Zeitfragen war er 
vertraut und nahm einen lebendigen Anteil daran, wie unter anderem feine Verteidigung 
der Bibelgejellihaft gegen die Angriffe de® Dr. Marſh zeigt. Seinem Bruder, mit dem 5 
er auf innigite verbunden war und in deſſen Haufe er feine Ferien meijt verbrachte, hatte 
er wohl bauptfächlich feine religiöje Richtung zu verdanken, und wenn aud feine Fröm⸗ 
migfeit nicht die beitimmte Färbung mie bei Joſeph hatte, fo mar er doch je länger je 
mehr mit ihm ein in dem lebendigen Glauben an das Evangelium, und in dem Streben, 
demfelben wieder die Hi nk innerhalb der englischen Kirche zu erringen. Sein Ein- 10 
fluß erſtreckte fich auch auf meite Kreife, da er in den vielfachen Beziehungen zu den 
bedeutenditen Männern feiner Zeit ftand, wie — um nur einen zu nennen — Wilber- 
force, mit dem er befonders befreundet war. Seine allfeitige Bildung, fein anziehendes 
Weſen, frei von aller Angjtlichkeit und Einfeitigleit, zeigte deutlich, daß wahre Frömmig- 
feit möglich ſei auch in einem anderen Gewande ala dem eines engherzigen, abſtoßenden 15 
Methodismus. Unter den Begründern der evangelifchen Partei in der englifchen Kirche 
wird fein Name immer mit Auszeichnung genannt werden. Dr. Milner beichloß fein 
—— langes Leben in dem Hauſe ſeines Freundes Wilberforce in London am 
1. April 1820. 

Das Werk, wodurch die Brüder Milner auch über die Grenzen ihres Vaterlandes 20 
hinaus befannt geworden find, ift ihre Aiechengehchichte („The History of the Church 
of Christ. 1794“ u.}. w.). Joſeph hatte dabei den Hauptantel. Er hat den Plan 
enttoorfen und bis gegen die Reformation bin durchgeführt. Die drei eriten von ihm 
jelbit herausgegebenen Bände reichen bis zur Gefchichte der Waldenjer die er bis zum 
16. Jahrhundert herabgeführt bat. In feinem Nachlaſſe fand ſich das nur teilweife be- 25 
arbeitete Material für die Geſchichte der Vorläufer der Reformation und Luthers. 

aat Milner verarbeitete diefeg und gab 1803 einen 4. Band ber Stirchengeichichte heraus. 

in 5. Band, welcher wohl faſt ganz Iſaaks Merk ift, folgte 1809. Gleichzeitig beforgte 
er eine neue, vielfach verbeſſerte Auflage der eriten Bände. Eine neue vermehrte Ausgabe 
folgte 1816. Milner beabfichtigte eine Fortfegung des Werkes, das er ala die Haupt: so 
aufgabe feines Lebens anjah, fam aber nicht zur Ausführung. Eine neue ebenfall3 ver- 
befierte Auflage bat Dr. Grantham im Jahre 1847 beforgt. Ins Deutfche wurde bie 
Geſchichte von Peter Mortimer 1803 ff. (2. Auflage 1849) überſetzt. 

Joſeph Milner wollte die Kirchengeſchichte vom Standpunkte des praftiich-religiöfen 
Bedürfniſſes aus bearbeiten. Nur ein Verſuch, die Kirchengefchichte in dieſer Weiſe zu 85 
behandeln, war in England feit den Tagen des Martyrologen Foxe gemacht worden, und 
zwar von John Newton in feiner Review of Ecelesiastice History, 1769, ein Wertchen, 
das Milner zuerft ven Gedanken an eine ſolche Arbeit eingab. Über feinen Plan und fein 
Verhältnis zu den übrigen Bearbeitungen der Kirchengefchichte Ipricht ſich Milner in dem 
Vorwort zu dem eriten Bande aus. Er beitimmt zunächit den Begriff der Kirche Chrijti «0 
als „die Succeffion frommer Leute”, d. h. folcher, die ihr Leben nad) den Regeln bes 
Reuen Teſtamentes geitaltet, die die Lehre des Evangeliums geglaubt, fie um ihrer Vor: 
trefflichkeit willen geliebt und alles für Schaden geachtet haben, um Chriftum zu getvinnen, 
wobei es gleichgiltig fei, welcher äußeren Kirchengemeinfchaft fie angehörten. Sie Aufgabe 
der Kirchengeichichte ift demgemäß nichts anderes, ald die Gefchichte diefer Frommen zu 45 

äblen. Alles andere, wie Riten und GCeremonien, Kirchenverfaflfung und äußere Gefchichte, 
igiöfe Kontroverjen, fofern fie nicht Beziehung haben auf das Weſen der Religion 
Chriſti — iſt Nebenfache. Es ergiebt fich von felbit, wie fi von Milners Standpuntte 
aus die Kirchengefchichte geitalten mußte. Was ſonſt den Anhalt der Kirchengefchichte 
ht, tft ihm nur der ferne Hintergrund, aus dem die frommen Perfünlichkeiten als so 
Hauptfiguren bervortreten. Dieje bat er mit großer Sorgfalt gezeichnet und dabei 
nicht bloß ihr Yeben ausführlich befchrieben, ſondern auch viele Auszüge aus ihren Schriften 
gegeben, und fo vielen bejonders für die Erbauung dienenden Stoff zu Tage gefördert, 
der in anderen Kirchengefchichten ſich nicht findet. Den firchenbiftorifchen Stoff teilt er, 
der älteren Methode folgend, nad) Jahrhunderten ein und giebt von jedem eine kurze 55 
Gharakteriſtik. Von einer Periodeneinteilung, die auch von feinem Standpunkte aus 
möglich geweſen wäre, ift Taun eine Spur zu entdeden. Die drei erſten Jahrbunderte 
(Band I) harakterifiert er gar nicht und hebt nur hauptfächlih Nanatius und Gyprian 
bervor, jenen als Märtyrer und Vertreter des urfprünglichen Epiſtopalſyftemo, daß er in 
Uſſhers Reduced Episcopacy am richtigſten dargeſtellt ſieht, dieſen als einen Stern oo 


76 Milner 


eriter Größe, in deſſen Geichichte er nach langem Suchen nad chriftlicher Vortrefflichkeit 
einen Nuhepunft findet. ;zür die Bedeutung Tertullians und der Alerandriner bat er 
fein Verftändnis. Auch bei den 4. und 5. Jahrhundert (Band ID) iſt es ibm „ſchwer, 
eine zufammenbängende Anjhauung aus dem firchenbiftorifchen Material zu gewinnen“. 
8 Er jtellt einfach die michtigften Erjcheinungen nebeneinander. Die Stellung der Kirche 
unter den Schuß des Staates giebt ibm Anlaß zu einer eingehenden Erörterung der 
Vorteile und Nachteile des Staatsfirchentums, mas zum Beiten gehört, das er gejchrieben, 
und ihm viele Angriffe, namentlih von dem Presbnterianer Dr. Haweis (gegen den 
Iſaak Milner ſpäter jchrieb) zugezogen bat. Sehr ausführlih iſt der arianiſche Streit 
10 behandelt, wobei die Arianer übel wegkommen. — Iſt für die vier erften Jahrhunderte eine 
Periodeneinteilung nicht verfucht worden, jo fcheint doch das fünfte als epochemachend 
bervortreten zu follen. Denn in diefem, wird gejagt, ift eine neue Geiftesausgießung, 
befonders in Auguftin, zu gemahren. Um deifen Berfon gruppiert ſich das Meiſte, mas 
in diefem Jahrhundert zu berichten iſt. Reiche Auszüge werden aus feinen Confessiones 
ı5 und der Civitas Dei gegeben, woran fich ein Überblid über feine anderen Werke und 
eine kurze Abhandlung über feine Theologie anschließt. Auch der pelagianifche Streit 
wird ausführlich behandelt, aber die großen Konzilten find kaum berührt. — Dieſer zweite 
Band ift ohne Frage am fleißigften und tüchtigjten bearbeitet. Der dritte Band umfaßt 
die acht Jahrhunderte vom jechiten bis zum dreizehnten. Tiefe Zeit nennt Milner „die 
20 dunkle Periode, in der faun noch die Umriſſe der Kirche Chriſti zu fehen find”. Das 
Jahr 727 macht einen Einjchnitt in diefe Periode, denn in demſelben kommt der Antt- 
hrilt zur Reife. Won da an bie etwa 2000 n. Chr. berricht das Tier aus dem Ab- 
grund und mweisfagen die zwei Zeugen 1260 Jahre. Die wahre Kirche ift (in jenen 
acht Jahrhunderten) nur noch in der Heidenmiffion und in einzelnen PBerfonen, tie 
26 Anjelm, Bernhard von Clamvaur und in den Waldenſern zu finden. it beſonderer 
Liebe verweilt der Verfaffer bei Bernhard, aus deifen Schriften viele mitgeteilt wird. 
Ausführlih it die Gefchichte der Waldenſer bejchrieben und über die Grenzen des 
13. Nahrbunderts hinaus bis zur Reformation fortgeführt. — Mit den Vorläufern der 
Reformation beichäftigt fi im Anſchluß an die Waldenſergeſchichte der vierte Band, den 
80 Iſaak Milner mit Zufägen und Verbeſſerungen aus feines Bruder? Nachlaß heraus 
gegeben bat. Hier finden Großtefte, Bifchof von Yincoln, und Thomas Bradiwardina, 
Erzbiſchof von Canterbury, ihre Stelle; auch Weſſel, Savonarola und Thomas a Kempis. 
Am fleigigiten behandelt aber find MWichf und die XZollarden (jo weit dies bei den da⸗ 
maligen fpärliben Mitteln möglih war), Huß und die Huffiten. Die Gefchichte Luthers 
85 und der deutichen Neformation bis zum Reichstag zu Worms füllt den Reſt vieles 
Bandes, und die Fortfegung dieſer Gefchichte bis zum Reichstag in Augsburg den fünften, 
der faft ganz Iſaaks Werk ift. Nur die Umriſſe und Grundgedanken zu diefer Gefchichte 
rübren von Joſeph ber. Einen gründlicheren Kemer und begeifterteren Lobredner Luthers 
als Iſaak gab es bis dahin in England nicht. Beide Brüder haben das Verdienſt, Die 
0 Bedeutung Yutbers und der deutſchen Reformation zum erftenmal bei ihren Yandsleuten 
zur Geltung gebracht zu haben. War cs in jener Zeit gewöhnlich, die Reformation aus 
politiihen und anderen ſekundären Gründen zu erflären, fo faben fte den Finger Gottes 
m jedem Zchritt der Reformation, in Yutbers Perſon und Werl das Walten des 
bl. Geiſtes, der zunächſt dieſen Mann zu einer neuen Kreatur in Chriſto Jeſu um- 
65 geichaffen und fo zu einem auserwählten Rüſtzeug gemacht babe, um nad) taufendjähriger 
Berdunfelung das große Prinzip der Nechtfertigung durch den Glauben wieder zur Gel: 
tung zu bringen. Und neidlos erfannten fie, daß die Reformation außerhalb Deutſchlands 
aus dem von Yutber ausftrömenden Yichte berzuleiten fei. 
Eine wiſſenſchaftliche Bedeutung wird man dieſer Kirchengefehichte jo wenig zus 
50 Schreiben wollen, als eine ſolche von ihren Verfaſſern beabfichtigt war. Hiſtoriſche Kritik 
und Quellenforſchung tt in dem Werke nicht zu juchen, obwohl anerfannt werden muß, 
daß befonders bei jonit vernachläjligten Partien der Geſchichte häufig aus den Uuellen 
geicböpft wird. Am meiſten fünnte man — abgefeben von manchen Ungenauigfeiten be 
fonders in den früberen Musgaben - den zu Grunde gelegten einjeitigen Begriff der 
65 Kirchengeſchichte anfechten, der nicht bloß wichtige Entwidelungemomente der Gefchichte 
als unweſentlich auf Die Seite ſchiebt, fondern eine hiſtoriſche Entmwidelung überhaupt gar 
nicht zuläßt. Toc genau genommen, wollten die Verfaſſer nur chriftliche Lebensbilder in 
geſchichtlichen Rahmen geben. Und fo betrachtet, läßt ich gegen Plan und Ausführung 
des Werkes nichts eimvenden. Tie damalige Zeit nahm eine feindliche Stellung gegen 
co das Ghriftentum ein, jab von der Höbe der jelbjtgenugfamen Aufllärung mitleidig auf 


Milner Miltiades 77 


den berglauben früherer Jahrhunderte herab, die Gefchichte wurde häufig nach ab: 
jtraften Theorien oder zu Parteiziweden konſtruiert. Da baben die Milner der Kirche 
einen großen Dienſt damit geleijtet, daß ſie die Kraft des Ghriftentums in den großen 
Kirchenmännern und frommen Ghriften der Vorzeit nachwieſen und diejelben in fchlichter, 
aber lebendiger Erzählung, jo wie fie waren, der Gegenwart zur Beichämung und Nach: 5 
abmung vorführten. Indem fie jo das chriftliche Leben zur Darftellung bradıten, haben 
fie eine Lücke in der Kirchengefchichte ausgefüllt und find einem vielfach gefühlten Be 
dürfnis entgegengelommen. “Daher auch diefe KKirchengejchichte in England und Deutſch⸗ 
land in meiten Kreifen mit großem Beifall aufgenommen worden ift. Lange blieb fie die 
einzige populäre Kirchengejchichte vom religiöfen Standpunfte aus, big ein deutjcher Meiſter 10 
in demjelben Geiſte, aber nach einem moiljenjchaftlihen und unfafjenderen Plane den 


firchengefchichtlichen- Stoff bearbeitete. C. Schoell r. 


Miltiades. — Der unbelannte, Heinaftatiiche, antimontaniſtiſche Schriftiteller, aus 
deflen im Jahre 192 (193) verfaßten Werk Eufebius (h. e. V, 16f.) Auszüge mitgeteilt 
bat, citiert unter anderem eine montanijtiiche Schrift, welche gegen ein Syngramma „des 16 
Bruders Miltiades” gerichtet war. Das Thema dieſes Syngramma fcheint der Sab ge: 
weſen zu fein, daß ein Prophet nicht in Efitaje fprechen dürfe; mehr erfahren wir nicht: 
denn das, was auf h. e. V, 17, 1 folgt, iſt nicht aus der Schrift des Miltiades ge- 
nommen. In dem fog. „Leinen Labyrinth” gegen die Artemoniten (Erzerpte bei Eufeb. 
h. e. V, 28) beruft jich der römische Verfaſſer (Hippolyt?) auf Zeugen Kir die Gottheit 20 
Chriſti (v. 4) mie folgt: „Es find aber auch noch von einigen Brüdern Schriften vor- 
banden, die älter find als die Zeiten des Victor, welche dieſe gegen die Heiden zur Ver: 
teidigung der Wahrheit und gegen die damaligen Härefien gejchrieben haben, nämlich von 
Juſtinus, Miltiades, Tatianus, Clemens und mehreren anderen, in welchen allen Chriſtus 
Gott genannt wird” (Beoloyeitaı 6 Xoworös). Endlich, ebenfalls am Anfang des 3. Jahr: 26 
bunderts, hat der Carthaginienjer Tertullian (adv. Valentin. 5), wo er von feinen Vor: 
gängern in der Beitreitung der Valentinianer und ihren instructissima volumina be- 
richtet, folgende aufgeführt: „ut Justinus, philosophus et martyr, ut Miltiades, 
ecelesiarum sophista, ut Irenaeus, omnium doctrinarum curiosissimus explo- 
rator, ut Proculus noster, virginis senectae et christianae eloquentiae digni- 80 
tas“. — Aus diefen Stellen läßt ſich entnehmen, daß Miltiades, ein chriftianifierter Phi: 
Iofopb wie Juftin, ein Zeitgenofje Tatians, wahrſcheinlich Kleinafiat, fih um 160 oder 
170 (man beachte, daß ihn ſowohl der römiſche Schriftiteller als Tertullian auf Juſtin 
folgen läßt) durch verſchiedene Schriften ſowohl gegen die Heiden und Keßer, als auch 
(im Beginn des montaniftifchen Streits) ald Antimontanift in der ganzen Kirche einen 85 
Namen gemacht hat. Die eine Notiz, die uns der Unbefannte überliefert hat, Miltiades 
babe den Sat verteidigt, daß der Prophet nicht in der Efitafe fprechen dürfe, fichert dem 
M. ein bleibendes Andenken in der Kirchengefchichte; denn, foviel wir wiſſen, iſt Miltiades 
der erſte, der in der Heidenkirche diefen Sag aufgeftellt hat; noch Juftin und Athenagoras 

ten darüber andere. Miltiades muß aljo ganz vornehmlich zu den neuen Theologen «0 
gebört haben, welche den großen Umfchwung in den kirchlichen Anjchauungen, wie der: 
jelbe durch den Ausgang des jog. montaniſtiſchen Streites bezeichnet tft, vollziehen halfen, 
und auch feine chriftologifchen Sätze erfchienen dem jpäteren Gejchlecht gegenüber der by- 
namiftiichen Anſchauung von dem Walten Gottes in Jeſu noch wertvoll. Wenn Tertullian 
ibn „ecclesiarum sophista“ nennt, jo ift dies feinesfalls lediglich gleih philosophus 46 
oder rhetor, oder foll nur den stilus elegantior bezeichnen; ift doch felbjt im Munde 
Lucians und Mare Aureld gowıorns ein übles Wort (j. Peregr. Prot. ce. 13. 32, und 
Bernays Abbandl. dazu [1879] ©. 109; M. Aurel, Meditat. I, 7, auch Tatian. Orat. 
12. 35. 40; Justin, Apol. I, 14; dagegen Rhode, D. grieh. Roman ©. 293f.). Die 
Rachweifungen, die Dtto auf Grund älterer Unterjuchungen (Corp. Apol. VI, 137 sqq.; so 
IX, 3658qgq.) gegeben hat, verfchlagen nichts. Gewiß ift zu feiner Zeit oopaorijc ein 
eigentliches Schmähwort geweſen; aber im Munde eines Tertullian fowohl wie in dem 
Lucians und Tatians (ec. 35), den Verächtern deſſen, was damals Philoſophie war, hat es 
doch einen üblen Nebengejchmad, wenn auch trogdem Tertullian den Miltiades unter die „viri 
sanctitate et praestantia insignes“ einrechnet. Um der antimontaniftiichen Polemik 55 
des M. willen bat Tertullian den Ausdrud gewählt (f. den Gegenſatz in den dem Pro— 
culus geſpendeten Prädikaten; auch dad „ecelesiarum“ dort und das „noster“ hier ſt 
nicht zu überſehen); er jagt es ja ausdrücklich (adv. Marc. IV, 20), daß über die Ei: 
fafe zwiſchen Pſychikern und Montaniſten geftritten werde. Die Polemik gegen das Buch 


78 Miltiades Milten 


des Miltiades, welche kleinaſiatiſche Montaniften begannen, wird er in feiner großen Schrift 
de eostasi fortgefegt baben, in welcher er fich auch mit Zleinafiatifchen Theologen nad 
dem uns aufbebaltenen Fragment auseinandergejegt hat. Euſebius (h. e. V, 17, 5) at 
der legte, der von Miltiades berichtet (er bat Bücher von ihm in Händen gehabt): „MR. 

6 bat uns auch noch andere Denkmäler feines Fleißes zeol Ta Yeia Adyıa binterlaflen, 
jofern er ſowohl an die Griechen als an Juden Schriften verfaßte und jeder der beiden 
Anjchauungen eigens in zwei Büchern begegnete. Dazu bat er auch eine Apologie os 
Tobg xoowxovs Aäpyovras für die Philoſophie, zu welcher er fich bekannte (f. zu 
dieſem Ausdrud Tatıan c.31. 35; Melito bei Euseb. h. e. IV, 26, 7 etec.), ber t“. 

w Unter den doyovres find nicht mit Valeſius die Provinzial-Statthalter, ſondern mit Otto 
(l. ec. IX, 367 8q.) die Kaifer zu verftehen, d. b. aljo entweder Pius und Marc Aurel 
oder diefer und Lucius Verus (geft. 170) oder — doch unwahrſcheinlich — M. Aurel 
und Commodus. Die Schrift mit der ſyriſchen pfeudomelitonifchen Apologie zu identi- 
fizieren (Seeberg i. d. Forſch. Zahns V, S. 237 ff.) iſt durch den Charakter dieſer Apo⸗ 

15 logie ausgeichloffen, jo nahe der Schreibfehler „Melito” für „Miltiades” liegt und ob- 
gleich der Ausdrud „Philoſoph“ jehr wohl zu Miltiades paßt. Die Schriften, die noch 
zu Eufebius Zeiten vorhanden waren, find verloren gegangen; mir erfahren nicht, daß 
jemand nach Eufebius fie eingefeben hat. Hieron. de vir. ill. 39 und ep. ad Magnum 
70 (84) fommt nidt in Betracht. Miltiades war wie Melito, jein Zeitgenofje, Apologet 

3” und Polemiker zugleihb. Daß er in einer bejonderen Schrift, die Eujebius nicht gekannt 
bat, die Gnoftifer (Valentinianer) widerlegt hat, iſt ſehr wahrſcheinlich. Schließlich fei 
erwähnt, daß in dem Mlurator. Fragment ein undeutlicher Name vorkommt, in welchem 
einen „Miltiades” ji erfennen nahe liegt, und daß Richardſon die Hypotheſe angefündigt 
bat, in der pſeudoclementiſchen Litteratur ſeien vier Werte des Miltiades benust. 

26 Adolf Haruad. 


Miltiades Bapft |. d. U. Melchiades Bd XII ©. 548. 


Milton, John, get. 1674. — Litteratur: M.s Werke in Boefie und Proſa in 
vielen englijhen Ausgaben, die doctrina christiana aud) Braunſchg. 1827. Die wichtigſten 
poetiihen Werte über‘ von Schumann (Stuttg. Cotta), Zachariae (Stuttg. Speemann), Bürbe 

80 (Biblioth. d. Gejamtlitt. des Auslands) und ganz bei. Böttdher (Leipz. Reclam). Einige pro= 
faijche überj. von Bernhardy (Leipz. Koſchny 1877), Auszüge von Weber. eine pä age 
ihen 1. 3. B. Meyer, M.3 püdagog. Schr. und Aeußerungen (Langenjalza, Beyer, 1890) 
und D. Joſ. Reber, M.S of education, engl. und deutih mit Einleitung u. Erklär. (Aſchaffen⸗ 
burg, Krebs 1893). 

85 Zur Biographie: Engl. Hauptw. Majjon, The Life of J. M. (Cambr. von 1859 an), 
außerdem Knigtley, Macaulay, Fletcher 2c. In Deutſchland: R. Pauli, Aufſätze z. engl. Geſch., 
Leipz. 1869, S. 348; H. v. Treitſchke, Hiſtor. und polit. Aufſ., Lpz. 1865, L, & 69: LXiebert, 
J. M., Hand. 1860; D. ©. Weber, Zur Gef. d. Reform. Zeitalterd, Lpz. 1874, ©. 398; 
Wülker, Geſch. d. Engl. Litter., Leipz. u. Wien 1896. Hauptw.: A. Stern, J. M. unb feine 

40 Zeit, Lpz. 1877579; 3. M.s Theologie, der Unterz. in ThStKe 1879, ©..705. 


John Milton ift zu Yondon den 9. Dezember 1608 geboren und dafelbit den 8. No- 
vernber 1674 gejtorben. Sein Vater, John Milton, Notar, einer ftreng katholifchen, ur: 
Iprünglich vielleicht adeligen ;yamilie von Orfordſhire entjtammend, war in feiner Jugend 
nad London ausgewandert und zum Proteftantismus übergetreten. In feinem puritanifch 

45 ſtrengen, doch auch den Künſten, befonders der Mufif offenftehenden Haufe wuchs der 
zarte, frübreife Knabe mit einer älteren Schweiter (nachher verehelichten Philips) und 
einem jüngeren Bruder (Chrijtof, der, fpäter Notar und royaliftiich gejinnt, unter König 
Jakob II. fogar zum Katholicismus übergetreten fein joll) unter der Pflege einer treffe: 
lihen Mutter beran. Den eriten Unterricht erbielt M. durch Hauslehrer (darunter der 

co Später befannt gewordene presbyterianiſche Geiftlihe Thomas Young). Nachdem er unter 
Führung von Alerander Gill, Vater und Sohn, mit legterem befreundet, die St. Pauls⸗ 
ſchule in London bejucht und dort fchon in anhaltenden, auch nächtlihem Studium, den 
Grund zu feiner ausgebreiteten, gründlichen Kenntnis des klaſſiſchen Altertums, aber auch 
zu jeiner fpäteren Erblindung gelegt batte, wurde er am 12. Februar 1625 Mitglied des 

65 Christ-college in Cambridge. Obgleich wenig von der herrſchenden Lehrart befriedigt 
und dadurch einmal in einen ernitlicheren Konflikt gebracht, der eine kurze Verbannung 
(rustication) zur Folge hatte, vollendete er bier doch feine Studien und wurde 1632 
magister artium. Seine erjten poctifchen Verſuche und die feinen Proſa-Werken eins 
verleibten prolusiones oratoriae aus diefer Periode zeigen ſchon den hohen fittlichen 


Milton 79 


Ernft, die warme, innige Frömmigkeit, den freien, unbeugjamen Sinn, der, von der Wahr: 
beit erfüllt, nie nad) den Menſchen fragt, fondern fich ftet3 nur vor Gottes ngejicht ge: 
ftellt fühlt, wie ihn M. fein ganzes Leben hindurch, fich ſelbſt ſtets treu, feitgehalten hat. 
Dabei ift fein Geiſt der Scholaftit und ihrem Formelkram abgeneigt und, der Anregung 
Bacos folgend, mehr zur Natur: und Gejchichtöbetrachtung geneigt. Unter den Philo- 6 
fopben iſt Plato fein Liebling. — Urſprünglich zum geiftlichen Amt bejtimmt, kann er 
fih nicht dazu entjchließen, ein ſolches anzutreten (j. Laud und deſſen Beitrebungen). 
Ich zog ein tadellojes Schweigen dem hl. Amt des Redens vor, das nur durd Knecht: 
ſchaft und einen faljchen Eid erfauft werden konnte”. Auch fein Vater drängte nicht, 
iondern gewährte ihm auf feinem Landgute Horton bei Yondon eine jechsjährige Ferienzeit, 
die mit eifrigen Studien, befonders audy der neueren Sprachen und Yitteraturen, der Ge- 
Ihichte und Mathematik, mit den Freuden des Landlebens und der Mufif ausgefüllt 
wurde. Hier entitanden die eriten bedeutenderen poetifchen Arbeiten, ganz bejonders 
l’Allegro und il Penseroso, die Arkadier, Comus, Lycidas 2c., die zwar noch von fremden 
Vorbildern abhängig find, aber überall den ftreng Sittlichen Geiſt der Puritaner atmen. 16 
Vom Frühjahre 1638 bis Wlitte 1639 fällt eine Studienreife durch Frankreich nad Italien 
mit längerem Aufenthalt in Florenz, Rom, Neapel, Genf. Unter den bedeutenden Män: 
nern, mit denen er in perfönliche $erübrung trat, waren Grotius, Galilei, Holiteniug, 
Kardinal Barberini, Manfo. Neben den Triumphen, die ibm fein Dichtergenius brachte, 
brachte ibm zugleich feine freimütige Ausfprache über religiöfe Dinge einige Gefahr. Zu: 20 
üdgelehrt, ließ er fich in Xondon nieder, wo er fich, erfüllt von weitgehenden dichterifchen 
ürfen, neuen Studien und der Erziehung und dem Unterricht feiner beiden Neffen 
und anderer junger Xeute widmete. Die Streitigkeiten der Episkopaliſten und Vresbhte- 
rianer veranlaßten ihn, 1641 und 42 in einer Reihe von Schriften (Über Reformation 
in England, das Prälaten-Biſchoftum, das Weſen des Kirchenregiments, Bemerkungen auf 26 
die Verteidigung des Remonftranten gegen Smectymnus, Apologie für Smectymnus) die 
Anfprüche der erfteren auf Grund der Ausfprüche der hl. Schrift und der Thatjachen der 
Geſchichte zu unterfucdhen. Die Presbyterianer find ihm hier mehr die unterdrüdte Partei, 
bei der er die gefunderen Ideen über das Kirchenregiment findet, als bei den verhaßten 
Gegnern, die ibre Macht nicht zur Förderung des Reiches Gottes angewendet, die Ph 30 
vielmehr durch ihren Grundfaß no bishop no king ganz in den Dienft des königlichen 
Abjolutismus begeben und dadurch, ſowie durch ihre Betonung der Geremonien, den drin- 
genden Verdacht, den Katholicismus zurüdführen zu mollen, auf fih geladen hatten. Mit 
einer überlegenen Derebjamteit, einer genauen Kenntnis des firchlichen Altertums, ver: 
bunden mit einer umfichtigen Kritil, aber auch mit oft beigendem Spott und allen zu 35 
feiner Zeit in ſolchen Streitigkeiten üblichen Derbbeiten, geht er feinen Gegnern zu Yeibe. 
Dabei tritt dem Leſer überall das Pathos des von feiner Sache ganz erfüllten und mit 
der ganzen Perſon dafür eintretenden Verfaſſers wohlthuend entgegen und macht das Auf: 
begreiflich, das dieſe wie die fpäteren Streitichriften Miltons erregten. — 1643 von 
einer Erbolungsreife mit Mary, der Tochter eines royaliſtiſchen Friedensrichters Powell 40 
in Orfordſhire, verheiratet zurüdgefehrt, mußte er ſchon nad) vierwöchentlicher Ehe die Er- 
fahrung machen, daß feine lebensluftige rau, der e8 in dem Haufe des Gelehrten zu 
enge geiworben ar, von einem Befuche bei ihren Eltern, trog wiederholter Aufforderung, 
nicht mehr zurückkehrte. Das veranlaßte M., ihr einfach einen Scheidebrief zuzufchiden 
und in mehreren, a" Teil umfangreihen Schriften (die Lehre und Übung der Eheſchei⸗ «s 
dung, das Urteil M. Bubers über die Eheicheidung, Tetrachordon und Golafterion) in 
den Jahren 1644 und 1645 das englifche Eherecht anzugreifen, das wie das Kirchen: 
tegiment im tmejentlichen unverändert aus der katholiſchen Kirche beibehalten worden mar 
und die Scheibung bloß im Falle des Ehebruchs zugab. Ohne bier, wie er es auch fchon 
in Bezug auf das Stirchenregiment gethan hatte, mit pofitiven für den Juriften und Poli= so 
tiler brauchbaren Vorſchlägen berborzutreten, beſchränkte fih M. auf den Nachweis, daß 
noch der Schrift die Scheidung auch dann erlaubt jei, wenn zwei Charaktere durchaus 
nicht zufammenpaßten, zumal wenn ihre Ehe kinderlos ſei. Der Grundfaß, von dem er 
aueging, war ber, daß ber Endzweck der Ebe die ebeliche Liebe fer, von der er ein hobes 
md reines Bild entwirft, nicht aber das Ebebett. Die Ordnung der Sache bei den übrigen 55 
teformierten Kirchen und unter den Neformatoren ganz beſonders die Autorität des in 
England belannten und angejebenen Buger müjjen ibm feine Anfichten ftügen helfen, mit 
denen er jedoch nur erreichte, daß fich die Presbyterianer einmütig gegen ibn mandten 
und daß man die Vertreter einer leichtfertigen Scheidung Miltoniften nannte — Aus 
dem Verkehr mit Hartlib und Commenius entjtand 1644 M.s kurze Schrift über Er: 60 


er 


0 









eine Schrift: 
ua henfe bie Sa der —* 
e 
arz 1549 in ben d 
ichte er e nicht nur jeine gewaltigen i 
tung bes ‚ 1649 feinen — —— 
eine defensio pro populo anglicano gegen Claudius 
15 jeine defensio — — und defensio pro se (leßtere verfönlich gegen Fr Morus und 

Hurd Bun. bon ebaltenen Irrtu ım 
Berfafle ——— ner ee mit denen 


ibm alı des engli 

annahm. — an Sc 
leidend, — Sal das 
PN) hen Sri —— ie nr pi BEE Augenlicht gefoftet. 
bis * Fr ka Ga Sen gegen Die —— — war Beh am * 


üb ‚ wurde er d ein! 
25 einflukeeicer “ a Haft She Amen nicht ——— und 
erg en 
bejucht, heiter Verkehr, = 
end, den Tag mit dem &hıbium ver | bl. Schrift Asien, de de 


Arbeiten. Di eit vollendete j 
30 Eee gie — ale ah = —— 1665, — Bien 


jüng Th. Ellwood, ob er denn blo 
dem verlorenen Paradieſe zu fingen habe, veranlaßte ihn, jein es 6 je: 


35 jtaurationszeit, das Gefühl der äußeren ilflofigteit bei — —— ——* 
innerer Kraft klingen in ſeinem 1671 efchienenen, ber antifen Tragödie nachgebildeten 
Simson agonistes wieder. — Abgejeben von anderen wiljenjchaftlichen Arbeiten ne 
Periode, einer quellenmäßigen Gedichte Englands (im deren 3. Bd zu Anfang er 
über die Urſachen des Miplingens der Nevolution —— einer lateiniſchen Gram— 

40 matik und umfaſſender lexikaliſcher Arbeiten für einen Thesaurus ling. lat., der Heraus— 
gabe der Logik und bes Lebens des Ramus einer Beichreibunn Rußlands 5** die⸗ 
* die reifſten Früchte ſeiner Theologie. Die 1659 veröffentlichten kurzen, ——— 
reichen Schriften über ſtaatliche Gewalt in kirchlichen Dingen und über bie beiten 
die Mietlinge von der Kirche fern zu balten, treten in der Weife von Noger Williams 

45 für eine ftrenge Scheidung der ftaatlidyen und kirchlichen Intereſſen ein. In jener Schrift 
weit er die S Verwerflichteit jedes Zwanges in kirchlichen Dingen nad, in dieſer tritt er 
für die volle Freiwilligkeit im Verhältnis von Geiftlihen und Gemeinden ein. Auf 
demjelben Standpunkt jteht die 1673 gedrudte Schrift über die wahre Religion. Wer 
42 ohne blindlings anderen zu fol en, allein an Gottes Wort bält, bat Die wahre 

so Religion. Mer fie nicht aus der vift nimmt, iſt eim Häretiker, wer bem Lehrer 
höher hält ald den Glauben, ein Schismatiker. Jeder Protejtant hat daher Duldung zu 
beanfpruchen; nicht jo der Katholik, deſſen Reli rg eine andere Art Götzendienſt und em 
Vorwand zur Erlangung weltlicher Gewalt i s Eigenart zeigt am beiten jeine offenbar 
nach jeinem Tode als ftaatsgefäbrlih und — mit Beſchlag belegte und hend; 

66 —— wieder aufgefundene doetrina christiana. Sein Glaubensbegriff iſt ein durchaus 
F er und individueller. Er erwächſt aus der hl. Schrift durch die binzufommenbe 

eu⸗ tung durch den hl. Geiſt. Er iſt nicht am menſchliche Traditionen gebunden und 

—* nen jo frei gegenüber, wie M. fein Leben hindurch den übrigen Gebilden der Ge 
ſchichte in Staat und Kirche gegenübergeftanden bat. Es ift daher nicht zu verwundern, 
so daß M. in Bezug auf die Trinität, die Homouſie Ehrifti, die Perfönlichkeit des hl. Geiftes, 


Milton Minden | 81 


die Prädeſtination, Schöpfung der Welt 2c., ebenſo feine eigenen Wege geht, die ihn oft, 
icheinbar wenigſtens, mit den Unitariern, Arianern, Arminianern u. a. zufammenführen, mie 
er in Bezug auf minder. Wichtiges, wie z.B. die Lehre von der Ehe und ihrer Köfung, der 
Kindertaufe, Sabbathfeier 2c. feine Püdticht auf die rezipterten Anfichten nimmt. Es ift 
ihm dabei nicht um Abfafjung einer im modernen Sinn mifjenfchaftlichen Glaubenslehre 5 
und eine erfenntntismäßige Durchdringung des Stoffes zu thun, fondern nur um die Dar: 
ftellung der deutlichen und für jedermann faßlichen Schriftlehre. Schwierigkeiten des Schrift- 
worts werden dabei nicht nur durch eine jorgfältige Kritik. des Textes, jondern auch durch 
eine oft überrafchende und kühne, oft auch ſophiſtiſche Exegeſe zu heben gefucht. Hilft fie 
nicht zu voller Klarheit, fo begnügt ſich M. damit, nicht mehr wiſſen zu mollen, als Gott 10 
u offenbaren für gut befunden hat. In feiner Abneigung gegen die Scholaftif, in der 
itreng bibliichen und doch freifinnigen Gläubigfeit, in der religiöjen Wärme und Innig- 
feit, die fich der kirchlichen Autorität gegenüberftellt, die, ſtreng gegen fich ſelbſt, es doch 
veritebt, tweitherzig und duldſam gegen Die Überzeugungen anderer zu fein, in der Ver: 
bindung der religiöfen und ſittlichen Intereſſen, der Glaubens- und der Sittenlehre, ft 15 
M. ganz entichieden ein Vorbote und Prophet der neuen Zeit. Er iſt proteftantifcher 
Individualift und Idealiſt. Darin liegt feine Größe und feine Schwäche. Darin ift er 
topisch für die Periode der Revolution, der er jeine beften Kräfte gewidmet, ja fich felbft 
geopfert bat. — Bon feinem Leben fei noch bemerkt, daß er Mary Powell, als fie nad) 
längerer Trennung ihn darum bat, verzieh, daß er nach ihrem 1652 erfolgten Tode Ende zu 
1656 in eine zweite, glüdliche aber furze Ehe mit Katharina Woopdftod trat und auf 
Drängen feiner Freunde 1663 in eine dritte mit Eliſabeth Minfhul. Seine Kinder, drei 
Töchter eriter Ehe (ein Eohn Johann war früh geftorben), gaben ihm manchen Anlaß 
zur Beſchwerde. Gichtleiden führten feinen Tod herbei. R. Eibach. 


Minder ſ. d. A. Arabien Bob I ©. 766, 54ff. 26 


Minden, Bistum. — H. W. Erhard, Regesta hist. Westfaliae, acc. cod. diplom. 
Bd I u. II, Münfter 1847 u. 1851 (Urt. bis 1200); Weftfal. UB. Bd VI bearbeitet von 
H. Hoogeweg, Münfter 1898 (Urft. v. 1201-1300); Series episc.. Mind. MG SS XIII, 
©. 289; Nettberg, KG. Deutſchl.s, Bd II, 1848 ©. 446; A. Haud, KG.Deutſchl.s, Bd IT, 
2. Aufl.. 1900 ©. 390; % N. X. Holſcher, Bejchreibung des vormaligen Bistums Minden m 
nah |. Grenzen, Archidiakonaten, Gauen und alten Gerichten, Müniter 1877; Eubel, Hierar- 
chia cathol. med. aevi, 2 Bde, Münſter 1898 u. 1901. 


Das Bistum Minden gehört zu den ſchon im 8. Jahrhundert organifierten ſäch— 
Aieen Bistümern. Denn fein erfter Bischof Hercumbert oder Ercambert iſt aller Wahr: 
ſcheinlichkeit nach identisch mit dem Ercanperachtes episcopus, der unter Abt Baugulf ss 
:9— 802 eine Fuldiſche Urkunde, die wahrfcheinlih in das Jahr 796 gehört, unter- 

ichnete (Dronte, c. d. Fuld. ©. 76 Wr. 132 ff.; vgl. Trad. Fuld. ©. 97 e. 41, 31: 

rkanbertus eps de saxonia). Bielleiht war er urfprünglib Mönch in Fulda, 
wurde dann Leiter der fuldifchen Miffion in Sachſen und trat fchließlich als Biſchof 
an die Spibe der neugegründeten Mindener Diöcefe. Sie lag im Lande der Engern, «0 
auf beiden Seiten der Weſer; die Dit: und Meftgrenze fielen mit der Stammesgrenze 
gegen die Oſt- und Weſtfalen zufammen; die Südgrenze bildete eine Linie, die wenig 
nördlich von Herford begann und im Norden von Korvey die Mefer überfchritt. Im 
Rorden lief die Grenze links der Wefer auf der Mafferfcheide zwifchen den ſüdwärts zur 
Aue und nordwärts zur Weſer flickenden Bächen, rechts der Weſer reichte das Bistum 46 
Bremen in einem jchmalen Streifen bedeutend mweiter am Strom nad) Süden, tmährend 
nah Nordoſten bin die Didcefe Minden fich bis zur Lüneburger Heide erjtredte. Seit der 
Errichtung des Kölner Erzbistums gehörte das Bistum Minden zu diefem. | 

Bifchöfe: Hercumbert, Haduwart, geit. 853, Thiadrich yefällen 880, Wulfar ge 
tallen 886, Drogo 887—902, Adalbert geit. 905, Bernhar geft. 913, Liuthar geſt. 927, 60 
Evergis geit. 950, Helmmward geit. 958, Yantivard geit. 969, Milo geit. 996, Ramward 
geft. 1002, Thiedrich geft. 1022, Sigibert geſt. 1036, Brun 1037—1055, Egilbert geit. 
1080, Bolcmar ermordet 1095, Udalrich geit. 1097, Widelo geit. 1120, Sigeward gelt. 
1140, Heinrih 1140—1153, Wernher 1153—1170, Anno v. Blankenburg geſt. 1185, 
Thietmar 1185— 1206, Heinrih 1206--1209, Konrad v. Diepholz 1209— 1236, Wil-⸗ 56 
beim 1237 oder 1238—1242, Johann dv. Diepholz 1242 —1253, Wedekind von Hoya 
1253— 1261, Kuno v. Diepholz; 1261—1266, Otto dv. Stendal 1267--1275, Volcwin 
b. Schwalenberg 1275— 1293, Konrad v. MWardenberg 1293— 1295, Ludolf v. Rostorf 

Real:Encyllopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIll 6 


82 Minden Minucins 


1295— 1304, Gottfried v. Waldeck 1304—1324, Ludwig dv. Braunſchweig 1324—1346, 
Gerhard v. Schauenburg 1347—1353, Dietrih Kagelwit 1353—1361, Gerhard 
v. Schauenburg 1362—1366, Otto v. Wettin 1368, Wedekind v. d. Berge 1369— 1398, 
Markward v. Randeck 1398, Wilbelm v. Büfchen 1398— 1402, Otto v. Nietberg 1403 
6 bis 1406, Wulbrand von Hallernunde 1407—1436, Alber v. Hoya 1437— 1473, Hein: 
rih v. Echauenburg 1473— 1508, Franz v. Braunfchweig 1508—1529. Hand. 


Minimen ſ. d. U. Franz von Paula Bd VI ©. 223. 
Minoriten |. d. A. Franz von Affifi Bd VI ©. 197. 


Minucius Felix, Marcus, Advokat in Rom im 2. Jahrhundert nad Chrifti Geb. — 

10 Litteratur: I. Neben des Minucius. 1. Quellen: Lactantiug, Div. inst. I 11, 55; 
V 1, 22. SHieronymus, De vir. illustr. cap. 58; ep. 83 ad Magnum ed. Ben. IV 2 p. 656; 
ep. 35 ad Heliod. epitaph. Nepot. ed. Ben. IV 2 p.271; ep. 30 apol. ad Pamm. pro libr. 
adv. Jovin. ed. Ben. IV 2 p. 236; comment. in Isaiam prophetam VIII praef. Euche⸗ 
rius, Ad Valerianum ed. Desid. Erasmus Basil. 1531 p. 301. — 2. Ueber die Lebenszeit 
16 des Min. el. und die Abfafjungszeit des Octavius handeln: Franz Balduin, Dissertatio de 
Minucio Felice, Heidelberg 1560; Joh. Dan. ab Hoven, Epistula ad Gerhardum Meermann 
de aetate, dignitate et patria Min. Fel. Camp. 1762, 4° (abgebrud! in Lindner Ausg. II, 
Zangenfalza 1773 S. 261— 319); 9. Meier, Commentatio de Min. Fel., Zürid) 1824, Soulet, 
Essai sur l’Octavius de Min. Fel., Straßburg 1867 ; C. Rören, Minuciana, 2 ®rogr., I Bed: 
% burg 1859, J Brilon 1877; N. Faber, De Min. Fel. commentatio, Nordhauſen 1872; 
P. be Félice, Etude sur l’Octavius de Min. Fel., Blois 1880; Biltor Schulze, Die Ab— 
faffunggzeit der Apologie Octavins des M. Min. Fel. in SprTh VII (1881) ©. 485508; 
Rich. Kühn, Der Octavius des Minucius Selig, Diſſ., Leipzig 1882, Echwente, Ueber die Beit 
des Minucius Felix in ZprTh IX 2 (1883) S. 263— 294; Friedr. Wilhelm, De Minucii Fe- 
26 licis Octavio, Breslau 1887; E. Kurz, Ueber den Octavius des Min. Fel., Brogr., Burgdorf 
1888, Scanz, Die Abfajjungszeit des Octavius des Minucius Felix, in Rhein. Muſ. 1895 

I ©. 114—137; 9. zoenig, M. Min. Fel. ein Beitrag zur Geſchichte der altchriftl. Litteratur, 
Progr., Königsberg Pr. 1897, €. Norden, De Min. Fel. aetate et genere dicendi, Greifs⸗ 
wald 1897. — 3. Einzelfragen: A. Ebert, Tertulliand Verhältnis zu Min. Fel. in Ab: 
so handl. d. ſächſ. Akademie d. Wiſſenſch. V (1868) S. 321—386 (vgl. Geih. d. Litteratur des 
Mittelalter 11874 ©. 24 f.; Behr, Der Octavius des Min. Yel.im Verhältnis zu Eicerod Büchern 
de natura deorum, Sera 1870; Th. Keim, Celſus' aindıys Aoyos überf. u. erläutert, Zürich 1873, 
&.151—168; 9. Deljau, Ueber einige Inſchriften aus Cirta, Hermes XV (1880) &.471—474; 
G. Löfhe, Min. Fel. in ſ. Verhältnis zu Nthenagoras in IprTh IV (1882) ©. 168-178; 
85 Ned, Dein. Fel. und Zertullian, THOS 1886 Wr. 1; M. X. Maffebieau, L’apologetique de 
Tertullien et l’Octavius de Min. Fel. in Revue de l’histoire des religions XV 1887, 
€. 316-346. — 11. Ausgaben. (Ueber die Handidriften fiehe be. Arnobius ed. A. Reiffer⸗ 
ſcheid, Vindobonae 1875 p. VII—XII) 1. Als 8. Bud des Arnobiuß: Fauſtus Sa: 
bäus, Rom 1543, Sigismund Gelenius, Bajel 1546; Deſiderius Erasmus, Bafel 1560. 
«02. Selbititändig: Franziseus Balduinus, Heidelberg 1560; Yulvius Urfinus, Rom 1583; 
Sohannes Wowerus, Hamburg 1603; Gebhard Elmenhorft, I Hannover 1603, II Hamburg 
1612, Defiderius Heraldus, Paris 1605. 1613, Nicolaus Rigaltius, Paris 1643; Jacob Ouze⸗ 
lius, Leyden 1652; Chriſtophorus Cellariug, Halle u. Magdeburg 1699; So. Davifius, ICante- 
brig. 1707, II Glasguae 1750; ac. Gronovius, Leyden 1709; D. M. Boleti, Venedig 1756; 
45 So. Gottlieb Lindner, Langenjalza I 1760; II 1773; Jo. 8. Prileszky, Tyrnaviae 1764; 
Andreas Sallandi (Bibl. vet. patr. vol. IT), Venedig 1766; Ed. de Muralt, Züri 1836; 
oh. Heinr. Bernh. Luebkert, „eipaig 1836; Migne (Patrolog. curs. vol. III), Paris 1844; 
Oehler in Bibliotheca patr. eccles. Lat. selecta cur. Gersdorf, vol. XIII, Lips. 1847; Holden, 
London 1853; 9. B. Kayſer (in us. schol.), Paderborn 1863; C. Halm (Corp. script. ec- 
60 cles. lat. vol. II,) rec. et comm. critico instr., Wien 1867; H. Hurter (Patr. sanct. opuscul. 
sel. vol. XV), Innsbruck 1871; 3.5. Cornelijjien, Leyden 1882; F. Leonhard, Namur 1883; 
E. Bährens, Leipzig 1886; H. Voenig, Leipzig 1903; €. Norden (in Vorbereitung). — 
3. Ueberjegungen: a) deutih: 3. ©. Appel 1735; J. P. Holländer, Frankfurt 1752; 
Magnus Gottfried Lichtiver, Berlin 1763; J. G. Rußwurm, Hamburg 1824; oh. Heinr. 
65 Bernd. Lübkert, Leipzig 1836; ©. Alleder, Triev 1865; Alois Bieringer, Kempten 1871 
(in Bibliothef der Kirchenväter von Fr. X. Reithmayr, Kempten 1869 ff); B. Dombart, 
2. Ausg., Erlangen 1881; H. Hagen, Bern 1890; b. franzöſiſch: Guil. du Mas, Paris 
1637; Niclag Perrot d'Ablancourt, Paris 1646; Pt. du Ryer, Baris 1663; Pericaud l’aine, 
yon 1825; c) engliſch: Rich. James, Oyford 16036; Lorain, London 1682; Combe, Lons 
co bon 1703; William Neeves, London 1709 u. 1716; D. Saltympie (Lord Haile), Edinburgh 
1781; d) ttalienifch: Poleti 1756; e) Holländiih: J. M. N. Elfevir, Amſterdam 1688; 
M. Gorgonus, Vließing. 1712. — III Schriften zur Kritik und Erklärung: Joh. 


Minncins 83 


Meurfiud, H ritus Minucianus, Losduni 1598; Wopfen®, Animadversaria critica in Min. 
Fel., Amstelod. 1737; Heumann, Emendationes in Min. Fel. (miscellan. Lips. nov. V (1747) 
p. 476-503, VII (1749) p. 247—272, 421-478, VIII (1751) p. 115—134, 454—479; 
%. &. Bremer, Epistola critica super aliquot Minucii locis, Quedlinburg 1780; ©. %. Stieber, 
Observationes nonnullae criticae in quaedam Virgilii et Minucii loca, Progr., Onolsbaci 5 
1791; Dombart, zu Min. el. in Jahrbb. f. klaſſ. Phil. Bd 99 (1869) ©. 393—437 u. Bl. 
f. d. bayr. Gymn. IX (1873) ©.285—300; J. Maehly, Krit. Beitr. zu Min. Fel. in Sahrbb. 
t. Hafl. Ehil. Bd 99 (1869), ©. 422-437; Bährens, Lectiones latinae, PDifi., Bonn 1870, 
©. 22—31; 3. J. Eorneliffen, Annotiunculae criticae, Daventriae 1871; Synnerberg, Ob- 
servationes criticae in Min. Fel. Octav., delfingford 1888; Sronenberg, Minuciana sive 10 
annotationes criticae in Min. Fel. Octav., Lugd. Bat. 1889; Joh. Vahlen, De M. Min. Fel. 
Octav. disputatio, Berol. 1894. — IV. Unterjuhungen über die Sprade des Mi- 
nuciu8 Felix: Theiſſen, De genere dicendi M. Min. Fel., Diſſ. Köln 1884; Geiller, De 
sermone Minuciano, Brogr., Augsburg 1893; Bloß, Der Spradygebrauh des Min. Fel., 
Brogr., Borna 1894; €. Börfflin, Min. Yel., ein Beitrag zur Kenntnis des afrifanifchen 16 
Rateins, im Archiv für lateinische Grammatik und Lexikographie VII ©. 467—485. — Eine 
vottftänbige Bibliographie des Min. Tel. ift erichienen in: Le Musée Belge XVI (1892) 

Tr. u. 3. 

Über die Lebensverhältniffe des Markus Minucius Felix läßt ſich aus den menigen 
noch vorhandenen Zeugnifjen bei Lactantiug, Hieronymus und Eucherius nicht mehr ent: 20 
nehmen, als da Minucius in Kom gelebt, dort ein angefehener und geachteter Sach: 
walter — auch nach jeinem Übertritt zum Chriftentum — geweſen und ebenda fchriftftelle- 
rifch thätig geivejen iſt. Er war ein Mann von einer gediegenen philoſophiſchen Bildung, 
belefen in ven poetifchen Werken der Griechen und Römer, vor allem aber ein gründlicher 
Kenner Giceros, deilen Darftellungsmeife er fich zum Vorbild genommen und mit Geichid 26 
nachgebildet hat. Doch tft fein Stil durch eine Menge befonderer Verhältniſſe bevingt 
und geftalte. Denn da er in dem ung erhaltenen Dialog „Octavius” den Glauben er: 
weden mollte, ein eh gehaltenes Geſpräch möglichft getreu wiedergegeben zu haben, 
wählte er zu feinem Borbild die freie Umgangsfprache der bejjeren Zeit, wie fie ſich ung 
etwa in den Briefen Ciceros wiederfpiegelt. Das Beftreben, anfchaulich und interejjant zu so 
ſchreiben, verlieh der Schrift die rhetorifche Färbung, und die oft geiltreich pointierte Spred- 
meife der beiden Gegner atmet die glüdlih nachgeahmte Urbanität der Dialoge Eicerog. 
Unverfennbar bervor tritt eine gewiſſe Neigung, mit feiner Belefenbeit zu prunfen, was 
die Unzahl eingeitreuter poetifcher Floskeln, beitehend teild aus wörtlichen, fürzeren Gi- 
taten, teild aus mehr oder weniger leicht zu erfennenden Anklängen an feine Xieblings- a6 
dichter — Lucrez, Vergil, Ovid, Horaz und Seneka — beweilt. Daß der „Gaufidicus“ 
auch bei der Behandlung eines feinem Fache fernitebenden Gegenftandes ſich nicht ganz 
verleugnen konnte, beweiſt die Menge der juritifchen Ausvrüde Dazu kommt das 
Bemüben die beiden Redner, Cäcilius und Octavius durch die individuelle Verſchiedenheit 
ihrer Sprechmweife — leivenichaftliche Übereilung und überlegene Befonnenheit — zu cdha= «0 
rafterifieren. Die Spuren des Verfalls der lateinischen Sprache zeigen ſich in den zahl: 
reichen Hebraismen, Gräcismen, Africismen, Archaismen und vulgären Ausdrüden, von 
denen fich der Zeitgenoſſe des Fronto, Gellius und Apulejus felbitverftändlih nicht ganz 
freimachen konnte. Trogdem iſt die Sprache des Minucius für feine Zeit relativ rein, 
und die immerhin bemerkenswerte Ähnlichkeit feiner Schreibweiſe mit derjenigen der Haffı: 

eit bat viele feiner Herausgeber und Kritiker verleitet, die Überlieferung überall 
—* — zu ändern, two der Ausdruck ſich allzuweit von der klaſſiſchen Zeit zu ent— 
en fchien. 

feiner Belehrung, die wahrfcheinlih erft im reiferen Mannesalter erfolgte, er: 
Icheint Minucius als ein aufrichtiger Chrift voll treuer Begeifterung. Im Dialog „De: go 
tavius“ zeigt fich ſein Chriftentum, wie Ebert (S.323) richtig bemerkt, durchaus im Lichte 
emer mor philefophifenen Religion, mie fie beute viele Gebildete haben, die Gott nıchr 
im Herzen als in der Kirche dienen (apud nos religiosior qui iustior jagt Minucius). 
Das ftttliche Moment ift ihm ohne Frage das wichtigfte; es ift ihm der Kern der Reli: 
ion. So ift er duldfam gegen feine Mitbürger, die noch dem Heidentum angehören, 66 
und die Verſchiedenheit der religiöfen Empfindung hindert ihn nicht mit dein an Lebens— 
alter jüngeren Cäcilius Natalis, der fich nicht entjchließen fan, dem Glauben feiner Väter 
untreu zu werden, freundjchaftlich zu verkehren. Dafür muß er ſich eine ernfte Miß— 
billi des ſtrengeren Octavius gefallen laſſen, die nunmehr die Veranlaſſung zu einem 
Geſpräch wird, deffen Reproduktion der uns erhaltene Dialog „Octavius“ ift. Die in= 60 
dividuelle Schilderung und das lebhafte Kolorit der Einleitung haben einige Gelehrte ver: 
anlaßt, den „Detavius” als cin thatlächlih in Oſtia gehaltenes Geſpräch anzuſehen; 

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rn 


5 


84 Minncins 


wahrſcheinlicher ift es jedoch, daß der Verfafler die Forın des Dialogs dem Cicero nad): 
gebildet hat, die außerdem dem Berufe und der täglichen Beichäftigung des Minucius 
— Anklage und Verteidigung — angepaßt ift. Ebenſowenig läßt es fich heute noch ent- 
fcheiden, ob die in Dialoge auftretenden Redner — der Heide Cäcilius Natali$ und der 

5 Chrift Octapius Januarius — für wirklich eriftierende Perſönlichkeiten oder für fingierte 
Namen zu halten find. Die Anfichten geben bier auseinander, infofern ald einige im 
Octavius den Verfaffer jeben, der fich begreiflichermweife nicht ſelbſt zum Helden der Dispu⸗ 
tation machen konnte; andere leugnen diefes und halten bald den einen, bald den an- 
deren, bald beide für faftiich eriftierend oder fingiert. Da Dlinucius in feiner Schrift 

10 einen früh veritorbenen Freunde ein chrenvolles Denkmal fegen wollte, fo lag es für den 
Verfaſſer nabe, diejen feine (des Verfaſſers) eigene Gedanken vortragen zu laffen und bie 
gegenteiligen Anfchauungen feines zum Teil noch heidnifchen Umgangskreiſes einem aus 
demjelben in den Mund zu legen. Wahrſcheinlich ift für ihn auch hierin das Vorbild 
Cicero maßgebend gewesen. 

15 Auch über die Gründe, Die den Minucius zur Abfaflung je Schrift beivogen 
baben, laſſen fih nur Vermutungen ausfprecen. Doch da er auch nach feinem Übertritt 
zum Chriftentum feines Amtes als Anwalt in Rom waltete und dadurch in dauernder Be: 
rührung mit gebildeten Heiden blieb, fo kam er jicherlich nicht felten in die Yage, Ans 
griffe auf die noch wenig geachtete Religion, zu der er ſich befannte, zurüdzumeifen, und 

3o nahm daher Veranlaffung, ſich ausführlib und gründlich mit feinen Angreifern ausein- 
anderzufegen. Die Beichuldigungen gegen die Chriften, die erhoben und nachgeſprochen 
u erden pflegten, läßt er den Gäcilius vorbringen und unterwirft fie dann durch den 
Mund feines Freundes Octavius einer gründlien Prüfung und Widerlegung und zwar 
mit Gründen, die in jenem Kreiſe Eindruck machten; nicht, indem er auf die fundamen- 

235 talen Lehren des Chriftentuns, die ſpezifiſch chriftlichen Dogmen, mie fie fi) bei den 
gleichzeitigen griechifchen Apolegeten finden, näher eingeht — denn dafür durfte er bei 
den Leuten, für Die und gegen die er jchrieb, fein genügendes Verftändnis vorausfegen — 
fondern indem er jich auf eine fachliche Abwehr der gegen das Chriftentum im Kreiſe ber 
(Hebildeten beſtehenden Vorurteile befchräntt und fodann den Beweis liefert, daß ſich die 

eo Anfichten der heidniſchen Philofopben mit dem Glauben der Ehrijten in vielen und we 
jentlihen Punkten berühren. indem der Berfafler jo die Kluft überbrüdt zwischen den 
Lehren des Ghriftentums und der beidnifchen Philoſophie, erklärt er es gleichzeitig, wie er 
der neuen Yehre beigetreten jei, nachdem er fih von der Schamlofigfeit des heidnifchen 
Gögendienjtes überzeugt und die Zweifel an der Erbabenheit und Reinheit des chriltlichen 

85 Glaubens abgelegt babe. War diejes feine Abjicht bei der Abfaflung feiner Schrift, fo 
ift es nur konſequent, fih an die Sache zu balten und alles davon Fernliegende auszu: 
ſcheiden. Ein Eimgeben auf das Weſen des Chriftentums nach Inhalt und Form liegt 
nicht in feiner Abjicht, und jomit will der „Octavius“ als eine Apologie im eigentlichen 
und vollftändigen Sinne nicht aufgefaßt werden. 

40 Nach dem Vorbilde Giceros beginnt der Verfaffer mit einer Einleitung, in welcher 
er über die Veranlaſſung des Geſprächs folgendes berichtet: Er hatte einen Jugendfreund, 
Namens Octavius Januarius, der ibm befonders lieb war, weil er dereinſt fein Kumpan 
bei allerband Jugendſtreichen geweſen war und dann fpäter — etwas früher ale Minus 
cius ſelbſt -- zum Chrijtentum übergetreten war. Während legterer fih in Nom eine 

65 Praxis als Anwalt gründete, war Octavius in die Provinz gegangen, wo er in glüd: 
lichen Familien- und günjtigen Vermögensverhältniſſen lebte. Gejchäftliche Angelegen⸗ 
beiten führten ihm nad) einiger Zeit nah Nom: natürlich fuchte er dabei feinen Jugend: 
freund auf, der über das ganz unerwartete Wiederjeben bocherfreut war. Da die Ge 
richtöferien begonnen batten, befchloß man eine gemeinfame Bartie nad) dem Seebad Oſtia, 

so an welcher fih auch ein jüngerer Freund des Minucius, der noch heidniſche Eäcilius Na- 
talis, beteiligte. Während fie am Flußufer dem Meere zuwanderten, famen fie an einer 
Bildfäule des Serapis vorüber, und Octavius wurde mit Befremden gewahr, daß Cäcilius 
derjelben grüßend feine Ehrfurcht bewies; er machte jeinem Freunde darüber Vorftellungen, 
daß er den Cäcilius noch nicht von dem Irrtum des heidniſchen Gögendienftes überzeugt 

55 babe. Durch diejen feinem Freunde gemachten Vorwurf wurde Cäctlius verftimmt und 
verhielt jich cine Zeit lang jchweigend und teilnabmlos, fo daß fein veränderte Weſen 
den beiden andern auffallen mußte. Gefragt, befennt er die wahre Urfache und äußert 
den Wunſch, feine heidniſche Religion zu verteidigen und die Gründe, die ihn verhindern, 
dem Ghrijtentum beizutreten, zu entivideln. Octavius möge ibn dann zu widerlegen fuchen. 

vo Leßterer nimmt die Herausforderung an. Man läßt fi) nieder auf der zum GSchuße des 


Minncins 85 


Seebades ind Meer hinausgebauten Mole, und Minucius fett fich zwiſchen beide, um 
bie hm angetragene Rolle als Schiedsrichter zu übernehmen. Soweit die Einleitung 
(I—IV). 

Nach einem Appell an die Unparteilichteit des Minuctus (V 1.2) geht Cäcilius von 
dem ſkeptiſchen Sage der neueren Akademie aus, daß alle menfchliche Erkenntnis unſicher 5 
jei, und tadelt die Anmaßung der Chriſten, daß fie ohne gelehrte Bildung etwas Sicheres 
über die Weltregierung zu jagen wagen (V 3. 4), deren Erijtenz fich jo wenig wie das 
Vorbandenfein einer Vorſehung nachweisen läßt. Die Erfcheinungsmwelt, in der wir leben, 
kann dem Zufall ihr Dafein verdanken; ja, mancherlei wie 3. B. Blisfchlag, Peſt, Schiff: 
bruch, Guten und Böſen widerfahrend, fpricht direft gegen das Vorhandenjein eines gött= 10 
lichen Weſens. Die Wahrheit entzieht ſich eben der ficheren Grfenntnis oder, mas das 
Wahrſcheinlichſte ift, es berricht ein regelloſes Geſchick (V 5—13). Bei diefer Unficherheit 
der Dinge ift es das Beite und Würdigſte, bei der Religion der Väter zu verbarren, 
welche im früheſten Kindesalter der Welt fich des perjönlichen Umgangs der Götter er: 
freuen durften und daher den meilten Glauben verdienen (VI 1). Diefe Religion bat ı5 
Rom groß gemacht, feine Herrichaft begründet und vermehrt (VI2.3). Oft genug haben 
die Götter der Römer ihr Walten beiwiefen, je nachdem ihr durch Aufpizien, Orafel oder 
Träume den Menfchen tundgegebener Wille beachtet oder vernachläffigt wurde (VII 1—6). 
Cine fo altehrwürdige Religion ftürzen zu wollen, tft eine unerträgliche Anmaßung. Und 
was find es denn für Leute, die dieſes unternehmen, und welcher Art ift die neue Re 20 
ligion, welche an ihre Stelle treten fol! Unwiſſende Männer aus der Hefe des Volke 
und leichtgläubige Weiber, aufrührerifches, Iichticheues und blutichänderifches Gefindel, das 
jih als Erſatz für ein beflagenswertes Dafein mit dem lächerlichen Trofte eines Lebens 
nach dem Tode fchmeichelt (VIII). Geradezu widerwärtig find ihre Religionsgebräuche, 
denn Gegenftände ihrer Verehrung find: ein Eſelskopf, die Gefchlechtsteile ihrer Priefter, 26 
das Kreuz und — ein and Kreuz gejchlagener Verbrecher (IX 1—5)! Ihre Geremonien 
find Mord unfchuldiger Kinder und Ehebruch unter dem Dedmantel chriftlicher Bruder: 
liebe. Und wenn auch nicht alle durch die That, fo machen fie ſich doch alle durd die 
Mitwiflenichaft des gleichen Greuels ſchuldig (IX 6. 7). Ihre Heimlichkeit iſt der beite 
Beweis für die Schlechtigfeit ihrer Religion (X 1—3). Geltfam und ungereimt ift ihre so 
Vorſtellung von dem einen Gott, den fte von dem verachteten Volk der Juden übernoin- 
men baben und der fich den römischen Gottheiten gegenüber als gänzlich ohnmächtig er: 
wieſen bat. Sie ftellen ihn als unfichtbar, allmiflend, allgegenmwärtig dar — göttliche 
Eigenjchaften, die nach heibnifchen Begriffen unverftändlich und aud recht unbequem find 
(X 4.5). Und nun gar ihre Lehre vom Untergang der Welt, von der Micderauferftehung 86 
der Toten und dem jüngjten Gericht, das nicht gerecht fein kann, da die göttliche Prä- 
deitination, die die Chriften annehmen, ganz ebenfo die Freiheit des menfchlihen Willens 
aufbebt wie das Fatum, unter das die Heiden jich beugen. Yauter Dinge, die voll in: 
nerer Widerſprüche und ohne Beiſpiel find (XI 1—7)! Und fchließlih haben die Be: 
fenner dieſer Religion bei ihren Lebzeiten unter den größten Plagen zu leiden; zu den 40 
gewöhnlichen, wie Armut, Kälte, Hunger treten bejondere, Folter, Feuer: und Kreuzestod 
(XII 1—4). Die Armöeligfeit ihres Dafeins vermehren fie jelbft dadurch, daß fie ſich 
ebrbarer Bergnügungen (Schaufpiele, Feſtmahle 20.) enthalten, und felbjt an Blumen und 
Kränzen zeigen fie fein Wohlgefallen (XII 5.6). — Cäcilius fchließt feine Rede mit einer 
Mahnung, von einer Erforjchung der göttlichen Dinge abzufeben und ſich nicht mit Problemen 45 
zu befajlen, die zmeifelhaft bleiben müſſen, da fie über das Erfennungsvermögen hinaus: 
geben (XII 7), wovor ſchon Sokrates und Simonides gewarnt baben (XIII 1—4). Ein 
weiteres Umfichgreifen des Chrijtentumg aber werde am die Stelle der väterlichen Religion, 
bei der man pietätvoll verharren foll, einen jchimpflichen Aberglauben fegen, wenn es 
nicht gar jedes religiöfe Gefühl überhaupt erjtidt (XIII 5). 60 

Gäctlius von dem Wert und der Beweistraft feiner Ausführungen durchdrungen, 
fordert höhnend den Octavius zur Erwiderung auf (XIV 1) und erfährt dafür eine Zu— 
rechtweiſung durch Minucius (XIV 2-— 7), wodurch nach des Heiden Anficht das Gewicht feiner 
Gründe gemindert wird (XV 1). Nachdem fih noch Minucius gerechtfertigt hat (XV 2), 
beginnt Octavius feine Gegenrede, indem er zunächit den Widerſpruch in der cäcilianiſchen 56 
Anſchauung — Skepſis und Tradition — aufdedt (XVI 1-4). Alle Menjchen obne 
Unterfchied des Alters, Gejchlechts und Ranges find der Vernunft teilbaftig (XVI >. 6). 
Diefe Vernunft führt bei aufmerfjamer Betrachtung der Natur zu der Überzeugung von 
der Eriftenz eines höheren Wefens, welches die ganze Welt erichaffen bat und regiert 
(XVII 1—5). Die Herrlichkeit und Zweckmäßigkeit der ganzen Natur redet eine deutliche 60 


86 Minneius 


Sprache (XVII 6 — XVIII 4) und läßt höchſtens die Frage offen, ob die Weltherrichaft 
von einem Ginzigen oder von einer Mehrheit ausgeübt werde. Aber auch bei ven Men⸗ 
ſchen ift die monarchifche Negierungsform die allein erjprießliche, und in der Tierwelt ift 
es nicht ander® (XVIII 5—7). Nun geht Octavius über eine bloße Widerlegung des 

5 Cäcilius hinaus zu einer Darlegung des Gottesbegriffes im Sinne des chriftlichen Mono: 
thetsmus, fpricht von der Ewigkeit, Allmacht und Volllommenbeit Gottes, der feinen be: 
jonderen Namen führt, den aber Tichter und Philoſophen, wenn ſie auch noch fo viel 
Verfehrtes vorbringen, häufig richtig vorausgeabnt haben ( XVIII S— XX 1). — ©o: 
dann wendet fih Octavius gegen die Gründe, mit denen Cäcilius die väterliche Religion 

10 verteidigt hat. Das Altertun war fehr leichtgläubig; feine Fabeln und Märchen verdienen 
feinen Glauben (XX 2—4); feine Götter find in Wahrheit nur vergötterte Menfchen, 
werden geboren und fterben (XX 5 — XXI 12), haben menschliche Leidenichaften (XXI 
1—4), läcdherlihe Geftalten und Schidfale (XXIII 5—7). Für die Verbreitung biefer 
abgejchmadten Märchen find die Dichter, vornehmlich Homer und die Tragiker, verant- 

15 wortlich zu machen, denn die Vorftellungen, die die Menſchen als Kinder in fih auf: 
nehmen, bleiben big zum Greifenalter in Kraft (XXIII 1—8). Die Gößenbilder, deren 
Anbetung gefordert wird, find doch nur Holz und Stein. Ihre Nichtigkeit beweiſt die 
Art und Weife, wie fie entjteben (XXIII 9—13). Und vollends der gefamte heidnifche 
Götzendienſt iſt teils lächerlich, teils abfcheulich (XXIV 1—5). Ganz falich ift die Anficht, 

20 daß die beidnifchen Götter Non groß gemacht haben, weil es ja größtenteils auswärtige 
Götter find, die die Römer zuerft befiegt haben und feitbem verehren (XXV). Die 
Augurien und Aufpizien, auf die fih Cäcilius berief, haben bisweilen das Richtige an- 
gezeigt, öfter jedoch die Gläubigen betrogen (XXVI 1—6). Hiemit glaubt Octavius die 
Thorbeit des heidnifchen Gögendienftes bewiefen zu haben. Wie erklärt es ſich nun aber, 

25 I derfelbe trogdem eine ſolche Verbreitung gefunden und lange Zeit eine große Macht 
auf die Gemüter ausgeübt hat? Schuld daran find die Dämonen, die Urheber alles 
Böſen. Diefe find es auch, die den Haß und die Verfolgungen gegen das Chriftentum 
veranlaffen und alle jene nichtswürdigen Gerüchte und Vorwürfe verbreiten, die mit viel 
mehr Necht gerade den heidniſchen Götzendienſt treffen (XXVI 6 — XXXI 5). In ſitt⸗ 

30 licher Entrüftung über dieſe unerbörten Beichuldigungen ftellt Octavius im meiteren dem 
Xebensivandel, Gottesdienft und Glauben der Chriften das glänzendfte Zeugnis aus, 
jpricht mit Begeifterung von der Gerechtigkeit und Güte Gottes, deſſen Fuͤrſorge jedoch 
das jüdische Volk dur feine Berftodung und Verworfenheit eingebüßt bat (XXXI 6 — 
XXXII 5). Die von Cäcilius befpöttelte Lehre von den legten Dingen twiderfpricht 

35 weder den Naturgejegen noch den Lehren der Philoſophen, welche fie allerdings von den 
Propheten entlehnt haben. freilich haben die Heiden allen Grund, eine Vergeltung nad 
dent Tode zu fürchten, und deshalb bezweifeln fie eine folche, denn allein die Unkenntnis 
(Gottes genügt zur Beitrafung (XXXIV. XXXV). Endlich widerlegt Octavius die Gründe, 
welche von der äußeren Yage der Ehriften bergenommen find; diefe haben eben eine andere 

0 Auffaſſung von Glück und Unglüd. Letzteres iſt ihnen willflommen als eine Schule der 
Tugend, eine Gelegenbeit, die Kräfte des Geiſtes zu betbätigen und wahren Heldenmut 
zu beweiſen (XXXVI- -XXXVI 6). Das Glück dagegen, deſſen die Heiden fich freuen, 
it vergänglid und trügeriſch; ihre Vergnügungen verwerflih und unanjtändig; unjchul: 
digen ‚Freuden geben ſich auch die Chriſten hin, doch in eimer naturgemäßen und ver: 

35 nünftigen Weiſe (XXXVII7 — XXXVIII 4). — Wie Cäctlius, fo fchließt auch Octavius 
mit einer peroratio, indem er mit Veriverfung der beidnifchen Philoſophie (Sokrates, 
seurra Atticus) dem beibnifchen Skeptizismus entgegentritt und mit dem Wunſche 
Schließt: der beidnifche Aberglaube möge ausgerottet werden, die wahre Religion möge 
ſich Bahn brechen! 

bo Dieſe Rede macht auf beide Zuhörer einen gewaltigen Eindruck; Cäcilius bekennt 
ſich für überwunden, ſchämt ſich aber ſeiner Niederlage nicht, da ſie zugleich einen Sieg 
über ſeinen bisherigen Irrtum bedeutet. Minucius freut ſich, durch dieſes Bekenntnis der 
Ausübung des Schiedsrichterſpruches überhoben zu ſein. Darauf begeben ſich alle in 
beſter Stimmung — denn es iſt ſpät geworden — zur Ruhe. — 

66 Wie nan in den alten KRodices oft verfchiedene Werke zu einem Bande vereinigt 
findet, jo it auch der Octavius nicht in einer jelbititändigen Handjchrift überliefert, fon- 
dern hinter den 7 Büchern des Arnobius „adversus nationes“, Die einzige Hand 
Ichrift, der wir die Erhaltung der Schriften des Arnobius und Minucius verdanken, 
ſtammt aus dem 9. Jabrbundert und befindet fih in Paris (codex Parisinus 1661); 

so eine Abjchrift Davon aus dem 16. Jahrbundert iſt in Brüffel. Aus erfterer floß 1543 


Minneins Miserere 87 


die editio princeps des Arnobius von dem Cuſtos der vatifanifchen Bibliothek Fauftus 
Sabäus, worin, wie in den folgenden Druden, ala „liber octavus“ fich der Octavius 
des Minucius Felix befindet, der felbititändig zuerft von Franz Balduin in Heidelberg 
im Sabre 1560 ediert wurde. — Seitdem iſt die Schrift häufig herausgegeben, 
überfegt und kommentiert. Faſt noch zahlreicher find aber die Verſuche, die Abfaſſungs- 6 
zeit de8 Dialogs zu beitimmen. Denn da die Nachrichten über die Perfon und Schrift: 
ttellerei de8 Minucius bei Lactantius, Hieronymus und Eucherius für die geitbeltim mung 
desjelben wertlos find, fo hat man diefe aus inneren Gründen verfudht. Da jedoch An- 
jpielungen auf gleichzeitige Ereignifle, die eine ſichere Schlußfolgerung zulaflen, nicht vor⸗ 
banden find, find diefe Verſuche, die um faſt 150 Jahre auseinanderführen, fämtlich als 
mißglüdt zu betrachten. Auch die griechiichen Apologeten des 2. Jahrhunderts bat man 
vergeblich herangezogen und zu ermitteln verfudht, ob der Dialog Octavius von einem 
derjelben jo beeinflukt ift, dag man fagen Tann, er habe dem Minuctus ald Vorlage ge= 
dient. Wohl finden ſich Anklänge und Ahnlichkeiten, namentlich in ftofflicher Beziehung, 
aber ein Abhängigfeitsverhältnis des Minucius von ihnen kann daraus nicht —** 15 
werden. — Dahingegen beſteht zweifellos ein ſolches Verhältnis zwiſchen Minucius, Ter: 
tullian und Cyprian. Lebterer bat in feiner Schrift „quod idola dei non sint“, die 
zu feinen früheften fchriftitellerifchen Leiſtungen (ca. 245 n. Chr.) gehört, den Octavius 
und das Mpologetitum Tertullians ausgefchrieben. Diejenigen, welche den Octavius 
nach 250 verlegen, find alfo genötigt, Cyprians Schrift für unecht zu erklären, wie z. B. 2 
Schulze (S. 505 ff.) fie in die erften Dezennien des 4. Jahrhunderts verlegt, mas bereits 
von Möller (ebendaf. S. 758) angefochten ift. — Die Priorität des mit dem Octavius 
fih mannigfady berührenden Apologetitum Tertullians (ca. 200 n. Chr.) galt lange für 
unanfechtbar. Die erjten Bedenken gingen von Frankreich aus; fie wurden geteilt von 
Dan. ab Hoven und vielen anderen Gelehrten, und jeit Ebert3 Unterfuchungen gilt Mi: 26 
nucius allgemein als der frühere, mithin als der Verfaſſer der älteften lateinifchen Ber: 
teidigungsſchrift des Chriftentums. Diefelbe iſt alfo, da Fronto (geit. ca. 175 n. Chr.) 
in ihr erwähnt wird (IX 6 und XXXI2) zwiſchen 150 und 200 n. Ehr. verfaßt. Diejes 
Reſultat wird nicht erſchüttert durch 9. De au, welcher den in Inſchriften aus Girta 
zwiſchen 210 und 217 n. Chr. erfcheinenden M. Cäcilius Natalis D. f. für den Freund so 
des Minucius hält, da diejer entſchieden Heide iſt (Hausrat, Der Cäcilius des Min. Fel. in 
Proteft. Kirchenzeitung 27 (1880) S. 420). Auch Bährens (ed. praef. p. VI), der den 
Bater des Genannten dafür anfieht, vermag es nicht wahrfcheinlich zu machen, daß diefer 
ala Chrijt feinen Sohn Marcus als Heiden habe aufwachlen laflen. Nimmt man hinzu, 
dag Cäcilius Natalis möglichermweife ein fingierter Name ift, fo fällt jede Bedeutung der 36 
erwähnten Inſchriften für die Zeitbeftimmung des Octavius fort. Daß diejer aber in 
würdiger Weiſe die Neihe der lateiniichen Verteidigungsichriften des Chriftentums eröffnet, 
darf als ficher gelten. H. Boenig. 


Miramionen |. d. A. Genovefanerinnen Bd VI ©. 517,2. 


- 


0 


Miserere iſt die herfümmliche Bezeichnung des 51., bezw. nach Tatholifcher Zählung «0 
des 50. Pſalms als liturgiſchen Gebets (Liturgifchen Gefangsttüde), entiprechend dem An—⸗ 
fangswort in der lateinischen Überfegung: Miserere mei, Deus, secundum misericor- 
diam tuam. Nur als ſolches, als Gefangsgebet nad) feiner gottesdienftlichen Verwen⸗ 
und Fünftlerifchen Geftaltung beichäftigt uns bier diefer Pfalm, über den im übrigen 
die Pſalmenkommentare nadjyzufehen find. 6 
Zur Litteratur vgl. die Artikel: Brevier (Bd III, 393), Bußpfalmen, ib. S. 592 und 
die dort angegebene Kitteratur. Außerdem: V. Thalhufer, Handbuch der kath. Liturgik, Frei: 
burg II (1890) ©. 370. 373. 424. 453; %. X. Haberl, Officium hebdomadis sanctae ... . 
lat. und deutih . . . Regensburg 1887; %. &. Mettenleiter, Enchiridion chorale .. Regens- 
burg 1853, ©. CLXXVIIf.; ©. 74ff.; Weber und Welte, Kirchenlexikon? ... VIII. Bd, 0 
©. 1557; S. Kümmerle, Encyllopädie der evang. Kirchenmufit, Gütersloh II (1890) ©. 275; 
Schöberlein-Riegel, sa des liturgiichen Chor: und Gemeindegefangg, Göttingen II, 1. Abt. 
1868, S. 457 ff., II, 2. Abt. 1872, ©. 997; Grove, Dictionary of Music and Musiciens 
(1879-89) II (Art. „Miserere‘ von ®. ©. Rockſtroh); Proste, Musica divina, Berlin 
1853— 1864, Tom. IV, ©. 209 f.; P. Diendelsfohn:Bartholdy, Neifebriefe von Felir Mendels- 55 
ſohn⸗Vartholdy, 2.U., Leipzig 1862 ©. 122ff.; S. 163ff.; 2. Spohr, Selbitbiographie, Caffel 
und Göttingen 1860, II 1861, ©. 37 ff. 
Die liturgiſche Verwendung des 51., bezw. 50. Pſalms als des Haffifchen Typus 
nes Bußgebets ift von jeher eine mannigfaltige. Die griechiiche Kirche gebraucht ihn 


hr Minxerere 


ntenyndstlaben Mettwobintlt QUajewolv, Euchologion d. gr. kath. Kirche, Wien I 
a von dam der Nach Veoper db. S. 102), in der 3. Stunde (ib. 

nn Menbtrdle IL. 8 det Der Delung db. II, S. 140), bein Be: 
re A NT F der lateiniſchen Kirche mußte bis zum 16. Jabr⸗ 
are rn Mey a Den MNuerere beichisien werden. Die offizielle römiſche Kirche 
... . e tue HTT ER WAL TTFEIT ‚Matutin = Laudes: der Zonntage in der Zeptua: 
est Miappnaas mu Wuanare: Na User und Des Totenoffiziumg, 


get gend uud oa No sganmrmmem nn Vesperale Romanum, Mech- 
en E VEN Sem Ne NT Preces, Die ın der Regel 


ee air N Do Sazm rt Surr Ns Triduums mortis Christi, 
aa w  STAIMTAR "Ip Azzzerzordtenitt mid 08 gebetet, 
oa keme d I Semmori — Nm Weibwaſſer beiprengt, 
ET Urn Vor N seTUMorS Im Ir xiciedenen Weiheband⸗ 
en N ae ra, An me Alam me rehhofe, eines Hauſes, 
wen No Neo yes beendeten, pe Asmiums > Trnciters begleitende 
nee Neo nin undiaunt Aicır? > >= Glodenmabe eröffnet 
— Nun As nmerinani; en abe: "ven populos et agros 
ey ein Ne Smenigan, Net Sppieigben Crmtaerz unmozcher an, bei der We: 
orten N —8 am, Se tm an IBrundanmraias crtiste. made 08 von Biſchof 
Sole les Masern Stalin Ten, beam. 55, Des über Den Rüßenden 


Sour om need, Sprehiss Hi der pialmodierende 1.D A. WNahrzene, Tod 
on nn deren han Den Toniepern sum Gegenſtand Hortelesticher Be 
a >. = Weir aller ;jeiten und Schulen, ein \nsaun, Yaflus, 
on . “2,0 Ber Mledlandre Scarlatti. Gregaorio Nlierr. vor, Ver: 

rn a: se. . i., unter den RProteitanzen en Mg Vratorius 

..e, Bernhard Alm bis auf Eduard EGrell Zimmiges 
, 8 x daben herrliche Tonſaße geſchaffen. welch ne das eine 
8002002 ren 55 den pſalmodierenden Vorirag anĩchließen. alio als 
| ons „nd Steigerung Darftellen, Das andere Dial ausschließlich 

a Ne vrndgedanken Deo Tertes zu muſikaliſichem AuſSruck zu 

J RN frei erfundene, ſelbſtſtandige Tongebilde erichenen. unter 

. hrs an Die Forderungen Deo liturgiſchen Vortraas ım all- 
a ze ihrer Zeit reden, Das Gepräge des jeweils herribenden 

Sa 8a rratur der Mifereren fait alle x ernten Dos mehrizimmigen 

a ec ss bordone bie zu den kunſtvollſten Formen Dee Kontranunfted 


. en PN an dieſem Ort verdankt dieſes liturgiiche Gcĩangs⸗ 

* "nmunjaltigeit jeiner liturgiſchen Verwendung un? muñkali⸗ 

u. eilt es mit vielen Pſalmen, beſonders den Bußpfalmen —, 

ne it. Die es durch den Vortrag der päpſtlichen Kapelle zu Nom 

wo srmwew erlangt bat. Bon 12 für dieſen vorbebaltenen Kompo— 

wverdeubte Der Muſik, vom ig IV [187 8 . 1, Fétis, Biographie 

oo \eswwnn ] [1860], 2.73) iteben derzeit 3 im Gebrauche: non (re 

u a4, von Tommaſo Baf (1650 171 I), von Giuſeppe Raini 

oa bieſen iſt Das Miſerere Des erftgenannten (ſ. Schöberlein a aD. 

oa Dedentendfte und berübmteite. Ten übertältigenden Eindrud, 

.. 8 Uniſono des Rezitierens und Pſalmodierens der Ein— 

BT umonien des mehrſtimmigen Tonſatzes jedesmal hervorruft, bat 

N or d. beredt geſchildert (ebenſo Spohr). - In der evangeliſchen 
DE N als liturgiſcheo Geſangsgebet da erhalten, two die alte litungiſche 
lu hnibr, Mit Der Wiederbelebung berfelben wird auch ſeine Wieder⸗ 
rieble Herold (Vesperale, Gütersloh, I, 2. „N. 1885) fiebt ca für die 
on Mapa hi der Paſſionszeit, am Totenfejt vor. Die vuciusſche Agende (Frank—⸗ 
riuenleel an in den Paſſionsandachten, ebenſo die revidierte preuß Agende, 

a Bibliſchen Lob und Bittgebeten“ im Anhang darbietet. Die bayr. 
eniet 05 ale Introitus am Bußtag, Das neue badiſche Kirchenbuch 

ee ganyoplitoam Nachmittag Des Karfreitags. Wie Die meiften Palmen, fo ift 
da Denn Gehrauch der evangeliſchen Gemeinde in Die Yiedform umgegoffen 
en ho Bene Dad don Erbardt Hegenwalt „Erbarm' Did mein, o Herre Gott”, 


Miserere Mißheirat 89 


1525 von Matthäus Greiter „O Herre Gott, begnabe mich”, 1539 von Marot „Mise- 
ricorde au pauvre vicieux“ (Tobwafler: „Herr Gott, nach deiner großen Gütigfeit”), 
1553 von Burkhard Waldis „Nach deiner Güt’ erbarm’ dich mein“ u. a. (f. Kümmerle 
a. a. O. U, ©. 279). Als evangeliiches Buplied bat es im Gottesdienſt überall feine 
Stelle, wo ein folches überhaupt angezeigt erfcheint. H. A. Köftlin. 


Miffale ſ. d. X. Meffe Bd XII S. 723,2. 


Mifheirat. — Bol. Böhrum, Gejhichtlihe Darftelung der Lehre von der Ebenbür— 
tigfeit nad gem. deutich. Rechte, 2 Bde, Tübingen 1846; Gengler, Lehrbud) des d. Privatrechts, 
4. Aufl. Erlangen und Leipz. 1892, ©. 505 ff.; Etobbe: Lehmann, Handbuch) des d. Privatr. 
(3. Aufl.) 4. Bd (Berlin 1900) 8 273—274 und die dort itierten. 10 

Die Entwidelung der Geburtöftandes-Verhältniffe in Deutfchland bis zum 16. Jahr⸗ 
bundert zeigt ung, abgejehen von den Unfreien, drei ſtreng voneinander getrennte Stände, 
Herrenitand (hoher Adel), die Ritterbürtigen (niederer Adel) und die Gemeinfreien. Nach 
dem Ebenbürtigkeitöprinzip galten Ehen zwiſchen Gliedern diefer Geburtsftände ale Mip- ° 
Fa die niedriger geborene rau trat nicht ein in den Stand des Mannes, die Kinder 15 
olgten der ärgeren Hand. Dieſe Auffafiung tft feit der Nezeption des römischen Recht? 
zum Teil bejeitigt worden; es iſt vorzugsweiſe dem nivellierenden Einfluffe desfelben zus. 
zufchreiben, daß die frühere Abgefchloffenheit zmiichen dem niederen Adel und den Bür- 
gerlichen (den früheren Gemeinfreien) bejeitigt wurde und mit ihr die Wirkſamkeit des 
Ebenbürtigkeitsprinzips. Dagegen waren die Bemühungen der Romaniften, ihre Auf: 20 
faſſung auch in betreff des hohen Adels zur Geltung zu bringen, erfolglos. Die hervor: 
tragende ftaatsrechtliche Stellung, welche diefer erjte Stand durch feine Reichsitandichaft 
einnahm, nährte natürlich das Bewußtſein der Befonderheit und das Beitreben, die Aus- 
Ihließlichteit des Geburtäftandes zu erhalten. In ibrer Autonomie hatten die Reiche: 
fände das Hauptmittel, durch Hausgefege und Familienverträge dad Eindringen romani= 25 
ſtiſcher Prinzipien. in ihr Familienrecht abzumehren und die überfommenen deutichrechtlichen 
Anſchauungen zu Tonjervieren. Gegen das Eindringen unebenbürtiger Elemente auf Grund 
fatferlicher Standeserhöhungen fuchten fie fih durch Aufnahme von Beitinmungen in die 
Rablfapitulationen zu jchügen, melche geeignet waren, die Gejchloffenheit des hohen Adels 
einigermaßen zu fichern. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts bis zur Auflöfung des 80 
deutichen Reiche baben Ehen zmwifchen Mitgliedern des hoben Adels und Perſonen bür- 
gerlihen Standes als „unftreitig notorische Mißbeiraten” gegolten. Nicht fo allgemein 
und feititebend war dagegen die Auffaſſung rüdlichtlih der Ehen zwiſchen Gliedern des 
hoben und niederen Adele. In einer großen Anzahl von reichsitändiihen Fürſten- und 
Grafenhäufern find ſolche Ehen vielfah im 17. und 18. Jahrhundert auf Grund ber 85 
autonomifchen Beitimmungen und des Familienherkommens von den Reichsgerichten als 
ftandesmäßige Eben anerfannt worden. 

Nah der Auffaffung der Rheinbundfürſten galt ihre frühere Geburtsitandesgentein- 
fbaft mit den nunmehr fubjizierten ehemaligen Reichsſtänden und deren Familien als gelöft, 
durch den Artitel 14 der deutſchen Bundesakte it aber das bis zum Jahre 1806 beſtan- «0 
dene Verhältnis wieder bergeftellt, infofern den Medtatiftierten das Necht der Ebenbürtig- 
feit mit den fouveränen Häufern in dem bisher damit verbundenen Begriffe verbleiben 
fol. Diejes damals völferrechtlich vereinbarte Prinzip ijt auch gegenwärtig noch in recht: 
scher Geltung, bat aber nur eine fubfidiäre Wirkſamkeit: wie zur Zeit des alten deutjchen 
Reichs fteht auch jegt den Familien des hoben Adels die Befugnis zu, durch die Haus: 46 
gejeßgebung den Begriff der Mißheirat enger zu fallen, in welchem Falle Ehen von lie 
dern folcher Familien mit folchen, welche dem hoben Adel nicht angehören, als ſtandes— 
mäßige Eben anzufehen fein würden. Welche Bedeutung dieſe Frage auch noch für Die 
Gegenwart bat, bat der Lippeſche Thronfolgeftreit gezeigt. 

Die jog. morganatifche Ehe (Ehe zur linfen Hand, matrimonium ad morgana- 50 
ticam, ad legem Salicam) ijt regelmäßig auch eine Ehe zwischen nicht ebenbürtigen 
Perſonen, unterfcheidet fich aber von der eigentlihen Mißbeirat dadurch, daß die Wir: 
fungen nicht, wie bei diefer, auf Gefe und Gewohnheit, ſondern auf einem bejonderen 
Bertrage beruben. Die Wurzeln diefes Nechtsinftituts reichen bis in die älteite Zeit des 
germanifchen Rechtslebens hinauf. Wir finden bier neben der „rechten“ Ebe, welcher 66 
notwendig eine jolenne Tesponjation vorausging, eine lare Ehe, melde zwar auch cine 
ausfchließliche Gemeinfchaft begründete, aber, meil jene Solennitäten fehlten, auch nicht 
die vollen Wirkungen der rechten Ehe hatte. Meiſt wurde ein jolches Verhältnis da ein: 


deſrheirat Miſſion, innere 


m ae er Ebenbürtigkeit Die Eingehung einer rechten Ehe ganz 
0, rwerem rechtlichen Nachteilen verfnüpft war. Schon im 
F reen nur noch im den höheren Ständen üblich geweſen 
0 mranatieam“ ſtammt wahrſcheinlich von der Morgen: 

2. arbeit zu werden pflegte. Der außerden noch ge 
. gem Salicam” tit unerflärt. Die Bezeichnung „mor— 
ran Tag Die gewöhnliche und auch jetzt noch fommten 
..znz Familien und denen des boben Adels vor. 
Waſſerſchleben F 'Schling). 


-. um ’ 2. Wichern, Tie innere Miſſion der deutfchen evangelifchen 
en. ISSUE 5 Deri., Mongreb: Vorträge, Damburg 1541; derſ., 
veianimelte Schriften III. 38), Hamburg 1902; D. Prof. 

... Veitserziehung umd Propbetentum, Frantiurt a. M. 1864; 
"...sie III. Bd, Bonn 1868 2. Aufl.): D. In. Schäfer, Die 

. tt lmtange, Hamburg 1870 ff.; derſ., Diakonik oder Theorie 

act Jockers Handb. d. theologiſchen Wiſſenſchaften, IV. Bd); 

:. Qendarg 1905 i4. Aufl.n: D. Fr. Oldenberg, Joh. Hinr. 

sr Hamburg ISSE ST, 2 Bde: D. Abt Üblhorn, Die chrijt: 

>, Steige IS Pir. Dr. Wurfter, Tie Lehre von der Inneren 

28 Hennig. Was jedermann beute von der Anneren Mifiion 

oa. PD Fünfzig Sabre Innere Miſſion, Bericht über die 
ante N De M. der deutich. ev. Kirche, Berlin 1595; Ber: 
iiepee vur Inn. Miſſion 1S48- 1901 (einfchlieglich der deut: 

—7. Raberes m „Fünfzig Sabre“, Genir.:Nustd.ı; Statiltil d. 
a Verlin Centr. Ausſch. 1809.: Jahresberichte und Fach— 

derleinn Stadt, Provinzial: und Landesvereine und Anſtalten 

end... Fliegende Rlätter aus dem Rauben Hauſe, begründet 

Wichern. Oldenberg. N. Baur, zur Zeit von Lindner, Heſe— 
VBnmbura: Monateichrift für Inn. Miſſion, D. Schäfer, Gü— 

. *tche BRegründung ꝛru erſterer vgl. u. a. Haupt, Bibl. 

son Arsinshbrift ISSO und SI: Wurſter, Bibliſche Grundlage 
ar Oldenberg. Theol. Realencytl. II. Auflage: Schon Die 

a SENT WON Gott auch außer Dem Beleg berorditeten Zeugen: 
N IJvraels in Dem fortacbendear Kampfe aegen Das im 
aa dan dasielbe immer neu eindringende Heidentum, Wie 
a WeheBee verleuanende Unbarmberzigkeit. Als Chriſtus, 
Jeiche wandelte., vollzog er feine Miſſion zunächſt als eine 

oh, en. e, d. h. als eine innere. In der chriſtlichen 
Nor... Judentum votentiell gebrochen, aber alsbald haben 
oa. AND Neueindringen judaiftiſichen und vaganiſtiſchen Wer: 
te N GANG ſteuern AD NOT, Ti, 18: 10, 85 Bad, If; 
alten. dm DVD Tr 1 Jo h, 16: Apk 2, 
ug htlans Se a:! srelt aten durch Konitantin, Die Wölfer: 
die Kirpchen Deo getpaltianme Einiubrung ganzer beid— 
Dora Ta uieep Dam der Abendlandüchen Kirche sur Geſetzes⸗ 
al linan Der SNLIDer Wahrhen: durch Menſchenlebhre und 
, i Nissan Dans die Unswilienheit und Entſitt⸗ 
han an Dip m) Tagrccgten die berena in Der mittel: 
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Miſſion, innere 9 


ante den fruchtbaren Impuls zu neuer Verinnerlihung des Chriftenlebend in der 

ückkehr zu feinen ewigen Quellen und zur Neuentzündung des Feuers thätiger Chrijten- 
liebe. Aber in feiner fubjettivifchen Cinfeitigkeit konnte der Pietismus nur Keimpunkte 
zur Erweckung chriſtlichen Lebens in unferem Volke fchaffen. Die Kräfte des Evangeliums 
mifftonierend in die Geftaltungen des Lebens zu tragen, mar ihm nicht gegeben. Dazu 
bedurfte es der erjchütternden Gottesgerichte, die mit dem Zeitalter der Nevolution auch 
über das proteftantifche Deutfchland hereinbrachen, um mit der Fäulnis der Zuftände in 
Kirche, Staat und Gefellfchaft die Abgründe der Sünde aufzudeden und zu Chrilto als 
dem alleinigen Arzt und Retter hinzudrängen. Mitten unter den Trübfalen der Zeit 
Inüpfte fich zmifchen den Neften des Pietismus in Deutichland (ſ. d. A. Chriftentums- 10 
gejellichaft Bo III S. 821) und den neu entitandenen großartigen Miffionsbeitrebungen 
Englands (ſ. d. A. Bibelgefellfhaft Bo II, ©. 691) ein Bund, aus deſſen Schofe neue 
triebfräftige Keime der Miſſion nach innen und nad außen in Deutichland und der deut- 
ihen Schweiz auffproßten. Die fittliche Regenerierung des deutſchen Volksgeiſtes in ber 
Schule tiefiter Demütigung, die Erfahrungen der rettenden Barmherzigkeit Gottes in den 16 
Berreiungskriegen, das verlangende Suchen nach ben verfchütteten Quellen des göttlichen 
Wortes, die Erneuerung theologifcher Wiffenfchaft durch Schleiermacher, Neander und ihre 
Geiftesverwandten brachen dem neuen Leben immer weitere Bahn. Die theologischen 
Fakultäten öffneten fich wieder der geoffenbarten Wahrbeit, die Predigt des Evangeliums 
twurde wieder lebendig in den Gemeinden. In immer weiteren Kreifen wurde der Abfall 20 
von Chrifto im Volksleben erfannt und kamen die Verpflichtungen zu thätiger Hilfe, — 
wenn auch zunächft überiwiegend nur gegen Arme und Bebürftige aller Art — zum Be: 
wußtfein. Als die naturgemäße Form für folche auf gleicher Glaubensgefinnung ruhende, 
freiwillig übernommene Xiebesthätigfeit ergab fich, oft unter Beteiligung rejp. Führung 
von Barochialgeiftlichen, die des Vereins und der Gejellichaft, refp. der von freiwilligen 26 
Kräften getragenen Anftalt. Um fo mehr fab fich jene Liebesthätigkeit auf die Form von 
Bereinen und Gefellfchaften gewieſen, als den Kirchengemeinden als folchen die Befähigung 
und Altionskraft dazu entweder mangelte oder nody nicht zum Bewußtſein gelommen 
war und Die Hirchenregierungen dem ermachten Miffionsprange noch wenig entgegenfamen, 
ja ihm zum Teil miberftrebten. Mit der wachſenden Klarlegung der Firchlichen, fittlichen 80 
und Yopalen Notitände in der evangelifchen Chriftenheit, wie folche unter der Wirkſamkeit 
jener Vereine und Gefellfchaften und unter den drohenden Erjcheinungen der Zeit cr= 
folgte, entwidelte ſich, wenn auch zunäcft nur bei einzelnen, das Bewußtſein von der 
inneren Einheit der verfchiedenartigen Beitrebungen der inneren Miffion als einer Tota= 
Ität, und von dem Beruf der Kirche, fich als folche zu ihr, als einem mejentlichen Mo⸗ 86 
mente ihres eigenen Lebens, zu befennen. 

Diefen ihren Beruf erkannte und erfaßte die Kirche der Neformation um fo klarer 
und ernftlicher, je mehr ihr die tiefgehende Differenz zwiſchen der Kraft ihres Urſprungs 
und ihrer geichichtlichen Aufgabe einerfeits und ihrem thatſächlichen Wirken andererſeits 
vor Augen trat. Wider den in ihrem Innern fich vollziehenden Zerftörungsprozep mit «0 
aller Kraft anzufämpfen und den Neubau chriftlihen Glaubenslebens in den ihrem Wirken 
entzogenen Lebensgebieten in Angriff zu nehmen, wurde ihr Gewiſſensſache. Dazu be- 
durfte fie jener lebensvollen Beftrebungen in ihrer Einheit. Der Begründer des „Rauhen 
Haufes” bei Hamburg (1833), Johann Hinrich Wichern wurde der Hauptträger biejer 
Bewegung. Was er in feinen „Notftänden der deutjchen evangeliichen Kirche” (1844) #5 
vorausgefagt, traf in den Erjehütterungen des Jahres 1848 ein. Plötzlich war dad Be: 
bürfnis der inneren Miffionsarbeit allgemein dokumentiert und der Boden für die durch 
Ihlagende Wirkung des Zeugniffes gewonnen, dag MWichern auf dem erjten Mittenberger 
Kirchentage, 22. September 1848, für fte ablegte. Die Überzeugung von der untrenn: 
baren Zugehörigkeit der inneren Miſſion zur Kirche brach fih von da ab in immer mei 50 
teren Kreifen Bahn, und ſoweit dies geſchah, ſah ſich die Kirche mit ihren amtlichen In— 
ftitutionen und Organen an die Löſung der großen, die Zeit beiwegenden fozialen Fragen 
mit gewieſen und dadurch mit den Inſtitutionen des Staates und der bürgerlichen Ge— 
fellichaft wie mit dem Bolfsleben in neue, für alle Teile gleich bedeutfame Berührungen 

dt. Bon da ab bat der Strom der inneren Miffton fih in immer zablreicheren 55 

älen dur das evangelifche Deutichland ergoſſen und das Tirchliche wie das foziale 
geben desfelben nach den verſchiedenſten Seiten bin befruchtet. Als ein erites, für die 
weitere Entwidelung der inneren Mifjion erfolgreiches Reſultat ergab fich bereits auf 
jenem Wittenberger Kirchentage die Begründung des „Central-Ausſchuſſes für die innere 
Riffion der deutichen evangelifchen Kirche“, der nicht Fonzentrierend und regierend, jondern 60 


92 Miſſion, innere 


Impulſe gebend, Dienend, und in freier Weife verbindend, das Merk der inneren Miffton 
in allen Kirchengebieten Des evangelijchen Deutſchlands wie unter den Deutichen im Aus: 
lande mannigfadh gefördert hat und bis heute in geiegneter Wirkſamkeit fteht. Die von 
ibm eingerichteten und geleiteten Kongrefje für innere Mifftion, die wechſelnd in den ver 
6 fchiedenen Teilen Deutjchlands abgehalten wurden, der 31. 1901, find in hervorragender 
Weiſe Sammeljtätten und neue Ausgangspunkte für alle diefem Gebiete angebörige Be: 
ftrebungen geworden. Aber keineswegs nur von diefen Quellen wurde der Strom der inneren 
Miſſion geſpeiſt. Das Aufblüben der chriſtlichen Schriftenverbreitung feit dem zweiten 
Jahrzehnt (Cisleben, Wuppertbal, Berlin, Hamburg, Calw, Stuttgart), der dur Joh. 
u0 Falk, (Hraf Adalbert von der Rede, Chr. Hein. Zeller in derjelben Zeit entfachte Eifer für 
Rinderrettungsbäufer, Die Mobilmachung der chriftlichen Frauenwelt durch Die nordiſche Taben 
Amalie Sievefing, und den rbeintfchen Diafonijfenvater Pfarrer Theodor Fliedner feit 
18:33, die Begründung des Guſtav-Adolf-Vereins 1832 u. a. wirkten in reichem Segen 
fort, ob auch äußerlich unverbunden, zur Erweckung des in der Liebe thätigen Glaubens 
5 in den Gemeinden, zur Hebung firchlicher Notftände, zur Anbahnung einer wirklichen 
Volkskirche. So wuchs befonders fett 18-48 der Strom der inneren Miffion an Breite 
und Tiefe und an der Fülle von Armen, in denen er fich, allen Tirchlichen und fittlichen 
Nöten des Volkes folgend, über das evangelifche Teutjchland verbreitete. An Hemmungen 
bat es ibm keineswego gefehlt und zwar nicht nur von feiten eines kirchenfeindlichen Un- 
 qlaubens, fondern auch von feiten eines gläubigen Kirchentums, das zum Teil in gefe- 
licher Auffaſſung des Nircben- und im eimfeitiger Überfpannung des Amtsbegriffes im 
dieſem Strome feine befruchtende, ſondern eine die Firchlicen Grundordnungen unter 
grabende und niederreißende Macht fab. Aber der Autorität der bl. Schrift wie der 
firchlichen Vekenntniſſe gegenüber und unter den unabmweislichen Einfluß der Realitäten 
25 Dea Yebens konnte dieſer Widerfpruch für die Dauer nicht ſtand balten, zumal feine beften 
und edelften Träger troß ihres Doktrinarismus diefelbe innere Miſſion, welche fie befeb- 
Deten, an ihrem Teil tbatfächlich übten. So unerfreulid, und zwar nicht ohne Mitver- 
chuldung aucb der anderen Zeite, jme Spannungen twaren, dienten fie doch zugleich der 
inneren Miſſion als eine Schule der Zelbitfritif zur Nlarftellung und Befeitigung ibrer 
so firchlichen Prinzipien und zu immer bewußterem Ausscheiden aller einer gelund evange 
liſchen Mirchlichfeit fremdartigen Elemente, Aus ihrer Sturm: und Drangperiode reifte 
fie einem Mannesalter entgegen, deſſen wachſende Mraft auch das Feuer der erften Liebe 
immer neu entzündete. Wäbhrend ſie ibrerjeits befruchtend auf weite reife von “Theo- 
logen und auch auf die Theologie einwirkte, empfing fie von dieſer ale Gegengabe die 
BB Nufnahme ihrer Prinzipien und Siele und die Bebandlung ibrer Methode in die Arbeit 
der theologiſchen Wiſſenſchaft, mebefondere der Etbif und der praftifchen Theologie, und 
zwar zur Foͤrderung beider, der Theologie wie der inneren Miſſion. — Sehr weſentlich 
bat zur immer allgemeineren Anerkennung der Gang der Zeitgefchichte beigetragen, die 
mehr denn je Die Bedeutung des Chriſtentums und der Kirche für die Geſellſchaft ind 
w vicht stellte und damit nicht nur eine Apologie der innen Miſſion, fondern ein dringen: 
der Mahner zu ibr wurde, Ten finiteren Mächten gegenüber, welche den Sturz des 
Chriſtentumo, Die Beleitigung aller Neligion, Die abfolute Negation Gottes, die Vernich⸗ 
tung alles göttlichen und menschlichen Nechtes als Bedingung des Volfeglüdes und Die 
evolution als Die wahre Neligton proflamieren und Die für das Reich des Böfen mit 
65 dem Heißſtbunger des Haſſes mifjionieren, iſt die Verpflichtung zur innern Miffton wie 
noch nie zum Bewußtſein gekommen Die materialiftiihe Welt und Lebensanfchauung 
und ibr Niederjchlag unter den ſich wirtjchaftlich benachteiligt fühlenden Kreifen, die Sozial- 
demofratie, haben es nachgerade unzweifelbaft gemacht, daß es ſich innerhalb der Chriſten⸗ 
beit, auc der evangeliſchen, um nichts anderes als um cine erneute Ghriftianifierung 
60 weiter Gebiete Des Volkslebens und einer entebriftlichten Nultur handelt; und Erſchei⸗ 
mungen die Die bedrohliche Zunahme der Verbreden, die wachſende Verwilderung der 
Jugend, das Überbandnehmen der Selbſtmorde haben dieſe Überzeugung nur befeltigen 
konnen. Unter dieſen Umftänden ift Die Spannung gegen die innere Miffton, mo fie 
noch vorbanden war, mebr und mehr zurüdgetreten und bat vielfach der wärmſten Xiebe 
55 zu ihr Raum gemacht, jo daß Ste immer mehr zu einem Bande des Friedens wird, 
welches Die im tiefſten Slaubensgrunde einigen kirchlichen Nichtungen, bet unverleßter 
Aufrechterbaltung ihrer landestirchliden wie konfeſſionellen Eigenart, verbindet. 
2. Name und Weſen der J. M. (im Anſchluß an Oldenberg TERE II. Aufl.) 
Ihr Name tft vorzugsiverfe auf Wichern zurückzuführen. Derſelbe entjtand ihm an der 
eo Reflexion über die Heidenmiſſion ale einer von Herrn der Kirche übertragenen heiligen 


Milfion, innere 93 


Verpflichtung, und über die gleichzeitig mit eindringendem Blicke von ihm erkannten Zu: 
ftände innerhalb der evangelifchen Chriftenwelt. Mit dieſem Einblid in die Tiefe der 
vorhandenen kirchlichen Notitände, in den offen und im Verborgenen muchernden Abfall 
von Chrifto, in die Unmifjenheit und Berwahrlofung weiter Volfekreife, in die aus dem 
Allen drohende Löfung der fozialen Urdnungen erfaßte und erfüllte ihn die Überzeugung, 5 
dag die Kirche zur Steuer folcher Not und zum Bau des Reiches Gottes unter ihren 
eigenen Gliedern einen gleichen Miſſionsdienſt zu tbun und einen gleichen Miffionseifer 
zu entfalten habe, wie in der äußeren Miffion den Heidenvölfern gegenüber, ja daß ihre 

eidenmiffion die Kraft der Wahrheit nur dann habe, wenn die Kirche ihren Miffions- 
eruf zugleih an ihren eigenen Gliedern erfülle. In der Xebensarbeit Wicherns wurde 10 
diefe Überzeugung zur That. Als nad Begründung des Rauhen Hauſes an ihn von 
Freunden der Heidenmilfion das Berlangen gerichtet wurde, die dortige Brüderanftalt zu 
einer Bildungsjchule für Heidenmiffionare zu erweitern, lehnte er, bei wärmſter Xiebe zur 
Heidenmilfion, diefe Anträge doch ab in der Gewißheit, daß das Rauhe Haus den Beruf 
empfangen babe, der gleich wichtigen Million an den VBerirrten, Verlafjenen und Abge: ıs 
fallenen innerhalb der evangelischen Chrijtenheit zu dienen. So ergab fib ihm ungefucht 
und unmittelbar aus dem Xeben heraus der von ihm zunächſt in diejen privaten Crörte: 
rungen gebrauchte Name der inneren Miſſion. Unabhängig davon wurde derjelbe auch 
von Abt Dr. Lücke in Göttingen, aber überwiegend für den Dienft gebraucht, welchen 
die evangeliſche Kirche an ihren Gliedern in der Diajpora, und melden eine relativ ge: 20 
funde Kirche an einer anderen entarteten zu erfüllen bat (vgl. „die zwiefache, innere und 
äußere Miſſion der evangel. Kirche, von Dr. Friedr. Yüde”, Hamburg 1843). Bon Wichern 
aber in feinem Sinne in öffentlicher Wirkſamkeit vor immer weiteren Streifen vertreten, 
wurde jener Name, zumal feit feinem zündenden Appell an die ewangelifche Kirche auf 
dem ertten Nittenberger Kirchentage (1848) als treffende Signatur der nad innen ge: 25 
richteten chrijtlichen Nettungsarbeit vom firchlichen Bemwußtjein und Sprachgebraud) all: 
gemein adoptiert. 

Ihrem Weſen nach iſt die innere Miffion die Fortſetzung oder Wiederaumahme der 
urjprünglichen Miffionsarbeit der Kirche innerhalb der Chrijtenwelt zur Überwindung bes 
in ihr noch ungebrochen gebliebenen oder wieder mächtig gewordenen Unchrijtentums und ao 
Widerchriſtentums. In diefen Sinne jchließt fie fich als unmittelbare Fortführung an 
jene erfte (Heiden-Miffion jo jehr, daß der Unterſchied zwiſchen diefer und ihr an ben 
Grenzen der Chrijtenheit oder in neu begründeten Chrijtengemeinden ein durchaus fließen: 
der iſt. — In weiterem Sinne und nad) ihrer gejchichtlichen Entwidelung gehören der 
inneren Miſſion aber auch alle diejenigen freien Bethätigungen der aus dem Glauben ss 
ſtammenden Xiebe an, durch welche nicht nur rettend, fondern auch vorbeugend und be: 
wahrend die Kräfte chriftlichen Heiles den gefährdeten Gliedern der Kirche wie ganzen 
Vollsgruppen wieder zugeführt werden. Aber auch in diefem teiteren Sinne und troß 
fließender Grenzen iſt das oben bezeichnete Moment der Chriftianifierung als tiefiter Cha- 
rakterzug der inneren Miſſion und als Nechtfertigung ihres Namens in mannigfachiter «0 
Weile wieder zu erfennen. 

Ihr Grund ift der Glaube an Jeſum Chriſtum, den Gekreuzigten und Auferftan: 
denen, und die aus dem Glauben an Ihn, den Berföhner und Seligmacher, und aus der 
agenen Erfahrung Seines Erbarmens geborene, in Gebet und Arbeit jich jelbjtlos in den 
Dienſt Seines Reiches hingebende Samariterliebe. 6 

Ihr Ziel ift die Gewinnung oder MWiedergewinnung der Verirrten und von Chrifto 
Abgefallenen für Ihn und Sein Ned, die Stärfung des Schwachen, die Pflege des 
Kranken und die Ueberwindung der Mächte der Finſternis, welche inmitten der Chrijtenbeit 
den Bau dieſes Reiches in den einzelnen Seelen, wie in Familie, Gemeinde, Kirche, Staat 
und Geſellſchaft hindern. 50 

Subjelt der inneren Mijfton kann nur die in Wahrheit chriftliche Genteinde und 
deren in lebendigem Glauben und Belenntnis ftehende Organe und Glieder fein: Die 
amtlichen Organe nicht nur in ihrer amtlichen Dualität, fondern auch als chriftliche “Ber: 
fönlichleiten; die gläubigen Glieder der Gemeinde kraft ihrer Gliedſchaft am Leibe des 

und mit jenen durch das allgemeine Prieftertum zum Dienft der barmberzigen 56 
Liebe ebenjo berpfn tet wie berechtigt, alle aber je nach dem Maße der einem Jeden zu 
teil gewordenen Gabe und in den Schranten ihres äußeren und inneren Berufes, mithin 
auch in freier Unterorbnung unter die vom Norte Gottes gejegten und gebeiligten kirch— 
lichen, ftaatlihen und gejellfchaftlihben Schranfen, jo daß die Stirche als folche den Beruf 
bat, Trägerin und Pflegerin der inneren Miſſion zu fein und daß fie diefen Beruf in eo 


92 Miffion, iunere 
—— — — ee a ee ne 
—— Ber un ——— —*9 Rt in n rend —— ftebt | 


6 ſchiedenen Teilen Deutjchlands — der en 1901, 
Ser —— — und neue Ausgangspunkte für 
teebungen geworden. Aber keineswegs nur en enge Inn 

Miſſion — Das Aufbluhen der chriſtlichen — ——————— me 
abrzehnt (Eisleben — I, Sit), da 
Chr. Han. 9 len Ar 
nderrettung , die Mobilmad ng der —— — ——— 
ie Sievefing, md den rheiniſchen Diakoniffenvater Pfarrer Theodor — ſeit 
1833, die Begründun des ren 18 1832 u, a, wirkten in 
Metelen bei unverbunden u, Grwedung 60 in der ce iin Olnuan 
15 in ben Gemeinden Hebung Fi Eirchficher Notjtände, inneren Mffion 
| jr onders ſeit 1848 der Strom se inneren Miffton * Breite 


Beate: des Volkes —F über das — Dekan verbreitete. fs 








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und nieberreifende Macht fab. "Aber der Autorität der bl. era nn der 

ichen Bekenntniſſe gegenüber und unter dem unabweislichen Einfluß der Nealitäten 
Lebens konnte diejer für die Dauer nicht ftand halten, zumal feine bejten 
eveljten Träger. 100 ibres Doftrinarismus diefelbe innere Miffion, welche fie befeb- 
beten, an ibrem Teil tbatjächlich übten. So un ich, und zwar nicht ohne Mitver- 
a auch der anderen Seite, jene Spannungen waren, dienten fie doch zugleich der 
iſſion als eine Schule der Selbitkritif ge ur Rlaritellung und Befeitigung ibrer 

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50 ien und zu immer beiwußterem Ausjceiden aller einer gejund 
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Ehriftentums, J eſeitigung ale elinion, die abjolute Negation Gottes, die Vernich 
tung alles göttlihen und menſchlichen echtes als Bedingung des Vollsglüdes und bie 
Revolution als die wahre Religion proflamieren und die für das Reich des Böfen mit 
#5 dem Heißhunger des Hafjes miffionieren, ijt Die Berpflihtung zur innern Miffion wie 
noch nie zum Bewußtſein gekommen. Die materialiſtiſche Welt und Leb 
und ihr Niederſchlag unter den ſich wirtſchaftlich benachteiligt fühlenden Kreiſen, die Sozi 
demokratie, haben es nachgerade unzweifelhaft gemacht, daß es ſich innerhalb der Chri 
heit, auch. der evangeliſchen, um nichts anderes als um eine ermeute Shriffiam terung 
50 weiter Gebiete des Vollslebens und einer entchriftlichten Kultur bandelt; und ——* 
nungen wie die bedrohliche Junahme der Verbrechen, die wachſende Verwild der 
ugend, das Uberhandnehmen der Selb ſtmorde haben dieſe Überzeugung nur i 
önnen. Unter dieſen Umſtänden iſt die Spannung gegen die innere Miſſion wo 
non vorhanden war, mehr und mehr zurüdgetreten und bat vielfady der wärmiten 
55 zu ihr Raum gemacht, ſo daß ſie immer mehr zu einem Bande des Friedens he 
welches die im tiefiten Glaubensgrunde einigen kirchlichen Richtungen, bei unverlegter 
Aufrechterbaltung ihrer landeskirchlichen wie fonfeffionellen Eigenart, verbindet. 
2, Name und Weſen der J. M. (im Anſchluß an Oldenberg THRE HI. Aufl). 
37 be Name iſt vorzugsweiſe auf Wichern zurückzuführen. Derſelbe entſtand ihm an der 
so Reflexion über die Heidenmiſſion als einer vom Herrn der Kirche übertragenen heiligen 









Milfion, innere 


eem Maße erfüllen wird, als fie nach Belenntnis und Leben den Geift und die Ord— 
nungen des göttlichen Meiches in ſich aufnimmt. 

Tbjelt der inneren Miſſion ift weder die twiedergeborene Perſönlichkeit, noch die in 
Mabrheit chriftliche Hemeinde, Die vielmehr der pfarramtlichen allgemeinen und befonderen 

6 Zetelſorge angebort, fondern Die inmitten der Ghrijtenbeit von Chriſto Abgeirrten, durch 
Unmiifenbeit ibm ‚Kerngebliebenen, dur Unglauben von ibm Abgefallenen, ober unter 
ben verfehiedenen Cinflüffen äußerer Not mit Abfall Bedrobten, ſowohl einzelne, wie 
Bollegruppen und Volksmaſſen. Darum findet die innere Miffion auch an den von Gott 
gelegten (Semeinfchaften (Familien, Ständen, Gemeinden, Staat, Kirche ꝛc.), fofern fie 

16 vurch unchriſtliche oder widerchriftliche Mächte desorganifiert und zerrüttet find, die ihrem 
Tienſte zugewieſenen Objekte. Wo aber das, was ihren Namen führt, nur ihren Schein 
iruge, aber in Glauben, Bekenntnis und Thun in Miderfpruch mit dem Worte Gottes 
rate und micht Gottes Reich, Sondern ihr eigenes baute, wäre es nicht innere Miffion 
mehr, fordern Objekt derjelben. 

Ih Tie Mittel, durch welche die innere Miffion wirft, find Bezeugung der fuchenden, 
mahnenden, ftrafenden und erbarmenden Gotteshiebe durd Zeugnis von Chrifto in Gefek 
und Evangelium, mit Wort, Schrift und mit dienender Yiebesthat. Sofern die zu über 
windende geiftliche Not mit leiblihbem Mangel, mit Krankheit oder anderen Übeln in 
Berbindung ftebt, gebört die auf Überwindung derfelben gerichtete Fürforge zu den Mit- 

so tel, mit twelchen die innere Miſſion wirkt. Überall aber wird fie nicht jene Übel nur 
befeitigen, jondern ſoweit diejelben im Unglauben und aus ihm erwachſenen fittlichen 
Schäden ihren Grund baben, an dieſe Wurzeln und Quellen ibre fürjorgende Hand legen, 
um nicht nur Yinderung oder äußere Heilung der Übel, fondern mit ihr ‘und durd fie 
das chrijtliche Seil zu vermitteln. Die rechte Verbindung leibliher und geijtlicher Für: 

25 ſorge, eines gefunden Realismus in innerer Einheit mit chrüjtlichem Idealismus ift eine 
der twichtigjten und zugleich fchiwierigiten Aufgaben der inneren Miffion, welche nur die 
aus der Yiebe ſtammende Weisheit und der chriftliche Ernft zu löfen um ſtande ift, welcher, 
alter Weichlichfeit fern, Die auch im Geben und Tienen ſich verbergende Gelbftjucht durch 
Zelbjtzucht überwindet. — So entjchieden die innere Miſſion aller Verzerrung und Leug- 

go nung Der von Gott gejegten Lebensordnungen entgegentritt und für die Heiligtümer bon 
Antorität und Pietät einftebt, muß fie es Doch als außerhalb ihres Berufes liegend er: 
kennen, in den Kampf politifcher, firchenpolitticher oder fozialer Parteien ale Partei ein- 
zutreten. Sie würde Damit Fremdartiges und Vrefäres ihrem Weſen beimifchen und die 
Erfullung der ibr für den Bau des Neiches Gottes geftellten Aufgabe dem Staube tie 

85 den Flutungen des Parteitreibens preisgeben. — Überall aber werden die Mittel, d 
welche Die innere Miſſion wirkt, nur dann von Erfolg fein, wenn deren Träger perfünli 
die Iebendigen und wabrbaftigen Zeugen der von ihnen bekannten Wahrheit und darge 
botenen Yiebe find. Alle Heilmittel der innereren Miffton konzentrieren ſich daher in den 
für ihren Dienſt tbätigen chriftlihen Perjönlichkeiten. 

M Aus dem Geſagten ergiebt Jih zur Genüge, daß es ein Irrtum tft — leider ein 
weit berbreiteter die innere Miſſion für den Komplex von allerlei Vereinen und Ans 
talten zu balten, Die fih nad der einen oder anderen Seite mit chriftlichen Liebeswerken 
wubuftigen. Ob auch ſolche Vereine und Anftalten der Oekonomie der inneren Miffion 
nnenthehrlich find, wird ihr Inhalt durch fie Doch nichts weniger als erſchöpft. Es giebt 

aa cin Alirken der inneren Miſſion durch Perfönlichkeiten und ganze Kreife, das Anftalten und 
Vereine weder bat noch bedarf. Und es giebt Anjtalten und Vereine, die darum, meil 
ie shriltlich find, noch keineswegs der inneren Miſſion angebören. Jener Irrtum ift um 
\ entichiedener abaulebnen, je mebr er die Gefamtauffaflung der inneren Miffion und 
Do richtige Verſtändnis ihrer einzelnen Erſcheinungen irritiert. 

ww Jugleich erbellt aus Dem Ubigen, daß und wie ſich die innere Miffion von allen 
nur philanthropiſchen oder humanitären Beitrebungen unterjcheidet, die nicht, mie fie, 
von den Motiven des chrijtlichen Seiles und den Zielen des Neiches Gottes beftimmt, 
ein gegen dieſe indifferentes und von ihnen mebr oder minder unabbängiges Menfchen- 
wohl verbreiten wollen. Den relativen Wert diefer Beltrebungen erfennt die innere 

65 Meiſſion willig an und darf jich ibrer um fo mehr freuen, jemebr diejelben, ob auch un: 
bewuſit oder halbbewußt, in ihrem ethiſchen Gehalte als aus dem Duell des Chriftentums 
entſprungen ſich erweiſen. Ja fte wird auch für die realiftifche cite ihres Thungs man: 
nigfach von ihnen zu lernen baben. Aber ebenjfo bat fie Durch die Klarheit ihres Blickes 
fir das Verſtändnis der Not und ihrer Cuellen, durch die fichere Hand in ihrer beilenden 

w Behandlung, durch thätige Berwäbrung chriftlichen Geijtes in der Übung der Barmherzig⸗ 


Miſſion, innere 95 


feit, durch Opferreichtum und lautere Selbftlofigfeit der Philanthropie zu chriftlicher Ver- 
tiefung als Impuls zu dienen. 

Abweichend von diefen Wichernſchen Grundgedanken bezeichnet Schäfer in, Diakonik“ 
und „Leitfaden“ die innere Miffion als „diejenige Tirchliche Heformbewegung des 19. Jahr— 
hunderts, welche den inneren Zuſtand der Kirche dadurch zu befjern unternimmt, daß fie 6 
die Werke der Barmherzigkeit ebenjo wie die freie Verfündigung des Evangeliums dem 
Leben der Kirche einpflangen und in ihr wirkſam machen will”. Damit foll ibre Kirch: 
lichfeit beiler gewahrt und in ihrem Rahmen den Werfen der Barmberzigfeit (namentlich 
der thatfächlih Wicherns Erwartung inzwiſchen weit übertreffenven Diatonijlenjache) eine 
ibrer Bedeutung entfprechenvere Stellung angewiejen werden. Aber, fo beachtenswert 10 
Beides auch iſt, dürfte Doc an der urfprünglichen Tiefe und Weite der Weſensbeſtim⸗ 
mung feitzuhalten, ſich beſonders darum empfehlen, weil ibre gejchichtliche Entwidelung, 
von der noch zu reden tft, notorifch auf die gefamte chriftliche Volfögemeinfchaft bin ge: 
richtet ift, auf daß in diefer gemäß der durch Chriftum gewonnenen Lebenseinheit von 
Kirche, Familie und Staat, wie Wichern in feiner Denkichrift propbetifch ausführt, „nichts ı5 
mebr ſei, was der geiſtlichen Lebensordnung des Reiches Gottes mwiderftrebt”. Auch durd) 
„die Werke der Barmberzigkeit und die freie Verfündigung des Evangeliums” bereichert 
behält die Kirche ala Kirche der Reformation in ihren lebendigen, zu freiem charismatt- 
ſchem Dienft verbundenen Gliedern ihre Mifjion an dem Gejamtleben des äußerlich ihr 
angebörigen Volkes. 20 

Bon diejer ihrer inneren Miffion iſt begrifflih mohl zu unterfcheiden, wenn 
auch geichichtlich eng mit ihr verbunden, die Diakonie der Kirche, d. h. diejenige Hand: 
reichung ihrer aus dem Glauben geborenen Liebe in Wort und Werk, melde unter allen 
Umftänden und zu allen Zeiten, ganz abgejeben vom volkskirchlichen Gejamtcharafter, be: 
nötigt und berechtigt bleibt, jo lange es leiblich und geltie pflegebedürftige Einzelglieder 25 
giebt. Die Diakonie gehört ihrem Weſen nach zur Tirchlichen Organifation; ihr eigen: 
tümlich getvordener Anjtalts- und Genofjenichafts-Charafter (ſiehe die Artikel „Diakonen“ 
und „Diafonifien” Bd IV ©. 600—620) ift nur Mittel zu diefem Bioed. Die innere 
Miſſion zielt auf den Volksgeiſt und feine derzeitigen, von der kirchlichen Organifation 
nicht erreichten Delamefchäden und leiftet ihr felbftitändig für die Überwindung der it? 30 
teren die nötigen Aufllärungs-, Werbe- und Pionierdienſte, bereit, in dem Maße zurü 
zutreten, als jene diejer zur heilfamen Durchdringung des Volkslebens nicht mehr bedarf, 
aber auch allezeit gerüftet, neu entitehenden Geſamtſchäden entſprechendermaßen zu begegnen. 

3. Arbeitsgebiet, gejhichtlihe Entwidelung und bejondere Aufgaben 
in der Gegenwart. — Den umfafjendften Überblid über die Arbeitsgebiete gewährt ss 
die vom Gentralausfchuß 1899 bearbeitete und mitteljt Einzeldarftellungen ſeitens der be: 
rufenjten Fachmänner von ihm herausgegebenen Statiftif der inneren Mifftion der deutfchen 
evangeliſchen Kirche nach folgender Einteilung (mehr ſyſtematiſch, weniger praftifch teilt 
Schäfer ein: Geiftlihe Notitände und Hilfe, fittliche desgl. und äußere desgl., Wurſter: 
Der Kampf gegen vorwiegend phoftiche, joziale, fittliche, religiös-tirchliche Notſtände, Leh- so 
mann: Die Werke der rettenden, bewahrenden, gewinnenden Liebe. Wie logisch auch ein 
ſolcher oder anderer Geſichtspunkt für die Einteilung eingehalten wird, das Leben der 
mneren Million tft zu mannigfaltig, und ihre Zmeige find zu innig ineinander und mit 
den der inneren Miſſion verwandten Beltrebungen verjchlungen, um einen Gejichtspunft 
zum allein maßgebenven zu machen). 4 

A. Fürſorge für die Kinder (Krippen, Kleinfinderfchulen, Kindergottesdienite 
bezw. Sonntagsfchulen, Kinderhorte beziw. Beichäftigungsanftalten, Rettungshäufer und 
Erziehungsanftalten für Nichtlonfirmierte, Waiſenhäuſer, Erziehungsvereine, Konfirmanden: 

l 


ten). 
A Fürſorge für die heranwachſende Jugend (Jünglingsvereine, Lehrlings- so 
vereine, Lehrlingsheime, Chriftlich geleitete höhere Schulen, Chriſtliche Alumnate, Yung: 
frauenvereine, Haushaltungsſchulen, Mägdebildungsanftalten, Rettungshäuſer und Er- 
ziebungsanftalten für Konfirmierte, Jugendbund für Entjchiedenes Chriftentum). 

©. Fürſorge für die wandernde und heimatfremde Bevölkerung (Her: 
bergen zur Heimat, Geſellenheime, Arbeiterfolonien, Mädchenbeime und Mlägdeherbergen, 55 
Arbeiterinnenheim, Bahnhofsmiflion, Vereine der Freundinnen junger Mädchen, Scemanne: 
mifion, Fürforge für Flußſchiffer, Sachſengänger, Eifenbahn:, Kanal-, Ziegelarbeiter 
u ., Kellnermiffion, Soldatenmijlion). 

D. Hebung chriſtlichen und firdlichen Sinnes in den Gemeinden (Stadt: 
miſſion, Evangeliſch⸗kirchlicher Hilfsverein, Kirchliche Männer: bezw. Parvchialvereine, 60 


- 
- 


5 


96 Miffion, innere 


: Arbeitervereine, ilien-, Gemeinde-Abende, Volksfeſte u. 
—— —— —— — Vorteigecflen, Veemehäufe, 


-E Surforge für Iehrenie Rirhenalieer © — — 


— an und lemensjtene —— und —— — 
lrmen⸗ und 


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G. Betä einzel t, b Not ind 
Ki 3* e et an de ejon Bari grad e — ee 
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er u 
, Chriftliche Vereins: und — 


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Bi 7 tion d Mi 
"Gas Öefamigeie, men pie Eh rag ae 


20 7 am Sen, Arbeitsträfte S Berufsarbeiter, Inſtruktionskurſe, 
rn ur — von Berufsarb ern, und von Berufsarbeiterinnen, 


* er Einteilung geordnete ſtatiſtiſche Material iſt an ebener Stelle 
na en, ‚ann Ex aue von allem, was > 1800 — natur⸗ 
ß der Bedeutung und B 

* suchten Si == — auf — die oe ins be 










har — ton BY» XI S sro, Kutherifcher Gotieälahen i. —* VII ©. RN 
Demgemäß An, Teitbem je e3 im dem vierziger und — Sy (tie a —— 
35 iur One a 


Us t eigens bo ebildete Berufdarbeiter. ve inneren —— ba waren 
Wicherns „Brüder zo a 


neue cup In Gin wie denn Michern von vornherein Die — — rear 
ugleich als Vorarbeit für die Mitwirkung in der Volkserziehung angejeben und gepflegt 
= (jeit 1848 die Stabtmij * eit 1854 die „Herbergen zur Heimat“, jeit 1856 ber 
ufjeberdienjt in den preußiichen Gefängniſſen, jeit Anfang der ſechziger yahre Pflege 
der männlichen Kranten, Böden und Epileptiichen, jeit dem däniſchen Kriege die Feld— 
diafonie); der — ge entſprach die Entſtehung weiterer — Duisburg 
1845, Züllcher inter 1850, Nobannesitift bei Berlin 1858 u. a.). 
Parallel ging die zunehmende Mobilmachung gläubiger, nicht berufsmäßiger Kräfte 
so aus den Firchlichen Gemeinden für die Sammlung der eingefegneten männlichen Jugend 
(ünglingsvereine feit 1838), für die kirchliche Armenpflege (Elberfeld 1853), für bie 
Sonntagsihule (Hamburg bereits 1825, Weiterverbreitung bejonders jeit 1862). — Bon 
ben bejonderen, durch Wicherns Dentfchrift angeregten und unter feiner Yeitung bis zu 
jeiner Erkrankun ‚(bis 1872) durch den Central⸗Ausſchuß geförderten Beſtrebungen ſind 
65 hervorzuheben: Die — — der Eiſenbahnarbeiter an den großen Bahnbauten in 
den fünfziger Jahren, die Fürſorge für die Auswanderer und die mathe Deutfchen 
im Auslande jert derjelben Zeit, die Bemühungen um Hebung der Sonntagsfeier bes: 
gleichen, die Begründung von Gefängnis-Bereinen und Gefangenen:Wiplen, Die rg 
zung der Herbergen zur Heimat und ihre innere Stärkung (1857 Moreßbüchlein für 
on Sanbiverfögeiellen), das erfolgreiche Vorgehen gegen die Spielbanfen 1854-67, bie Sich- 


Miſſion, innere 9 


tung der chriftlichen und die Rüftung wider die chriftentumsfeindliche meltliche Litteratur 

zu Anfang der fechgziger Jahre, die Anitellung von theologiſchen Berufsarbeitern (1863 

Heſekiel und Meyeringh), die Vaftorierung der Hollandsgänger (jeit 1861), die Begrün- 

dung zahlreicher Provinzial und Yandesvereine für innere Miffion (nachdem der rheinifch- 

Pak ihon 1849 vorangegangen, beſonders 1864—68 3. B. die Südmeltdeutiche 6 
onferen;). 

Nachdem jo Begonnenes weitergeführt und eine Reihe neuer, die verfchiedenen Ziveige 
lofal zufammenfafjenver Arbeitsgemeinjchaften entftanden war, lenkten feit 1870 namentlich 
die fittlich-fozialen Notjtände die Aufmerkſamkeit auf fich, die durch die Entmwidelung der 
Induſtrie und durch das Anwachſen der großen Städte entitanden. Den Kampf gegen 10 
bie öffentliche Sittenlofigkeit eröffnete die bezügliche Denkſchrift des Central-Ausſchuſſes 
vom Jahre 1869. Für die Mitarbeit der evangelischen Kirche und ihrer inneren Miffion bei der 
Löſung der Arbeiterfrage wirkte babnbrechend und richtunggebend der Stuttgarter Kongreß 
1869, die Bonner Arbeitgeberfonferenz 1870, die Berliner Kicchliche Oftoberverfammlung 
1871 und der Ba in Halle 1872. Wicherns Rede in Berlin, feine lebte öffentliche, 16 
war ingbefondere ein Programm, an deſſen Ausführung die —— — zu 
arbeiten gehabt. Wie ſehr die ſoziale Frage danach auf den Kongreſſen im Vordergrunde 
ſtand, zeigen die Verhandlungen in Dresden 1875 über bie Mitverantwortlichkeit der Ge- 
bildeten und Bejigenden für das Wohl der arbeitenden Klafien, in Danzig 1876 über 
die Sonntagsfeier, in Bielefeld 1877 über die Erziehung der Töchter des Arbeiterjtandes, a0 
die Stellung der inneren Miffion zur Sozialdemokratie, die Überwindung der Hinderniffe 
der Sonntagsfeier, in Magdeburg 1878 über die fozialen Verpflichtungen, die. dem Chriften 
aus feinem Befite erwachſen, in Stuttgart 1879 über das Lehrlingsweſen, und die Dent- 
ſchrift des Gentral:Ausichufles 1879 über die jugendlichen Yabrilarbeiter. In allem dem 
jab die innere Miſſion grundfäglich von aller fozialpolitiichen Agitation ab und einzig 25 
ibre Aufgabe darin, das Gewiſſen für die Abjtellung thatfächlicher Behinderungen des 
religiög=fittlichen Lebens wachzurufen, den Heilfräften des Evangeliums die Wege zu 
babnen und fie insbejondere denjenigen Stlafjen zuzuführen, die den Lodungen der Sozial: 
demofratie am meilten ausgeſetzt find. — Die fiebziger Jahre mit ihrer Fruchtbarkeit 
auf dem Gebiete der öffentlichen Gefeggebung boten der inneren Miffion in ihren be- so 
rufenen Organen, befonders dem Central-Ausſchuß, auch mannigfadhen Anlaß zu Vor: 
ftellungen und Betitionen in chriftlich-fittlichem Intereſſe, jo in Sachen des preußiichen 
Bormundfchaftsgejeßes 1874, der Fernbaltung des Bordellweſens 1875 und des preußi- 
jchen Geſetzes vom 13. März 1878 über die Unterbringung verwahrlofter Kinder in 
Familien und Anjtalten, welches leßtere namentlich der inneren Miſſion geiſtesverwandt, 85 

im Gentral-:Ausihuß zur Aufnahme einer Statiftil der bejtehenden Nettungshäufer führte 
(in einer Dentichrift 1882 verarbeitet). 

Es war die Zeit der Hochflut des theoretifchen und praktischen Materialismus. 
Immer mehr wurden defjen zerfegende Einflüfje namentlich im wirtfchaftlichen und gefell- 
Ichaftlichen Leben empfunden und traten hier am drohendſten in dem Anfchwellen der so 
fozialdemofratifchen und anardiftiichen Bewegung hervor. Ten notgedrungenen Kampf 
wider die gejteigerte Entchriftlichung des Volkslebens nahm als Vorkämpfer aller. chriit- 
lichen Volksfreunde in der Öffentlichkeit Hofprediger Stöder auf durch fein epochemachendes 
Auftreten in der Berliner fogenannten Eiskeller-Verſammlung 1878, erwachſen aus feiner 
kraftvollen Reorganifation der Berliner Stabtmiffion. Namentlih an feinem Beifpiel 45 
entzündete fich mweitbin ein reger Eifer für das Durchdringen des öffentlichen Lebens mit 
dem Geilte des Evangeliums. Auch der Staat fam unter dem Eindrud der Attentate 
zu energifcherer Abwehr der verderblihen Strömungen und begann, feine neuere Geſetz⸗ 
gebung einer Sichtung zu unterziehen. Am 17.November 1881 erfolgte die Allerhöchſte 

undgebung der Reformgeſetzgebung auf fozialen Gebiet mit ihrer ermutigenden Wirkung so 
auf alle einfichtigeren und arbeitsfreudigeren Volfsfreunde Zu dem Zweck, über die An- 
wendung der chriſtlichen Glaubensgrundſätze auf die mwirtichaftlichen und gefellfchaftlichen 
Fragen der Zeit eine möglichjt beitimmte, zu gleichartigem Handeln führende und den 
Irrtümern der Zeit einen feiten Damm entgegenjeßende Überzeugung herausbilden zu 
belfen, verfaßte der Gentral-Ausihuß eine Denkichrift, die wie faum eine andere ſeit der⸗ 56 
jenigen Wicherns vom Jahre 1849 meitbin Härend und richtunggebend wirkte: „Die 
Aut der Kirche und ihrer inneren Miſſion gegenüber den mwirtichaftlichen und gefell: 
ſchaftlichen Kämpfen der Gegenwart” 1884 („die Kirche mit dem lauteren Evangelium 
auch auf diejen Gebieten das Gewifjen der Völker — das it das höchſte Ziel ihrer inneren 
Miſſion“). 60 
ResisEuchklopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XI. 7 


98 Miffion, innere 


zeiti en die Proftitution (Denkſchrift 1885) und bie 
— Marian HR. nn — — 





Lutherjubiliäums 1883 übte eine merklich 
auf bas evangelifche emeinbeleben und ermunterte zu neuen —— 
— Botfchaft eflını aus Den Sucen Saw 
| ww a auf Die en en 
evangelijch, patriotijch und ‚Toni * Bergarbeiter in Weſtf 


erbereins-Beiven — Mich ge 
—— * br Rolfstümlichkeit evangel 
h = ö " —— eröffnete (j. Schäfer, vr sungen Rue 













gend riſche Perf ee 
inneren in Raitor von 2 1831 als © Sand: 
Bin Bee. —— 


— — Ben er - 
araus mit m 

nern). 1882 ieh ibn die Liebe ven vielen Taufenden von Arbeits: und Sb 

236 dachlojen rn ER der Arbeiterfolonie Wilhelmsdorf in der Senne; fein Vorgehen 

auf diefem * mehr Nachfolge, 1886 Bereits 15 —— lonien; in 

Verbindung "Bang ſchu * er, auch von Behörden — ein Netz v on Wanderer Ver 


nen möglichſt mit —— Arbeitsſtätten, und 1885 * auch in vor: 
icher Weife die Erri —— Arbeitertvohmungen bei Bielefeld zu Eigentumserwerb 
50 — 5 ——— — en und [ und Yinabe 3 — 


— ——— "wandernde Do aufs neue in F bie en * eimat 
bermebrten ſich von 1885 bis 1888 von 207 auf 327 in u; bie Dee auf dem Boden 
85 bes von ihm 1886 b eten Deutjchen Herbergsvereins kam es zwiſchen den neueren 
Grundſätzen und Erf en und den älteren, befonders d die Brübderanitalten ver: 
tretenen zu Elärender Ausſprache und fürbernden Normen. Auch Arbeiterinnentolonien 
( Srrauenbeim“ bei Hildesheim u. ——— faſt gleichzeitig. Mittelbar kam die neue Be— 
wegung auch ber vom Central⸗Ausſchuß gepflegten Seemannsmiſſion zu gute. In Verbindung 
40 mit deutjchen Freunden in England und © ottland wurden in dortigen Hafenorten Leſe— 
—— für deutſche Seeleute errichtet (1885), mit denen Einrichtungen zur Beherbergung ber: 
nden wurden. Erheblich zahlveiher und auch auf Hafenorte in —— Erdteilen ausgedehnt 
wurden die Seemannsheime ſeit 1894 infolge landeskirchlicher Kollekten. Auch von ſeiten 
ausſchließlich lutheriſcher Vereine für innere Miſſion wurden in engliſchen und deutſchen Hafen: 
#5 orten eigene Seelforger für beutjche — e Seeleute 59 — Ein Zuſammenwirken 
mit den auf lediglich humanitärem Boden fürs Volkswohl intereſſierten en, wie es 
bei der Errichtung von Wanderer-Arbeitsſtätten —— ſich als fruchtbringend re 
= ar jeit ar —— Kongreß in dem Kampfe gegen die Trunkſucht 
tn Demo Anregungen ging der Deutjche Verein gegen den ihbreud gefige giftigen 
60 Gern — Pe; und wie jchon von jeher Beziehungen zu der bereits 1817 
alleitung ber württembergifchen —— talten beſtanden hatten, 
Ti folche in weiterem Sinne zu dem beutjchen Verein für Armenpflege * 
ohlthätigkeit (1880 — u den Vereinigungen für Sommerpflege (1881) und 
zu ber Gentraljtelle für Arbeiter: ohlfahrtseinrichtungen (1891), — unter Wahrung 
bb bes —— Charakters und Arbeitsfeldes der inneren Miſſion. 
dieſe Feſthaltung ihrer Grundſätze und für ihre Fachtwiffenfchaftliche Durdarbei: 
tung ra eitgemäße Auswirkung überhaupt wurde außer der dahin fortgefegt gerichteten 
ätigfeit bei Central⸗ Ausſc uſſes der inneren Miſſion beſonders —— die litte⸗ 
rariſche Wirkſamkeit von Paſtor D. Schäfer in Altona (ſiehe oben ſeine Hauptwerke) und 
60 die ſeit 1881 alle zwei Jahre gehaltene Konferenz der theologischen Berufsarbeiter unter 





AL aNtifien, Innere Kiffen, Tath., in der Tath. Kirche 


later wenn ndiy ran Ss uhr LAT FERNE der der gefabrdeten männlichen 
— J ee ey IN Ru cxnageliſchen Jungfrauenvereime 
ee N . e ar) oo srenzmm hi Banana eines Verbandes der 
| “N. zz Nr isch ine Yeben trat und nicht 


En Neun ten pi order zus nat Jmeige Der ‚yürjorge 
ae N 2.0.2 8,,2 2772 Destserbiucrinnen, Babnbofs: 

. . . . nr N Bess -Arrzrmisenae ft auch zu er 

. Ina l.n NN HN erur nee somzusachend, Der 1804 von 
GE nen. rar. Jmosen sum Smede ber 

‘ lea N. oe 2 nme. Sz >, Tisisme und Damit Der 
mas N Nee) oo ge, imumtai un senstiemchafzichen Nüd: 
. a NEE Ka ze lo par grüner Sularrn en:aeaenacbender 
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NN EN. N Fe mern Sm moamm ingranacnı Sbrend 
INN nn “0° rare azım Baier ipcicber mumer. znücit 
IL ee 8 8 spe. "22 Mn on MT Innerer Vrmm Nut: 
Sn... un. . Hoyer Deerirnming lentionaäberenzaums durch 
a Fe = - onen, Se Derens in Den acmuam \abren 
nn ar . > mm beim Evangeliſcher eoszm für 
.. 22 2 one neue fruchtverbeamn: Rlute 
. x. > garzzeaivereinen für innere Minen seit 
oe. .-, Am2z nır Die Tagebpreſſe. — Tone Die 
— — = sr Dd.A Kruppel⸗ und in der \rrennfune Das 
—— 8. Far das Geſamtgebiet Der innerer Won 
. sn Reiche vervollitändigt worden — Und 
, wer .zzen Berufsarbeiter und Berutsarpsuezmen 
er Zuchering erbalten Durch entipredienn: Ken⸗ 
„8,1, 8tereie (ISS5 und 1902 Durch Der. Gomzal- 
oo... ALM, 
ao am ihrer inneren Miſſion ein Durd Geste 
. . zär bis zur vollen Ernte an Arbeit nic Tehlen 
nid Die rechten Ylrbeiter aus allen Mredien für 
ae u! Rablcnbei. 


- a sn 


ur N & on. .. 


Sn . u 


. Zaspeoltiden Kirche. Wenn die Million mne: 
we „N n ihrem Zchoße den Geiſte Des Chriitenzums 
\ ' . nfandteren, jo konnte ſie ihren Beruf in Den ertten 

N. Asselbloffenbeit Der Gemeinde gegen alle heidnichen 
om We Sarehumenen, der Gewiſſenhaftigkeit Der Seelſorge 
"optreiaungen - nur an den Pönitenten zur Ausübung 


"Do sube ausgeſchloſſen waren, konnten auch fie nicht der 
N uni meriionthätigkeit ſein. Als aber ſeit der Erbebung des 
gen die Heiden maſſenhaft zujtrömten und Die Chriſtenbeit 


hs 


et Volker ſich numeriſch bedeutend vergrößerte, ſammelte 
J om an, Das durch ihre myſtiſchen Weiben, Durch ihre 
endliingen, Dinter welde ‘Predigt und Seelſorge zurück⸗ 
IX derubrt, aber nicht ſittlich umgebildet wurde. Die Buß 
Sa Aumgabe langſt nicht mebhr gewachſen (August. Enchirid. 
x ihren ſeelſorgerlichen Charakter immer entſchiedener mit 
N ga ab 1215 Die Beichtpflicht zur allgemeinen Cbriftenpflicht 
N nıchlud atisjaltoriſche Richtung, in der das Bußſakrament im 
.aolden nde, ein Hindernis fur ſeinen ſittlich bildenden Ein: 
Fruen hier leine Abhilfe gewähren. Tie älteren auf Benedikts 
Gnnunie waren vorwiegend zur Pflege Des kontemplativen Lebens 
x um city, galt ibre Thätigkeit vornehmlich der Pflege der 
NMyMbainiſterung der germaniſchen Völker. Die ausdrücklich auf 
—8* van Acihlhoren angewieſenen Bettelorden verkannten von vorn⸗ 
Xodben Je Der Kirche em Segen werden konnten; während bie 
way ben retten und Die Handhabung der Inquiſition zu ihrer 


u. 





Miſſion, kath. in der Tath. Kirche 101 


Domäne machten, überboten fih die Franziskaner nach ihren verjchiedenen Abftufungen 
in abenteuerliher Romantik, in abjonderlicher Heiligkeit; ihr Ydeal war die Verwandlung 
der chriftlichen Melt in ein Franzisfanerinftitut (Tertiarier). Mit wirklicher Hingebung 
und Liebe widmeten fich der Pflege eines inwendigen Chriftentums nur kleinere Kreiſe, 
wie gegen das Ende des Mittelalter vor allem die Brüder vom gemeinfamen Leben (f. 5 
d. A. Bd II, S. 472ff.). 

Erit der Siegesgang, in welchem der Proteftantismus die Welt eroberte und big 
Spanien und Italien in katholiſche Herzen evangelische Gedanken warf, rüttelte die 
fatboliiche Kirche gewaltjam auf und trieb fie mit der Miffion nad innen Ernſt zu 
machen, um die Schwanfenvden zu befeitigen, die Irregewordenen wieder zu gewinnen, 
mit einem Worte das dem Proteftantismus zugeneigte Volt wieder zu Tatholifieren. Die 
meiften Orden, welche der fich regenerierende Katholicismus in dag eeben rief, beruhten 
auf der Nerbinpung der Höfterlichen und priefterliden Pflichten und maren für die Seel: 
forge, die Volkspredigt, den Beichtituhl gegründet, in deren VBernächläffigung man die Ur- 
jadhe aller Schäden und Niederlagen der Kirche zu erfennen meinte. Als die eifrigften 15 
Werkzeuge dieſer reftaurativen Volksmiſſion erwieſen fich die Sefuiten unter den höheren 
und die Sapuziner unter den niederen Ständen. Die antithetiiche Richtung gegen den 
Proteftantismus, um vor dem Kontagium desjelben zu fchüten, bildete fortan ein charak⸗ 
teriftiiches Merkmal der katholiſchen Volksmiſſſon. 

Ihre Erhebung zu den Zwecken einer mehr fittlichen Wirkſamkeit wurde ihr in 20 
Frankreich gegeben, wo obnebin nad alten Herkommen die Bifchöfe ſich durch regel: 
mäßige Bereifung ihrer Diöcefen mit dem Zuftande derjelben perönlic vertraut zu machen 
batten. Dieje Richtung der Miſſion wurde mächtig gefördert Durch Vincenz von Paulo, der ich 
1616 der Befjerung der Galeerenfträflinge annahm, 1617 aber, als ein unbeicholtener Mann 
ihm geheime, ſchwere Todfünden beichtete, am 25 Januar zu Folleville mit folcher Wärme 25 
und Kraft zur allgemeinen Beichte aufforderte, daß er allein dem Andrange zum Beicht: 
ftuble nicht mehr genügen konnte, fondern die Jeſuiten von Amiens zu Hilfe rufen mußte. 
Ta dieſe ſich aber zur Organifation einer nah fünf Sahren in Folleville regelmäßig 
wiederfehrenden Mifftonspredigt in diejer Richtung nicht veritanden, obgleih ihnen die 
Gräfin von Gondy 16000 Livres anbot, jo jchritt Vincenz felbit zur Gründung der Kon⸗ 80 
genation der Miffionäre oder Lazariiten zum Zwecke der Erziehung, der Heiden: und der 

oltsmiffton (j. d. A. Vincentius de Paulo). Die jpezififche Form der Miffionspredigt 
war damit für alle Zukunft gegeben: je ruft in erfchütternder Weile zur Belehrung auf 
und weiſt diejenigen, welche ihrem Rufe folgen, in den Beichtituhl. it den Lazariſten 
verfolgen denjelben Zweck geräufchlos in der Krantenpflege die ihnen nahejtehenden barm: 86 
berzigen Schweſtern, deren verjchwiltertes Verhältnis Vincenz gerne dadurch bezeichnete, 
daß er dieſe jeine Töchter, jene feine Söhne nannte. Einen neuen Aufſchwung empfing die 
latholiſche Volksmiſſion durd) die von Abbe Legris-Duval 1815 gegründete Kongregation 
der Prieiter der Miſſionen, die fich ausſchließlich die Miffionspredigt zur Aufgabe jeßten. 
Auf dem Mont VBalerien in Paris, wo vor ihrem Ordenshauſe ihre Kanzel unter freiem 40 
Himmel aufgerichtet Stand, mahnten fie unabläffig zur Buße. Als Wanderprediger durch: 
zogen ſie in den Jahren der Rejtauration ganz Frankreich und priefen die Beichte ala 
die einzige Rettung vor der Hölle. Der Eifer aber, womit fie die Intereſſen der Legt: 
timttät vertraten, lenkte den Volksſturm gegen fie und batte in der ulirevolution die 
Zeritörung ihrer Niederlaffung zur Folge. 6 

Nach dem Jahre 1848 rief der Epiffopat die katholiſche Volksmiſſion auch in Deutich- 
land häufig zu Hilfe, um die durch die Stürme der Nevolution der Kirche entfremdeten 
Volksmaſſen ihr wieder zu gewinnen. Sie wurde meist durch Nedemptoriften und Sefuiten, 
bisweilen auch durch Kapuziner und Franziskaner abgehalten und follte das katholiſche 
Bewußtſein fchärfen belfen, damit die Hierarchie die Zügel ihrer Leitung fchärfer anziehen 50 
und Der römiſchen Kirche gegen Staat und Proteftantismus eine aggreſſivere Haltung 
geben könne. Mit der Ausfchliegung des Jeſuitenordens und der ihm verwandten Re: 
demptoriſten aus dem deutſchen Reich im Jahre 1872 börten die Miffionen nicht auf; 
fie wurden bejonders von Franzisfanern und Kapuzinern gebalten; ſeit 1894 traten bie 
wieder zugelaffenen Redemptoriſten von neuen in Thätigkeit ; gelegentlich verfuchten aud) 66 
Jeſuiten dem Geſetze zum Troß die Abhaltung durchzufegen. 

Folgen wir dem Gange der katholiſchen Volksmiſſion, jo wird Diefelbe ftets von 
Biſchof angeordnet, auf deſſen Weiſung ſich die Miffionsprediger — es find ihrer ges 
wöhnlich drei -- nad der ihnen beſtimmten Station begeben. Der Obere trifft in ber 
Regel einige Tage früher ein, um ſich mit den örtlichen Bedingungen, dem herrſchenden 60 


rer 


0 


102 Miſſion, Tath., in der Tath. Kirche 


Einne, den Gewohnheiten und dem Bildungsftande der Bewohner befannt zu machen. 
Täglich werden mehrere Predigten, meiſt 14 Tage lang, gehalten. Obgleich ihrem Sn: 
nie nach nur loſe verfnüpft, hängen fie doch durch den gemeinfamen Zweck, auf den 
ie hinarbeiten, enge zufammen. Dem Gange und der Tendenz nad) ſcheinen ſie den 
5 geiftlichen Übungen des Ignatius (f. d. A. Exercitien Bd V ©. 691) nachgebildet, aber 
während dieſe felbitthätige Meditation vom Übenden fordern, bieten jene den anzueignen- 
ben Gedankenſtoff bereits in fertiger Form dar, ſind alfo gewiſſermaßen geiftliche Uebungen 
für größere, im Denken weniger geübte Volksmaſſen. Nach Art der Erercitien beivegen 
auch fie ſich um den Gegenſatz der Sünde und Gnade; mie jene in der eriten Woche 
10 zu ihrem Ziele die Generalbeichte, in der zweiten die Difponierung zur Mahl eines 
Standes oder zur gottgefälligen Führung des bereits ergriffenen Lebensberufes haben und 
während ihrer Dauer überhaupt der mehrmalige Empfang der Kommunion angeraten 
wird, fo bilden auch die Mahnungen zur Beichte und Kommunion, ſowie die Belehrungen 
über die befonderen Standespflichten ftebende Kapitel der Miffionspredigten: mie jene 
15 zuerft in Zerknirſchung verfegen, dann zu beiterer, friedliher Stimmung emporheben 
follen, jo auch dieſe; felbit das Element der finnlichen Anfchauung ift beiden gemeinfam. 
Die Beitimmung des Menfchen, die Gerechtigkeit Gottes, der Ernſt der Ewigkeit, die Rot- 
wendigkeit der Belehrung, die Gefahr ihres Auffchubs, die Schrecken der ewigen Ber 
dammnid und der Hölle ziehen meist in grellen Bildern an der Seele de Zuhörers vor 
20 über; dann werden die Ginabenmittel, das Gebet, der Ablaß, die Autorität der Kirche, 
ber Primat des Betrug, der Kultus und das Meßopfer, die Euchariftie und die Trans 
fubjtantiation, die Herrlichteit der Jungfrau ale Schirmherrin der Kirche und Zerftörerin 
der Härefie gleich handgreiflich nabe gebracht. Die Pflichten der Eltern, der Kinder, der 
Sünglinge und Jungfrauen, der Gatten, der Tienjtboten werden bald in felbititändigen, 
25 bald in regellos eingereihten Vorträgen befprochen, oft in einem Tone, der durch rüd: 
fichtölofe Bebandlung und unzarte Berührung der delikateſten Verbältniffe Anftoß erregt. 
Die Erneuerung des Taufbundes, bezeugt durch bußfertige Unterwerfung unter den kirch⸗ 
lichen Gehorfam, befiegelt durch Beichte und Kommunion, ift das Biel, das auch darin 
einen charakteriftiihen Ausdrud gewinnt, daß zum Schluß die Gemeinde feierlich an bie 
so Jungfrau Marta übergeben, und wo es angeht, ein großes Kreuz, gewöhnlich mit der 
Inſchrift: Nur Feine Todfünde! aufgerichtet wird. Die Neuheit der Prediger und ibrer 
Eigentümlichkeit, Die rafche Folge der Predigten, deren jede folgende den Eindrud der 
dorangegangenen aufnimmt und verftärkt, das ftarke Auftragen der Farben in dem Aus 
malen der Situationen, Stimmungen und Bilder, die Vielfeitigfeit der Mittel, melche zur 
35 Erreichung des beabfichtigten Effeftes aufgeboten werden — das alles giebt der Miſſions⸗ 
prebigt ihren bejonderen Charakter und unterjcheidet fie von der regelmäßigen Pfarr 
predigt. 
Daß die Kirche die Pflicht bat, nicht nur die Heiben außer ihr zu geivinnen, 
fondern aud das Heiden: und Namenchriftentum in ibrem eigenen Schoße zu übertoinden, 
40 daß in Zeiten wie die gegenmärtige die geordnete amtliche Thätigkeit nicht ausreicht, um 
ale Munden zu beilen, welche der Unglaube in feinen mannigfachen Erfheinungsformen 
von der fittlichen Gleichgiltigfeit bis zu der bewußten Feindſchaft gegen alle Neligion und 
dem roheſten Materialismus dem jetigen Geſchlechte gefchlagen bat, daß es folglich neuer 
Wege und außerordentlicher Anjtrengungen bedarf, um in allen Schichten der Setellicaft 
10 auf den tiefiten Grund des muchernden Verderbens durdzudringen — darüber ift die 
proteftantifche Kirche mit der fatholifhen einig. Ob aber die fatbolifhe Volksmiſſion 
dazu das richtige Mittel ift, darf man mit Necht bezweifeln. Diefe Predigten, die fich in 
den Raum weniger Moden zufanmendrängen, fünnen durch effektvolle Behandlung 
imponieren, können durch Beltürmung des finnlichen Gefühls heftige Gemütserſchütte⸗ 
rungen und augenblidliche Entjchließungen bervorrufen, aber eine unumftößliche Gewißheit 
der Überzeugung, eine durchgreifende Umwandlung der Gefinnung und des Lebens 
fönnen fie nicht zur Reife bringen. In der Tbat find fie auch nur darauf gerichtet, 
die Der Kirche entfremdeten Maſſen aufs neue in dem Beichtituhl zu fammeln und die im 
Sturmesdrang eroberten Gewiſſen wieder unter die kirchliche Ordnung zu beugen; bie 
55 Bekehrung, auf Die fie mit ihren Hammerſchlägen binarbeiten bat ihr Weſen und gie in ber 
Unteriverfung unter die prieſterliche Richtergewalt, in der Nüdfebr zum firchlichen Geborfam — 
das ijt der echt katholiſche Gedanke, der in der Buße nicht cine freie, fittlihe That bes 
inneren Pebens, fondern eine Tirhlide Zaframentshbandlung, eine Summe ſatisfaktoriſcher 
veiltungen ſieht. Denn welche Mittel bat nun die Mirche, um das Angefangene meiter 
ww zu führen und Die gewedten Keime dur ihre ſittlich erziebenden Einflüffe zu beivahren 


% 


Miffion, Tath., in der kath. Kirche Miffton unter den Heiden, katholiſche 103 


und zu entfalten? Wiederum nur den Beichtituhl, in welchem fich alles Tonzentriert, 
was fie an feelenpflegender Thätigfeit aufzubieten vermag — aber tie ungünſtig jind 
die Bedingungen, welche fich hier vorfinden, der deran ildung zu wahrer Sittlichkeit; 
ſchon die rein quantitative Auffallung des Begriffs der Sünde, die mechanische Trennung 
in läßliche und Todfünden, wie die ihr parallele Unterfcheidung des gebotenen und des 5 
nur angeratenen Guten, muß den tieferen fittlichen Ernſt von vornherein Schwächen; nicht 
minder muß es die vorherrichend Tafuiftiiche Behandlung der Moral, die alle ethifchen 
Grundprinzipien verleugnende Vorausjegung einer wirklichen Kollifion der Pflichten und 
die auf Löſung diejed präfumtiven Konflikte ausgehende Gewilfensberatung, wie fte vor⸗ 
zugsweiſe im Beichtituhl geübt wird; endlich geht die Erziehung, die dieſer beabftchtigt, 
nicht wie es Gottes Ordnung will durch den Öchorfam zur Freiheit, fondern umgefehrt 
aus dem freien in den bindenden und zulegt Inechtenden Gehorfam unter des Priefters 
Sentenz, an der das Fatholifche Gewiſſen feine endgiltige Norm und Entſcheidung hat. 

Außer diefer Tendenz der römiſchen Miſſionspredigt, die als letztes Ziel die Kirch— 
lichfeit, die Sittlichkeit dagegen nur als untergeordneten Zweck und lediglich in der elemen- 16 
taren Form des unmündigen Gehorſams verfolgt, entipringen alle Mängel, die man an 
ibr häufig ausgeſtellt hat — zunädft in der Wahl des Stoffes, denn was hat der 
Primat des Petrus, das Recht der Tradition, das Transjubitantiationg-Dogma, der Ab: 
laß und ähnliche Dinge mit der Heiligung des chriftlichen Volkes zu thun? weiter in der 
Art der Behandlung, denn die Effelthafcherei, die rhetorifchen Seflamationen und Al: 20 
tionen, die kraffen Übertreibungen in der finnlichen Ausmalung des Sündenelends und 
der Höllenqualen, der Erregung von Furcht und Schreden fünnen doch nicht fittlich be- 
leben und erneuern; ferner die begleitenden Umftände — in Frankreich ſchloß fich, um 
nur ein Beifpiel anzuführen, zur Zeit der Reftauration den Miffionären ftet3 ein Schweif 
müßigen Gefindeld als Makler des Reliquien, Amuletten: und Ablaßkrames oder als 3 
Verkäufer wunderkräftiger Waffer und Ole an und lenkte, was von wirklicher Frömmigkeit 
etwa frei geworben war, ſogleich in die Bahn der kirchlichen Superftition; endlich die 
Polemit gegen die Proteftanten, die von Anfang an ein charafteriftifcher Sug in ber 

holiſchen Volksmiſſion geweſen ift und nur da zurüdtritt, wo man es für klüger und 
den obwaltenden Umftänden angemeflener erachtet, den Eifer fanatifcher Unduldſamkeit 30 
unter dem Gewande der Friedensboten zu verbergen. 

In dem Dienfte der inneren Miffton wirkt zugleich im katholiſchen Deutichland das 
firhliche Vereinsweſen, dag man feit dem Jahre 1848 dem proteftantifchen nachgebilvet 
bat; allein den freien Vereinen fehlt in dem römischen Katholicismus die Wurzel, aus 
der fie im Proteftantismus Nahrung und Lebenskraft ziehen: der ethifche Begriff der Kirche 86 
als eines fittlihen Organismus, ald eines Ganzen von fittlich vollkeäftigen, mitthätigen 
Organen, die ſich ihres Berufes bewußt find, durch freies Zuſammenwirken das hödjite 
Gut, das Reich Gottes zu verwirklichen. Dieſes Bewußtſein, dag nur auf der Grund: 
lage des allgemeinen Prieſtertums zu gewinnen ift, muß einem Syſteme fremd bleiben, 
das feinen Kirchenbegriff lediglich aus dogmatifchen und Tirchenrechtlichen Beitimmungen 40 
fonftruiert. Jene Fatholifchen Vereine find darum auch nur Werkzeuge der jeſuitiſch⸗ 
Herilalen Partei, unter deren Leitung fie Stehen; ihre Wirkſamkeit kann nur ſolchen als 
eıne Arbeit für das Reich Gottes gelten, denen der Begriff des Ietteren mit dem der 
empirifchen Kirche in völliger Kongruenz fich dedt. Senior D. Steig }. 


fe \ 


0 


Miffion unter den Heiden: 1., Tatholifche. — Missones Catholicae, cura 8. Congre- 46 
gationis de propaganda fide descriptae, Romae 1886 ff. Offizielle GStatifti. Hier wurde 
bauptfählih Jahrgang 1901 benugt. — Die Katholifhe Kirche unferer Zeit und ihre Diener in 
Bort und Bild herausgeg. von der Leo-Gefellihaft in Wien, Münden 1900/01. Illuſt. Pracht: 
wert. — Biolet, Pre J. B. — S.J., Les Missions Catholiques Francaises au XIXe Sitcle. 
Bis jetzt iſt erfchienen Bb I, Orient u. Bd II, Abeffinien, Indien, Indohina. Vier meitere 50 
B.B. des reich iluftrierten Prachtwerks follen folgen. — Annales de la Propagation de la Foi, 
Won 1822. (deutfche „uagabe ericheint in Köln: Sahrbücher zur Verbreitung des Glauben?. 
Sährlih 6 Hefte). — Die Katholifhen Miffionen. Illuſtrierte Monatsſchrift, Freiburg i. B. 
1871ff. — SHenrion, Histoire generale des Missions Catholiques depuis le XIIIme sidcle 
jusqu’& nos jours, Paris 1846, 4B. B. — Hahn Geihichte der katholiſchen Mifjionen, Köln 56 
1857—63, 58. B.; Kalkar, Den katholske Miffionshiitorie, Kopenhagen 1862 (deutfche Aus: 

Erlangen 1867). — Djunkovscoy, Dictionnaire des Missions Catholiques, Paris 1864, 

8.8. (leihtfertige Arbeit, nur mit Vorfiht zu gebraucden). 

Abkürzungen. Up. Präf. = Apoſtoliſche Präfektur, Ap. Bil. — Wpoftolifches Pilariat, 

Ehr. = evangel. Heidendriften, eingeb. = eingeborne, F. = Schul: u. Laienbrüder, Jahrb. — 60 


104 Milfion unter den Heiden, kathsliſche 


Jahrbücher zur Verbreitung des Glaubens, K. — Kirchen, K.K. — Die Kath. Kirche, illuſtr. 
— Rat. — Katecheten, Katech. = Katechumenen, Kath. = Katholiken, Kath. M. = 
atboliihe Miſſion, Monatsſchrift, Kongr. — Kongregation, M. C.— Missiones Catholicae 
(offiz. Jahrbuch), Mich. — Mädchen, M. Gef. — Miſſionsgeſellſchaft, P. = Batres, Mifjionare 
5 (meitt Regularpriefter), Pf.— Pfarrer, S. = Ordensſchweſter, Sh. = Schulen, Sch. = Schüler, 
Sem. — Seminar, Stat. = Miffionsftation, ®. H. = Waijenhaus, W. — Waiſen. 
Die in ( ) beigefügten ftatiftiichen Angaben geben zur Bergleihung bie entiprechenden 
Bablen der evangeliihen Miffion. 


Der Ausdrud M. bat eine verjchievene Bedeutung, je nachdem er in Tatholifchem 
10 oder in evangeliihem Einne gebraucht wird. Auf römischer Eeite verftebt man darunter 
die Ratholifierung aller alatholiichen Wölfer und ihre Eingliederung in die römijche 
Hierarchie. Wir dagegen fallen die Miſſion ausfchlieglich als Chriftianifierung nichtehriftlicher 
Mölfer. So wenig wir die Evangelifationsarbeiten im Bereiche chriftlicher Kirchen (deren 
Notwendigkeit unter gewiſſen Berbältniffen wir anerfennen) der Heidenmiffion zuzäblen, fo 
15 nahdrüdlich wir die Berechtigung evangelifcher Selten mit ihrer Propaganda ın andere 
hriftlihe Gemeinjchaften einzubringen beitreiten, jo entfchieden Ichnen mir es ab, die 
tatholifchen Arbeiten zur Unterwerfung der Chriſten anderer Belenntniffe unter die Herr: 
ichaft des Papftes zur Miffion zu rechnen. Alles, was dahin gehört, fondern wir bier 
von unjerer Betrachtung aus und beichränten uns auf diejenige Thätigkeit, in welcher fich 
0 die Katholifierung mit der Chriftianifierung deckt. Dieſe begriffliche Trennung ftinmt 
freilich meiftend nicht mit der Wirklichkeit. Es giebt wenige Felder auf den die k. M. 
es lediglich mit der Gewinnung von Heiden zu thun bat. Wo ſich Gelegenheit bietet 
aus den Europäern, die vorübergehend, oder als Kolonisten ſich in beibnijchen Gebieten 
finden, Andersgläubige berüberzuzieben, wird dieſelbe eifrig mabrgenommen. Dazu dienen 
25 beſonders ausgedehnte Schul: und Mobhltbätigfeitsanftalten. In viel meiterem Umfange 
aber läuft die Konvertierung junger evangelifcher Ghriften die erſt Türzlih aus dem 
Heidentume gefommen find, mit unter, ja auf einigen Feldern bedingt fie einen großen 
Teil der Erfolge. Ausgefchloffene und Mißvergnügte bilden die mwilllommenen An- 
Mmüpfungspunfte; eine weitgehende Milde in der Behandlung undhriftlicher Sitten und 
80 Gebräuche wirkt für manche der noch ſchwachen Chriſten als Lodung. So Tommt es, 
daß mir unter den katholiſchen Heidenchrijten eine beträchtliche Zahl ſolcher mitrechnen 
müſſen, die nicht aus dem Heidentum, fondern aus evangelifchen, beidenchriftlichen Ge 
meinden gewonnen find. In diefem Punkte iſt eine ftatiftiiche Ausfcheidung ganz unmöglich. 
Man dar jedoch dieſen Gefichtöpunft bei Wertung der Statiftil der k. M. nicht aus dem 
85 Auge verlieren. 

Auf die Methode der Kath. M. können wir bier nicht näher eingeben, ebenjo mie 
wir ihre Geſchichte nur in den wichtigften Punkten berühren, ſoweit fie zum Verſtändnis 
des jegigen Beſtandes erforderlich find. Nur den letzteren erlaubt ung der gemeſſene 
Raum zu flizzteren unter Angabe der Statiftit, ſoweit fie zu erlangen ift. Der letzteren 

40 find überall, wo die k. M. neben der evangelifchen arbeitet, die Zahlen der letzteren in 
Klammern beigefügt. 

Die beimatlibe Seite der EM. bat ihre einbeitlihe Urganifation in der Con- 
gregatio de propaganda fide zu Rom, two alle Fäden des weitverzweigten Wertes 
zufammenlaufen. Siebe bierüber den Nrtifel Propaganda. Ta in demfelben die in 

45 den verſchiedenen katholiſchen Ländern vorbandenen Miffionsvereinigungen nicht näber be 
bandelt werden, mögen fie bier wenigſtens Turz erwähnt fein. 

Vor allen ift zu nennen der AKaveriusverein oder Verein zur Verbreitung des 
Glaubens, 1822 zu Lyon gegründet. Die Mitglieder haben täglıh einmal das Water: 
unjer und Ave Marta mit Miſſionsintentionen zu beten und die Anrufung: Hl. Franz 

50 Taverius, bitte für uns!” binzufügen. ferner baben fie wöchentlich 4 Pf. zu opfern 
(jährl. 2,08 ME.) Dafür aber haben ſie die päpftlich bewilligten volllommenen Abläffe 
am Ztiftungstage und einer Neibe von anderen Feſttagen, außerdem einen Ablaß von 
300 Tagen, wenn fie den vom Wereim gehaltenen Syeterlichleiten beimohnen und einen 
folden von 100 Tagen empfängt jedes Mitglied, das ein Werk der Frömmigkeit zu 

85 Gunſten der Miſſionen verrichtet. Priefter, Die Dem Vereine dienen, find mit beſonderen gilt 
lichen Bollmadhten ausgerüftet. Der Verein bat fihb in allen k. Ländern ausgebreitet. Sein 
Blatt, Jahrbücher zur Verbreitung des Glaubens, erjcheint in verfchiedenen Spraden — 
Die Deutsche Ausgabe in Köln. Die für die Miffion von den Mitgliedern geopferten Be: 
träge belaufen ſich 5. 3. auf jährlich 5—5!, Dil. DE In Paris entftand 1820 die 

60 Sejellichaft der auswärtigen Mifjionen, in Oſterreich 1829 die Leopoldiniſche Stiftung, in 


Miffien unter den Heiden, Tatholifche 105 


Baiern 1840 der Ludwigsverein, in Paris 1843 der Verein der hl. Kindheit ober Kind: 
beit Jeſuverein. Der letztere umfaßt alle Kinder, welche täglich beten, „Hl. Jungfrau 
Maria bitte für und und die armen Heidenfinder!” und monatlich 5 Pf. opfern. In 
50 Jahren bat verfelbe über 66 Millionen ME. vorausgabt, zur Rettung von Heiden: 
findern, die in Gefahr des Todes getauft wurden — es waren ihrer mehr ala 12 Millionen, 5 
die meilten in China. Nicht wenige, die am Leben blieben, wurden auf Koften des Vereins 
in Maifenbäufern erzogen. — Unter dem Einfluffe der deutfchen Kolonialära bildete ſich 
der Afrifaverein deutſcher Katholiken. In N.-Amerika befteht ein Verein zur Unter: 
ftügung der Neger: und Indianermiſſionen u. ſ. w. 

ur Ausbildung der k. Miffionare beſtehen Miffionsjeminare in Paris, Lyon, Mat: 10 
land, Berona und Rom (S. S. Ap. Petriet Pauli de Urbe) deren jevem, mie oben bemerkt, 
mebr oder weniger Miffionsfelder anvertraut worden find. Auch England hat ein fath. 
Miflionsfeminar St. Yojeph von Mill-Hill. Dahin gehört auh das Mifftonshaus zu 
Steyl (Holland, 1. St. füdl. von Venloo, dicht an der deutfchen Grenze), das unter dem 
Einfluß der deutichen Rolonialfache eine Zmweiganftalt in Neuland bei Neiße (Schlef.) ge: 15 
gründet bat. Dem Seminar ift die Ap. Präf. in Deutfch-Togo übermiefen. 

Beſonders aber liegen die Wurzeln der Kath. M. in den zahlreichen Kongregationen, 
Orden und Bruderfchaften, deren manche fich eigens um der Miffion willen gebildet haben. 
Co gründete der Profelyt P. Libermann 1841 die Kongr. des hl. Herzens Mariä, welche 
1848 mit der älteren vom hl. Geifte vereinigt, vorwiegend die Arbeit ın Weſtafrika über- 20 
nommen bat. Auch die 1836 vom Papfte anerkannte „Oel oaft Mari” (Mariften) 
machte die Heidenmiffion bald zueinem wichtigen Zeige ihrer Thätigfeit. Hauptniederlaffungen 
find in 2yon, (mo die erften Anfänge der Geſellſchaft bis 1811 zurüdreichen) und Paris. 
An mehreren anderen Orten Frankreichs beſtehen Noviziate. Ihre Arbeitsfelder Tiegen 
in der Südſee. Dafelbit jtehen auch Väter von der Kongr. von den beiligften Herzen 26 
Jeſus und Mariä (von der Parijer Straße, in der das Mutterbaus liegt, Picpuffianer 
genannt), vom Papft beftätigt 1817. In Marfeille gründete Bifhof Mazenod 1815 den 
Erden der Oblaten der unbefledt empfangenen Maria, deren Miffionare in den eifigen 
Cinöden von Britiih Nordamerika fowie auch in Südafrika arbeiten. Kardinal Lavigerie 
gründete 1867 zu Algier die Kongr. der Väter vom hl. Geifte, weiße Väter genannt, 0 
urfprünglich für die Sahara und den Sudan beftimmt, jet vorwiegend in Oſtafrika 
thätig. Auch die alten Orden haben in ber Heidenmiſſion teitergearbeitet, und mo im 
18. Jahrhundert Verfall eingetreten war, zeigte ſich um die Mitte des 19. ein reger 
Auffchwung. So haben die Sefuiten nach Wiederherſtellung des Ordens (1814) ihre 
alten, großartigen Miffionen zwar nicht retten fünnen, aber doch einige Felder wieder 86 
aufgenommen und find auf eine ganze Reihe anderer neu eingetreten. Die Lazariften 
na dem Kollegium St. Lazarus in Paris benannt, geftiftet von St. Vincent von Paul, 
find feit ihrer Wiederftellung 1816 in die Miffton eingetreten. Außer unter den orien- 
talifchen Häretilern arbeiten fie in Amerifa und in China. — Auch die alten Orden 
finden wir in ausgebehnter Thätigfeit: Dominikaner in China, Tonking und Weſtindien, 40 
Franziskaner (Minoriten) in China und Nordafrika, Kapuziner in Indien und ben 
Gallaländern, Karmeliter desgl., Auguftiner in China und Philippinen, Redemptoriften 
(Liguorianer) in Suriname, Salefianer (Kongr. des bl. Franz von Sales zu Annech) in 
Indien, China und Südamerika u. a. 

Megen der Arbeit in deutichen Schußgebieten find zu nennen die PBallottiner, ge: 46 
nannt nach P. Pallotti (Pia societas missionum) zu Rom — deutſches Haus in 
Limburg (Lahn) — in Kamerun, die Kongregation des bl. Herzens Jeſu von Iſſoudun 
(110 km ſüdl. von Orleans) bat Stationen in Neu:Bommern, und der noch junge 
Benediktinerorden von St. Dttiltien (in Baiern, 38 km weſtl. von München) in Deutfch- 
Oſtafrika. In Verbindung mit dem Miffionshaus zu Steyl wird die Geſellſchaft des so 
göttlichen Wortes daſelbſt erwähnt, welche ihre Boten nah Kaiſer Wilbelmsland fchidt, 
während dem Seminar jelbit die Up. Präf. in Deutſch-Togo zugeteilt ift. In Belgien 
bat mit der neuen Kolonialära die Kongr. des unbefledten Herzens der fel. Jungfrau 
Maria von Scheutveld eine ausgedehnte Thätigkeit für die Kongomiſſion entfaltet. 

Alle diefe geiltliichen Genoflenjchaften, denen die Verwaltung von Miffionsfeldern 55 
überwiefen ift, haben ihre Profuratoren bei der Propaganda. Neben ihren PBrieftern 
arbeiten meift auch Laienbrüder, oft in großer Zahl. Eine ganze Reibe von Kongretionen 
nimmt in dem — überhaupt nur eine helfende Stellung ein. Hier ſind ver— 
ſchiedene Geſellſchaften von Schulbrüdern zu nennen. Die Trappiſten, welche die Lei— 
tung einer Miſſionsprovinz ablehnen, obgleich fie eigene Niederlaſſungen mit großen An- 60 


106 PR... oem baten 


ausgedehnte Kulturarbeiten in Natal, 
BE ke ce Da beſchäftigten ſich mit — Baifen: 
Bor allen a ji in F ga Bus w 





—— 
[. irten Be den 
— a * —— erikaniſchen w. —* 


ga enannten nen arbeiten nicht l eidenm aber 
alle find — —— Seen ii und al * —— 


| — ah Lem Nachfolger St. etri e Melt u den an 
or A. We itafrifa. en bier un D — * uinea). 
— rtugieſen, welche in ber 2. Hälfte des 15. Jahrhun bie —— entdeckten 

und im Befit ı en, ſofort — ee und Franziskaner ihre Expeditionen 

e bie und da 6 B. in dem mächti en König: 

Benin) weite "Auctehnung an —— it dem Verfall der eh * Rs es 


20 verſchwunden. Nur wen ne mit Heidentum 
Be Die. M war jedoch bereits 1765 im an bie Kamafhhen 
en in —— wieder Bi ner ze und fpäter — tr. vom bl. Geiſte 
| | eiden Guineen wurde 1842 t. Noch waren 
die Erfolge verſchwindend. um die Mitte des 19. Jahr derts, als fich neben dem 
25 aufblübe eliſchen Mi fiongfeben auch das —— tieder zu regen begann, 
und die a dem "Ar die Heidenmiſſion begei P. Lieberm tiftete ie 
unbefledten Herzen Mariä mit der vorgenannten vereinigt ivar, in Be 
Fir eine vegere kath. Miffions — Es wurden von dem 
uineen immer weitere neue Präfekturen oder Vilariate abgezweigt. Ser —— — 


ender. 

1. Ap. Di. Senegambien, verbunden mit ber Präfektur Senegal, zu welcher le — 
nur die Stationen St. Louis und Gorde mit geordneten Marreien g 
während im Rilariate auf 19 anderen die Erziehung von Kindern zu guten Mitgliedern 

ünftiger Gemeinden noch die Hauptſache bildet. Auch um die Heranbildung eines 
warzen Klerus bemüht man fich im ae ag St. Joſeph von Ngazobil, mit dem 
— Druckerei verbunden iſt, in der einig Überfeg ungen in Wolof u. a. Sprachen 
En 52P. et arunter 7 eingeb * a F. —* 1238. find in Thätigkeit. Diefen 
bie ah der Belehrten gering erjcheinen. Es ift nicht zu er- 
rg eh, ar * ben 1500 Kath. (fo nach den fi Angaben im legten Bande der 
 Missiones Catholicae von 1901: 1886: 12000) eingeb. find. Auf die Präfektur 
famen (1886 und 98) 5500. No geringer erjcheinen die Erfolge im Vergleich mit 
ber erjchredenden Musbreitung des Islam. 
2. Im Süden ift 1897 die Ap. Präf. Franz At Suinea (Rivires du Sud) ab» 
u Konge (zioifchen der Portugieſiſchen Beſitzung und Sierra Yeone) und der oben genannten 
ongr. übergeben, die, von der Regierung begünftigt, am Rio Pongo in das (mit Unter: 
ng) jeıt einem hundert bear eitete eneliiche Miffionsfeld eingetreten iſt (wie 
5 $. G. fteht im Begriff ſich zurückzuziehen). 8 P., 7 F., 8 8., 1100 Kath. (gegen 1200 


3. In dem Ap. Vik. Sierra Leone, das bis zur Oftgrenze von Liberia reicht, ift es 
so den P.P. vom bl. Geift gelungen, aus der bereits proteftantijchen ſchwarzen Bevölkerung 
der engliſchen Kolonie Komvertiten zu maden — 2800 (1888: gegen 2000). 7 P. 3F,, 
108. In den „Kath. Miffionen“ ift in ven legten zwölf Jahren, abgejeben von einer 
Den Notiz, fein Bericht über diefes Arbeitsfeld zu finden. 
ac Dften zu relgt die erit 1895 gegründete Präf. der Zahn, oder Elfenbein- 
55 füllte, ge Miffionare des Lyoner Seminars 7 Stat. baben. 16 P., 48. 
5. Ste wurde abgetrennt von der Ap. Präf. dev Goldküſte, wo feit 1879 zuerſt 
Väter vom hl. Geiſt arbeiteten. Später war die letztere Lyonern überlaſſen worden. Die 
Stationen liegen an der Hüfte (Elmina, Kap Coaft, Saltpond u. a.), neuerdings bemübt 
man fich nad) Adhanti borzubringen. 1900: 16 P., 12 8., 5650 Kath. neben mebr als 
50000 evang. Miffionschrijten. 


Miſſion unter den Heiden, katholiſche 107 


6. Die Ap. Präf. Togo wurde 1892 von dem Vik. Dahome abgetrennt und um- 
faßt das deutſche Schubgebiet, in dem die ev. Norddeutſche Miſſion längjt an der Arbeit 
ſtand. Auch hier wird auf den Stationen Lome, Adſchido, Vorto Seguro und Kl. Popo 
vorwiegend in Schulen gearbeitet. Die Miffion ift der Gefellichaft vom göttlichen Worte 
zu Steyl übertragen. 12 P., 9 F. 6 S. gegen 1000 Kath. 5 

7. Zehn Sahre älter ift die Ap. Präf. Dabome, das gleichnamige, jetzt franzöftiche 
Gebiet umfaffend, mo Lyoner Mifftionare arbeiten. Von den an der Hüfte gelegenen 
Hauptitationen Ague und Weida (Whyda) aus wurde meit im Innern Die zu Ntafpame 
angelegt, die jetzt auf deutfchem Gebiete liegt. In neuefter Zeit ift auch die Hauptſtadt 
Abome befegt worden. 22 P., 12S., 5200 Kath. 10 

8. Das Ap. Vik. Benin, das bereit3 1860 unter dem Namen Dahome gegründet 
war, umfaßt die englifche Kolonie Lagos ſamt dem englifchen Schußgebiete im Hinter: 
lande bis an den Niger. Seit 1864 find bier Priefter von Lyon thätig, die bejonders 
an einigen Hauptplägen der ev. M. ausgedehnte Gemeinden gefammelt haben. Haupt: 
ftationen find Lagos (Sitz des Vikars), Abeokuta, Tofpo (ein neuangelegtes chri le 15 
Negerborf), Oyo und Porto Novo (jet zum franz. Gebiete gehörig), mo eine Schar 
fath. Neger aus Brafilien angefievelt wurde. Auch Ibadan iſt beſetzt. Schule und 
Krankenpflege bilden die Hauptthätigfeit; daneben wird eine Aderbauanjtalt erwähnt. 
27 P., 37 S., 22 eingeb. Katech., 16400 Kath. | 

9. Die Ap. Präf. am Unteren Niger, in dem englifchen Schußgebiete, wo fett 1885 20 
vom Gabun aus f. M. wirkte, wurde 1889 gegründet und den Vätern vom bl. Geilt 
überwiefen. An die 3 Stationen Onitſcha, Aguleri und Niube find gegen 1200 Kath. 
gefammelt 9 P., 3F., 5 S. (von d. Gefellih. St. Joſeph von Cluny). Nördlich davon 

10. liegt die Präf. am Oberen Niger, feit 1894, der Lyoner M. Gef. überwieſen. 
Haupftation ift Lokodſcha. Der Kampf der Muhammedaner gegen die heidnijchen Stämme 25 
ift auf diefem Gebiete ein großes Hindernis. Die Zahl der Belehrten iſt noch gering. 
14 P., 9 S., 7 eingeb. Rates 

11. Die folgende Präf. Kamerun, welche uns aus dem Gebiete der eigentlichen Neger 
zu den Bantuvöllern binüberführt, ift 1890 in dem gleichnamigen, beutfchen Schußgebiete 
errichtet. Dort find deutſche Ballottiner aus dem Mifftonshaufe zu Limburg a. Lahn be: 80 
fonder® im Süden am Sannaga zu Marienberg, Edea und Kribi, nicht meit von Gr. 
Batanga thätig. Engelberg am Kamerunberge iſt zunächſt als Sanatorium angelegt; doc) 
wird auch dort durch die Schule miffioniert. Auch ift dort eine Kaffeeplantage angelegt. 
Außerdem beftehen mehrere Zmeigftationen. Für die Verbindung ift eine Dampfpinafe 
in Thätigleit. 9 P., 20 F., 14 S., 2430 Kath. 85 

MWeftafrifa. Summa: 73 ©t. (237), 185 P. (216 Mifi.), 7 desgl. eingeb. (252) 
112 F., 226 S. (10) (nur deutfche Diakoniſſen und unverheiratete Gehilfinnen; andere 
Angaben fehlen), 149 Sch. (729), 11687 Sch. (42869), daruter 3779 Moch. (15 440), 
Kath. 51725 (170705 Chr.). | 

Bemerkenswert find noch die Waifenhäufer und Anftalten, in denen losgekaufte 40 
Sklavenkinder erzogen werden — 61. Die Zahl der Zöglinge tft mit mehreren Lüden 
auf 1309 angegeben, unter denen gegen 672 (mie es fcheint) Iosgefaufte Mädchen find. 

B. Das weſtliche Centralafrika (Niederguinea) umfaßt die Gebiete bis an den 
Kunene. Südlich vom unteren Kongo hatte einft in dem großen Königreiche gleichen 
Ramens die T. M. jcheinbar großartige Erfolge. Unter der Gunft des befehrten Königs #5 
und durch die Schärfe der Inquiſition wurde das Chriftentum eingeführt. E3 entſtanden 

[reiche Kirchen und Klöfter. Dabei blühte der Eflavenhandel. Aber fchon um bie 

itte des 16. Jahrhundert zeigte fich der Verfall, beſonders in der Zuchtlofigfett des 
Klerus. Der Eintritt der Jeſuiten 1547 bielt denfelben etwas auf. Je mehr jedoch bie 
Bortugiefen, die lange vergeblich nah Gold gefucht hatten, ihren Einfluß fallen ließen, 50 
deſto mehr verfiel die nur mit äußeren Formen eingeführte katholiſche Kirche. Im 
18. Jahrhundert hörte aller europätiche Verkehr mit Kongo auf. Es murde wieder ein 
edlendes Heidenland, wenngleich fich einige chriftliche Formen erhielten. Erſt 1865 wurde 
die £ M. unter UÜberweiſung an die Kongregation vom bl. Geifte erneuert. Weiter 
nördlih, am Gabun, hatte ſie ſich bereits früher eingeftellt, bald nachdem dort 1842 55 
amerikaniſche Proteftanten einen Anfang gemacht hatten. Damals wurde das oben er: 
wähnte Ap. Bil. der beiden Guineen gegründet. Heute beiteht dasjelbe ale 

1. Ap. Bil. Gabun, welches im Norven an die Präf. Kamerun grenzt. Dort haben 
unter franzöfifhem Schuge die Väter vom bl. Geifte eine katholiſche Mufterfolonie Libre: 
ville gegründet. Eine andere der 10 Stationen, Fernan Baz, wohin neuerlichſt Das 60 


„278. 


Teil des franzöſiſchen Kongo ein, fo bildet 
« een 








ißt 2 Ay. Bil. dem erjten, (4.) des 
el Staates, n — er — (ber 


traut, die auf 5 Stationen 2376 Getaufte und gegen 5080 Taufbewerber hatten. Xn 
Mpala balten fie ein Seminar. Auch ift noch die = am Uelle zu erwähnen, wo 
belgiſche —— — 2 Stationen —** — Be — eit 1892 eine 


—— dem ke ni Fr Kongem a fion, ei 5 ——— is, ans 
wiſchen iſſen der ionare und denen ehe ri 
der Lich —— find beſtimmte Grenzen geordnet (22 P., 
Südlich davon in Benguella die (8.) Ap. Präf. Oker-Gimbebafien ihr 
85 dem ebenfalls Näter vom bl. Geifte auf 6 Stationen (au in Bihe und Bail ee 
amerifanijchen Protejtanten) thätig find, unterftügt von St. Fejepbs-Schweitern. 16 P., 


Das weftliche Gentralafrifa. Summa: 67 Stat. (67), 204 P. (167), 130F,, 
J 5 84 Sch. (115), 4070 Sci. (6737), darunter 948 Mod. 940 (2845) 39015 Kath, 
40 (11354 
C. Südafrifa. In Deutſch-Südweſtafrika befteht ſeit 1892 eine Präf., die als 
(1.) Unter Eimbebafien bezeichnet wird mit Stationen in Windhut und Swakopmund. 
ge iſt die £ M. (vom deutſchen Oblaten der unbefl. Maria) noch in den An —— 
cht Jahre älter iſt die der Saleſianer im Namaqualande, das mit einigen Bezirken 
45 une zufammen das (2.) Ap. Vik. des Oranjeflufjes bildet. Stationen baben jie * 
Kleinen gg (Bella, Springbod) und ſüdlich (Calvinia). Unter den 500 an 
ebenen Kath. dürften ſich auch Europäer befinden. Im Kaplande ſelbſt wird jchon 
ft 1837 gearbeitet. Der (3.) weſtliche und der (4.) öftliche Diftrikt find Ap. Vikariate; 
zwiſchen ihnen liegt Die ei Präf. (5.) des Eentraldiftrifts, zu der auch St. Helena ge 
50 rechnet wird. Die Erfolge w nur gering. Bon den beiden letten Dijtriften find 
1622 ——— on —— 13 bei dem erſteren find mit Einſchluß der Euro er 6240 
ezählt. ch Verhältnis erechnet dürften darunter 780 Rarbige er Danach würden 
an an zu rechnen fein. Die Miffionsthätigfeit auf 27 m 
—* Kapland 2400 zu rechnen ſein. Die Miſſionsthätigkeit Stat. mit 48 P 
(meitt —— erſtreckt ſich größtentells auf Die weiße Bevölkerung; fo auch zabl- 
55 reiche Schulen (darunter einige böbere), an denen Marilten, Salefianer und a Pe 
wie Dominifanerinnen u, a, arbeiten. 
Nom Vikariat des öftlichen ° —2 iſt ſeit 13500 das von (6.) Natal abge jatel 
ben Händen von Oblaten der unbefl, Maria. Die ausgedehntejte Thätigfeit 
deutſche Trappiften in ihrem großen Kloſter Marianbill 2 Stunden von D’Urban) * 
co 21 Filialen, mit blühender Ökonomie und Induſtrie. 273 F. und 305 8. Bon ben 


Miffion nuter den Heiden, katholiſche 109 


52 Schulen des Bil. gehören 18 mit 1165 Kindern dieſer Kongr., welche hier 2606 ge⸗ 
taufte Schwarze und 1175 Katechumenen zählt (Kath. M. 1899, 186). Wie viel von den 
12000 Kath. außerdem Farbige find, ift nicht erfichtlih. Dasfelbe gilt von den 5600 
im (7.) Bil. Dranje-Freiltaat (jeit 1886), das auch Griqualand, Weſt- und Betichuanaland 
umfaßt. Die Arbeit der Oblaten der unbefl. M. auf 10 Stationen fcheint fich haupt: 6 
fächlich auf die weiße Bevölkerung zu erftreden. Größere Ernten aus den Eingebornen 
haben Brüder der leßtgenannten Kongr. im benachbarten (8.) Bafutoland_gehabt, das 
eine bejondere Präf. bildet. Jedenfalls find jedoch manche von den 4000 Kath. daſelbſt 
nicht aus den Heiden, fondern aus den proteitantifchen Gemeinden der Pariſer Mifjion 
gewonnen. 10 

Dieſelbe Kongr. wirkt auch in der 9. Ap. Präf. Transvaal auf 4 Stationen. Auch 
hier ergiebt die Statiſtik nicht die Zahl der Farbigen unter 6200 Kath. Hier wie in 
anberen füdafrifanifchen Gebieten it das Übermwiegen der weiblichen Schülerzahl be: 
merkenswert. | 


Südafrika: Stat. 82 (580), P. 147 (574), F. 369, S.425, Sch. 161 (1400), 15 
Schl. 7193* (87421), darunter Moch. 3565 (36333), Yarb. Chr. 9508** (333984). 

* Für Dranjefreiftaat und Transvaal fehlen bie Angaben nad der durchſchnittlichen 
Schülerzahl, im Berpältnis zu den Schulen dürften 1000 mehr zu rechnen, aljo ca. 8500 
(4000 Mid.) ** Ergänzt man die mangelhafte, Angabe nad) bem Verhältnis des Kap- 
landes, fo ergeben ſich etwa 12200. 20 

D. Oſtafrika mit dem öſtlichen Centralafrika. Nördlich vom Transvaal folgt das 
Gebiet der den Sefuiten feit 1879 überwieſenen (1.) Sambefi-Miffion das im Norden big 
an die Grenzen des Kongoftaats reicht. Bis jet beitehen nur 3 Stationen, 2 im Ma- 
ihonalande und 1 im Matebelegebiet. Die Thätigkert erſtreckt ſich nicht bloß auf die 
Eingeborenen, fondern auch auf die weißen Koloniften, für die in Bulumayo, dem Sitze 26 
bes Oberen, eine höhere Schule beſteht. Wie viel unter den 1200 Kath. farbige find, 
it fraglich. Seit 1897 beſteht die (2.) Ap. Präf. Nyafla im Weiten des gleichnamigen 
Sees, wo die weißen Väter auf 3 Stationen 1800 Katechumenen angeben. (3.) Die Präf. 
des ſüdl. Sanfibar im ſüdöſtl. Teile Deutſch-Oſtafrikas tit in den Händen der bayerischen 
Benediktiner von St. Dttilien, die 8 Stationen (Dar e8 Salaam, Iringa im hehe: so 
lande u. a.) haben, ſowie 20 Schulen und 9 Waifenhäufer. 1300 Kath. Im Weften 
renzt (4.) das Ap. Bil. Tanganyika mit 6 Stationen am öjtlihen Ufer des gleichnamigen 
Sees, unter denen Karema unter dem Wabende-Bolfe am weiteſten entwidelt zu fein fcheint. 
Hier (Sig des Vil,, Seminar) mie jenjeitd des Sees arbeiten weiße Väter hauptſächlich 
an Cbrijtianifterung der Kinder, deren auch viele in Todesgefahr getauft werden. 1689 86 
Ratb. und 2436 Kateh. Im Dften grenzt das (5.) Ap. Bil. des nördl. Sanfibar, das 
von 7° SB. bis zum Kap Guardafui hinaufreiht. Es umfaßt alfo den norböftl. Teil 
von Deutih-Dftafrila und den öftlichen der britifchen Intereſſenſphäre. In lebterer liegen 
5 Stationen (Sanfibar, Mombas u. a.), in erfterem 13, unter denen vor allen die Mujter: 
ftation Bagamoyo an der Küfte zu nennen; andere liegen in Uſakami und Ufagara, ſowie «0 
2 Trappitenftationen in Uſambara. Die anderen find mit Vätern vom hl. Geifte befebt. 
Auch bier mwaltet die Erziehungsthätigfeit vor. Gegen 3000 Knaben und 2000 Mädchen 
in 22 Schulen und Anjtalten werden faft ausnahmslos fath. Gemeindeglieder, deren Zahl 
fett 1890 von 1800 auf 7860 geitiegen ift. Im Weiten grenzt an das vorige dag Ge— 
biet von Uganda, in dem nach der neueften Teilung (1894) folgende 3 Vilariate be- « 
fteben: (6.) Am oberen Nil mit 4 Stationen der engl. Bruderfchaft St. Joſeph von Mill: 

ill, (7.) des nördl. Viktoria Nyanza mit 12 Stationen der weißen Väter und (8.) des ſüdl. 

it. Nyanza (Deutich-Uganda mit 4 Stat. derjelben Kongr. (Kamoga, Marienberg, 
Neuwied (auf der Ukrewe-J.) u. U. I. Sr. v. Lourdes. Unter der durch die ältere evang. 
Miffion gegebenen Anregung ift im Volke von Uganda eine auffallende Bewegung zum so 
Ehriftentum vorhanden, welche in Verbindung mit den politifchen Bartetfämpfen der k. M. 
zu ftatten kam. Befonders ausgedehnte Scharen find im nördl. V. N. gejammelt. Die 
Statiftit giebt 39586 Kath. und 166150 Katech., für welche 32 P. mit 9 Gebilfen nur 
unzureichende Arbeit thun künnen. Ein Seminar mit 60 Zöglingen foll eingeborne Geift- 
liche liefern. Am oberen Nil zählt man 3530 Kath. und 9940 Katech. während ın 56 
Teutich-Uganda nur 1290 Kath. und 4097 Katech. angegeben find. Gegen Süden folgt 
endlih auf deutſchem Gebiet gelegen das Ay. Vik. von Unianpembe, in dem ebenfalls 
die weißen Väter 5 Stationen (Uſchirombo, Mialala u. a.) haben mit 1133 Kath. und 
6755 


10 Miſſion unter den Heiden, Tatholifche 


Citafrila. Za.: 63 Ztat. (129), 162 P. (2:9), 89 F., 64 8., 107 Sch. (227), 
Tl" cl. 330500, Darunter 3573°° Moch. (11852 **, 69288***, Kath., (46639) Chr. 

* Yingaben von 2 ‚yeldern feblen. ** Unvolljtändig. *** Yuf einigen Feldern find 
Europäer mit eingeichlosien. 


5 E. Wordafrita. An Das Ar. Vik. Des nördl. Zanfibar grenzt im N.W. 1. das der 
(Sallalander in tem ſchon ſeit 1846 italieniſche Rapuziner arbeiteten — feit 1863 fran- 
zöſiſche. In neueſter Zeit harte Diele Miſſion (mie mande andere in Oſtafrika) viel von 
Türre und Heuichreden su leiden. Der Bilar bat jeinen Sig in Harar. Ein Seminar 
ſteht in Blüte; aber nur = Elementarſchulen jind vorbanden mit 320 Schülern (darunter 

10. Wird.) Tie Zahl der Kath. wird auf vınm geihägt (1800: 6000) Neben 15 Miffio- 
naren wirfen 5 eingeborene Weltprieſter. Die genannte Kongr. wirkt auch in der 
> Ap. Präf. Ervtbräa, in ter gleichnamigen italieniſchen Rolonie auf 24 Stationen, von 

deren Neren der Zıg dee Prafekten tt. Früber achörte Das Gebiet mit zu dent 3. Ap. 
If. Abeitunien, ven Dem es 1804 abgesmeiat wurde. Letzteres beitebt feit 1838. Wegen 

16 des beftigen Rideritandee Des abefftniichen Klerus gegen Die römiſche Miffion bat man 
den ätbieriſchen Ritus zugelaſſen. Unzr den Kampien mit der italienischen Macht war 
die Arbeit der Yazarliten zeitweüe azedrahen. mt aber neuerlichjt mieder aufgenonmen. 
Ror der Teilung zähle man Aveo Nam Siops werden von Abejlinien 4000, von Ery: 
tbria Zum angegeben. }. Arsen Das dricas en Ap. Vik. bildet, hat eine aus— 

20 gedebnte katb. Hevelfirung NFSANTZ Kam Sm 7S580 halten fih 56180 zum 
lateintichen und Zum zum Bumsor Wene Uu® sahlreiden Stationen, in Schulen 
und anderen Anſtaldfen er on. orten onmitisener Nongr. in Thätigfeit. Das 
5 Kal Delta bat ame zeisın. Ger oz Ymorz Wßtonaren. In der (6.) Ap. Präf. 


Tripelis arbeiteten Ne Terzosfonr vr or zz Sabebunderten und haben nun in 
4 


35 4 Lurocbien fe Nam Sevwaria m Sr” Xarotto überipiefen, mo 1859 ihre 
alte Motten erneuert Tun Mar satte dern Une Rath, In der (8) Ap. Präf. 


Des Zudan bazın az Rrmiuh Dreier rar den Negern am weißen Nil gear: 
beitet, Zu wird u T Aräteneaiteiiiit ec Serum uberwieſen, unter deren Send— 
beren fe zur Bun arm Te Zespnen wurden bis nad Kordofan vorgefchoben. 

9 Dur Me Emmernig Ne ren Ne Neekoerftört Jetzt bat jene Anitalt, die 
Kater Sea Ne Zn em vei. wu Feju bilder, nur einige Stationen in 
Herren ti Zutat cd N Natgtsssiriliitit, Erit fürslib nad dem endgiltigen 

Sue Ne andere Sn ndus eilein eogenuber von Khartum) wieder bejeßt 

i oo dp EN Subara zu nennen, in Dem die weißen Väter 


—I Swerx in . r = . Er - . . - 
eg uno end Tambuktu, Segu u. ſ. w.) arbeiten. Die Zahl 


Sunset ie Miaſtvnare aus Not der Verbältnifje ſich me: 
mat og ra Nr ν n dor Lorbereitung der Bekebrung ganzer Stänme be 
mu Dot we Net N voilzegen ment an Knaben in articulo morfis. 

Na Namen ta übidafrika falle nach unſerer Auffaſſung nur die 
wann Naar N taten ie du Mabınen wirklicher Wiffionstbätigfeit (unter 
Yubartin Nenn Nat A % »rdafrika nur 15 Ztat., 45 P., 14 F., 24 S,, 
IN Cu J He ad Death, Die M. C. zählen 108 930, alſo 
ot ae inet chriiti. Belenntniffen oder deren Nachkommen. 
Be vn de Nat. Annobom, Rorisfo und Fernando Poo bilden 
anc Ar Casa yore Koleav «Sobne v. unbefl. Herzen M.) 10 Stationen 
ka en eticeten Ap. Vit. geteilt: (2.) Nord-, G.) Süd- und 
mil in \ Yo Nasa sgeriut SRNIEUNN Jeſuiten ſeit lange als Konkurrenten der 
U —X et: ra se ui Sub die Jabl ihrer Bekehrten auf 84000 an- 
un un he Sr yenjstihben Groberung find Die Gemeinden fehr ge: 
PN aa Wepenintiint bedrobten Evangeliſchen fich vielfach zum 
weht N R . war Sy NO eueltens 61.500 Kath. und 258 956 Katech. 
ae vun a enpstwäyıt AND. bat Der äußere Druck nachgelaffen, da die 
Ruta OT Nyon apart auirecht erbält. Nur einzelne Beamte wiſſen 


.‘ Na 


XXW& or aan sen ta ne Br kath. M. mit äußeren Mitteln Vorſchub 
Br N Mar oysyn dv Veasilten Sein [806 einen neuen Anfang ges 
ni N en ra BE veiüt ISIN ihren Einzug. Sie fanden 
—WBB os NER Kenaregation it Die 9. Ap. Präf. von 
u Wa! one zaregin rer den 1600 Kath. find viele ſchwarze 


—WX 


N ou hben Inne cine dath. Tiöcefe bildet, ebenfo wie 
NT Ve 


. —X 





EEE 
— SE — 3 Schl. (136980), 
Bra Eh. 














er AN - 


ndung der Propaganda wurden von dieſer hiedene Punkte des weiten 
in Beng he —— a" 


iffe der M. nieht nünftig. Ms — 
— ES Die Daft + 


jeiden war = * mehr zu denken. Zu — des 19. Jahr: 
tant des olicmus in Indien — kath. Augenzeugen 





112 | Miffion unter den Heiden, katholiſche 


als troſtlos geſchildert. Streitigkeiten der portugiefifchen Krone mit dem päpftlichen Stuble 
über das Patronatörecht der Erzdiöcefe Goa führten zu einem ärgerlihen Schisma, wo: 
durch der Verfall nur befördert wurde. Der Riß konnte nicht gebeilt werden durd cine 
firchlihe Ordnung, welche Gregor XVI. befonders durch die Bulle Multa praeclare 

5 (18:38) einführte. Es bedurfte noch mehrfachen jchmerzlichen Nachgebens feiner Nachfolger, 
bis endlich der Streit durch das Konkordat von 1886 beigelegt murde. Die Erzdiöcele 
Goa und die Tidcefen Daman, Cochin und St. Thomas von Meliapur mit 534000 Seelen, 
fajt ein Dritteil aller Kath. in Indien, find der Jurisdiktion Portugals verblieben und 
jteben unter dem Primas von Goa, der den Titel Patriarch von Indien erhalten bat. 

10 Auf die übigen Gebiete des Britiſchen Oſtindiens bat Portugal feine Patronate- 
anſprüche fallen laffen. Die dortigen früberen Ap. Bil. jind feit 1886 jämtlich in Bis- 
tümer, bezw. Erzbistüner verwandelt. 

Unfern Rundgang durch diejelben beginnen wir mit (1.) Mädura im jüdlichiten Teile 
der Halbinfel, wo einjt Xaver die Mailen taufte und Roberto als Brahmane wirkte. 

15 Tas jeßige Bistum, welches von Kaveri bie zum Kap Komorin reicht, umfaßt die 
größten Scharen der kath. Bevölkerung, nämlih 206000 unter 5 Millionen Seelen, mehr 
ale A Proz. Hier unter den Tamulen bat die Miſſion den fruchtbariten Boden gefunden, 
ganz anders als unter den Hindus im Norden, wo in einigen Diöceſen der Prozentjag 
nur 0,03 Proz. und noch weniger beträgt. Auch die ev. M. bat hier eines ihrer Frucht: 

20 barſten Gebiete, und zählt in den fühl. Diſtrikten Madura und Tinnevelt faft noch einen höheren 
Prozentſatz der Bevölkerung in ibren Gemeinden. Bilchofefig und Seminar iſt in Tri 
chinopoli, 51 Jeſuiten, 15 farbige Ordensprieſter und 9 Weltpriejter arbeiten auf 37 Stat. 
Schulen und Wohltbätigkeitsanjtalten find in den Händen von Urbensleuten — neben 
Jeſuiten Brüder von den 7 Schnierzen der fel. Jungfrau Maria auch mehrere eingeborene 

2 Scmweiternfchaften find vertreten. In den legten 15 Jahren bat ſich die Zahl der Kath. 
um mehr als 25 Proz. vermehrt. 

Im Norden folgt bis zum Palarfluſſe die Erzdiöceſe (2.) Pondichery, von der erft 
1899 die Diöceſe (3.) Rumbalonam abgetrennt wurde. Hier wirken Priejter vom Varifer 
M.-Seminar unterjtügt von nicht weniger als 332 Schweftern verichtedener Orden. In 

80 beiden Sprengeln zujanmen beträgt der Prozentfab der Kath. 2,7 Proz. Die meiſten 
fommen auf das franzöſiſche Pondichery. Die Zunahme tft nur etiva balb fo ſtark mie 
in Madura. Die Erzdiöceſe (1. Madras umfaßt den nördlichen Teil des Tamulen-Gebiets 
ſowie die füdlichen Telugu-Diſtrikte. Selbit die im Nanarefen-Gebiete gelegene Station 
Bellary gehört dazu. Die Weltpriefter von Mill-Hill (23 nebft 22 eimgebornen) haben 

8529 Stat. Die Zahl der Kath. (14870) beträgt nur 0,6 Proz. der Bevölkerung und 
eigt gegen 1895 einen kleinen Nüdgang. Den weltlichen Teil des Tamulenlandeg um- 
* die (5.) Diöceſe Koimbatur, zu Der auch Die blauen Berge gehören. 22 Stat. 44 P. 
vom Pariſer M.Seminar, 35870 Kath. Den bisber genannten Sprengeln, welche Das 
Tamulenland umfafjen, gebört annäbernd die Hälfte (41 Proz.) der gefanten inbt- 

«0 —F Kath. an, obgleich die Zahl der Stat. und P. nur ein Viertel der Geſamtzahl 

eträgt. 

Auch an der Weſtküſte des ſüdlichen Indiens giebt es neben den zu Goa gehörigen 
Diöceſen ſolche, Die dem römischen Stuhle direkt unterſtellt ſind. Auch dieſe zählen viele 
Katholiken (60--87 000). In Travanktor liegt Die Diöceſe (6.) Quilon, die bis zum K 

45 Komorin reicht. Sie grenzt im Norden an Die Erzdiöceſe (7.) Verapoli, die ſchon na 
Malabar binemreicht. Der ganze Rüftenftrich bis zum Gebiete von Goa bildet die Didcefe 
(8.) Mangalur. Dieſe ijt ſeit 1878 den Jeſuiten überwieſen. rüber arbeiteten auf dem 
ganzen Küſtenſtriche die unbejchubten Narmeliter, Denen die beiden füdlichen Kirchenprovinzen 
auch jet noch amwertraut find. Dort bejteben die Gemeinden größtenteild® aus unierten 

so Syrern. br Wachstum ift nur mäßig. Dagegen bat in der Diöcefe Mangalur die Zahl 
der Kath. fih in den legten 15 Jahren um ca. 66 Proz. gehoben auf 83690. Die 
Nübrigkeit der Jeſuiten in Nivalität gegen Die Basler ev. M., von der öfters Abgefallene 
ale Monvertiten aufgenonmten werden, bat dabei mitgewirkt. 

Jenſeits der Ghats liegt Die Diöceſe (9.) Myſore (Maiſur), deren Grenzen über das 

55 gleichnamige Reich binausgeben. Hier wirken Miſſionare von Barifer Seminar, die in 
den legten 15 Jahren den bedeutenden Kortjchritt von 27000 auf 410UUV Katb. zu ver 
zeichnen baben (falls nicht in den M. C. von 1886 und 1901 eine berfchiedenartige Zäh⸗ 
lung vorliegt). Die Arbeit erſtreckt fih auf Die vwerichiedenen bier zuſammenſtoßenden 
Völkerſchaften: Tamulen, Manarefen, Telugu und jelbjt Konkani. 

&0 Die Diöcefe (10.) Haiderabad, die legte im Gebiete der dravidifchen Völker, ift dem 


Milfien unter den Heiden, katholiſche 113 


Mailänder Miſſionsſeminar anvertraut, neben deſſen 19 Miffionaren bier auch Yranzis- 
faner arbeiten. Die Kath. zählen etwas über ein Zehntel Prozent der Bevölkerung. 

Unter den ariſchen Völkern im nördlichen Indien erfcheint Die Ergprözefe 11. Kal: 
kutta vor allen übrigen durch große Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Dies kommt von ben 
großen Scharen der Bergvölferichaften (Kols) der Provinz Tſchota Nagpur, melde an= 5 
gelodt durch die Berfprehungen einer fozialen Reformation ſich von den Jeſuiten taufen 
ließen, meiſt nad) einem ganz ungenügenden, viele überhaupt ohne Unterricht. Ein Teil 
der Konvertiten bejtand aus abgefallenen evangel. Chriften, welche durch die lare Praxis 
der Kath. (namentlich der Trund ucht gegenüber) verführt waren. Nach der neueften Sta- 
tiftit muß ein erheblicher Rückſchlag, der mwahrfcheinlich mit der Niederiverfung der fozialen 10 
Sardär-Berwegung zufammenhängt, eingetreten fein. Die M.C. geben die Gefamtzahl der Kath. 
der Erzdiöceſe 1898 auf 65 090 an, 1901 aber auf 54290. (Evang. Kols find 63 658 in der 
Goßnerſchen M. und über 15.000 bei der S.P.G.). Die Erzdiöceſe ift aus dem früheren 
Ap. Vik. Wejtbengalen gebildet. Oft: und Centralbengalen find jegt die beiden Suffragan- 
bistümer (12.) Dakka (Dhaka) und (13.) Krifchnagarh geworben. Das erftere unter Milfio: 15 
naren vom heil. Kreuz, umfaßt zunächſt das rg am unteren Brahmaputra, wo 
noch Bengalifch . gefprochen wird, ſowie das öftliche Küftenland des bengalifhen Meer: 
bufens bis Akyab, mit barmanifcher Bevölkerung, reiht aber auch hinauf in die Berge 
von ‘Tippera, wo 4 Sprachen von Aborigines in Betracht kommen. Die meisten Stationen 
find an Orten, ivo auch englifche Baptilten arbeiten. Schon 1886 wurden. 15000 Kath. 20 
gezählt, 1892: 7680 und 1901: 11000. Am Weſten folgt die dem Mailänder M.:Se- 
minar überwieſene Diöcefe Krifchnagarb, genannt nad) dem nörblih von Kalkutta ge- 
legenen Diſtrikt, in welchem 1839 eine außerordentliche Bewegung Tauſende von Dorf: 
leuten in die evangel. Kirche führte. Später fielen ihrer viele wieder ab und murben 
leicht von den kath. Mifftonaren gewonnen. Die meiften der jet aufgeführten 4050 Rath. 28 
dürften diejer Klafle angehören. (14.) Aſſam ift fett 1889 eine Ap. Präf., welche neben 
der gleichnamigen Provinz; noch Manipur und Bhutan umfaßt. Die dort wirkenden 
Miſſionare gehören der „Geſellſchaft vom Göttl. Erlöfer” an. Unter einer Bevölferun 
von 7 Millionen giebt es 1340 Kath. Die Diöceje (15.) Allahabab (früher Ap. Präf. 
Patna) umfaßt die füddftl. Hälfte der Nordweſtprovinzen, mit den Hauptitat. Allahabad, so 
Benares, Känpur (Cawnp.), Lakhnau u. a. Die Hindubevölferung bildet einen harten 
Boden. Unter 38 Millionen werden 6420 Kath. gezählt. Die Miffton tft in den Händen 
der Hapuziner, ebenfo wie in der 1892 abgezmweigten Ap. Bräf. (16.) Bettiah, die va im 
Dften anſchließt. Sie hat ihren Namen von der fonjt nicht bedeutenden Ortichaft, in 
weldyer erfolgreiche kath. Wohlthätigkeitsanftalten (Waiſenhaus u. |. m.) bejtehen. Sie ss 
umfaßt die Diſtrikte Gorakhpur, Patna, Gazipur und ſelbſt Königreich Nepäl. ‘Die nord: 
weitliche Hälfte der N.W.-Provinzen umfaßt die Erzdiöceſe (17.) Agra, ebenfalls mit Ka- 
puzinern bejeßt. Bon den Erfolgen, die bier im 16. Jahrhundert von Jeſuiten erzielt 
wurden, war nichts übrig. Obgleich ſchon im 17. die fath. M. erneuert wurde und nun 
feit 2’i, Jahrhunderten beiteht, beträgt der Prozentſatz der Kath. unter der Bevölkerung «0 
wenig mehr als 0,03 Proz., wobei, wie es fcheint, auch die kath. Europäer mit einbegriffen 
find. Abgezweigt wurde 1892 die Ap. Präf. (18.) Radfcehputana, wo ebenfalls die Kapu— 
iner in den wichtigſten Städten Stationen haben. Die Reſidenz ift Adſchmir. Auch bie 
Diöcele (19.) Zabore (früher Ap. Bil. Pandihäb) iſt von ara abgetrennt, aber der 
genannten Kongregation verblieben. Neuerdings iſt von bderjelben wieder die Ap. Präf. as 
(20.) Kafıriftan und Kafchmir abgezweigt mit den Haupftationen Peſchawar, Ravalpindi, 
Erinagar u. a. Hier arbeiten Br. von St. Joſeph von Mill-Hill. 

Als legte Erzdiöceje iſt endlich (21.) Bombay zu nennen. Sie erjtredt fi) von Kabul 
und Afgbaniftan über Sindh bis in das Marathaland, deſſen größerer Teil jedoch feit 
1886 ale bejondere Diöcefe (22.) Buna abgelöft it. Die Miffton tft in den Händen der so 
Yefuiten, die in Bombay großartige Erziehungsanitalten haben. Nach Oſten zu fchließt 

die Didcefe (23.) Nagpur an, welche die gleichnamige Divifion nebjt den andern Teilen 
der Gentralprovinzen umfaßt. Die Million ift den Salefianern übertragen. Bei einer 
Seelenzahl der Kath. von 8000 fanden bier im Sabre 1900 nicht meniger als 
30827 Taufen jtatt. inbegriffen find 28 930 Kindertaufen, die in Todesgefahr gefpendet 56 
wurden. Daß die Eltern dazu ihre Einwilligung gegeben batten, oder auch nur mußten, 
was mit ihren Slindern geichab, iſt wohl nicht anzunehmen. Diejelbe Kongregation arbeitet 
auch in der zuleßt zu nennenden Diöcefe (24.) Vizagapatam, welche Teile des Telugulandes 
fowie von Oriſſa umfaßt. Hauptitationen find: Vizagapatam, Bizianagaram, Berbampur, 

u. a. | 
RealsEncyklopäbie für Theologie und Stirche. 3. U. XII. 8 


60 


114 Miffion auter den Heiden, katholiſche 


Wir laffen die ftatiftifche Tabelle nach den neueſten M. C. folgen. Man darf nicht 
überfeben, daß unter den Kath. auch die Europäer und Eurafier mitgegäblt find, deren 
Bahl bereits im Genfus von 1891 auf mehr als 71000 angegeben wurde. Die Tabelle 
enthält nur die unter der Propaganda ſtehenden Stirchenprovinzen. Eine fühere Angabe 

6 über die in der M. thätigen Orbensleute ift nicht zu gewinnen, da nicht überall die ein: 
ebornen von den europätfchen unterfchieden find. Im ganzen finden wir außer ben 
iffionsprieftern 195 Ordensprieſter (Kapuz., Franzisk., Rarmel., Jeſ., Saleftaner u. a) 

und 1873 Klofterfrauen, letztere jedenfalld meiſtens eingeborne. 


















































— 8 | * 2 . u 4353| 0 
es Heel; 
Miffionsgebiete*. 3 3 —J Es 3 Ss 22 33 
| = = |#8 38|0 5 |55 | ER BS 
5 & & '» sale 
— A no...” J 
o 1. D. Matura . . .| 5000000: 2060001 37 980 2391| — | 
2. E.D. Pondihery . . | 5000000; 133770) 51] 275 80) 1 
3. D. Kumbatonam . . || 3000000, 85000, 27) 5021 54 — | 19 | 17 | 4 
4. ED. Madrad. . . | 7075790 44870) 29 122; 76 1|233,)22| 6 
5. D. Koimbatur. . . | 2028020, 35870) 22| 114) 59 1136 | 8| 8 
s 6. D. Duilon. . . .| 12100001 87000) 29 167] —| 116 |28| 8 
7. ED. Verapoli. . . | 1200000, 59700 41) 531 149| 1113 132| 5 
8. D. Mangalur . . . || 3709000 836901 34 73| 64 1|34|47| 15 
9. D. Maifur. . . . | 55000; 411701 27) 97, 71 1|47 | 10 | 15 
10. D. Haiderabad. . . | 11054000° 125901 11) 54| 30 — 19 —|5 
x 11. E.D. Kalkutta. . . | 21000000) 54290. 32 290, 127) — | 7727| 7 
12. D. Dakla . . . . | 17000000 11000 6 al 15 —| 8|—| 8 
13. D. Krifchnagarhb . . | 150000001 4050 6 43 18 —| 8|--|6 
14. 4. Pr. Alam. . . | 7000000 130 71 9 9 — 9| —|— 
15. D. Allababad . . . | 38147000) 6420: 15) 32) 27) — 19 5| 6 
5 16. A. Pr. Bettiah ‚13000000. 4085| 11) 1 3 — 15 — 11 
17. ED. Agra . . . . || 25.000 000) 8095 24 36 19 1|35| — | 12 
18. U. Br. Rabfchputana . | 14200000 36501 9 14 51 112 215 
19. D. Xabore . . . . | 13600000: 3590: 13) 20) 2a —-I3|1—| 4 
20. A. Pr. Kafıriftan und |) | | 
30 Kaſchmir. . . . | 2 000 000, 3000! 10) 11 4 — 14 —!6 
21. ED. Bombay. . . | 12380000, 16160, 27) 46 231 — | 51|22| 2 
22. D. Buna . . . .| 7000000) 13000) 22) 38: 981 — | 21 | 10| 2 
23. D. Nagpur. . . . 1 15500000) 8000| 10 23 5 — 20 5|u 
24. D. Bizagapatamı . . || 9000000) 12915: 14 59| 25 — 18 --| 4 
85 254603 790| 885 195' 514311611242} 9 |672 1286 | 174 


Rath. in Vorberindien 1419195 
Evangel. „ n 776 362 * 19 6866 1057| 884 
| | 


Kath. unter Portug. Jurisdiktion 534 000 | 


* Dd. — Didcefe, ED. — Erzdiücefe, U. Pr. Apoſtoliſche Präfektur. *+ Nur Eins 
40 geborene. 


C. Ceylon, obgleih eng mit Indien verwandt (wie denn die Tamulen der nörb- 
lichen Teile fih von denen des Feſtlandes nur menig unterjcheiden), führen mir bier bes 
jonders auf, da die Inſel als britijche Kronkolonie mit eigener Verwaltung mit dem 

3 Kaiferreiche Indien nicht verbunden iſt. Buddhiſtiſche Singhaleſen bilden den Haupt 
beitandteil der Bevölkerung, etwa dreimal jo viele wie die der Hindureligion an 
Tamulen. Während der 1-40jäbrigen portugiefiichen Herrfhaft von 1517—1658 batte 
der Katholicismus viel Boden gervonnen. Während der bollänbifchen, bis 1796, wurde 
mit äußeren Mitteln reformiertes Bekenntnis und Gottesdienft eingeführt. Als 

so mit der engliihen die Neligionsfreibeit Tam, bielt es nicht ſchwer, bedeutende Scharen 
jener Neischriften zum Kath. zurüdzuführen. Die für C. anzugebenden Zahlen bebeuten 


. 
>] 


Miffion unter den Heiden, Tatholifche 115 


alfo nur gum geringeren Teile die Ergebnifje moderner kath. Miffionsarbeit. Der Um: 
fang der letzteren tft nicht feitzuftellen. 

G. wurde 1836 als Ap. Vik. von der Didcefe Cochin abgelöft und 1847 davon 
wieder das Ap. Bil. Jaffna abgezmeigt. Das erfte ift fett 1887 Erzdidceje Ktolombo, 
das andere Suffragandiöcefe, beide unter Pflege der Oblaten d. unb. E. Im Innern ift 
die Didcefe Kandy in den Händen von Benediktinern. Die öftlichen und füdlichen Pro— 
vinzen der Inſel bilden die den Jeſuiten überwieſenen Didcefen Trinfomalli und Galle. 
Die Gefamtzahl der Kath. wird auf 275220 angegeben. Darunter find außer Europäern 
auch viele portugiefiiche Mifchlinge mitgerechnet. Nach dem offiziellen Cenſus jeeint die 
obige Angabe irrtümlich zu fein. Dort find 1891 nur 153000 Kath. angegeben. Auf 10 
88 Stat. arbeiten 144 europ. und 43 eingeb. P. bei 592 K. und Kap. und 847 Sch., 

4 Sem., 17 W. H., 70 F., 308 $., lettere meift eingeboren. 

(Evang.: 45 Etat., 49 europ. M., 95 ordin. Eingeb., 31953 Chr., 861 Cd). 

D. Hinterindien. Im Reiche Barma war die ältere Miffion nur unbedeutend. 
Bis 1722 Stand es unter dem Bilchof von Meliapur; dann wurde e8 zu einem Ap. Vi: 16 
fariate erhoben. Verſchiedene Kongregationen arbeiteten im 18. und 19. Jahrhundert 
obne fonderlichen olg, bi8 endlich nach der englifchen Eroberung die Verhältniſſe 
ſich gunßige geſtalteten. Seit 1856 befindet ſich die Miſſion in den Händen des 
Pariſer Miſſionsſeminars. Das Gebiet iſt in drei Ap. Vik. geteilt: Süd-Barma mit 
41000 Kath. — unter denen ſich auch Tamulen, Chineſen und nicht wenige durch die 20 
evangel. Miſſion befehrte Karenen befinden. Nord:Barma (6000 Kath.), wo auch unter 
Schan gearbeitet wird, und Oſt-Barma mit dem Hauptplage Toungu, das dem Mailänder 
Miſſionsſeminar übergeben iſt und fich öftlih bis an die Grenzen Tonkins eritredt 
(0600, Kath.). Auch bier wird der längft beftebenden evang. Karenenmiffion Konkurrenz 
gemacht. 26 

In Siam war die Miſſion im vorigen Jahrhundert ſchon einmal zur Blüte gelangt, 
ging jedoch zu Grunde, als das Land unter barmaniſche Herrſchaft kam. Erſt 1840 
wurde die Miſſion wieder aufgenommen. Jetzt werden dort 22000 Kath. angegeben. Es 
ift nicht erfichtlich, mie viele davon Chinefen find. Bedeutend ift die Zahl der Waifen- 
bäufer (23), aus denen, wie es fcheint, fich die Gemeinden aurtärhlid vermehren. Ab⸗ 80 
geziweigt wurde die Didcefe Malakka (jett 19850 Kath., darunter viele Chinejen), ſowie 
das Ap. Vil. Laos mit 9430 Kath. Die Miffton in den drei Gebieten hat das Pariſer 
Miſſionsſeminar in der Hand. 

(Den 99010 Kath. in Barma und Siam ftehen 127707 evang. Heidendriiten gegenüber.) 

In den öſtlichen Reichen Hinterindiens Kambodſcha, Annam und Tongkin, die mehr ss 
oder weniger unter chinefifchem Einfluß ftanden, haben die Jeſuiten Schon zu Anfang des 
17. Zabrbunderts eine ausgedehnte Thätigfeit entfaltet. Als unter ihnen hervorragend 
verdient Alerander von Rhodes erwähnt zu erden. Unter gefchietter Benußgung politiſcher 
Berbältniffe mußten fie fih Anhang zu verichaffen. Die Folge davon war, daß ſchwere 
Chriftenverfolgungen ausbradhen, in denen viel Blut gefloffen it. Mehr als 200 Miffio: «o 
nare wurden dort Märtyrer. In neuerer Zeit iſt Frankreich als „Soldat der kath. Kirche” 
mit den Waffen eingefchritten. In den dadurch herborgerufenen Kämpfen, welche zur 
Gründung des franzöfiichen Kolonialbefiges führten, kam es wiederholt zu weiteren Chrijten- 
verfolgungen. Aber gejtübt auf franzöftihe Macht gewinnt die fath. M. immer meiteren 
Anhang. Schon 1693 waren in Oft-Tongfin neben den Sefuiten fpanische Dominikaner as 
m bie Arbeit eingetreten. Zwiſchen den Vertretern beider Orden gab es ärgerliche Streitig: 
leiten. In der Folge kamen die Gebiete der Jeſuiten an das Parifer Seminar. Jetzt 
arbeiten die Priefter des letzteren in den Ap. PVilariaten Kambodſcha, Nord-, Oft: und 
Weſt⸗Kotſchintſchina, ſowie in Süd-, Weſt- und Ober-Tongkin, während Oft, Mittel: und 
Nord⸗Tongkin das Arbeitsfeld der Dominikaner find. 50 

Die neueſte Statiſtik (M. C.) giebt für ganz Hinterindien (948820 Kath., 512 europ. 
und 527 eingeb. Prieſter, 2342 Ch. Auf die öftlichen Gebiete unter franzöf. Macht 
tommen davon 830960 Kath. In 20 Jahren tft die Zahl um mehr ala 300000 ges 
machten. Dort beftehen viele Frauenklöfter mit Eingeb., die 3. T. befondere Orden, mie 
Liebhaberinnen des Kreuzes, Tertiarierinnen des bl. Dominifus u. a. bilden. 65 

(Evang.: 127707 Ehr., 46 Stat., 94 Mifl., 209 eingeb. Pf. 599 Cd.) 

E. Holländifh-Indien. Auf diefem (Gebiete bat die k. M. nur das Ap. Nik. 
Batavia (Jeſuiten), und die Ap. Präf. Nord:Borneo und Labuan (Bäter von Mill-Hill). 
Die legtere mit dem Sitze auf der Inſel Yabuan bat einige Stat. im brit. Borneo, ſowie 
m Sarawal, wo fie der anglikaniſchen M. Konkurrenz zu machen fucht, und zählt im 60 

gr 


a 


n 


10 


X 


116 Miſſion unter den Heiden, katholiſche 


ganzen 1200 Kath. Zu Batavia gebören 10 Stat. auf Java, 4 auf Zumatra, 3 auf 
(Selebes, von Denen > in der bereite drittianifterten Minahaßa woſelbſt ſie 21 Zchulen 
haben), 2 auf Timer und > auf Flores. Die Geſamtzabhl der Kath. iſt nach dem M. C. 
1831. Nach der K. K. 2. 255 tr Die Jabl auf 18846 angegeben, Darunter 22382 
Europäer und 2 tet Aſiaten. Die meiiten der letzteren finden ſich auf Flores (16615) 
und Eelebes (47 1 umd Timer 1172 Im ganzen ‚fan man für Hol. Indien nur 
38161 Natb. rechnen. 10 Zar, 62 Mn und Kap., 652 europ. M. 48 Sch, 6 W. H. 

(Evang. Eingebe: 45 112. 

Die Ppilippinen, welche ibre kirchliche Hierarchie baben, fteben nicht unter der 
Prerganda. und iind darer in den M. C. nicht aufgefubrt. Nah der K. K. find in 
den Dive. Manta. Nuere Scaevia. Nueva Carceres, Cebü und Jaro neben einer nur ge: 
ringen Anzabl von — Se Keecet cn ganzen Reibe von Urden (Nuguftiner, 
Relollelten. \nmusfans Demmkane „aszın uns Benediftinen) thätig. In 736 Pfar: 
were, de a erärzun un Ile Motoren wurden gezäblt 6559998, für Die 
37 Warten Deu NAD SSISCRNEOIMEEn. Da Die Geiamtbevölterung 71501 
able. RED ads aan To se SSNE Iperin mir denen aber Die Miffton in neuerer 


“ 
[X U Ku 7 or — 2— 9% .. nn ad nm .,_-—. 


MIST III TC u DRITT r .. 
Fuoma Dertoe ti, Narr semn hinrensiefaner im chineſiſchen Reiche cine 
sm nz bonn arzumarnsen Beitande 1370 unter Kriegs— 
FETERRNGE —* or .iToznniren wurde Ne Arbeit von den Jeſuiten. 
len dom sw m. on nz Ne 0. az zurahn Wunice, ſondern ftarb an 
der Zero. In S Dr Iermm Tasrsaem, Die ſich jtügend auf die 
BULLS SID. TU Sn 7 Danz mun Serdrangen, it beionders Matteo 
WEEZE men STATT 8 mu or (Seichicklichkeit durd Ge⸗ 
0» or zen oonnz — Sornmfte babe Beamte fich günſtig 
. en SE Na Hunt oNs Kaiſers, ja die Stellung 
N NMNODITTONTDIT LIND DIT ekrnemechode iſt mit Der des Robert 
NND. went) Il om na 3m) In —S und Abnenopfer, 


28. > Dear. Soma Nenn, und os wurde ihm leicht, 

N 2 Sen. Fo rrer,iz zälrzanzz om. einzuführen. Ähnlich 
AN Im: LS I» —88 andere, die ſich als 

me Dem. ar nennen Kacnberihreiber, Nartograpben 
> or oe Iran wir om Ürdenagenoffen ins Yand zogen. 


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\\ . > 02.0. ne Immilzunac Ichmolg die Zahl der 

. ‘ on on. am m Nasen nech lange und adhteten 

\ | on ner. ion Li, azeentmte, wäbhrend Die Priefter 

\ \ nn Dr 2. Alfssuna Dee ‚eluitenorbene und 

\ un 8.0. 070,7 zur zuruck. Dazu wiederholten 
i x Neo nr zuNe Die Chrijtenverfolgungen. 

mn tt Ne RD Demütigen mußte, erlangte 

\ — | . I. pair. Fur Die Katholiken, welcher ım 

\ a Non INNE Den Ratholiken alle ihre 

N... Sardem hat die £ Million, bie 

‘ a FE Stat zuir drohte, ich immer weiter 

\ nn he durch diplomatiſchen Trud bobe 

j Van ur > Zuace gefördert, weit und breit 

" “ on So. nm urnal Da Diefe gebaßten Fremden 

. N 085 Randarinenrang zuerkannt if. Daß 

BR 0a I. enasiwönglet bilden, und die Katbolifen 


Miſſion unter den Heiden, katholiſche 117 


der richterlichen Gewalt des Reiches entzogen find, führt ihnen zwar fortgefegt viele Neo- 
phyten zu, die bei ihnen Schuß vor dem drohenden Arme der Staatsbeamten fuchen, aber 
es liegt auf der Hand, daß (wenngleich auch wohl hier und da ein Unjchuldiger der Be- 
ftechlichfeit der Beamten aus dein Mege geht) im großen und ganzen recht zmeifelbafte 
Elemente in die kath. Gemeinden hineinfommen. Die bedeutenden Verlufte, welche die EM. 6 
in den Wirren von 1900 gehabt hat, laſſen fih 3. 3. noch nicht überfehen. (Die Liſte 
der Märtyrer, 35 europ. Miffionare [darunter 2 Deutfche] und 7 deutſche Schmweitern 
wird bereit3 ziemlich vollftändig fein. Die Zahl der eingeb. Katholifen wird [wahrjcein- 
lich zu hoch] auf 20000 geſchaͤtzt, Db der neue Aufſchwung, den das chinefifche Reich 
nach der jüngften Demütigung dur) die europäifchen Mächte vermutlich nehmen mird, 10 
der kath. Kirche zu gut fommt, muß die Zukunft Ichren. Die Zahlen, die wir der K. K. 
(S. 256) entnehmen, fcheinen überall den Stand vor den Wirren zu bedeuten. 

‚Die 41 Ap. Vik. welche zur Zeit in China beitehen, find in folgende 5 Gruppen 


eilt: 
I. Betfhili (Nord-⸗, Oft, Südweſt-, Südoft:), Mandfchurei (Süd-, Nord: und Oſt-⸗), 15 
Mongolei (Oft, Mittel- u. Südweſt-) und Nord-Honan. 
II. Kuldſcha, Kanfu, Schenſi (Nord: und Süd-), Schanfi und Schantung Mord-⸗, 
Dft und Süb-). 
III. Ticheliang, Süd-Honan, Hunan (Nord: und Süd-), Hupe MNordweſt-, Oft: und 
Südweſt⸗), Kiangnan und Kiangfi (Nord, Oft, Cüd-). 20 
IV. Kweitſchau, Sztſchuen (Nordweſt-, Oft:, Süb-), Yünnan und Tibet. 
V. Zubtien, Amoy (Emoi), Hongkong und die Ap. Präf. Kwangſi und Kwangtung. 
Km ganzen find in China folgende 10 Miſſ.Geſellſchaften thätig: Rath. (oh 
ath. (ohne 


Felder Europ. Miſſ. Kalechum) 26 
1. Pariſer Miſſ.Seminar In Yünnan, Kwangtung, Kwangſi, 
O.⸗, Nw.- u. S.-Sztſchuen, N.u. 


S.-Mandih. u. Ribet413 235 973 
2. Lazariiten . . . . N: u W.-Tſchili, Ticheliang, N.:, 
O.⸗, S.Kiangſi. . . . 115 128563 80 
3. Sefuten . . . . Kiangnan, ©:0.Tihli . . . 168 168 921 
4. Franzistanr . . . Scheanfi, Schanfi,N.- u. O.Schan⸗ 
tung, Hunan u. Hupe .. 126 109 428 
5. Dominilanı . . . guhfien u. Amy . 2... 43 42 684 
6. Auguitina . . . . Nfman . 2 2 22. 8 215 8 
7. Mailänder Seminar . Hongkong, Sonan . . .... 39 22 200 
8. Römisches Seminar . S:Shafi . .» 2 2 2... 13 9180 
9. Scheutvelder M. . . Kanfu, Mongolei, Kuldſcha . . 84 30 342 
10. Steyler M.. . . . SCSdhantung . . 2 2... 33 15 252 
942 762 758 40 


Die neueften M.C. geben bei anderweitiger Orbnung etwas andre Zahlen. Wahr: 
Icheinlich find die Verlufte durch die jüngfte Verfolgung ſchon berüdfichtigt. 720 540 Kath., 
34 Stat., 904 eur. Miff,, 471 eingeb. Pr. 3584 Sch. [R. K.: 4054 mit 65 990 Schl., 
47 Briefterfeminare mit 869 Alumnen, 47 Kollegien und Knabenfeminare mit 2263 Zögl., 
239 W.H., 26825 W., 235 Spitäler, 239 europ. S. und 720 chineſ.]. Die Schweitern « 
gehören meiſtens dem Franzistanerorden an. Daneben find Filiae Charitatis, Schweſt. 
von St. Paul dv. Chartres, Töchter St. Joſephs u. a. vertreten. Es giebt auch mehrere 
chinefiſche Orden, mie 3. B. die Helferinnen der a. Seelen im Fegefeuer. 

(Evang.: 478 Stat., 973 Miff., 297 eingeb. Pf., 205747 ev. Ehr., 1823 Sch., 37057 Sl.) 


118 Mifflon unter den Heiden, katholiſche 


39 europ. und 9 koreaniſche Priefter. Ohne Katech. zählte man 42 450 Kath. 1 Sem,, 
39 Sch. mit 481 Schl., 2 W.H. mit 312 W.; meitere 346 W. werden in fatb. Fami⸗ 
lien erzogen. Klofterfrauen v. St. Paul v. Chartes: 11 europ. und 11 for. nebit 33 No⸗ 
pizinmen. 

5 H. Japan. Hier machte F. Xaver 1549 die erften Miſſionsverſuche, die Teinen 
bedeutenden Erfolg batten. Erjt feinem Nachfolger gelang eg, einige der mächtigen Feudal⸗ 
berm zu gewinnen, die ohne weiteres ihre gejamten Unterthanen zum Übertritt brachten. 
Noch mehr wuchs die Schar der Kath. als Nobunaga die bisherige Dynaſtie ftürgte und bie 
Herrſchaft an fih brachte. Er trat offen als Beichüger der Chriſten auf während er die ihnen 

10 wideritrebenden Buddhiſtenprieſter graufanı verfolgte. Die Wiffion mar mit der obftegen- 
den politiichen Partei verbunden und zäblte mit der Zeit 600000 Anhänger. Mit Je 
fuiten fanıen auch Auguftiner, Dominikaner und Franziskaner ins Yand. Auch die In⸗ 
quifition entfaltete ihre Thätigkeit. Die politifchen Verhältniſſe mechfelten jedoch. Es 
folgten ſchwere Verfolgungen. 1641 murden alle noch im Yande befindlichen Mifftonare 

ı5 mit Gewalt entfernt. Tas Chriſtentum fchien ausgerottet. Japan verichloß fich auf 
2 Jahrhunderte allem auswärtigen Verkehr. Erſt 1854 murde es durch amerikanische 
Macht wieder eröffnet. 5 Jahre jpäter fonnte die Miſſion erneuert werden, vorbandene 
Reſte der alten kath. Gemeinden famen ans Tageslicht. Obwohl ſich noch einmal der 
RER regte, fam es unter dem Seißbunger, mit welchem Japan die europäiſche 

20 Kultur aufzunehmen begann, bald zur Tuldung der Milfion, die nun wieder bedeutende 
Fortſchritte machte, die in neueiter Zeit jepoch unter dem Einfluß einer mächtigen natio- 
nalen Richtung verlangfamt erfcheinen. Tas ganze Merk ift dem Pariſer M.-Seminar 
übermwiefen. Es bejteben z. 3. 4 Kirchenpropinzen: die Erzdiöc. Tokio und die Diöcefen 
Dfafa, Nagafali und Hakodate. Unter einer Bevölkerung von 41 Millionen Seelen giebt 

25 05 55-153 Kath., 86 Miſſ.-Stat. 115 europ. und 32 jap. P. 36 Edi. mit 2826 Schl. 
(barunter 2041 Mädchen) und 23 W.H. mit 1497 W., 35 F. und 1098. von verſchie⸗ 
denen Kongr. 

(Evang: 145 Stat., 237 europ. Miff., 297 eingeb. Bf. 85715 japan. Chr., 104 Sch., 
7141 Schl. darunter 851 M.). 

30 Ganz Alten: 2966142 Katb.*, (1583796 Chr.), 1930 Stat. (1632), 2348 P. 
und 1368 eingeb. (2632 Mifj., 5809 eingeb. Pf.), 8358 Sch. (10768), — Schl.* (413 428). 

* Ohne 534000 portugiefiiche Kath., die hier ausgelaſſen find, weil über jie für die an: 
deren Rubrilen feine Angaben vorhanden jind. Ebenjo find die Philippinen mit angeblich 
6560000 Kath. übergangen. 

5 ** Die Angaben über die Schillerzahl jind fo lückenhaft, daß ſich eine zutreffende Geſamt⸗ 
zahl nicht ermitteln läßt. 

III. Amerita. A. Tas anglofaronifhe Amerita 1. Die Bereinigten 
Staaten. Kür unfere Betrachtung gliedert fih der Erdteil Amerika in zwei Teile, die 
mit der geograpbifchen Einteilung in Nord: und Südamerika nicht ganz übereinftimmen. 

0 Die politischen Gebilde, welche unter germanifcher (bezw. anglofaronischer Vermittelung) in 
der neuen Welt entjtanden find, ſondern fich Scharf von denen, welche fich unter roma- 
niſchen Nultur-Einflüffen bildeten. Dort herrſcht das evangeliihe Bekenntnis, bier das 
fatholifche. Zwar waren auch in Nordanterifa an den älteren Rulturarbeiten die Tath. 
‚sranzofen beteiligt. Aber feit der Entjtebung der Vereinigten Staaten find auch die 

16 früheren franzöfifchen Kolonien ganz unter den angloamerilaniichen Einfluß gelommen. 
Der beutige Stand der farb. Kirche in den V. St. bat ſich nicht ſowohl aus den alten 
fatb. Kolonien entwidelt, fondern aus dem Ztrom der fath. Emtvanderer, unter denen 
Iren und deutichredende Kath. befonders in den Vordergrund getreten find, dann aber 
auch der äußerſt rührigen Propaganda, welde alle ihren Sweden günftige Gelegenheit 

so mit viel Geſchick gründlich ausagenüßt bat. Dies waren die Faktoren, aus denen die groß: 
artige kath. Hierarchie entitanden it, an deren Eriveiterung auch jetzt unausgeſetzt gear- 
beitet wird. Die £ M. in N Amerika it aanz übertwiegend Konvertierung von Tin. 
teftanten. In den Nabmen unjerer Daritellung gehört nur, was von kath. Seite zur 
Chriſtianiſierung von Nichtchriften geſchieht. Wir übergeben daber die ausführlichen Mit- 

bo teilungen der M.C. über Die in 87 Nirchenfreifen mit 10309970 Katb. getriebene Thätig- 
feit und bejchränfen une nur auf Die Arbeiten unter Indianern und Negern. 

Die Indianer: Milton kann nad den direkten Angaben der M.C. nur eine fehr 
beſchränkte ſein. Nur in 5 Rirchenfreifen iſt Die Zahl befehrter Indianer angegeben, 
ſammen 9487. Dazu werden in Arizona 25000 erwähnt Im Anbange wird 

wo die Zahl 14000 gejegt und bemerkt, daß einſt ihre Vorfahren unter fpanijcher Herrichaft 


Mifſion unter den Heiden, Tatholifche 119 


kath. wurden, aber nachdem die Miffton unter ihnen aufgehört hatte, in die Barbarei 
zurüdgefallen feien, obwohl die meiften ſich Kath. nennen. hnlich fteht e8 mit vielen 
der 28000 Indianer in Neu-Merito (Pueblos), während andere noch ganz in ihrem alten 
Heidentum find. 

Aus dem erwähnten Anhange erfehen mir ferner, daß unter den Indianern in 5 
Alaska auf einigen bejonderen Stationen gearbeitet wird und daß im Territorium 
Waſhington die Jeſuiten 4 Stationen mit Schulen haben. %erner, daß von den 
4000 Indianern in Oregon die Mehrzahl katholiſch ift und 2 Priefter und 2 Schulen 
bat, ſowie daß unter den Indianern in Nord: und Süd-Dafota, von denen ein Zehntel 
lalſo 2631] katholiſch ift, die Benediktiner 5 Stationen und Jeſuiten 1 Schule haben. 10 
Eu (bei Duluth) beftehen ebenfalld 3 Benediktinerftationen. Dort find 2100 

. Sndianer. Auch unter den 14000 Indianern [genauer 13582, von denen 7161 
evang. find) in Wiskonfin und Michigan follen die meilten fatholifch fein. — Rechnen 
wir die aus dem Anhange zu entnehmenden Zahlen — bei Oregon 2500 angenommen 
— zu ben obigen 9487 hinzu, fo erhalten wir 23139 als Zahl der durch die k. M. ıs 
gevonnenen Sindianer — wobei die (mahrjcheinlich nur geringen) Angaben von Alaska 
und Wafhington fehlen. K. K. III ©. 197 gient 98638 an. Der Jahresbericht des 
Büreaus für kath. Indianerangelegenheiten (die Kath. M. 1899 S.188) hat 74468. Die 
Zabl fcheint faum zu erreichen, aud wenn man die in der Barbarei zurüdgejuntenen ſpa⸗ 
niſchen Indianer mitzählen wollte. (Die evangel. Indianer zählten 74735). 20 

Noch weniger tft zu erfahren über die Erfolge der k. M. unter den Negern der 
V. St., obwohl eine befondere (St. Joſephs⸗) Gefellfchaft für diefelbe beiteht und in Bal- 
timore ein eigenes Seminar bat. Die M. C. enthalten uur einige vereinzelte Angaben 
über die Zahl der kath. Neger. Nah K. K. III S. 196 giebt es in 25 Jurisdiktions⸗ 
bezirten unter 4914000 Negern 145000 fath., die 46 Kirchen, 48 Priefter, 111 Schulen 36 
mit 8533 Schülern und 21 Wohlthätigfeitsemitalten. Kindertaufen fanden 1900 ftatt 
4914, folche von Erwachſenen 851. (Die evangel. Neger werden auf 4—7 Millionen 

—* 


3t.) 

2. Britifh Nordamerifa, jest Dominion of Canada, der halbjouveräne Bund, 
der (mit Ausnahme der felbititändigen Kolonie Neufundland) das gefamte Brit. N.-Ame: 80 
rita, 7 Provinzen, 5 Diſtrikte und 2 Territorien umfaßt. Über den Zuſtand der In⸗ 
Dianermillion in diejem Gebiete geben die Quellen für die neuefte Zeit nur ſehr unge: 
nügende Auskunft. In den M. C. finden ſich darüber faft gar feine Angaben, und die 
Kath. ſt. ſchweigt davon völlig. — Bon Kanada aus, wo mit franzöfiicher Kolonifation 
der Katholicismus feite Wurzeln geichlagen hatte, war bereit3 viel von Jeſuiten unter 86 
den Rotbäuten gearbeitet. Mit der englifchen Herrichaft erlahmte die Thätigfeit, wurde 
aber im 19. $ahrhundert wieder aufgenommen. Oblaten von der unbefledten Empfängnis 

en weit in die unmirtlichen Gebiete um die Hudfon-Bat und bi8 an die Felſen— 
gebirge vor. Anknüpfungen waren ihnen gegeben durch den Verkehr kanadiſcher Pelz- 
jäger; angejpornt wurden fie durch die fich Fräftig entfaltende evangel. Miffion. Während «d 
in den Erzdiöc. Duebec und Toronto die meiſten der hinſchwindenden Indianer jchon 
fatb. waren, wurden im Welten aus den wilden Stämmen neue Gemeinden gefanmelt, 
die aber auch durch die unaufbaltfam vordringende Kultur zu verfümmern begannen. So 
iſt es am Red River, wo einjt neben der evang. die k. M. zu St. Bonifacius ar: 
beitete. Jetzt iſt dort die aufblühende Provinz Manitoba mit ca. 200000 Einw. ent: 6 
handen. Das ehemalige Ap. Vik. ift zur Erzdiöcefe geworden aber man erfährt nicht, 
wie viel unter ihren 35000 Kath. nod Indianer find — die jet nur auf Nejervationen 
leben. Die Miffionsarbeit iſt weiter nach Weſten gedrängt worden. Es iſt die Diöceſe 
St Albert entitanden und die Ap. Vikariate Saskatchevan und Athabasfa-Madenzie, 
legteres bis an das Felſengebirge und die Geſtade des Eismeeres reichend. Jenſeits des 50 
Gebirges wurden die Vik. Brit. Kolumbia und Vancouver gegründet, welche jegt zur 
Dice. Neu-Weftminfter vereinigt find. Unter den 30000 Kath. derfelben jollen nad) den 
M. C. 15000 Indianer fein. Überall arbeiten Oblaten der unb. Empf. Genauere An: 
gaben find über das ausgedehnte Gebiet nicht zu finden. Nur in den Kath. M. 1898 
S. 238 ift nach dem Globus die Notiz reproduziert, daß damals nach den neuelten offi= 55 
ziellen Angaben 99394 Indianer vorbanden waren (1892 waren es noch 106205). 
Darunter tvaren 70000 Chrijten und zwar 41813 Kath. (dafelbft jind von den Ev. nur 
16129 Anglilaner und 10273 Metbodiften angegeben. Mit Hinzurechnung der Presby: 
terianer u. S. w. fommt die Zahl der Ev. auf mehr ala 36000). Die Zahl der Tath. 
Schulen wird (a. a. D., S. 71) auf 208 angegeben mit 9714 Schülern. 60 


Isrgımer iz Armin aer Seither übe und Mittelamerika, ein- 
ee 27222 Sorten worden, unb empfingen mit 
u is emo ie te nom Schon in der eriten Hälfte 
Daumen == - ml Fasz zerbanten. Zur Befebrung ber 
IRB et Io ro eo m Teminikaner tbätig, mit denen 
Ma un ZIIZ In arbeiteten. Später traten die 
a 7 ae Bars mi Io 17. Jabrbundert alle die anderen in 


N m 2. rrmoerdn Orome oo Keduttienen (in den nördlichen 


een. ea xsebenätermen. Innere chriftliche 
ee ZErSmZone sercen fe ibnen nicht zu geben. Als 
Re ge Sram rem mußten, fielen ihre glän- 
Ba re <emron Tie Inſaſſen der Reduf- 
mer BT: mI>r 2 m 2m sera ıme nd — Ein großer 
Den m ı2r 2er sm ee en Smifünen angenommen. (Fe 
SIDE Bee ⁊— 2 Nam snmebene Kiaſſen von mebr 
Bam ce san a un “rireichen Mifchlinge ver: 
man ee ARndes Sontingent geliefert 
I BE RN EEE menden vãänder Tatholifch ge: 
nn her TE Verbältniffe 
ae — sermis m enzemus sur Laſt gelegt, der, als 
eu = Mes. ms Abiomanie meuttelten, auch die Religion 
FR — en = nm U 0 .'tc Nebolition Die andre brängt, 


nn um we : wur Der niedere Bildungäftand 


ee en — ze. Meet von der Zittenlofigfeit. Dazu 


” ar wine Imlr und einzelne Bifchöfe waren 
ee, rn Anftrengungen (3.8. ein fübameril. 
ee = m mare Mi Dan [SUN ‚dort zum erftenmal ‚ber: 
A ae re er beilen können, deſſen tieffte 
a ee Rirchenformen aber nicht 
ee. WE Do. — — de Sieht Wangel zeigt fich auch darin, daß 
wo ern en we al it Dielen Der betreffenden Qänder gar 
a te "N SS Sanmatee 5 Telauslieht, 


De * een Zrrderng Des „merfpürdigen und moblgeorb- 


i Tee Nunueftimr das Chriftentum eingeführt. Nach 

mm en Demumlaner und Auguftiner famen zu Hilfe 

\ ER as ar Werke zum Erzbistum erhoben. Der erfte 
ü ve mr ae Rente sr baben: Das Vizefönigreich Neu: 
er ea Akuslaeriie aus Mit der fpanifchen Her: 


eo. De woche, Jett ſind in der Republik Mexiko über 
a st L Mill Indianer, TOO Neger — die 

u u “Ne erdinhen Gegenden umberjchmeifenbe milde 

ulm sd Non Mijſion bei dieſen verlautet nichte, (Da: 
A #4. hulen Independenten, Vresbpterianern und Me 

F ap SReugmiäiitsihäteßeit unter Der fath, Bevölferung ge 

aan Narsliitiiitetent sablen bereits über 20000 Anhänger. 
= de Penunhit Gebieten zu bemerken; Doch es möge bei 
u FR Staaten su jagen, unter deren Be 
ER Re J vr Danke vennden ſollen, Die größtenteils kath. 
| wer Undos bravos, bei denen von EM nichts 
— Bed Ss ernst ebleie HINTER Der Tropaganda ſtehen, ift in 

Su Vo Nadeiie aufgeiubrt. Dort arbeiten Jeſuiten unter 

4 = Zn. we de Rah. find. Um Heidenmiſſion 





Ne iin durfte Dasfelbe in ganz über: 
et et Ns werden aufgeführt: das Ap. Bit, 
wor Ba N le ıinmobrern werden 13 000 Kath. 
wir se die Inſeln Trinidad, Tobago, Gre— 
ee Rath. umter einer Bevölkerung 
Nigel, Manu, Barbuda, St. Thomas, 














Miſſion unter den Heiden, katholiſche 121 


Ste. Croix u. f. m. zählt 146000. Einw., unter denen 50000 Kath, Tas Ap. Vi. 
Curacao, mit 38200 Kath. unter 46190 Einw. umfaßt die gleichnamige Infel famt den 
übrigen holländischen: Aruba, St. Eujtatius, Saba. Auf den 3 lektgenannten Gebieten 
find Dominikaner, Redemptoriften u.a. tbätig. Bon eigentlicher Miffton kann bier faum 
die Rebe fein. Es handelt fich, abgejehen von der Pflege fath. Gemeinden, wohl um 6 
Konvertierung aus der evangel. Negerbevölferung. Nicht erwähnt find in den M. C. 
die anderen großen Antillen, deren Bevölkerung längjt als völlig Tatholiich galt. Auf 
* iſt „od in neuefter Zeit das fchredlichite Heidentum in ausgebehntem Maße wieder 
aufgetaucht. 

Bon Südamerika führen die M. C. nur Guayana und Patagonien auf. In 10 
eriterem Gebiet beitehen die beiden Ap. Bil. Demerara und Suriname nebit der Ap. Präf. 
Cayenne. Zu dem eriteren gehört aud Barbados mit 500 Kath. unter 200000 Einw., 

ährend auf dem Feſtlande unter 260000 fi 23500 Kath. befinden. Hier find Se: 
fuiten thätig. Suriname ift den NRebemptoriften überwieſen, welche 17000 Kath. aus 
64000 Einmw. gewonnen haben. Nur wenige davon gehören zu den Bufchnegern oder 16 
Indianern. Die meilten find Neger, die großenteils vorher fchon Proteitanten waren. 
Wie viele von den in Cayenne vorhandenen 29000 Kath. (bei 31000 Einw.) aus ben 
noch vorhandenen Indianern gewonnen find, ift nicht erfichtlich. 

Endlih find das Ap. Vik. Nord-Patagonien und die Ap. Präf. Eüd-Batagonien 
u nennen. Im eriteren fchäßt man die in den bis jeßt erforfchten Gebieten lebenden 20 

ianer auf 15000 (bei 90000 Rath. und 3000 Häretifern), in der leßteren find neben 
13000 Kath. und 2700 Evang. etma 2000 Eingeborne vorhanden. Auch die Falklands⸗ 
Inſeln gehören mit zur Präfeltur. In beiden Gebieten arbeiten Salefianer. — Erſt im 
Sabre 1900 ift eine Präfektur in der Republik Peru errichtet und wie es fcheint Fran 
ziskanern übermiejen. 25 

Anbangsweije erwähnen die M. C. eine Anzahl Kollegia der Pranzisfaner und Ka⸗ 
puziner, die Miffton unter den heidn. Indianern treiben. In Chile beiteht ein ſolches 
ſchon jeit 1756 in Chillan, 100 km (N. O.) von Concepcion, ein anderes jeit 1837 zu 

o auf Ehiloe, von denen aus eine Reihe von Stationen gegründet ift, meift mit 
Schulen (Internaten) zur Erziehung von Indianerkindern (Araukaner). Auch beiteht 30 
eine Druderei und es erfcheint ein Miffionsblatt: El missionero Franciscano. Auch 
die Kapuziner miffionieren in den Provinzen Arauco, Valdivia und Llanquihue und haben 
26700 kath. Neophyten. In Bolivia beitehen ähnliche Kollegia in Tarija, Ya Paz, Ta- 
rata, Sucre und Potofi. Zu dem lebteren gehören Reduktionen mit ca. 4000 Seelen, 
Anaben: und Mäbchenichulen u.f. mw. In Argentinien find 5 Franziskaner-Kollegia. Es 86 
wird jedoch nicht gefagt, ob fie auch Indianermiſſion treiben. Dagegen haben die Fran—⸗ 
isfaner in Brafilien feit 1870 eine Anzahl von Stationen zur Belehrung der beidnifchen 
* angelegt, beſonders an den Flüſſen Vaupẽz und Tiquiè, die beim Sturz des 

tferreiches beinahe gänzlich verlafien wurden, jetzt aber wieder aufgenonmen erden. 
Auch die Kapuziner haben Mifftonskollegia zu Rio Janeiro, Bahia und Pernambuco. 40 
Ihre 47 Miffionare arbeiten unter 500000 Heiden und haben 20350 Neophyten aus 
den Waldbewohnern gewonnen. 

Die beidnifchen Indianer Südamerilas werden auf 2 Millionen gefhägt. Dagegen 
erſcheinen die vorſtehend genannten Miſſionen doch ſehr gering. 

Die Angaben über die k. M. in Amerika find fo lüdenhaft und ungenau, daß eine «6 
genauere ſtatiſtiſche Zufammenftellung, wie wir fie über die anderen Erdteile geben, nicht 
öglich iſt. Wir können nur jagen, daß in ganz Amerika nach den erreichbaren Angaben 
541402 Kath. vorhanden find. (Evang.: 813700 — ohne die Neger.) Wenn mir bier: 
nad eine weitere Schäbung nach dem Durchjchnitt der anderen Miffionsfelder wagen 
dürfen, würden mir bie übrigen Rubriken unferer Statiftit folgendermaßen ausfüllen: 50 

Ganz Amerila: 407 St. (861), 560 P. (463), 372 F; 700 8., 328 Cd. (517), 
15088 Schl.“ (58707). 

* Seihäht nad; Maßgabe von Dceanien. 


III. Uuftralien und Oceanien. — 1. Das Keftland Australien. Hier, wo die 
Propaganda eine ausgedehnte Arbeit unter der Kolonialbevölferung treibt, hat jie nur eine 55 
geringe M. unter den ausfterbenden Eingebornen. Die 1846 von fpanifchen Benediktinern 
geſtiftete Abtei Neu-Nurfia im Weftauftralien bat in ihrer Umgebung noch 100 
(nah K. K. 140) Eingeborne, für deren leibliches und geiltlihes Woblfein 4 P., 43 F. 
md 2 Sch. ſorgen. Sie wird als ein „neues kleines Paraguay” gerühmt. Die 


m Hifkon unter den Heiden, Tathelifde 


upperdenn Miftpnatzafte And ungerbäimtsmäßte aroR. Weiter im Norden an der 
— Wr jenen Ab "Ste Trompeffen meder. Die Nebenitationen in Broonee und an 
J "Syn Au gmenen Doroossen m den Wäaldern berumſtreichend 250, bier 100 
Seren Nor mern zur Nut m win Sabre SP. und 10 F. dort arbeiteten, 


une ı goen enrsygner wet Tour Nommunien sugelailen waren, als 1901 bie 
GL!M. Ssender euemer, Der nem Mfton wird jegt von den Pallottinern 


erpmagn WI SINTE 


UNI TL ne Ne ne Denise Bor Vorne uns Wulmerston werden mehrere 
nes Slannpens meiser me mas zer Win unser ihnen. Für bie in Queens⸗ 
Nomen ne est onnzg m Hr SE onzeen Namens errichtet; aber wir finden 


Ne Reaper an armer Imast ar Nm dere Stellen nur eine Yüde Bei 
Sonn nen Mr DM zur mn Asazceun NE RN. (2.328) befremben, daß die 
ns Momenen min wem > he Tetws für unbezähmbar gehaltenen Volkes 


rad ame ent SZNT, _ B 
NT Ron mr nn 8-00 7 Str mir 1100 Chr. und außerdem 11 für 
N re: "nos no mam.ee ntianer mit 2000 Ghr. 

ir mar Is. more nen went ſich die & M. überhaupt nicht an- 
x‘ u...“ “un 


m zei Xr exr. Milften in der Sübfee ben er 
m re te, auf Dasieloe Gebiet Ienkten, wurde im 


Nun SQ num Zenit, irrt Jabre ſpäter ein zweites Weſtoceanien 
“IL Sa lan 5 .«xiſchaft Mariä (Mariſten) unter Leitung bes 


on N NEN uf Reuſeeland eintraf, und gerade dort, wo 
"0 w MDaimint entfaltet batte, feine Stationen Hokianga und 
nn = ren N Se Menge der Eingeborenen anzuzieben, und 

na sen ssnoebr als 5000 kath. Maori. Infolge des ‚be 
er Ten ons Verhaltniſſe iſt dieſe Miffion zu Grunde gegangen. 


u N se Se win wachſenden Solonialbevölferung zu. Es wurden 
—. . tern md Wellington errichtet, aber eine Miffton unter den 


wenn vw Ne meneintretende Bischof von Audland 1870 klagte. 
AN on ssarmuihkilo In der jeßigen Erzdiöceſe Wellington werden 


“ u " uam ALLE —BR Su, Oiati und Wairoa) erwähnt, auf denen 1500 
Bu Ki. x “mi, DIN Erzbistums. In der Dibeeſe Audland jollen 
ST MR TO an, ſowie daß bei ihnen 8P. von Mil: 


un. HIT, a , . , , , 
op Ur Kit Weſt Oceanien wird 1842 Mittel-:Oceanien und zwei 
€ u nn ae Nelaneſien abgezweigt. Cinige Jahre zuvor war Die große 


open durch Die Vondoner M. mit polonefiichen Gebilfen beſetzt 
” ran einelne beſetzten Div Mariſten dies Gebiet und hatten bald bie 
n ya ortibritie waren jo bedeutend, daß die Inſel 1847 zu einem 
u \ Sy utosubenen wande. Bald darauf aber wurde das ganze Werk bu 
I wnbsanyn an dem ein Miſſionar das Leben verlor, zerftört. 
az jugenkben Veftgergreifung wieder aufgenommen und breitete 
wu ne Melk hayant aus. Unter verfehrter Behandlung ſchmolzen 
and uhmmmaie Bon 100000 ſind jeßt noch 25000 übrig. Auch 
un Natlunbateleue wirkte nicht günſtig. Schließlich gelang es im 
A. abtnmanten bon Cingebornen zu ſammeln, wozu Erziehung von 
N. \ andern anal Krben dieſer Inſel liegt die Gruppe der Loyaltyinſeln, 
Nr hl stehguuub eberteten. Die Bevölkerung twar bereit größtenteils 
na tm habe ſranzoſiſcher Waffen drangen die Marijten auch bier 
aan ara Jrenman bie ſich blutig befehdeten. Die Inſeln wurden von 
N lee me Malltenpi geſangen genommen und verbannt und bie kath. 
"ae hen Parker he dar Kirche gewinnen. Die Mebrzabl der anderen blieb 
are ng Pertayat burn Glauben treu. So namentlih auf Mare. — 
N erh me ende wen ben EL5ON Math, des Ap. Vik. auf die Lopalty- 
"un ea tbpilen ven den vorbandenen 33 Stat. Wenn man nad) 
N. on een net heran bug PO Kath. So bleiben für Neu Kaledonien 
lat en Don enbi Fond aut Die Fichteninſel im Süden und auf die 
a8 \ haette bemmn omit bhalt noch immer der überwiegende Teil ber 
XXE tn well ang bar Hauplinſel ſich von der & M. fern. — Es iſt eine 


x 


\ 


Kiffen unter den Heiden, katholiſche 123 


bemertensiwerte Erjcheinung, daß eingeborne Lehrer von den Loyaltyinfeln (die ev. M. zählt dort 
3 Stat., 2Miff., 34 eingeb. Pf. und 10195 Chr.) felbititändig eine erfolgreiche ev. M. dort 
angefangen hatten, die neuerlichit, unter etwas veränderter Richtung der Kolonialpoltif, von 
der Barifer ev. M. übernommen werben fonnte. Die k. M. wird von gelreihen Ordens⸗ 
leuten betrieben. Mariſtenſchweſtern haben 15 Sch. für Eingeb., 78 8. von hl. Sofeph 5 
(Cluny) arbeiten unter der Kolonialbevölferung. 

4. Die Ap. Präf. der Neu-Hebriden ii erit 1901 von dem vorgenannten Bil. 
abgelöft. Auf diefer Gruppe, wo Williams 1839 den Märtyrertod erlitt, arbeiten ſeitdem unter 
den größten Schwierigkeiten ev. M. Ihre Gemeinden find auf 9000 Chr. angewachſen. 
In neuerer Zeit haben fich die Martiten eingebrängt und haben 16 P. 7 Sch. ein Hofpital. 10 
M.C. giebt nicht die Zahl von Kath. an; K. K. zählt 1200. 

5. Das Ap. Bil. Mittel-Oceanien batte feine Hauptitätten auf Wallis-Y. und 
Futuna, wo ſchon 1837 Bataillon (fpäter Ap. Vilar) von der Kongr. der Mariften die 
Miſſion begonnen hatten. Die ganze Bevölferung murde belehrt. Won bier aus aber 
drangen fie auf die benachbarten Gruppen in die Arbeitsfelder der Methodiſten und der ıs 
Londoner M. ein. Auf Tonga, wo fie von den Eingeb. zurüdgemwiefen maren, wurde 
ihr Eintritt dur Frankreichs Macht erzmungen. Außer den oben genannten Inſeln 
gehört allein diefe Gruppe zum Bil. Mittel-Dceanien. Es ift aber nur ein Heiner Teil 
ber Bevölkerung kath. geworden (1890 unter 22000). Der Hauptfig der k. M. bleiben 
Futuna und Wallis (Uda). Auf legterer befteht ein Priefterfeminar. 15 Stat., 18 P., 20 
2F., 59 8., 9450 Kath, 44 Sch. 2000 Sc. 

6. Die Samoa-Inſeln waren ſchon 1851 als Ap. Vil. von dem vorjtehenden 
abgelöft, wo Mor. Battaillon aud bereit 1845 in das Arbeitögebiet der ev. M. ein- 
gebrungen war. Der konfeſſionelle Zwieſpalt führte in der Folge zu blutigen Fehden, 
die nicht befeitigt werden konnten durch die gemeinfame Oberhoheit dreier rivalifierenver 25 
Mächte. Test wird es unter deutſchem Regimente beiler werden. Die k. M. bat es 
auch hier veritanden aus politifchen Verhälmiffen Vorteil zu ziehen. In diefem Sinne 
ft auch wohl die Begründung eines deutfchen Mifftonshaufes in Meppen zur Aus: 
bildung von Sühjeemiffionaren zu deuten. 15 Etat. (25), 18 P. (10 Mifi.), 1 desgl. 
engeb. (181), 3 F., 218. (darunter 11 eingeb.), 6000 Kath. (33310 Chr.), 67 Sch. (261), 80 
758 Schl. (8783). 

7. Die Vitiinfeln waren 1863 ald Ap. Präf. von Mittel-Oceanien abgelöjt und 
wurden 1887 zum Ap. Bil. erhoben. Schon 1844 war auch bier Mar. Bataillon in 
das Arbeitöfeld der Methodiften eingedrungen, als fie unter der Ichredlihen Kannibalen- 
bevölferung eben einen ficheren Halt gewannen. Lange Zeit hatten die kath. Verſuche 35 
febr wenig Erfolg. Als Später von Auftralien ber viel weiße Koloniften auf die Inſeln 
lamen, die fchliehlich (1874) eine englifche Kolonie wurden, mehrte fich die Zahl der Kath. Seht 
beträgt ihre Zahl 9848 (neben 97254 Ev.), 16 Etat. (10), 27 P. (11 Miff.), 11 F., 28 8., 
315 eingeb. Lehrer und SKatecheten (3845 intl. 66 eingeb. Pf.), 31 (obne die Dorfichulen) 
Ed. (2013). 2471 Schl. (34966). Bei diefen Angaben iſt auch die Kleine, abſeits ge: « 
legene Inſel Rotuma mit eingefchlofjen. -- Aus dem Ap. Vik. Weit-Cceanien wurden 
1844 zwei neue gebildet, erjtens Melanefien. Ein VBerfuh der Mariften auf der Inſel 
St. Dfabel in der Salomogruppe murde durch Ermordung der Miffionare abgebrochen 
(1846); auch ein zweiter auf Moodlarf fcheiterte, da der Bilchof ftarb. Mailänder M. 
nahmen 1852 das Werk wieder auf, aber zogen ſich zurüd, nachdem einer von ihnen er: « 
kblagen war. Grit 1881 wurde das Ap. Vik. erneuert und der Kongr. U. %. Fr. vom 
beiligften Herzen zu Iſſoudun übertragen. Daraus find 1889 die beiden folgenden ent: 


8. Neu⸗-Guinea, den englifchen Teil der Inſel nebſt den Louifiaden und Torres: 
Anfeln umfaffend. Der Biſchof refidiert auf Yule-J. Worber hatte hier die ev. Londoner 50 
RM. unter vielen Schwierigkeiten Bahn gebrochen. Jetzt beſtehen 8 Stat. (10), 18 P. 
(10 Miſj. und 104 eingeb. Pf), 22F., 37 8., 29h. (45), 1081. Schl (2011), 4000 Kath. 
(6492). 

9. Neu-Pommern tit das andere, 1889 aus dem früheren Melanefien bervor: 
gegangene Bil. Es umfaßt den ganzen Bismardarcipel und ift ebenfalls ber vor: 56 
genannten Kongr. anvertraut. Hier batten zuvor auftral. Methodiften eine mit Märtyrer: 

gezeichnete, erfolgreiche Arbeit getrieben. Aus ihren Gemeinden wurden die meiften 
der kath. Konvertiten gefammelt, nicht aus den Taufenden der auf jehr niedriger Kultur: 
ftufe ftehenden Heiden. Die neuefte Statiſtik iſt: 11 Stat. (3), 20 P. (3 curop. und 4 
eingeb. M. nebſt 98 Gehilfen), 29 F., 17 S., 13 Sch(101), 600 Schl. (3000), 3 Waiſen⸗ 60 


124 Miſſion unter den Heiden, katholiſche 


bäufer mit 225 An. Der Biſchofsſitz ift Buna-PBopi bei Herbertshöhe. Auch die Dlarichall- 
Inſeln find diefen Nik. zugewiejen (ein deutsches Miſſionshaus zu Hiltrup bei Müniter 
liefert die Miſſionare). Won demfelben find 1896—98 die 3 folgenden Ay. Praf. ab: 
gezweigt: 

6 ’ 10. Ap. Präf. Kaiſer Wilhelmsland, der Gejellihaft des Göttl. Wortes von 
Steyl überwieſen. Zwei ev. Milfionsgefellfchaften waren bereit3 fett einem Jahrzehnte 
auf diefem Gebiete thätig. Die kath. Stat. liegen im nordweſtl. Teile des Schußgebietes 
bei Berlin: und Potsdamhafen. 3 Stat.(7), 7 P. (13 Mifj.), 9 F., 4Sch. (4). Auch 
werden Klofterfrauen (Mägde des bl. Geistes) genannt, ohne Angabe der Zahl. Die 

10 M.C. erwähnen feine Bekehrten; die K. K. fchreibt 400. Die Bewohner der Inſel Tumleo 
jollen ſämtlich Katb. fein. ‘ ® 

11. u. 12 die englifchen und die deutfhen Salomoinfeln find 1897 und 98 
als Ap. Präf. den Mariften zugeteilt. Hier find 3 dort 4 Miffionare eingetreten. — 
Das 1844 von Weſt-Oceanien abgelöfte Ap. Vik. Mikronefien befteht nicht mehr. Schon 

15 1886 wurde davon abgeziweigt, das der 

13. Karolinen, als der Papſt diefe Gruppe den Spaniern zugeſprochen batte, bie 
mit ihren Karmelitern die cv. M. auf Ponape zu unterdrüden ſuchten. Trog der Ver 
bannung der Mifftonare iſt ihnen das nicht gelungen. Immerhin baben fie durch Ein: 
fchüchterung Scharen von eingeb. Chriften zu fich herübergezogen und nun da die Inſeln 

20 deutich geworden find, bebalten fie dort ihren Grund. Auf den Oſtkarolinen (ap) 
waren fchon früher P. derfelben Kongr. thätig. Die M.C. zählen 4 Stat. (3*), 12 P. 
(7 Miſſ. nebit 22 eingeb. Bj. *, 14 F. Tie K. K. hat noch 16 Sch. (120*), 900 Sch. (5587 9), 
1400 Kath. (18115 ev. Ehr.*. *Einſchl. der Marſchall-J.). 

14. Gilbert: \nfeln, melde früher zu Mikronefien gehörten, wurden 1897 ein 

25 jelbitjtändiges Ap. Vik. Die Ellices-J. wurden hinzugefügt. Die Diff. gebört der Kongr. 
von Iſſoudun an. Biichofsfis iſt Nonuti. Auch bier wird der amerik. und engl. N 
Konkurrenz gemadt. 11 Stat. 11 P. (27 eingeb. Pf*.), 12 F., 9 8., 67 Sch. (27*), 1220 Schl. 
(3357), 11000 Kath. (10734 ev. Chr.*). *Einichl. der Tokelau⸗In. — Aus dem urfprüng- 
lichen Ay. Vik. Oſt-Oceanien wurden im Jahre 1844 die 3 folgenden gebildet: 

80 15. Tabiti. Hier gefchab das Eindringen der EM. in das ev. Arbeitsfeld in der 
empörenditen Weiſe. Nachdem 1836 zwei Patres, Die den eriten Verſuch machten, nad 
den Yandeögejegen ausgewieſen waren, erzwang franzöjische Kriegsmacht ihre Rückkehr 
ſowie eine hobe Strafzablung feitens der evangelifchen Königin. Weiter aber wurde die letere 
1842 genötigt, das franzöſiſche Protektorat anzuerkennen, durch welches ihre Macht zum 

85 Schatten wurde. Tas durch Gemaltthätigfeit gereizte Volk erbob fih zum Kriege und 
fonnte erſt nach zweijährigem Kampfe unterworfen werden. Die evangeliichen Miſſionare 
wurden alles Einfluffes beraubt und verließen die Inſel. Das Volt murde mit den 
verichiedenften Maßregeln dazu gedrängt, zum Katholicismus überzutreten. Es blieb je 
doch unter den eingeborenen Predigern feinen Belenntnis treu. Alle Bemühungen der 

0 Mrieiter wie der Negierung baben im Yaufe von jechs Jahrzehnten nicht mehr erreicht, als 
einige Hundert Konvertiten, die nicht zu den Belten des Volkes gehören. Die große 
Kathedrale zu Papeiti, zu deren Bau das ganze Wolf gezwungen wurde, ftimmt menig 
dazu. — Größere Erfolge baben die Mifftionare (die übrigens der Gefellichaft der Beiligften 
Herzen Jeſu und Maria angehören) auf der benachbarten Gruppe der Baumotus(Tuas 

“5 motu⸗)Inſeln, ſowie auf den füblicheren Gambier-J. (Mangareva) gehabt. Auf den 
legteren batten fie Schon gegen Ende der dreißiger Sabre, nachdem fie die noch ſchwachen 
Anfänge der ev. M. überivunden batten, die ganze Bevölkerung geivonnen. Auf 
anderen kleinen Roralleninjeln, die meiſtenteils noch nicht von ev. M. berührt waren, 
wurde unter vielen Mübhſalen und Sefabren gearbeitet. Die meilten der 7500 Bewohner 

60 ſollen Tatholifch fein, obwohl auf einigen Inſeln ſich noch immer evangelifche finden und 
Mormonen nicht unbedeutenden Anhang gewonnen babe. Jedenfalls fommen die meiften 
der unter dem Ap. Vik. Tahiti gerechneten Kath. auf diefes Gebiet. Das Vik. aber ift 
auch über die weſtl. Inſeln (unter dem Winde) ausgedehnt, wo jedoch die k. M. bisher 
feinen Gingang finden konnte. Mopl aber iſt ihr dies auf den Hervey-J. gelungen, die 

55 ebenfulls zum Vik. gerechnet werden. Wie es jeheint, fand man an einem ausgeichlofienen 
eingeb. Prediger Anhalt, durch den bald eine kath. Gemeinde zufammengebradt wurde. 
Das Heidentum war auf Dielen Inſeln ſchon vor Nahrzehnten völlig erlofhen. — Ron 
den 32000 Einwohnern des Gebietes ſind 7230 Kath. (18470), 26 Stat. (7), 18 P. (8), 
I? F., 218,24. (46 9), 1800 Schl. (3389 ?). 

60 16. Tas Ap. Vik. der Markeſas Juſeln beſteht feit 1844. Auch bier waren 


Miffion unter den Heiden, katholiſche Miffion unter deu Heiden, proteftantifhe 125 


Miffionare der Picpus-Gefellfchaft gerade bei der Station der nad) langen Bemühen 
unter der wilden Bevölkerung eben aufblühenden ev. M. angeftellt worden und hatten 
die Oberhand gewonnen, ald Frankreich 1842 die „nuleigruppe im Belig nahm. Lange 
machten: die Kath. nur jehr geringe Fortichritte. Mit der Zeit ift es ihnen gelungen, 
den größeren Teil der Bevölkerung, die in fchnellem Ausiterben begriffen ift, zu ge: 6 
Be ’ Bon 4000 Eingeb. zählt man 3150 Kath., 8 Stat., 7 P., 10 F., 108. 7 Sch., 
660 Schl. 

17. Das Ap. Vik. von Samaii twurde gleichzeitig mit dem vorgenannten ‚gegründet. 
Nach längeren vergeblihen Verjuchen murde den Prieſtern der Picpus-Geſellſchaft dort 
der Eintritt in das Miffionsgebiet des American Board durch die franzöftiche Regierung 10 
erzwungen. Aus der Bevölkerung, welche bereits ohne Ausnahme das Heidentum auf: 
egeben hatte, wandten fich alle, die mit der ftrengen Zucht der ev. Miſſionare unzu= 
—* waren, oder durch den äußeren Glanz des Gottesdienſtes ſich beſtechen ließen, 
den Kath. zu. So iſt es nicht ſchwer geworden, einen größeren Teil der ausſterbenden 
Inſulaner zu gewinnen, beſonders ſeitdem die ev. Gemeinden durch die verfrühte Ver: 15 
felbitftändigung eines feiten Haltes entbehrten. Einer der Wiffionar, P. Damian De- 
veufter, bat mit Hingebung unter den auf der Inſel Molofat gefammelten Ausfäßigen 
gearbeitet, biö er ſelbſt der fchredlichen Krankheit erlag. Von fath. Seite wird jedoch dies 
Beispiel in übertriebener Weiſe benutzt, um die Vortrefflichleit der kath. Miſſ. und ihre 
Überlegenheit über alle anderen darzuthun. Auch ev. Miff. treiben hingebungsvolle Arbeit 20 
unter den Ausfäßigen, und einer von ihnen bat ebenfalld infolge der Anſteckung fein 
Leben daran gegeben. — Bon!den jet noch übrigen 30000 Inſulanern find 14000 fath. 
(14922). Aus der großen Menge der Einwanderer (darunter 19000 Chinefen, 22000 
Japaner, 13700 Weiße, 8232 Vortugiefen u. a.) find ungefähr ebenfoviele gewonnen, 
darunter aber werden auch die fath. Vortugiejen mitgezählt. 15 Stat.(1), 24P. (3), 28 
33 F., 488., 17 Sch (50?), 1943 Schl. (5599). 

Ueber die gefamte f. M. in der Südſee giebt die K. K. folgende Statiſtik. | 

205 Stat. (207), 268 P. (122 Mil), 219 F., 452 S., 126032 Kath. (278000 Ehr.), 
426 Sch. (2917), 19927 Sch. (71437). 

Die entiprechenden Zahlen, welche fih auf die Aborigines des Feſtlandes beziehen, 80 
find nicht zu ermitteln. | 

Für die gefamte katholiſche Heidenmiſſion ergeben fich folgende Zahlen: 

2870 Stat. (3790), 4009 P. (4485 Wiff.), 1951F., 4937 S. (3119 umverheir. Miffio: 
narinnen nach Dennis), 10494 Sch. (18921), ca. 5—700.000 Schl. (867370), 3878712 
Kath. (3371588 Chr. ohne Neger in Amerifa). M. Grundemann. 85 


Mitfion unter den Heiden: 2., proteftantiihe. Einleitung. Unter den zahl: 
reichen Religionen der Erde giebt es nur drei, melde als mifjionierende bezeichnet 
werden können, deren Anhängerzahl freilich mehr als Zweidrittel der Menfchheit umfaßt: 
den Buddhismus, das Chriſtentum und den Mohammedanismus. . Sie allein erheben den. 
Anfpruch Univerfalreligionen zu fein, weil jte ihren Beſitz nicht an Geburt und nicht an «d 
eine beftimmte Nationalität binden und fie haben ſich ausgebreitet durch Sendung. Aber 
den Beruf zur Weltreligion und darum auch zur Weltmiſſion bat allein das Chriften- 
tum, obgleich es den Miffionstrieb mit dem Buddhismus und Mohammedanismus teilt. 
Und zwar beruht diefer Beruf nicht bloß auf dem direften Auftrage zur Weltmiſſion, der 
den beiden anderen miffionierenden Neligionen fehlt, fondern er liegt im Wefen des ss 
Chriſtentums felbit, eine Begründung der Niffion, wie jie weder im Buddhismus noch im 
Mohammedanismus vorhanden tft. Das Chriftentum ift feiner Natur nad Miſſions⸗ 
religion, nicht nur in dem hiſtoriſchen Sinne, daß der ganze Beitand der heutigen Chriften- 
beit auf Miſſion beruht, fondern in dem dogmatiſchen Sinne, daß der Miſſionsgedanke 
einen integrierenden Beftandteil der gejamten Heilsoffenbarung Gottes in Chriſto bildet. 50 
Der Mifftonsbefehl fteht nicht ale etwas Accidentielles in der Schrift des NTs, fondern 
er ift fo fehr aus ihrer ganzen mit univerjalen Heilsgedanken durchtränkten Heilslehre 
herausgewachſen, daß mir Dilfion treiben müßten, felbit wenn ein direkter Miſſionsauf— 
trag nicht da wäre Am übergeugenditen läßt fich das ermeifen an dem evang. Grund: - 
artikel vom rechtfertigenden Glauben, deſſen jieghafter Vertreter nicht zufälligerweiſe der: 56 
feibe Apoftel ift, der vor anderen „ver | got der Heiden” geivefen. 

Der evang. Grundartikel, daß die Gerechtigfeit aus dem Glauben fommt, beruht 
auf der doppelten VBorausfegung, daß alles, was Menſch beißt, unter der Herrichaft der 
Sünde Steht und darum Gotte verfchuldet ift, und daß ohne menfchliches Zutbun aus 


126 Milfien unter den Heiden, proteſtantiſche 


feiner fouderänen Gnade Gott ein Weltbeil bereitet bat, welches dem Weltunheil über: 
legen ift. Wie die Menfchen alle obne Unterfchied verloren geben müßten, wenn fie fich 
ſelbſt überlajjen blieben, jo follen fie alle obne Unterfchied felig erden, nachdem Jeſus 
fich jelbit gegeben bat für alle zur Grlöfung In diefen Evangelio liegt die Kraft 

6 Gottes zur Errettung für jeden, er jei Jude oder Grieche, Reifer oder Unmeifer, Mann 
oder Weib, Freier oder Knecht. Und zwar allein unter der Bebingung des Glaubens. 
Dieſe Heilsbedingung ftellt das Heil nicht auf irgend eine eigene menfchliche Lei— 
jtung, jonden ganz auf die in Chriſto erſchienene Nettungsgnade, die frei geſchenkt 
wird, und von dem gefallenen Menſchen, der ohnmächtig ift, jelbft etwas zu feiner Er: 

10 löſung zu tbun, nichte verlangt als vertrauensvolle Annahme und Hingabe. Diefe troft- 
volle Heilsbedingung, die den Belt wie die Kraftwirkung der objektiven Heilsgabe für 
das Zubjeft nur an den Glauben bindet, ermöglicht ihre Annahme allen Menſchen ohne 
Unterſchied der Nationalität, der Bildung, der fozialen Ztellung, des Gefchlechts, des 
Alters, denn fie iſt erfüllbar für jeden. Nur das Chriſtentum öffnet in der Vroflamation 

15 des Glaubens als Heilsbedingung einen Heilsweg, der an allen Orten und zu allen 
Zeiten für jedermann gangbar ilt. 

So baben wir in der Lehre von der Rechtfertigung Durch den Glauben ein uni- 
verſales Heilsbedürfnis, eine univerfale Heilognade und eine univerfale Heilsbedingung. 
Mit logiſcher wie mit Ddogmatifcher und etbifcher Notwendigkeit folgt daraus auch eine 

2» univerjale Heilsanbietung, d. b. die Zendungsperanftaltung durch Die ganze Melt (Rö 
10, 1—17). 

Entiprechend dieſem Charakter des Chriſtentums ale Mitfionsreligion it auch ferne 
(GGeſchichte; mit Miffion beginnt und mit Miſſion jchließt fie. Wie das Miſſionsgebiet 
Die ganze Erde, jo umfaßt die Miffionszeit den ganzen gegenwärtigen Yon. Die Acta 

35 apostolorum, die den Eingang in Die chriftliche Kirchengeſchichte bilden, find Mifftone- 
neichichte und wenn die Miſſion ihre Aufgabe vollendet, d. h. wenn allen Völkern zum 
Zeugnis das Evangelium vom Neich verfündigt fein wird, dann iſt die Kirchengefchichte 
an ihrem Ausgange angelangt, denn dann wird das Ende fommen. Und was de: 
zwiſchen Liegt, iſt von Miſſionsgeſchichte Durchzogen ; Die ganze Chrütenheit der Gegenwart, 

on die reichlich den dritten Teil der Menjchbeit umfaßt (5330 Millionen), ift Das Ergebnis 
fruberer Miſſionsarbeit. 

Es giebt eine große Mifftonsgefchichte der Vergangenheit. Zwei abgefchlofiene 
Mifionsperioden liegen hinter une: Die apoftoliihe mit der nadapoftoliihen und bie 
mittelalterliche. Beiden war ihr Arbeitsgebiet vorſehungsvoll ebenjo erſchloſſen wie um: 

us renzt. Ter apoftoliichen war durch die jüdiiche Tiafpora, die Verbreitung der griechijchen 
-pruche und den Damaligen Weltverfebr die antike griechiſch-römiſche Welt, beſonders fo weit 
für um Dis Meittelmeer berunlag, als Arbeitsgebiet zugemieien, während der mittelalter: 
lichen Mijſion durd die Völkerwanderung und Die gejamte Damalige politische Konftellation 
ala 3 bett Die germaniſch ſlaviſche Welt zugewieſen wurde. Beide Niflionsperioden endeten 

4 m volligen Ehriſtianiſierung der ihr überwieſenen Gebiete. 

Freilich Die Art, wie in ihnen mifjioniert wurde, war ziemlich verfchieden. Die 
apelteliche Miſſion bielt fich ftreng an das Miifionsmittel des Worts. Das Wort Jeſu 
une ui Jeſu, in Rede und Schrift, im Handeln und Yeiden, im Leben und Sterben 
ferıcı Daten und Vekenner bezeugt, war ibr die zureichende Macht zur Chriftianifierung. 

16 az mu die Hervenzeit Des jungen Chriſtentums umd Diele Heroenzeit iſt Die Zeit ber 
Mifsichen Mayen, ein Borbild für die Miſſion aller Zeiten. Berufömäßige und ge 
fe laufe Miſſipnvarbeit gingen neben einander ber, auf dem Wege der Einzelbefehrung 
fans ro gm Grundung  fleiner Gemeinden und weientlic durch Aſſimilierung gliederten 
fh, un writrren Berlaufe immer wachſende Scharen Dieiem uriprünglich fleinen und ganz 

te geb ben mittleren und unteren Ständen der Bevolkerung angehörnden Kerne an. 
mh ann oben nach unten, jondern von unten nach oben vollzog ſich der Chriftiani- 
erst pain _ , 

Urn. i ıb gu mmjlionieren trat zurüd, ſeirdem das Ebriſtentum durch Konftantin und 
on Wieehtelgen m Kerbindung erit mir Dem remiſchen Ztaate und bann mit den 

radeon, granwnnmben und ſlaviſchen Herrichern trat. Jetzt Ang man an, aud mit 
ty... a mauneren, indem man Gotzenbilder umiturzte. Tempel zeritörte, heilige 
. vll mn ulleıleı Trud auf die Richtchriſiten ausubte. Wurürli bediente man 

0.5 sah. als Miſſinnsmittel, aber tm sangen leute man cs weniger darauf 
.. end luhntim aut Dem Wege des Yenanifee und Der Überzeugung au er: 
sehen swrshibupt ger Mirche aufzurichten und Die Maſſen in Die Kirche einzuführen. 


Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 127 


Erft hernach follte durch kirchliche Schulung die hriftliche Überzeugung geivedt werden, 
welche Sorauslehung der Aufnahme in die Kirche hätte fein follen. Statt durch den 
Einzelnen zur Gefamtheit vorzubringen, juchte man zuerſt die Gejamtheit zu gewinnen, 
um innerhalb derfelben auf den Ginzenen einzumwirken, eine Miffionsmethode, die freilich 
auch in der Beichaffenheit der mittelalterlihen Miffionsobjekte, bejonders der Germanen, 6 
darum begründet lag, meil bei ihnen die Abhängigkeit von dem Volks- oder Stammeg- 
ganen eine übermäßige war. Es iſt jet die Kirche, melde Milfion treibt, aud) wenn es 
önche oder Fürften find, die fie ing Werk fegen, und firchliche Organifation: Gründung 
von Bistümern, Pfarrſyſtemen und Klofterfchulen geht ihr voran oder folgt ibr auf dem 
Und weil die Kirche jelbft zu einem Reiche von diejer Welt geworden, nimmt 10 
e feinen Anitoß daran, ſich mit der Groberungspolitit zu verbinden, entweder dieſe in 

Dienit der Miffion oder die Miſſion in ihrem Dienft ftellend. 

Mit diefen beiden abgeichloffenen Miffionsperioven ift die Miffton aber nicht zum 
Stillſtand gelommen. Zwar hörte im Laufe des 14. Jahrhunderts die immer mehr 
veräußerlichte Miſſionsthätigkeit zunächſt auf, nachdem Europa ns ganz chriftianifiert 15 
und durch die Kreuzzüge vergeblidy verfucht worden mar, die durch die mohammebanifche 
Gegenmilfion verloren gegangenen chriftlichen Gebiete zurüdzugewinnen,; aber der Still: 
fand war nur vorübergehend. Mit dem im 15. —— anbrechenden Entdeckungs⸗ 
—— in welchem durch die Auffindung des Seeweges nach Indien und die Entdeckung 

merikas eine ganz neue heidniſche Welt kennen gelernt und von den katholiſchen Mächten zo 
Spanien und Portugal in Beſitz genommen murde, lebte der Miffionstrieb wieder auf, 
und wenn dann auch jpäter im 18. Jahrhundert noch einmal eine Zeit fam, wo er er: 
lahmte, und in der evangelifchen Kirche es lange dauerte, bis er überhaupt erwachte, jo 
ift doch feit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein neues Miffionzzeitalter angebrochen, das, 
was den Umfang des Miſſionsgebiets, die Zahl der Miffionsarbeiter und die Drganifation 25 
des Miſſionsbetriebs betrifft, die beiden Miffionsperioden der Vergangenheit weit über: 
ragt. 1800 Sabre, nachdem er gegeben, ift Jeſu Mifftionsbefehl in der Chriftenheit wieder 
jo lebendig geworden, daß er je länger je mehr eine Sendung an alle Völker in Gang 
gebracht, eine wirkliche Weltmiſſion ins Werk geſetzt bat. Und zwar in ber römischen 
wie in der proteftantifchen Chriſtenheit. Wir haben es aber nun nur mit der proteltan- 80 
tiſchen Miſſion zu tbun. 


I. Die Zeit von der Reformation bis zum Anbrud des gegen: 
wärtigen Miffionszeitalters am Ende des 18. Jahrhunderts. Die milfiong- 
Iofe get und die erften Miffionsunternehmungen. 

med, Abriß einer Gejch. der proteitantifchen Mifjionen von der Reformation bis auf 885 
die Gegenwart. 7, Berlin 1901. Erfte Abteilung. Abfchnitt 1—4. Kalkar, Geſch. der chriftl, 
Riffion unter den Heiden, deutſch von Michelfen, Gütersloh 1877. Erfter Teil, Einleitung; 
Brown, The history of Christian missions in the 16., 17., 18. and 19. century, 3 vole., 
Lond. 1864; Thompson, Protestant missions, their rise and early progress, Newyork 1874. 

1. Das Reformationgzeitalter. w 

Blitt, Geſch. der luth. Million, 2 Aufl. von Harbdeland, Leipzig 1894, 1. Abjchnitt: 
Luthers Auffafiung und Erfiilung der chriſtlichen Miſſionspflicht. werau, Warum fehlte 
der deutichen evang. Kirche des 16. und 17. Zahrhundert® das volle Verſtändnis für Die 
Riftionsgedanten der hl. Schrift? Breslau 1896; Drews, Die Anſchauungen reformatoriſcher 
Theologen über die Heidenmiſſion, Ztſchr. f. praft. Theol. 1897, 1, 193. 289, [1 

Dem Reformationgzeitalter ging voran und fiel noch mit ihm zuſammen eins der 

Entdedungs- und Eroberungszeitalter in der Weltgejchichte und die römijche 

inche benutzte die neue Meltöffnung als eine ihr gegebene Miffionsgelegenheit. Mit 
den Entbedern und Exoberern zogen ihre Miffionare, durchweg Ordengleute, nach drei 
Erdteilen: Afrika (Kongo und Mofambique), Amerika (Weitindien, Mexiko und Süd: so 
amerifa) und Afien (Indien, Japan, malaiticher Archipel) und festen eine ausgedehnte, 
freilich an Außerlichkeit und Gewaltſamkeit die entartete mittelalterliche noch überbietende, 
aber an Maſſenerfolgen fruchtbare Miſſion ins Werk. Man hätte nun denten follen, die neue 
große Miſſionsgelegenheit, twelche die römische Kirche zu fo bedeutjamen Miſſionsunter⸗ 
nehmungen antrieb, hätte auch auf die Kirchen der Reformation einen mächtigen Cindrud 56 
t und um fo mehr Miffionsantrieb auch in ihnen gewedt haben müſſen, als ein fo 
Hes religiöfes Leben in ihnen pulfierte und die reformmatorifche Lehre fte in die 
apoftoliichen Anfänge zurüdführte. Aber das ift nicht der all. In den reformatorifchen 
Schriften wird der neuen Weltöffnung und der durch fie angeregten kath. Miffionen 
wenig gedacht und von einer evangeliichen Miſſion ift vollends nie die Rede. Und das eo 


128 re 
trotzdem die Di zur Die Miſſion in — Mar 


En m Bd a de. ratione 
= ea u ine 







Aufgaben jtellte, welche ibre gan 
öffentlicher falſcher Lehre und ärgerlichen, 

dem Sinne, wie man das wohl heute 

it dami | digen; er polemifiert nie 

t nicht von ihr, "eine Bet um Ad un 

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"Bere, 68 vanten Got un ion Kid di He Aha A Wr fu I 


Sun fehlt. 'S itverftändlich re mit — — *3* hei ——— 
— Beruf des ee ha die Weltreligion zu fein, voll an, * es vet di ek 
a, 

35 lu ogen ſogar zu beweiſen ſuchen, ſchon 

+ - „sid zu gepredigt, zu feiner Zeit gilt ba dieſe Welt: 
F — So oft auf den are: a zu — ſchauen 
eine Auslegungen zurück auf Die V genheit; niem BER. fie. für die Sup 
die Konfequenz einer ee jeltung diefes Befeh Wohl finden 

0 rungen bei ihm, daß die Predigt des Evangeliums noch nicht —5 gelangt ja 
„ſeien viele Inſeln erfunden worden noch zu eig „‚aeden die da —5 — ſind 
niemand habe ihnen das Evangelium gepredigt“; nie Mnüpft er die Aufforderung 
daran, Miffionare zu diejen Heiden zu jenden, Er mn. Die miſſie = che digt 
mit einem Stein, der ins Waſſer geworfen wird und der von ſelbſt „Bülgen und 

45 * Striemen um ſich macht, und die Bülgen walchen ſich immer fort und Fort, eine 

die andere, bis u ie ans Ufer kommen.“ Höchſtens denkt er am eine —— 
Predigt unter Ni tehriften de Yaien oder Prediger, aus der Heimat verjagt find, 
niemals an eine —— Sendung. „Nach re bat niemand mehr 

ben gemeinen apoſtoliſchen efehl, jondern ein Tele iichof oder Pfarrherr bat 
ein aan Kirchipiel oder Pfarre.” 

Auch die Erwählungslehre und bie Eschatologie Luthers ift in Rechnung zu ſetzen. 
Allerdings bat Gott nad) ihm überall feine Auserwäblten, die er durch allerlei Veran— 
ftaltungen zum Glauben führt, aber mie er das vollbringt, das ijt die Sache * 
jouveränen Gnade; eine fortgebende menſchliche Sendungsveranftaltung liegt nicht 2. 

55 Plane jeines Ratfehluffes Freilich betomt er: „ehe der jüngjte Tag kommt .. muß das 
Evangelium durch die ganze Welt laufen, auf dafs fie alle —** haben über ihr Ge⸗ 
wiſſen, ob fie glauben oder nicht glauben“. Aber — fährt er dann fort — „das Evan: 
gelium iſt getvejen in Agypten u. ſ. wm. Chriſtus thut als ein — erſtlich m. er 
mit einem Flegel die Ahren aus, — wirft er die Spreu auch auf 

co giebt ſie den Säuen zu frefien. Alſo bat Johannes Baptifta, die eh und 7 








Miſſion unter den Heiden, proteftantifdge 129 


hriftlichen Prediger auch getban ... und mo fie das gethan haben, ift dann nichts mehr 
übrig als eitel Spreu“. Es ift alfo eine Strafe Gottes für die Mißachtung des bereits 
angeboten geweſenen Evangeliums, daß die jeßige nichtchrijtliche bezw. nichtevangelifche 
Melt es nicht noch einmal angeboten erhält, ein Gedanke, dem wir bei den orthodoren . 
Dogmatifern des 17. Jahrhunderts in der ausgeprägtejten Form begegnen. Nimmt man 6 
endlich dazu, daß Luther und feine Zeitgenofjen in dem Glauben ftanden, das Ende der 
Welt fei angebrochen, die Vorboten des jüngiten Tages ſeien bereits vorhanden, der 
Antichrift im Papſte, Gog und Magog in den Türken, jo blieb für eine meitere Aus: 
breitung des Chriſtentums auch gar feine Zeit und es wird vollende bogruflich daß eine 
geordnete Sendungsveranſtaltung außerhalb des Gedankenkreiſes der Reformatoren lag. 10 

Ahnlich wie —*— ſtehen alle ſeine Mitarbeiter. Melanchthon behauptet, daß der 
Miſſionsbefehl nur den Apoſteln gegolten, daß aber die chriſtliche Obrigkeit, welche über 
peibmifche Unterthbanen berriche, die Pflicht zu ihrer Chriftianifierung babe. Am nächiten 

mmen einer wenigiten® relativen Anerkennung einer Miffionspflicht der Kirche Zwingli 
und Bucer, aber auch ſie denken entfernt nicht daran, in praxi mit ihrer miffiong: 15 
günftigeren Theorie Ernſt zu machen. Auch bei Calvin findet fich feine Anerkennung 
der Miſſionspflicht. Der Apojtolat iſt ihm ein munus extraordinarium, das Sich in 
der Srijcioen Kirche nicht fortgepflanzt babe. Es fer ausfchließlih Gottes Sache, mie fich 
jein Reich weiter ausbreite. Eine bejondere industria der Menjchen, alfo eine Sendung: 
veranftaltung, fei nicht nötig. Nur der chriftlichen Obrigfeit jpricht auch er die Pflicht 20 
zu, die wahre Religion in ein noch ungläubiges Land einzuführen. 

Einen einzigen nachrejormatoriichen Theologen zweiten Ranges gab es, der ſich über 
biefen Bannfreis erhob. Das war der erſt in der neueften Zeit ſozuſagen wieder 
entdedte, von einem Spanischen Vater abjtammende, 1531 in Holland geborne, als Baftor 
in Antwerpen und Brüfjel und ale Profeffor in Leiden thätige, jpätere nad) England 25 
übergefiedelte und dort als angejehener Dechant am Weftminiter 1613 geftorbene Adrian 
Saravia. Auf englifchem Boden gab diefer Saravia im Jahre 1590 eine Schrift heraus, 
die den Titel führte: De diversis ministrorum gradibus sic ut a domino fuerunt 
instituti. In diefer Schrift, deren Zived die Verteidigung der bifchöflichen Verfaſſung 
ift, begründet er u. a. die Notwendigkeit des mit apoftolifcher Autorität umtleideten so 
Biſchofsamtes auch durch die Hinweiſung auf die Pflanzung neuer Kirchen. In diefem 
Zufammenhange widmet Saravia der Miſſion ein bejonderes Kapitel, das 17., unter 
der Überfchrift: „der Befehl, allen Völkern das Evangelium zu predigen, verpflichtet die 
Kirche, ſeitdem die Apojtel in den Himmel aufgenommen find; bierfür bedarf es apojto- 
cher Vollmacht.“ In diefem Kapitel führt er folgende Gedanken aus: der Auftrag, 35 
das Evangelium in der ganzen Welt zu predigen und die Piticht der Sendung zu allen 
Völkern bezieht ſich auf alle Jahrhunderte bis zum Ende der Welt, 1. mweil er verbunden 
it mit der Verheißung: ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. So gewiß 
diefe Verheißung nicht den Apojteln allein gilt, fondern allen Jeſusjüngern, jo gewiß 
auch der Befehl: gehet hin. 2. Weil die Apoftel durch die Thatjache, daß fie Mitarbeiter 40 
und Fortſetzer ihres Miſſionswerkes erwählten, felbjt bezeugen, es ſei ihnen nur der An- 
fang diejes Werkes aufgetragen. 3. Weil das Werk viel zu groß war, ala daß bie 
werigen Apoitel in der kurzen Spanne Sei ihres Lebens es hätten vollenden fünnen, 
und 4. weil eine lange Miſſionsgeſchichte bezeugt, daß thatjächlich fort und fort die Aus: 

i des Evangelii unter immer neuen Völkern betrieben worden iſt. Auch heute, 45 
fährt er dann fort, iſt das Evangelium noch nicht allen Völkern verkündigt, und es iſt 
nicht Schwarmgeiſterei jondern Pflicht der Kirche, dem den Apofteln nur zuerft erteilten 

Hfionsauftrage gehorfam zu fein. Die Kirche hat dazu mie die Pflicht, fo auch die 
Vollmacht. Geichieht das nicht, jo liegt das nur an dem Mangel apoftoliicher Männer 
und eines lebendigen I np Freilich Geiftesausrüftung gehört dazu, wenn man 5 
dieſes große Werk angreifen will und meil der einzelne ſich über feinen Beruf zu folchen 
Berle täufchen kann, fo muß firchliche Vollmacht ihn autorifieren. 

Aber mit diefem gefunden Verſtändnis des Miffionsbefehls blieb Saravia ifoliert. 
I hervorragende Theologen, reformierterjeitS Theod. Beza in Genf und Tutberifcher: 

its Joh. Gerhard in Jena, machten jich, der erjte fchon 1592, der andere 25 Jahre 55 
fpäter, daran, Saravia zu befämpfen. Beza that es in einer befonderen Gegenjcrift: 
Ad tractationem de ministrorum gradibus ab Adriano Saravia Belga editam 
— Theod. Bezae responsio und Gerhard im 23. Locus feiner vielbändigen Dogmatik: 
Loei theologiei. Beza giebt war zu, daß in Mt 28 Verheißung und Befehl zu— 
ſanmengehöre, erhebt aber den Einwand, daß in dem Befehle unterſchieden werden Inühfe, 60 

Real-Eucyklopädie für Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 9 


130 Miſſion unter den Heiden, proteftantifdye 


was fih ausjchließlich auf Die Apvftel bezogen habe und bas jet eben die Ausfendung 
zu allen Völkern; was für alle Zeiten bleibe, das ſei nur die Berufung zur Predigt 
des Evangelii überhaupt. Viel fchärfer und mit der fpisfindigiten dogmatiſchen Scholaftil 
befämpft „job. Gerbard den Saravia. Da wir aber jpäter auf ihn zurückkommen müflen, 
6 fo fer jegt nur angeführt, wie er die Zuſammengehörigkeit von Befehl und Verheißung 
in Mt 28 widerlegt: der Befehl gebe allein auf die Apoftel, die Verheißung nah Mt 
18, 20 auf alle Gläubigen; tolle man bebaupten, daß der Miffionsbefehl ebenſo meit 
gebe wie die angebängte Verbeigung, Dann würde ja folgen, daß alle Gläubigen zu ben 
Heiden geben müßten und dag ſei abjurd. Trog Saravia blieben alſo die alten Miflions- 
10 vorurteile in ungeſchwächter Kraft. 

Nun tft ed allerdings in den Jahren 1555 und 59 ji zwei Unternehmungen ge 
fommen, einer reformierter: und einer lutherifcherfeits, die als Miſſionen regiftiert werben. 
Die eine wurde Durch einen franzöfiichen Abenteurer, der fi ſpäter ald Werräter der 
Proteftanten entpuppte, Durand de Willegaignon, in Braſilien ins Werk geſetzt, um dort 

15 eine franzöfifche Kolonie zu gründen. Die Kolonijten wurden von vier Geiftlichen aus 
Genf — ob mit Zuftinnmung von Galvin tt nicht ausgemacht — begleitet, welche aud 
den eingeborenen Heiden das Evangelium verfündigen follten. Aber das ganze Unter: 
nehmen jcheiterte und zu einer wirklichen Miſſionsthätigkeit kam es nicht. 

Ahnlih ging es mit dem Verſuche des ſchwediſchen Königs Guſtav Wafa, die fchon 

im 12. Jahrhundert nominell Tatholijterten Lappen, der evangelifchen Kirche einzunerleiben. 
Es war dies ein reformatorifcher Akt territorialer Kirchengewalt, der in der Entſend 
von (wenig qualifizierten) Wfarrern und der Einrichtung von Pfarreien beitand. Au 
er führte zu feinem Ergebnis; cine wirkliche Yappenmiffion kam erjt durch Thomas 
von Weiten (geit. 1727) und Stockfleth (geſt. 1866) zu Stande. 


25 2. Das Zeitalter der altproteftantifhben Ortbodorie — 

Gröjjel, Die Mifjion u. die ev. Kirche im 17. Jahrh., Gotha 1897; derf., Suftinianus v. Weltz, 
der Vortämpfer der luth Miljion, Leipzig 1891; Faber, Ter Mifjionswedruf des Baron 
Juſtinian von Weltz in treuer Wiedergabe des Driginaldrudes vom Jahre 1664, Leipzig 1890; 
Plath, Die Mifjiondgedanten des Freiberrn von Leibnig, Berlin 1869; Germann, Biegenbalg 

8 u. Plütihau, Die Gründungsjahre der Trankebarſchen Mifjion, Erlangen 1868; Van - 
burg de Bruyn, De hervormde kerk en Nederlandsch Oost-Indie onder de Oost-Indische 
Compagnie 1502—1795, Arnhem 1884; Grothe, Archief voor de geschiedenis der oude Hol- 
landsche zending, Utrecht 1884-1891; Callenbach, Justus Heurnius. Eene bijdrage tot de 
geschiedenis des Christendoms in Nederl. Oost-Indie, Nijkerk 1897; Yritfchel, Gefch. d. chriſtl. 

35 Mifjionen unter den Indianern Nordamerifas im 17. u. 18. Jahrh., Alirnberg 1870. Allen 
and McClure, Two hunderd years: the history of the Soc. for promoting Christian Know- 
ledge 1698—1898, London 1898; Classified digest of the records of the Soc. propa- 
gation of the gospel (S. P. G.) 5., Lond. 1896. 


Auch in dieſem Zeitalter tritt in den miffionsungünftigen Anschauungen der Reformatoren 
0 zunächſt in Deutfchland noch Fein Mandel, fordern injofern fogar eine Verſchärfung ein, 
als eine direkte Ippofition gegen die fortgebende Miffionspflicht der Kirche zu einer mit 
eregetiicher, dogmatifcher und hiſtoriſcher Sophiſtik getriebenen Polemik führt, in deren 
unnatürlide Gedanfengänge wir uns heute faum finden können. Dieje Polemik wird 
verurfacht durch einige erſt fchüchterne und allmählich fraftvollere Stimmen, die fich aus 
45 Theologen- und Laien-Kreiſen wider die Miſſionsverſäumnis der Stirche erheben; und in⸗ 
jofern iſt Doch ein Fortſchritt da, als die Miffion in Sicht fommt und ſich eine öffent 
liche Debatte über fie erbebt. 
Die Hauptvertreter der Miſſions-Oppoſition find die führenden theologischen Auto⸗ 
ritäten: der Jenenſer Joh. Öerbard in feinen von 1610—1621 erfchienenen Locis theo- 
50 logieis (in den beiden Artikeln de ecelesia und de ministerio ecclesiastico) und die 
Wittenberger tbeologiiche Fakultät in einem amtlichen Gutachten aus dem Jahre 1651, 
welches durch den Reichsgrafen Truchfeß von Weghaufen provoziert worden war, der Anftoß 
daran nabm, daß die lutb. Kirche feiner Zeit dem Mifftonsbefehle nicht nachkam. 
Es ſind vornebmlich zwei Grundgedanten, die von der theologischen Oppofition 
55 geltend gemacht werben: 1. Die Apoſtel haben bereits in der ganzen Welt das Evan- 
gelium verfündigt und 2. mit den Apoſteln iſt der miſſionariſche Beruf der Kirche er- 
lojben. Die erſte Behauptung wird ſowohl durch die buchftäbliche Auslegung von Me 
16, 20; Rö 10, 18; Ko 1,6 u. 23 wie durch eine natv=gejchichtliche Deduktion bes 
weiſen gejucht, Daß die Nunde vom Evangelio tbatfächlihd in der ganzen Belt von 
0 Alters ber befannt geweſen, was bejonders durch Gerbard mit einem großen Aufwande von 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 131 


—— geſchieht. Aus dieſer exegetiſchen und hiſtoriſchen Befangenheit ergaben ſich 
dann g u erichredende Konfequenzen; fei jeßt noch Heidentum vorhanden, jo komme 
das — ur die Vorfahren dieſer Heiden das ihnen angebotene Evangelium verworfen 
oder ihren Nachkommen nicht überliefert haben. Diefe Heiden jtehen folglich unter Gottes 
Gericht und Gott jet nicht ſchuldig ſolchen Völkern dasj enige zu reſtituieren, quod 6 
semel iuste ablatum est — eine Argumentation, wie fe mit der größten Schroffbeit 
die Wittenberger Fakultät führt. Die Ameite Behauptung wird umftändlih dogmatiſch 
begründet durch die Theorie vom apoftolijhen Amt im Unterſchiede von dem ordentlichen 
Kirchenamte. Das apoftolifche Amt fei nur ein personale privilegium geivefen, jeßt 
gebe es nur eim firchliches Predigt: und Negieramt, jenes jei an eine beitimmte Ge⸗— 10 
meinde ggeunden, diejes habe nur Auftrag zur Berufung ind gemeindlihe Prieſter— 
amt. Wer aber ohne Vokation predige, der ſei ein Schwärmer. Zudem feien zu 
dem Miffionsamte Wundergaben und =träfte nötig, die heute nicht vorhanden. In 
diefer ablehnenden Stellung gegen die Mifjion wurden die Theologen auch durch die 
namentlid von Bellarmin inaugurierte kath. Polemik nicht erichüttert: Die prot. Kirche 15 
fönne nicht die rechte fein, weil fie feine Miffion treibe. Die Antwort, die fie geben, ift 
wahrhaft Kae: die Ausbreitung des Chriſtentums unter allen Vvoitern ſei gar kein 
weſentliches Merkmal der Kirche, die nach Apk 12, 6 vielmehr dem in die Wüſte fliehen⸗ 
den Weibe gleiche. Die Bekehrung römiſcher Katholiken zum Evangelio ſei im Grunde 
auch Heidenbekehrung, und wenn die Kirche eine Miſſionspflicht habe, warum dann nicht 20 
auch der Papft und feine Kardinäle ausgingen die Heiden zu befehren? Ein jeglicher 
Lehrer babe bei der ihm anvertrauten Gemeinde zu bleiben nach dem Worte: weidet die 
Herde, die euch befohlen ift. 

Neben dieſer miffionsgegnerischen Polemik machten fih nun aber auch vereinzelte 
mülltonsfreunblige Stimmen geltend, fo feitens der Theologen Prätorius, Meisner, Calizt, 26 
S Duräus, Dannhauer, Havemann, Beiel und bejonders Scriver (in feinem 
—S und Spener (in einer Himmelfahrtspredigt). Man kann diefe Stimmen in 
drei Gruppen klaſſifizieren: 1. in folche, welche eine Sendungspflicht der Kirche zwar nicht 
anerfennen, aber den chriſtlichen Obrigfeiten eine Chriftianifierungspflicht ge egenüber ihren 
beibnifchen Unterthanen zufprechen; 2. in ſolche, welche prinzipiell eine Mifftonspflicht go 
der Kirche gelten lafien, aber aus Opportunitätsgründen zur Zeit fie für unausführbar 
halten und 3. in folche, die ohne alle Klaufeln den Gehorſam gegen den Miffionsbefehl 
verlangen. Sie alle entbebrten aber der praftiichen Spige und hatten Teinerlei poſitives 
Ergebnis. Freilich, man muß zur Entſchuldigung jagen, da auch die traurige Zeit des 
30 jährigen Krieges den Gedanken an eine Mifftionsunternehmung nicht aufkommen ließ. 85 
Nur ein Unternehmen ift zu regiftrieren, das man aber, jtreng genommen, nicht ale 
Miffionsverfuh bezeichnen —* und das auch ganz indivibualiftiiches Gepräge trägt, 
nämlich die vermutlich auf den Einfluß von Hugo Grotius zurüdzuführende Reife des 
Lubecker Juriften Peter Heiling nach Aaelfinien, um die dortige erftorbene Kirche zu 
neuem eben . u erwecken. Außer der Überſetzung des NTs ins Amhariſche bat aber «0 
der 20 jährige Aufenthalt Heilings in Abeffinien fein Ergebnis gehabt; fortgejegt wurde 
feine Arbeit von niemant. 

Mit wirklichem Nachdruck wurde die deutfche Tutherifche Chrittenheit zum erften Male 
an ihre Bilftong fliht erinnert dur den 1621 in Chemnitz geboren und in Ulm er: 
zogenen, einem öſterreichiſchen Adelsgeſchlechte entſtammenden Frhrn. Juſtinian von Weltz, « 
einen Pietiften vor dem Pietismus, der im Zuſammenhange mit dem Drängen auf eine 
geiftliche Belebung die Begründung einer freien Miffionsgefellichaft forderte. Cr that 
das in drei 1664—66 herausgegebenen Sylugichriften, von denen die erfte die michtigite 
war. Sie führte den Titel: „Eine chriftliche und treuherzige Vermahnung an alle recht: 
gläubigen Chriſten der Augsburgifchen Konfeſſion, betreffend eine jonderbare Gefelfichaft, so 
durch welche nächſt göttlicher Hilfe unſere evangelifche Religion möchte ausgebreitet werden. 
In den Drud verfertiget zu einer Nachrichtung allen evangelifchen Obrigfeiten, Baronen, 
und von Abdeln, Doktoren, Profefjoren und Bredigern, studiosis theologiae am meiften, 
auch studiosis iuris und medicinae, Kaufleuten und allen Jeſus Liebenden Herzen.” 

er ragen und Ermahnungen an bie genannten Adreffaten gliedert ſich der Inhalt 66 
diefer Schrift in drei Hauptteile: 1. in die Gründe, mit denen die Notivendigkeit einer 
Riffionsveranftaltung beivtefen wird (der Wille Gottes, das Beiſpiel der Geſchichte, die 
Bitten im Kirchengebet und der Vorgang der Papiſten); 2. in die Widerlegung der Ein: 
wände, bie jeitens der orthodoren Theologen gegen die fortgehenbe Miffionsverpflichtung 
geltend gemacht wurden (daß der Miffionsbefehl nur den Apofteln gelte, daß das Evan: 60 


132 








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waren aber —— —— Motive, die 1602 zur Miſſion trieben. 
Die Miſſionsſchrift von Heurnius: De legatione ad Indos capessenda — 
erſchien 1618, Die ————— damals die niederlandiſch⸗vſtind ur Kompag 

3 war das ungsorgan, fie inau ze leitete und unterhielt die Miff ird 
li — a oden betei nur an der Gejtellung von Kolonialgeift 
lichen, die zugleich Die Si in in Leiden von — Walaus eröffnetes 
Seminar zur Ausbild erfelben mi. nur — st N Fa bon ber 
Diiffionspflicht ber Rolomialob eit wurde bier zu in größerem ep 

0 in die Praxis überſetzt. Borbild diefer Miffton, die m * uns ee über den ganzen 
großen bollänbifchen | Kolonialbefit im malaiiſchen Archipel a — 
auf Au äußere Bf, mu 5 ae Methode, u 








so too, wie Genlon Die der Kom agnie Ende. 
I, in len — N 


fang des 19, Yabrhunderts wieder Gegenſtand —— paftoraler Frl geworden. 
Bei unſerer Rundſchau über die Miſſionsgebiete kommen wir auf ihn zurück. | 
66 jn England, das nad dem Untergange der ſpaniſchen Armada (1588) gleichfalls 
eine Seemacht zu werden b , berbinderten vornebmlih die fortgebenden bel iſch⸗ 
religi u Kämpfe das Enoaden eines Mi —— Dieſe Kämpfe —** aber Die 
Veranlaffung zu dem erften Miffionsverfuche unter den Indianern Nordamerikas und 

bon biefem gingen in England die erjten Miffionsanregungen aus, Nachdem ſchon 1584 
von ben ſog. Havalieren die erfte englifche Kolonie in Norbamerifa gegründet worben 


















132 Miffien unter den Heiden, proteftantifdge 


gelium nicht wieder gepredigt werden dürfe, mo fein Licht erlofchen fei, daß die Prediger 
nur an ihre Gemeinden gewiejen ſeien und daß man erit im Lande das Chriitentum zu 
einem befjeren Stand bringen müfje); 3. in beitimmte Vorfchläge, wie eine Miffton ins 
Merk zu fegen fei, die auf die Begründung einer organifierten Geſellſchaft binauslaufen. 

5 Dieſe Schrift, wie auch die zweite: „Cinladungstrieb zum berannabenden großen 
Abendmahl und Vorfchlag zu einer hriftlihen Jejus-Gefellichaft, behandelnd die Belle 
rung des Chriftentums und Belehrung des Heidentume” übergab Weltz dem Corpus 
Evangelicorum auf dem Reichstage zu Regensburg, mo fie aber nad einer formalen 
Beiprehung zu den Alten gelegt wurde. Verſtimmt ſchrieb er eine dritte Schrift, begab 

10 fih dann nadı Holland und ging, nachdem er bier ordiniert worden war, als Miffionar 
nad Suriname, wo der als „Fanatiker“ und Schwärmer“ verjchrieene Miſſionsprophet 
bald ein einjames Grab fand. 

Zunächſt blieb fein Medruf die Stimme eines Predigers in der Wüſte. Als Gegner 
ftand der angejehbene Negensburger Superintendent J. 9. Urfinus gegen Wels auf in der 

1» Schrift: „Woblgemeinte, treuberzige und ernitbafte Erinnerung an Juſtinianum, feine 
Vorſchläge, Die Belehrung des Heidentums und Beilerung des Chriftentums betreffend“. 
Der in diefer Schrift angefchlagene Ton iſt aber mebr heftig als treuherzig; Welt 
wird in ihr „der Yäfterung wider Mofes und Aaron“, des „Münzeriſchen und Quäkeriſchen 
Geiſtes“ befchuldigt und feine Brofchüren werden „Fluchichartefen” genannt. Inhaltlich ift 

20 fie überaus ſchwach. Sie wagt allerdings nicht mehr die Gerbardichen Behauptungen 
zu verteidigen, aber wegen der Hindernifje, die auf feiten der Chriſten, der Heiden und 
Gottes der Ausführung einer Miſſion entgegenfteben, erklärt fie diefelbe für nicht op 
portun. 

Während die Theologen fih ablebnend verbieten, trug fih ein Philoſoph von Welt: 

25 ruf, Leibnitz, angeregt von der jeſuitiſchen Chinamiffion, mit Miſſionsgedanken, ja er ver- 
anlaßte jogar, daß „die Fortpflanzung des wahren Glaubens”, als eine ihrer Aufgaben 
in die Statuten der Berliner Akademie der Wiflenfchaften (1700) aufgenonmen murke. 
Seine Projekte find allerdings nicht zur Ausführung gefommen, aber fie veranlaßten 
einen Briefwechſel mit U. H. Francke, auf den fie befruchtend gemirft haben. 

30 Zu den eriten Miſſionsthaten innerhalb des Proteftantismus fam es in dem nad 
feiner Befreiung von dem ſpaniſchen Joche zur Kolonialmacht werdenden Holland... Es 
waren aber weniger religiöfe als folontalpolitifche Motive, die 1602 zur Miſſion trieben. 
Die Niffioneichrift von Heurnius: De legatione ad Indos capessenda admonitio 
erſchien erit 1618. Tie Kolonialobrigfeit, damals die niederländifch-oftindifche Kompagnie, 

35 war das Sendungsorgan, fie inaugurierte, leitete und unterbielt die Miffton; die End, 
lichen classes und Synoden beteiligten ſich nur an der Geftellung von Kolonialgeift: 
lichen, die zugleich die Miffionare waren. Ein in Leiden von Prof. Waläus eröffnetes 
Seminar zur Ausbildung derfelben beitand nur von 1622—34. Die Theorie von der 
Miflionspflicht der Rolonialobrigfeit wurde bier zum erften Male in größerem Maßftabe 

so in die Praxis überfegt. Vorbild diefer Miſſion, die fih nach und nach über den ganzen 
großen holländiſchen Kolonialbeſitz im malaiiſchen Archipel ausdehnte, war die römiſche, 
auf äußere Maſſenbekehrungen abzielende Methode, obgleich diefelbe nicht unweſentlich 
Dadurch modifiziert wurde, daß in der Sprache der Eingebornen gepredigt, Die Bibel 
überjegt und auch für Seranbildung von eingebornen Gehilfen Fürſorge getroffen murbe. 

5 Es fehlte ja nicht an trefflichen, geiſtlich gefinnten Nolonialgeiftlihen 3. B. Danfärts, 
Heurmus, Gandidius, Junius, Hambroek, Baldäus, aber die Mehrzahl verrichtete ihr 
Amt in ſehr äußerlicher Weiſe und fehrte bald in die Heimat zurüd. Es wurden aller 
dings Hunderttauſende getauft, aber ihr GChriftentum war vielfahb nur ein übertünchtes 
Heidentum, dem meilt auch die geduldige Pflege fehlte und das feinen Beitand hatte, 

so too, wie z. B. in Ceylon die Herrſchaft der Kompagnie zu Ende ging oder der koloniale 
Miſſionseifer in Indifferenz umſchlug. Der ziemlich verrwahrlofte Neft diefer alten hollän⸗ 
diſchen Miſſion iſt dann aber in Verbindung mit der neu auflebenden Miffton fett An⸗ 
fang Des 19. Jahrhunderts wieder Gegenftand forgfältigerer paftoraler Pflege geworden. 
Ber unferer Rundſchau über die Miffionsgebtete fommen wir auf ihn zurüd. 

55 In England, Das nadı dem Untergange der fpanifchen Armada (1588) gleichfalls 
eine Seemacht zu werden begann, verbinderten vornehmlich die fortgehenden politisch 
religiöſen Nämpfe das Erwachen eines Miffionfinnes. Diefe Kämpfe wurden aber die 
Beranlaffung zu dem erften Mifftonsverfuche unter den Indianern Nordamerikas und 
von dieſem gingen in England die erften Mifftionsanregungen aus. Nachdem fchon 1584 

co bon den ſog. Stavalieren die erfte englifche Kolonie in Nordamerika gegründet worden 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 133 


war, der man zu Ehren der „jungfräulichen” Königin den Namen Virginien gegeben, 
fand unter dem religiöfen Drude der Stuartö 1620 die zweite größere Ausivanderung, die 
der Puritaner, der ſog. Pilgerväter ftatt, welche in dem heutigen Maſſachuſſets Neueng- 
land gründeten, der 1682 noch eine dritte unter Penn folgte, die fih in Pennfylvanien 
niederließ. 5 

Die Puritaner hatten fofort die Belehrung der Indianer in ihr Kolonialprogramm 
mit aufgenommen, aber e8 fam leider eber zu blutigen Zufammenftößen mit ihnen als 
ur Miſſion. Erft 1646 wurde diefe Durch den ebenfo mwiflenjchaftlich gebildeten wie herzens⸗ 
Kommen Paſtor von Rorbury (Bofton) Kohn Eliot ind Werk gefest, und zwar abgeſehen 
von feinen altteftamentlich-theofratischen Idealen in ganz evangeliſcher Deite Er prebigte 10 
in der —— überſetzte in dieſelbe die Bibel, bildete eingeborne Mitarbeiter 
beran, taufte erſt nach ſorgfältigſter Unterweiſung und organiſierte eine Reihe von firchlich- 
bürgerlichen Gemeinwesen, in welchen er die Indianer zugleich in civilifiertes Leben ein- 
gewöhnte. Es gelang ihm dreizehn foldher Gemeinweſen „betender Indianer” zu ftande 
zu bringen, leider mußte er aber am Ende ſeines aufopferungevollen Lebens (geft. 1690) 
den Schmerz erleben, daß durch die furchtbaren Indianerkriege, die mittleriveile ausgebrochen 
waren, die meilten derjelben zerftört wurden. 

Die beroifche und erfolgreihe Miffionsthätigkeit Eliots hatte in England Aufjehen 
erregt und veranlaßte eine durch das lange Parlament beichlojfene Landeskollekte und 
1649 die Gründung einer corporation for the propagation of the gospel in New 20 
England, die ſich aber mwefentlih auf Gabenfammlung bejchräntte, Eine von Cromwell 
geplante proteftantifche congregatio de propaganda fide kam nicht zur Ausführung 
und vereinzelte Miffionsaufrufe frommer Geiftlicher (Orenbridge, Prideaux) verballten 
wirkungslos. Erft 1695 und 1701 wurden zwei Gefellfchaften gegründet, die nad) und nad) 
für die Miffion von Bedeutung geworden find: die Society for promoting Christian 25 
knowledge, die bejonders die däniſch-halleſche Miffion in Indien unterftüßte und die 
Soc. for propagation of the gospel in foreign parts (S. P.G.), deren Thätig⸗ 
feit fih aber im 1. Jahrhundert ihres Beſtehens weſentlich auf die kirchliche Verfor: 
gung der englifhen Koloniften beſchränkte. Der mächtigen oftindifchen Kompagnie, 
die 1600 durd die Königin Elifabeth ihren reibrief erhielt, lag jeder Gedanfe an so 
Million fern. 

Neben Holland und England beſaß jeit 1620 in Oft: und feit 1672 in Weſt— 
indien auch Dänemark Kolonien und von bier ging 1705 die erfte lutherifche Miffion 
aus und zwar auf Anregung des Königs Friedrich IV. Da man aber in Dänemark 
feine Miſſionare fand, fo wendete fich der won Berlin nad Kopenhagen berufene Hof: 36 
prediger Lütlens an feine pietiftischen Freunde in Deutichland. So Tam diefe dänische 
Miſſion in Verbindung mit den deutichen Pietiften und bald mit Aug. H. Srande. Zwei 
Schüler desfelben: Ziegenbalg und Plütfchau gingen als „Königliche Miffionarien” nad) 
Dftindien (Tranfebar), wo fie der evangelifchen Miſſion die Bahn gebrochen. In Kopen: 
bagen wurde ein königliches collegium de cursu evangelii promovendo gebildet, dem 40 
die offizielle Zeitung der Million übertragen wurde, das fie aber zu Tode regiert haben 
würde, wäre A. H. Frande nicht ihr Hauptträger geworden. Durch ihn verband fich 
der Pietismus mit der Miifion und nur diefe Verbindung bat fie am Leben erhalten. 

Und noch eine zweite Mifftion ivurde von Dänemark aus ind Werk gejegt, nämlich 
in Grönland, die aber nicht vom Könige fondern von einem Paſtor auf den Lofoten, 46 
Hans Egede, ausging, dem es allerdingd nur in Verbindung mit einer füntglich privi— 
legierten Hanbelsgejellihaft nach unfäglihen Mühen 1721 gelang, in das Yand feiner 
Sehnſucht zu kommen. Fünfzehn Jahre lang arbeitete Egede in Grönland unter großen 
Schwierigkeiten faft ohne Erfolg und fein gedulpreiches Werk wäre vermutlich abgebrochen 
worden, wenn nicht wieder deutjche Hilfe gefommen wäre. So führt uns diefer Rund: co 
gang wieder nad Deutichland zurüd und hinein 


3. in das Zeitalter des Pietismus. 


Kramer, Aug. 9. Frande. Ein Lebensbild. 2 Bde, Halle 1880; Fenger, Geſch. der Trankebar— 
ſchen Mifjion. Aus dem Däniichen, Grimma 1845; Spangenberg, Leben Zinzendorfg, 1772 — 75; 
v. Schrautenbadh, Graf Zinzendorf und die Brüdergemeine feiner Zeit. Herausg. von Kölbing, 55 
Snadau 1817; Römer, Nik. Ludiv. Graf v. Zinzendori. Sein Leben u. Wirken, Gnadau 1900 ; 
Kölbing, Ueberfiht der Miſſionsgeſch. der ev. Briüderfirche in ihrem 1. Jahrh, Gnadau 1833; 
Reichel, Rüdblid auf unfere 150 jährige Mifjionsarbeit, Herrnhut 1882; v. Tewig, In Dänisch: 
Weſtindien, Die erſte Streiterzeit in des Grafen von Zinzendorf?® Tagen, Niesky 1882; Ryle, 
The Christian leaders of the last century of England a hundred years ago, Lond. 60 


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134 Miſſion uuter den Heiden, proteſtantiſche 


1861; Schmidt, Jorn Werten und (G. hitefield, Naumburg 1851 und 53: Wauer, Die 
Anfänge der Brüderkirche ir Eraland. Ein Napitel vom geiftigen Austaufh Teutjchlands u. 
Englands, Leipzig Tee. 

Der Pietismus. die erſte srohe Reiermbewegung innerhalb der Kirchen der Refor: 
matten, Drang auf perientiches Errütentum gegenüber der bloßen Unteriverfung unter 


chriſtentum gegenuber vn Toamensmes, auf allgemeines Prieſtertum gegenüber einer ftarren 
Amtotbeorie. Sein Drangen aur Berrunaung Des Glaubens, auf Aktivität, qualifizierte 
ihn zur Miſſion. ſebald iein Blick zur Ne nichtchriſtliche Welt gerichtet wurde. Trotz jeiner 
Weltiucht wurde er me peizesoemde Macht. Gr iſt der Water der Heidenmiſſion 
wie faſt aller Sauce nis nnere Vertten bescichneten Wettungsveranjtaltungen, eine 3er: 
bindung. Me fur Sofort om Man. Frencke wviſch Daritellte Es bafteten ihm freilich 
STchwachen an zurga penar Zumetvmus, eine oft jüßliche Tändelei, eine eng- 
berzige Angituwtet: and Smreopez zeseruker Dem Bereiche Des natürliben Weltlebens 
und eine zu merpodenpe Berendang der Bekebrung; aber troß dieſer Einfeitigfeiten mar 
er eine wieninde Ware an serch zisnönventitelcrijtentun verjpottet, ging von ibm 
die gquavppetsiae, Baeimm®lon me Deren Verrieb dann freilich auch mit ben Yicht= Die 
beraten Des Itrsittiie HE UP ITUR, 

May 8 Verne vurde der Benmerriser Der dom Pietismus ausgehenden Miſſions⸗ 
ansnis Damp vn ampenen sadacsudeben Pläne, durch den Briefmechfel mit Yeibnig 
und Narr Me zwi nr suzsun rag Berufung zweier jeiner Schüler in den däniſchen 
ae vd nt Me Arperz für Die Heidenmiſſion geführt. Sein Verdienſt 
u Mei desto wurden" a8 er ibr Die Arbeiter jtelltee Als ein Pädagog 
abo ze Arnion ia Ubi) .T yon Aarenbaus u einen seminarium universale 
da Qtanprweig sy Heer lm Hr im Dienſte des Reiches Gottes zu machen. 
nn op Nr unserer ID>erterse das Bewußtſein weckte, fie ſelber müffe die 
gen Ne Wespen pedert,  nder eo mir ibren Gebeten binter den Miſſionaren ftehe 
N NEN . Dar x durch eine periodiſche Schrift Kenntnis und 


ode ui My Mergper Qipet UrDrine Francke war der erite, Der cine betenbe, 
san ad nenteen eranpes Vtonsgeneinde fammelte und jo die Miſſion aus 
en yihepr ppiihn, hey Nenur die Regentenpflicht der dhriftlichen Stolonial- 


na et isre Dam da o pehiade Vermvrlligfeit in Die Miſſion hinein und entband 
Sr one Neon Neo sp Jrrrnbett jaſt Ichlunmmernde Macht. 
ie ooimar se pre rar die piertittichen ecclesiolae in Word: und Züb: 
Non wen pe Ne Üptore derciliaten; Die Orthodoxie befämpfte fie noch 
N gerie syrnig Werren uch Die älteren Einwürfe faft verſtummt, fo 
So Prinzen Ne Bezvrserser wol, Fatultät doch als „falſche Propheten“ 
>. N. wyepyineirrr RNeumeiſter Die Parole ausgegeben, „Daß die 
I Narn gade oo usg won Es find aus den Franckeſchen Ztiftungen 
Sn homenoden ou Nltonare berborgegangen, unter ibnen neben 
en Zur zen Große Chr. Friedr. Schwartz, jo daß die 
urn sn Rees tn Me Deich halleſche bigeichnet wird. Unter vielem 
aytue, Npamstotren und Streitigfeiten allerlei Art ver: 
an dan Uran Dia vom legten Viertel des 18. Nabrbunderts 
he oo egasr Se Wurzeln abgrub. Englifche Unterftügungen 


\ J na rather, Marin trat Die luth. Leipziger Miſſion in das 
“cn ser zesfitfentchen Geſellſchaften in Bejis genommen 


an sen sur Zendungeltelle zu fein. 

an ner Miitenebewegung Durch den Eintritt der Brüder⸗ 

ro Yöayaderr par das Werkzeug, deſſen fih Gott bediente, um 
‚pin tete Ste bisher noch auf feinem geitanden. Plan 

J ieiet Genius bezeichnen. Der Miſſionotrieb iſt bei 

oe dene Wressnaen von außen. Allerdings haben dieſe nicht 


— 


oa Ne wechen Padagoginms erhielt er fie in Franckes Haufe 
v. ep rennen Verwirklichung feiner Miſſionspläne gab der Auf: 
NR og Sewohl mit Brönländern wie mit einem Neger aus 


N nern de, aber Der Zug zur Miſſion lag in der ganzen 
aan Nase Zen Chriftentum war vol Zeugentrieb, zur 


en dub ſamnmelnd und organiſierend, für deren Tätigkeit 
Zen als Jungling fiftete er noch in Halle einen 


“” 
en FE rer | 


arg SH EIRAN 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 135 


Drben, defien Regel lautete: „darauf fol unfere unermübdete Arbeit geben durch die 
ganze Welt, daß wir die Herzen für ben gewinnen, der fein Leben für unſere Seelen 
dabın gegeben.” 

An feinem Hochzeitätage machte er einen Bund mit feiner Gattin: „auf des 
Herrn Wink alle Stunden den Pilgerftab in die Hand zu nehmen und zu den Heiden 5 
u geben”. Er erklärte es für „eigenliebifch, jo jemand denkt, ich will in meinem Nefte 
erben”. „Die ganze Erde ift des Herrn und alle Seelen find fein; ich bin mich allen 
ſchuldig“. Für einen foldhen Dann mußte die Welt feine Parochie fein. In der Einen 
Paſſion, die er hatte, lag fein Miffionstrieb und diefen Trieb, der fein einziges Miffions- 
motiv war, verjtand er andern einzupflanzen, die ihm Mitarbeiter wurden. 10 

n der Gewinnung diefer Mitarbeiter iſt die göttliche Providenz unverfennbar. Er 
fand fie in den um ihres Glaubens willen aus ihrem Baterlande vertriebenen, in Ber: 
folgungsleiden gereiften, heldenmütigen Mähren, die er ſelbſt ald gens aeterna bezeichnete. 
Aus ihnen und den fonftigen in Herrnhut fih zufammenfindenden, oft munderlichen 
Pilgern formierte das organisatorische Genie des Grafen eine Gemeinfchaft, die durch 16 
und durh Miſſionskirche wurde, „fertig und gewärtig, als ein gutes Cal; der Erden 
nüglich ausgeitreut zu werden”. Daß jet eine Gemeine da war, die fo fehr ihre 
Energie an die Heidenmilfion feste, daß geradezu ihre Exiſtenz mit ihr verwuchs und big 
beute verwachſen geblieben ift, das iſt die große millionagefehichtliche That Zinzendorfs. 
Dazu überrafchte er durch die Neuheit, daß er Laien ald Miffionare ausjandte und auch 20 
diefer Griff im die Laienwelt ift für die gejamte proteftantifche Miſſion von der ein: 
fchneidenften Bedeutung geworden. 

Bei des Grafen Tode (1760) übertraf die Mifftonsleiftung der damals noch recht 
Heinen Brüderkirche alles, was der gefamte Vroteftantismus bis dahin zur Belehrung 
der Heiden gethan hatte. 226 Mifftonare hatte fie — Auftralien ausgenommen — in 2 
alle Erbdteile ausgefandt, und nicht bloß in die damaligen prot. Kolonialreihe. Es lag 
ja in dieſer geichäftigen Haft etwas von dem unruhigen Genie de3 Grafen; es wurden 
die Kräfte zeriplittert und eine Reihe von Verſuchen mußte wieder aufgegeben werden; 
aber es bleibt doch etwas Heroifches, daß die Fleine Brüdergemeine ſolche weltumfaſſende 
Unternehmungen ind Werk fette. Ja, Zinzendorf war geſetzt Frucht zu fchaffen und 80 
eine Frucht, welche geblieben it. Die „formidable Karawane” aus den Heiden, „melche 
um das Lamm herum ftand” als er ftarb, hat fih auf Hundertaufend vermehrt. Pro— 
portionaliter fommt die Miffiongleiftung feiner evangelifchen Kirchengemeinjchaft big heute 
der der Brüdergemeine gleich. 

Dennoch übte die bis dahın unerlebte Miffionsthätigkeit dieſer Gemeine auf den 85 
Proteſtantismus des 18. Jahrhunderts feine Miffionsanregung aus. Die Zinzendorfjche 
Miſſionsära fiel in die Grenzzeit zwischen dem zu Ende gehenden Zeitalter der Orthodorie 
und dem aufgehenden Zeitalter des Nationalismus; beide hatten für die Miffionsaufgabe 
der Kirche fein Verſtändnis. Diefelbe Abneigung, welche die Orthodoxie gegen die pie- 
tiftifche Miſſion begte, hatte fie auch gegen die berrnbuterifche; die Aufklärung aber, die «0 
bald die ganze chriftlihe Welt überflutete, und deren Ruhm die aus dem religiöfen In— 
differentismus geborne Toleranz war, welche Chriften wie Nichtehrijten jeden nach feiner 
Façon wollte jelig werden laſſen, batte für alle Miſſion die gleiche verächtliche Abneigung. 
Aber indem die Brüdergemeine in einer folchen miffionsungünftigen Zeit das Zinzen⸗ 
dorfiche Erbe mutig und treu fortpflegte, wurde fie zu einer lebendigen Verbindung mit 5 
der großen Miffionsbewegung des 19. Nahrhunderts, die in ausgedehnterem Maße, als 
fih mit Einzelthatfachen belegen läßt, ſowohl in Deutichland wie in England von Herm: 
but ber Anregungen empfangen hat. 

Wie in Deutichland der Rationalismus zum Totengräber der bäntjch-hallefchen 
Miſſion wurde, fo wirkte er auch in Holland miffionszerftörend. Unter dem Schatten 50 
der Aufllärung ging die immer mehr zum Wlechanismug entartete und längſt am Ma: 
tasmus leidende nieberländifche Kolontalmiffion ganz ein. Die alten beidenchriftlichen Ge: 
meinden vertwahrloften und neue wurden nicht geſammelt. Dazu änderte die Rolonial- 
tegierung ihre Politik, indem fie es für weile bielt, den Mohammedanismus zu be: 
günftigen, ein Umſchlag, der bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus anz 66 
gebauert hat. 

In England eriftierten feit 1698 und 1701 die bereits früher genannten beiden 
Gefellichaften, von denen die zur Verbreitung chriftliher Erkenntnis die däniſch-halleſche 
Miſſion in Indien, für welche ein Schüler Krandes namens Böhme ihre Teilnahme er: 
wedt hatte, unterjtüßte und fogar einige ihrer Miſſionare (befonders Schwark) ganz in 60 


wNiffinn unter den Heiden, proteſtantiſche 


are dan ande edie Beleilkhuft sur Verbreitung des Evang. in fremden 
in int bndinden QWurdsrzunz der müchienden englifchen Kolonial⸗ 
er pagyanks Sebte@oeagmme unter den \ndianern und Negern 
went hessmehe zum "ss zur wirtlichen Miſſionsgeſellſchaft. 
an Muslamem 2 Surzemunz chrütlicher Erkenntnis ine 
W . nn Spetamm. zu: m nordameritaniſchen Indianern 
No Re et em nur cm si aber einflußreiche Thätigkeit übte 
"u.a eo. Me anna Serteniannien, obgleich es mittlerweile 
Mearo... a gwıDdıe nz sen Melegten Jabrzebnte Des 18. Jabr⸗ 
oa re myste em Tırtonatbaten. Der Grund lag in dem 
a. 2 Pure am Ne mit der Reſtauration (1662) einfeßte. 
INOA.A tern pero azec mehr” und auch in den (tet 1687) zum 
un 2.02 0.00 Tereramerticaften war geiſtlicher Schlaf an die 
N. F a a te AT 
n nennen \abrbunderts eine Ermedung ein, Die zwar 
ee. asmundete, aber in Der Die innere Iricbfraft lag, 
x > 0.200 rer Miſſionsbewegung au Stande brachte, mit 
on en, angi John Nester (1703-1791) und George 
F nun Nr Ztuatefirde und beide von Hermbut und 
cr tt Mr Werkzeuge Dieter nachhaltigen Erweckung, 
warst und von dieſer auf Den europäiſchen Kontinent 
i ren Grundzügen Dem deutſchen Pietismus ähn⸗ 
on ar tinicbem Boden viel treiberiſcher und tumultuariſcher 
save. fubrte auch, allerdings mehr durch die Gegner: 
re ae auv eigenem Antriebe, sur Bildung einer neuen, 
so rer, Der metbodiltiichen. Cine geordnete Miffione: 
ot eaweneittichaft erjt ſpäter; aber Durch einen Der feurigjten 
erde beriite 1786 Die erfolgreiche methodiſtiſche Miſſion 
he dieſelbe Dis zum Tode dieſes energievollen Mannes 
ee wwninbent Ozean durchſchiffte, unter feiner Privatleitung. 
son Ne engliſchen Revivals, Daf es dent erwedten Teile ber 
m offnete, als Durd eine Neibe großer meltgefchichtlicher 
se 8 Jahrhunderts der bl. Geiſt an den faſt vergefjenen 
NR we zum Gehorſam gegen diefen Befehl willig und fähig 
.  neseellh Den Wick der Chriſtenheit auf Die ferne Heidenwelt 
“nsrtbeittest Wlaubensleben eine Miſſionsrichtung; und in dem 
enen der religiöſen Bewegung mit der Blickrichtung auf die 
Se sänoenua Tod Yoorov für Die gegenwärtige Weltmiſſion, 
es nelZeniitett UND Miſſionothaten nur vorlaufende Dienſte geleiſtet. 


4 
Pr 
⸗ 
7 


oder modernen Miifionsbewegung big auf bie 
Gerrnnantivmus wird cine miſſionierende Macht, ferne Miſſion all: 


nn altern centary®, New-York 1893: Graham, The mis- 
a Kine ehurches, Edinburgh 1898; Bliss, Encyclopaedia of 
he bel Non jept ab jind Die Sauptquellen die Monats: und 
"con wiſellſchufien (dgl, über ſie Warned, Abriß, bei den einzelnen 
van alleine Mifiionsorganen: The Missionary Register (Lon- 
ARNLTIUNTE Evaugeliſches Miſſions-Magazin, Bafel, feit 1816; 
etypaleı Werlin, ſeit I8743 Missionary Review of the world, Rem: 
or Ammmbeung der einſchlagenden Aufſäße aus dieſen Organen muß 
Ay Wo erſcheint ſoeben in Gütersloh ein ausführliches Reper- 
ne all aber Die geſamte Miſſion der Gegenwart ſich eritredende 
orten Pellvataltfib qreordnet bit. 


tab br elltvartigen Miſſionszeitalters. 
a At Monba 1 Abden Neben d. William Wilberforce in |. religiöfen 
te ble test WW. by his sons, Yondon 1838: Mortiner, Die 
> brennen Mi prallen Urrungs und ihrer erſten Unternehmungen, 
N » Ah hekayotthe Landen Miss, Soc. 2 vols, London 1899; Stock, 
Br lan bo \hı on Its environment, its men and its work, 3 vol. Ron: 
os u a Terry um Ianslienl vents m: (v. Smith, The life of W. Carey, 
Dr era renası Vanaisen 1’ Map. 1,0: Kruijf, (ieschiedenis van het Neder- 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 137 


landsche Zendelinggenootsehap, Groningen 1894; Dftertag, Entjtehungsgeich. der evang. 
Miſſionsgeſellſchaft zu Bajel, Safer 1865; Tracy, history of the American Board of Com- 
missioners for foreign missions, New⸗-York 1842. 

Es war nicht bloß das religiöfe Revival, das den Anftoß zu der modernen Mif- 
fionsbemwegung gegeben hat, jondern eine Reihe weltlicher Faktoren von gejchichtlicher Be: 5 
deutung find als kraftvolle Miffionsfignale in Mitwirkung geireten. Unter ihnen fpielen 
bier die Hauptrolle: 1. die großen mit ben Reifen von James Coof beginnenden geo- 
een Entdeckungen und der ihnen folgende immer ausgedehntere Weltverkehr; 2. die 
Ranıp e gegen Stlavenhandel und Sklaverei; 3. die Erweckung des nationalen Gewiſſens 
Englands gegen die Gewaltherrichaft der oftindischen Kompagnie, und 4. im Zufammen: 10 
bange mit der Erkenntnis der Pflicht gegen die Eingebornen der Kolonien das Wachstum 
ber kolonialen Erwerbungen. Dies alles zufammen: Forichunggeifer, Erleichterung und 
Erweiterung des Weltverkehrs durch die modernen Kommunilationsmittel, immer aus: 
gedehntere foloniale Befitergreifung und der die allgemeinen Menschenrechte proflamierende 
Humanitätsgebante war mie ein Glodengeläute in die evangelifche Chriftenheit hinein: 15 
gebet bin, die Wege find gebahnt und die Thore der Welt weit aufgethan; nun prediget 
das Evangelium aller Kreatur. 

Wie ſehr die Coofichen Entdedungen auch die Kreife der gläubigen Chriften namentlich 
in England enthufiasmierten, das erhellt aus einer Reihe von Flugichriften, durch welche 
in den lebten Jahrzehnten des 18. Jahrh. unter Hintveis auf fie Stimmung für die Miffion 20 

emacht wurde; aus dem großen Einfluß, den jte auf Milliam Carey, den Hauptpionier der 

iſſionsbewegung und Gründer der eriten modernen Miffionsgejellichaft, der baptiftischen, 
ausübten; und aus der Wahl einer Südfeegruppe (Tahiti) zum erſten Arbeitsfeld der 
zweiten modernen M. G., der Londoner. Den Cookſchen Entdedungen folgten andere, die 
namentlih in Afrika immer größere Dimenfionen annahmen, und immer tmiederholte jich 35 
die Thatfache, dag nach Livingſtones Parole „dag Ende der geographifchen That der An- 
fang des Mifftionsunternehmeng” wurde. Geographie und Miffion ftehen bis auf diefen 
Tag in engiter Verbindung miteinander: eine bahnt immer der anderen den Weg. Dazu 
fam, daß die alten Verfehrömittel immer mehr durch neue erfeßt wurden, welche die Ent- 
fernungen abkürzten, die Neifegefahren verminderten und (aud infolge der gefteigerten 30 
Produktion) den überſeeiſchen Verkehr zu einem wirklichen Weltverkehr machten — lauter 
Weltöffnung für die Miſſion. 

Zum zweiten war es die im Zufammenhange mit den damaligen politifch-freiheit- 
lihen und den philanthropiichen Page betriebene Agitation zur Abſchaffung des Sklaven: 
handels und der Eflaverei, welche die Aufmerkſamkeit der Chriften auf die Heidenmelt 85 
richtete. Der Führer in diefer Agitation war der ebenjo beredte Parlamentarier wie im 
lebendigen Glauben gegründete Chrift William Wilberforce, der auch im Kampfe gegen die 
böfe Wirtſchaft der oftindischen Kompagnie der Bannerträger war. „Sch kann nicht 
ichlafen, jchrieb er, die armen Schwarzen mit ihrem Elend ftehen mir immer vor der 
Seele und die Schuld meines gottlofen Vaterlandes“. Nach einem 19 jährigem Kampfe 40 
wurde endlich 1807 der Sklavenhandel für ungefeßlih und der Seeräuberei gleih und 
1834 die Sklaverei jelbft in den engliſchen Kolonien für abgeichafft erflärt. Schon 1791 
batte fich eine rein philanthropiiche Geſellſchaft gebildet, welche auf der Weſtküſte Afrikas, 
in Sierra Leone, freigeivordene englifche und amerikanische Sklaven anfiedelte und lediglich 
ibre Givilifierung fi zur Aufgabe ftelltee Der Verfuch mißlang, aber er half mit zur 46 
Gründung der engliichen Kirchen-M. G. (1799), an der Wilberforce thätigen Anteil hatte. 

Wie ſchon bemerkt, war England mittlerweile zu einer großen Kolonialmadt ge 
worden; aber wie überhaupt die ganze Kolonialgejchichte eines der dunkelſten Blätter im 
Buche der Weltgefchichte ift, ſo war auch die alte Kolonialgefchichte Englands voll von 
Blutvergießen, von Treulofigfeit, Ungerechtigkeit und Härte gegen die Eingebornen, ſpeziell zo 
die indilche. Seit 1600 bejaß eine nach und nach zur erobernden Macht werdende Kompagnie 
fürftlicber Kaufleute das Handelsmonopol in Indien, die nur das eine Ziel verfolgte: 
ſich zu bereichern. Dazu führten ihre Beamten, von denen man jagte, daß fie ihre Reli— 
gion am Kap zurüdließen, das gottlofeite Yeben, hielten fih große Harems und betrad)- 
teten es als ein ergögliches Schaujpiel, wenn ihre Konkubinen in den Senanas ihren 56 
Gögendienft verrichteten; ja der erfte Gouverneur von Bengalen, Charnod, brachte auf 
dem Grabe einer feiner Konkubinen ſelbſt Götzenopfer dar. Über 80 Jahre lang berrichte 
diefe Kompagnie in Indien, ohne daß für ihre zahlreichen Beamten auch nur eine Kirche 
errichtet tuorden wäre und den wenigen Naplänen, die ſeit 1698 infolge des ermeuerten 
Freibriefs hinausgefandt werden mußten, gab cin General-Gouverneur das Zeugnis, daß su 


138 TEL 


„Abe jd es Aleid ihnen feinen 
. Bon irgenb welcher ; 











Handlungen des ebenſo 
; (1772—1785) daheim befannt dad 
er f er 





und 9. Is Dee | einem fleinen reife” ertveehter Ghriften, unter des energie 
[den als Methodiſt verjpotteten en Simeon in —— in den i en —— 
ienft, bringen ai Unter — die der 


ie — ‚mise On —— 
| wurde 


Ite, «AM (weite Gent des — t unter‘ en. Diffenters; onbern 
Staatstirche — — Sa E als eine —— des 
en F cht wurde aber der ee Bil One 
und fpäteren * ger am 
onder® von eminenter begabung (geb. 1761 1834), 
—E die Coolſchen —— mit le ge 
— 


her into the obligations of Chrirkans to use means for 
the See of the heathen, in which the religious state of the different 
ss nations of the world, the success of former undertakings and the practieabi- 
lity of further undertakings are considered; ?. eine gewaltige Predigt über ef 
54, 2 und 3: Erwarte Großes von Sott und umternimm Großes für Ö Gott, und 3. bie 
Gründung der baptiftifchen Miffions-Gefellihaft, als deren erſter Sendbote er .. nach 
Indien ging, wo er eine großartige, namentlich litterarifche, der modernen Miffion babn- 
40 brechende Thätigkeit entfaltete. 
Jetzt war eine That gejcheben, die weit über die baptiftijche —— * 
id wirkte. Schon 1794 erſchien ein „Miſſionsaufruf an alle evan 
Die inbertaufe praktizieren”, der vielen Beifall fand, felbjt bei Bitönliche une unter —— 
Dr. Haweis die führende Rolle ſpielte. Infolge dieſes Aufrufs kam 1795 unter zabl: 
45 reicher Beteiligung Die zweite moderne SR ionsnefelehaf * ſtande, die, weil Vertreter 
aller Kirchenabteilungen an ihr * — ra „Die Miffions-Societät“ be— 
zeichnet twurde, fpäter aber die Yondoner „Die kleinlichen Unterjcheidungen 
unter und don Namen und Normen, und hie Werfeiebenbeiten der Kirchenverfaſſung 
I beute von dem größeren, ebleren und bedeutungsvolleren Chriſtennamen ver 
0 jchlungen werden” hieß es am Tage ihrer Stiftung. „Es it nicht unſere Abficht, Pres- 
byterianismus, Independentismus, Episfopalismus oder irgend eine andere Kirchenform, 
jondern einzig und allein das herrliche Evangelium unferes gepriejenen Gottes zu den 
Heiden zu jenden“ — ein \interfonfe] ie der fich freilich auf die Dauer nicht 
hielt; mit der Zeit iſt die Londoner 5 weientlich eine independentiſche geworden 
65 — Mt die erite Ausfendung von * a onen auf einem eignen Schiffe nach 
ahiti ſtatt. 

Teils beſchämt durch dieſe Unternehmungen ber Diſſenters, teils durch i per 
fanischen Anſchauungen verhindert ihnen beizutreten, thaten ſich auch bie Kreiſe 
der Staatskirche unter Führung von John Senn, J Morton, Ch. Simeon, W. Wilber- 

60 force u,a. zur Gründung einer firdlihen M.G., der Church Miss. Society for Africa 


Miſſion unter den Heiden, proteſtautiſche 139 


and the East (C.M.S.), zufammen und festen fie fchon 1799 ins Werl. Im Anfang 
war ihr Weg fehr dornenvoll: die Bifchöfe hielten fi) zurüd und die erften Miffionare 
mußte man aus Deutichland beziehen; aber nachdem es 1841 ihrem großen Direktor, 
H Venn, gelungen war, einen modus vivendi mit dem Epiſkopat herbeizuführen 
und fe im Kampfe wider ben Ritualismus für die evangelische Richtung innerbalb ber eng: 6 
liſchen Staatskirche immer mehr das kräftige Nüdgrat bildete, entwickelte fie fich nach und 
nach zur größten unter allen evang. Miffionsgefellfchaften. 

So waren im Laufe von faum 7 Jahren drei epochemachende Miffiondorgane ing 
Leben gerufen worden, mit welchen die Miffionsthätigkeit des Proteftantismus nicht nur 
in ein ganz neue® Stadium getreten war, jondern aud eine feſte Yundamentierung er: 10 
halten han die eine Garantie für den weiteren geſunden Itſchrin gewährte. Das 
wurde zunächſt darin erſichtlich, daß ſich die junge Miſſionsbewegung ſowohl auf den 
*2* Kontinent wie nach Nordamerika fortpflanzte. Schon mit der engliſchen 
Revivalbewegung war das geſchehen, die geiſtlich belebend, wenn zunächſt auch nur auf 
kleine Kreiſe beſchränkt, nach Deutſchland, Holland, Frankreich und die Vereinigten Staaten 16 
hinübergewirkt hatte, in Deutſchland den älteren Pietismus verjüngend, der namentlich 
im Süden und im Weſten ſich erhalten und in der durch den Augsburger Senior 
Urlsperger (1780) zu ſtande gebrachten und in Baſel domizilierten deutſchen Chriſtentums⸗ 
Geſellſchaft eine neue Pflegerin gefunden hatte. Zwiſchen dieſen Kreiſen und den eng— 
liſchen Miſſionsorganen, namentlich mit der Londoner M.G., kam es nun zu einer leb⸗ 20 
haften Verbindung, deren Ergebnis nicht bloß die Erweckung eines regen Miſſionsintereſſes, 
ſondern auch die Begründung ſelbſtſtändiger Miſſionsorgane war. Zuerſt in Holland, 
unter Vermittelung des Dr. van der Kemp, der im Alter von 50 Jahren als Pionier 
der Londoner M.G. nad Südafrika ging (geb. 1747, geſt. 1811), die Stiftung der Ne- 
derlandsche Zendelinggenootschap (1897), dann in Deutjchland, unter Bermittelung 25 
des Oberforſtmeiſter von Schirnding, die Begründung der erften Mifftonsfchule durch den 
Berliner Paſtor Jänicke (1800), die fich aber damit begnügte, den damals beitehenden 
Sendungsorganen ausgebildete Mifjionare zur Verfügung zu ftellen (in Summa 80, unter 
ihnen hervorragende Männer wie Rhenius, Riedel, Güßlaff). 1815 kam es dann in 
Baſel zur Gründung erit auch einer bloßen Miffionsfchule, die 88 ihrer Zöglinge (unter 30 
ihnen Kölle, Schön, Krapf, Gobat, Pfander, Hörnle, Leupolt, Weitbrecht) allein an die 
englifche Kirchen-M. G. abgetreten bat, die fih dann 1822 zu einer felbftitändigen Sen- 
dungsanjtalt erweiterte. Frankreich trat erſt 1824, Nordamerifa aber ſchon 1810 durch 
die Gründung eigner Miffionsorgane in die moderne Miſſionsbewegung ein. 

2. Die Miffionsorgane. | 85 

Barned, Ev. Miffionslehre?, 2. Abteilung, Die Organe der Sendung und Abrik, Ab- 
fhnitt 5; Dennid, Centennial survey of foreign missions, being a conspectus of the 
sachievments and results of evang. missions in all lands at the close of the nineteenth 
century, New-York 1902. Vgl. U. M.Z. 1902, 327; Wiggers, Geſchichte der evongekiichen 
Miſſion. I. Geſchichte der Miffionsanftalten, Hamburg u. Botba, 1845; Brauer, Das Miſ-⸗ 40 
fionsweſen der evang. Kirche in feinem Beſtande, nur erſchienen I und II: Die Miffions- 
anftalten und Geſellſchaften der evang. Kirche des europ. Feſtlandes, Hamburg 1847 u. 1851; 
Gundert, Die evang. Miffion, ihre Länder, Völker und Arbeiten?, 1. Teil: Die Miffiond: 
gefelichaften, Calw 1894; A Handbook of foreign missions, containing an account of the 

incipal Prot. miss. societies in Great Britain with notices of those of the Continent and 45 
ın America, London 1888; Grundemann, Die Entwidelung ber evang. Miffion in legten 

hrzehnt (1878— 1888), Bielefeld 1890. I. Das Ditfionsweien in ben beimatlihen Kirchen ; 

irbt, Der deutſche Proteitantismus und die Heidenmiffion im 19. Jahrh., Gießen 1896. 

Aus der zahlreihen Litteratur über die einzelnen Miffionsgeiellfhaften gebe ih, nad) 
Ländern geordnet, nur die wichtigften Monographien: Myers, Centenary of the t. M. Soc., 50 
London 1892; Lovett, The history of the London M.S., 2 vol., Zond. 1899; Stock, The 
history of the Church M.S., 3 vol., Zond. 1899; Parcoe, Two hundred years of the Soc. 
for the prop. of the gospel, Lond. 1902; Anderson-Morshead, The hist. of the Univers. 
M. to Central-Africa, Zond. 1897; Armstrong, The hist. of the Melanesian Miss., Lond. 
1900; Moister, A hist. of the Wesleyan Missions, Zond. 1871; Weir, For. Missions of the 55 
Church of Scotland, Edinb. 1900; G. Guinness, The story of the China Inland-Miss , 
£ond. 1893; Tracy, History of the American Board, New-York 1842 u. Memorial volume 
of the first 50 years of the Am. Board, Bojton 1863; Reid, Missions and Miss. Soc. of 
the Meth. Ep. Church. Revised and extensed by Gracy, 3 vol., New-York 1896; Schulze, 
Abriß einer Geſch. der Brüdermiffion, Herrnhut 1901; Eppler, Geſchichte der Basler Miffion; so 
1815—1899, Bafel 1900; v. Rhoden, Seid. der Rhein. M. G. Barmen 1888; Wangemann, 
Geſch. der Berliner M.G. und ihrer Arbeiter, 4 Bde, Berlin 1872ff.; Kratzenſtein, Kurze 
Geſch. der Berliner Mifjion*, Berlin 1893; Genſichen, Yortfegung derjelben für die Jahre 


140 Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche 


1893—1901, Berlin 1902; Karften, Geſchichte der evangeliſch-lutheriſchen Miſſion in Leipzig, 
2 Bde, Güſtrow 1897; Kruijf, Geschiedenis van het nederlandsch Zend. Gen. en zeijne 
zendingsposten. Groningen 1894; Lögstrup, Det Danske Missionsselbskabs historie i 80 aar, 
Kopenhagen 1907; Dahle, Oversigt over det Norske Miss. S.s historie hiemme og ude?, 

5 Stavanger 1897; Knight, The Miss. Secretariat of Henry Venn, London 1880; Sturäberg, 
&. Taylor und die China-Anland:M., Neukirchen 1897; Hermann, Dr. 8. Graul, und feine 
Bedeutung für die luth. Miſſion, Halle, 1867 ; Kober, Chr. Fr. Spittlerg Leben, Bafel 1887; 
Hoffmann, Elf Jahre in der Mifjion, Stuttgart 1853; Heile, Joſeph Joſenhans, ein Lebens⸗ 
bild, Galm 1895; Wangemann, Ein Lebensbild von feinem älteiten Sohne, Berlin 1899; 

10 Dalton, Joh. Goßner, Berlin 1898; LebenSbefchreibung des Baftor 2. Harms von feinem 
Bruder, Hermannsburg 1868. 

Nicht bloß in England, auch auf dem Kontinent traten die amtlichen Kirchen nicht 
nur nicht in die Miffionsbervegung mit ein, jondern fie ftellten fich ihr faſt ohne Auf 
nahme gegnerisch gegenüber. Dieſe Notlage brachte die Mifltionsfreunde vor Die Alter: 

15 native : entiveder von jeder Miffionsunternehmung abaujtehen oder von dem amtlichen 
Kirchenorganen unabhängige Sendungsorgane ins Leben zu rufen. Da ihnen der Sen: 
dungstoille Gottes höher ſtand als die firchenoffizielle Autorität, jo wählten fie natürlich 
das letztere. Und da auch bei den Kolonialregierungen die junge le nicht nur feine 
Unterftügung, fondern heftige Gegnerſchaft fand, jo blieb fie ganz auf die chriftliche Frei- 

20 willigfeit angewiefen. Auf der einen Seite war das ihre Stärle, auf der anderen be 

ünftigte es aber das Norurteil, als fer die Miſſion nur die Privatliebhaberei der Heinen 
Kommen Kreife. Allerdings bat fih im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Etellung 
der amtlihen Kirchen zur Miſſion ein großer Wandel vollzogen: in dem Maße als fie 
ſelbſt geiftlich belebt wurden, find ihre Organe, namentlich die Paftoren, die Hauptpfleger 

25 des heimatlihen Miſſionslebens geworden und hat man in den freien Gefellichaften tor: 
porative Neugeltaltungen erkannt, die durch die Mobilmahung der chriftlichen Freiwilligkeit 
eine Steigerung der firchlichen Aktivität herbeigeführt, zu der es ohne fie nicht gekommen 
fein würde, jo daß jegt zwiſchen den amtlichen Kirchen: und den freien Miffionsorganen 
das freundlichite Verhältnis gegenfeitiger Dienftleiftung beſteht; doch tft trotzdem jenes 

30 Vorurteil bis heute nicht völlig überwunden. Ber der veränderten Stellung der offiziellen 
Kirchen zur Miffion ift nun wohl miederbolt der Gedanke aufgetaudt, die Sendung 
veranstaltung in die Hände von amtefirhlicen Organen zu legen, aber zur Ausführu 
ift er nur ganz vereinzelt, 3. B. in Schweden gefommen. Je länger je mehr bat fü 
die Überzeugung durchgefegt, daß die urfprünglich aus der Not geborene Inftitution ber 

55 freien Miffionsgefellichaften eine providentielle fei, weil fie nicht bloß belebender auf das 
beimatliche Miſſionsleben eingewirkt, fondern auch praftiicher für den Miffionsbetrieb felbft 
ih ertwiefen bat als ein etwaiger firchenoffizieller Apparat. Co ift in den großen 
Kirchengemeinfchaften, namentlih in den Staatskirchen, der freigefellfchaftlihe Miſſions⸗ 
betrieb die Regel geblieben. Neben der Kleinen Brüdergemeine iſt nur in den fchottifchen 

#0 Kirchen und in einer Anzahl amerikaniſcher TDenominationen die Miſſion von Anfang an 

Sache der Kirche als folder geweſen. Hier iſt eine befondere Miffionsbebörde bettellt, 

welche im Nuftrage der Synoden die Miffionsangelegenbeiten vertvaltet. Aber auch mo 
die Miſſionen Firchliche Betriebe find, werden die Unterbaltungstoften dur freiwillige 

Beiträge aufgebract. Diefe Beiträge find von febr kleinen Summen allmäbli zu be 

deutenden Yeiltungen angewachſen und belaufen fih in der gejamten evangelifchen Ehrijten- 
beit jegt jährlih auf rund 65 Millionen ME. 

Als die amtliche Kirche den Dienſt verfagte, ftellte ſich noch ein zweiter Notftand 
ein: es fanden fich feine Theologen als Mifftonare. Die alte bolländifche und die däniſch⸗ 
balleiche Miſſion hatten nur Theologen in den Mifltonsdienft geſtellt; jebt wo fie fehlten, 
svmupte man dem Vorgange der Brüdergemeine folgen und Yaienmifjionare ausfenden. 

Anfänglich wurde auf cine Ausbildung derfelben werig Gewicht gelegt, bald aber grün- 
dete man Miſſionsſchulen, Deren auf einen Murfus von 4—6 Jahren berechneter Lehrplan 
je länger je mehr einen wiſſenſchaftlichen Zuschnitt erhielt. Mit Ausnahme von Amerifa 
und Zcottland, vo es von Anfang an die Regel war, die Miffionare von den tbeologi- 

d jchen Seminaren bzw. den Unmerfitäten zu beziehen, baben in den übrigen proteft. Län⸗ 
dern die meisten M. -Sefellichaften eigene Unterrichtsanftalten für ihre Sendlinge errichtet. 
Erſt vom legten Trittel des 19. Jabrhunderts an iſt namentlih in England der Pro- 
zentjag von Theologen, die in den Miſſionsdienſt autreten find, ein großer geworden; 
auf Dem europäiſchen Nontinent tft er noch immer ein geringer, wenn auch ein wachſender. 

u) Etwa ſeit der Mitte und im jteigenden Maße jet dem legten Viertel des vorigen Sabre 
bunderto find auch approbierte Arzte und unverbeiratete rauen ausgefendet worden, die 


4 


[| 


2’ 


Miffion unter deu. Heiden, proteftautifche 141 


Ießteren, um vornehmlich in der beibnifchen und beidenchriftlichen Frauenwelt als Xehre- 
rinnen, Arztinnen und Diakoniſſen allerlei Art thätig zu fein. 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts haben fih mit dem wachſenden Verſtändnis der 
Biliht zur Ausbreitung des Chriftentums die Miffionsorgane jo bedeutend vermehrt, daß 
& heute kaum möglich iſt, eine lüdenlofe Lifte derjelben zu geben. Die Vermehrung 
hat ihren Grund zunächſt in der PVielgeitaltigfeit der proteft. Kirchenform. Je länger je 
mebr trat faft jede Kirchenabteilung jelbitftändig in die Miflionsarbeit ein und fo ent- 
ſtanden bei der Menge ihrer Denominationen nanıentlih in England und Nordamerika 
zahlreiche Sendungsorgane. Da fich die immer weiter um fich greifende FR 
von der gefamten firchlichen Bewegung nicht ifolieren ließ, fo führten aud die konfeſſio— 
nellen und fonftigen theologifchen Strömungen namentlich in den großen Kirchenfürpern 
zu bejonderen Miffionsgründungen. ‘Ferner haben mifftonstheoretifche Differenzen und 
meift in Verbindung mit ihnen individuelle Eigenarten Traftvoller Perfönlichkeiten, wie 
+ DB. Goßners, 2. Harms’, H. Taylors, und endlich heimatlich-territoriale und Tolonial- 
politifche Motive neue Miffionsgefellichaften ins Leben gerufen. Auf der einen Seite hat 16 
die jo entitandene Fülle von Sendungsorganen unzweifelhaft den Miſſionseifer multipli- 
ziert, auf der anderen aber auch die Miſſionskräfte zerfplittert, viel Reibungen verurjacht 
und den Miffionsbetrieb verteuert, jo daß jebt Statt Neugründung weiterer Gefellfchaften 
Konzentration der beitehenden Milfionsorgane münjchenswert ift, ein Defiderium, das 
erfreulichertveife wenigſtens innerhalb einiger größerer Kirchengruppen, namentlich der preö- 20 
byterianifchen, eine Erfüllung zu finden beginnt. Leider gebt aber neben den auf Zu: 
ſammenſchluß der Miffionsorgane gerichteten Beitrebungen auch eine ungejunde individug⸗ 
Iiftifche Richtung her, die mit der Abneigung gegen Organiſation phantaftifche Weltevan- 
gelifierungs- Pläne verbindet. Won England her it diefe Richtung namentlich durch die 
China-Inland-Miffion und durh Gr. Guinneß, von Amerika her durch den rhetorijchen 25 
Dr. Pierſon, der die Parole: diffusion not concentration ausgegeben bat, und die 
jog. Alltanzmiffionen begünftigt und in Eleine freifirchlich gerichtete Kreife auch auf den 
Kontinent verpflanzt worden. Ihr äußerftes Extrem ift eine Art Franktireurtum, das aus 
jog. Freimiffionaren bejteht, die ohne Anſchluß an eine Gefellichaft auf eigne Hand „evan⸗ 
gelifieren”. Ihre Zahl mie ihr fehr aieifelhafter Erfolg iſt unfontrollierbar. Bei der 80 
Charakterifierung der Miffionsmethode fommen wir auf diefe ganze Richtung zurüd. 

Jedenfalls iſt es ein großer Apparat, mit dem der Proteftantismus aller Kirchen: 
abteilungen heute in ber Miftionsarbeit ſteht. Nun ift e8 in einem Encyklopädie-Artifel 
unmöglich, die Gejchichte der Gründung und Entividelung der diefen Apparat bildenden 
ca. 160 jelbitjtändigen Sendungsorgane auch nur zu ffizzieren; wir müfjen uns baher 35 
darauf beichränten, eine ftatiftiiche Überficht über die hervorragenditen zu geben und zivar 

2ä und in denen englifcher Zunge zugleih nad Denominationen geordnet, 
mit Angabe des Gründungsjahrs, der (unter Nichtchrilten thätigen) ordinierten Mifftonare, 
der Jabreseinnahme (mit Ausschluß der auf Bropagandazmwede innerhalb chriftlicher Kirchen 
und auf die Tirchlihe Pflege der weißen Kolonialbevölterung verwendeten Mittel) und 40 
der Arbeitsgebiete. 


a 


N 
=) 


Großbritannien. 









Einnahmen 
in Mt. 





Miffiondorgane Mifjionsgebiete 





1. &. zur Ausbreitung des 
Ev. HodlirdiH . . . 





1701 ca. 300 ca. 1750 000 | Kanada, Wejtindien, Brit: 
Guayana, Sid: u. Weit: 
afrita, Madagastar, Ozea: 
nien, Borneo, Indien, 60 


China, Zapan. 


1799 412 7 000 000 | Kanada, Welt: u. Oſtafrika, 
Mauritius, Aegypten, Pa: 
läjtina, PBerjien, Indien, 55 
China, Japan, Neujeeland. 


1844 16 | 340 000 | Feuerland u. Südamerita. 





2. Engliſche Kirchen: M. ©. 
Anglil.:evang. 0... 


3. Sübamerilanifhe M. G. 
Schtirdli . . . . 


45 17. Die Mifj.-Vereinigung 


142 Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche 





Sahr — 
Miſſionsorgane der  |Miliio- 


Gründung 


ne i , 
nare Miffiondgebiete 














4. Univerfitäten : Miffion 
Hochkirchlich . 1858 

5. Die Baptiftifche M. G. 1792 

6. Die Londoner®.G. In- 
dependentifch 


u 
u 
38 740 000 | frita. 
141 1 555 000 Weitindien, Dftindien, Kongo, 


166 2450 000 | Süb: und Dftafrita, Mada⸗ 
— Südſee. Indien, 


Oſta 


fand 
-]I 
Ne} 
or 


ine. 








7. Die Miſſions-Vereini— 
gung derFreunde(Quäker) | 1866 


| 
— 412 000 | Madagaskar, Indien, China, 
Syrien. 27 nidtord. Mif: 
fionare. 
8. Die Resleyanifche — 
hod. M.G. 1813 | 198 |ca.2090000 Süd- und Weſtafrika, Weft: 
| 





indien, Oftindien, China. 
9. Die Miff. der vereinigten 


Schottland (Presb.) bzw. 1900 | 110 2 510000 | Brit. Eentral«, Weſt⸗ u. Süb: 
afrika, Indien, China, 
Neuhebriden, Samaila, 


| 
| Sübdarabien. 
| 


methobdift. Freikirchen 1857 32 320 000 | Dit: und Weitafrifa, China, 
Samaila. 
10. Die M.G. der Pres— 
byter. Kirche v. England | 1847 19 480 000 | Indien, China, Formoſa, 
Singapur. 
11. Die Miffion der Pres- 
byt. Kirche von Irland 1840 25 216 600 | Indien, China Eyrien. 
12. Die Miſſion der calvi- 
nift. Kirde von Wales 
(Presbyt.) 1840 18 150 000 | Alam. 
13. Tie Riſſion der ſchotti⸗ 
ſchen Staatskirche — | 
byt.) . g 1829 . 26 965 000 Pu Central⸗Afrika. Indien, 
ina. 
14. Die Miſſion der verei: f i 
nigten freien Kirche von ; 1843 
15. Die China-Inland. Miſſ. 
(nterdenominational) | 1865 30 ca. 1 000 000 in 283 nidhtord. Miſ⸗ 
ionare. 
16. Norbafrita:Miffion (In: | 
terdenontinational . . 1881 — 180 000 | Norbafrita.. 28 nichtorb. 
Miffionare. 


der jenfeitigen Gegenden. 
Regions — missio- 1889 
nary union . 2 bzw. 1899 5? 


50 18. Die Miſſ. der Chriſten — 
oder (Plymouth-Brüder 1827 





470000 | Kongo, Indien, Südamerika. 
J 29 nichtord. Miſſionare. 


385 000Weſt- u. Oſtindien, China, 
Mal. Archipel, Gentrals 
afrifa. 119 nichtord. Mif: 

| fionare. 

65 19. Die Heildarmee . . i 1865 470000 | Indien, China, Zapan, Süb- 

afrifa, Südamerila, Weit: 
indien. ca. 220 nidhtord. 


| u Miffionare. 


Zu dieſen britischen Hauptmiſſions— Geſellſchaften kommen nun noch 21 kleinere felb 
60 jtändige Miffionsbetriebe, die teils der anglifaniichen Kirche (5), teil den Baptiften (1), 
teils den Metbodijten (4), teils den Bresbpterianern (3), teile den Unitariern (2) ange 
hören, teils interdenominattonal find, und eine Menge (namentlich F Frauen⸗) Hilfs⸗Mi In 
Gefellichaften, welche zum Teil bedeutende Beiträge oft für befondere Zwecke 


Milfien unter den Heiden, proteftantifche 143 


auch Mifftonare und beſonders Miffionarinnen ftellen. Nimmt man fie_alle zufammen 
und rechnet die jeblreicen Laienmiſſionare ein, welche faft alle britifchen Sendungsorgane, 
einige ausschließlich, andere vorwiegend, in ihrem Dienite baben, fo ſtellt ſich die Geſamt— 
leitung Großbritanniens für die Heidenmiffion auf 2700 männliche iſſionare und 
ca. 29 Millionen Mark. 


Bereinigte Staaten. 
Anm. Da fast alle dieſe Gejellfhaften auch Evangelijationsarbeit innerhalb der römifchen 
Ehriftenheit treiben und in ihren Berid)ten diefelbe von der Heidenmiſſion nicht 
reinlich jcheiden, fo können nur annähernd zuverläffige Angaben gegeben werben. 








Einnahmen 


Miſſionsorgane Arbeitsgebiete 





1. Der amerik. Board der 
Bevollmächtigten für die 
ausw. Miſſionen. Inde⸗ 
pendentiſch (Am. B.). 1810 160 2570000 
Idiep China, Japan, 
ürkei. 
2. Die amerik. bapt. mil 
Union . . 1814 150 2 300 000 


3. Der Miſſionsboard der 

füdlihen baptift. Kon: 
vention . . 1845 35 480 000 

4. Die M. ©. der proieſt. 

biſchöflichen Kirche der 
V. St. von Amerila . 1835 37 910.000 

5. Die M.G. der metho- 

Ken biſchöfl. Kirche 
Nordens. 1819 2210 1850 000 


6. Der Mifftonsboardb der 
methodift. biſchöfl. Firde 
des Süden? . . 1846 45 800 000 


7. Der Milfiondboard der 
presbyt. Kirche in den 
V. St. von Amerita . 1837 228 3 000000 


Kongo. 
China, Japan, Weſtafrika. 


China, Japan, Nordamerika. 


Japan, Korea. 


China, Japan, Korea, Nord— 
amerika. 


Waſtatrita Indien, Siam, 
China, Japan, Korea, Sy⸗ 


8. Der Miſſionsboard der 

vereinigten presbyteriſch. 

Kirche Nordb:Am3 . . 1859 38 556 000 
I. Miſſionskomitee der pres- 

byt. Kirche in den V. St. 

des Süden? . . 1861 46 530 000 
10. Miffionsboard der refor: 

mierten Kirche in Ame: 


Aegypten u. Nordindien. 


rita (Dutch) . . . . 1832 30 690000 | China, Indien, Sapan, 
Arabien. 
11. Miſſionsboard der luth. 
Beneralfynode . 1841 15 180000 Indien, Xiberia. 
12. Miſſion der vereinigten | 
Brüder in Chriftus . . 1853. 16 85000 | Zapan, China, Weſtafrika. 


13. Die chriſtl. M. &. der 
jünger (disciplee) . . 1875 38 400 000 


14. Miſſ.⸗G. der Freunde 
Duãter). | 1873 — 160 ooo 


kei, Weſtindien. 


China, Japan, Indien, 
Syrien, Jamaika. 14 nicht⸗ 
ord. Miſſionare. 


China, Japan, Indien, Tür- 66 


10 


15 
Oſt- u. Weitafrita, Südſee, 


Indien, Alam, China,Sapan, 20 


25 


Liberia, China, Indien, go 


85 


rien, Perſien, Nordamerifa. o 


China, Japan, Korea, Kongo. “ 


60 


60 


144 Miſſion unter deu Heiden, proteſtautiſche 





— — —— — G —— — —— ——— —— — — 


Jahr Miffio:| Einnahmen 
nare in ME. 







Mifjiondorgane Arbeitögebiete 





| 
15. u. 16. Die dhriftl. und | 
6 Miji.-Alliance, und Die | 
ſtandinaviſche Mifliong: 
Alliance in Nord:Am. 1897 62 | 500000 | Gentralafrila, Indien, China, 
Tibet, Japan, Syrien, 
Arabien, Weftindien. Die 
| Miffionare vermutlich nicht 
| ord. 


10 


Zu diefen größeren Miffionsorganen kommen noch kleinere, die fih auf folgende 
Denominationen verteilen: auf die Baptiften 3, die Metbodilten 5, die Presbyterianer 4, 
die Yutheraner 4, auf die deutiche evang. Synode, die deutichen Reformierten, die chriftl. 

15 Kirche, die chriftl. Konvention, die Kirche Gottes, die Adventiſten des 7. Tages, die Uni- 
tarier, die Univerfaliften je 1, die amerif. (fongregat.) Miſſ.Aſſociation, die weſentlich 
unter den Negern arbeitet, 2 Evang. Affociationen und 6 interdenominationale Gefell- 
haften. Alfo in Summa 49 felbititändige Miffionsorgane der V. St., die mit Hinzu: 
rechnung der Zaienmifjionare ca. 1700 männliche Eendboten in ihrem Dienite haben und 

20 mit Einrechbnung der bedeutenden Gaben zahlreicher Hilfs, namentlih Frauen-M. GG. 
für die Heidenmilfion etwa 19 Dill. ME. vereinnabmen. 

Von großer Bedeutung für das Miffionsleben in den ®. St. ift die feit 1886 in 
Gang gebrachte ſtudentiſche Miffionsbewegung geworden, die als ihr Loſungswort „pie 
Evangelifation der Welt in diefer Generation” angenommen, einen interdenominationalen 

25 Charakter trägt und zu einer internationalen Student volunteer missionary union 
fih erweitert hat, die namentlich in England einen großen, auf dem Kontinente bis jetzt 
aber nur einen geringen Anhang gefunden. Sie ift aber feine ausjendende M. G., ſon⸗ 
dern nur eine Werberin für den Miffionsdienit unter der ftudierenden männlichen und 
weiblichen Jugend, die den zahlreichen Getvorbenen — es follen ihrer bereit ca. 4000 

30 fein — die Wahl läßt, welcher Gefellichaft fie ihre Dienfte anbieten wollen. Auf ihre 
Grundfäge fommen wir fpäter zurüd. 


Britiſch-Nordamerika (Kanada). 


— r —— G — 





— — — —— —— G G — — — — —— —— — — — — — 









Einnahmen 


in af. Miſſionsgebiete 


Miſſion sorgane 
85 


1. Die M. G. der methodiit. | 
Kirhe von Kanada. .| 1824 : 45 650 000 Japan, Kanada. 

2. Tas Miffiondkomitee der : 
preöbyt. Kirche von Ka: | 

40 nda 2.2.22... r 184 38 590 000 China, Yormofa, Oſt⸗ und 
Weitindien, Neubebriden. 





Gründung 


Dazu kommen noch 2 kleinere baptijtifche, eine independentifche und eine anglikaniſche 
M.G., jo daß die Geſamtleiſtung Kanadas für die Heidenmiffton fih auf 95 Niffionare 
und 1450000 ME. ftellen. 

45 Der europäifche Kontinent 1. Holland. 

Die holländische Mifjionstbätigfeit bietet das Bild einer großen Zerfplitterung, deren 
Folge iſt, daß feine der Gefellfehaften 15 Miffionare in ihrem Dienite bat. Die ältefte 
und einſt bedeutende Niederländ. M. G. iſt ſehr zurüdgegangen, feitvem infolge ihrer theo⸗ 
logijchzliberalen Richtung die ftrenggläubigen Kreiſe fi von ihr trennten und fie t 

8 fruchtbarſtes Miffionsgebiet, die Ninabafja auf Celebes, aus Mangel an Mitteln an die 
niederl. Kolonialfirche abgetreten bat. Alle Gefellfchaften arbeiten ausfchließlich in nieder⸗ 
ländiſch-Indien. Es jind folgende: 


Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 145 


1. Die niederl. M.®. . . Gegr. 1797 12 Miſſ. 105000 Mt. 
2. Die mennonitijche (taufgefinnte) Bereinigung f. Viſſion „ 147 5 „ 61000 

3. Das Java⸗-Komitee „ 155 6 „ 45000 „ 

4. Die Bereinigung zur Ausbreitung des —2 in Megppten „ 185856 2 „ 11400 „ 

5. Der Niederl. 8 Verein . . „ 1856 10 „ 95000 „ 5 
6. Der Utredtihe M.: nein nn „ 1859 14 „ 131500 „ 

7. Die niederl. luth. M rn. „180 2 „ 11000 „ 

8. Die reform. Kirchen: Rn rn. „1892 5 „) 70000 „ 


Abgefehen von den Präbdilanten, d. h. den für die europ. Gemeinden angeftellten 
bolländ. Kolonialgeiftlihen (36) und den ſog. Hilfäpredigern (26), die unter der Super: 10 
intendenz jener ſtehend, bie eingeb., der nieberl. Kolonialkirche inforporierten gefeitigten 
Gemeinden verwalten, jtellt alfo jegt Holland 56 eigentlihe Miffionare und bringt mit 
gi inzurechnung ber 90000 Mt. Beiträge für die Brüdergemeine, die Rheinische und die 

ener Milfion ca. 600000 ME. auf. 





2. Deutſchland. 15 
Jahr . 
Mifjiondorgane der miflio- Einnahmen Arbeitögebiete 
Gründung | " 


1. Brüdergemeine . . . | 1732 203 1023 165* | Labrador, Alasla, Nord- u 
Mittelamerika, Weftindien, 20 
Suriname, Süb- u. Dft: 
afrika, Australien, Hima⸗ 
a 


laya. 
. Die Basler evang. M. > 1815 198 1300 893 | Wejtafrifa, China, Indien. 


2 
3. Die Berliner W.®. I 1824 104 62440 | Süd- und Dftafrita, China. 26 
4. Die Rheiniſche M. ©. 1828 104 866 667 | Süd: u. Südweſtafrika, Nie- 
derl. Indien, China, Neu: 
guinea. 
5. Die norddeutihe M.G. 1836 19 140 030 Weſtafrika. 
6. Die Goßnerſche M. G. 80 
Berlin II . 1836 45 225403 | Smdien. | 
7. Die ev. luth. Reipiger 
M. G. 1836 58 548 754 Si Deut u. Engliſch⸗ 
tafrı 
8. Die luth. Hermanns⸗ Hafrit 
burger M.®. 1849 62 392 258 Südafrika, Indien. 
9. Die utp, Schlesw. Holſt. 
M.G. 1877 13 160 613Indien. 
10. Die Reufirchener (inter- 
konf.) M.G 1881 18 70829 Java, Engliſch-Oſtafrika. 40 
11. Der allg. evang. -proteft. 
M.:Berein . 1884 8 81 380 | Japan und China. 
12. Evang. M.®. f. Deuiſch⸗ 
—8 Berlin III 1886 19 136 5360Deutſch-Oſtafrika. 
13. Die luth. Reuenbettelß: 
auer MG. . 1886 14 36 345 | Neuguinea, Auftralien. 


* Freiwillige Beiträge nur 652124 Mt. 


au fommen noch 12 Tleinere Mifftonen, von denen 2 im Anichluß an die China- 
= Piffion arbeiten; eine deutjche Alltanz- und eine felbititändige chineſiſche Perſonal⸗ 
iffion; eine ſog. Sudan-Pionier-M. ; 2 freikirchliche Miffionen; der Jeruſalem-Verein; 50 
ausfendende Yrauen-Vereine; und endlich Die deutſche Orientmiffton — fie alle ru 
kommen mit nur 50 männlichen Miffionaren und einer Einnahme von ca. 550 000 Mt 
b daß aljo die fämtlichen deutſchen Gefellihaften 915 Miſſionare ſtellen und fait 6 Mil. 
vereinnahmen, eine Summe, in melde allervings ſowohl die bedeutenden Gaben 
Br Dedung von Defizit wie die ginſen von Spezialfonds, und die aus nichtdeutſchen 65 
ieten eingegangenen Beiträge eingeichloffen find. 
NealsG@uchflopäbie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 10 


146 Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 
3. Ara iſche Miſſtons⸗Geſellſchaften 





giebt es 2, eine in Frankreich (Paris) und eine in der franzöſiſchen Shreh N 
— Jahr Mꝛiſſio⸗ | . 
a Miffiondorgane |  |cindung wi Einnahmen | Arbeitsgebiete | 





1. Die Parifer — G. 1825 56 680000 Senegambien, Bank 
| rifa, aba T, 
— — 


18 | 145000 Südafrika. 


4 


2. Die Miſſion der freien 
| der 
10 rg rom. a, — 





4. Die ſtandinaviſchen Miffionen. 
1. Die däniſche M.®. . „| 1821 16 190000 
Ole, 


2. Die norwegiihe M.G. 1842 | 42 | 600000 "Dadagastar, 
3. Die evang. (ſchwediſche) | 

DESMBSSSBRIHF UNE: „| 1861 27 330 000 Be, Indien. 

4. Die —— der ſchwe 

diſche 1874 15 121000 Indien, Südafrika. 
» 5. Der] ——— 
EN 1878 | 28 216000 Kongo, China, Kleinafien. 

6. Der Beiligungsbund in | 

Merite 1890 10 50000 China, Südafrika. 


7. Die "nnifce Mb... | 1859 9 | 120000 | Opambofand. 


3 Dazu giebt es in den 4 ſtandinaviſchen Ländern 6 Kleine freifiechlich gerichtete 
und 2 lutherifche Miffionen, und 3 die indiſche Santhal-Miffion ——— e PB ereine 
mit zufammen ca. 45 Ku Sri und 250000 ME. Einnahmen, jo daß auf Gejamt- 
—— Nee Mifj.-Gefellihaften mit 190 Miffionaren kommen und eine Einnahme 
bon 

30 Mit diejen europäifchen und amerifanifhen Miffionsorganifationen, it aber ber 
prot. Mifftonsapparat no feinestvegs erſchöpft; es find eine ganze Reihe folder ie 
nifationen auch in den überfeeifchen Kolonien teils unter den dortigen An —* — 
durch zu ſtande gefommen, daß große M. GG. ihre dortigen Betriebe von ihrer beima 
lichen Yeitung unabhängig gemacht und jelbjtftändig geitellt haben. Auch in den as 

3 chriſtlichen Kirchen haben ſich einige Miffionsvereine gebildet, Aus allerlei Gründen, die 
zu betailieren zu weit führen würde, hi es leider nicht möglich, über alle dieſe Organe 
genaue Angaben zu & machen; wir müflen uns daber mit ben twichtigften und auch bei 
diejen meiſt mit Schäungen begnügen. Einen großen Teil ibrer Betriebskoſten bejtreiten 
die folonialen M.Geſellſchaften teils aus den Beiträgen der heiden-chriſtlichen Kirchen, 

40 teil aus Mitteln der Kolonialregierungen bzw. Kolonialtirchen. 


Die Kolonien. 


1. Die Miffion der holländ. reform. Sirche von ESudeſ Gegr. 1857 un | 
aus 4 Synoden bejtchend . . I" bis ggg ; O7 Miſſ. 7250000 Me. 


2, Die Niafa-Miff ber Kapholländer HAIR 1886 6 SM „ 
4 3. Die a ine Union u. M.G. von Siidafr. — 17000 
4. Die ſübafr. M.®. der Wesl. method. Kirche... 1883 740 „ - 175000 „ 
5. Die auftraliihe Wesl. method. M.®. u 0 A855 0 
6. Die Mifl. der * t. Kirche von Biktoria - . „1859 1 „ 75000 „ 
* —— — „1849 12 „ 200000 
50 itche n Niederl. Sadien 0.0. — — 286 — 
— Sie Er ir: und Zolaut-Injel-Riffion „0m 185 8, — 
10. Die indifche a Ian 57 70000 „ 
11. Die Bethel Santhal j m ABD ‘2... 25000 
go Die Puna und —2 Dorfmiſſion ‚ 1893 — 200000 


bloß nicht:ord. Miffionare ” 














Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 147 


13. Die Jamaika baptift. Union -. - -» 2 >» 2... Begr. 1849 24 Milj. 180000 Mt. 
14. Die Jamaika bapt. M.G. . . . 2 2 2 20. „1856 6 „ 34000 „ 
15. Die fongregationalijt. Union von Jamaila . . . „1876 7 „ 36000 , 
16. Die Wesl. method. Kirchen: Mifjion des Oſtens . . „ 1884 42 „ 118000 „ 
17. Die Wesl. method. Kirhen:M. des Weiten? . . . „. 1884 16 „ 330000 „ 5 


Hierzu fommen vielleicht noch 6—8 Kleine felbititändige Miſſionen und eine Menge 
von M.:Hilfögefellichaften mit zuſammen einer Einnahme von etiva 2 Mill., jo daß mar 
auf die Kolonien und die Seibendiftiche Kirhen insgefamt 24 M.-Gefellichaften, 
370 Miſſionare und 4 Mill. ME. Miffionsbeiträge rechnen Tann. 

Eummieren wir nun die Gefamtleiftung des Proteſtantismus aller Nationen und 
Kirchen für die Heidenmiffion, jo ftellt fie fih auf rund 4700 ordinierte und über 2000 
Laien, alfo zufammen auf 6700 männliche Miffionare und auf einen jährlichen Aufwand 
von 65 Mill. Mark, wenn man die Aufwendungen einrechnet, welche die gleih zu er—⸗ 
wähnenden Hilfögefellfchaften für die Miffion machen. Bergrößert wird aber dieſes männ- 
lihe Miſſionsperſonal noch durch 3628 unverbeiratete Wiffionarinnen, von denen ca. 3300 ı6 
auf den engliſch redenden Teil der proteft. Welt entfallen, und durch 496 approbierte 
Arzte und 223 Arztinnen, von welchen beiden nur 34 auf die fontinentalen Miffionen 
fommen. In Summa alfo, mit Ausſchluß der 4350 Miffionarsfrauen, ein Mifftonsperfonal 
von fat 11000 Köpfen, ungerechnet die zahlreichen Mitarbeiter aus den Eingebornen, 
deren erit jpäter zu gedenken if. Won den 166 felbftftändig ausfendenden Mifj.-Gefell- 20 
Ichaften find es nur 60, welche mehr ald 15 Mifftonare in ihrem Dienjte haben. | 

Eine ſehr weſentliche Unterftügung erhalten die evang. Miffionen aller Kirchen: 
abteilungen durch eine Reihe von Bibel: und Traftatgefellichaften, welche auf ihre Kojten 
für den Drud und zum Teil auch für Verbreitung von miffionarifchen Bibelüberfegungen 
und fonjtigen Schriften Sorge tragen. Bon den eriteren find die herborragenditen: die a 
britifche und ausländifche (gegr. 1804), die nationale ſchottiſche (1809), die amerikanische 
(1816) und die niederländiiche B.G. (1814); von den legteren die Londoner (1799) und 
die amerif. Traftat-G. (1825) und die G. zur Verbreitung chrijtl. Kenntnis (1698), ferner 
unter den ca 30 auf den Miffionsgebieten: die chriftl. Litteratur-G. für Indien (1859) 
und die ©. zur Verbreitung riftl. und allgemeiner Kenntnis unter den Ghinefen (1887). so 

Das immer wachſende Bedürfnis nad gegenfeitiger Verftändigung bat ſchon feit 
Jahrzehnten zur Veranftaltung allgemeiner Miffionskonferenzen geführt, ſowohl folcher, 
welche die gejamten Miflionsorgane eines beſtimmten Gebiets (Indiens, Chinas, Japans, 
Züdafrilas), wie folcher, welche die Miffionsorgane des gefanıten Proteftantismus zu ge: 
meinfamen Beratungen verfammelten. Dieſe Konferenzen, unter denen die New-Yorker 3; 
im Jahre 1900 den Charakter einer ökumeniſchen trug, find jest eine ftehende Injtitution 
getvorden; fie wiederholen ſich alle 10 Jahre und bilden nicht bloß ein brüderliches 
Cinigungsband unter den oft recht differenten Mifftonsforporattonen, jondern in ihren. 
umfangreichen Protofollen bieten ſie auch ein höchſt wertvolles Quellenmaterial für die 
Miſſionstheorie. 40 

Aus der Menge der hervorragenden Perſönlichkeiten, denen das heimatliche Miſſions— 
leben wie die Urganilation des Mifjionsbetriebs bejondere Förderung verdankt, müſſen 
wir uns leider begnügen, nur einige Namen zu nennen; aus England: W. Carey, Ha- 
weis, Ch. Simeon, J. Pratt, Henry Venn, E. Biderfteth, H. Taylor, Erskine, Inglis, 
A. Duff; aus Nordamerika: Mills, Anderion, U. C. Thompfon, Simpſon, Mott; aus 4 
— Heldring, Neurdenburg, van Rhijn, Witteveen; aus Deutſchland: Spittler, 
W. Hoffmann, Joſenhans, Barth, Volkening, Ahlfeld, Wallmann, Wangemann, Knak, 
Graul, Goßner, L. Harms, Chriſtlieb; aus Skandinavien: Rönne, Kalkar, Vahl, Dahle, 
Waldenſtröm, Franſon. 

3. Die Miffionsgebiete. ur 

Warneck, Abrig, 2.Nbt., Die evang. Mifjionsgebiete, Gundert a. a. O., Die Mifjionsgebiete; 
BurkHardt:Grundemann, Kleine Mifjtonsbibliothek, 4 Bde, Bielefeld 1876 ff.; Grundemann, Die 
Entwidlung u. ſ. w., II. Das Wert auf den Miffionsfeldern; derjelbe, Kleine Miffionsgeographie 
und Statijtif zur Darftellung des Standes der ev. Miljion am Schluſſe des 19. Zahrh., Calw 
1901; Dderfelbe, Reuer Miſſionsatlas, Calw 1896; Zahn, Der Nder iſt die Welt, Gütersloh 55 
1888. Dazu die früher angeführten Verfe von Wiggers, Kalfar, Brown, Smith und Graham. 

Als die moderne Miſſion ihr Werk begann, machte man fih feinen Plan, wohin 
man geben follte.e Der Plan wurde im Himmel gemacht und die Wenjchen folgten ibm, 
faft obne daß jte es mußten. Neflerionen traten erit fpäter ein. Man ging dahin, wo 
en: Weg offen war und wo den Miflionaren der Zutritt gejtattet wurde. Teild waren 60 
es chriftlihe Kolonien, die man als Miffionsgebiete erwählte, teils geographifche Ent: . 

10* 


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148 Miſſion unter den Heiden, proteftautifdhe 


dedungen, denen man folgte, teils politische Aktionen und Verträge, die das Signal zum 
Beginn einer Miffion gaben. Der Kulturftand der Miffionsobjekte ift bei der ——* der 
Miſſionsgebiete kaum in Rechnung gezogen worden; aber unter dem Einfluß der gött⸗ 
lichen Wegleitung iſt es geſchehen, daß der auf die ſog. Naturvölker entfallende — 
6 der Miſſionsarbeiter ein größerer iſt als der auf die Kulturvölker entfallende, ein Verhältnis, 
das im 20. Jahrhundert vermutlich eine Änderung erfahren wird. Ähnlich ift es mit 
den Religionen: mit ihnen allen mißt ſich heute das Chriftentum; aber im größten Um- 
fange und mit dem meiſten Erfolge iſt der Kampf bisher mit den niederen Religionen, 
den animiftifchen und polytheiftifchen, mit den ohne heilige Litteraturen geführt morben. 
10 Mit den pantheiftifchen, atheiftifchen, moraliftifchen und monotheiftiichen Religionen ftehen 
wir weſentlich noch in der Periode der Vorpoftengefechte, mit ihnen werben die entfchei- 
denden Schlathten erft im 20. Jahrhundert geichlagen werden. Am verfchlofienften ift 
bi8 heute die mohammedanifche Welt der chriftlichen Miffton geblieben; unterdes wird 
wenigſtens vor den Thoren derfelben Durch eine ausgedehnte Evangelifationg- und Schul⸗ 
15 thätigleit innerhalb der alten orientalifchen Kirchen gearbeitet. 

Nur fehr allmählich, im fteigendften Maße erft feit dem lebten Drittel des 19. Jahr⸗ 
hunderts, hat die moderne Miffion einen meltweiten Umfang angenommen, jo daß man 
jagen Tann: foweit fie zugänglich ift, ift heute die Erde ihr Arbeitögebiet. Überbliden 
wir nun dieſes Gebiet in geographifcher Ordnung. 


20 A. Amerika. 

Haft in ihrer Gefamtheit ift die Bevölkerung Amerikas bereits eine chriftliche, 
die des Nordens, mit Ausnahme von Merilo, vorwiegend eine evangelifche, die Des 
Südens faſt auöfchlieglih eine römiſch-katholiſche. ir haben es aber nur mit 
dem nichtchriftlichen bzw. mit dem nichtchriſtlich geweſenen Teile dieſer Bevölkerung zu 

25 thun, der das Objekt der evang. Miſſion bildet bzw. das Ergebnis diefer Miffion a 
Er beitebt 1. aus den eigentlichen Ureinwohnern, 2. aus den ald Sklaven importierten 
Afrilanern und deren zablreiher Nachkommenſchaft und 3. aus den freiwillig einwan⸗ 
dernden Afiaten. Die Ureinwohner zerfallen in zwei Hauptgruppen: in die Eskimo im 
arktifchen Norden und in die Indianer, die fih in zahlreichen Stämmen von Alaska und 

3 Kanada an über den ganzen langgeftredten Erdteil verteilen. Die importierte Bevölkerung 
beiteht teild aus Negern, die melentlih in den V. St. und in Weftindien, aber auch in 
Sentralamerifa und in Guyana heimifch geivorden find, teild aus indischen und dhinefifchen 
Kulig, die nah Weſtindien und in die Kolonien des nördlichen Südamerika ald Arbeiter 
eingeführt werden. Die übrigen Aſiaten: Chinefen und Japaner finden ſich faft aus: 

85 fchließlich in den V. St. und im weſtlichen Kanada. 

1. Die arktiſchen Regionen. 

Han Egede, Ausführliche und wahrhafte Nahricht vom Anfang und Fortgang der grönländ. 
Million, Hamburg 1740; Cranz, Hiftorie von Grönland enth. insbeſondere die Bei, der dortigen 
Miſſion, Barby 1770; Die Miflton der Brüder-Unität. I. Labrador. Gnadau 1871. Schulze a. a. O. 

40 Die aus nur ca. 10500 Eskimo beſtehende Bevölkerung des eifigen Grönland iſt völli 
hriftianifiert und zwar ſowohl durch die von Egebe 1721 begonnene däniſche mie dur 
die 1733 von Matth. Stach eröffnete brüderfirchlihe Miffion. Da die fpezifiiche Miſſions⸗ 
arbeit hier ihre Aufgabe erfüllt hatte, bat die Brüdergemeine im Jahre 1900 ihre ſechs 
Stationen an die däniſche Kirche abgetreten und fih von diefem ihrem zmeitälteften 

46 Milftonsgebiete zurüdgezugen. 

In dem benachbarten, gleichfall® von einer nur fpärlichen Esfimobevölferung (ca 1500) 
bewohnten Labrador arbeitet ausjchlieglich Die Brüdergemeine fett 1771. Auf 6 Stationen 
bat fie unter unfäglicher Geduld 1266 Chriſten gefammelt. 

Die dritte, allerdings mit Andianern (ca.19 000) bereits Stark durchmiſchte, fompafte 

so Eskimobevölkerung (ca. 15000) finden wir in dem die nordieftliche Halbinsel des arktifchen 
Amerika bildenden, wegen feiner Goldfelder jest viel genannten Mlasfa. Die Million ift 
bier noch ziemlich jung, erit 1877 wurde fie von ber nördlichen Vresbyterianerfirche der 
V. St. durh Dr. Jackſon begonnen. est jind 7 amerikaniſche Mifftonen, denen wieder 
die Brüdergemeine als achte fich zugefellt hat, bier im Gange, die zufammen auf einigen 

65 30 Stationen 9—10000 teils Eskimo-, teils Indianerchriſten in ihrer Pflege haben. Die 
originellite ift die Des Freimiſſionars Duncan, der nad feiner Trennung von der eng- 
lichen Kirchenmijfion mit den in Metlafabtla (brit. Kolumbia) durch ihn chriſtianiſierten 
und civiliſierten Tſimſchier-Indianern nad der Annetteinſel überjiedelte, wo er in einem 
Neu-Metlafahtla ein chriftliches Gemeinweſen organifierte, das namentlich burch feine 

60 Kulturerfolge die allgemeine Bewundernng erregt. 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 149 


2. Britifh Nordamerifa. Dominion of Canada. 

Fritſchel, Geſch. der hriftl. Miffionen unter den Indianern Nordamerikas im 17.u.18. Jahrh., 
Nürnberg 1870; Batty, Forty two years amongst the Indians and Eskimo. Pictures from 
de life of John Horden, Zondon 1893; Young, Unter den Indianern Nordamerikas, 2 Bde, 
deutich, Gütersloh 1899. 5 

Dieſes riefige, etwa 15mal fo große Gebiet wie das deutiche Reich, das jet unter 
dem Namen Dominion of Canada eine ziemlich jelbftitändige Kolonie bildet, hat 
neben 5 Millionen Koloniften eine Eskimo- und Indianerbevölkerung von vielleicht 
120000 Seelen, von denen falt ein Drittel evang. Chriften und ein Zmölftel den foloe 
nialen Kirchen intorperiert iſt. Politiſch iſt es jetzt eingeteilt in die drei Hauptgebiete: 10 
Kanada, Hudſonia und brit. Kolumbia, von denen jedes wieder in mehrere Provinzen 

ält. Obgleich die Engländer durch die Hudſonsbai-Kompagnie fchon feit 1669 den 
Nordoſten des Landes beberrfchten und feit 1763 auch den Süden, dad damals franz. 
Kanada, eroberten, jo gelang es doc erſt 1820 dem frommen Kaplan der genannten 
Handelögefellichaft John Welt eine Miffton unter den Indianern in Gang zu bringen, ı5 
die, von der C.M.S. aufgenommen, unter Überwindung riefiger Schwierigkeiten im Laufe 
von 80 Sahren ſich von dem oberen See im Südoften bis zur Herichel-nfel an der 
Grenze von Alaska im Nordweſten ausgedehnt und durch heroiſche Männer (Codran, 
Comlay, Duncan, Horden, Macdonald, Bompas) unter Mithilfe tüchtiger Indianer (Budd, 
Settee) auf jetzt 63, über 11 bifchöfliche Didcejen verteilten Stationen über 15000 In⸗- zo 
dianer- und Eskimochriſten in zum Teil mohlgeorbnete und wirtjchaftlich blühende Ge- 
meintvefen gefammelt bat. 

Neben der C.M.S. ſtehen (von den Katholifen abgefehen) vornehmlih die S.P.G. 
und die kanadiſchen Methodiften und Presbyterianer auf vielleicht 40 Stationen bier in 
der Arbeit. In abfehbarer Zeit wird die Chrijtianifierung der heidnifchen Indianerreſte 25 
in der ganzen Dominion of Canada vollendet fein. Auch unter den eingewanderten 
Chinefen in Kolumbia wird nicht ohne Erfolg mifftoniert. 

3. Die Vereinigten Staaten. 

Yritihel a. a. DO. Bormbaum, Z.Eliot, Der Up. der Indianer, Düfjeldorf 1849; Römer, 
Die Indianer und ihr Freund Dav. Zeidberger, Gütersloh 1890; Bliß a. a. O. Der Artikel so 
Indians American; Noble, The redemption of Africa, New York 1899; Kap. 14: Africa 
in America. Missions to black Americans. 

Die farbige Bevölferung der B. St. zerfällt in 3 Gruppen: Indianer, Neger und Chinefen. 

Die jebt auf ca. 260000 zufammengeichmolzenen und über einen großen Teil der 
Union zerftreuten Refte der indianischen Urbevölferung find eine laute Anklage wider die ss 
chriftliche weiße Einwanderung, die durch ihr befanntes ſchandbares Verhalten gegen den 
roten Mann es ee erthulbet bat, daß die mit Eliot 1646 hoffnungsvoll begin- 
nende, von der Familie Mayhems in 5 Generationen, von dem Schotten Dav. Brainard 
(geit- 1747), dem Buritaner Wheelock (1754) und feinen Indianerpredigern Occum und 

irkland, vornehmlich aber von der Brüdergemeine unter dem heldenhaften und patriarcha= 40 
liſchen Zeisberger (1745— 1808) in großer Treue fortgeführte Indianermiffion ihre Er: 
folge immer vernichtet fehen mußte. Auch noch im 19. Jahrhundert, als eine ganze Reihe 
der norbamerifanischen Kirchengemeinichaften die zerſtörte Miffionsarbeit unter den In— 
dianern wieder aufnahm und mit wenigſtens teilmerfem Erfolge, beſonders auf den (jeßt 93) 
Hefervationen betrieb, legte fich der Yandhunger der Koloniften mit al den Unredlichkeiten, «s 
Härten und ungerechtem Kriegen, die er in feinem Gefolge hatte, wie ein giftiger Mehltau 
auf die fprofiende Saat. So ift e8 nicht zu verwundern, daß es bis heute noch nicht 
gelungen ift, die Ehriftianifterung der Indianer völlig durchzuführen; nur rund 100000 find 
Chriften, unter ihnen 75000 evangelifche. Am Tonzentrierteften finden fie ich in dem 
Indian Territory am Unterlaufe des Miffiffippi. Hätte man die Indianer von Anfang so 
an menfchlich behandelt und die Miffton unter ihnen 1'/, Jahrhundert lang nicht jo 
freventlich zerftört, fo wären fie alle längſt Chriften und gute Bürger der B. St. geworden fein. 

Viel größer als die indianifche ft die Negerbevöllerung der V. St., die heute auf 
8, Millionen gewachſen tft. Die ältere Generation dieſer Negermafje jtammt noch aus 
der Zeit der Sklaverei, die erit durch den großen Bürgerkrieg (1860—65) abgeichafft ss 
worden if. Mit alleiniger Ausnahme der Duäfer, die nie einen Sklaven gehalten haben, 
wie fie auch nie mit den Indianern in Kampf geraten find, find mebr oder weniger alle 
Kirchenabteilungen in die Sklaverei verflochten geweſen; es bat nicht an Proteften gegen 
die Inſtitution gefehlt, aber fie ift auch Eirchlicherjeit3 verteidigt worden und der heftig 
geführte Streit ar oder wider fie hat mehrere Denominationen gefpalten, felbit die Bap⸗ co 
tiften, die für die Chriftianifierung der Neger das meiſte geleiftet. 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 


uatmnbiaenpeite wird über dieſe Chriftianifierung wenig berichtet. Im Gange it 

u oacityden Janalt vor Det Emanzipation. 1860 zählten allein die Baptiiten und Metho: 
eb der Zllaven am meiſten erbarmten, 325000 ſchwarze Kommunifanten, 
gan Bunmalinell Nenerbevölferung don ca. » Alılllonen. Nur trug die Arbeit unter 
FT Train tuabluben ais jpezifiſch mifjtenartichen Charakter und war jehr abhängig von 
OT luna den Z Havenbalter zur Miſſion. In, einen großen Zug kam jie nach dem 
— Neſeubere durch Die in größtem Umfange getriebene Schultbätigkeit, an 
hs nt alle, DTenominationen beteiligten, 1890 gab os 12182 Negergeiftlice und 
"mer eine gabl, Die 1900 auf A000 bezw. 35enn- zertiinen war. Am eifrigiten 
arm nd aber Die chriſtlichen Neger ſjelbſt an der Chriteniterung ihrer Volksgenoſſen. 
orten balte ſein Hauptmotiv allerdings In dem Trange, ſich neben und innerhalb 
"nam Aevolferung eine böbere ieriele Stellung su erobern: aber immer bleibt es 
dewurdig. daß Die Schwarzen ſeit der Emanzipation rür Schulzwede ca. 114, 
op Mn von Rirchen 160 Arien Mark aufgebracht haben und jegt jäbrlich 
5 ltylhionen jur die Unrerde. cng ibrer Paſtoren und Yehrer ‚aufbringen. Infolge 
oe anenyiiben Anſtrenaunzcn 3 NE faft Die ganze Negerbevölferung chriftianiſiert 
Tr sel angel Wer an Maut Bruchteil Derca.ı" Millionen ewang. Neger 
hr Wemeinden anszcst, De große Majorität bat ſich su ſelbſtſtändigen Neger: 
on au antmtengeii X dieſen colored churches fommen auf die Bapriften 
af die Namdine 2000, auf Die Presbyterianer und Indevendenten 
ee [ap 2 mn ainbenglicder. Das tt die kompakteſte Heidenchriten: 
ee tg auch das Ehriftentum ber Majorität derjelben beienders 
rn e vr zur zer selich tiefen Stufe ftehen, fe ift 68 doch eine Thatlache 
Ss 8 Deumm. Ns eis Rordobriſtianiſierung im großen Maßſtabe ſtattgefunden bat. 
en B Ne na, en und japanische (ca. 1I00400) Einwanderung bilder einen 
ade N nordameritaniſchen Bevölkerung, da fie ſich nur verüber— 
ITS naneneli m Weſten, aufbält. Durch Veranftaltung von Gottes: 


10 


—A 


J 
1) 


talaeren 
aueh nn e Zdtäor md nich unter ihnen und zwar nicht ohne Erfolg namentlich 
len) gain, Meiboedijten und Baptiſten miſſioniert. Von den 4— Hin Chi: 
ven ST na de Warten ſind, teren viele als Chriften in ihr Vaterland 


ORTS J. Japauein Nd m den 7 Jahren 1893 —– 1900 über 1500 in den 
— PER, — an L 
=. \ 2 i L .X % ® * F 
Na = Saizen Menge nordamerikaniſcher M.GG. in ausgedebntem Mate in 
SE an — ernjgalioneibaligkeit übergehen wir, da ſie ſich auf Die fatbelitche 
M;e. J— = > > 
Woer —IX 
Nik 


EERTEN Reim, Herrnhut 1800; Moister, The father of our missions. 
. Des Pte and Iabotrs of the Rev. Th. Coke. London 1871: Perielbe, 
Dr TXA. Nap 3. Burchell, Life of Rev. Th. Burchell, Yonden 149: 


a, ® 2 Sr Anblu, Yondon IST: Underhill, The West-Indies, London 195}: 

TEST a geh ‚hatt. Vondon 1809. 

[1 an J . “ .a n “ 

vn gut Div boarepen (Nuba, Jamaika, Sam und Porterttor und ın 
I ck Antulen und in Div Babamainſeln. Die ea. 5 Millionen be: 

et, N het den etwa 1, Millionen Weißen und geringen Reiten 


(1 R „38 — " ‚ 
rn N a gaailnb ne din Rachkommen der Durd Den Stlavenbandel einge: 
re x, Runtime at ibnen md den Weißen und Den aſiatiſchen Rulis. 

Som Gr bat geborigen weſtindiſchen Beſitzungen Den Sklawen 





tt E >‘ til 
— Re Aal ſolaten nach und nach die ubrigen Koelenialregierungen. 
— Nu vb reßen Antillen jt Kuba. Haitt und Portorike nemmeil 
REN e auf ven ubihleiz Weitendten iinder ſich noch cine betrachtliche furbe- 
nee tern der ipantiche Beta die V. St. ubergegangen uf, 
TE... TR ab aufi au und Verterike mit wachienden Kraften 
nn en Denyangaiirtt urd Jamatta die engliichen unddanmden 

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Miffion unter den Heiden, proteftantifche 151 


zweite Miffionstruppe, die der Methodiften, mit in die Arbeit ein, zunächft in der Form 
eines perfönlichen Unternehmens des feurigen aber etwas unruhigen Th. Coke, als orga⸗ 
nijierte M.G. 1813. Nach und nach dehnte fich ihr Gebiet auf die 4 Hauptpiftrikte 
Antigua, St. Vinzent, Jamaika und Bahama aus, heute mit zufammen 160 000 Chriſten. 
Die drei erſten Diftrikte bilden ſeit langem eine felbftjtändige weſtindiſche Kirchenprovinz. 6 

1813 ftellten ſich auch die Baptiften ein und bejetten von Jamaika aus auch ver: 
jchiedene fleine Antillen. Ihre Sendboten, namentlih Burcell und Anibb fpielten eine 
große Rolle in der Antijklavereibewegung. Schon 1872 Zonftituierten fie mitca. 100 000 
Chrijten eine baptiftiiche Union von Jamaika und heute beträgt in ganz Weſtindien ihre 
Anbängerzabl über 165000. 19 

Zur größten Anhängerzahl hat es aber die anglifanifche Kicche gebracht, die beſonders 
nach der Emanzipation eine rege Thätigkeit entwidelte, die Miffton in die Hände ihrer 
firchlihen Organe legte und einen tüchtigen eingebornen Lehrſtand heranbildete. 380 000 
Negerchriſten gebören ihr an. 

Zwar nicht ſehr ausgedehnt, fie zählt nur 22000 Negerchriſten, aber durch Solibität 15 
ausgezeichnet iſt die fchottifche presbytertanische Miffion auf Jamaika. Bon den übrigen 
Heineren Millionen können wir abjeben. Alles in allem giebt es in Weftindien eine 
evangelifche Heidenchriftenheit von über 800000 Seelen. 


5. Mittel: und Südamerika. 

Schneider, Moskito, Herrnhut 1899; derfelbe, Ein Beſuch in Paramaribo, Stuttgart 1891; 20 
Burkhardt, Die Miflion der Brüdergem. in Miſſionsſtunden, 2 Hefte, Leipzig 1898; Brett, In- 
dian missions in Guiana, Zondon 1851; March, A memoir of the late Captain Allen 
Gardiner, Xondon 1874; Prot. missions in South America, herausgegeben von dem Stud. 
vol. movement, New-York 1900. 

Mittelamerifa mit feinen 5 kleinen Staaten hat eine aus indianischen Ureinmoh: 25 
nern, Mifchlingen und auch Negern zufammengejeßte falt ganz Fatholifierte Bevölkerung 
von ca. 5 Millionen, unter welder von den V. St. aus eine fih ausdehnende Evangeli: 
fation getrieben wird. Unter den heidnifchen Reften arbeitet neben der Ausbreitungs-©. 
und den Wesleyanern vornehmlich die Brüdergemeine und zwar auf ber erft feit einigen 
Jahren von Nilaragua annektierten Mostitofüfte, wo ihr jebt der Herifale Fanatismus so 
die Yebensadern zu unterbinden fucht. Insgeſamt etwa 10500 evang. Heidenchriſten. 

Das große Südamerika mit feinen ca. 40 Millionen aus Meißen, Mulatten, In— 
dianern und auch Negern gemischten Bevölkerung ijt nur an feinem Nordrande und zwar 
in dem bolländijchen und britifhen Guayana und an der Südſpitze evang. Mifliong- 
gebiet. Abgerechnet die noch heidnifchen Indianerrefte im Innern, die man auf ca. 1’, Mil: ss 
lion ſchätzt, iſt Südamerika Tatholifiert, freilich mit einem Katholicismus, der mehr heid⸗ 
niſches als chriſtliches Gepräge trägt. Seitens einer ganzen Menge nordamerikaniſcher 
Denominationen wird jetzt, ſeitdem eine gewiſſe Religionsfreiheit gewährt iſt, unter dieſer 
katholiſchen Bevölkerung evangeliſiert. Nur am Amazonenſtrom in Braſilien haben die 
amerikaniſchen Presbyterianer des Nordens vor kurzem eine Miſſion unter heidniſchen 40 
Indianern begonnen und in Paraguay, Argentinien und Chile wird ſie nebenbei von der 
engliſchen ſüdamerikaniſchen M. G. getrieben. 

In dem ungeſunden von ca. 60000 aus Indianern, Negern und aſiatiſchen Kulis 
gemilchten Bevölkerung bewohnten holländischen Guayana (Suriname) ift es wieder die 

üdergemeine, die allerdings mit Unterbrechungen ſchon ſeit 1738 eine geduldsvolle und 45 
opferreiche Miffton treibt, deren beutiges Ergebnis eine um 20 Hauptftationen weſentlich 
aus ebemaligen Sklaven gefamntelte Chriftenheit von ca. 30000 Seelen ift, von der über 
die Hälfte in der Hauptitadt Paramaribo fonzentriert ift. Außer den in den Elimatifchen 
und fozialen Verhältniſſen liegenden Schtwierigfeiten bereitet bejonders in der letztens Zeit 
die gehäſſige römische Gegenmiffion viel Argernis. 50 

Ausgedehnter und ergebnisreicher ift die evang. Miffion in dem benachbarten, von 
einer etwa 290 000 ſtarken ähnlich gemifchten Bevölkerung bewohnten britiihen Guayana mit 
der Hauptſtadt Georgetown. Hier brach die Londoner M.G., der Feindfchaft der Sklaven: 
befiger trogend, 1807 durch die tapfern Miſſionare Wray und Emith die Bahn. ihre 
bis 1838 auf ca. 18000 angewachſenen Heidenchriften ftellte der independentische Eifer 55 
dieſer Geſellſchaft felbititändig, aber nur ein Teil derjelben (ca. 6000) hat fich als kon— 
gregationaliftiiche Union erhalten, die übrigen baben ſich wohl der anglikaniſchen Kirche 
angeſchloſſen, die 1839 durch Brett in die Arbeit eintrat und unter den organiſatoriſch 
begabten Biſchof Auftin einen Anhang von 130 000 gewann. Auch die Wesleyaner, die Bly:. 
mouthbrüder und die Herrnhuter haben hier einige 20 000 Chrijten aus den Heiden geſammelt. co 


133 Miffien unter den Heiden, proteflantifdge 


Ta» ſudlichſte evang. Miſſionsgebiet ift das unwirtliche, von einer fpärlichen, auf 
tiejſter Civiliſationoſtufe ſtebenden Bewölferung bewohnte Feuerland mit den Yalllands- 
inſeln. Kon 18144 1860 wurden vier vergebliche Verſuche gemacht hier eine Miſſion 
zu begrunden, drei durch Allen Gardiner, einem früheren engliſchen Marineoffizier, der 

ont allen ſeinen Begleitern den Hungertod ſtarb und ein vierter von der ſüda nifchen 
M.G., Der mit Der Ermordung aller Teilnehmer endete. Bon 1862 an gelang es endlich 
dem mutigen Miſſionar Stirling zwei Niederlafjungen zu ftande zu bringen (Uſchuwaia 
und Tetonika), auf Denen bis heute unter unfäglihen Mühen etwa 200 Chriſten gefammelt 
worden ſind. 

w Siatiſtiſches Ergebnis der amerifanifchen Miſſionen (im abgerundeten Zahlen): 


Grönland, Yabrador, Wasta. . 00 Chriſten 
Kanada . en fr 000 „ 
Indianer Der 2. 22220. 75000 „ 
Steger dr NEL . . . 722500 „ 
iu Chineſen und Japaner der V. St. . 3 000 n 
Weftindien . . 2.810000 n 
Central⸗ und Sübamerila - - 2 2 2 2.200.000 „ 


Summa: 8375 000 " 
B. Afrika. 
wu Noble, The redemption of Africa. A story of civilisation with mape, statistical tables 
uud »oluet bibliography of the litterature of African missions, 2 vols, New-York 1899. 
Wis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Afrika nicht bloß der dunkle, ſon⸗ 
dern auch der verſchloſſene Erdteil. Man kannte von dem rieſigen Koloß, größere Teile 
des Nordens und Südens ausgenommen, weſentlich nur die Handgebiete und felbit dieſe 
su wicht um den ganzen Erdteil herum. Seitdem bat durch Entdeder, Händler, Koloniften 
wid Eroberer die Erſchließung Afrifas fo ftaunenstverte Kortichritte gemacht, daß nicht 
bloß von Süden und von Norden, fondern felbit von * und von Weſten her die 
Wege in das Innere gebahnt ſind, ja bereits per Dampſſchiff und Eiſenbahn zurückgel 
werden. Kein anderer Erdteil iſt ſo ſehr das Objekt des kolonialpolitiſchen Wettbewer 
wo geworden wie Afrika, deſſen ungeheure Flächenräume faſt ganz unter die europäiſchen 
Kolonialmächte aufgeteilt ſind. Mit dieſer neuen Ara der afrikaniſchen Geſchichte hat 
auch eine neue Ara der afrikaniſchen Miſſionen begonnen, mit der das Zeitalter der 
Chriſtianiſierung Afrikas eigentlich erſt angebrochen iſt. 

Was die 180 Millionen wohl kaum betragende Bevölkerung betrifft, ſo wohnen 
im Norden des Erdteils etwa bis zum Senegal im Weiten und zur Somaliküfte im 
Ciſten teils Semiten, teild Hamiten; jüdlich von ihnen bi8 Kamerun im W. und jenjeits 
des Oberlauf des Nil im ©. zwei Gruppen von Nigritiern, von da an durch den ganzen 
Suden, mit Ausnahme der Südweſtecke, worin Reſte der Hottentotten und Bufchleute 
ſich finden, Die in viele Stämme geglieberten Bantuneger, welche bis heute das Haupt: 
wo objekt der evang. Miſſion bilden. Auf den Inſeln im Often, namentlidh Madagaskar, 
haben wir es mit einer malaiiſchen Bevölkerung zu tbun. 

Dir von der evang. Miffion befegten afrifanıschen Arbeitsfelder umfafjen fünf Haupt: 
gebiete: 1. Die Weftküfte vom Senegal bis zum Kunene, der Nordgrenze von Deutich- 
— — Dieſes Gebiet umfaßt Senegambien, Sierra Leone, Liberia, Gold- und 
Sklavenküſte, Yoruba, Nigeria, Kamerun, Kongo, Angola. 2. Südafrika vom Kunene 
im W. bis Sambefi im S Dieſes am dichteſten beſetzte Gebiet umfaßt Deutſch-Süd⸗ 
weſtafrika, Kapkolonie, Natal und Sululand, die ehemaligen Burenftaaten, engliſch Ba⸗ 
huto., Matabele und Maſchonaland und Safaland. 3. Die oftafrilanifchen Injeln: Ma- 
duunnofun, Mauritius und die Seychellen. +4. Oft: und Central-Afrika: Das Reich der 
wu Valotſe, Die Seenrepion, Deutſch⸗ und Britiſch-Oſtafrika. 5. Nordafrika mit dem italieni⸗ 

ſchen rien, Agppten und in ſehr beicheidenem Maße Tripolis, Algier und Marokko. 
Die Weſtküſte. 
mm Seven years in Sierra Leone, New-York 1897; Büttikofer, Neijebilder aus Li: 
heri, Weiden 1890; Steiner, Saat und Ernte der Basler M. auf der Goldfüfte, Baſel 1895 ; 
a Waul, Ile Miſſion' in unſern Kolonien, Leipzig 1898, 1. Heft: Togo und Kamerun; Hin- 
derer, NDeventeen years in Yoruba country, London 1877; Goldie, Calabar and its mission, 
Kung 1890; Anderbill, Alfred Suter, der Bahnbrecher hriftl. Kultur in Kamerun, deutſch, 
Anhang 1885; Nömer, Kamerun: Land, Lente und Mifjion 8, Bafel 1901; Bentley, Pio- 
entinge on tho Congo, London 1902. 

wi Div Meinen evang. Miſſionen der Pariſer MG. in Senegambien, der Wesleyaner 
win äamnbia und Der S.P.G. am Rio Pongo übergebend, wenden mir ung jofort nad 


id 


= 


om 
e 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 153 


Sierra Leone mit der Hauptitabt Freetown, mo bald nach der Gründung einer Kolonie 
für befreite Sklaven die C.M.S. mit deutichen Arbeitern 1804 die wegen des tödlichen 
Klimad und der zuchtlofen, bunt zufammengemwürfelten Bevölkerung überaus fchiwierige 
Mifjion begann. Erſt nach vielen Enttäufhungen und großen Menfchenverluften — ın 
25 Jahren ftarben 109 Männer und Frauen — fam die Arbeit in einen gefegneten 5 
Gang, jo daß regierungsfeitig ihr wiederholt das lobendſte Zeugnis ausgeftellt wurde. 
Die jeht auf ca. 12000 angewachſene Anhängerſchar der Anglifaner bildet feit 1861 
eine relativ jelbititändige, aber unter einem anglifanischen Kolonialbiſchof ſtehende Kirche 
mit einem ziemlich gebildeten eingeborenen Lehritand. Größer iſt der numerische Erfolg 
der 1814 mit in die Arbeit eintretenden englifchen und fpäter auch afritanifchen Metho= 10 
biften, die in drei Stirchengemeinfchaften etwa 29000 Anhänger zählen. Außerhalb der 
eigentlichen Kolonie in dem benachbarten Bullom: und Scherboro-Diffrifte, wo neben der 
C.M.S. die Wesleyaner, die Vereinigten Brüder und die Allianzmifftion arbeiten, ſollen 
trog der Zerftörungen in dem Aufltande von 1898, in dem viele Miffionare ermordet 
worden find, ca. 14000 Chriſten gefammelt fein. 1 

Wenig Freude gewährt die benachbarte, mit amerifanifchen Yreijflaven 1824 bes 
gründete Kartfatur-Republit Liberia (Hauptitadt Monrovia). Allerdings ift die Kolonie 
ſelbſt völlig chriftianifiert (ca.20 000), aber auf das Hinterland iſt von ihr wenig milfio- 
nierender Eintlus ausgegangen. Die innere und äußere Mifftion, welche getrieben mird, 
liegt in den Händen amerifanifcher Gefellfchaften, namentlich der der bifchöflichen Metho— 20 
diften, der proteſt. bifchöflichen Kirche und der Preöbyterianer. 

Die englifhe Goldfüften-Rolonie, deren etwa 2 Millionen ftarte Bevölkerung in 
die beiden Hauptftämme der Ga und Tichi-Neger zerfällt, it im Weiten vorwiegend von 
der Wesleyaniſchen, im Dften von der Basler MO. befegt. Die eritere, die vorwiegend 
mit farbigen, nicht immer genügend gebildeten Miffionaren jeit 1834 arbeitet, hat ca. 32000, 26 
die feit 1828 unter großen Opfern und vielen fchmerzlichen Wechfelfällen thätige Basler ©. 
ca. 19000 Chriften in ihrer Pflege. Während es bei den Methodiften revivalartig auf 
und ab gebt, ift in den gut organifierten und mit einem trefflichen Schulweſen ausgeitat- 
teten Basler Gemeinden das Wachstum ein zwar langfam aber ftetig fteigendes und auch 
von einem bedeutenden kulturellen Erfolge begleitetes. Durch den tapferen Ramjeyer tft so 
die Basler M. bis in die Hauptitadt ( umatfe) des Nijantereiches, in der er 1869—73 
als Gefangener Zeuge der furchtbarſten heidniſchen Greuel geweſen, ausgedehnt worden. 
Die jenjeit3 des Wolta im Eweland angelegten Basler Stationen werden vermutlich an 
die norddeutſche M.G. abgetreten werden. 

Diefe Gefellihaft hat nämlich ihr Arbeitsgebiet ſeit 1847 unmittelbar, nur durch 85 
den Woltafluß getrennt, neben der Goldküſte in dem von etwa 2 Millionen bewohnten 
Ewelande auf der Sflavenküfte, mo fie mit bervunderungswürdiger Ausdauer unter großen 
Opfern an Menfchenleben und vielen Kriegsunruhen nad) langer fait erfolglofer Arbeit 
um 5 folid gebaute Hauptitationen ca. 3000 Chriften gefammelt hat, die fich jebt jährlich 
beträchtlich vermehren. Der Schwerpunft ihrer Arbeit fällt je länger je mehr ın das «o 
deutfche Togoland. Die hier befindliche Heine Wesleyanifche Miffion wird wahrſchein⸗ 
Iıh auch von der norbdeutichen übernommen werben. 

Jwildien dem an Togo grenzenden franzöfiichen Dahome und dem deutfchen Kamerun 
liegt die engliiche Kron-Kolonie Lagos mit dem Hinterlande Yoruba, und Nigeria mit 
den Hauflaftaaten als Hinterland; mit Ausnahme der lebteren, die erſt beſetzt erden 45 
ſollen, alles evang. Miflionsgebiet. In Yoruba wurde von Eierra Leone aus durch die 
C.M.S. 1838 der Anfang gemadit. In wenigen Jahren war eine ganze Reihe von 
Stationen angelegt und zum Teil durch ſchwarze Miſſionare beſetzt, unter denen das be— 
Iannte Abbeokuta eine dramatiſche Geſchichte hat. Leider wurde über neuere Unterneh: 
mungen der C.M.S. die überwiegend von eingebornen Paſtoren verjorgte Noruba-M. zu 50 
ſehr fich felbft überlaffen, was ihre gejunde Entwicklung eine Zeit lang aufgebalten bat. 
Bald dehnte ſich die Arbeit auch an die Küfte aus, wo Lagos das Hauptcentrum mit 
einer ziemlich jelbititändigen Kirche wurde. Das geſamte Gebiet, jo weit es zur C.M.S. 
gehört, zählt heute rund 14000 Chriften, zu denen noch etwa 11000 kommen, melde 
im der Pflege der Wesleyaner und der amerikaniſchen ſüdlichen Baptiſten ftchen. 65 

Am Niger begründete wieder die C.M.S. 1857 eine vom Delta desjelben bis über 
den Benue fich hinaufziehende, durch ein vielfpradhiges und jehr rohes Heidentum erſchwerte 
Miffton, die dadurch ihr eigentümliches Gepräge erbielt, daß fie von Anfang an mit 
lauter farbigen Miffionaren aus Sierra Leone betrieben und fogar von einem farbigen 
Biſchof, dem belannten Samuel Gromtber, geleitet wurde. Nachdem fich aber heraus: co 


1) 


154 Miffion unter den Heiden, proteftantifdge 


geitellt, daß die ſchwarzen Arbeiter einem jelbitftändigen Miffionsbetriebe noch nicht gewachſen 
waren, wurde nach Crowthers Tode 1891 wieder ein englischer Bifhof an die Spiße der 
Miſſion gejtellt, was zur ;yolge hatte, daß die Deltagemeinden fih von der C.M.S. 
trennten und ein felbititändiges Nigerpaftorat bildeten. Mit diefem Paftorat zählt die 

5 Nigermiffion beute etiva 5000 Chriften. Die wiederholten in die Hauflaftaaten gerichteten 
Miſſionserpeditionen haben bis beute zu feinem Ergebnis geführt. 

In dem in der ſüdöſtlichen Ede von Nigeria liegenden Altkalabar find die jegt mit 
der freien Kirche von Schottland vereinigten Unierten Presbyterianer mit großer Treue 
und in evangelifch gejunder Weife ſeit 1846 thätig, aber das tödliche Klima und der 

10 MWiderftand des barbarifchen und demoralifierten Heidentums bat den Erfolg ſehr auf: 
gebalten (ca. 2000 Chriften). Auf der benachbarten (fpanifchen) Inſel Fernando Po wird 
mit ungenügenden Kräften nur eine Eleine methodiſtiſche Miffion getrieben. 

Nachdem feit 1845 die englifchen Baptiften vornehmlich durch ihren praftifchen 
Miſſionar Saker eine allerdings nicht kontinuierliche und auch nicht tiefgebende, aber doch 

15 den Boden lodernde Vorbereitungsarbeit getban, trat mit der deutichen Befigergreifung die 
Basler Miffion in Kamerun in die Arbeit ein, leider ohne daß es ihr gelang, die etwa 
2000 baptiftifchen Chriften, die jegt unter der Leitung deutſcher Baptiftenmiffionare jteben, 
ſich anzugliedern. Auch bier mußten große Opfer an Menjchenleben gebracht werden, 
aber der Erfolg war ein erfreulicher, bis beute in zablreichen Gemeinden 3000 Cbriften 

und 3200 Schüler. Im Batangalande, dent füdlichen Teile des deutſchen Beſitzes, 
baben, vom Gabun ber vordringend, die amerifanifchen Presbpterianer auf jebt 7 Sta- 
tionen gegen 2000 Ghriften geſammelt, deren Verbindung mit Bafel in Ausficht ſteht. 

An Kamerun im Süden grenzt die franzöſiſche Kolonie Gabun, oder mie fie jegt 
nach ihrer Ausdehnung am rechten Kongoufer binauf offiziell beißt: franzöſiſch Kongo. 

25 Hier iſt den durch die Intoleranz der franzöſiſchen Kolonialregierung hart bedrängten 
Presbyterianern die Pariſer M.G. zu Hilfe gelommen und es mögen wohl 2000 Chriften 
fein, die fih auf 6 Stationen in der Pflege beider Gefellfchaften befinden. 

Noch jung, aber fchon fehr ausgedehnt iſt die nach der Stanlenfchen Entdedung des 
Kongolaufes und der Begründung des Kiongofreiitaates nach und nad von 7 Miſſions⸗ 

0 gefellfchaften (4 amerikanischen, 3 europätfchen) in Angriff genonmmene Kongomiffion, die bis 
jest auf etwa 50 Stationen wohl 6—7000 eingeborne Chriſten gefammelt bat, von denen 
die meiften auf die amerikanisch baptiftiiche Union kommen. Von den Pionieren dieſer 
Miffion iſt der englifche Baptift Grenfell, der auch als Geograph Hervorragendes geleiftet 
bat, der einzig Überlebende. - - In dem ſüdlich vom Kongo gelegenen portugiefijchen 

35 Angola find neben den engliſchen Baptijten in Salvador und dem amerikanischen Board 
in Bihé die bifchöflichen Mtetbodiften auf einer Reihe von Stationen thätig; alle zufammen 
aber nur mit vielleicht 3000 Chriſten. Auch cine Anzabl Freimiſſionare finden ſich am 
Kongo und von Angola aus nach dem ſüdlichen Kongojtaate bin, über deren Arbeits- 
ergebnis wenig verlautet. 

40 2. Zübdafrifa. 

Van der Kenp, Ievensgeschiedenis van den med. Dr. Joh. Theod. van der Kemp, 
Amſterdam 1864; lofft, Missionary labours and scenes in South Africa, London 1888: 
Philip, Resenrehes in South Africa, London 1828; Livingſtone, Miffionsreifen und or: 
dungen in Südafrika und Neue Mifjiongreifen in S. A., Jena 1858 und 1866; Wange: 

45 mann, Die evang. Mifjionsarbeit in S.:M., Berlin 1872; Brinfer, Aus dem SHererolande, 
Barmen 1896; Buchner, Act Monate in Südafrika, Schilderung der dortigen M. der Brüder: 
gemeine, Gütersloh 1891; Pfitzner, Wilh. Poſſelt, Ein Lebensbild aus der ſüdafrik. Miſſion, 
Berlin 1838; Merenotky, Erinnerungen aus dem Miſſionsleben in Südoſt-Afrika, Berlin 1898; 
Caxalis, Mes souvenirs, Parios 1083; Jousse, La mission frangaise @vang. au Sud de 

6 l'Afrique, Paris 1800; Coillard, Sur le Haut-Zambese, Paris 1897; Chalmers, Tiyo Soga, 
a page of South African mission, Edinburgh 1873; Lovedale past and present, Lovedale 
1887 ; Spedlmann, Die Hermanns. Miffion in Afrika, Hermannsb. 1876. 

Unter Südafrika verftepen wir das große Treied, welches füdlih von der Linie liegt, 
die man vom Kunene im W. bie zur Mündung des Sambeſi ziebt und das fich politiich 

65 in das deutſche, englifche und portugiefiiche Nolonialgebiet gliedert. Die eingeborne Be 
völferung ſetzt ſich — abgefeben von den zahlreichen weißen Afrikanern — zufammen aus 
den Neften der Hottentotten und ihren Mifchlingen im W. und den in viele, namentlich 
Kaffer-Stämme zergliederten Bantu-Negern nach dem Oſten zu. Zwiſchen der weißen und 
der farbigen Bevölkerung beſteht ein ſcharf ausgeprägter Gegenjaß, der vermutlich in der 

so Zukunft noch zu großen Neibungen führen wird, wie er aud) in der Vergangenheit der 
Grund zu viel Blutvergießen geweſen iſt. 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 155 


Abgeſehen von den Bemühungen einiger Privatperfonen iſt eine orgamifierte Miffion 
jettend der weißen Einwanderer in Südafrika felbjt erft von der Mitte des 19. Sabhr: 
hunderts an ing Merk geſetzt worden. Tie Miffionare find von Europa und Amerifa 
bergelommen, zuerft von der Brüdergemeine (G. Schmidt), dann von der Yondoner M.G. 
(van der emp, Schnielen, Philip, Moffat). Diefen find dann nad) und nad) namentlih 5 
die englifhen Methodiften (Scham), die Episfopalen und die fchottifchen Presbyterianer 
(Stewart), die Franzoſen (Cafalis, Mabille) und die amerifanifchen Independenten, und 
von den Deutichen die Nheinländer (Lückhoff, Zahn, H. Hahn, Brinker), die Berliner 
(Poſſelt, Nachtigal, Grügner, Merensky, Kropf) und die Hermannsburger (Behrens) ge: 
folgt. Jetzt iſt Südafrifa das bejeßtefte evangeliiche Miſſionsgebiet. 10 

Das heutige deutiche Südmeltafrifa (Nama-, Herero: und Ovamboland) ift feit den 
40er Jahren des vorigen Jahrhundert nach einer vorübergehenden Pionierarbeit der 
Londoner und Wesleyaner unter den Namas nad und nad) von der Rheinischen und in 
Ovamboland teilweiſe von der Finnifchen M.G. bejegt worden. Der Leichtfinn der Hotten- 
totten, der Stumpffinn der Herero und die beitändigen Kriege zwiſchen beiden ließen es 15 
nur langjam zu Erfolgen fommen. Jetzt hat die Rh.M. auf 27 Stationen ca. 13000, die 
Finniſche auf 3 Stationen ca. 1000 Chriften gefammelt. Die deutſche Befigergreifung 
hat manche neue Schwierigkeiten gebracht, aber doch endlih Ruhe im Lande geichafft, 
bie zur Förderung der Miſſion nicht wenig beigetragen. 

In der Kaptolonie jtoßen wir im Weften vom Oranjefluß bis Stellenbofch bei der Kap: 20 
ftabt wieder auf Rheiniſches Miffionsgebiet mit 10 ſich völlig felbjt erhaltenden Gemeinden 
und ca. 16 600 Chriften, dann im Süden und Südoſten auf die beiden anderen in der Ko: 
lonie arbeitenden deutichen Miffionen, die Brüdergemeine mit 17600 und Berlin I mit 
000 Ehriften, deren Gebiete freilich weder von ihnen allein befett, noch geographiſch 
zufammenbängend find. Dasjelbe ift der Fall mit den weit größeren englischen Miffionen, 25 
der Londoner, Wesleyaner, Anglitaner und Vresbyterianer, die ſich zum Teil jehr durch: 
einandergemijcht über meite Streden der Kolonie ausdehnen. Die zahlreichen vornehmlich 
im Centrum und im Oſten der Kolonie ſich befindenden Londoner Mifftionsgemeinden mit 
zufammen mehr ald 60000 Chriften haben ſich ſchon vor 40 Jahren zu einer Kongre- 
gational-Union zujammengefchlofien und die vorzugsmeife im Often thätigen Weslchaner 30 
haben eine felbftändige ſüdafrikaniſche M.G. gebildet, die in 3 Diftriften weit über 
190 000 eingeborne Chriften zählt. Die Anglifaner haben ihre Million ganz in den drei 
Bistümer umfaflenden Tirhlichen Organismus eingegliedert und mögen gegen 80000 ein: 
geborne Chriften in ihrer Pflege haben. Faſt ebenjoviel entfallen Auf die holländiſch refor- 
mierte Kirche. Ausfchließlih unter den Kaffern haben die befonderd durch ihre Schul: 35 
watigteit (Lovedale) hervorragenden Schotten ihr Arbeitsgebiet (ca. 24000 Chriſten). Da 
der Reg. Cenjug von 1891 392000 farbige evang. Chriften auf die Kolonie verrechnete, 
fo wird man jebt wenigſtens 400000 feßen dürfen. 

In dem eine jelbftitändige Kronkolonie bildenden Baßutoland treibt (neben der S.P.G.) 
jeit ca. 70 Jahren die Pariſer M.G. eine ebenjo gediegene wie fruchtbare Arbeit, deren 40 
Erfolg weit über die 19000 Chriſten hinausgeht, die fte in zahlreichen, wohlorganiſierten 
und mit einem vortrefflichen Schulweſen ausgeltatteten Gemeinden gefanmelt bat. Auch 
bat diefe junge Baßutokirche, die ihre eingebornen Lehrer ganz aus eigenen Mitteln erhält, 
unter der Führung des helvdenmütigen Miffionars Coillard am Sambefi, im Reiche der 
Barotje, eine eigene Miffion begonnen, deren Thränenjaat bis jegt aber noch wenig Frucht 15 
getragen bat. In dem nörhlich angrenzenden Natal- und Sululand, deilen barten Boden 
jeit länger ald 50 Jahren in wachſender Ausdehnung der Amerikanische Board, die Wes— 
leyaner, Anglikaner, Presbyterianer, Berliner, Hermannsburger, Norweger und Schweden 
mit Treue bearbeiten, iſt bis jeßt eine farbige Ghriftenbeit von etiva 48000 geſammelt; 
auch in Swaſi⸗ und dem portugiefiihen Gafaland wie an der Delagvabay find die Er: wo 
gebnifle noch gering (ca. 2500). 

Dagegen finden mir wieder erfolgreihe Miffionen in den früheren Burenjtaaten 
Oranje und Transvaal. Sie liegen vornehmlih in den Händen deutſcher M.GG., der 
Berliner und der Hermansburger, die beide vor dem Ausbruch des fürafrifanifchen Krieges 
auf vielen, zum Teil jehr großen Stationen (3.8. Botjchabelo, Saron, Betbanie) 72000 55 
eingebome Chrijten zählten, während auf die Wesleyaner, Anglikaner, die holländische 
Kirche und die Maadländiiche Miffion zujanımen etwa 50000 famen. Durdy den un- 
glüdfeligen Krieg ift diefe ganze Miſſion fehr geſtört und teilweise ſelbſt zerjtört worden 
und e8 werden Jahre vergehen bis neues Leben aus den Ruinen blübt. 

Weſtlich von den Burenjtaaten liegt britiſch Betjchuanaland, in welchem ſchon Moffat su 


156 Mifiien unter den Heiden, proteftantifdge 


der Miffion die Bahn gebrochen und von mo aus fein Mitarbeiter Livingftone feine be 
rühmten Entdedungsreifen antrat. Leider find Später die großen auch civiliſatoriſchen Erft- 
lingserfolge diefes Pioniers, der Kuruman zu einer Stadt auf dem Berge machte, feitens 
der Londoner M. nicht mit gebuldiger Treue gepflegt worden, fonft mwürbe die heute 
» ca. 10000 ſtarke Betſchuanenkirche viel größer fein. Eine Lichtgeftalt ift hier der chrift- 
lihe Bamangmwato-Häuptling Khama, der bejonderd durch feinen tapfern Kampf gegen 
den verderblichen Branntwein fih um fein Volk ſehr verdient gemacht hat. 
In dem nördlich und nordöftlid angrenzenden Matabele- und Mafchonalande (Rho⸗ 
defia), offiziell als Gebiet der britiſch-ſüdafrikaniſchen Chartered-Kompagnie bezeichnet, ift 
10 die von Anglifanern, Wesleyanern, Yondonern und Berlinern betriebene fchwierige Miffion 
faſt noch ganz in den Anfängen (ca. 1500 Chriſten). 
3. Die oftafrifanite en Inſeln. 
Ellis, The martyr-church. A narrative of in troduction, progress and triumph of Chri- 
stianity in Mad ‚ Zondon 1870; Cousins, Madagascar of to day, Zundon 1895; Eppler, 
15 Thränenfaat und ;greudenernte auf Madagaskar, Gütersloh 1874; Boegner, Rapport sur la dele- 
gation à Madagascar, Paris 1900; Hanjen, Beitrag 3. Geſch. d. Inſel Madag., Gütersloh 1899. 
Die Seychellen und Mauritius, wo die beiden anglikaniſchen Kirchenmiſſionen we⸗ 
entlich unter den eingeführten indiſchen Kulis ca. 4500 Chrijten gefammelt haben, nur 
treifend, wenden wir uns fofort nad) dem jeßt franzöfiichen Madagaskar, auf dem 1820 
3 die Londoner G. die Milfton eröffnete und fpäter neben den QDuäfern und ber S.P.G. 
die Norweger und die Parifer mit in die Arbeit eintraten. Es ift eine ſehr mwechfelvolle 
Gefchichte, welche hier die Miffion gehabt bat: nach einer ruhigen 12jährigen Anfange- 
thätigleit, deren Ergebnis eine aus einigen hundert Gläubigen beitehende Eritlingsgemeinde 
war, trat eine faſt 30jährige Verfolgungszeit ein, während der die Chriſtenzahl fich ver: 
5 zehnfachte; 1869 nahm die Königin mit ihrem Gemahl das Chriftentum an und es fand 
eine Einflutung von Hunderttaufenden in die chriftliche Kirche ftatt, auf deren dhriftliche 
Erziehung die independentische Zondoner M. leider nicht genug forgfamen Fleiß verivandte. 
Dann fam 1895 die franzöftfche Okkupation der Inſel, welche die inzmwifchen eingedrungene 
jefuitifche Propaganda unter Ausgabe der von dem Kolonialhauvinismus begünftigten 
so Barole: franzöſiſch iſt gleich katholiſch, zu einer der gewaltthätigften Gegenmiffionen ben 
fo daß über die Hälfte der Yondoner Miffionschriften zum Abfall gebracht wurden, eine 
Kriſis, in welcher die Barifer M.G. mit folchem Erfolg ihrer bevrängten Glaubensgenofien 
I annahm, daß Religionsfreiheit gewährleiſtet und die faft zeriprengte Londoner Miſſions⸗ 
irche wieder gefammelt wurde. Zur Zeit beiteht Diele Air nur noch aus 70000 und 
35 wenn man die in die Pflege der Pariſer M.G. übergegangenen hinzunimmt aus vielleicht 
170000 eingebornen Chriften. Charakterijtifcherweife ft es nur die Londoner Miffion, 
welche den großen Verluft erlitten bat, die quäferifche und die anglikaniſche iſt faft intakt 
geblieben und die norwegiſche fogar geftärkt aus der Kriſis hervorgegangen; ſie bat heute 
60000 Ebriften, die beiden anderen zujammen ca. 20000, fo daß die evang. Chriftenbeit 
w Madagaskars heute auf 248000 berechnet werden kann. 
4. Dft: und Centralafrita. 
Krapf, Reifen in Oſtafrika 1837—1855, Kornthal 1858; Blaidie, Das Leben David Living⸗ 
ftoneg, deutſch, Gütersloh 1881; Stanley, Durch den dunfeln Weltteil, deutich, Leipzig 1878; 
Anderson-Morshead, The history of the Universitiea Mission to Central Africa, London 
45 1808; Baul, Die Miſſ. in unfern Kolonien, II. Deutih-Oftafrita, Leipzig 1900; Baur, Aller. 
Maday, Pioniermiljtionar von Uganda, deutſch, Leipzig1902; Richter, Uganda, Gütersloh 1893; 
derfelbe, Ev. Miffion im Njaſſalande, Berlin 1898; Merensky, Deutſche Arbeit am Rjafla, 
(Ebend. 1894; Jack, Daybreak in Livingstonia, Edinburgh 1900. 
Die mifftonarifhe Belegung des vor "1, Jahrhundert noch unbelannten öftlichen und 
w centralen Afrikas fchließt fih an an die Namen Krapf, Livingftone, Stanley. Krapf, ein 
württembergifcher Theologe im Dienfte der C.M.S., faßte nach vergebliben Miſſions⸗ 
verfuchen in Abeifinien und unter den Galla zuerit Fuß auf dem oftafrilanifchen Feſt⸗ 
lande, Mombas gegenüber, und regte durch feine und feiner Mitarbeiter geographifchen 
Entdedungen zuerſt die Crterjäung Dftafrifas und dann dur feine genialen Miſſions⸗ 
65 pläne und umfaſſenden fprachlichen Arbeiten auch die dortigen Miffionsunternehmungen 
an; Livingſtones große Entdedungen batten neben anderen Unternehmungen die Begrün- 
dung der fchottifchen Njaſſa- und der Londoner Tanganika-Miſſionen zur Folge, Stanleys 
Reife durch Afrika führte, außer zu den Kongomiffionen, zur Ugandamiffion. Namentlich der 
Tod Yivingitones (1873) brachte die oftafrifanische Miffionsbervegung in Gang, ſowohl 
so durch die englifche Aktion gegen den Sflavenbandel, welche Mombas gegenüber die Grün» 
dung der Sklavenfreiftätte Freretown durch die C.M.S. zur Folge hatte, die dann der 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 157 


Ausgangspunkt für die Straße in das oftafrifanifche Innere wurde, wie durch die direkten 
fchottifhen und Londoner Miffionsunternehmungen und durd die Ermwedung der fchon 
u feinen Lebzeiten (1859) begründeten Univerſitäten-M. zu neuem thatlräftigen Vorgehen. 
In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ſetzte dann die foloniale Befigergreifung 
ein und mit ihr traten neben den Engländern und Schotten auch die Deutichen in 4 Kos 5 
Ionnen in die oftafrifanifhe Miffionsarbeit ein. Überbliden mir diefelbe in möglichſt 
geographifcher Ordnung mit dem füblichften Teile, dem Niaflagebiet beginnend. 

Es waren 2 jchottifche Unternehmungen, die 1875 bier ind Werk geſetzt wurden, 
eine von der Staatd-, die andere von der freien Kirche, mit der ſich die unierten Pres- 
byterianer verbanden. Die erjte wählte zu ihrem Arbeitsfelde das Schirehochland im 10 
Süden ded Sees, wo ſchon 1860 die Univerfitäten-M. einen leider gänzlich verunglüdten 
Miſſionsverſuch gemacht hatte, die andere fiedelte fih an der Sipfpipe des Njaſſa an, 
von ber jie nad und nad die ganze Weſtküſte hinauf vordrang. Beide nahmen in ihr 
Miffionsprogramm die civiliſatoriſche Thätigkeit auf und haben auch als Kulturmiffionen 
Bedeutendes geleijtet. Auf dem Schirehochland konzentriert fich die Arbeit auf 4 Stationen, 16 
unter denen Blantyre die centrale ſt (ca. 800 Getaufte). Eine ſelbſtſtändige Sambeſi⸗ 
Induſtrie-M., die nur unter den Arbeitern ihrer großen Plantagen weſentlich durch Schul: 
thätigfeit miffiontert (2400 Schüler), ift fpäter dazu gekommen. Biel ausgedehnter ift 
die als Livingſtonia bezeichnete Miffion der Freiſchotten mit der Gentralitation Bandawe, 
die jet über 3000 Getaufte, etwa ebenſoviele Katechumenen, mehr als 12000 Schüler 20 
und zahlreiche eingeborne Mitarbeiter hat. Cine mächtige chriftliche Bewegung, bejonders 
im Ngonilande, läßt für die Zulunft große Ernten erwarten. Den füdlichen Teil ihres 
Gebiets haben die Schotten an die Kapſche reformierte Miffion abgetreten, die auch bereits 
ea. 1000 Chriſten und 8000 Schüler in ihrer Pflege hat. Die Zahlen würden viel 
größer fein, wenn man die Taufe nicht jo lange hinausfchöbe. 26 

Wenig erfolgreich dagegen tft die von der Londoner G. mit großen Opfern an Gelb 
und Menſchen unternommene Tanganila-Miffton geweſen, die ſich nach vielen verfehlten 
Erperimenten jet auf 3 Stationen am Südende des Sees mit einer kleinen Chriſtenſchar 
beichräntt. Die Zwiſchenſtation zwiſchen DOftküfte und Tanganika, Urambo, iſt an die 
Brüdergemeine abgetreten worden. 30 

In —— — ſtoßen wir am Nordende des Njaſſa zuerſt auf 2 friſch auf: 
blühende deutſche Miſſionen, von denen die Brüdergemeine die weſtliche nach Urambo 
bin fich ausdehnende, Berlin I die öftliche über das Akne nad) der Küfte zuftrebende 
unternommen bat. Obgleich erit 11 Jahre alt, bejigen dieje beiden Miſſionen jchon 
22 Stationen mit Heinen Chriftengemeinden von zufammen faft 1000 Seelen. Im s5 
Süden des beutichen Beſitzes vom Rovuma bis an das im portugiefiichen Gebiete liegende 
Dftufer des Njaſſa hat die UniverfitätenM. ihr ſüdliches Arbeitöfeld, von welchem meit 
getrennt in der Gebirgslandichaft Uſambara das nördliche Liegt. FA beiden Diftriften 
und in Sanfibar, wo jte ihre Gentrale hat, zählt fie 11000 chrijtliche Anhänger und in 
97 Schulen über 4000 Schüler. 40 

In dem übrigen Deutih-Oftafrifa befinden fich außer einigen in Ufagara gelegenen 
früberen Untertvegeftationen ber C.M.S. nach Uganda mit nur 250 Chriften noch 2 meitere 
beutiche evangl. Miffionen: Berlin -III (jeit 1886) in einem jüdlichen (Ujaramo:) und in 
einem nördlichen (Ujambara-)Gebiete, jedes mit einer Küſtenſtation (Dar es falam und 
Tanga) und Leipzig (jeit 1891) am Kilimandſcharo mit 5 Stationen; beide big jet nur mit #5 
Heinen Gemeindebildungen (600 Getaufte). Das Ufaramo-Gebiet tft joeben an Berlin I ab: 
getreten worden. Zwei weitere deutſche Dtältonen, die auch im deutichen Echubgebiet 
[u arbeiten beabfichtigten, find durch ſpätere folonialpolitische Verträge in englijches Ge 

iet geraten, nämlich eine bayerijche, iegt an Leipzig abgetretene unter den Wakamba 
(norböftlich von Freretown) und die Neufirchner in Witu, beide auf hartem Boden arbei- so 
tend mit Beinen Eritlingserfolgen. In der Nähe der letteren, am unteren Tana, find feit 
1862 die vereinigten Methodiften-Freitirchen auf mehreren Stationen thätig (1200 Chrijten) 
und norböftlih von Kilimandicharo ift (1892) du Kibwezi, unterftügt von der britifch 
ikaniſchen Kompagnie, ein Neu-Lovedale angelegt worden, das einer Induftrie-Miffion 
als Gentrale dienen foll. 55 

Mit den zulegt genannten Miffionen find wir bereit in das britiche Oſtafrika ein- 

‚ wo die C.M.S. 3 Gebiete bejett hält: das Küftengebiet mit der als Sklaven 
. (1874) gegründeten Hauptſtation Freretown, das Dſchagga- oder Kilimandſcharo⸗ 
gebiet mit der Hauptſtation Taveta (beide ca. 1700 Chriſten) und Uganda mit jetzt 
37000 Chr. Die Uganda-Miljion, eine der erfolgreichſten der Gegenwart, hat eine an co 


158 Miſſion unter den Heiden, proteftautiidge 


echjelfälen überrafchende Gefchichte und iſt ſpannend mie ein Roman. Von Stanley 
angeregt und unter großen Opfern an Geld und Menſchen vornehmlich durch Aler. Maday 
ins Merk gejegt, hatte fie anfänglich durch die Yaunenbaftigfeit des bedeutenden Königs 
Mteſa und durch die Grauſamkeit feines jugendliden Nachfolgerrs Mwanga, der eine 
5 blutige Verfolgung infcenierte und den Biſchof Hannington ermorden ließ, dann durch 
die Syeindfchaft der Mobammedaner, die Gegenmiſſion der Katholiken, die zu einem 
traurigen Bürgerfriege führenden Tolonialpolitifchen Wirren und durch wiederholte Auf: 
ftände wider die englifche Herrichaft ſchwer zu leiden, bi$ etwa vor 9 Jahren aus noch 
nicht genügend erflärten Gründen eine große chrijtliche Bewegung in Gang kam, die von 
10 den Eingebornen felbit, namentlich den Häuptlingen getragen, die Chrijtenzahl jährlich um 
Tauſende vermebrte, jo daß das vermehrte Arbeiterperfonal der großen ihm geftellten Auf: 
gabe kaum gewachſen war. Unter der ebenfo energifchen wie umfichtigen Leitung. des mutigen 
Biſchofs Tuder dehnte ſich dieſe Bewegung weit über das eigentliche Uganda in die be: 
nachbarten Landſchaften bis zum Albert:Nyanza und zum Ruwenzorigebirge aus und ver: 
16 fpricht auch dort, namentlich in Toro, eine große Ernte. Durh die von Mombas nad 
dem Viktoria Npanza mit beiwunderungätwürdiger Energie fertig geitellte Eiſenbahn find 
die früheren großen Kommunifationsichwierigkeiten überwunden und vermutlic) wird es 
nicht lange dauern, jo wird fih eine Stationenfette auch an der Bahn entlang ziehen. — 
Leider bereitet in dem ganzen Oſtafrika die mit Hochdrud arbeitende römische Konkurrenz 
20 der evang. Miſſion große Schwierigkeiten. 
5. Nordafrila. 
Dietel-Paul, Abefjinien, Leipzig 1901; Rutherford, The gospel in North Africa, London 1%01. 
Das von der Südgrenze de Sudan bis zum Mittelmeere fi) ausdehnende riefige, 
mwejentlih von Mobammedanern bewohnte Nordafrika it von der evang. Mifjion nur 
25 jehr jpärlich beſetzt und ihre Arbeitsergebniffe bejchränten ſich faſt ausfchließlich auf die 
dortigen alten chrijtlichen Kirchen, namentlich in Agypten. Hier find es die amertla- 
nischen unierten Presbyterianer, die feit 1861 unter den Kopten in ca. 50 organifierten 
und von eingebornen Beiltlichen bedienten Gemeinden ca. 22000 evang. Ehriiten und 
in 184 Schulen über 14000 Schüler gefammelt haben. Auf zahlreichen Stationen dehnen 
30 fie ſich bis zu den Nilfataraften aus und beabfichtigen bis Kartum vorzudringen, ein 
lan, den auch die in Kairo eine fleine Miffton treibende C.M.S. ind Auge gefaßt, 
deifen Ausführung aber bis jegt die engliſche Militärregierung verhindert hat. In Abeſſi⸗ 
nien find wiederholt Evangelijationsverfuche, befonders von der C.M.S. unter Gobat und 
Krapf, aber bis jegt ohne dauernden Erfolg gemacht. Auch die ſchwediſche Vaterland: 
35 Stiftung bat fih nah Maflaua zurüdzieben müfjen, von wo aus fie nach Hamajen im 
nördlichen Tigre vorgedrungen ift, trog großer Verlufte und ſchwerer Enttäufchungen immer 
ihr uriprüngliches Ziel: die Galla, im Auge bebaltend (ca. 450 Chriften). — Die durd 
Grattan Guinneß angeregte, mit einem großen, vornehmlich Damenperfonal betriebene und 
von Agypten bis Maroffo fich ausdebnende interdenominationale Nord-Afrika-M. bat mie 
40 auch die äbnliche ſchottiſche Marokko-Miſſion bis jegt nennenswerte Erfolge nicht erzielt. 
Statiftiiches Ergebnis der afrikaniſchen Miſſionen: 


Meitafrila . . . 180. 000 Chriſten 
eidafila . 2. 2202.22. 0.610000 „ 
Afrikaniſche Inſelen.... .. 254 000 „ 
45 Dft: und Gentralaftifa . . . 2 .....60000 „ 
Nordafrila . . 2... 23 000 „ 


Summa: 1127000 „ 
C. Aſien. 
Hier haben wir es im Unterfchiede von den amerikaniſchen und afrilanifchen 
Miſſionsgebieten vortwiegend mit kompakten Völfermaffen zu thun, die durch politifche 
so oder religiöfe, ethnologiſche oder Iprachlice Verbände wie durch gemeinfame Sitten 
zufammengefchloffen find, mit Völkern, die eine gejchichtliche Vergangenbeit, alte Kulturen 
und heilige Yitteraturen befigen, Die auch mehr oder meniger große Reiche bilden; fie 
jegen der Chriftianifierung einen ganz anderen Miderftand entgegen als Heine, national 
zerſetzte, kulturarme und litteraturlofe Naturvölfer mit tiefitufigen Religionen. 

65 Durdwandern wir den riefigen Erdteil, deſſen Bewohnerſchaft mehr als die Hälfte 
der Menfchbeit beträgt, fo finden wir evangelifche Mifjionsgebiete gar nicht in feinem auss 
gedehnten ruffifchen Norden, der fih vom Himalaya bis zum Eismeer und von Ural bis 
an das ochogfifche Meer eritredt und nur fpärlib in feinem unter mohammedaniſcher 
Herrfchaft ftebenden Welten, der Klein: oder Vorderafien, Arabien und Perfien umf 


Miſſion unter den Heiden, proteſtautiſche 159 


1. Das mweitlihe Afien. 

Anderson, History of the missions of the Am. Board to the Oriental churches, Boſton 
1873; The gospel in the Ottoman empire. Proceedings of the Mildway Conf. 1878; 
Zwemer, Arabia: the cradle of Islam, Edinb. 1900; Samuel Gobat, Biſchof in Jeruſalem, 
Bajel 1884; Schneller, Vater Schneller, Leipzig 1898. 

Eigentlihe Mohammedaner-Miffionen ſind auf diefen Gebiete bis jet nur wenige 
feine und erfolgarme ins Werk geſetzt worden: in Verfien feitend der C.M.S. auf 4, 
im norböftlichen und füdlichen Arabien von den Freiſchotten und der reforinierten Kirche 
der D.St. auf 5 Stationen. Am Urmia:See, auf der ruſſiſch-perſiſchen Grenze will die 
deutjche Orientmiffion eine beginnen. Auch in der europäifchen Türkei und in Bulgarien 10 
find nicht völlig vergebliche Verſuche gemacht, aber zur Bildung von dhriftlichen Gemeinden 
aus Mohammedanern iſt es noch nicht gefommen. Unter diejen Umjtänden hat man jich 
zunächſt darauf beſchränkt, die innerhalb der islamitiſchen Reiche Vorderaſiens eingefapfelten 
und verfommenen Reſte der alten chriftlichen orientaliſchen Kirchen geiftlich zu beleben, 
um dur fie einen Miffionseinfluß auf die mohammedanishe Welt auszuüben. Auch 
diefe evangeliftiiche und bejonders erzieherifche Thätigkeit, die vornehmlich von den nord: 
amertlanischen Independenten und resßpterianern unter der Führung ausgezeichneter 
Männer (Riggs, Goodell, Hamlin, Jeſſup, E. Smith), der C.M.S. und einer ganzen 
Menge tleinerer Betriebe, unter ihnen vom deutſchen Jeruſalems-V., ausgeübt wird, ift 
ſeitens der türfifchen Regierung aufs Außerfte erfchiwert worden. Anfangs dachte man 20 
nicht daran, Profelyten zu machen und aus ihnen evang. Gemeinden zu bilden, man 
wollte nur eine reformatorifche Thätigfeit auf die ganzen Kirchen ausüben; aber als die 
Totengebeine lebendig wurden, erhob ſich ſeitens der amtlichen Kirchenorgane eine bis zur 
Erfommuntlation gehende Verfolgung und diefe zwang zu felbititändigen evang. Gemeinde: 
gründungen. Es find ca. 200 folder Gemeinden mit vielleicht 75—80000 (durch die 25 
armenifchen Maflacres und durch Übertritte zur rufftichen Kirche etwas reduzierten) Glie- 
dern organifiert, 1100 von 50000 Schülern befuchte Volks- und höhere Schulen bis zu 
Univerfitäten hinauf begründet und neben einer Fülle von jonftiger Litteratur in 12 
Spraden Bibelüberjegungen publiziert worden. Der Schauplat diefer Thätigteit erjtredt 
h h von Konftantinopel, Jeruſalem und Beirut durch Kleinafien und namentlich Armenien 30 

is nad) Perſien und ihr religiöfer, fittlicher und Bildungseinfluß ift ein ſehr bedeutender. 
Den furdtbaren Maflacres unter den Armeniern 1896 find auch viele evang. Chriften 
zum Opfer gefallen, die Treue gehalten haben bis in den Tod. Tiefe Blutbäder haben 
das Evangeliſationswerk nicht nur nicht zerftört, fondern das gemeinfame Leid und die 
großartige Hilfsleiftung der abendländiichen Chriftenbeit haben dem Evangeliv in das ar: 35 
menifche Kirchenvolf einen Eingang eröffnet wie nie zuvor. 

Das größte eigentliche Heidenmiffionsgebiet Aftens iſt 

2. Britifch- Indien. | 

Hough, History of Christianity in India, London 1849—60. 5 vols; Sherring, 
The hist. of Prot. missions in India, London 1875; G. Smith, The conversion of 40 
India from Pantaenus to the present time, London 1893; Germann, Die Biographien 
von BZiegenbalg, Yabriciug und Schwarg, Erlangen 1865, 68 und 70; G. Smith, The life 
of Carey, Xondon 1885; of Bishop Heber, 1895; of Alex. Duff, 1889; of J. Wilson 1878; 
Birke, Life and corresp. of Th. v. French, Zondon 1895; Caldwell, Lectures on Tinne- 
velly missions, Qondon 1857; Anderson, History of the missions of the Am. Board in # 
India, 1875; Leupold, Recollections of an Indian missionary I u. II, Zondon 1862 u. 84; 
Carpenter, Selfsupport, illustrated in the history of the Karen-Bassein mission, Bojton 
1883; Handmann, Der Kampf der Geifter in Indien, Heilbronn 1887; Stoſch, Sm fernen 
Indien, Berlin 1896; J. Richter, Die deutſche Miſſion in Südindien, Gütersloh 1902 und 
Rordindifhe Mifjionsfahrten, Ebd. 19035; Nottrott, Die Goßnerſche Miſſion unter den Kols 60 
Lu. II, Halle 1874 u. 88; Reichelt, Die Himalaya-M. der Brüdergemeine, Gütersloh 1896. 

Das troß feiner 153 Sfalenkaaten ganz unter britifcher Herrichaft ftehende Indien 
mit feiner Bevölferung von 300 Millionen ijt eine fehr bunte Welt, fehr verjchieden in 
ethnographiſcher, Sprachlicher und religiöfer Beziehung. Ethnographiſch teilt es ſich in die 
eingebornen Drawiden, die vornehmlih im Süden mohnen und in die eingewanderten 55 
Arier und Mohammedaner, vornehmlich im Norden. Sprachen giebt es 117, von denen 
allerdingd nur 20 von mehr ald 1 Million Menfchen gefprochen werden. Mehr ale 
sw Millionen find? Mohammedaner, 210 Millionen Hinduiften, nur 7 Millionen Bub: 
dbiften und der Reit Dſchains, Sikhs und Dämonenanbeter. Der Hinduismus, ein Ge 
miſch der fublimften pantheiftifchen Whilofophie mit grobem Polytheismus und tieffinniger ‘co 
S ionen mit wilden Phantaſtereien knechtet ſeine Millonen unter das eiſerne Joch 
der tauſendgeſtaltigen Kaſte, die die praktiſche Religion Indiens und fein großes ſoziales 


oo 


— 


5 


RT, Miſſion unter den Heiden, yesackamiähdhe 


elle Arohphoihh Tannen Kbel geworben iſt. Zie bilde: das mädwame Hindernis für 
si up ua de hahluungg zu ihr Das jchwierigite indriche Vinmarrohlem. Auch die 
Wa pl fett, Hanenffenbeit und Erniedrigung des weiblichen Göchlechts, Die Kinder: 
eahbangpan db Milſpeimernihbtung ftellen Die Miſſion vor ſchwere Auigaben 

Ss ſuniſel Dit ua Ehriſtentum auf der Südweſtküſte Indiens ichen frübe Fuß 
haft nn die Dante gta 250000) ſog. Thomaschriſten find die ziemlich verkommenen 
—88 un linden Miſſionverſtlinge. Mit der Niederlaſſung Der Portugieſen zu 
Mal iso den Auſbunderto ſete die romiſche Miffton ein, die mit mechielnder Energie 
be Bunte darhſetbettet abet m Verbaltnio zur Länge der Arbeitszeit und zur Menge 


Abs Wubtenkvo yitiyd ienen dervorragende wie Kader, Nobili, Brito, Same) nur ein 


walten Wein gti nit und dem Ran. Genius von 1901: 1445000 Chriſten inner: 
ut ap Dein. pa willst send LE U0O im nichtbritiichen Gebiete fommen. 

a adäbalechäg elite year {dev Ardeit erſt 2 Jahrhunderte ſpäter und betrieb 
Wosesbonie AuesuNtto tg sur arten Waum lefaliftert und mit einem jebr Kleinen 


alte Ne Werde cnalio 3 Nunsonnoder Die erite ift die der auf 2 Heine 


Man ce Na 1 Wett Sewdenititit Biptieräraen ven 1706—1813. Dieje Gebiete waren 
I SEN Nieren Diaautilit fu Diet purieren Immbung in ber beutigen Präſident⸗ 
St MN ud Novo yeiiuen Nimm Serorzus in der heutigen Präſidentſchaft 
aaa Naomi y I Notetnäulinzer Tonne ı Ziegenbalg und namentlich 
re Ne Neo cnsaliäpan Supsivit gr Ne oma Des genialen Garen, welche 
ur Ne Nee tun Di α gegen Ende des 18. Jahr⸗ 
NINE en ad u Wet. Ne u Nahebunberie Dhemussmer ibr Erbe bie anglilam 


⁊ 


EN Nee an Nam. m wernlüss ber sm Tom Se C. M. S. ſtehende t 
re ar aemuhst Zpänz ii IS Smüpfte auch Die Leipziger 
No — ss Jrirzar aus übe Der Dur# me feindfelige Oppoſition 


. wen. pn rar (are mu jenen san Mitarbeitern eine 
ur en ocad erh Ipanalen, Durch melde wee on den indilchen Norben 
„Nero nmnämur wurde. Ein Ticheres Trartrihes Ergebnis über diefe 
Seren N 2 So zer acben, feinenfalle überimex 08 15.000 eb. Chriften. 
Neon 8 Ist umfaßt den Zeitraum ran der durch Parlaments⸗ 

ass... 2 zn Mifltenaren in Das enalnce Andien bis zu dem 

mil 2 2.,Sem Die Herrſchaft Der oitin?. Nomrugnie durch die ber 
on cam 2.28 In ibr wird Das gefamte Indien der Milfion geöffnet 

mzzblidb aus Dir Enge ın die Wenne aud. Am energifchften 

N. 0. 2refsen Die Yondoner, Die bapriftiſche. die weslebanifche, die 


NN. MDiiton in Die Arbeit ein, Deurideriärs die Basler, die 
na. Von epochentacdhender Bedeutung mar beionderö ber Ein- 
ER zehrpäichen wie freifirchliden Miſſionen, mel er dem miſſiona⸗ 
\ s..2> Ne bermorragenden Miſſionare Million, Tuff und Anderfon 


Vous za und ibn auf Die höheren Klaſſen ausdebnte. Auch diefe 

a ientlich den Charakter der Grundlegungsarbeit und des Experi⸗ 
Son nenne Ergebnis beläuft ſich auf rund 1306000 evang. Chriften. 

N von 1859 Dis auf Die Gegenwart tt Die Zeit der ungebinderten, 

a Veamte (Lawrence, Edwards, Montgemern, Muir, Frere) geför- 

. "ren ibrer Ausdehnung über alle Provinzen des großen Reiches, 

. Nessitan und an Die Thore von Tibet, der kirchlichen Urganifationen, 

on. Nessprung Der Gefellfchaften (bis auf ca. 60) und des abenblän: 

F ssstilgit ordinierten Arbeiterperſonals bis auf ca. 1200 beziehungsweiſe 

0.200 Muſionsmethode, Der geiteigerten Schul: und litterarifchen, auch 

lachen Miſſionsthätigkeit und des wachlenden Erfolge. Nach ber 

ta vaio von 19012970000 evang. Ghriften. In fie fallen auch die 

one Reiorm und Reaftionsbeivegungen (Brama-Samadſch u. ſ. w.), melde 

sad ammllentlich dem Chriſtentum die Babn bereiten, teils mehr ober 

ar VNppoſition machen, in jeden Falle aber ein Beweis dafür find, daß 

Acpredigte Evangelium eine Gärung berbeigeführt hat, welche ebenfo kon⸗ 

Sue EObrütentum nicht mebr ignoriert wird, wie daß es Die religiöfe Atmos 

vauder beeinflußt. Cine große Bedeutung bat in Diefer Zeit die mächtig 

“a Kent und ärztliche Miſſion gewonnen, Die auch bereits zahlreiche einges 

te hr ihrem Dienſte bat, alle überragend Die Brahmanenwitwe Pandita Rumakai 

si celrnflußreichen Anſtalten in und bei Puna, eine Diakoniffin im großen Stil 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 161 


Während nody in der 2. Miffionsperiode der individualiftiiche Mifftonsbetrieb der 
vorberrichende war, ift e8 in der dritten auch zur Sammlung fompafter Chrijtenmafjen 
und im Zufammenhange mit ihr zu kirchlichen Organtfationen gelommen. Am Tonzen- 
triertejten findet fich diefe Chriitenfammlung in der Präſidentſchaft Madras, namentlich 
im Süden im Tamillande, bejonders in Tinnevelli auf dem Arbeitsgebiete der Anglifaner, 
im Norden in Telugulande auf dem der amerik. Baptiften und im Südmelten in Kotſchin 
und Travankur auf dem der Londoner; ferner in der Präafidentichaft Bengalen auf dem 
Goßnerſchen Kolamiffionsgebiete und in den Nordweſtprovinzen mit Audh auf dem Ar: 
beitögebiete der amerif. een Methodiiten; dann in Niederbarma in der SKarenen- 
miffion der amerik. Baptilten. Nach Denominationen geordnet kommen nach dein bereits 10 
errväbnten Genjus die meijten evangelijchen Chriften (306000) auf die anglikaniſchen, die 
baptiſtiſchen (217000), die Iutherifchen (154000), die methodiftiihen (68000) und bie 
presbpterianifchen (43000) Geſellſchaften. Die Ehrijtenzahl der englifchen und ameri- 
lan Sndependenten ift in dem Genfus nicht korrekt angegeben; fie muß etwa 127 000 

agen. 15 

Die große Majorität der 970000 evang. indischen Chrilten gehört ben niederen 
Kaften und den faftenlofen Stämmen der Bevölkerung an und ihre religiöfe und fittliche 
Dualität iſt — nicht wenige Ausnahmen abgerechnet — noch eine elementare; aber es 
ift eine miffionsapologetiiche Thatſache von Bedeutung, daß gerade durd) die religiöfe, 
tttliche, geiſtige, —* und ſelbſt wirtſchaftliche Hebung dieſer Gedrückten das Chriſtentum 20 
eine rettende Kraft bewieſen, die ſelbſt die Anerkennung der Brahmanen gefunden hat. 
zu einer chriſtlichen Bewegung unter den höheren Kaſten ıft es allerdings noch nicht ge: 
ommen, doc fehlt es auch nicht an Belehrten aus ihnen; unter den eingebornen Re—⸗ 
gierungsbeamten, Rechtsanwälten, Arzten, Schriftitelleen ift ein beträchtlicher Prozentſatz 
Chriften und von den eingebornen Paſtoren ftammen die herborragenditen (GBanerdſchi, 
Goreh, Scheihadri, Satthianadhan, Bofe) aus den höheren Kaften. Dazu giebt es gerade 
unter ihnen nicht wenig geheime Chriften, denen der Mut zum Übertritt fehlt; freilich 
wächſt unter ihnen auch die Zahl der religiös AIndifferenten, ja völlig Ungläubigen, die 
das Studium der europ. Litteratur ebenfo aufgeblafen mie ſittenlos gemacht hat, das 
ſog., Jungindien“, das ein ſchwierigeres Miſſionsobjekt bildet als der orthodore Hinduismus. an 

Auf dem gleichfalls britifchen Geylon mit feiner 3 Millionen betragenden gemifchten, 
teils einem jehr entarteten Hinduismus und Buddhismus, teild dein roheiten Dämonismus 
ergebenen Bevölkerung hat die oberflächliche alte holländische Miffion kaum Spuren binter: 
Iaffen und ift erft feit dem 2. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts eine wirkliche evangelische 
Miſſion im Gange, die in den Händen der Anglifaner, Wesleyaner, Baptiften und des ss 
ameritanifchen Board liegt und viel Schulthätigkeit treibt. Sie fonzentriert fih um die 
Diſtrikte Dſchaffna im Norden, Kandy im Centrum und Kolombo mit Galle im Süd— 
weiten und Süden und hat ca. 33000 Chriften in ihrer Pflege, fo daß fih in dem ge: 
ſamten britifchen en die evang. Chriftenzahl auf rund 1 Million beläuft. 

3. Das nidhtbritifche Sinterinbien fi) 
ft nur fpärlid von der evang. Mifjion befegt. Das unter franzöfticher Herrichaft ſtehende 
Indochina iſt ausschließlich franzöſiſches Miffionsgebiet; nur in Siam mit Laos haben die 
amerikaniſchen Baptijten und PBresbyterianer auf dem fehr harten Boden und unter mancher 

ol wie Enttäufchung einige Heine Gemeinden mit zufammen vielleicht 6000 und auf 
M ‚ wo das britiſche Singapur Hauptſtation, gleichfalls die Anglikaner, die engliſchen 45 
a aner und Methodiften wie verichtedene Freimiffionare etwa 1000 Chriften ge: 
amm 


4. Riederländifch Indien (Malaüfcher Archipel). 

Dijkstra, Het evangelie in onze Oost. Geschiedenis der Prot. Zending in het tegen- 
woordige Nederl. Indie, Leiden 1891 u. 93; Schreiber, Eine Miffiongreife in den fernen 50 
Siten, Gütersloh 1899; Grundemann, Koh. Friedr. Riedel. Ein Lebensbild aus der Mina- 
bafia auf Celebes, Gütersloh 1873; Lett, Im Dienjt des Evangeliums auf der Weftküfte von 
Nias, Barmen 101. 

Der jeit 3 Jahrhunderten im holländischen Bejig befindliche, aus den 4 großen und 
vielen kleinen Sunbannjein bejtebende, zum größten Teil mohammebdanifierte malaiiſche 55 
Archipel bildet das Arbeitsgebiet der fämtlichen holländiichen und zweier deutſchen Miſſ.⸗ 
Gefellihaften: der Rheiniſchen und der Neukirchener. Während dieje Gefellichaften nur 
fpezififch miffionarifche Arbeit vornehmlich unter der beidnifchen aber audy der mohamme— 

i ca. 32 Millionen betragenden Bevölkerung treiben, hat „die prot. Kirche in 
Niederl. Oftindien” die Sammlung und Pflege der Gemeinderejte übernommen, welche nad) co 

ResisEnchflopäbie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 1] 


ei 


ID 
Ci 


162 Million unter den Heiden, proteſtautiſche 


dem Niedergange der alten Kolonialmiſſion übrig geblieben und ziemlich verwahrloſt 
worden waren. Dieje von den jog. Hilfepredigern, meiſt früberen Wisfionaren, vertvalteten 
(Gemeinden werden als „aefeitigte” bezeichnet und finden ſich vornehmlich auf den Mo- 
lutfen und Südweſter-Inſeln. Nachdem vor 20 Jahren die Niederl. M. G. auch ihr fait 
s ganz chrijtianifiertes Minabafja-Wtiffionsgebiet, Das heute ca. 155000 Chriften zählt, an 
die niederl. oftindiiche Kirche abgetreten bat, beträgt die Geſamtzahl der zu dieſen „ge 
feitigten” Gemeinden gehörigen Chriſten 247000. Der mifjtonierende Einfluß, der von 
diefen Gemeinden ausgebt, iſt ein geringer. Auch zum Teil noch Reſte aus der alten 
Zeit, aber durch treue Mifftonsarbeit bejonders Goßnerſcher Sendlinge ſehr vermehrt, find 
0 die ca. 44000 Ebriften zäüblenden Gemeinden auf den Zangir: und Talaut:Infeln. 
Bon den holländiſchen M.:-Gefellichaften, die außer auf Java (20.000 Chriſten) vor: 
nebmlih auf Sumba, Savu, Buru, Almabaira und Sumatra Gemeinden gefammelt 
baben (ea. 10000 Chriſten), bat feine bedeutende Ergebniſſe aufzumeifen; auch die Neu: 
firchener oder Sulatiga:M. im öftl. Mitteljava zäblt nicht viel über 1000 Chriſten. Da⸗ 
15 gegen find der Rheinischen Miſſion große Erfolge befchteden unter den Bataks auf Su— 
matra und in den legten Nabren auch auf der benachbarten kleinen Inſel Nias. Tie erft 
1862 begonnene und unter vielen Kämpfen nad und nach vornehmlidy durch den ebenſo 
tapfern wie umfichtigen Nommenſen erit bis nab Silindung, dann bi8 an den 
völlig unzugänglichen Tobafee ausgedehnte Batak-M. zäblt beute (incl. SKatechumenen) 
2, 340010) Ghriften, 25 ord. eingeb. Paſtoren und 221 Lehrer. Das alte Heidentum ver: 
liert je länger je mebr feine Mraft und eine chriftliche Volkskirche ft im Werden. Der 
Hauptfeind iſt der Jolam, aber auch aus feinen Anhängern find mehrere taufend ge: 
wonnen worden. Auch auf Nias, wo die Rh. M. feit 1865 fich niedergelafien, iſt jetzt 
eine große chriftlihe Bewegung im Gange, faſt 6000 find getauft und 3500 befinden 
zr fi) im ITaufunterrichte. Dagegen tröpfelt es bis heute nur auf dem ſchon 1835 von der 
HH. M. befegten Borneo, auf dem 1859 in einem blutigen Aufitande 7 Miſſionsgeſchwiſter 
ermordet wurden. Hier bat die Zahl der Getauften eben erſt 2000 überjchritten. Syn 
dem britifchen Nordborneo iſt feit 18:48 die S.P.G. unter den Tajafs mit großer Gebuld 
und nicht ohne Erfolg tätig (3000 Getaufte). -- Das ergiebigfte niederländijche Mif- 
s» fionsgebiet bleibt allerdings die bereits erwähnte Minabafla auf Celebes, wo im Dienjte 
der Niederl. M. 6. vornehmlich die beiden Jänickeſchen Zöglinge Riedel und Schwarz 
den (Hrumd zu einer alifurifchen Volkskirche gelegt baben. Die Geſamtſumme der evang. 
Shriften im malatifchen Archipel beträgt alfo 390 000. 
5. China. 
an Medhurst, China, its state and prospects, London 1857; Williams, The Middle- 
kingdom®, New-York 1883; A. Smith, Chinese Characteristics, New-York 1894; China 
Miss. Handbook, Schanghai 1896; Beach, Dawn of the hills of T’ang or missions in 
China, Wew-P)ork 1878; Hartmann, Ueberſicht über die ev. Mijfion in China, 9. M.8. 
1900; Mackay, From far Formosa, Gdinb. 1896; Martin, A cycle of China or China 
4) South and North, Edinb. 1900; Broomhall, Martyred missionaries of C. I. M., Lond. 1901; 
A. Smith, China in convulsion, 2 vols, Edinb. 19015 Sclatter, Die chinejifche Fremden: 
und Chrittenverfolgung im Sommer 1900, Baſel 1901. 
Das in 18 ziemlich felbjtitändige Provinzen geteilte, von mehr ald 400 Millionen bevöl⸗ 
ferte chineſiſche Reich bietet Durch feine Schwierige Sprache, Durch die ftolze Selbitgenügfamteit 
4 und Selbitgerechtigfeit jener Bervobner, durch ihren ſtarren Konſervatismus und ihren 
Haß gegen die Fremden, Durch die Turchfegung des geſamten politiichen und fozialen 
Lebens mit dem Nonfuzianismus und durch den alles beberrichenden Ahnenkultus der 
Miſſion ganz eigenartige Schwierigkeiten. Tiefer mit einem vielgeftaltigen Aberglauben 
zufanmmenbängende Kultus bildet die praftiiche Religion des in religiöfer Beziehung eflel- 
so tifchen und toleranten Chineſen, der Konfuzianer, Taoiſt, und Buddhiſt zugleich tft und 
der fih auch das Chriſtentum gefallen lafjen würde, wenn es ſich damit begrrügte, eine 
Religion neben anderen zu jein. 
Wie in Indien ſo iſt auch in China die katholiſche Miffton viel älter als die evan- 
geliſche; ſie begann ſchon 1581 und war unter dem Kaiſer Kanghi, dem fich die gelehrten 
65 Jeſuiten (Schall u. |. w.) durch ihre aftronomifchen und technifchen Kenntniſſe unent- 
behrlich machten, nabe Daran, ihr verbeidnischtes Chriſtentum als religio licita anerfannt 
zu feben. Aber ibre Einmiſchung in Die Politik führte nah dem Tode diefes Kaiſers 
zerftörende Verfolgungen berbei und die fpäteren Akkomodationsſtreitigkeiten wie die Auf: 
—* deo Jeſuitenordens reduzierten die Chriſtenzahl ſehr bedeutend. Im 19. Jahr⸗ 
vo hundert war es wieder Die Verbindung mit der franzöſiſchen Politik und die Einmiſchung 
in die bürgerliche Rechtopflege, welche Die latholiſche Miſſion ebenſo gefürchtet wie verhaßi 


Miffion unter den Heiden, proteftantifche 163 


machte. Mit einem zahlreihen und zum Teil tüchtigen Arbeiterperjonale hat fie bie 
1900 ca. 625000 Shriten geſammelt. 

Die evangeliſche Miſſion zerfällt in 3 Perioden: 1. in die der bloßen Vorbereitung von 
1807 -42, in der den weſentlich mit ſprachlichen und litterariſchen Arbeiten beſchäftigten 
Londoner Miſſionaren (Medhurſt, Morriſon, Milne) der Aufenthalt im Lande noch ver: 5 
boten war und auch der in Kanton ſich heimlich aufhaltende Amerikaner Bridgeman ſich 
jeder aggreffiven Thätigfeit enthalten mußte. Nur der enthufiajtiihe Gützlaff verjuchte 
fie an den Grenzen und nad der Offnung des Landes durd) eingeborne (unbefehrte) 
Chineſen, die ihn fchmerzlich täufchten. Ein ſichtliches Ergebnis hatte dieſe Arbeit der 
Pioniere nicht. 2. In die Periode der durch den ſog. Opiumfrieg 1842 erzwungenen 
Deffnung 5 dhinefifcher Häfen (Schanghai, Ningpo, Futſchau, Amoy und Stanton) für 
den Fremdenverkehr bis zur meiteren Auffchliegung der Küftengebiete und zur Defretie- 
rung der Miſſions- und Religionsfreiheit durch den Frieden von Tientjin 1860, aljo 
abermals durch friegerifche Gewaltakte. Die durd jolche Einführung von vornherein 
jtigmatifierte Miffton hat in diefer Periode weſentlich nur jene Vertragshäfen und ihre 15 
nächfte Umgebung bejeßt. Obgleich es an aufopferungsvollen und tüchtigen Mifjtionaren 
(Zechler, Burns, Legge, Edkins, Boone, Muirbead, Wolfe, Stronach, H. Taylor) nicht 
feblte und die 1850 einfegende Taiping-Rebellion eine ger lang zu Refornhoffnungen 
zu berechtigen jchien, tft doc das miffionsitatiftiiche Ergebnid auch diejer Periode ein ge: 
ringes: 1200 fommuntonberechtigte Chriften. 3. Erft in der dritten Periode, die mit der ao 
befannten blutigen Kataftrophe 1900 abichließt, und in der allmählich, namentlidy auf 
Anregung des Feurigen Bahnbrechers der neueren Chinamiffion, des liebeglühenden und 
nicht zu ermüdenden Hudſon Taylor und feiner China-Inland-Miſſion, alle 18 Provinzen 
des Reichs in den Bereich der evangelifhen Miſſion gezogen wurden, beginnt der Erfolg 
in überrafchender Weife zu Steigen: 1873 — 9700; 1883 — 21500; 1893 -— 55000; 1900 5 
— 100000 fommuntonberecdhtigte Kirchenglieder, d.h. eine Ehriftenzahl von 210—215 000, 
von der die höchiten rogentjüße auf die Provinzen Fukiehn (60 000), Kanton (40 000), 
Schantung (30000 und die Mandichurei (20000) entfallen. Die Unfruchtbarkeit der 
chineſiſchen Miffion ift alfo ein unbegründetes Vorurteil. In diefer Periode vermehrten 
fih die in China arbeitenden, faſt alle proteit. Nationalitäten und Sirchengemeinfchaften 30 
vertretenden Gefellfchaften auf ca. 40 und das männlihe Mifjionsperjonal (darunter 
allerdings ein bedeutender Prozentjag nichtordinierter) auf 1100. Wejentlih unter dem 
Einfluß H. Taylors ftieg auch die Zahl der unverheirateten Miffionarinnen auf über 700 
und die der Miffiongärzte und -ärztinnen auf 184. 

Neben der erzieberiichen (2079 Schulen) ift von großem Einfluß die litterarijche 35 
Thätigleit geworden, die in der Gefellichaft zur Verbreitung chrijtlicher und allgemeiner 
Kenntniſſe in Schanghai ihr Daupicentrum bat. Aus der Fülle der durch ihre littera: 
riſche Thätigkeit hervorragenden Miffionare feien nur einige genannt: Xegge, der erite 

erauögeber der chinefiichen Klafjiter (als Prof. der Sinologie in Oxford, geft. 1898); 

artin, der ſpätere Präſident der kaiſerlichen Univerfität in Peking; A. Emith, der treue 40 
Photograph des chinefifchen Volkslebens; Th. Richards, der spiritus rector der Schang- 
haier ©. zur Verbreitung chriftlicher und allg. Kenntniſſe und begehrte Berater der reform: 
freundlichen Vicelönige; E. Faber, der geniale Vermittler zwiſchen der chinefifchen und 
abendländiichen Gedankenwelt. Und ebenbürtig als erfolgreicher Evangelift jtebt der raft- 
loje Griffith John und der Bahnbrecher der Mandſchurei-Miſſion, J. Roß, ihnen zur Seite. 45 

Eine neue Epoche nicht bloß der Miſſion ſondern der Gejchichte Chinas beginnt mit dem 
Schredensjahr 1900. E3 war eine ebenio Turzfichtige wie böswillige Verdächtigung der 
Miſſion, ——* der evangeliſchen, daß ſie die Schuld an der blutigen Kataſtrophe trage. 
Allerdings hat ſie am ſchwerſten unter dem vulkaniſchen Ausbruche des Fremdenhaſſes 
gelitten: tauſende von eingeb. Chriſten (die Zahl läßt ſich heute noch nicht feſtſtellen) und ; 
187 Glieder des evang. Niffionsperfonale (unter ihnen 52 Kinder) find ermordet und 
Miffiondeigentum tft im großen Umfange zerjtört worden; aber die eigentliche Urfache 
der Kriſis war nicht die Miſſion, fondern die gefamte Vorgefchichte der Beziehungen 
— China und der abendländiſchen Welt, deren Ergebnis ein beſonders durch die 

erbungen der 90er Jahre, wie die Eiſenbahn- und Bergwerksunternehmungen ge: : 

fteigerter Fremdenhaß war. Dazu kam die überjtürzte Neformbeivegung des jungen Kaiſers 

fü, welche eine fanatifche Reaktion der altfonjervativen Partei unter der Führung 

der Kaiſerin-Witwe hervorrief und die von diefer Partei großgezogene wilde und aber: 

* Boxerbewegung mit ihrer Loſung: Tod den Fremden. Nicht religiöſe Motive, 

dern die gehäuften Herausforderungen des beleidigten chineſiſchen Nationalſtolzes ſeitens co 
11* 


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LIE Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche 


Berlin abendlandiſchen Politik, welche die Mandarinen und Yitteraten zur ana: 
ul der unwiſſenden und abergläubiichen Maſſen benugten, baben die Kataſtrophe 
Btyarehuttt Und wenn ihr jo viel Miſſionare und eingeb. Chriſten zum Upfer fielen, 
hun dae daber da Diele wehrlobs und der Volkswut am erponiertejten waren und 
daß das uneibe Vorurteil in tbnen Bundesgenoſſen der verbaßten fremden Mächte er- 
—8* Wenn de Münton eine Schuld traf, jo war es Die katholiſche, die verantwortlich 
abe sperden konnte. weil Nie ters mir der Politik verflechten war und namentlich der 

N ander: br deutiche Biber Anzer. Der Ich rubmte, Daß Deutfchland ibm den Beſitz 
ver nd verdanke. 
ve spater Were beden dre irdtichen Ehrtiten Die Feuerprobe beitanden. Wobl 
J St it Dyaforzwen wsızız Nrefe, die metiten beitanden in einem zweideutigen 
2, ae cin syskır Vroyundes beames Treue bis in den oft ſehr grauſamen Tod. 

3» \arrer Diem dit zu einer glänzenden Cbrenrettung 

Non Nuss * ——— znerssen Ehriten ausgeſchlagen. Und was noch 
—XR N: era N CRÛÚAI-. ton —— u auniten Der Miſſion eingetreten, 
No. Neun Se ssn Sı hr Sukn’ berobnsr alt überall jind Die Miſſio— 
RUNNTO Nam oo ygaätarnge SIAT Dan rn. | Sr zurudaenıfen und mit offiziellen Ebren 
Nut mu SI Pre 55 Kemisa Eriat fur Den angerichteten Schaden ange: 


N 


Nov SINE 878 Sarnen Daben jeden ZSchadeneriag abuelebnt, andere ihn aller: 
Neo nenne EN. AUnrerichiede von den boben ‚verderungen Der Katholiken 
RENT Sn az purden von den hoben Beamten evangeliſche Miſſio⸗ 
wu Mein. Neo] Wstound That bei Der Einführung der ım Schulweſen nötig 
N.No Were ode, chser Mur, tauſcht nicht alles, ie Kar mit der Nataftrophe 
EN NRE IE Eroce der wineſiſchen Miſfien begonnen. Freilich 
Nut 5 Ne Wereosps Fromroens: bald kommt es bier bald dert zu neuen Un— 
N NIE met on a er sumiihen Hoffnungen warnen muß. 


Wr ee das ae Dem benachbarten (5 Millionen zahlenden) Norca, 
Net IN AN N nas und jegigen Zankapfel zwiſchen Rußland und Japan, 
rn co entre von amerikaniſchen Presbyterianern und biſchöflichen 


END Nr Sun mWange it, Die bereits 7-— 8000 Chrüten gelammelt bat 


Nom Nor. A. stanr Mtellt. 


x 7. Fpire. New-York 1876; Stock, en and the Japan mission®, 


nn . a life story of foundation work, New-Yort 1900; Hardy, 

. 8. Nara Boston 1502, Ritter, Dreißig Jahre prot. Miſſion in Japan, 

N IN Geha „ ergänzte engl. üeberſebung desſelben von Greene, Totyo 1898; 

OR needs Nupan, Bremen 1895; Munzinger, Die Japaner, Berlin 1898; 
\ N 8.0. Wiizenmiflenid. in allen ihren Jahr: gängen. 

oem von Xaver 1549 eröffnet, eine alte fatb. Miſſion beitanden, 

Non 5 “Ns opinliche Allianzen erzielten großen Scheinblüte 1637 ein ge: 

— Nova wurde, Das zugleich den völligen Abſchluß Des X Landes gegen 

NO Na NN Erſt 1853 wurde durch die Amerikaner jeine Offnung 

I INn 8 ib Japan umter der Fübrung des Mikado mit einer fat 

‘ ' ed. au rinem modernen Kulturſtaate umgebildet, dem es gelungen 


NN N and Großmächte sine ebenbürtigen Maß ſich zu erringen. 
NR nn! Miſionsſignale. Obgleich Das Chriſtentum anfänglich religio 
ea Ib 1859 Die erſten amerikaniſchen Miſſionare (proteft. bijchöf- 
—BR jormierioh, unter ihnen Die großen Bahnbrecher Hepburn und 
rat N a, olohama id niederzulafien, wo fie allerdings zunächit nur ale 
NE RN oit Aurentbaltsrecht erhielten, aber Durch ihr Vertrauen erweckendes, 
N Do yywe perionliches Verhalten cine felte Begründung der evang. Milfon 
>esound und nach durch : 32 Geſellſchaften (unter ibnen ſeit 1885 auch der 
‘ sen MR, mir wenigen Arbeitern) vertretene Miſſion bat eine Gefchichte 
ne Bieelfalle Man kann fie in 4 Perioden teilen! 1. in Die der 
Sy a Nr Verborgenbeit etwa bis 1872, wo es in Volobama zur Kon: 
N am, au LI Gliedern beitehenden japanijchen Gemeinde fam; 2. in die 
ra Neo alten Edikte gegen Das Ebrijtentum ermöglichten öffentlichen 
“nette dio zum Sabre 1889. Der große Erfolg, den dieſelbe hatte 
N mmionberechtigte Chriſten), lag weniger in einem religiöſen Be⸗ 
So RXlAnndaeoſen alten Religionen (Schintoismus, Buddhismus und Kon⸗ 


Miſſion unter den Heiden, proteſtantiſche 165 


fuzianismus) nicht befriedigten, al3 in dem epidemiſch gewordenen Kulturbunger, der die 
Annahme des Chriſtentums als ein integrierended Stück des civiliſatoriſchen Fortſchritts 
betrachtete. In diefe 3 der Begünſtigung der Miſſion durch die führenden Geiſter 
namentlich in der Preſſe fällt auch (1876) die Begründung der chriſtlichen Hochſchule 
(Doſchiſcha) in Kioto durch den edeln Niſima, deren Schülerzahl bis 1889 auf 900 ſtieg. 6 
Leider ſtarb dieſer bedeutende Mann ſchon 1890 und in der damals einſetzenden Reak—⸗ 
tionsperiode wurde die Schule ihres chriſtlichen Charakters beraubt, eine Kriſis, die aller 
dings vorübergegangen, ſeit der aber die alte Blüte big jet nicht mwiedergefehrt iſt. Es 
waren überwiegend Vertreter der mittleren und höheren Stände, die die von Anfang an von 
einem ſtarken Selbititändigfeitstriebe erfüllten weſentlich jtädtifchen Gemeinden bildeten. 10 
*— ae diefe Gemeinden damals bereitd ſich zu Firchlichen Unionen zuſammen⸗ 
zufchließen. 

Schon träumten Enthufialten von einer Chriftianifierung Japans bis zum Ende des 
19. Jahrhunderts, da trat 3. eine Periode erit des Stillftandes der Bewegung, dann der 
Reaktion gegen das Chriftentum und der Sichtung ein, die bis 1900 andauerte und in 15 
der ſich die Zahl der erwachſenen Chrilten nur bis auf 41000 vermehrte. Rn diejer Ebbe⸗ 
bewegung trugen vornehmlich 3 Urfachen bei: a) die in der jüngeren Generation ein- 
geriſſene Zügellofigleit, welche der Vernachläſſigung der vaterländifchen Religionen fchuld 
gegeben wurde und die unter der Parole: zurüd zu den vaterländ. Sitten, ein Wieder: 
aufleben der heidnifchen Religionen zur Folge hatte; b) die Giferfucht des empfindlichen 20 
japanifchen Patriotismus, welcher das Chriftentum für unvereinbar mit der japanischen 
Baterlandsliebe erklärte; und ce) die Importierung des abenbländifchen Unglaubens und 
der große Verwirrung anrichtenden modernen kritiſchen Theologie. Es iſt ja ſchmerzlich, 
daß der Chriſtianiſierungsprozeß Japans ins Stoden geraten ift, aber die Sichtung tft 
durch die dreifache Lehre, die fte gegeben, ein Segen geivorden: nämlich, daß der bloße 25 
Kulturbunger nicht identifiziert werden darf mit religiöfer Empfänglichkeit; daß der ge- 
funde Eroberungsmweg der hriitlihen Miſſion von unten nach oben und nicht umgefehrt 
gebt; und daß man dem Evangelio Chriſti feine miffionierende Kraft nimmt, wenn 
man es rationalifiert, um das Argernis des Kreuzes zu bejeitigen. Seit 1901 ift durd) 
einmütige Aktion aller altgläubigen Milfionsorgane wieder ein Aufſchwung eingetreten, 30 
der, wenn nicht alles täuscht, den Anfang einer neuen vierten Periode der japanifchen 
Miſſion bezeichnet. 

Von den 4 Hauptinjeln (Hoflaido, Hondo, Schilofu und Kiufchiu), aus denen dag 
43 Millionen zäblende japanische Reich beiteht, iſt die größte, Hondo, am ſtärkſten befegt; 
namentlich in der Hauptſtadt Tokyo mit dem Hafenorte Wolohama findet ſich bis heute 35 
faft die Hälfte der japanischen ev. Ehrijtenheit. Die fongregattonaliftifchen, die presbyte— 
rianifchen und die episfopalen Gemeinden haben fich zu je einem Kirchenkörper zufammen: 
geichloffen und die methodiftifchen jind im Begriff, es gleichfall® zu thun. 

Statiſtiſches Ergebnis der aſiatiſchen Miffionen: 





Das weitlihe Alien . . . . 75000 evang. Chriften 40 

Britifch- Indien mit Cylon . . 1000000 „ 

Nichtbrit. Hinterindien . . . . 6000 „ „ 

Malaiischer Achipel. . . . . 39000 „ „ 

China mit Korea . 2... .2....222000 „ „ 

Japan. 65000 „ 45 
Ca. 1758000 „ „ 

D. Sözeanien. 


Meinide, Die Inſeln des ftillen Ozeans, Leipzig 1875 und 76; Anderson, History 
of the mission of the Am. Board to the Sandwich islands, Bojton 1872; Cousine, The 
story of the South Seas, Zond. 1894; Prout, Memoirs of the life of J. Williams, London 50 
1893; Beller und Kurze, %. Williams, der Mifiionar der Südfee und die Londoner Südſee— 
Riliion*, Berlin 1896; Kurze, Samoa, Berlin 1900; Turner, Nineteen years of missio- 
nary life in Polynesia, London 1880; West, Ten years in South-Central-Polynesia, Xon: 
don 1865; Rowe, Fidji and the Fijians, Yondon 1870; J. Paton, Missionary to the New 
Hebrides. An autobiography, deutſch, Leipzig 1895; Yonge, Life of J. C. Patteson, Lond. 55 
1875; deutih, Gütersloh 1877; Armstrong, The history of the Melanesian mission, Lond. 
1900; Kunze, Im Dienft des Kreuzes auf ungebahnten Pfaden, Barmen 1877; Better, Die 
Arbeit der Reuendetteldauer M. auf Neuguinea, Neuend. 1898; Murray, Forty years mission 
work in Polyn. and New Guinea, Lond. 1870; Chalmers u. Bill, Neuguinea, Reifen u. 
Mifjionsthätigkeit, deutſch, Leipzig 1886; Schneider, Mifjionsarbeit der Brüdergem. in Auſtra- 60 


166 Miſſion unter den Heiden, proteſtantiſche 


lien, Gnadau 1882; Buller, Forty years in New Zealand und New Zealand past and pre- 
sent, Zond. 1878 und 83. 

Auf der in die 5 Hauptteile: Polyneſien, Mitronefien, Melanefien, Auftralien und 
Neufeeland ſich glievernden und, von den reichlih 4 Millionen weißen Anſiedlern abge: 

5 fehen nur von faum 1:/, Millionen Cingebornen bevölterten ausgedehnten Inſelwelt des 
jtillen Ozeans, febte, angeregt durch die Cookſchen Entdedungen, die evangelifche Miſſion 
durch die Londoner M.G. als Pionierin 1797 und zwar auf Tabitt ein. Dieſer Gejell- 
fchaft, Die nah und nah unter der Führung hervorragender Miffionare (John Williams, 
Murray, Chalmers) ihre Arbeit über einen großen Teil Polyneſiens und jpäter bis nad 

10 Neuguinea ausbehnte, folgte die C.M.S. in Neufeeland (Marsden), die West. M.G. auf der 
Zonga:, Witi- und Samoagruppe (Hunt, Galvert) und ſpäter im Bismardardipel (Brown), 
der amerifanifche Board auf Hawar und von da aus in Mifronefien (Doane) die (ang- 
likaniſche) melanefishe Miffton unter Selwyn und Vattefon, die fchottifchen und Tanabı- 
chen Presbpterianer auf den Neuhebriden (Geddie, Paton). Auch einige Tleine deutſche 

15 Miffionen finden fih in Auftralien und Neuguinea und die Parifer MG, mußte auf 
den franzöfifchen Beligungen an die Stelle der vertriebenen Londoner treten. Seit Mitte 
der 30er Jahre, als die evang. Miffion bereits bedeutende Erfolge erzielt, drängte fich, 
zuerft im Bunde mit der franzöfifchen Macht, auch die katholiſche Miffion ein, mit der 
unverbüllten Tendenz, die evangelifche möglichit zu zeritören. Das jtatiftifche Ergebnis 

20 der letzteren beläuft jich jegt auf rund 300000 Chriſten. Eine genke Reihe von Inſel⸗ 
gruppen iſt ganz oder fait ganz chriitianifiert und felbit decidierte Miffionsfeinde müſſen 
onftatieren, daß, wenn man das Sonft mit dem Set vergleicht, durch die Miffion „ein 
höchſt erfreulicher Fortſchritt herbeigeführt worden iſt“. 

1. Bolynefien. 

26 Auf den jegt den V. St. einverleibten Hawaii- oder Sandwichinſeln, auf denen Coof 
1779 erfchlagen wurde, begann 1820 der Am. Board das Chriſtianiſierungswerk und 
1870 erklärte er «8 für vollendet. In doftrinärzindependentifcher Haft überließ er die 
junge, zur Selbſtſtändigkeit noch nicht reife Miſſionskirche fich felbft, mas einen inneren und 
äußeren Rüdgang zur Folge batte. Heute gehören von den auf einige 39000 reduzierten 

so Voll- und Halbhlut-Eingebormen kaum noch 17000 zu ihr; der Net bat fidh der 
ſpäter eingedrungenen anglikaniſchen Miffton angeichloffen oder iſt Tatholifiert worden, 
vielleicht auch ins Heidentum zurüdgefallen. Unter den 82000 eingeiwanderten Japanern 
und Chineſen wird von verſchiedenen Seiten und nicht ohne Erfolg miſſioniert. 

Cine eräignisreiche Gefchichte bat die 1797 durch die Londoner G. begonnene evang. 

5 Miffion auf den 3 Gruppen der Gefellichaftsinfeln, befonders auf Tahiti, durchlebt. 
1815 verbalf ein durchichlagender Sieg des Könige Pomare der chriftlichen Partei zur 
Herrſchaft, 1826 begannen die Maffenübertritte. 1836 drängte ſich die fatholifche Pro- 
paganda ein, 1842 murde das franzöftfche Protektorat proflaniert, 1863 mußte die 
Pariſer M.G. auf Tahiti und 1887 aud auf Rajatea, dem früheren Gentralfige des 

2%. Williams, die Yondoner ablöfen. Zie bat jegt die ſämtlichen 15000 evang. Ein: 
gebornen in ihrer Pflege. 

Ungeftört dur katholiſche Eindrängung iſt feitens der Londoner G. der ganze (eng: 
liche) Hervey-Archipel, in den Rarotonga, gleichfalls durch Williams, am befannteften ge 
worden, driltianijtert (9000). 

55 TDasjelbe ift der Fall mit der ihrem größten Teile nach jet deutfchen Samoagruppe, 
nur daß bier eine katholiſche Invaſion ftattgefunden bat und neben den Londoner aud 
Wesleyaniſche Mifftionare tbätig gewefen find (32000 evang. Cingeborne). Bon Raro: 
tonga und Samoa aus find auch, weſentlich durch eingeb. Lehrer, die Tokelau-, Ellice 
und ſüdl. Gilbertinfeln ganz bzw. falt ganz chriftianifiert worden. Die Londoner M.G. 

so zählt bier ca. 11000 Chriſten. 

Völlig chrijtianiftert und zwar durch die Weslchaner jind ferner die benachbarten 
(engliſchen) Tongainfeln, allerdings nicht ohne blutige Kämpfe. Hier hat über 50 Jahre 
lang der allgemein geachtete chriſtliche Knig Georg ein weiſes und fegensreiches Regiment 
geführt (17000 evang. Chrijten). 

> sm Witi-Archipel find, gleichfalls dur die Meslevaner, von der jeßt noch 109 000 
Seelen Starten eingebornen Bevölferung 98000 zu evang. Chrijten gemacht worden. Der Sieg 
des Evangelii über dieſe einft robeiten Kannibalen gebört zu den glänzenditen Partien ver 
neueren M.Geſchichte, obgleich er nicht ohne kriegeriſche Rämpfe zu ftande gefommen ift. 
„Es iſt bier ein Werk getban, bezeugt der englifche Gouverneur Gordon, deſſen Gründ- 

co lichkeit und Weitherzigfeit alle meine Erwartungen übertrifft”. 


Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 167 


Viel jünger als in Polynefien ift die Miffton in dem weſtlich angrenzenden und 
von einer wilden Bevölkerung beivohnten 


2. Melanefien, 
deſſen beſetzteſtes und ergiebigjted Arbeitsfeld die in 3 Gruppen geteilten Neuhebriden 
find. Neben den Anglifanern (melancfifhe Miſſion) find es die ſchottiſchen, fanadifchen 5 
und auftralifchen Presbyterianer, welche bier die Arbeit tbun, deren Ergebnis ca. 20 000 
evang. Chriften (unter 85000 Bewohnern) find, die erfteren auf den nördlichen, die letz⸗ 
teren auf den mittleren und füdlichen Inſeln. Ganz criftianifiert find Aneityum durd) 
Geddie, Aniwa durch Paton, Tongoa durch Michelfen, faft ganz das von dem Märty- 
rerblute William! und der beiden Gordon getränkte Erromanga; auch auf den nörd— 
lihen Inſeln hat die melanefische Miffion bedeutende Erfolge erzielt. 

Das Arbeitögebiet derjelben eritredt fich auch auf die nördlih und norböftlih an- 
arenzende Santa Cruz: und Ealomon:Öruppe. Auf der zu der erjteren gehörigen Inſel 
Nukapu fand der edle Biſchof Patteſon den Märtyrertod. Insgeſamt zählt die von der 
neufeeländifchen Kolonialfirche betriebene melanefiihe Miffton auf 26 Inſeln der 3 ge: 16 
nannten Gruppen 12000 ®etaufte. 

In dem jeit 1884 unter deutfche Schußherrichaft geitellten Bismardarchipel haben auf 
Neupommern, Neulauenburg und Neumedlenburg die auftralifchen Wesleyaner jeit 1875 
eine wejentlih durch eingeborne polynefifche Evangeliften betriebene Miflion im Gange, 
die gegen 9000 chriftlihe Anhänger in ihrer Pflege bat. 20 

Mit ähnlihem Erfolge ift von den Londoner Miffionaren im britifchen (ſüdöſtlichen) 
Neuguinea und zum Teil auch von den Wesleyaniſchen bier (und auf den Luifiaden) 
gleichfalls durch polyneſiſche Evangelijten unter Führung beroifher Männer wie Murray, 
Chalmers, Lawes, gearbeitet worden (ca. 18000 chriltlihe Anhänger). Dagegen ift im 
niederländifchen Neuguinea (Doreh:Bay), wo der Utrechtſche M. V. (van Haflelt) feit 1885 25 
(260 Getaufte), und im deutfchen Katfer-Wilbelmsland, wo die Neuendettelsauer und die 
Rheiniſche M.G. feit 1886 und 87 ein opferreiches Geduldwerk treibt, erjt ein fehr ge- 
ringer Erfolg zu regiftrieren. In dem an kleinen Inſelchen reichen 

3. Mikroneſien 
ft in den 3 Archipelen, dem (engliichen) Gilbert: mie dem (deutichen) Marfchall: so 
und Karolinen-Archipel ausfchlieplih der amerikanische Board durch eingeborne Xebrer, 
ſowohl hawaiiſche wie mifronefifche, fett 1852 thätig, mit Ausnahme der füdlichen von 
der Londoner Miſſion faſt chriftianifierten Gilbertinfeln. Während auf den Gilbert: und 
Narichallinfeln jeine Arbeit einen im ganzen ruhigen Gang genommen bat, tft fie auf 
den Karolinen, vornehmlich der Hauptinsel Ponape, durch Die glüdlichermweife nur vorüber: 35 
gebende ſpaniſche Offupation (1886—99) in der gemwaltthätigiten Weife geftört morden. 
(Mit Einſchluß der zur Londoner Miffion gebörigen) zählt das geſamte Mikronefien 
22000 evang. Chriften. 

4. Auftralten. 

Unter der ausiterbenden, höchſtens noch 55000 Seelen betragenden, berfprengten 40 
und auf tiefiter Kulturftufe stehenden eingeborne Bapuabevölferung wird in Viktoria, 
Neufüdwales, Queensland, Süd: und Weſtauſtralien von der Brüdergemeine (Hagen: 
auer), den deutſchen Yutheranern und den Anglifanern (Gribble), am ausfichtsvolliten 
von der eriteren auf der Nork-Halbinjel (im Norden Queenslands), mit der ausdauernd- 
ften Geduld, aber wenig Erfolg gearbeitet; höchſtens 1200 Chriften find das Ergebnis. 45 
Größer ift dasjelbe unter den eingerwanderten Chinefen (700) und den als Arbeiter ein: 
gehen Ozeaniern (1000), unter denen faft alle auftralifhen Koloniallirchen mif- 

nieren. 

5. Neufeeland. 

Hier begann 1814 die C.M.S. und 1822 die Wesleyaniſche Miffions:Gefellfchaft so 
die Arbeit, die bald einen überrafchenden Erfolg hatte, der aber leider durch die mit 
der wachſenden weißen Einwanderung und der englifchen Okkupation entbrennende 
gandfrage, welche zu einen blutigen Kriege mit den Maori führte, jehr geitört wurde. 
Richt wenige fielen ganz ins Heidentum zurüd, andere bildeten jih unter Führung eines 
fanatifchen Propheten eine phantaftifche Mifchreligion, den Haubauismus, und es hat Jahr: 56 
zehnte gedauert, bis diefe Wirren wieder überivunden worden find. Cine feitens nord: 
deuticher Miſſionare auf Ruapufe gefammelte Gemeinde bat ſich den Vresbyterianern an: 
geichlofien und die Hermannsburger Miffton hat ihre dortige Arbeit aufgegeben. Die Zahl 
der Maorichriften beläuft fich heute auf 25000. 


fur 


0 






Statiftifches Ergebnis der ozeaniſchen Miffionen: 
en ; EEE —* evang. Chriſten 
— — 22.000 — 
ua en ie 6000 5 
Nafelant- ; 2. 285000 „ — 
Sa.: 303500 — 
Geſamtſtatiſtik: 
Amerifa . : . » 8375000 „ er 
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Aien = 2. 2. 1758000 „ , 
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Mon: BT, Be a —— ausge: 
Kunblegungenrbeit e ben EN ng 
aus Kenntnis- ge as teuerfte eld bejahlen ” mu ——— 
202. 2 fm fie der Anfang eh * Same wird. Mit der Länge ber Arbeits— 


l 9 — vermehrt ſich der ionserfolg in fteigender Pro⸗ 

— en. In Laufe der legten 25 Jahre ift er —J— en als in den vorhergehenden 
underten zuſammen. Dazu — a iöfer, fittlicher 

und fultureller Beziehung weit über d —R regiſtrierbare Man 

2 muß * Sonft mit dem Jetzt vergleichen, um auf ben einzelnen Di ebieten den 
— richtig zu werten, den der ion verdanken. Die Verglei ER 

geivejen mit dem, was fie geworden ‚ giebt auch den richtigen * 
Beurteilung der Qualität der are ten. Sp elementar auch immer das 
der Majorität derjelben fein mag: ergleich zu der Nacht des Heidentums, aus * 

0 fie gekommen, iſt es eine ee —— die den Aufg Ya neuen Tages be 

we Und baben fie auch den alten Menſchen noch nicht vo ig muägegogen jo hr es 

ſchon ein großer Sieg, wenn der Heide abgelegt ift. Trof aller ihrer Mängel —— 
atten iſt die Heidenmi fion der Gegenwart doch ein Werk, an dem man Gottes 
— ſieht. Leider iſt es keine einheitliche Chriſtenheit, meh die Mif 3 treibt, 

» ſpeziell die rückſichts· und in der Wahl ihrer Mittel ellofe römische Segen 
richtet viel Verwirrung an. Und ärgernispoll ift das Verhalten der hrofen IM ajorität 
der unter den Heiden lebenden weißen Namenc hriften um berentoillen der Name des 
Chriftentums geradezu geſchändet wird. Die unchriſtliche Chriftenbeit inmitten ber Heiden: 
welt bildet das größte Hindernis der modernen Miſſion. 


40 4. Die Miffionsmetbode. 

BWarned, Evang. Mifionslehre‘, 3. Abt. Der Betrieb ber Sendung, Gotha 1903; Grunde: 
mann, Miffions-Studien u. Kritiken, Ju. II, Gütersloh 1894 u. 98; Neben Ev. mil. Mag. u 
Allg. ndian Evang. Review (Kalkutta, feit 1874) u. Chinese Recorder (Schanghai, feit 
1868). Die Protofolle folgender Miffionätonferenzen: von Liverpool (1860), London 6 

45 New⸗Yort (1900); von Allahabad (1873), Schanghai (1878 und 1890), Kalkutta (1883), 
Dfafa Ko). Zofyo (1900), Madras (1905), Bremen (feit 1866 bis 1901). 

n ben —— der evang. Miſſion war es bezüglich der — Anweiſungen 
ähnlich wie in den nfängen der chriftlichen Miffion überhaupt: fie fehlten entiveder ganz 
oder fie waren, wie Zinzendorf gelegentlich fagt: „neneral“. Die Theorie iſt i ren —— 

1 exit u und wo fie ihr voraufgegangen tt, bat die Erfahrung ie torı 
bie. Auch die Miffionsmetbode bat ihre Gef 
le ben wir «8 allerdings bis heute noch nicht — "Sie Ver. 
re der Miffionsorgane in nationaler, firchlicher und päda ——— Bien 
es auch ſchwerlich zu ibr kommen laſſen; aber über die großen un N 
ss je länger je mehr eine weſentliche Übereinftimmung erzielt, wer auch im 
Handeln nad) diefen Grundjägen immer Variationen bleiben, die durch die Belt | 
der Miffionsorgane bedingt jind. Nach und nach bat ſich der vlic für die großen Pro- 


Miffion unter den Heiden, proteftantiidhe 169 


bleme verjchärft, die im Laufe der Arbeit je länger je mehr zu tage traten, und wenn 
diefe Probleme auch noch nicht alle gelöft jind, jo find fie doch geitellt. 

Nach der Auffaffung faft der ganzen älteren Miffionsgeneration wurde als die Auf- 
gabe der Miffion betrachtet 1. den einzelnen Heiden gläubig und durch den Glauben 
felig zu maden und 2. diefe gläubig gewordenen Heiden in eccelesiolae zu fammeln, die 5 
man ganz nad) der pietiftifchen oder methodiſtiſchen Fagon formierte. Gegenüber diefem 
individualiftiichen Mifftonsbetriebe, Durch den man „Austwahlgemeinden” zu erhalten glaubte, 
trat allmählich eine Ernüchterung ein, als man fich der Erkenntnis nicht mehr verfchließen 
fonnte, daß die gejammelten Bemeinden, auch wenn fie ihrem Umfange nad) ecclesiolae 
waren, doch nicht aus lauter wirklich „Bekehrten“ beitanden, ſondern Bruchſtücke von 
Volkskirchen darftellten mit Elementarchriften, deren religiöfes und fittliches Leben fich 
über das der TDurchichnittschriften daheim nicht nur nicht erhob, fondern oft unter ihm 
jtand. Und indem man diefe Thatjache auch begreifen lernte, wuchs das Verſtändnis 
dafür, daß gereifte Chriften nur das Ergebnis einer längeren chritlichen Erziehung fein 
fönnten und zwar einer Erziehung, die fich nicht nur auf einzelne Individuen befchränfte, 
fondern auf eine fittliche, geijtige und foziale Geſamthebung des Volkslebens, auf eine 
Durchdringung der volflichen Naturverbände mit den Sauerteigsträften des Evangelii ge: 
richtet fein müßte So brach ſich nach und nach gegenüber der bloß individualiſtiſchen 
die erweiterte Auffaflung der Miffionsaufgabe Bahn, daß in Verbindung mit der auf 
den Einzelnen gerichteten Nettunggarbeit eine miſſionariſche Volkserziehung ſtattfinden 20 
müfle, Die es auf die Sammlung einer einheimischen volfstümlichen Chriftenheit, aljo auf 
eine Vollschriftianifierung anzulegen habe. 

Im engiten Zufammenhange mit diefer ertweiterten Auffaflung der Miffionsaufgabe 
fteht die immer Hlarere Erkenntnis des Miffionszieles, nämlih die Begründung folcher 
ſelbſtſtändigen Volkskirchen, die fih aus eigenen Mitteln unterhalten, durch eigene Kräfte 26 
erbauen und regieren und aus eigenem Antrieb miffionieren. Diefes Ziel jtellt uns 
wieder vor eins der jchwierigiten miflionarifchen Probleme, und bis heute experimentieren 
wir noch an feiner Löſung; aber daß es jet überhaupt erfannt war, während man in 
den Miffionsanfängen nicht einmal von ihm träumte, das ift der große Fortjchritt. Alle 
größeren Miffionsbetriebe arbeiten jegt an der Erziehung der heidenchriftlichen Kirchen zur 80 
Eelbjtftändigfeit, nur daß es die einen haftiger, die anderen befonnener thun. Am ener: 
giſchſten haben die freikirchlichen Mifftionsorgane die Selbititändigftellung betrieben, allen 
voran Die independentischen, die freilich in ihrem doftrinären Eifer die Reifebedingungen wie— 
derbolt ignoriert haben, an welche diejelbe gebunden werden muß. Bis heute giebt es 
— abgejeben von den Negerfirchen der V. St. — noch Feine wirklich ſelbſtſtändige d. h. 35 
von mifjionarifcher Leitung völlig unabhängige heidenchriftliche Kirche. Wo man das Er- 
periment gemacht bat, 3. B. in Hawaii, Madagaskar, brit. Guyana, da hat der der pä— 
dagogiſchen Weisheit ermangelnde independentijche Doftrinarismus ein Scheingebäude ge- 
ſchaffen, das der foliden Fundamentierung entbehrte,; überall tt innerer und äußerer 
Rüdgang die Folge geweſen. Für die völlige Unabhängigkeit von der jendenden Chriften- 40 
beit feblt falt allen jungen Hetdenfirchen nody die Reife 

Aus der erweiterten, mit der Erziehung zur kirchlichen Selbtitändigfeit verbundenen 
Miffionsaufgabe ergeben ſich nun eine Neihe wichtiger mifftonsmethodifcher Konfequenzen: 
a) eine gejunde Pflege des Volksſtums. Nur wenn das Chriftentum in dem ihm fremden 
Boden der beidnifchen Nationen fo eingepflanzt wird, daß es fich in ihm als ein einheimt- 45 
ſches Gewächs naturalifiert, kann eine Wirklich jelbftitändige beidenchriftliche Kirche zuſtande 
fommen. Tiefe Naturalifierung bedingt eine volfliche Artung des Chriftianifierungsprogeffes: 
eine Chriltianifierung der Volksſprache, der Volksſitte, der Volksverbände; eine Aufgabe, 
die die Miflion vor eine Fülle der komplizierteſten Probleme Stellt. Vornehmlich zwei 
Hauptgefahren find zu vermeiden: eine religiögerigorofe Behandlung der fremden Eitten w 
und eine Vermengung der Chriftianifierung mit der Europäilierung oder Amerikaniſierung. 
Die erfte diejer Gefahren brachte die pietiftifche Engigfeit mit ſich, die zweite liegt in der 
Rulturüberlegenbeit und in dem Nationalegoismus der Miſſionsſubjekte, und beide erden 
begünftigt durch Mangel an pädagogiſchem Geſchick gegenüber den Mifftonsobjekten. Die 

äbigkeit und der Wille, fremder Eigenart fich zu affomodieren, ift vornehmlich deutjches 55 
barigma, während die englifche und amerifaniiche Art fich ſchwer akkomodiert. Selbft 
bezüglich der Pflege der eingebornen Sprachen macht ſich dieſer Unterjchted geltend. 

b) Die Heranbildung eines eingebornen Lehrſtandes. Allerdings iſt in dieſer Be- 
dehung auch ſchon früher manches gefchehen, namentlich wieder jeitens der freifiechlichen 

tifftonen; aber die zielbewußte Weiſe, in der es heute gejchieht, freilich manchmal etivag vo 


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170 Miffion unter — — 


— ———— an die Bild } 





nis der neueren milfie 


ii pe heute 4170 ord. * aus 
5 Eingebornen in ihrem Dienſte unterbält zur A ig —2 375 von RABEN 
Schüle befuchte Sehranftalten. Im Zu ——— mit dieſer Vermehrung ber ein⸗ 
yebornen Arbeiter ſtand nicht bloß eine äußere Ausdehr des — und ve 
Gendahen. un; une ——— e dab al 
eine —— ausbau tion, D 
‚0 mit * I oe jan Mc bin die Erziehung zur frhlichen Selbjeftänd teit Fort: 


e) Eine B Bereicherung der Miſſionsmittel. zn blieb, wie fie es von Anfang 

eivejen, bi ündliche Berfündigung des gelii das Hauptmiffionsmittel, ab 
neben ihr nahm zunädft bie ähul- und bi — u die. Arzeliche 
und die Frauenarbeit einen en bititändi | 






— ja bis zu Univerfitäten — * ich 6 — —— * all 
— aan er Klaſſen >. antchung do Wal be —— ie eine im Ju 
Se vorigen Jahrhunderts als ein integrierende Si 


felben in * Miſſionsbetrieb eingeflochten worden. Die Statiſtik redet bier die bered— 
Neben ca. 19000 sichulen * über en gehts Schülern und — mas 


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ndlungen und in Thät ı Die 
ifhonanfche —— — 2 gkeit, deren Perſonalſtatiſtik bereits früher ange 


worden ei Wohl tsanftalten: 379 itäler, 
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oo find und noch gegeben werden, iſt es ſchwer, beſtimmt au jagen, was unter ihr zu ver⸗ 

















Miffion unter den Heiden, proteftantifche Million unter den Juden 171 


fteben iſt. Mott in feinem mit. flammender Begeilterung gejchriebenen Buche: The 
evangelization of the world in this generation (London 1900. Sen deutfcher Bear: 
beitung Berlin 1900) erflärt: es fei gemeint, „daß allen Menfchen eine ausreichende 
Gelegenheit geboten werden foll, Jeſus Chriſtus als ihren Erlöſer kennen zu lernen und 
fein Jünger zu erden”, aber nicht: „Chriftianierung im Sinne von Durchdringung der 6 
Welt mit chriftl. Ideen“, obgleich Schule wie litterarifche und ärztliche bat eit nicht 
ausgeichlofjen, auch die Verkündigung des Evangelit feine oberflächliche fein joll. Pierſon 
verfteht darunter nur „Predigt und Zeugnis. Diefe beiden Worte umfaffen alles, was 
unter Evangelifation gemeint ift.” Was den Definitionen an Klarheit fehlt, erfegen die 
methodischen Grundfäge, nad) denen gehandelt werden fol. Es find folgende: 1. Aus: 10 
fendung großer Scharen von Evangeliften, um in fürzefter Zeit allen Menſchen Gelegen: 
beit zu geben, das Evangelium zu hören. 2. Größte Beichleunigung ſowohl der Ausjendung 
wie der Kundmachung, daber  anderprebigt die weſentlichſte Miſſionsaufgabe. Schule, 
litt. Thätigleit, Gemeindegründung und gar firchliche Organifation wird entiveder unter: 
laffen oder doch als von untergeordneter Bedeutung betrachtet. 3. Weltweiter Umfang der 16 
Predigt; daher Zeritreuung der Kräfte nach der Varole: diffusion not concentration. 
Begründet werden dieſe Örundfäße durch den Seien Chrifti Mt 24, 14, der nur die 
Predigt in der ganzen Welt verorpne; durch das Vorbild der Apoſtel, die als Reife: 
prediger fchnell von Ort zu Drt gezogen feien; und durch den Zufammenhang der Miſſion 
mit der Paruſie, die dure die beeilte Kundmachung des Evangelit unter allen VBölfern be & 
fchleunigt werden müſſe. 

Wie diefe Begründung einfeitig und eregetifch unhaltbar ift, die Unterjchiedenheit der 
Berbältnifje in der apoftolifchen Zeit und in der Gegenwart ignoriert und auf geiftlofen Be: 
rechnungen tie auf Ungebuld beruht, fo ftehen die methodiſchen Grundfäge im Widerſpruch 
zu den Erfahrungen eines Miffionsjahrbunderts, entbehren der Bürgſchaft für den Beſtand 26 
des — wenn überhaupt erzielten — Erfolgs und lafjen die großen Schwierigkeiten völlig 
außer Anſatz, die ein gejunder Mifftonsbetrieb überwinden muß, wenn auch nur eine ver: 
ftändnnisvolle Aundmachung des Evangelii, gejeineige die folide Gründung einer chrijt- 
lihen Kirche zu ſtande fommen fol. Eine ſolche Gründung iſt Miffionsaufgabe; die Be— 
ſchränkung diefer Aufgabe auf bloße Evangelifatton vermechfelt Mittel und Zweck. Tas 30 
bloße Predigen genügt nicht; es ſoll vermittelft desfelben der Grund zur Eilleſia gelegt 
werden. Ohne dieſen Bau thut die Miſſion ein halbes und noch nicht einmal ein halbes 
Werk. Iſt aber die Aufgabe, unter den vielſprachigen und für das Verſtändnis der 
evangeliſchen Heilsbotſchaft ſo wenig vorbereiteten Heiden der Gegenwart: die Ekkleſia zu 
bauen, die die Pforten der Hölle nicht überwältigen, jo reicht dazu die bloße Kundmachung 36 
des Evangelii nicht aus; es ift feite Stationierung, geduldige Ausdauer in gründlicher 
Unterweifung, treue Seelforge, ernite Kirchenzucht, weiſe Organiſation unerläßlih, und 
diefe folive Arbeit kann nicht über die ganze Erde in Eile, am menigften im Verlaufe 
einer Generation gethan werden. Die unter dem Schlagworte: „Evangelifation der Welt 
in diefer Generation” mächtig gewordene und von aufrichtig frommen Männern getragene «0 
Miſſionsbewegung hat manche Traftuolle Anregung gegeben und enthält für alle Miſſions— 
axbeiter im einzelnen viel Beherzigenswertes, aber als eine miffionsmethodifche Reform: 
bewegung wird fie feine bleibende Bedeutung haben. Täufcht nicht alles, fo iſt eine ge: 
wiſſe Ernüchterung bereits eingetreten; nachdem noch manches zu erjparen geweſene Lehrgeld 
bezahlt fein wird, wird auch fie den mifjionsmethodifchen Grundjägen ſich anjchließen, die ss 
auf der Erfahrung eines Miffionsjahrhunderts beruhen. Prof. D. Warneck. 


Miffion unter den Juden. — Litteratur: Die im Tert angegebenen Mifjions- 
zeitihriften und Berichte. Für die ältere und katholifche Miſſionsgeſchichte: einzelne Aufſätze 
in den älteren Bänden von „Saat auf Hoffnung“ von Prof. Delipih und Dr. Fürft; aud) 
Grätz, Seihichte der Juden. Für die neuere evangeliihe Miſſionsgeſchichte: Das fehr gründ- 50 
lie und umfangreiche Werk: Die evangeliihe Ehriitenheit und die Juden unter dem Geſichts— 
punkt der Miſſion geichichtlicdy betrachtet von Lic. 3. F. U. de fe Roi, Pfr. 3 Bde, Karlsruhe, 
und Leipzig 1884—32. Ferner Israel und bie Kirche, Geſchichtl. Ueberblid der Bekehrungen 
der Juden zum Chrijtentume in allen Jahrhunderten von Dr. Chr. K. Kalkar, überſetzt von 
AL Micelien, Hamburg 1869; Kurzgefaßtes Handbud) ber Miffion unter Israel von Lic. 55 
Dr. &. 9. Dalman, Prof., Berlin 1893, worin S. 101--119 ein reichhaltiges Verzeichnis dei 
Litteratur über Judenmiſſion und Judentum enthalten ift. Für die neuejte Zeit find Die 
Aufjäße von Lic. de le Roi wichtig in: Nathanael, Zeitfchr. f. d. Arbeit der evang. Kirche an 
Sörael von Prof. Dr. H. L. Strad, Berlin, 16 Jahrgänge. — The Jews and their Evange- 
lization by the Rev. W. T. Gidney, M. A., London 1899. 60 


172 Miffion unter den Juden 


Obwohl das Reich Gottes, das zu verwirklichen Jeſus Chriftus gelommen mar, fi 
nad) den Weisfagungen der Propheten nicht allein auf Jsrael eritreden follte, ſondern 
ſich über die ganze Erde und alle Völker derjelben auszudehnen beftimmt war, jo batte 
Jeſus doch feine perfünlihe Wirkſamkeit auf Israel, das alte und einzige Bunbdesvolt 

5 Gottes, befchränft, und auch feinen Jüngern hatte er geboten, nicht auf der Heidenftraße 
zu gehen (Mt 10,5). Erjt bei feinem Abſchied von der Erde und den Jüngern gab er 
diefen den Befehl, alle Völker zu lehren und zu taufen und zu feinen Jüngern zu machen. 
Die Zwölfe ſahen fich aber vorerft auch auf die Juden angetviefen. Die erften Chriſten⸗ 
gemeinden waren ganz und gar aus züdifchen Glementen gebildet; die Gemeinden in 

10 Judäa, Samaria, Galiläa (AG 9, 31) beftanden nur aus Juden und udengenoffen, 
d. h. folchen Heiden, melde als Proſelyten des Thores oder der Gerechtigkeit die jüdiſche 
Religion angenommen hatten. Die Million der Apoftel unter den Juden war von 
jolben Erfolg, daß Jakobus den Paulus auf die Myriaden befebrter Juden hinweiſen 
fonnte (AG 21,20). Wir müſſen für jene Zeit zum menigften 25000 Syudenchriften 

ı5 annehmen. Auch eine große Menge von Prieitern wurde dem Glauben gehorfam (AG 
6, 1. 7). Aber auch in den Gemeinden, melde Baulus und feine Beglelter in Klein- 
alten, Griechenland, Kreta u. ſ. w. gründeten, beitand der Grundftod der Gläubigen 
meift aus erachten. Pauli Miffionsreifen gingen ja der Straße nad, mo, wie ein 
Brief des Königs Herodes Agrippa I. an den Kaiſer Galigula bezeugt, gerade die größten 

20 Nicderlaffungen von Juden fich befanden. Ob er in Cypern oder Macedonien oder 
Korintd war, überall verkündete er fein Evangelium zuerit in den Synagogen, und 
feiner einzigen Chriftengemeinde unter den Heiden fehlten die Judenchriſten. Sogar die 
Gemeinde in Rom muß einem guten Teil nad aus Juden beftanden haben. 

Daß aud das 2. Jahrhundert der chriftlihen Zeit die Belehrung der Juden nicht 

25 aus den Augen verlor, das beweiſt Juſtins Des Märtyrers Geſpräch mit dem Juden 
Tryphon (viell. Rabbi Tarpho) und im Beginn des folgenden Jahrhunderts die Tertullian 
zugefchriebene Schrift adversus Judaeos. 

In diefer Zeit aber hatten die judenchriftlichen Elemente bereit3 längjt eine bäre 
tiiche Richtung eingefchlagen, indem fie teils ſich in ihrem jüdifch-nationalen und jüdiſch⸗ 

30 religiöfen Bejonderheiten verfteiften, teil8 dem üppigiten Gnoftizismus buldigten. Das 
weitere Anwachſen des jüdischen Elementes in der Kirche märe demnach eine ernſte Gefabr 
für ihr inneres Leben und ihren Beſtand geworden; es ift darum eine wunderbare 
Fügung der Vorfehung, daß mit dem Barlochbafchen Aufftand auch die maflenhafte Zu— 
wendung der Juden gu Ghriftentum aufbörte, indem eine feharfe Trennung und Ab: 

35 Schließung der Judenſchaft, gegen die einen immer mebr univerfalen fatholifchen Charalter 
tragende Kirche eintrat. Troß feinem unglüdlichen Ausgang bezeichnet nämlich dieſer 
Aufitand doch den Anfang einer neuen Epoche im geiltigen Xeben der Juden. Die 
Juden, der politiſchen Macht und des nationalen Beitandes beraubt, fonzentrierten ihr 
ganzes Geiſtesleben vollends auf das Gefebesitudium und produzierten den Talmud, 

3 diefen ftarfen und umfaffenden Zaun, der Israels Dafein und religiös-geiftigen Beltand 
zwar aufs beite fchüßte, aber auch die Juden von allen tiefer einwirkenden Lebensmächten 
der Geſchichte abfperrte und insbefondere für die Annahme des Ehriftentums bis auf ben 
beutigen Tag eine ſchwer zu überfchreitende Schranke bildete. Wie ftart nämlich auch zu 
Jeſu und der Apoftel Zeit die Juden ſchon vom phariſäiſchen Geiſt durchjäuert waren, 

35 jo hatte doch das ‚Judentum, jo lange wenigſtens der Tempel ftand, nody ein vwerbältnis- 
mäßig naturwüchſiges, biftorifchsisraclitifches Gepräge. Solche Juden konnten noch unbefangen 
in Jeſu den verbeißenen Meſſias erfennen und zum Chriftentum übergeben. Durch die 
vollendete Verkehrung des Propbetismus in Talmudismugs aber wurde zwiſchen Juden 
und Chriſten eine Kluft befeſtigt, welche eine unbefangene Betrachtung und Beurteilung 

so. des Ghrijtentums feitens der Juden von vornberein unmöglih machte. Seit darım der 
Talmud direkt oder indireft noch den Geiſt der Juden bildet und beherrfcht, ift es un- 
möglich, daß ſich, wie in den eriten Zeiten, Myriaden von Juden dem Chriftentum zu: 
wenden. Wie die talmudische Geiſtesrichtung ſchon in ihren erjten Anfängen die Dede 
vor den Augen der Juden war (2 Ko 3, 13- -16), fo tft fie es noch und wird es fein, 
>> bis auc ihre legten Ausflüſſe wieder verſchwunden fein werden. Dies betätigt die ganze 
Geſchichte der Judenmiſſion und Dies giebt ihr ihren eigentümlichen Charakter; fie bat 
Erfolg überbaupt nur bei ſolchen Juden, melde mit dem Talmud zu brechen im ftande 
jind, und fie bat einen wahren und quten Grfolg nur bei foldhen, welche diefen Bruch 
mit religiöfem Ernft vollzogen und ohne fich aller religiöfen Bedürfniffe und Verpflich- 
co tungen zu entſchlagen. Daraus ergiebt ich eine dreifache Stonfequenz: 1. Die Judenmiſſion 


Miffion unter den Juden 173 


kann feither nicht an das jüdifche Volk als folches, fondern nur an Einzelne aus dem 
Volke fi wenden; 2. die Belehrungen finden eben deswegen nicht oder nur ausnahms- 
weife in größeren Zahlen jtatt; 3. unter denen, die zum Chriftentum übertreten, ſind 
immer auch foldye, die den Bruch mit dem Tahınud nicht aus religiöfen Motiven voll: 
zogen haben, deren Annahme des Chriftentums darum auch feine ernitlihe iſt. Dies 
charakteriſiert die ganze Mifftonsgefchichte der folgenden Zeit. 

I. Gejhichte der Judenmiffion in der katholiſchen Kirche. Eigent- 
liche Beranjtaltungen zur Belehrung der Juden befaß die alte Kirche nicht, aber immer: 
bin war fie vom Wunfche befeelt, auch die Juden für Chriftum zu gewinnen. Nicht bloß 
gab es zu jeder Zeit ſolche, welche die Liebe Chriftt drängte, aud) den Juden das Evan: 10 
gelium nahe zu bringen, ſondern aud) andere Motive wirkten mit, daß die Leiter der 
Kirche wie des Staates beitrebt waren, die Juden zum Eintritt in die Kirche zu beivegen. 
Eo als der Staatsminister Caſſiodorus Mönch geworden war, fühlte er fich gebrungen, 
in feiner Pjalmenauslegung häufig auf die Juden Rüdficht zu nehmen, und durdh in 
die Auslegung eingeflecdhtene Anrede an die Juden auf ihre Belehrung binzumirten (vgl. 
3.2. feine Conclusio zu Pfalm 81). Kaiſer Juſtinian dagegen machte fein Hehl daraus, 
warum er ſich Eingriffe in die Neligionsfreibeit der Juden erlaube, und warum er be: 
fehle, daß fie fich in ihren Synagogen einer griechifchen oder lateinijchen Überſetzung des 
Urterted bedienen, dagegen ſich der hagadifchen, d. h. talmudiichen Auslegung desjelben 
enthalten jollten; er hoffte nämlich, daß fie dann cher zum Verſtändnis der chriftlichen 20 
Wahrheit gelangen würden. Ihm waren politifiche Motive maßgebend, wenn er alle 
feine Unterthanen chrijtlich haben wollte. Biſchöfe wiederum ließen den gegen die Juden 
aufgebrachten Pöbel ihrer Städte ungehindert Gemwaltthätigleiten gegen ſie verüben, indem 
fie durh Gewalt und Zwang den ftarren jüdiſchen Sinn brechen und zur Annahme 
des Glaubens williger machen wollten. So batte 3.3. Biſchof Avitus von Glermont 
Ferrand zuerit in Predigten die Juden der Stadt zur Belehrung aufgefordert; als dieſe 
nichts fruchteten, zerftörten die Chriften die Eynagoge; es floß jüdiſches Blut; da er- 
Härten jich 500 Juden zur Annahme der Taufe bereit. Ihr Tauftag war ein Freuden: 
feit und PVenantius Fortunatus verherrlichte die Geſchichte in Verfen. Solche Beleh: 
rungen kamen leider nur zu oft vor. Doc, verlangt die Gerechtigkeit zu bemerken, daß so 
die römifchen Päpſte von Anfang an und durdy alle Jahrhunderte hindurch die Beichüger 
und Fürfprecher der Juden waren (vgl. Grätz, Gejchichte der Juden, V, 41). Schon 
Gregor I. verabjcheute alle Zwangstaufen und verbot fie öfter; und als einft ein übereifriger 
Proſelyt ein Kruzifie und ein Marienbild in der Synagoge zu Cagliari aufftellte, befahl er 
ibre Entfernung. Dagegen bemühte er fih mit aller Freundlichkeit, ja durd) Begünftigungen 35 
und Belohnungen Juden zur Kirche zu ziehen; jüdischen Aderpächtern erließ er in folchem 
alle die Steuern. Er verhehlte fi) zwar nicht, daß die auf diefen Weg gewonnenen 
Täuflinge wenig wert feien, aber er rechnete auf ihre Nachkommen. „Wir geivinnen, 
ſchrieb er in feinen Briefen, wenn aud) nicht ſie felbft, doch gewiß ihre Kinder”. Die 
Erfahrung bat die Unrichtigfeit diefes Grundfages reichlich ertiwiefen und bejonders durch 40 
die Geſchichte Spaniend muß die Miſſion für alle Zukunft gewarnt fein, nach Gregors 
Grundfag zu verfahren. Aus diefen Beifpielen können wir ſowohl die Motive mie die 
Mittel erfennen, wodurch die Chriften während der ganzen mittelalterlichen EAt die Be: 
fehrung der Juden zu erreichen fuchten. Sie verbielten fh zu feiner Zeit gleichgiltig gegen 
die Juden und ihre Belehrung; es ift faum ein Jahrhundert, daß nicht Schriften zu 35 
ihrer Belehrung von hohen und niederen Geiftlichen aufzumeifen hätte; auch kein Jahr: 
bundert, in weldem man nicht durch Belohnungen und Vergünftigungen Juden für 
den Glauben zu gewinnen trachtete; es ijt aber auch fein Jahrhundert, in welchem man 
mit das, mas der Eifer der Liebe nicht vermochte, mit Gewalt und Zwang erreichen 

fönnen vermeinte; fo iſt denn auch fein Jahrhundert, in welchem nicht zahlreiche so 
rofelyten aus aufrichtiger Überzeugung zum Chriſtentum übertraten, von denen zahl: 
reiche der Kirche gu Zierde gereichten, wie auch fein Jahrhundert ift, in welchem nicht 
die um trdifcher Vorteile willen oder zwangsweiſe Getauften der Kirche zur Yajt und zum 
Schaden gereicht hätten. Demnach fehlte e8 auch feiner Zeit „weder an Klagen der 
Smagoge über den Belehrungseifer der Kirche, noch an Klagen der Kirche über die Hals: 55 
ftarrigleit der Juden” (Kalkar); beides beweilt, daß nichts weniger als Gleichgiltigfeit 
gegen die Juden auf dhriftlicher Seite berrichte. 

Beſonders waren es Jederzeit die Proſelyten, welche ein eifriger Miſſionstrieb be— 
ſeelte, einmal vielleicht weil ſie am beſten die geiſtige Armut und Dürre des talmudiſchen 
Judentums erkannten und darum ihr Volk beſonders bemitleideten und ſodann weil ihre co 


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174 Miffion unter den Juden 


Bekanntſchaft mit dem Talmud, mit Denkweiſe und Sitten der Juden es ihnen am 
leichteften zu machen ſchien, auf ihre Brüder einzuwirfen. Ohne auf eine Beurteilung 
einzugeben, jei nur bier als Thatjache der Gejchichte konitatiert, Daß zu jeder Zeit Pro: 
jelgten die zahlreichiten Werkzeuge der Million abgaben. So war es im 7. Jahrhundert 
5 der Proſelyte und Biſchof Julian von Toledo (get. 690), der feine Schrift: „De sextae 
aetatis comprobatione contra Judaeos“, verfaßte, um die Juden zu widerlegen, 
welche in ihren Schriften fich Dadurch vor dem Bekehrungseifer des Ba ar Könige 
Erwig zu ſchützen juchten, daß fie behaupteten, Jeſus lünne nicht der Meſſias fein, da 
diefer erft im 6. Jahrtauſend der Welt erfcheinen werde. Doc kannte er feine Volks⸗ 
10 genoffen zu gut: „Vermöge er nicht die Juden zu überzeugen, jo wünſche er wenigſtens 
die Ghrijten in ihrem Glauben zu befeftigen”. Faſt gleichzeitig hatte Iſidor von Sevilla 
zwei Bücher verfaßt, worin er die chriitliche Glaubenslchre aus dem AT belegte und 
befonders darauf hinwies, daß das Szepter von Juda gewichen fei, und daß nun die 
Chriften, welche das Neich Gottes und chriitliche Könige hätten, das wahre Israel feien. 
15 Ohne Pedro Alfonſo (1106 in Osca getauft) und feinen Zeitgenofien Samuel Jehuda 
mit ihren Miſſionsſchriften zu erwähnen, jei der Thätigkeit des großen Dominifaner- 
general® Raymund von Pennaforte gedacht. Er führte das Studium der bebrätfchen 
Sprade und talmudifchen Schriften in dein Dominitanerorden ein, ganz fpeziell zum 
Behufe der Miflionstbätigfeit unter den Juden. Ein Jünger dieſes Ordens, one 
20 Chriftiant aus Montpellier, auch jüdiſcher Herkunft, war der erſte eigentlihde Miſſions⸗ 
prediger. In Südfranfreich und anderwärts reijte er umher, predigte und disputierte mit 
den Juden in Kirchen und Synagogen, inden er aus Bibel und Talmud die Meffianität 
und Göttlichkeit Jeſu zu bemeifen juchte. 1263 disputierte er zu Barcelona im könig— 
liben Balaft vier Tage lang mit dem eriten und berühmtelten Rabbiner Spaniens, mit 
25 Moſe Nachmani. Nachher durchreiite er Aragonien. Zur felben Zeit verfaßte der Do: 
minifaner Raymund Martin, ein geborner Chriſt, der gründlich Hebrätfeh, Calväifch und 
Arabifch in feinem Klofter gelernt batte, fein gelehrtes Werk, pugio fidei contra Mauros 
et Judaeos, eine Rüſtkammer zum Streit für die folgenden Zeiten. Die Schriften des 
Talmud, Raſchis, Ibn-Eſras, NMaimunis und Kimchis benutzte er dabei fleißig. Auch 
30 andere Dominikaner hatten häufige Geſpräche und Disputationen, gegen welche ih 3. B. 
der Rabbi Ben-Aderet mündlich und ſchriftlich verteidigte. Abner von Burgos, ein als 
Jude angeſehener und philoſophiſch gebildeter Arzt, als Chriſt Alfonſo genannt und ein- 
facher Sakriſtan einer Kirche zu Valladolid, ſchrieb mehrere hebräiſche und ſpaniſche 
Schriften zur Bekehrung der Juden, disputierte 1336 und ſetzte es durch, daß den Juden 
35 verboten wurde, das alte Gebet gegen die Minim (Ketzer, Judenchriſten) zu beten. Nicht 
viel jpäter jchrieb cin anderer Proſelyt, \obannes von Valladolid, eine Erläuterung zu 
Ibn-Eſras Erklärung der zehn Gebote und eine concordia legum des Judentums und 
Ghrijtentums, disputierte zu Burgos und Avila mit Moſe Coben de Tordefillas, der auch 
noch mit einem anderen Proſelyten zu Dieputieren batte. Auch der Kardinal Pedro 
de Yuna, fpäter als Papft Benedikt XIII. genannt, disputierte felbft in Pampeluna mit 
Rabbi chem Tob ben Schaprut, twie er auch zeitlebens das lebhaftefte Intereſſe für die 
Belehrung der Juden bewies, Er war auch der erfte Beichüger und Gönner des Rabbi 
Salomon Halevi (1353 — 1435), der päter als Paulus de Sta Marta Erzbiſchof von 
Burgos wurde und der, auch als er die höchſten Etaatsämter und Würden befleibete, 
5 doch für die Bekehrung feines Volkes tbätig blieb. Mit Jofua von Xorca wechſelte er 
Streitſchriften, bis diefer felbjt übertrat und ein eifriges Werkzeug zur Belehrung vieler 
ward. Nie war vielleicht der litterarifche und mündliche Kampf jo an der Tagesordnung 
alg um jene Zeit in Spanien und nit ohne die bedeutendften Erfolge. Unter ben 
Tauſenden, die damals vielfach freilih aus irdiſchen Gründen oder aud aus Furcht und 
50 Zwang in die Kirche eintraten, gab es doch eine fehr seohe Zahl aufrichtiger Belenner 
und Jünger Jeſu, Die nicht bloß mit Ernſt, jondern mit Begeiſterung fih dem Chriſten⸗ 
tum bingaben und für dasfelbe eintraten. „Das Judentum wurde dur den Übertritt 
gebildeter und gelebrter Männer, Arzte, Schriftiteller, Dichter vieler Talente beraubt” 
und „manche Derjelben waren von einem Bekehrungseifer bejejlen, al8 wären fie geborne 
Dominikaner“, das muß ſogar Grätz geiteben (VIII, 83). Aſtruc Raimuch, als Chrift 
Franciscus, ein Arzt, desgleichen Johannes Baptijta, auch Arzt, und Paulus de Haredie, 
alle drei Proſelyten, bewieſen ihren Miffionseifer mit Wort und Schrift. Am erfolg: 
reichjten war die große Dieputatton zu Tordofa, vom Februar 1413 bis 12. November 
1414, die in 68 Sigungen zwiſchen den acht gelehrtejten Nabbinen Spaniens mit Hiero- 
6o nymus de Sta Fé (Joſua von Yorca) und Andreas Beltran, auch einem Proſelyten, 


40 


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Miffion unter den Juden 175 


geführt wurde, unter Vorfig Benedikts XIII. und Mithilfe Pauls von Burgos. Anfolge 
des für die Chriften günftigen Ausganges traten aus den größeren jüdifcehen Gemeinden 
zu Saragofja, Calatajud, Daroca, Fraga, Barbajtro viele einzelne über, in kleineren 
Gemeinden von Alcanniz, Caſpe, Maella, Lerida, Alcolea, Tamarit ließen fich allefamt 
taufen. Oleichzeitig entfaltete eine großartige Thätigfeit der Judenbekehrung der Domi- 
nikaner Vincentius Ferrer, der als Bupprediger Ztalien, Sranfreih und Spanien durd) 
zog. Im ganzen follen mindeiteng 20500 Juden damals in Gajtilien und Aragonien 
getauft worden fein (die übertreibenden jüdifchen Quellen reden fogar von 200000). Auch 
auf den Balearen fanden zum öfteren große Befehrungen ftatt, jo ſchon im 5. Jahr— 
bundert traten infolge für wunderbar gehaltener Begebenheiten 450 Juden über. Nach— 
dem Mallorca jpanifch geworden, befuchte 1229 Rayınund von Wennaforte felbit die 
Inſel und arbeitete erfolgreich, ebenfo 1403 Vincenz Ferrer. In der ganz auferordent- 
lichen Macht, ja Übermacht, womit die jüdische Bevölferung auf die geiftige und materielle 
Entwidelung Spaniens drüdte, liegt der Grund, warum gerade in dieſem Land fich der 
nachhaltigſte Eifer für Belehrung der Juden fundgab. 15 

Ganz anders dagegen Frankreich. Hier finden fich verhältnismäßig fehr wenige 
Beitrebungen für diefen Zweck. Zwar gab es zu Zeiten Kreife, welche nicht bloß chriſt— 
liche Liebe zu den Juden, fondern fogar eine bedenkliche Vorliebe für fie und Hinneigung 
zum Judentum fundgaben. So der Hof Ludwigs des Frommen, deijen zweite Gemahlin 
Judith eine bejondere Verehrerin der Ablömmlinge der Patriarchen war; die Höflinge 20 
ließen jich von Juden fegnen und von ihnen für fich beten; fie fprachen es offen aus, 
daß ihnen Moſes lieber als Chriftus jei. Ludwigs Beichtvater Bodo trat fchließlich Sur 
zum Judentum über und ließ fich befchneiden. Agobards, des Bischofs von Lyon, Auf: 
treten gegen folche Inklinationen gehört aber nicht in die Miſſionsgeſchichte. Eher ge 
bören die Streitigkeiten de Proſelyten Dunin (Donin) dazu, der ım Talmud die Ur: 2 
fache erkannte, warum die Juden dem Chriftentum fo beftig widerſtänden; er verflagte 
darum den QTalmud beim Papſt Gregor IX. Ludwig IX., der Heilige, veranjtalte de3- 
balb eine Disputation zwiſchen Dunin und Rabbi gehe 1240, infolge deren 24 Wagen 
jüdiſcher Schriften verbrannt wurden. Außer Nilolaus von Lyra (1300— 13410), der 
Door als Chrijt geboren, aber doc, jüdischer Herkunft war, und der eine Anzahl von 30 

troversichriften gegen die Juden fchrieb, wird uns faum ein Name genannt, der ſich 
um Belehrung der Juden bemüht hätte, obwohl e8 auch nicht in Frankreich an zahl: 
reichen frommen Profelyten und Projelytenfamilien fehlte, wie auch nicht an zahlreichen 
Iwangstaufen, Verfolgungen und Gewaltthaten. 

In Italien, mo fich die Juden des meiſten Schußes erfreuten, find es beſonders die 35 
Bäpfte und Mönche, welchen die Judenbekehrung am Herzen lag. Unter letzteren find zu 
nennen Alberto di Trapani, Bernardino di Feltre und Giovanni Gapiitrano, deſſen 
Miffionsreifen zur Belehrung der Keger, Juden und Türken freilich neben guten Früchten 
auch blutige Spuren zurüdließen. Der Kapuzinergeneral Laurentin de Brundilio, get. 
1619, predigte mit großer Kraft und vieler Milde und zog, ſtets eine hebräifche Bibel 40 
in der Hand, durch Stalien; Rabbiner und Laien befehrten ſich durch feine Predigt. 
Bleiben Erfolg hatte Angelus Hierofolymitanus. Rom ſelbſt war ein Ort, two zahl: 
reihe Juden zu allen Zeiten das Chrifientum annahmen. Die römische Einrichtung, daß 
Juden wöchentlich oder mehrere Male im Jahr in Kirchen oder Synagogen dhrift- 
liche Predigten hören mußten, fanden in ganz Europa auch unter Proteftanten bis ing 45 
18. Jahrhundert hinein Nachahmung. Paul III. gründete 1550 ein eigenes Inſtitut zur 

elehrung. Gregor XIII. vermehrte und erweiterte diefe Anjtalten für beiberlei 
chlecht. Bei den Taufen vertraten Kardinäle und Prälaten die Vatenftelle, wie auch) 
die Päpjte jelbjt die Taufen jehr häufig vornabmen. Pius V. fol als Papſt der Kirche 
über 100 gelehrte und reiche Juden durch die Taufe zugeführt haben. Tas Konftanzer 
Konzil beſchäftigte ſich offiziell mit der Sache der Judenbekehrung; der Projelyt Theobald, 
Predigermönd und Profeſſor der Theologie, hielt 1416 dafelbit eine beifällig aufgenom: 
mene Rede. Ebenſo war diefe Sache Gegenftand der Verhandlung auf dem Konzil zu 
Bafel 1434 und au Mailand 1565. Beſonders Karl Borromäus legte die Judenbefeh- 
rung feiner Geiftlichkeit ans Herz. Zahllos find in der That die Vrofelyten, gelehrte, 55 
me und reiche, welche feit dem 16. Jahrhundert in Italien fich befehrten und dann 
mit Wort und Schrift fih an ihre Brüder wandten, auch hohe Kirchenämter einnahmen 
oder unter den Adel der Nation aufgenommen murden. 

Merkwürdiges zeigt die Miffionsgefchichte in England. Unter Wilhelm des Er: 

oberers Sohn, dem Roten, kam es vor, daß Juden fich beklagten, weil fo viele ihrer 6o 


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Wiederbringung Israels und der dadurch bedingten Vollendung der Kirche Jeſu —* 
aufs tiefſte durchdrungen iſt“ (Delitzſch). „Die Verfaſſer huldigen dem en R 
nismus, aber die Liebe zu dem Herrn und feinem Volke flammt in bielem Buche und und 
die Bekämpfung des rabbiniſchen und modernen Judentums it überwältigend“. Auch 

45 ber Brofelpt Abbé Bauer verwandte ea glänzende Rednergabe zu vielbefuchten Vor: 
trägen für die Juden zu Paris und Wien. Die großartigſte Thätigfeit aber entfaltete 
der Projelyt Marta }  Mlpbonfe Natisbonne, zulegt in Baläftina. Diefer, aus mn reichen 
rs ischen Familie entiproifen, trat im Jahre 1842 zur katholiſ en Kirche über = 

nd jid von Anfang an ſtark gedrängt, die chriftlihe Wahrheit unter Israel 

50 breiten. Mit feinem Bruber Theodor ließ er ſich von Gregor XVI. die Million von 
Juden erteilen und beide gründeten nun die Kongregation der Nonnen von unjerer Tieben 
Frau don Sion zur Erziehung jüdiſcher Mädchen, Die Belehrung mander von dieſen 

die ihrer ganzen Familie nah ſich. Seit 1855 ftiftete dieſe Kongregation auch 
n- für hriiliche Mädchen, Watjenbäufer, Arbeitsichulen und verbreitete ſich über 
witantinopel nad Paläſtina. 1862 vollendete fie das impofante Klojter Eece Homo 
——— —— haben ſie Anſtalten an mehreren Orten Frankreichs, Englands, 
balcedon, Balacz, auf dem Yibanon u. f. w. Bei Jeruſalem befihen ie eine große 

Fi St. Johann im Gebirge und in_ der Stadt jelbjt unterhalten fie ein judiſches 
pital mit Apotheke für jüdifche Arme. Die Ausbreitung und Blüte diefer Anftalten 
zeugt für ihren Erfolg; da jedoch die katholiſche Kirche prinzipiell die Zahl ihrer Kom: 





Un Miñion amter den Tuden 


te Irene nun “=... 0 27.2 82 zwingen, zum Judentum zurüd: 


leeren bh) Bırrtriterter on Tr ***& binderte Die Ausführung ſeiner 
Ra EEE lv or ‘;trz 7° 7 wwoden Juden und Gbrilten veran: 
Slam Ben ogertio oo 8.2... hroszmur ichwur, er Werde Jude werden, 
u .n. ne Tome or 0.  meizrz twraär, Trier von Bermondien, cin 
Bi oaymal Dılenvers 0.0.02 SE vzeffmite en eine ähnliche Anttalt. 
ale ee III onen ons sans ur Aufnabine und Vilege von 
le Dr. nee rn nz zu, men Voriteber, Der Die Yuflucht: 
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«4 


Miffion unter den Faden 177 


vertiten geheim hält, jo laſſen ſich Teine Angaben darüber machen. Thatjache aber ift, 
daß die fatholifche Kirche gegenwärtig nicht ärmer an Proſelyten fein dürfte ale die 
evangelijche; fie verlegt fich bejonders darauf, in gemischten Ehen den jüdiſchen Teil und 
die Kinder zu ſich herüberzuziehen. Männliche wie meibliche Konvertiten pflegen ehr 
häufig in den Ordens oder Prieiterjtand einzutreten, jo daß fie im öffentlichen Xeben wenig 
bemerkt werden. 

II. Geſchichte der Judenmiffion in der evangelifchen Kirche. Obwohl 
die religiög-politifchen Veränderungen in Deutichland im 16. Jahrhundert die Ioziale Lage 
der Juden keineswegs verbeflerten, vielmehr das auf den Juden laftende Joch nur um 
fo drüdender madten, indem das kaiſerliche Schugrecht über die Juden ins Belieben der 10 
vielen Zandesfüriten überging und von diefen zu neuer Erniedrigung der Juden aus- 
gebeutet wurde, jo war doch infolge des Reuchlin-Pfefferfornichen Handels in den refor- 
matoriſchen Kreijen eine den Juden günftige Stimmung verbreitet. Luther ſelbſt äußerte 
in feiner Schrift, „daß Jeſus ein geborner Jude war” die Hoffnung: „wenn man mit 
den Juden freundlich handelte und aus der Hl. Schrift fie fäuberlih unterweiſete, es 15 
jollten ihrer recht viele Chriiten werden, und wieder zu ihrer Väter, der Propheten und 
Patriarchen Glauben treten, davon ſie nur gefchrecft werden, wenn man ihr Ding ver- 
wirft und jo gar nichts will fein laſſen und handelt nur mit Hochmut und Verachtung 
wider fie. Wenn die Apoftel, die auch Juden waren, aljo bätten mit uns Heiden ge: 
bandelt, wie wir Heiden mit den Juden, e8 wäre nie fein Chriſt unter den Heiden 20 
worden. Haben jie denn mit und Heiden fo brüderlich gehandelt, jo jollen mir wieder 
brüderli mit den Juden handeln, ob wir Etliche befehren möchten, denn wir find auch 
ſelbſt noch nicht alle hinan, geſchweige denn hinüber“. Diefelbe Hoffnung pridht fih in 
einem Brief an den Proſelyten Bernhard aus. Dieje Hoffnung jchlug freilich fpäter in 
das gerade Gegenteil um. In den Schriften: „Bon den Juden und ihren Lügen‘ und 2 

„Vom Schem Hamphoras“ fpricht er ſich ganz anders aus. „Juden zu befehren, meint er 
da, tft gerade fo unmöglich, wie den Teufel zu befehren. Ein jüdiſch Herz tit jo ſtock⸗, 
ftein- und eijenbart, daß es in Feiner Weile zu bewegen if. Summa: es find junge 
Teufel zur Höllen verdammt. Gin jolch verzweifelt, durchböfet, durchgiftet, Durchteufelt 
Ding tit es um dieſe Juden, fo diefe 1400 Jahr unfre Plage, Peſtilenz und alles Unglüd so 
geweſt iſt und noch find”. Geiderlei Ausjprüche gefammelt in %. Filcher, Dr. Mart. 

Luther von den Juden und ihren Lügen, 1838, und Hengftenberg, Die Opfer der 
bl. Schrift, die Juden und die chriftliche Kirche, 2. Ausg., Berlin 1859.) Schlimmer 
noch aber als dieſe Urteile find die unbarmberzigen Natjchläge, die er zur Ausrottung des 
„Unglüds” giebt. Wie nun aber überhaupt die fpäteren Anfichten Luthers von größerem 5 
Einflup waren auf das pofitive, geiftige Gepräge jeiner Kirche, alg die früheren frei: 
finnigeren, jo aud) bier. Wenn darum aud die äußeren Verhältnifje der lutherifchen 
Kirche für die Miſſionsſache günftiger geweſen wären, als ſie faktiſch fich geftalteten, fo 
wäre doch nicht zu erwarten geweſen, daß ich größerer Eifer für die Belchrung der 
Da gezeigt hätte. Gleichwohl fehlte es jo wenig der lutheriſchen und reformierten 40 

irche, wie der fatholifchen diejer Zeit an zahlreichen Profelyten, unter denen bejonders 

mmanuel Tremellius aus Ferrara herborragt, der zu Heidelberg mit Urfinus und 
levianus an der Abfafjung des Heidelberger Katechismus beteiligt war und als Schrift: 
fteller und Theologe großes Anfehen genoß. Die mittelalterliche Einrichtung bejonderer 
Audenpredigten, an denen teilzunehmen die Juden von obrigfeitsiwegen gezwungen ivaren, 15 
wurde von vielen proteitantifchen Städten wieder eingeführt. 

Im 17. Jahrhundert ijt e8 Esdras Edzard in Hamburg, der bei Burdorf hebräijche 
and talmudijche Yitteratur ftudiert hatte und nun als Privatmann in feiner Vaterjtadt 
fich aufs eifrigfte für die Belehrung der Juden bemühte und viele Erfolge feben durfte. 
Aus jeinen eigenen Mitteln ftiftete er einen bedeutenden Fond, deſſen Zinjen ausſchließlich so 

Förderung der Judenbekehrung und Fürjorge für die Neubelehrten verrvandt werden 
—* Seine zwei Söhne, Georg und Sebaſtian, ſetzten ſein Werk fort mit gleichem 
Erfolg. Später übernahm der Hamburger Senat die Verwaltung der Stiftung, welche 
jedoch ſeitdem ihre Wirkſamkeit beinahe völlig eingebüßt hat. Edzards Beſtrebungen 
wurden bedeutend unterſtützt durch die damaligen Geſetze Hamburgs, wonach alle Juden 55 
isre Kinder in chrijtlichen Schulen mußten unterrichten laſſen. Erſt im Alter der Unter: 
kbeidungsfähigfeit wurde es in ihre Wahl geitellt, ob ſie Chrijten werden, oder bei der 
väterlichen Religion bleiben wollten. Fonds ähnlicher Art wie diefer zu Hamburg 
ſcheinen auch noch in anderen Städten exiſtiert zu haben; fo trägt em Teil des Genfer 

ögens beute noch den Titel fond des Proselytes. Ganz ähnlich erging es co 

NealsEncpklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 12 


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* 
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IN Miffion unter den Juden 


Donna NEU weren die Juden im ER Jabrbhundert ac vungen worden. die Re 
lebrungopreriureneme den proteſtantzöchen Narben mit amsuboren. Im 17. Jabrhundert 
verhairx man heat die Ratobauſer De Landes Irm 1 Jabrbundert aber regte der 
talent VOR Auen Bi NOS bebertrat —B die Grundung einer Rroſelvten⸗ 
REEL AM Dan Vandatat Ezet NEM ost IT eo cine odiche ins Yeben, indem er tem 
Aa N SL RE SET IE 66—4 Fonds zu Dieiem 


Dog use una wine Die freie Stadt Frankfurt 


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Milfion unter den Juden | 179 


Provinzen 3984 Juden taufen und zwar gerade die Reichiten und Gebildeiten. Anfangs 
überftiegen die Taufen die Zahl von 200 im Jahr; noch 1825 waren es 147, welche 
die Taufe begehrten. 
1. Unter den Miffionsgejellichaften in England iſt die ältejte die London Society 
for promoting Christianity among the Jews. 6 
Die erfehütternden Ereigniffe der gewaltigen Zeit hatten die innerjten Tiefen des 
religiöjen Lebens aufgerüttelt; befonders auch in England entftand ein neues, religiöjes 
Geiſtesleben. Der Verfall und die Zerrüttung der Kirchen und ihrer Inſtitute, der offen: 
bare Abfall jo vieler Taufende von allem Glauben, erzeugte in denen, Die zu neuem 
Leben kamen, vielfach die Meinung, daß das Ende der Dinge nahe gekommen fei, und 19 
der Ghriftenheit nur durch eine neue Ausgießung des bl. Geiftes geholfen werden könne, 
und daß endlich, um beides herbeizuführen, in Bälde eine allgemeine Bekehrung der Juden 
ftattfinden müſſe. Mean vertiefte fih nicht bloß in die neuteftamentlichen, jondern aud) 
in die alttejtamentlichen Weisfagungen und glaubte daraus zu erſehen, daß von den 
nach Jerufalem zurüdtehrenden und fich dafelbit befehrenden Juden eine neue Belebung 15 
der alten Ghriftenheit ausgeben werde, und daß jie, die befehrten Juden, die legten und 
beiten Miffionare für die Heidenmwelt fein würden. Dieje Ideen fpornten einige tbat- 
träftige Männer an, fich der Juden und ihrer Belehrung anzunehmen. Vor allem war 
es ein begüterter Geijtlicher, Lewis Way, in melchen derartige Gedanken zündeten und 
der nun feine Kräfte, Zeit und Mittel gänzlich diefem Zwecke zuwandte. Mit PBrofeflor 20 
Simeon in Cambridge, Dr. Marfh in Birmingham, dem Proſelyten %. F. Fry und dem 
Prediger Legh Richmond gründete er 1808 unter dem PBatronat des Herzogs von Kent, 
Baters der Königin Victoria, die London Society. Anfangs beſtand die Gefellfchaft 
fomohl aus Epiflopalen wie aus Difjenters; jeit 1815 ſchieden legtere aus. Way machte 
auf eigene Koſten Reifen nad) Holland, Deutichland, Rußland, inden ſowohl die poli: 25 
lee und foziale Stellung der Juden zu verbejlern, ald auch unter den Gbrijten 
ifftonseifer anzufachen beftrebt war. Es gelang ihm, auf Kaiſer Alerander I. einzu: 
wirken, daß er 1817 zwei Ukaſe erließ, worin er alle getauften Juden unter feinen be- 
fonderen Schu nahm und denfelben Land zum Anbau verfpradh. Dann überreichte Way 
1818 dem Kongreß zu Aachen eine Denkichrift (M&moires sur l’&tat des Juifs de- 30 
dies à leurs Majestes imp. et roy. r&unies au congr&es d’Aix la Chapelle, 
Paris 1819), wodurch die allgemeine Emanzipation der Juden in Europa angebabnt 
werden follte.e Schon 1814 batte der Herzog von Kent den Grundftein zu einer Kirche 
für die Juden gelegt. Diefer reibten ſich eine Erziebungsanftalt für Kinder von Pro: 
felyten, ein bebräifches Kollegium zur Ausbildung von Miffionaren und ein Arbeitshaus 35 
Erlernung von Handwerten für Profelyten an, melde Anftalten dem Platze den 
men Paläſtinaplatz verjchafften. Die Judenmiſſion fand in England ganz außerordent- 
liche Teilnahme, jo daß die Gefellihaft ihr Merk kräftig in Angriff nebmen und ihr 
Arbeitsfeld raſch auf zahlreiche Yänder ausdehnen fonnte. In London felbft, in England 
und auf ihren Stationen des Feltlandes fanden zahlreihe Taufen ftatt, fo daß einige an 
Profelyten, zumeiſt zugleih Mitjionare, im Jahre 1832 auf den Gedanken verfielen, in 
England eine Hebrew-Christian-Church zu ftiften, ein Experintent, das jich auch bei 
einem wiederholten Verſuch 1866 nicht zu realifieren vermochte. Wie diefe Geſellſchaft 
die älteite aller jett bejtehenden Miſſionen it, fo iſt ſie auch die größte und mittelreichite, 
unternehmendite und beitorganifierte. Aus ihrem Jahresbericht für 1900 — 1901 ergiebt fi, 5 
daß fie eine Einnahme von 46338 Pfr. St. = 926760 ME. hatte, die höchſte bisher er- 
reichte Summe, während ihre Ausgaben fihb nur auf 36910 Pfd. St. = 738200 ME. be 
liefen, fo daß das Defizit der früheren Jahre fih auf 2800 Pfr. St. = 56 100 ME. 
berabminderte. Große Beiſteuern liefern die Durch ganz England Echottland, Irland und 
da verbreiteten Hilfsgeſellſchaften. Es ift ſehr wahrſcheinlich, daß der im Jahre co 
1900 in London abgehaltene, vierte Zioniftenfongreß das Anterejle an der Judenmiſſion 
unter den englifchen Chriſten bedeutend. fteigerte. Auf 52 Mifftonsjtationen find 199 Arbeiter 
beriwendet, darunter 25 Geiftliche, 19 Arzte, 34 weibl. Miffionare, 20 Yatenmifftionare, 35 Kol: 
porteure, 58 Lehrer und 8 Apotbefer, darunter find 82 Judenchriften. Bon den 52 Stationen 
find 18 in England, darunter Yondon mit 18 Arbeitern im Innern und 11 in den 66 
Außenftädten, 3 in Ofterreih, 1 in Frankreich, 4 in Deutjchland, 2 in Solland, 1 in 
alien, 4 in Rumänien, 1 in Rußland, 1 in Konftantinopel; in Aſien find 10 Stationen, 
darunter Jerufalem mit 27 Arbeiten; 7 Stationen in Afrika, darunter Tunis mit 
12 Arbeitern. Auf diefen Stationen unterhält diefe Milton die verſchiedenſten Anftalten: 
Heime für folche, melde Unterricht im Chriſtentum begebren, Zufluchtſtätten für Pro⸗- so 
12 


180 Miſſion unter den Juden 


felyten, Werkjtätten zur Erlernung von Handwerken, Schulen für Kinder, Hofpitäler, 
Kirhen. In den Kreifen der Staatsfirche wächſt das Intereſſe an der Judenmiffion und 
der offizielle Vertretungskörper dieſer Kirche bat jchon darüber beraten, wie die Stirche 
ihrer Miffionspflicht an den Juden beſſer genügen könne. In London felbjt bildeten 

-6 bisher die Anjtalten auf den Paläftinaplag den Mittelpuntt der Miffion; neuerdings 
find manche Anftalten verlegt worden. Tas feit 1831 beſtehende Arbeitsbaus (Opera- 
tive), jest Palestine House genannt, bat bisher 965 Perfonen aufgenonmen, von 
denen fpäter 102 in den Miffionsdienft traten. Tas Wandererheim, jett in Briftol, bat 
in 4ö Jahren 2500 Juden aufgenommen, von denen der größere Teil getauft wurde. 

10 Auch die Schulen bezogen neue Häufer und find bisher von 1300 Kindern bejucht 
worden. Im ganzen mögen jeit ibrem Bejtand etwa 5000 Juden von den Arbeitern 
der Gefellfchaft getauft worden fein, im Jahre 1899 waren e& 86; während der legten 
drei Jahre 265. Ein Damenverein von 1300 Mitgliedern unterjtüßt die Werke, und 
ein Kinderverein von 5500 Kindern, der Kinder-Bienenkorb genannt, jucht die Mittel für 

15 die Schulen der Geſellſchaft aufzubringen. Im Jahre 1900 murden 7023 Bibeln und 
Bibelteile, 6255 Neue Teitamente und Teile davon, 391 Gebetbücher, 48286 Milfione- 
fchriften in verfchiedenen Sprachen, 180214 Zeitjchriften und 124168 verjchiedene Pub- 
Iifationen und Blätter, nebit 21789 Bienenforbblättern berausgegeben. Unter den vielen 
Schriften ragt durch ihre jegensreihe Wirkung auf talmudijche Juden befonders hervor 

» M’Cauls Nethiwoth Olam over der wahre „\eraelit, wovon zabllofe Eremplare in 
bebrätfcher, englischer, Deutjcher und franzöſiſcher Sprache verbreitet wurden. Neuerdings 
bat der Sekretär der Gefellihaft Rev. W. T. Gidney recht verdienſtliche Schriften er: 
en laſſen: Missions to Jews, a Handbook of Reasons, Facts and Figures; 
erner Sites and Scenes, a Description of Missons (2 Teile) und endlih: The 

2: Jews and their Evangelization; leßtered im Auftrage der YFreimilligen-Stubdenten- 
Miſſion. Die Gefellfchaft giebt heraus die illuftrierte Monatejchrift: Jewish Missionary 
Intelligence und Jewish Missionary Advocate (für Kinder). Won befonderer Be 
deutung jind noch die Anftalten in Jerufalen. Die Zionsfirche, die ältefte evangelische 
Kirche im Orient, feierte ihr 50 jähriges Jubiläum; 565 Israliten wurden bisher in ihr 

30 getauft. Von diefen waren 150 vorher im Induſtriehauſe beichäftigt, in welchem bisber 
500 Verjonen beberbergt wurden. Die Judenmiſſion zu Jeruſalem ift es auch, welche 
ſchon 1824 Die erſte ärztlihbe Miffion im der Welt gründete; ihr neues Hofpital, von 
den Wabbinern mit dem Bann belegt, ſtund zuerſt leer, ift aber jet ſchon wieder zu 
Hein für alle Hilfefuchenden. Neuerrichtet wurde in Jeruſalem auch ein Heim für 

85 forichende Küdinnen. Auch die Miffionsfchulen jind daſelbſt ſtark beſucht. — Die von 
Miffionar Flad unter den Falaſcha, den ſchwarzen Juden Abeffiniens gegründete Miffton, 
hatte zwar von feite der chriftlichen Priefter wie der Juden vielen Widerftand erfahren, 
aber trogdem eine berrlihe Blüte und zablreiche Übertritte erlebt; und auch nachdem 
den europäischen Miſſionaren der Aufentbalt im Yande verboten ivurde, waren die Ge 

0 tauften dem chriftlichen Glauben treu geblieben. Die Madhiſten jedoch fchleppten viele 
in Gefangenichaft. Nachdem ſie Durch Die legte große Erpedition der Engländer nad) 
dem Süden ihre Befreiung erlangt batten und in ibre Heimat zurückkehren konnten, 
jammelten fie jich wieder und fteben noch immer mit Miſſionar Flad, ihrem  geijtlichen 
Bater, in regem Verkehr. 

45 In Großbritannien entjtanden einige Jahrzehnte jpäter noch eine Reihe von Juden— 
Miſſionsgeſellſchaften. Gegenwärtig find außer der genannten Yondoner Gefellichaft noch 
folgende thätig: Ä 

2. Zeit 1840 beſteht The Free Church of Scotland Jewish Mission. Die 
ſchottiſche Freikirche hat feit ihrer Entitebung Judenmiſſion getrieben. Tas Merk wird 

so Durch ein Stomitee geleitet, Das von der Generalverſammlung der Kirche jährlich ernannt 
wird, es nennt fih Komitee für Befehrung der Juden. Sie bat Stationen in Budapeft, 
Konftantinopel, Breslau, Tibertas, Zafed und Edinburg und bejchäftigt an 77 Arbeiter, 
bat auch ärztlibe Miſſion und Schulen und ein wobleingerichtetes Hopital in Tiberias. 
Einkommen 16800 DE Em Hilfskomitee von Damen befchäftigt fich mit meiblicher 

55 „gudenmifjion, Einkommen: 16000 DE Bon ihren Werften geben Bericht „Free Church 
of Scotland Monthly und The Children’s Record. 

3. The Presbyterian Church in Ireland Jewish Mission, gear. 1841, bat 
zivei Stationen: Hamburg:Alltona mit 2 ordinierten Miffionaren und 3 Kolporteuren und 
Evangeliften und einem Haufe für forſchende Juden, in welchem auch Handwerke gelehrt 

co werden. 1897 wurden dajelbjt 18 „Juden getauft, dann Damascus mit 4 ord. Miſſ. 


Miffion unter den Inden 181 


und 4 anderen Arbeitern. Sie arbeiten auch an der Evangelifation der eingebornen 
Syrer. Sie bejigen 1 Schule für 100 Mädchen und eine ärztlihe Miſſion. Hauptfit 
der Miffion it Belfaft. Einfommen: 4160 Pfd. St. = 83200 ME. etfihrif : The 
Missionary Herald of the Presbyterian Church in Ireland. 

4. The British Society for the Propagation of the Gospel among the Jews, 6 
gegr. in London 1842; ihre Mitglieder gehören den verfchiedenften freien Kirchen Eng: 
lands an. Sie hat 22 Miflionare und viele freitvillige Helfer; 16 Stationen in Eng- 
land, Deutfchland, Ofterreich, Rußland und der Türke. Sie unterhält Schulen, ärztliche 
Miffionen und 2 Heime für betagte Brofelyten. Die Verbreitung von hebr. NT in der 
Salkinſon-Ginsburgſchen Überfegung und Traftaten in verfchiedenen Sprachen läßt fie 10 
füh angelegen fein. Einfommen: 4000 Pfd. St. = 80000 Mi. Zeitfehrift: The Je- 
wish Herald. 

5. The Church of Scotland Jewish Mission, gegr. 1811; Stationen in Ale: 
randria, Beyrut, Smyma, Konftantinopel und Salonica In Mlerandria befigt fie 
2 Knabenfchulen und 2 Mädchenfchulen; jonjt je eine für Knaben und Mädchen. Von ı5 
den 2147 Kindern ihrer Schulen waren 1289 jüdijcher Religion im Jahr 1898. In 
Smyma wird eine ärztlidhe Miſſion in einem twohlausgeftatteten Hoſpital unterhalten. 
Auf 3 Stationen find auch weibliche Evangeliften für den Hausbefuch bei Jüdinnen. Seit 
1895 unterhält fie auch unter befondrem Komitee eine Station in Glasgow. Einfommen 
5455 Pro. St. = 109100 ME. Dazu eine Hilfögefellihaft von Damen mit 20 000 ME. 20 
Einfommen; Zeitichrift: The Church of Scotland Home and Foreign Mission Record. 

6. The Presbyterian Church of England Jewish Mission, gegr. 1860, unter 
der Verwaltung der Synode der Kirche. Sie hat 2 Milfionare in Whitechapel und Lon⸗ 
don, 1 Agenten je in Aleppo und Korfu und 1 ärztlide Million in Marokko; Ein: 
fommen: 1487 Pfr. St. = 29740 ME. 2 

7. Parochial Missions to the Jews at Home and Abroad, gegr. 1875; ſie 
jendet geeignete Geiftliche in Pfarreien mit größerer jüdifcher Bevölkerung als Gehilfen 
der Pfarrer mit Bewilligung des Biſchofs. Sie haben ſich ſtreng in den kirchlichen 
Schranken zu halten und dürfen keiner beſonderen Richtung angehören. — Ihre Abſicht 
iſt, die Juden ihrer Pfarrei mit dem Chriſtentum bekannt zu machen. — Ferner bewil-⸗ 30 
ligt ſie Unterſtützungen an — die ſich in Spezialkurſen zum Amt eines Judenmiſſio— 
nars vorbereiten wollen. Außer in England erhält die Geſellſchaft eine Station in 
Bombay zur Arbeit unter den Beni Israel. Einkommen: 1000 Pfd. St. = 20000 ME. 
Zeitfchrift: Church and Synagogue. 

8. Mildmay Mission to the Jews, gear. 1876 durd Rev. Willinfon. Ihre 35 
Miifionare machen Reifen und verbreiten in allen Ländern das NT. Ihre Stationen 
find Odeſſa, Minsk, Warihau, Wilna und Berditihew in Rußland, Cape Town in 
Südafrika, Kairo, Hanger in Mfrifa, Sophia in Bulgarien. Ihre Agenten bereifen aud) 
Syrien, Arabien, Indien, Südamerifa, Agypten, Nordafrita und ganz Guropa. Im 
Diem von London wird eine ärztlihe Miffton unterhalten. In London befigt fie ein 40 
Hem für 20 jüdifche Kinder; in Highgate ein Haus für judenchriftliche Jünglinge in 
Geſchäften; ebenda auch ein Erholungshaus für Kranke. Im Jahr 1898 verteilte fie 
27604 Schriften in verſchiedenen Sprachen. Einkommen: 8000 Pfd. St. = 160000 ME. 
Zeitſchrift: Trusting and Toiling. 

9. East London Mission to Jews, gegr. 1877 durch den Profelyten Rev. Roſen- 45 
tbal, jett Vilar von St. Mark in Whitechapel, dem eigentlichen Judenquartier Londons, 
Miſſionshaus und Waifenhaus. Einkommen: 2833 Pf. St. = 56660 ME. 

10. Barbican Mission to the Jews, gegr. vom Profelnten Lipſchitz 1879, außer 
enem Miſſionshaus befteht ein Home für Profelyten. Es iſt geforgt für bebrätfche Gottes- 
Menite, Bibeljtunden, Nachichule, Lefezimmer, Verfammlungen für jüdifhe Mütter und 50 
Kinder. Einlommen: 1200 Pd. St. = 21000 ME. 

11. The Jerusalem and the East Mission Fund, geitiftet 1897 durch Bifchof 
Blyth von Jeruſalem. Zweck ift Stiftung und Unterhalt von Miſſionswerken unter den 
Juden in den Ländern der Bibel. Der Bilhof bat 18 Gebilfen in Jerufalem, Beirut, 
Haifa, Kairo und Suez. Ginfommen: 9576 Pfd. St. = 191520 ME. Zeitichrift: Bible 65 
Lands 


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12. The Kilburn Mission to the Jews, gegr. 1896 vom Proſelyten Ben Lliel. 
Diefe Miſſion fucht die wohlhabenden jüdiſchen Geſchäftsleute Londons, welche aller 
Miffion aus dem Wege geben, dadurch zu erreichen, daß fie an etwa 1000 jüdiſche Fa— 
milien durch die Poſt Traktate verfendet. Einfommen: 470 Pfr. St. = 9100 ME, cn 


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182 Miſſion unter den Juden 


13. The London City Mission to Jews beichäftigt 16 Arbeiter unter den 250000 
fremden Juden, die aus allen Yändern in London zufanımengeftrömt find. Straßen: 
predigten und Gottesdienjte in Nirchen, Beſuche und Bibelverbreitung iſt ibre Arbeit. 

Tas Verlangen, ein fejteres Band um die zahlreichen Proſelyten Englands zu jchlingen, 
bat dabin aefübrt, daß an die Ztelle der früberen Hebrew Christian Prayer Union 
unter dem Proſelvten Bischof Hellmuth und Rev. Bacert Ende 1897 eine Hebrew 
Christian Union ſich gebildet bat, der nach Jahresfriſt fchon gegen 200 Proſelyten an- 
nebörten. Neben ibnen beitebt noch cine aus Proſelyten und anderen Chriſten gebildete 
„Webetoverriniaung fur Israel“ unter Yeitung von Arthur Day, die in ihrer Viertel 
jabroſchrift The Friend of Israel viele über Die Judenmiſſion gut orientierende Nach: 
richten bringt. Der Miſſionsgeiſt iſt in England ſehr lebendig und thätig und nicht 
in leuter Stelle auf die Juden gerichtet; ihre Miſſionen auch unter den Juden teilen 
alle Vorzuge und Nachteile, Die dem enaliichen Charakter und Gbriftentum anbaften. 

In Deutichland giebt 8 Drei Geſellſchaften: 1. Die „Geſellſchaft zur Verbreitung 
div Chrütentume unter den \uden”, gear. 1822 zu Berlin, auf Anregung und unter dem 
Emiluß Des fur die Bekebrung Der Juden äußerſt tbätigen Engländers Lewis May und 
div ref. Tholuck: obne ın Abhängigkeit von der Yandesfirche zu fteben, bezieht fie doc 
einen qpibrlubden budgetmaßigen Staatszuſchuß von 300 Thalern. Zeit ihrem Beitand 
baite Ste ungefabr 713 Taufen zu verzeichnen und im Jahre 1898 konnten beinabe 21 
RProeelpten ein gememiames Weibnachtsfeſt feiern. Außer ihrer Hauptitation Berlin mit 
euere Muſtenobaus bat ſie noch Stationen in ofen, Czernowicz und Ztanislau. 
Sir beichgitiat > Wiſſionsarbeiter. Einkommen: 35000 ME Ihr Organ tft der von 
Yuor Dr 8 Zend vertrefflicd redigierte „Natbanael“, die reichbaltigfte und gediegenite, 
Sind munrNiaßde auch miſſionswiſſenſchaftliche Artikel ausgezeichnete Zeitſchrift. Unab: 


pipe von der Miionsgeſellſchaft Iettet Prof. Strad auch das Institutum Judaicum, 


an Kewentaung. Die Den Zweck bat, an Der Univerſität ftudierende Theologen mit der 
Yon dekannt zu machen und fie in jüdiſche Schriftwerfe einzuführen. Aus diefem 
Yun auch ichon eine ganze Neibe von Schriften hervorgegangen, die ſich teild auf 
ser. de itteratur teils auf Milton bezieben. 
cCvwngeliſch luth. Gentralverein für Miſſion unter Israel“, gegründet 1871 in 
werns Dieer Verein ſucht alle luth. Judenmiſſionen zu einbeitlicher Thätigkeit zu ver- 
er. Mait ibr verſchmolzen tt der ſächſiſche Hauptverein für evang.-luth. Judenmiffton, 
we. sd in engerem Verband ſteht ſie mit Dem bayeriſchen evang.-luth. Verein für 
Scott gear. 1850 von Prof. Delitzſch zu Erlangen; cbenfo mit dem Gentral- 
yon Audenmillion, gegr. 1865 Durch Profeſſor Caſpari in Chriftianta. Auch die 
00. Danemark, Medlenburg und Hannover find mit dem Gentralverein in Ver: 
Node Ste ihre Einkünfte jet cs ganz, fer eo teilweiſe an Yeipzig abliefern. Der 
Samen bus 3 Arbeiter in Leipzig und in Galizien. Einkommen: 20000 ME. 
W Zaat auf Hoffnung“, von Delitzſch begonnen, jetzt von Miſſ.-Sekretär Paſtor 
oo anatelubrt Außerdem redigiert Prof. Dalman in Leipzig das Jargonblatt 
a. ven. das große Verbreitung unter den Juden des Oſtens findet und einem Be 
oe ettinde Much Die von Prof. Delitzſch ſchon vor 2 Jahrzehnten gefertigte vor: 
so thin Dis NT uns Hebräiſche findet immer noch Verbreitung und ftiftet 
x X Jabr 1880 gründete Prof. Delitzſch in Yeipzig das erjte Institutum Ju- 
ri ed imier ſeiner Leitung erſchienen auch zablreihe „Schriften des Inſt.“ Jetzt 
or ed Nie Seminar für Judenmiſſionare, in welchem 2- 3 Theologen für den 
> assseit perbeteitet erden. Da Diefes Seminar entſchieden einem Bebürfnis ent 
ng pehte wunſchenswert, Daß ihm größere Teilmabme und Unterjtügung gewid— 


28 


Reildeulicher Verein für Jorael“, gegründet zu Köln 1843 unter dem Namen 
ar yaathtiinber Verein für Israel“ durch den englischen Miſſionar Stodfeld und 
08 ns sinpper in Köln. Der Verein arbeitet auf den Ztattonen Köln, Frankfurt a. M. 
ons Muh Ztraßburg, mit 3 Miſſionaren und 1 Nolporteur. Im Jahre 1898 
x. tue getauft. Einkommen: 19605 ME, darunter 2000 ME Zinfen. Beit: 
et rapattt deo Weſtdeutſchen Vereins für Israel, red. von Paſtor Stolle, der 
inden Mleinen Miltonsliederichag für Areunde Israels, unter dem Titel 
Xbuuogegeben Dat. 
x. ebeiz beſteht zu Baſel der „Verein der Freunde Israels“, gegr. 1830 
“sen palent Joraeliten, welche von ſelbſt Unterricht in der chriſtlichen Wahr⸗ 
rn sarlieb zu fen, ſowohl daß jie zur Erkenntnis Chriftt und zum Glauben 


Million unter den Juden 183 


gelangen, als auch daß fie, wenn nötig, einen Beruf erlernen, um felbitftändig in ber 
chriftlichen Gemeinde ihr Brot zu verdienen. Demgemäß trieb er vor allem Profelyten- 
pflege, wozu feit 1844 ein eigned Haus beftimmt war. Doc wurden häufig auh Mil: 
fionsreifen zu den Juden in Süddeutſchland, Elſaß und der Schweiz gemadt. Den 
veränderten Verhältniffen in der Miflion mie unter den Juden Rechnung tragen, 
wurde das Proſelytenhaus im Sabre 1890 aufgehoben und der Verein fonjtituierte fi als 
eigentliche Miffionsgejellichaft, die ihren Sig in Bafel habend durch einen Miffionar unter 
den Juden der Schweiz, Württembergd, Badend und des Elfaß arbeitet, während ein 
zweiter jein Arbeitsfeld in Böhmen bat. Einkommen: 32000 Fre. — 26000 Mt. Zeit: 
ſchrift: Der Freund Israels und Ami d’Isradl. 10 

In Genf haben einige Damen einen Kollefteverein, Sou-Israelite, gegründet, deſſen 
Ertrag für Unterhalt eines Kolporteurs in Nordafrila verwendet wird. 

Auh Frankreich befist eine Zudenmiffion: Société frangaise pour l'Evangé- 
lisation d’Israel, gegr. 1888 durch Paſtor G. Krüger. Sie unterhält 1 Miffionar für 
Frankreich und unterjtüßt die Kolportage in Algier und Oran. Cinfommen: 8400 Fres. 
eitjhrift: Le Re&veil d’Israel, deſſen Tendenz auf eine jubdenchritlihe National: 

be geht. 

Außerdem unterhalten 2 engliihe Damen einen Profelyten als Miffionar in Paris 
unter dem Namen: The Paris Mission to the Jews feit dem Jahr 1887. 

Standinavien bat drei Miffionsvereine: 1. Die evang. National-Gefellichaft, 20 
gegr. zu Stodbolm 1856 für beimifhe und auswärtige Niſnen errichtete 1889 zu 
Hamburg eine Station. Sie unterſtützt auch die Londoner Geſellſchaft bei ihrem Werk 
in Hebron, Rom und anderen Orten. 

2. Die Geſellſchaft für Miſſion unter Israel, gegr. 1875 durch Paſtor A. Lindſtröm 
zu Stockholm. Ein Laienmiſſionar und 3 Bibelfrauen find in Schweden beſchäftigt. Auch 
beftebt in Stockholm ein Proſelytenhaus. Auh in Budapeft und Krakau find Laien: 
nifftonare ftationiert. Einfommen: 40000 ME. Zeitichrift: Missions Tidning för 
srael. 

3. Tas Norwegische Central-Komitee für Israels-Miſſion, gegr. 1865 in Chriftiania, 
bat 2 Miſſ. in Galaz und Braila in Rumänien, unterjtügt auch das Merk Faltins in so 
Kilchineff. Einkommen: 20000 Mi. Zeitfehrift: Missions Blad for Israel. 

In Rußland, wo die Hälfte aller Juden der Welt wohnen, geftattet die Regie 
rung den Cvangelifchen nur in beſchränkter Weiſe Miffton zu treiben. Eigentlihe Miffion 
ft nur der Staatskirche erlaubt. Proteſtantiſche Miſſionare können nur die Erlaubnis 
ur Bibelverbreitung erlangen, doch dürfen fie auch den Käufern die Bibel auslegen. 35 
Manchmal dürfen auch Juden in Häufern unterrichtet werden. Die Taufe hängt von der 
Berwilligung der Staatsbehörde ab. 

In Kiſchineff unterhält der Propſt und Baftor Faltin ein gefegnetes Miffionsmwert 
feit 1859. Gr gründete ein vielbefuchtes Heim für Forſchende. Von 1874 bis 1890 
wurde feine Miſſion auch von der Yondoner Geſellſchaft unterjtüßt. Wohl 300 Perfonen 40 
find ſchon von Paſtor Faltın getauft, und zahlreiche Schriften unter den Juden von ihm 
verbreitet worden. Sein Werk bedarf jährlich etwa 8000 ME. — An Kifchineff errichtete 
au Joſeph Rabinowig 1882 fein Bethaus für Israeliten des neuen Bundes, in welchem 
er alle Sabbate den Juden Chriſtum predigte in ihrem jüdiſchdeutſchen Jargon. Obgleich 
getauft, blieb Rabinowitz doch außerhalb jeder kirchlichen Gemeinfchaft, indem er boffte, 5 
innerbalb des Judentums eine chriftliche Judengemeinde bilden zu fünnen. Aber die 
Staatsbebörde unterfagte ihm die Bildung einer felbititändigen Judengemeinde und jo 
mußte er jich auf die Predigt in feiner chrijtlihen Synagoge beſchränken, wo aber viele 
Juden zum Forſchen nach der chriftl. Wahrheit angeregt wurden. Viele von ihnen er: 
hielten dann von Paſtor Faltin chriftlihen Unterricht und die bl. Taufe. Seit R.s Tod 50 
1899 iſt die Synagoge geſchloſſen. — In Petersburg beſteht immer noch feit 1870 ein 
Aſyl und Erziehungsanftalt für jüdische Mädchen. 

In Nordamerifa gewinnt die Miflion ein fteigendes Intereſſe. Bon etiva 1000 
Juden im Anfang des 19. Jahrhunderts ift die jüdiſche Bevölkerung auf über 1 Million 
geitiegen und noch richtet fich der Strom der jüdischen Auswanderer aus dem Dften dort: 55 
bin. In den legten 2 Dezennien find auch die Mifftonen wie die Pilze aus der Erde 
geſchoſſen: I. Kırdlide Mifftonen find 11 zu nennen: 1. The Church Society 
for Promoting Christianity amongst the Jews, gegr. 1842 in New-York. 1883 
anerlannt als Hilfögejellfchaft der Domestic and Foreign Missionary Society of the 
Protestant Episcopal Church. Stationen: New: J)ork und Philadelphia, 5 Mifjtonare, 60 


ot 


fer 


5 


SD 
— 


chule, Einkommen: 25000 ME. Zeitihrift:; The Gospel of 
Rücyang begriffen wegen Enttäufhung der Gemeinden fiber 


Seren Miss Ad u 
5 1871 1871 zu Ren-Yart, arbeitet in Urumja, Teheran, Hamadan und Sidon. 3 e 


— — — Presbyterian Mission to the Jews, F 1894 in — 
3 Arbeiter. Einkommen: 6500 ME. Berichte in The Christian Nation und Olive Tree. 
4. Messiah Mission of Chicago, gegr. 1896 von Nev. Chalmers; jeit 1899 fort- 
10 jeht als Mission of the Women’s Association of the United Presbyterian 
of N.A. Einkommen: 5000 Mt. Berichte in The Midland. — Speziell lutbe- 

ehe Du nen find die 4 As enden: 
ie norwegiſche Zio for Israelsmissionen blandt norske Lu- 
—— i Amerika, J 1878 in Minneapolis. 3 Arbeiter in Minsk und Odeſſa 
15 in ie und Nev-Nort. Einfommen: 21000 ME. Bericht in Lutheraneren und 


6. Jewish Mission of the Evang. Lutheran Synod of Missouri, Ohio and 
other States, gear. 1885 in New-York, 2 Arbeiter. 
7. Jewish Mission of the Joint Synod of Ohio, gegr. 1892. 
»». #8. Mission of the German Lutheran Synod of the Jews in Chicago, gear. 
1894 in Chicago. Einfommen: 6200 Mt. 
a Die Methodiſten: New-York City Church Extension and Missionar 
eiety, BR 1892, 2 Nrbeiter: öffentliche eher Nie in einer Kirche DE 
2 DBaptijten: Missionary Society of Seventh Day Baptists, —* 
26 — 188 


11. Die Quäfer: The Friends’ Mission at Ramallah in Palestine, gegr. 1870 
durch engl Duäfer; 1887 von amerifanifhen übernommen als Eli and Sibyl Jones 


* Außer diefen giebt es 21 unabhängige Miffionsunternebmungen, von denen wir nur 

so bie bedeutenderen en len: 12. New York City Mission, gear. 1828, die ältefte aller 
ameril. Miffionen. rbeiter in New-York; Nähſchule mit 275 Scülerinnen und 
15 Zehrerinnen; es ieh auch Religionsunterricht erteilt. Einfommen: 7000 M. Berichte 
in N. Y, City "Mission Monthly. 

13. Chicago Hebrew Mission, gegr. 1887 von Rev. Bladitone. 26 Arbeiter, 

s5 darunter 1 Arzt. Viele von ihnen arbeiten freiwillig ohne Gehalt. Einkommen: 13000 ME, 
ee Arien The Jewish Era. Entfaltet die größte Thätigfeit und bejigt das Vertrauen 
aller 

14. —— Mission of the Jews, früher Hope of Israel Mission, gegr. 1892 
durch Gäbelein und Ströter in New-York. Gäbelein verwirft bie Kirche und erfennt 

0 nur rein individualiſtiſches Chriftentum an; hält Predigten für Juden und verteilt Schriften. 
Zeitjchrift: Our Hope und im Jargen: die Hoffnung Jsraels. 

15. Brooklyn Christian Mission to the Jews, gegr. 1892 in New-York. Mif- 
fionsbaus in Brooklyn, 7 Arbeiter, Wredigten, Rinbergarien äbfchule für jüdiſche Kinder. 
Eintommen: 4500 ME. 

45 16. The World’s Gospel Union, gegr. 1892. Kanſas Gity, Miffourt, 8 Miſſio— 
nare, 1 in Maroffo. 

17. American Mission to the Jews, gegt. 1895 vom Proſelyten Warſchaviat, 
—* großen Zulauf von Seite der Juden. Eintommen: 15000 Mt. 5 Arbeiter, darunter 

Proſelyten. Warſchaviak gab zu Ngernis Anlaß und wurde aus * Miffton entlafjen. 
5 18. Immanuel Mission to the Jews in Cleveland, gear. 1898. Proſelytenhaus, 
7 Arbeiter. Einfommen: 7500 ME. Zeitfchrift: Immanuels Weditness. 

Im ganzen beichäftigen die amerikanifchen Miffionen 150 Arbeiter; aber eim großer 
Teil der Mitkionen find Schöpfungen einzelner Männer, befonders von Profelpten. Dies 
bringt gr grobe Uebelftände mit fi; es fehlt an aller öffentlichen Kontrolle. Da auch un 

55 Yeute Miſſionen errichteten und halten, begegnet das Miffionswerk überhaupt vielfachen 
Miptrauen. Daß aber in Amerifa trogdem 160000 ME. für Judenmiffton jährlid auf 
gebracht werben, zeigt, daß die Chriſten Amerikas ihrer Pflicht gegen die Juden ihres 

Yandes eingedent find. 
In Auſtralien betreibt im Namen der Friends of Israel Association der Pro- 
on jelyte Abramowitz ein befonderes Miffionswert in Melbourne, 





Miſſion unter den Juden 185 


Demnach arbeiten unter den mehr als 10000000 Juden der Erde (11250 000°) 
mehr ald 50 Bereine und. Unternehmungen mit ungefähr 500 Arbeitern, von denen die 
größere Hälfte jüdiſcher Abkunft ift, und verfügen über mehr als 2000000 Mk., wovon 
allein 1750000 auf die Briten, 90000 auf Deutichland und die Schweiz, 60000 auf 
Efandinavien und 150000 auf Amerika fallen. 6 

5 Die Arbeiter verteilen ſich auf den verjchiedenen Arbeitsfeldern ungefähr folgender: 
maßen: 


Unter den 144—200000 Juden Großbritanniens wirken 134 Miffionsarbeiter 

un 7700 „ Kaneide „ 5 „ 

„nn 568000 ,„ Deutſchlands „ 24 „ 10 
vn 1860000 „  Öfterreich-Ungarns „tr , 

—W 3000 „ Belgiens n — J 

„n 4000 „ Dänemarfs „ — „ 

on 5800 ,„ Griechenlands „ — 

"nu 97000 Hollands 2 , is 
„nn 50000 „ Irtaliens „ 3 „ 

” " 300 " Portugals ” — // 

—W 300000 „ Rumäniens u 11 „ 

„nn 450000 „ Rußlands u 10 u 

nn 4700 „ Serbiens „ — 20 
„nn 31000 ,‚  Bulgariens „ 1 „ 

” " 2 500 ” Spaniens " ” 

„nn 3400 ,„ Schwedens „ 8 „ 

„ ⸗⸗ 12 500 ” der Schweiz ” 1 "” 

un 120000 ,„ der Türkei „ 21 „ 25 
„on 150000 ,„ der afiatifchen Türkei „103 „ ' 

" ” 30 000 " Perſiens „ 10 " 

„nn 40000 „  aftatifchen Rußlands n — „ 

„nn 14000 „  Turkitan und Afganiftan „, — 

W 19000 „ IIndiens und Chinas „ 5 „ 30 
„nn 25000 „ Aegyptens „ 12 „ 

„on 50000 „  Abeffinieng „ 7 n 

„»n 58000 „ Tripolis „ — „ 

un 60000 „ Tunis „ 12 „ 

„nn 48500 „ in Algier und der Sahara „ 2 „ 35 
„nn 100000 „ Marokkos n 2 n 

„nn 12000 „ in Transpaal „ — „ 

un 1500 „ in Kapland „ 1 „ 

„nn 1000000 , der Bereinigten Staaten „1850 „ 

on 5000 ,„ Kanadas „ — „ 4 
„on 3000 „auf den Antillen „ — „ 

„nn 12000 ,„ in Südamerika „ — „ 

„nn 17000 „  Auftraliens n 2 „ 


Von einer Miffionsthätigfeit der ortbodorsruffifhen Kirche kann nichts be- 
richtet werden, obwohl fie vielleicht die meisten Taufen von Juden zu verzeichnen bat. #5 
Da die ruffifchen Juden den gejamten Kultus der ortbodoren Kirche für Götzendienſt 
balten, können bei den Täuflingen wohl nur äußere Umftände und Vorteile maß: 
gebend fein. 

t haben in den letzten zwei Jahrzehnten in allen Ländern und Kirchen die 
Judentaufen außerordentlich zugenommen, ſowohl aus Überdruß der Juden an ihrer Ne: w 
ligion, ob fie noch talmudisch jtreng oder reformatoriſch lax iſt, als auch infolge der anti: 
jemitifchen Agitation. Nach den Berechnungen von P. Lie. J. de le Roi (vgl. Judentaufen 
im 19. Jahrhundert. Ein jtatiftifcher Verſuch, Leigzig 1899) follen im Yauf des 19. Jahr: 
bunderts mehr ald 200000 Juden zum Chriftentum übergetreten fein. Freilich beruben 
feine Refultate vielfach nur auf Mutmaßungen und unficheren Folgerungen. Immerhin 55 
muß in neueiter Zeit eine wahre Flucht der Juden aus der Synagoge in die Kirchen 
fonftatiert werden. Nach de le Roi follen fih die Zahlen der Übertritte im Jahre fol: 
gendermaßen ſtellen: 


geli — — 3 





gi ten geiftigen. 
eorie und Praris. Bei F Miſſionierung der 
Juden A unt en Mi unter ſolchen Juden, die zerftreut in- 
mitten eines en Sandes ER einer lichen Kirche — 2. die unter ſolchen 
— welche in —* Maſſe bei einander wohr un —— und Sitten 











— 3. * unter Juden in muhammeda ſchen Ländern. Sun 

— er, die Aufgabe und das Bi je — 

if —— — dieſe BZ isher — tet wurden, g 

Die iM 
1; Die M Don —* —* innerhalb der chriſtlichen Firchen treuten —— * 
keinen anderen ap als dieſe rn * in die ——— 

Zen —— Fa dies bejonders die Juden Weſteuropas. — ſeit * 
dert Jahren in einem ökonomiſchen und ir Kuna wie 9— geiſtig en, inte eftuellen und 
Hi zlkern begriffen. 


morali fulturellen und fozialen ei lemggmenig gr mit ihren ® Yi e 
Viele — — von letzteren nur noch die Religion und einige Reſte von 
—— liegt im Intereſſe und der Aufgabe der chriſtlichen en in 
25 machen, daß diefer nicht * — — Aſſimilations⸗ und Abforbierung 
einer für die chriftlichen Völker her ren Saat und  fchäbfichen e fh 
vollziehe und beendige. Es wäre für * ri olker und en aufs def 
digend, wenn fo viele Taufende von Juden in ihrer nei ihnen politiſch, ſozial, kulturell, 
moralisch und ökonomiſch —— oder gar überlegen wären, aber religiös Feindlich 
30 —— egenüberſtänden. ee jelbft empfinden es, wenigftens in Deutfchland, * 
ni voll und ganz un deutichen Nation auf jehen wollen, fie auch allm 
Chriften werden müſſen; darum F en ſo viele Juden ihre Kinder aleich nach ber 
taufen. Damit aber nun feine Zujtände, wie feiner zeit in Spanien entiteben, * 
Kirche Die Aufgabe und im ie Jubenmifien in den Kreis ihrer firchlichen Thätig 
35 feiten einzureiben, fie durch ihre Diener ausüben zu laffen. 
Wenn jo das thatſä Bedürfnis und die Notwendigkeit der Selbiterhaltung die 
Kirche Dazu mötigen, Ju —— zu treiben, ſo iſt es eigentlich — noch bejon- 
ders Das y t und die Pflicht dazu theoretich nachzuweiſen. Es kann feine Frage fein, 
daß der Miffionsbefehl Jeſu an feine Apoftel auch der Kirche gelte, und daß auch Die 
10 Juden A t find unter die Völker, welche die Apoſtel lehren follen (Mit 28), wenn man 
erwägt, ſie ausdrücklich vom Heren angewieſen wurden, mit der evangeliſchen Ver— 
Fee elle den Anfang in \jerufalem und in Judäa zu machen (2e 24, 17 AG 1,9). 
Der Einwand, daß für die innerhalb der Shriftenbeit [ebenden Juden feine befonderen 
Beranftaltungen nötig jeien, vielmehr dazu das ordentliche Pfarramt und die öffentlichen 
45 Gemeindegottesdienfte ausreichen, indem durd) die —— des Wortes auch den Juden 
ſchon genügende Gelegenheit geboten werde, das Evangelium Jeſu Chriſti zu hören, iſt 
—* fi tihhaltig, weil der gan e Beifteszuftand, die religiöfe Denkweiſe, Die ungen 
der Juden ü ott und göttliche Dinge jo durchaus eigenartig und anders 
Frl als der der Ehrijten, daß eine die chriftliche Gemeinde one Dr nicht darum 
so auch ſchon den Bedürfniffen der Juden entgegentommt, wie denn ber 
unterricht eine ganz andere Behandlung verlangt. Daher hat aud) jchon die mittelalter- 
liche 5* jeweilen beſondere Einrichtung für Judenmiſſion für nötig gehalten. 
Die Kirche bat daher fürs Erſte die Aufgabe und Pflicht, dafür zu — daß 
dieſem Amt paſſende Katecheten und Evangeliſten herangebildet und zu dieſem Wert 
55 und geiſtlich vorgebildet und zugerichtet werden. Fürs Andere iſt es wiederum bie 
welche für den rechten Unterricht jüdifcher Ratecumenen ie forgen, und ſie — die 
Taufe N Leib der Chriſtenheil Par She bat. Daß die Taufe mur durch Bevoll— 
mädhtigte der Kirche und nicht don beliebigen geiftlihen und weltlichen Privatperſonen, 
bie oft mit der Kirche Des Landes gar nicht zufammenbängen, fogar derjelben oft fon: 
co feſſionell Feindlich gegenüberfteben, geicheben follte, erſcheint felbitverjtändlid), wo noch kirch— 























188 Miſſion unter den Juden 
ar gründlichen U und nicht obn ER ob vn ee 
— en an ntetricht, F v A 


von ber 

Bigung de fi jehörde ab en, jondern dieſe follte um bie 
— und di —— X Me nur alla 

* daß Parer na einem höchft mangelhaften une fägl once 

ae —— ſogar ohne irgend welche —— 

die Taufe erteilen. —— 

—— und fin gen ee Ott ir ti. on Mi st 
u Sie Fe Krbie — ee Ri Augen: ie an: oebentliche Ba: 

nare teilen, ba ſolche fahrend | —— — 


d eit zur 
— ———— 





Methode d richtet den äl der Juden. 
long De — in —— * — lebten, ar 
Staat umd Kirche es erzwingen, ae entiweder in ihren eigenen Shnagogen 
ann in — die 


Kar und dem Geiſt Des Gvangeliumg nicht Sr = 
N elijde che der per nie an he jollen 





234 r Schw ‚fe 
Viele Juden b das id die B 5 durch den Mi 
3 — ze & & des B de 3 zu — ii ger 


zu 
* m gef Ihe Arbeiter jebr —— tbätig geweſen. Mandıe Diffonare balten 
aud offene Hallen, Leſezimmer, Freiſchulen nicht ohne Erfolg. Materielle Yodmittel jollten 
PR ca nicht angewandt werden, tie in England und Amerika gejchieht. Bei Juden auf 
ie dem Lande * niedriger Kultur und Bi asitufe ift immerbin das Bejuchsverfabren 
— au 
Der Ben er bat ſich nad dem religiöfen Stand und der geiltigen 
— der Katechumenen zu richten und muß ein ganz —— ſein, je a 
der Glaube an die alttejtamentliche Offenbarung vorausgejeßt w oder nicht, 
45 Während im n‘ Falle erſt die allgemeinen religiöfen —— gelegt werden 
müſſen, darf doch auch im eriteren Falle nicht vernachläffigt werden, die religiöfen Grund: 
begriffe richtig zu ftellen, indem jogar das Gottesbewußtſein des Juden, jeine Beg 
bon Heiligkeit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. ſ. w. andere find als die chrift 
lichen. Mit befonderer Sorgfalt find die —— Lehren zu behandeln, welche dem 
0 Juden nicht nur Gegenſtand des Ärgerniſſes, ſondern geradezu des Abſcheus find und 
die er für man zu balten aufs tieffte geneigt tft: die Gehre von Der — —— 
der Gottheit Chriſti, der Verſöhnung duch Chriſti Tod u. ſ. w. Ein oft / 
jchiverer Mangel ijt, daß, trotzdem die neuere Nudenmiffion fait ſchon ein under 
binter ſich bat, doch nocd fein für jüdiſche Hatechumenen befonders eingerichtete ums 
55 faflendes und gründliches Lehrbuch der chrijtlichen Religion ans Licht getveten ift. Vaftor 
Bieling bat einen trefflihen Abri geliefert: „Zum Unterricht jüdiicher Katechumenen“ 
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch der Miffton unter Israel, Berlin 1893. Es wäre 
jebr verbienftlich, wenn der Verfafler diefen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch aus⸗ 
arbeiten würde. Er würde damit der Miſſion und der Kirche ſelbſt einen wichtigen 
co leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür bat auch ſeiner Zeit Prof. Dr. Franz Deli 

















— — 





188 Million unter den Juden 


ae re gründlichen Unterricht, und wenigſtens ernſtliche 

——* — ker fm. Fi denen el m nicht bloß un 

——— 3 Mmmem und Dielike 
— at — Barmer nach einem hücht mangelpafen und Färglichen Unterricht, oft foga 


hne irgend wel 
Pearl 
er u gegen eine | iuf on 
ewangeliihe Kirche den größten Schaden. it Bloß 


bergereiften, en 

1 — a falten Kirchendiener überhaupt doppelt vorm tie — 2* und ſie an — iv: 
nare weiſen, da ſolche fahrende * mit dem Taufbegehren faſt ausnahmslos — 

weniger I erfennende andere Zwecke verbinden. Solde voreilig q Auden 

[ei ber ber Chriftenbeit zur ſchweren Laſt und bringen bie miffion jelber in 

— — eicht uber Seiftlichen dann alle Proſelyten irrtümlich für 

15 er u 
Die Methode des Witfioniereng richtet fich nach den Berhältnifien der Nubden. So 
lange die — in * rechtloſen —— n innerhalb der Chriſtenheit lebten, konnten 





Staat und es erzwin | in ihren eigenen Shnagogen 
in i — en anhören mußten, ma freilib nur zu 

tpangsbetebrun und dem Beift des Evangeliums nicht entſprach. Diejes 

Jogite intrare hät eliiche Kirche der fatholifchen nie nachmachen follen. Seit 

ber ——— ion der Suben i * J yo geivorden. Man —— —e— die 

Juden in i —— aufg —— e mit den Ein 

— durc ung von Tre ihnen — um vertin 


und anf ‚im — 2 und "och find oft En beiten und gefegnetem Erfolg. 

3% Von ber lichfeit durch öffentliche Vorträge und Konferenzen für ihren Zweã kr 
tigen Gebrauch zu machen, muß die Miffion —* den Verſuch machen. Doch ſind auch 
bier ſchon geſchickte Arbeiter ſehr erfolgreich thätig geweſen. Manche Miſſionare balten 
auch offene Hallen, Leſezimmer, Freiſchulen nicht Erfolg. Materielle Lockmittel ſollten 
aber nicht angewandt werden, wie in England und Amerika geſchieht. Bei Juden auf 

4 = — oder niedriger Kultur und Bi ungsjtufe ift immerbin das Bejuchsverfabren 
noch ausführbar. 

Der Katechumenenunterricht bat ſich nad dem religiöfen Stand und der geiftigen 
Bildung der Hatedyumenen zu ridten und muß ein ganz perjönlicher ſein, ter nachdem 
ber Glaube an die alttejtamentlicde Offenbarung vorausgejegt werden darf oder nicht. 

Während im leteren alle ext die allgemeinen religiöjen Grundlagen gelegt werben 
müſſen, Darf hat ot auch im erjteren Falle nicht vernachläffigt werden, die religiöfen Grund: 
begriffe richtig zu ftellen, indem fogar das Gottesbewußtjein des Juͤden eine Begriffe 

re keit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. |. ww. andere find als die chriſt 
it befonderer Sorgfalt find die ſchwierigen Lehren zu bebandeln, welche dem 

2 * nicht nur Gegenſtand des Argerniſſes, ſondern geradezu des Abjcheus find und 
die er für Wahnwitz zu halten aufs tieffte geneigt iſt: die Lehre von der Dreieinigfeit, 
der Gottbeit Chriſti, der Verſöhnung durch Chriſti Tod u. — w. Ein oft gefühlter und 
chwerer Mangel iſt, daß, trotzdem die neuere Judenmiſſion faſt ſchon ein —— 
inter ſich hat, doch noch kein für jüdiſche Katechumenen beſonders eingerichtetes um— 

55 faſſendes und gründliches Lehrbuch der chriſtlichen Religion ans Licht getreten it. Paſtor 
Bieling bat einen trefflihen Abriß geliefert: „Zum Unterricht ;übihher —— 
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch * Miſſion unter Jerael, Berlin 1893. Es wäre 
ſehr verdienſtlich, wenn der Verfaſſer dieſen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch aus- 

würde. Er würde damit der Miſſion und der —*— ſelbſt einen wichtigen Dienſt 

0 leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür hat auch feiner Zeit Prof. Dr. Franz Delitzſch 




















\ 





186 Miffion unter den Faden 


evangelifche Kirche (davon 300 dur die Mifftion) 1450; 
römifchefatbolifche Kirche. . . 2 2 2123503; 
griechiſche Kuhe . 2 2 2 22222. 1100; 
aus Mifhehen . . 2 2 2 2 1833503; 

5die Zahlen find im Steigen begriffen. Den ftärfften und ohne Zweifel am tiefften drin- 
genden Einfluß übt die evangelifche Chriftenheit auf Die Juden aus. Der Proteftantismus 
bat die meiſte Anziebungsfraft, weil er das geiſtige Weſen der Neligion betont, was auf 
die Des talmudischen Formelweſens überdrüffigen Juden den größten Eindrud macht. Die 
Juden fchreiben dem Proteſtantismus den größten geiftigen Gehalt zu. 

10 III. Tie Sudenmiffion in Theorie und Praris. Ber der Miffionierung der 
Juden jollte unterjchieden werden: 1. Die Miffion unter ſolchen Juden, die zerftreut in- 
mitten eines chriftlichen Yandes und einer chriftlichen Kirdhe wohnen; 2. die unter folchen 
Juden, welche in kompakter Maſſe bei einander wohnen und eigene Sprache und Sitten 
haben und 3. folhe unter \uden in mubammedanifchen und heidniſchen Ländern. Denn 

15 die Art und der Charakter, die Aufgabe und das Ziel der Miflion wird in jedem dieſer 
drei Faͤlle verfchieden fein. Daß Diele Unterſchiede bisher faum beachtet wurden, gereichte 
der Miffion zu großem Nachteil 

1. Die Miffion unter den innerbalb der chriftlichen Kirchen zerftreuten Juden kann 
feinen anderen Zweck haben, als dieſe Juden in die chriftlichen Kirchen einzuführen und 

Zu ihnen einzugliedern. Es find dies befonders die Juden Weſteuropas. Sie jind fett bun- 
dert jahren in einem öfonomifchen und materiellen, wie auch geiſtigen, intellektuellen und 
moralifchen, kulturellen und ſozialen Aſſimilationsprozeß mit ihren Wirtsvöltern begriffen. 
Viele dieſer Juden fcheiden von leßteren nur noch die Religion und einige Reſte von 
Rafjeneigenbeiten. Es liegt im Intereſſe und der Aufgabe der chriftlihen Kirchen, zu 

35 machen, daß diefer nicht mehr aufzubaltende Aſſimilations- und Abforbierungsprozeß ın 
einer für die chriftlihen Völker und Kirchen fürderlichen und nicht fchädlichen Weiſe fich 
vollziebe und beendige. Es wäre für die chriſtlichen Völker und Kirchen aufs tiefite fchä- 
digend, wenn jo viele Taufende von Juden in ibrer Mitte, ihnen politisch, ſozial, kulturell, 
moralisch und ökonomiſch gleichftünden oder gar überlegen wären, aber religiös feindlich 

30 ihnen gegemüberjtänden. Die Juden felbjt empfinden es, wenigftens in Deutjchland, daß 
wenn fie voll und ganz in der deutfchen Nation aufgeben wollen, fie auch allmählig 
Ghrijten werden müfjen; darım laffen jo viele Juden ihre Kinder gleich nach der Geburt 
taufen. Damit aber nun feine Zuſtände, wie feiner Zeit in Spanien entjtehen, bat die 
Kirche Die Aufgabe und Pflicht, die Judenmiſſion in den Kreis ihrer Tirchlichen Thätig— 

35 feiten einzureiben, fie durch ihre Diener ausüben zu lajfen. 

Nenn jo das thatfächliche Bedürfnis und die Notwendigfeit der Selbſterhaltung die 
Kirche dazu nötigen, Judenmiſſion zu treiben, fo iſt es eigentlich überflüffig, noch bejon- 
ders Das Necht und die Pflicht Dazu theoretisch nachzuweiſen. Es kann Teine Frage fein, 
daß der Miffionsbefchl Jeſu an jeine Apoftel auch der Stirche gelte, und daß auc die 

10 Juden befaßt find unter Die Wölfer, welche die Apoftel lehren follen (Mt 28), ivenn man 
erwägt, daß fie ausprüdlib vom Herrn angewiefen tourden, mit der evangelifchen Ber: 
fündigung den Anfang in Jeruſalem und in Judäa zu maden (Le 24, 47; AG 1, 8). 
Der Einwand, daß für die innerbalb der Ghrijtenheit lebenden Juden feine beſonderen 
Veranſtaltungen nötig ſeien, vielmehr dazu das ordentlide Pfarramt und die öffentlichen 

5 Semeindegottesdienfte ausreichen, inden durch die Predigt des Wortes auch den Juden 
ſchon genügende Gelegenbeit geboten werde, das Evangelium Jeſu Chrifti zu bören, ilt 
nicht ftichbaltig, weil der ganze Geiftessuftand, Die religiöje Denkweiſe, die Anſchauungen 
und Begriffe der Juden über Gott und göttliche Tinge jo durchaus eigenartig und anders 
find, als der der Chriſten, daß eine die chriftliche (demeinde erbauende Predigt nicht darum 

so auch ſchon den Bedürfniſſen der Juden entgegenfommt, wie denn auch der Ratechumenen: 
unterricht eine ganz andere Behandlung verlangt. Daber bat auch ſchon die mittelalter: 
liche Kirche jeweilen befondere Einrichtung für Judenmiſſion für nötig gehalten. 

Die Kirche bat daber fürs Erſte die Aufgabe und Pflicht, dafür zu forgen, daß zu 
dieſem Amt paffende Katecheten und Evangeliften berangebildet und zu dieſem Werk geijtig 

56 und geiftlich vorgebildet und zugerichtet werden. Fürs Andere tft es wiederum die Kirche, 
welche für den rechten Unterricht jüdijcher Natechumenen zu ſorgen, und jie durch bie 
Taufe dem Yeib der Ghrijtenbeit einzugliedern bat. Daß die Taufe nur durch Bevoll⸗ 
mächtigte der Kirche und nicht von beliebigen geiſtlichen und weltlichen Privatperjonen, 
die oft mit der Mirche des Yandes gar nicht zufammenbängen, fogar derfelben oft fons 

vo feſſionell feindlich gegemüberfteben, geſchehen jollte, erſcheint jelbjtverftändlich, wo noch kirch⸗ 


Miffion unter den Juden 187 


liche Ordnung Tann gehandhabt werden. Unter den evangeliichen Stirchen find es aber 
nur die englifhe und fchottifche und einige kleinere freie Kirchen, welche die Miſſion als 
Zweig ihrer Tirchlichen Thätigleit ausüben. Und mas die Taufen anlangt, jo kann in 
Deutichland nicht verhindert werden, daß englifche und amertlanifche Methodilten, Bap⸗ 
titten und andere Juden taufen, ohne daß dieſe einer chriftlichen Gemeinde als wirkliche 5 
Glieder tbatfächlich eingefügt werden. Daraus erwachjen für alle Teile bedeutende Nach: 
teile. Die Thätigfeit kirchenfremder Miſſionare wird nie volfstümlich, nur in feltenen 
Füllen und ausnahmsweife getragen und geſtützt von den Gliedern der Landesficchen. 
Kirchen und Gemeinden ale ſolche nehmen kaum Notiz vom Daſein und Wirken dieler 
Miſſionare anderer Kirchendenominationen, wie auch diefe meiſt thun, als mären nicht 10 
ibon Kirchen und Gemeinden im Yande vorhanden. Die von Miffionaren anderer Kon: 
feſſionen und Kirchen Getauften gehören dann faktiſch gar feiner Kirche an, oder fie ſehen 
fih doch als Glieder der Landeskirche ihres Wohnortes an; dieſe Kirche aber bat weder 
Kontrolle über ihren Unterricht gehabt, noch wird fie um ihre Einwilligung zur Taufe 
und Aufnahme in die Gemeinde angegangen; noch fann fie fich jehügen, daß nicht un= 15 
würdige und zweideutige Subjefte, die ſich taufen ließen, ihr nun als Glieder zugeichoben 
werden. Aber auch für die Profelyten it diefer Zuftand nachteilig. Dieſe getauften 
Juden bleiben der Landeskirche fremd, werden nirgend religiös heimisch; das Gefühl der 
Zugebörigfeit zu einer bejtimmten Gemeinde und Kirche und die Verpflichtung der Kirche 
gegenüber fommt in ihnen nie auf. Der Proſelyt giebt die feſtgeſchloſſene Gemeinichaft 20 
der Synagoge auf, tritt aus feinem Vollstum und religiöfen Verband und empfängt doch 
feinen Erſatz dafür; fein Wunder, daß ſich viele Proſelyten zeitlebens unter den Chriſten 
und in den Gemeinden fremd fühlen und auch bei lebenvigem Glauben an Chriſtum doch 
den Mangel einer Volks- und Religionsgemeinjchaft fpüren; es fehlt ihnen die geiftige 
Heimjtätte. — Aufgabe Tirchlicher Thätigkeit it c3 aber nicht, auch für die äußeren Dinge, 25 
für materielle Unterftügung und foziale Eingliederung der Proſelyten in die chriftliche Ge— 
jellihaft und das Vollstum Sorge zu tragen. Bei der zahlreichen Einwanderung der Juden 
und da Ben öfter auch ihre Heimat verlaflen, um im evangelischen Ländern überzutreten, 
jo tft oft auch materielle Unterjtügung nötig; da iſt eine kirchlich eingerichtete Miffion 
auf die Beihilfe privater Liebesthätigkeit angemwiefen. Nah dem Dargelegten gebürt die so 
Miſſion unter den Juden des eigenen Landes fozufagen zur inneren Miſſion. Da aber 
in diefer Thätigfeit die freien Vereinigungen eine glüdlichere Hand haben, als die ftaate- 
firchliche, jo wird e8 im großen und ganzen nicht gerade als ein Übelſtand empfunden 
werden, daß die Judenmiſſion Sache freier Vereine und Gefellichaften geworden iſt, wenn 
dieſe nur der eigenen Kirche angehören. — Dagegen ijt e8 cin jehr großer Mißſtand, der 36 
meift mit ſchweren Argerniſſen und Schädigungen der Miflion felbjt verfnüpft ift, wenn 
einzelne Privatperfonen, ſeien es Männer oder Frauen und Fräulein auf eigene Hand perfünlich 
oder Durch Angejtellte Miffion treiben oder treiben laſſen. Sie find niemand verantwortlich 
für empfangene Geldmittel; meist fehlt alles Geſchick und die nötigen geiſtigen Vor: 
bedingungen für rechten Erfolg; oft wird nur auf den Schein gearbeitet; manchntal fogar 46 
ein einträgliche® Geſchäft daraus gemacht. Gleichwohl fehlt es an allen Mitteln, folchen 
Franktireurs in der Miffion das Handwerk zu legen. Man kann nur davor warnen, 
ſolche Beitrebungen zu unterftügen, die nicht von einem organifierten Verein oder Komitee 
anerlannter Shriften ausgehen. — Die Miſſionsbeſtrebungen unter den innerbalb der evan—⸗ 
geliichen Kirchen wohnenden Juden, die alle mehr oder weniger in den Aflimilationg- 45 
prozeß mit den chriftlichen Völkern verflochten find, können alfo nur die Aufnahme diefer 
Juden in die evangeliiche Kirche zum Zweck und Ziel baben. Eben darum würde dieſe 
Miſfion am geeignetiten durch chriftliche Geiſtliche Diefer Kirche ausgeübt, die freilich dazu 
beionderer Borbildung bedürfen. Den gebornen Chriſten fällt freilib die Zurüſtung zum 
Miſſionsberuf unter den Juden ſehr fchwer, ſchwerer als gebornen Juden. Zie haben so 
mebr Schwierigkeiten zu überwinden, um mit Juden recht verfebren und getftlich auf fie 
einwirken zu können; aber andererjeits genießen fie größere Achtung und mebr Entgegen: 
fommen von feiten der Juden, weil es ihnen mehr Eindrud macht, wenn geborne Ebrijten 
fh um ihr Heil bemühen und ihre Bekehrung fich zur Yebensaufgabe machen. - rrig 
und verfehrt wäre es, wenn man die in evangelifchen Kirchen Ghriften getvordenen Juden 55 
einer befonderen judenchriftlichen Kirche Sammeln und vereinigen wollte. Daraus ent: 
Klinde nur eine neue Sekte; darauf werben ſich auch die in evangelifchen Yandern Iebenden 
Profelgten nie einlaffen; folche Beitrebungen baben daber, two fie verfucht wurden, feinen 
Boden finden fünnen. — Auf eines aber jollte Die Nirchenbebörde beionders Acht haben, 
daß nämlid, die Geiftlihen nicht voreilig Taufen von Juden vornehmen, nicht ohne 6 


188 Miſſion unter den Juden 


borauggebenden gründlichen Unterricht, und nicht ohne daß wenigſtens ernftlihe Anfänge 
eines wirklichen Glaubenslebens fichtbar find. Judentaufen jollten nicht bloß von der 
Berilligung der firchlichen Behörde abhängen, jondern dieſe jollte ſich auch um die zu 
erteilende Unterweifung fümmern und diefelbe regeln. Leider find die Fälle nur allzu 

5 häufig, daß Pfarrer nach einem höchſt mangelhaften und färglichen Unterricht, oft fogar 
obne irgend welche Unterweifung, fogar ohne irgend welche genauere Kenntnis der Verjon 
des Petenten kurzerhand jedwedem die Taufe erteilen. Mancherorts fiebt es faft aus, 
als fer der Taufaft und Taufichein gegen eine Gebühr fäuflih. Won diefer Praris bat 
Die evangelifche Kirche den größten Schaden. Mit bloß bergereiften, nicht landſäſſigen 

1 Juden follten Stirchendiener überhaupt doppelt vorfichtig fein und fie an ordentliche Miſſio⸗ 
nare weiſen, da ſolche fahrende Leute mit dem Taufbegehren faft ausnahmslos mehr oder 
weniger ſchwer zu erfennende andere Zivede verbinden. Solche voreilig getaufte Juden 
fallen nachber der Chriftenbeit zur ſchweren Laſt und bringen die Judenmiſſion ea in 
Mipfredit, indem die leicht täufchbaren Geijtlihen dann alle Profelyten wrtümlich für 

15 Heuchler und Schwindler halten. 

Die Methode des Mitfionierens richtet fich nach den Werhältniffen der Juden. So 
lange die Juden in faſt rechtlofen Verhältniſſen innerbalb der Chriftenbeit lebten, konnten 
Staat und Kirche es erzwingen, daß die Juden entweder in ihren eigenen Synagogen 
oder in Kirchen die Predigt des Evangeliums anbören mußten, was freilih nur zu 

20 Smangsbefehrungen führen fonnte und dem Geift des Evangeliums nicht entſprach. Dieſes 
Cogite intrare bätte die ewangelifche Kirche der katholiſchen nie nachmachen follen. Seit 
der Emanzipation der Juden iſt diefe Weife unmöglich geworden. Man bat ſeitdem die 
Juden in ihren Häufern aufgefucht und Durch Geſpräche mit den Ein elnen und Familien 
und durch Verteilung von Traktaten und Büchern ihnen das Evangelium verfündet. Die 

25 Predigt in Synagogen und Schulen tt jet nur ganz ausnahmsweiſe und jelten nod 
ausführbar. Nachdem nun aber auch die Juden im fozialen Leben ſich eine höhere Stel: 
fung erworben und ibr geiftiger und materieller Kulturzuſtand fich gänzlich verändert bat, 
wird auch dem Aufjuchen in den Häufern immer mebr Schwierigkeit in den Meg gelegt. 
Viele Juden berufen jih auf das Hausrecht und feben die Befuche durch den Miſſionar, 

39 wenigſtens wenn er den Zweck des Befuches deutlich zu erfennen giebt, ald Zudringlich— 
feit, wenn nicht gar als Hausfriedensbruch an. So bleibt nur die zufällige Begegnung 
und die Offentlichkeit übrig. Die vom Miſſionar geſuchten, aber vom Zufall abhängigen 
Geſpräche in Cafes und Wirtshäuſern, im Wartſaal und Waggon, auf der Promenade 
und Landſtraße, im Kaufladen und Bureau ſind oft vom beſten und geſegnetem Erfolg. 
3 Von der Offentlichkeit durch öffentliche Vorträge und Konferenzen für ihren Zwec rich⸗ 
tigen Gebrauch zu machen, muß die Miſſion erſt den Verſuch machen. Doch ſind auch 
hier ſchon geſchickte Arbeiler ſehr erfolgreich thätig geweſen. Manche Miſſionare halten 
auch offene Hallen, Leſezimmer, Freiſchulen nicht obne Erfolg. Materielle Lodmittel follten 
aber nicht angetvandt werden, wie in England und Amerifa gefchieht. Bei Juden auf 

40 den Lande oder niedriger ultur- und Bildungsstufe it immerhin das Beſuchsverfahren 
noch ausführbar. 

Der Katechumenenunterricht bat fich nach dem religiöfen Stand und der geiftigen 
Bildung der Katechumenen zu richten und muß ein ganz perjönlicher fein, je nachdem 
der Glaube an die altteſtamentliche Offenbarung vorauägefegt werden darf ober nicht. 
5 Mäbrend im legteren ‚alle erit Die allgemeinen religiöfen Grundlagen gelegt werden 
müſſen, darf doch auch im erſteren Falle nicht vernachläſſigt werden, die religiöſen Grund⸗ 
begriffe richtig zu ſtellen, indem ſogar das Gottesbewußtſein des Juden, ſeine Begriffe 
von Heiligkeit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. ſ. w. andere find als die chriſt— 
lien. Mit befonderer Zorgfalt ſind die ſchwierigen Yebren zu behandeln, welche dem 

50 Juden nicht nur Gegenftand des Ärgerniſſes, jondern geradezu des Abſcheus find und 
die er für Wahnwitz zu balten aufs tiefjte geneigt tft: Die VLehre von der Treieinigfeit, 
der Gottheit Chriſti, der Verföhnung dur Ghrijti Tod u. |. w. Ein oft gefüblter und 
ſchwerer Mangel ift, daß, trogdem die neuere Judenmiſſion fajt ſchon ein Jahrhundert 
binter fich bat, doch noch fein für jüdiſche Katechumenen beſonders eingerichtetes ums 
5 faflendes und gründliches Lebrbuch der chrijtlichen Religion ans Licht getreten it. Paſtor 
Bieling bat einen trefflichen Abriß geliefert: „Zum Unterricht jüdiſcher Katechumenen“ 
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch der Miſſion unter Jsrael, Berlin 1893. Es wäre 
ſehr verdienſtlich, wenn der Verfaſſer dieſen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch ausge 
arbeiten würde. Er würde damit der Miſſion und der Kirche ſelbſt einen wichtigen Dienſt 

bo leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür bat auch ſeiner Zeit Prof. Dr. Franz Delitzſch 


Miſſion unter den Juden 189 


in Abhandlungen feiner „Saat auf Hoffnung” geliefert. Da bei dem ftetig fortjchreitenven 
jüdischen Affimilterungsprozeß die Taufen von Juden ſich immer mehren werben, fo wäre 
auch wünfchenswert, daß in den Stirchenagenden für paſſende Taufformulare geforgt würde. 
Es wäre Zeit, daß die Kirchenbehörden dieje Seite der Judenfrage, die fie berührt, einer 
allfeitigen Ermägung und Regulierung unterzieben würden. 6 

2. Anders muß ſich die Miſſion geſtalten in nichtevangeliſchen Ländern, wo Juden 
in kompakten Maſſen bei einander wohnen. Dies iſt hauptſächlich im Oſten Europas 
und vorzüglich in den polniſch geweſenen Weſtprovinzen Rußlands der Fall. Die Zahl 
aller ruſſiſchen Juden wird auf mindeſtens 4/, Millionen, von manchen ſogar auf 6 Mil- 
lionen geſchätzt. Aber auch in Galizien und Rumänien wohnen Tauſende von Juden 10 
bei einander Auch die 100000 ruſſiſchen Juden, die enggedrängt im Oſtend Londons 
wohnen, gehören in dieſe Ordnung zu den ausländiſchen Juden; nicht minder die 400 000 
ausländiſchen Juden in New-York. Sie bilden gleichſam eine Welt für ſich. In den 
vorhin genannten, von römiſch- und griechiſch-katholiſchen Völkern bewohnten Ländern 
giebt es überall nur wenige, Kleine, geiltig unbedeutende, geiftlich oft faft eritorbene, evan- 
geliiche TDiafporagemeinden. Die Miffton kann fih da an feine Kirche anlehnen, ſondern 
muß jelbititändig auftreten und wirken. Hier bieten fih der Miſſion ganz befondere 
Schwierigkeiten. Hier haben es die Milfionare oft noch mit tiefgewurzeltem jüdiſchem 
Fanatismus und Chriſtenhaß, mit unglaublichen Aberglauben und jüdischer Engberzigfeit, 
aber auch mit innigem, altwäterlihem Offenbarungsglauben, mit einer das ganze Leben 20 
umfpannenden Religiofität und Frömmigkeit, mit gründlicher talmudifcher Gelehrfamteit 
und ſchwärmeriſcher cheifidiicher und kabbaliſtiſcher Myſtik zu thun. Ein nicht auch mit 
jüdiſchem Wiflen gründlich ausgerüfteter Miffionar wird hier wenig Achtung, wenig Gehör 
und gar fein Verſtändnis finden. Er muß mit den Juden „jüdiſch“ denken und reden 
lönnen und ihr Denken und Reben veriteben. Bringt e8 dazu ein geborner Chriſt, jo 25 
wird er Doppelt leichten Eingang und außerordentliche Erfolge erreihen. Da dies aber 
nur jelten der Fall tft, daß ein geborner Nicht-Jude folche Kenntniſſe hinreichend erwirbt, 
fo find unter den talmudifchen Juden allzeit als die natürlichen Arbeiter befebrte Juden 
aufgetreten. In jedem Fall find fie die, welchen dieje fchmwierige Arbeit am leichteiten 
fällt wegen ihrer Kenntnis der Denkweiſe, Sitten, religiöjen Gebräuche, Sprache, Litte: 30 
ratur und Yebensumftände, der geiftigen und moraliſchen Vorzüge, Schwächen und Fehler 
der Juden. Sie fennen beides, das jüdiſche Herz und den jüdischen Kopf. Zudem belebt 
viele Profelyten ein tiefer Drang, ihren Volksgenoſſen das Heil in Jeſu zu verfünden, 
und ihre Arbeit ift auch allzeit von Segen begleitet geweſen. Doc dürfte es verfehlt 
jein, wenn eine Gefellichaft überwiegend oder gar grundſätzlich nur Profelyten zur Arbeit 35 
verwenden würde. Denn dann gejchiebt es leicht, daß in der Auswahl wenig wähleriſch 
verfahren und oft untüchtige Leute, nur meil fie Proſelyten find, angeftellt werben, oft 
auch Neophyten vorjchnell zu Lehrern anderer gemacht werden. Auch ijt nicht ganz mit 
Unrecht zu bejorgen, daß folche die jüdiſchen Eigenheiten und Gewohnbeiten, die jüdiſchen 
Anſchauungen und Vorurteile, fogar die Unarten ihrer Pfleglinge allzuſehr fehonen, ftatt 40 
ibnen entgegenzutreten. Ebenſo verfehlt aber, ja ganz unpraftiich wäre cs, die Proſelyten 
ganz vom Y ti fionsbienft ausschließen zu wollen. Die Gebrechen und Gefahren werden 
am beiten vermieden durch gemeinjame Arbeit von gebornen Chrijten und Proſelyten. 
Enticyieden muß aber die Leitung und Vorfteberichaft der Mifjion durch geborne Chriften 
gefordert werben, einerjeits damit die Vereine uud Komitees mit der Ghrijtenbeit in Zu: 4 
jammenbang bleiben und ihr Vertrauen bejisen, andererfeits damit nicht ein faljch jüdiſcher 
Geiſt in der Miſſion fich feſtſetze. Doch jollten auch geborne Juden in jedem Komitee 
vorhanden fein, dann würden audy die Komitees vor vielen Mißgriffen und unpraftifchen 
Maßnahmen beiwahrt bleiben. 

Was nun Zmed und Ziel der Mifjionsarbeit unter fremdländiſchen Juden anlangt, so 
fo maden fich hier ganz bejondere Schwierigkeiten geltend. Was joll gejcheben, wenn 
mitten in großen Judengemeinden ein Cinzelner oder eine einzelne Familie zum Ebrijten- 
tum übertreten will? Die Aufnahme und Eingliederung in eine fehon beitebende Chrijten: 
gemeinde iſt meift ganz und gar oder durch die faktiſchen Verhältniſſe ausgeſchloſſen. Ein 
Einzelner kann audy feine Gemeinde bilden, kann ſich als Chrift inmitten feiner früheren 55 
Glaubensgenoſſen gar nicht halten, denn fie haſſen und verfolgen folchen Abtrünnigen 
(Mechummed) auf alle Reife. Wenn es junge Männer waren, bat man bisher Die 
Einzelnen in Profelytenhäufer oder äbnliche Anstalten nach Yondon oder ſonſt wohin 

ſchickt. Aber dieſe Verpflanzung in ganz andere Verbältniffe bat bei Vielen fchlechte 
Früchte getragen. Den meijten Erfolg batte man noch bei denen, welchen das Studium 60 


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190 Miffion unter den Juden 


ermöglicht wurde: fie wurden Miſſionare oder Geiſtliche in England und Amerifa. Zu 
Handwerken und Bewerben waren wenige geeignet; Diele gingen auch zu Grunde. Der Über: 
tritt ganzer Familien war faſt unmöglich und bereitete unendliche Schwierigkeiten. Nach 
dem aber nun auch in Polen und Rußland unter den Juden eine merkwürdige Bewegung 
zum evangeliſchen Ehriſtentum bin auftritt, und Tugende von Juden bei Geiſtlichen und 
Miſſionaren Unterricht begehren, wird es vielleicht doch möglich und notwendig ſein, die 
Ubertretenden zu jüdiſchſchriſtlichen Gemeinden zu ſammeln, welche nach ihrer Weiſe und 
ihren Sitten entſprechend ein judiſch chriſtliches Gemeindeleben einrichten. Solche jüdiſch⸗ 
chriſtliche Gemeinden konnten unter der Maſſe ihres Volkes wie ein Licht ſcheinen und 
vieles zur religivſen Wiedergeburt Des ganzen Volkes beitragen. Die Miſſion wird dieſer 
Frage nicht aus Dem Wege geben können. Denn Die Juden des Oſtens find zur Aſſi— 
milation und Abſorption in anderes Volkstum und Kirche weder gewillt noch fähig. 
Was die Methode der Miſſion unter dieſen öſtlichen Juden anlangt, ſo bieten ſich 
dem Miſſionar nicht ſo viele Schwierigkeiten, an ſie zu gelangen, wie im Weſten. Er 


»kann leicht überall Zugang finden und ſofort ein religiöſes Geſpräch beginnen, Denn der 


Hedanfenfreis dieſer \uden iſt noch Dur und Durch religiös beſtimmt, felbit wenn fie 
am Ialmudjudentum irre geworden Ind. Um ſo ſchwieriger tt der Disput mit ihnen. 
Nicht nur wrunfen fie nern mit Talmudgelebhrſamkeit und Disputieren gerne nach Art der 
Talmudſchule (Jesehibar in rabulitiicher Weiſe, ſondern auch ihre rabbinifde Schrift: 
auslegung ſtebt Der chriſtlichen ſeit Der Apoſtel Zeit ſchroff gegenüber. Dagegen impo— 
niert ihnen ſowobl genaue und ſichere Handbabung Des hebräiſchen Bibeltertes, als auch 
modern philoſophiſches Wiſſen. Dieſen Juden gegenüber bat ſich ſeit alten Zeiten die 
beliebte Miſſionspraris aebtlder, aus einzelnen, aus Dem Zuſammenbang geriſſenen bibli: 
ſchen Worten und Verſen Die Meſſianitat und Gottheit Jeſu Chriſti zu beweiſen. Bei 
vielen Talmudglaäubigen verfanat noch dieſe Bewetstübrung, womit jedoch für einen leben: 
digen und berilicen Glauben noch meta gewonnen iſt. Es ut ein Unfug, wenn Juden 
blog Darauf bin bon getauft werden, Dap ſie ſich durch Diele Stellen von Der Meſſianität 
set überzeuat erflaren. 

Fin beionders wichtiges Mittel sur Einwirkung auf Die \uden tft Die Yitteratur. 
Vor allem muß Me b. Schrit Arten und Neuen Teſtaments unter ihnen verbreitet werden, 
um Me ſewehl auf Die Quellen ihrer eigenen, wie Der criitlichen Neligien hinzuweiſen. 
Es iſt kein geringer Erfolg, daß die Juden üich genptig: schen, um die Miſſionsbibeln 
zu verdrangen, eigene Ausgaben und Uberießungen me Erkarungen wol. das Bibelwerk 
ven Dr. Bilden su veranitalten. Aucke Dr, mehrere, Tote wird von Den Juden 
Des Oſtens gerne angenemien und geleſen Di wsriaen jeisgung von Prof. De 
lisich thut noch ihre Wirkung. 1 Tas ber 2 Des: Tomas in umgearbeiteter 
11. Aufl. unzer Mimrirtuna won NS No wen es. G. Dalman 1892, 
12. Aufl. oo. Weniaer SURNTUNTIS moon or. Terms cmbdringend, aber 


leichter lesbar ſit De Überkgunn der Sunooeoo Terse. Sm awory, welche Daber 
von den Proſelpten Dofterarn 2.802082: >... te" mmelitteratur teilt 
ſich in zwei Kigſſen, Levens UND Emm on. un - in zz und dann Trak—⸗ 
tate uber welltuntiebe Bieliieier me N sa. a Jmrmerrig jiber Kontro⸗ 
versiragen UND Lebren. NT. me os on. Do Nr Tune tab Der modernen 
Budung moon) vom Dome nn 8 Dos, 1 zakben und religiöjen 
Grundlage ibres besßeriui NN mem — Do grerwr 2 So mebr wächſt Das 
Vedurints nach eiter arrderet Spermien 8 on Ir *:;cdernen, religionslojen 
Wesin.zut Kaduna ms 

Zst) de nDna Sei Wetee oo cu u, made ſich auch wieder, 
NUXOMLND das BIN ron te anne. ze) Der Übertritt eines Juden 


bet ſeitens ſeitter NT N Pestnth me Toon iv sönzeretende baben vorber 
waraenrı ferner Bertt der Seren NDS, ns Orten ernäbren fönnte; 


welch own Im. on Neo re sr Woplthätern lebten. Zie 
Ba BA PO Hua 5.3 ZuRaE U 2 u BEE Zee Eee, - mp geleugnet werden, daß Die 
Der. Dicht on me Nanny fommen. Es geſchieht durch 
Nenn et. oe dem 9 82 Ast Des Katechumenenunterrichts 
WILLNDGSTT ON ION Tee verden. Die Yondoner Geſell⸗ 
NEON TON ze oe N 8.2 om Yordon und Feruſalem; bie 
DISS ODE IDEEN EN, © o yuzzzohern müſſen und während ber 
LEE DNS RE De N I: Es iſt nun unumgänglich not: 


erh Ns leer Nee, Wmducı N... wo jolde Maſſen von Juden 


Miſſion nuter den Juden 191 


zufammenftrömen und immer eine Mehrzahl von Juden Unterricht begehrt, folche Häufer 
da jein müſſen, in denen neben dem Unterricht fie befchäftigt werden. Aber es darf auch 
nicht verbehlt werden, daß manche diefe Häufer als bequemen Unterfcehlupf benugen und 
dann gleihfam zum Dank ſich taufen lafjen. Ferner ijt e8 Thatſache, daß die Aller: 
wenigiten bei den Handwerken, die fie da erlernen fünnen, nachber bleiben wollen und 5 
dann leicht einem vagabundierenden Xeben verfallen, ihren Taufichein als Bettelbrief be- 
nugend. Es follte daber niemand getauft werden, von dem man nicht die Gewißheit 
bat, daß er ſich dann ehrlich und felbititändig ernähren fann und will. Das Bekenntnis 
aufrichtigen Glaubens fünnte nur dann genügen, wenn die Taufe fie gleich in den Himmel 
einführte. Für das Leben auf Erden unter den Chriſten aber bedarf es der Erijtenz- 
fäbigfeit, ohne welche die Getauften nachher meilt verfommen. Daß wohlbegabten Pro— 
felgten nachher irgendwie das Studium ermöglicht wird, iſt jehr wohlgetban und meiſt 
von gutem Erfolg, lodt aber auch viele an in der Hoffnung, daß fie auch ſolch Glüd 
haben würden. Auch iſt es ſchwer, in diefen Häufern alle Eiferfüchtelei, Streitigkeiten 
und Intriguen zu verbüten und zu dämpfen. Trotz diejen Schwierigfeiten werden aber 15 
ſolche Häufer Bedürfnis bleiben für gewiſſe Orte. 

3. Die Juden, welche in heidniſchen oder muhammedaniſchen Ländern wohnen, bilden 
den kleinſten Teil des ganzen Volkes. Sie ſtehen auch geiſtig und moraliſch auf einem 
tieferen Standpunkt als die übrigen. Weder moderne Bildung noch alte Talmupgelehr: 
ſamkeit findet ſich bei ihnen, fondern nur mehr oder weniger ftarfe Tradition der Ge— 20 
bräuche und noch jtärferer materieller Sinn, als bei den übrigen Juden. Die Million 
F— ihnen hat mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen und noch wenig Wurzel 
gefaßt. 

Noch iſt aber einer neuen, mächtig aufſtrebenden Richtung zu erwähnen, die der 
Miſſion neue Probleme bietet. Es iſt der ſeit 1897 entſtandene Zionismus, d. h. die 25 
ſich immer mehr organiſierende und weiter ausbreitende Partei derer, welche ſich das Ziel 
geſteckt haben, das jüdiſche Land für das jüdiſche Volk wieder zu gewinnen und dem 
letzteren wieder politiſche Exiſtenz und Bedeutung und nationale Einheit zu verſchaffen. 
Hervorgerufen als Reaktion gegen das Aſſimilationsſtreben und als Heilmittel gegen die 
Drangſale des Antiſemitismus und getragen von den uralten Hoffnungen und der Sehn: 30 
fucht des Volkes nad Zion, ſchwillt dieſe politifchnationale Richtung immer mebr an 
und wird bald das ganze Volk ergriffen haben, denn die Juden haben das Gefühl, daß 
es fich jet bei ihnen entweder um völlige Aufgabe und Abjorption ihres Volkstums 
oder aber um Wiedergewinnung voller und felbititändiger Nationalität handelt. Ihr 
letztes Streben gebt aljo auf nationale Wiedergeburt und unabhängige Stellung unter 35 
den Völkern. Die Juden wollen wieder eine jüdiſche Nation mit eigenem Heimatland 
und eigener Freiheit ſein. Da nun bisher der Übergang zum chriftlichen Glauben immer 
auch Die Aufgabe des jüdiſchen Volkstums in fich ſchloß und Losfagung von der jüdischen 
Rationalität, jo muß der Zionismug eine der Miſſion feindliche Stellung einnehmen, da 
er die Milfion als das Werkzeug anfiebt, wodurch immer mehr Glieder vom jüdifchen 40 
Volkskörper abgeichnitten werden. Andererjeits aber willen die Zioniften, daß ſie der 
moralischen und vielleicht auch materiellen Unterftügung der chriſtlichen Mächte und Völfer 

Verwirklichung ihrer Bläne bedürfen, und auch daß gerade die gläubigen Chriſten, 
befonbers in England, vielfach mit ihnen fumpatbifieren, weil fie eine Nüdfehr der Juden 
in ibr Land für die Erfüllung biblifcher Weisjagungen balten, darum baben die Zionijten 45 
von Anfang an fi möglichit freundlih zu den Ghriften geitellt und allen Haſſes und 
aller Polemik gegen die chrijtliche Religion jich ftreng enthalten, denn manche von ihnen 
beieelt auch der Wunſch, eine Verftändigung zwiſchen Judentum und Chriſtentum berbei- 
zuführen. So find die Zioniften zwar Feinde der Miffton, aber nicht Feinde des Chrijten- 
tums. Damit iſt der Miſſion ein neues, ſchweres Problem gejtellt. Was iſt zu thun? so 
Wir glauben, daß die Miffion den Zioniften gegenüber eine dreifache Aufgabe bat: 1. fie 
muß die Juden davon überzeugen, daß die Annahme des chrütlichen Glaubens nicht 
grundſätzlich und unbedingt das Aufgeben der jüdischen Nationalität in ſich fehließt, und 
daß es keineswegs Tendenz der Million iſt, die jüdiſche Nation zu zerjtören und aufzu= 
löfen, daß aljo ein Jude gar wohl dem Glauben nad ein Chriſt und der Nationalität 55 
nach ein Jude und Zioniſt fein kann, zumal da die Ziontften jelbjt erflärt haben, daß 
fie eine rein politiiche Partet feien und nah Glauben oder Unglauben ihrer Anbänger 
nicht fragen, fo daß es alſo ein Widerſpruch gegen ibre eigenen Prinzipien wäre, chrijt- 
pläubige Juden von ihrer Bartei auszujchliegen. 2. Die Miſſion muß die Juden davon 
überzeugen, daß eine nationale Wiedergeburt ihres Volkes unmöglich H ohne gleichzeitige 60 


ut 


N) 


192 Miffion unter den Juden Moab 


religiöſe Wiedergeburt, und daß ihre abgeſtorbene, rückſtändige jüdiſche Religion ein Hin: 
dernis ihrer nationalen Wiedergeburt ift, meil bei ihnen Volkstum und Religion aufe 
innigite verfnüpft it. Sie müflen zur Erkenntnis gebracht werden, daß ein Volksweſen 
nicht nadı einer Seite miedergeboren iverden und nach der andern abgeitorben bleiben 
5 fann, daß alfo die Wiedergeburt eine ganze, nationale und religiöjfe fein muß. 3. Die 
Mifjion muß obne allen Schein der Seelenfängerei den Juden die Erkenntnis der Perſon 
Jeſu und des wahren Weſens des Chriftentums erjchließen; ihre Vorurteile gegen beide 
befeitigen und fie zu einer richtigen Würdigung beider veranlajjen und in jtand ſetzen; 
alles Weitere aber der gefchichtlichen Entwidelung und dem Wirken des Geiftes Gottes 
10 auf die Totengebeine des Haufes Israels (Ez 37) überlajfen. Nur wenn das Neid 
Gottes felber identisch wäre mit einer der beſtehenden chriftlichen National: oder Landes⸗ 
firchen müßte es Tendenz der Miflion fein, die Juden für den Eintritt in eine dieſer 
Kirchen und für Aufgabe ihrer Nationalität zu gewinnen. Das Neich Gottes kann aber 
zu den Juden auch in einer anderen Form als der einer der beitebenden Kirchen fommen, 
15 daher bat die Miffion den Juden nicht eine Kirche, jondern Jeſum Chriftum und das 
Reich Gottes zu verfündigen. Heman. 


Miffionsprieiter |. d. U. VBincentius de Baulo. 

Mitra ſ. d. A. Kleider und Infignien Bb X 5. 531,26. 
Mittagsland |. d. U. Negeb. 

20 Mittler |. d. A. Verföhnung. 


Moab. — Triſtram, The Land of Moab, 1874; Conder, Het and Moab; Pal. lor. 
Fund, Survey of Eastern Palestine I; Siegfried Yanger, Reijeberiht aus Syrien u. Arabien, 
1883; Dougthy, Travels in Arabia Deserta 1, 18—127; Baecdeker, Baläjtina*, 173—178; 
Schick, Bericht iiber eine Reife nad) Moab, ZEPB 2, 1-12; Klein, Notizen über eine Reije 

3 nad) Moab, ebend. 124 ff.; Kerjten, Ummanderung des Toten Meeres, ebend. 201 ff.; Schu: 
macher, ebend., 16, 162ff.; Brünnow, Neijeberiht, MNEIPUL 1895, 65 ff., 81ff., 1898, 33 ff., 
49 ff, 1899, 235.; Bliß, Pal. Expl. F., Quart. Stat. 1895, 203—235; Hornftein, ebend. 1898, 
93 ff.; Buhl, Geographie des Alten Ral., 49 ff., 122 ff, 265 ff.; &. N. Smith, Historical Geo- 
graphy of the Holy Land, 552ff.; 9. W®indler, Geihichte Israels 1, 46ff., 203ff.; Die Ar: 

so tifel „Moab“ im Handwörterbuch d. bibl. Altert., Schentels Bibelleriton, Haſtings Bibl. Dic- 
tionary und Encyclopaedia biblica. Bgl. aud die Litteratur unter „Meja-Inichrift“. 

1. Moab (ARTS, in der Meſa-Inſchr. 282, affyr. Ma’ab, Ma’aba, Mu’aba) be 
zeichnet im AT das öftlich vom Toten Meere wohnende Volk, das nur einmal (2 Chr 
20, 1) gegen den fonitigen Sprachgebrauch: Söhne Moabe, A872 2, genannt wird. 

35 Das einzelne Mitglied des Volkes hieß Moabi. Das von diefem Wolfe beivohnte Land 
nannte man 2872 YIN; aber es fommen doch auch Stellen vor, wo das bloße „Moab“ 
am natürlichiten als Lokalname aufgefaßt wird, bejonders wo es als Femininum kon⸗ 
ftruiert wird, 3. B. er 48, 4, Jud 3, 30. In der griechiichen Zeit hieß das von den 
alten Moabitern bewohnte Yand „Moabitis”. Dagegen tft diefe Benennung feit der ara⸗ 
biſchen Eroberung verjchiwunden; das Land beißt jegt nörblih vom W. mögib: el 
Belgä (als jüdlicher Teil diefer umfaſſenderen Landſchaft) und füdlich davon: Kerak. 
Das moabitifche Land wurde gegen Weſten vom Toten Meere begrenzt. Gegen Oſten 
bildete die Müfte die Grenze, die Deshalb mehr öſtlich oder weſtlich lief, je nachdem fich 
das Kulturland nach diefer Richtung ausbreitete oder zurückzog; im allgemeinen kann man 

5 die große vom Norden nach Süden laufende Pilgerſtraße als Dftgrenze betrachten. Im 
Süden trennt Wadi-el-hasä (oder el-ahsä) als natürliche Grenze Noah von Edom; 
möglichertveife iſt es Ddiefes Thal, das im AT (Jeſ 15, 7) das “Arabim-Thal beißt. 
Cine natürliche nördliche Grenze hatte das Yand zu den Zeiten, wo es nur bis zur tiefe 
eingefchnittenen Mögib- oder Arnon-Schlucht reichte (ſ. u). Dagegen fehlte eine ſolche 

so in den Perioden, wo die Moabiter ihre Herrfchaft über diefe Schlucht hinaus ausdehnten, 
und man kann deshalb für Ddiefe Periode die Nordgrenze des Yandes nur mitteld ber 
Städte, Die als moabitisch bezeichnet werden, bejtunmen. Danach mwird ungefähr W. hes- 
bän die äußerfte Ausdehnung der Moabiter gegen Norden bezeichnen, mit Ausnahme der 
Sordanniederung, two der Name “Arbot Moab für den Jericho gegenüberliegenden Teil 

65 von el-Ghör beweiſt, daß die Moabiter bier auch die Gegend nördlich von W. hesbän 

innegebabt haben. In feiner weiteften Ausdehnung wird Moob einen etwas größeren 


= 
= 


En 
o 


Moab 193 
Släheninhalt ald der Kanton Waadt, faum die Hälfte von Montenegro umfaßt 
ba 


2. Das moabitifhe Land beiteht hauptſächlich aus einer Hochebene, die fich im Oſten 
als die große Wüſte fortfeßt, von diefer nur durch einen niedrigen Höhen; ug getrennt. 
Gegen Weiten ſenkt fie jih in ſenkrechten Stufen zum tiefliegenden Toten \ Meere binab. 
Vor den Nandbergen lagert im füdlichen Teile des Landes eine ziemlich breite Küjten- 
ebene, während im nördlichen Teile Die Feljen mehrmals fo nabe ans Waſſer treten, daß 
ein Vorbeikommen hier unmöglich iſt. Vor der Mündung der beiden Thäler W. bani 
hammäd und W.kerak bildet die Strandebene eine große Landzunge, el-Lisän. Der 
Name der Küftenebene ift im AT ha“Emeq Sof 13,19, vgl. Jer 48, 8. Die Hochebene 10 
dagegen heißt Sede Moab Gen 36, 35; Nu 31, 20; Ruth 1, 1 u. ö. oder Midbar 
Moab Dt 2, 8. Was Ezechiel 25, 9 die Schulter Moabs nennt, iſt wohl der Abhang 
der Hochebene, wie er ſich dem im Weſtjordanlande ſtehenden Betrachter zeigt. Nach feiner 
geologifchen Beichaffenheit baltert das Plateau auf rotem nubifchen Sanbftein, auf welchem 
eine Schicht harten Kalkfteing rubt, der wiederum eine Schicht weicheren Kreidekalk trägt. 
An mehreren Stellen zeugen umbergejtreute Bafaltjteine und beige, ſchwefelhaltige Quellen 
von ehemaligen vulkaniſchen Eruptionen. Am häufigſten ſind ſie in den unteren Teilen 
der Wadis, aber auch auf der Ebene giebt es mehrere Punkte, wo der Lavaſtrom den 
Kalkſtein durchbrochen hat (vgl. z. B. Doughty 1, 20). Die Hochebene, die im Norden 
durchſchnittlich 800 Meter hoch tft, erhebt ſich allmählich gegen Süden und erreicht bei 


Gafar cine Höhe von 1254 Meter. Getvaltige Naturrevolutionen haben fie zerriffen und 
ſchwindelerregende tiefe, von Oſten nad Weiten laufende Spalten hervorgebracht, Die dem 
größeren ſüdlichen Teile der Hochebene jein eigentümliches Gepräge geben. Vor allem 
giebt es drei große Wadis, bie im öſtlichen Teile des Yandes als — Senkungen be— 
ginnen, aber ſchnell tiefer werden, bis ſie als enge, von hohen ſenkrechten Felſenwänden2 
umſchloſſene Schluchten in die Strandebene des Toten Meeres ausmunden. Die füblichite 
von ihnen iſt Wadi kerak, deſſen oberer Teil (nach einer Duelle in Kerak) W. ain 
-el-frangi heißt, während er unten an feiner Mündung W. harada genannt wird. Er 
entiteht bet Qaträne an der Pilgerftrape und mündet bei der oben erwähnten Salbinfel 
Mögliherweife fommt er im AT unter dem Namen Zered (Nu 21, 12; Dt 2, 30 
131) vor. Noch großartiger tft der nächſte Wadi, W. el-mögib, der Arnon der Alten. 
Er entfteht durch die Verbindung einer ganzen An; sabl von Wadis (vgl. „Die Bachthäler 
Arnon” Nu 21,14), über deren Richtung die Angaben Langers und Bliſſ' endlich Klarbeit 
gebracht baben. Die Hauptquelle des Arnon, Räs mögib, entipringt nicht weit von 
W.kerak, nordweſtlich von Qaträne, norböftlich von Kerak. Der DQuellbach vereinigt 3 
fih mit dem von Süden kommenden W. ed-debbe und läuft dann in nördlicher Rich— 
tung; fpäter nimmt er_in fein jhon_tiefer getvordenes Bett W. es-sulfän ven Oſten 
und W. balua von Welten auf. Dieſer erjte Teil feines Yaufes beißt gewöhnlich 
W. leggün nad einer Ruine in der Nähe der Quelle. Doch fommt auch der Name 
W. mach£rus vor nad) einigen Quellen nördlich von Leggün. In der Nähe von “Aräir 40 
biegt er gegen Weiten und vereinigt ſich an diefer Stelle mit dem von Often kommenden 
W. saida, der vorher einen füdlichen Nebenbach W. ali aufgenommen bat. (Demnad) 
icheint W. el-charaze, wie Brünnow MNdPV 1898, 52 die öftliche Fortſetßzung des 
W. el-mögib nennt, ein anderer Name für W. Saida zu fein). Bon jest an läuft 
der Strom zwiſchen feinen boben Felſenwänden, Die ſchon bei "Aräir cine Höhe von 5 
beinabe 700 m baben, in engen Thale fortwährend nad Weften und nimmt fur; vor 
feiner Mündung nod) den von Nordoſten kommenden Wadi wale oder W.heidän auf, 
der von feinen Anfang beit Qalat Belgä einen weiten Yauf vollendet hat. Wenn es 
Nu 21,13 beißt, daß der Arnon vom Yande der Emoriten ausgehe, iſt es klar, daß an die 
Hauptquelle bei Leggün nicht gedacht werden kann. Am nächjten liegt es bier an Wadi oo 
wale zu denken; aber zugleich wird der Arnon als nördliche (Grenze Moabs erwähnt, 
und da Dies nicht gu auf W.wafle bezogen werden fan, weil mehrere Städte zwiſchen 
dieſem Fluß und W. el-mögib als israelitiich bezeichnet werben (j. unten), verjtebt man 
doh wohl ficherer den Ausdrud vom W. saida, deffen Quelle ſich an der Grenze 
zwiſchen dem Gmoriterland und Moab befand. Das dritte große Thal iſt W. zergä ss 
ma’in, der ebenfall3 ziemlich weit im Oſten entſteht und zuletzt durch eine tief einge: 
ſchnittene Kluft läuft. Im AT jcheint er nicht erwähnt zu werden; dagegen trug er 
wie G. A. Smith richtig geſehen bat, den wohl berechtigten Namen Kallirrhoe 
Goſ. Arch. 17, 171; Bell. 1, 657). Einige Stunden oberbalb der Mündung befinden 
Reals@uchkiopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 13 


Sı 


— 


5 


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2 


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A 


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im Moab 


Halt sun dan Knete Des Diev weiter werdenden Thales Die berühmten heigen Quellen, 
bone ande anlen anderen Herodes d. Große Heilung ſeiner furchtbaren Krankbeit 
lt Sa delt bier von dibtlen Dämpfen ur ſtarkem Schwefelgeruch erfüllt. Jo— 
pe ber eine eurgehende Veſcbreibung dieſes Ortes giebt, nennt ibn Baaras, Hierony— 
wie Hama, Am viellenbt mit "SS Aufanmmenbänat Auch etwas ſüdlich von der Mun— 
un bt Wo zergao main Di es-Sara kommen warme Luellen vor. Außer Dielen 
Sy Wr luihheito ließe es eine Reibe kurzerer und weniger bedeutender Wadts am Weſt— 
an int Dbrbene. udlich von W. kerak mundet W, numere aus, Den man wohl 
B von Nimrim Jei 1,67 Nerv 18. SE 3uſammenſtellen kann. Zwiſchen 
NW ohrtah and W. lmözih oft ſiich W. bani hammäd, der ſchon in alter Zeit 
Na ben der Kuilenebene nach Der Hochebene bilder. Endlich giebt es mebrere 
oo sN.sovom NW zergä main, Daramar W, "ajın Müsä, Der von Den jene: 
„ MINansii Di der Rerdie:te doe Nez tem In el-Ghör nördlid vom 

on "ins melen WV est in, Qusaib. Keiren un» Nimrin aus. 
No mhtiae Du der HRocdetden, NT 2m dirien Errichnitten wicht berübrt wird, 
oh ui mweenls ng Seren Gr bildet eine wellenformige 
N WIN Nenn Mi on: we Tr. 00445280715, 9. 16f. 21; 
' LEER .. vorheosırd Be Eintönigkeit Der Ebene 
23 |, nam one Daroeme Hoben unterbrochen, Die 
N, a no 28Weſt ſtjordanland gewähren. Süd— 
lat. NN NN. No. DM F „ZERO einen inimer enger werdenden. 
NM N. . 2.08.70 abiallt. Der außerlte ‘ Vorſprung 
EEE FENE SER Ge 0 nor zer vitlich bilder Der Nuden eine flache, 
Non Nun. N 0. Nzre 002 Zeivobl von Dielen Gipfel wie von 
Kan N 2.207, Weiten und Norden. An einem dieſer 
“on ta N Nase Dede. rSznbte Suchen, je nachdem man Das Ti 
"0 Don oh I. ros us Girxiel“ oder „Vorſprung“ auf⸗ 
Don Name 27 .. 3,277 8a 28, De als Haupt vom Pisga 
N Do den "Abarim-Neraum gebörte. Tiefe letztere 
N 2 8* :coler und dem von ibm abbängigen Nedaftor 
un: dagegen Pisga Deutlich ein beſtimmter 
R des Euieb:us Onom. 216, 6) im Gebrauch. 
: ic nicht 22 Zuherbett fügen, aber jedenfalle 
. >. 7ysabs im allaertenen nach ihm Asdot-ha-pisga 
> Dun ‚za dem Haupte von Pisga Wu 21, 20 ſcheint 
a 2 > Bette des Berger su ĩein. In Der Nähe von Pisga 
Nom . —Nu 23, 28, den man dont Wege zwiſchen Livias 
tann er in Dem Verge el-Musaggar zwiſchen W. 
J st. rohr werden. Yur der Ebene wiſchen W, zergä 
F eben abgeſtumpite Berg Attärüs. Der Weſtrand 
>. 726m von Schluchten umgebenen Berg Mkaur; 
Ipiben Berg, auf dem Die Feſtung Machärus 
x „"yanct Har-haemeg Joſ 15, 10 genannt zu werden. 
„Dr SiIsm bebe Wera Sihän, Der in den alten 
N. ann; ſein runder Girfel kann von Jeruſalem aus 
der von Schluchten umgebene Berg, auf welchen Die 

an. ri 1026 m hoch. 

. „ aumlos, aber ſehr fruchtbar und gleich trefflich als 
ad ergiebig DE die Gegend ſudlich von Kerak; ber 
 tbrodelnden vehm, deſſen viele Steinchen Die P flanzen 
sn Wer ſind auch mehrere Quellen, während ſonſt Die 
a vewäſſern. Selbſt bei dem jetzigen verwahrloſten Zu— 
Vewohner nit leichter Mübe eine reichliche Kornernte, 
Son kleinen Lande bet toragfaltiger Benutzung werden könnte. 
Wher perennierend ſind, ſind unten mit Rohrgebüſch und 
sc Mundungen trifft man eine halb tropiſche Vegetation 
pappeln, l'sér-BRäumen tealotropis procera, Sodomo— 
So Aianolieren Spielen Die Schafe Die Dauptrolle Von wilden 
vo tappdachfe, amd auf Der Steppe Gazellen und Strauße; 
Vluchten haben Raubvögel ihre Horſte. Von Nagetieren 


Moab 195 


giebt es u. a. Ratten, die den Erdboden fo unterminieren fünnen, daß die Pferde hineinſinken. 
Die Ströme und Wafjertümpel in den Wadis find jehr fifchreih. Der Temperaturunter: 
ſchied zwiſchen den Jahreszeiten ift ſehr hoch. Die Sommer find glühend heiß (bisiweilen 
42° C. im Schatten), die Winter dagegen fühl. Brünnomw wurde im Februar in “Ain 
hesbän zwei Tage dur Schnee feitgehalten und fah das ganze nördliche Moab mit 5 
einer weißen Schneedede bevedt, wobei allerdings die Temperatur nie unter den Ge 
frierpunkt fiel (MNdPV 1899, 24). 

4. Das alte Teſtament und die Meſa⸗-Inſchrift nennen eine ziemlich große Anzahl moa— 
bitifcher Städte. In Übereinftimmung hiermit giebt es eine Menge Ruinen in diefem Kane, 
deren Überrefte jevoch mit wenigen Ausnahnen nicht in die altteftamentliche, fondern nur 10 
in die römische Zeit zurüdweifen. Bon den in den alten Uuellen erwähnten Städten 
lafien ſich mehrere ficher identifizieren; bei anderen iſt e8 noch nicht gelungen, ihre Lage 
nachzuiveifen, wie es umgefehrt auch eine Anzahl Ruinen giebt, deren frühere Gefchichte 
uns unbefannt ift. Obſchon der Name “Arbot Moab, wie fchon bemerkt, auf eine ehe 
malige Ausbreitung der moabitishen Macht im ſüdöſtlichen Ghör hinweiſt, wird doch ı5 
nur eine der hier liegenden Städte als moabitiſch bezeichnet, nämlidy Bet ha-jesimot 
Ez 25, 9; die Lage der alten Stadt wird durch den Hügel Suw&me angegeben. Die 
Stadt Beth Pe‘or, die nad) der Angabe des Eufebius an einem der beiden Wege von 
Livias (Beth haran) nad) Hesbön geſucht werden muß, iſt noch nicht gefunden ; vgl. das 
oben über den mohl benachbarten Berg Pefor Gefagte. Auch Sibma (ef 16,8; er 48,32), 20 
das nad Hieronymus (zu Jeſ 16, 8) faum 500 passus von Hesbon lag, iſt noch nicht 
nachgetviefen worden. Öſtlich vom oberen W. Hesban liegt die Ruinenftätte EI-“Al, das 
alte EYale Jeſ 15, 4. 16, 9; er 48,34. Die umfangreichen, aber wenig bedeutenden 
Auinen HesbAn füdlih davon bezeichnen die Yage des alten Hesbon Jeſ 15,4. 16,8 f.; 
Ser 48, 2. 34. 45. Das nad) Eufebius in der Wähe von Hesbon liegende Minnith 3 
(Ri 11, 33) iſt nicht aufgefunden. Etwas öjtlicher trifft man die Ruinen es-Sämik, 
die vielleicht mit dem unten erwähnten Samaga zujammenzuftellen find. Iſt die Identi— 
fijierung vom Berge Nebo mit Neba richtig, muß die Stadt Nebo (ef 15, 2; Jer 
48, 1. 22; Meſa⸗Inſchr. 3.14) unter den verfchiedenen Ruinen auf diefem Berge gefucht 
werden. Auf dem Höhenrüden öftli von Ras sijäga finden fich Überrejte einer Kirche. 80 
Bon bervorragendem nterefje ift die Ruinenftätte Mädebä füdöftlih von Nebo, die die 
Lage des alten Mödebä ergiebt (Jeſ 15,2; Meſa-Inſchr. 3. 8). Dieje Ruinen ftammen aus 
der Zeit, da das Chrijtentum fich hier verbreitet hatte und enthalten Trümmer von mebreren 
Kirdyen. Eine Injchrift iſt mit dem Jahre 362 datiert. Ganz befonders wertvoll iſt der 
vor einigen Jahren gefundene Mojaikboden einer alten Kirche, der eine Karte von Pa⸗ 35 
läftina daritellt. Südweſtlich davon liegen einige Ruinen aus der römischen Zeit, deren 
Namen Main auf das alte BafalMeion (er 48,23; Ez 25, 9; Meſa-Inſchr. 3.9.30) 
zurüdweifen. Der römifchen Zeit gehören die öjtlih von Mädebä liegenden Ueberreſte 
von alten Kaftellen oder Wafleritationen Qastal und Zizä, während dagegen die merf: 
würdigen, oft beichriebenen Ruinen Masetta öjtlih von der Pilgeritraße nach Brünnows 40 
Meinung am beiten den Ghafjaniden zugejchrieben werden. — Zwiſchen W. zergä Ma’in 
und W. wale findet fih mw. vom Hauptwege auf dem Berge “Attärüs eine Ruine, die 
die Stelle des alten "Atarot (Meſa-Inſchr. 3. 10F.) bezeichnet. Die Nuinen Quröäjät 
füblih davon find das alte Qirjataim Gen 14, 5; Ser 48, 1; Ez 25, 9; Meſa-Inſchr. 
3.10. Auf dem weſtlichen Ausläufer dieſes Teiles der Hochebene enthält ein Turm mit 46 
einer Gifterne die einzigen Überrefte der berühmten alten Feſtung Machäros oder Meka- 
war. Im AT muß Seret-ha-sahar Joſ 13, 19 auf diefen Berge gefucht werden. 
Litlih vom Hauptiwege trifft man die Nuinenjtätte Libb, und im öftlichen Teile der 
Hochebene liegen mehrere Ruinen von römijchen Stationen, wie Zafrän, Umm Walid 
und Qayr el-herri. — Zwiſchen W. wale und W. el-mögib liegt gegen Welten das so 
Torf Dibän, das im Gegenfat zu den anderen meijt römischen Ruinen für die Kenntnis 
der älteren moabitifchen Gejchichte von ſo hervorragender Bedeutung geworden ift, da 
bier die Meſa-Stele gefunden wurde (ſ. diefen Art. Bd XII ©. 654). Eine gründlichere 
Unterſuchung der Ruinen wäre jehr wünjchenswert, da ſie, mie Bliſſ bemerkt, wegen ihres 
Mangels an klaſſiſcher Ornantentierung am unmittelbarjten in Die vigentlich moabitiſche 56 

eit zurückführen. Aus der römischen Zeit ift Dagegen eine von Bliſſ bejchriebene Grab: 
ätte (Quart.-Stat. 1895. 228). Die alte Stadt lag auf zwer Hügeln, von welchen der 
böbere nördliche von einer Mauer umgeben war. Der alttejtamentliche Name war Dibon 
Jer 48, 18. 22 (127 auf der Meſa-Stele, twahrjcheinlidd Daibon ;. fpr.), der Jeſ 15, 9 
in Dimon verwandelt if. Beth gamül ‘er 48, 23 bat man mit el-Gumßil nord: 60 


" AAltıh ner, Ten Arenpalıs na Te 


in Moab 


nlubovn Diban tembiniert. was jedoch nicht ſicher iſt. Auch bier giebt es gegen Oſten 
miebrere Rhninen von VENEN Statnonen, darunter beſonders Umm er-rasäs nordnord⸗ 
etlnb sen el-Gnmeil Nut ement Voriprung an der Nerdſeite des W. el-mögib liegt 
Bott emer vierecdigen Mauer umiehloffene Ruinenitatte “Arä ir, Das alte Aro er Jer 
Is 1, Wlan No Sudhich vem Amon betritt man Das eigentliche moa⸗ 
tere Land. das abi wie der nkordeiche I Gm ven Ieraeliten bemohnt geweſen iſt. 
ntelay Befunden gm MT Brot So van S:ad:e wie Dort erwäbhnt, während je: 
Sf sn Nunennarnen between, daß dieie MARI AN rcich bevolkert geweſen iſt wie 
ſene Uiaſuielben dat DON Arnen sunz I Dumır Muhätet el-hagg. Südweſtlich 


Bar ATELIERS wrlwbi mb der Bra Sıliän, au" sn went, ch Reſte einer Stadt mit einer 


hy und Kirhenzumen SENT 2a ırmäenen fommende Hauptweg führt an den 
Nunen Friha und Qasr rabba zn man Xbedeutenden Huinenitatte Rabba, Die 
Werrein ans der srosben Sor Tem m Wiſchrift aus Dem Aniange Des 4. Jahr- 
penderie mini We di der v.n Gimizs „22 anderen envähnte Rabbat Moab, das 

37 2.2 Q@erijot als Vertreter Des moabitijchen 
Yandoe mens Bro may dar den SZ AT ER, genannte Stadi nit Dem ſpä— 
pm Rahbe Muenind onen. 22T Meſa Inſchr. 3. 15 hatte Qerijot ein 
nuetſritig: inn Bde kom 1 or tz Wabrſcheinlichteit darf man Qir hareset 
AS oa heran Non on das nad 2.093, 25 eine beionders jtarfe 
zeig sent room boya De Ten jeßige Name fommt bei Ptolemäus 
ste Karmmk mant wi tms mo an enennimg der Stadt betrifft, fuhrt Die LXX auf 
Su kam ot Inden N tn So Knoyydan Gartbage), Die Neitle und Triver 
was Salat oo, zen rarundet ein, falls Der Name W., harasa (f. oben) 
a Nr afre was 8 058 eiiinenbingen jollte. Weiter Tann man mit dieſer 


ZN map a daos der Targum mit 20T n272 überfegt, au: 
Somit bone noen Saab von Rabba liegen mebrere Ruinen von römi— 
* Siemens ten unit, die Die bier vorkommenden Quellen beſchützen 
Po on: Nu Leggün, Regüm riSän, Qagr Beser (eine 
Siam en De . No Aurange Des 4. \abrb,), Rugm el-“äl u. a. Südlich 


Ühael u Auen el-Möte, wo, wie wir fpäter feben werden, ein 
or. beiden ſind. Die von Euſebius erwähnte Stadt Benna- 


gu 


un. An 2 ' - . v. . .. . ..., 0. 
on 2. we „prabitte altteftamentliche Nimrim und it wie dieſes ım 

\ en \ u. der Ebene ſüdlich von el-Möte nahe an der Südgrenze 

\ \ Nonne Ruinenſtätte mit Trümmern aus fenjtalliniichen Nalk 


San Neo te Thorma der römiſchen Zeit (Wilſon, Quart.-Stat. 

. Zudelllette Des Toten Meeres muß nach den Angaben Des 

„testen Schriftſteller Sofar geſucht werden. Taß Dies So’ar 
see 157 Jer IS, BD identiſch iſt, und daß dieſes nicht 
or eſucht werden Dart, gebt daraus bervor, daß So’ar nach Ez 

u roh MD Daß ca nirgends unter den don den \eracliten be: 
San zent Arnon angeführt wird. Zwiſchen Areopolis und So’ar 

. tt bhateitha d. i. Das alte Luhit, das an einem Aufſtieg ges 

. 0018, 595 vielleicht kann es am Hauptwege von der Südoſt— 
voryssen tt W. bani hammäd geſucht werden, wo ſich eine Nuinen: 

J Außer Den hier erwahnten Städten kommen im AT und der 
te Znbtenanten vor, De nicht mehr lokaliſiert werden können. 
lercnuim ech 15,95 Jer I8, 33. 5. 315 Meſa-Inſchr. 3.31), 

won WBenes gelegen haben muß; Eglaim (Jeſ 15,85 Jer 48, 34, 

oe nenn tut W, kerak lag, und Holon Jer 18, 21. Nördlich von 
a. Meblatatın m IS, 22; Dein 3.305 vgl. Nu 233, 46f.; Beser 
art Hepru Fer IS, 21, identiſch; Jahas Jeſ 15,4; Jer 48,21. 

ap tn Wachs zwiſchen Medeba und Dibon lag; Mefafat \er 

ts A Weltell om Der Grenze Der Wüſte; Qedemot Joſ 13, 18. 
tn all im Umm oer-ragäs ſuchen könnte, und Beth Bamoth 
\ı le "ad Bamoth Bafal Nu 22, 11,5 Joſ 13, 17. Ber den 
det in, N 13, 9. 165 2 Za 21, 5 neben "Aro’er „die Stadt 
"na bllenDE enbitger überſetzt: Die Vurgh, Die mitten im Wadi liegt“, 
Sonata ae Arnon Wadis geſucht werden, aber eine beitimmte Yage 

den Anteil imieweit ſie mit Dem “Ir Moab an der Nordoſtgrenze 
do sr osbeahllfih denen, iſt nicht Deutlich, Eigentümlich verbält es ſich mit 


Mond 197 
dem mehrmals erwähnten “Ar Moab Nu 21, 15. 28; Dt 2, 9. 18. 29; Sef 15, 1; 


während es nämlih Dt 2, 18 eine Stadt fein kann, iſt es Dt 2, 9. 29 deutlich eine 
Landſchaft, und fo wird es auch ef 15,1 von der LXX mit Moabitis überſetzt. Jeden⸗ 
falls muß es in der Nähe vom Arnon gefucht werden. 
5. In die Urzeit Moabs meijen die vielen Dolmen und Cromleche zurüd, die ftumme 6 
eugen der |päteren Gefchichte des Landes gemejen find. Sonſt haben wir wie gemöhn- 
lich feine fichere Kunde von den ältejten Zeiten und den damaligen Bevölferungsverhält- 
niffen des Landes, Das AT nennt die Emim als Ureinwohner Moabs (Gen 14, 5; 
Dt 2, 10f.) und betrachtet die Moabiter als fpäter eingewandert. Eine nad Gunkels 
wahrſcheinlich richtiger Auffaffung urfprünglich moabitiſch-ammonitiſche Sage (Gen 19, 30 ff.) 10 
üt in der vorliegenden Darſtellung mit der Abraham- und Loth-Erzählung verfnüpft und 
läßt den Pater der „Lothjöhne” (Dt 2, 9. 17) von dem Thale des Toten Meeres in 
das moabitifche Land einwandern. Hiſtoriſch iſt wohl die nahe Verwandtſchaft zwiſchen den 
beiden Völkern und den Israeliten; aber dann liegt es allerdings näher anzunehmen, 
daß fie wie diefe aus der Wüſte nach ihren fpäteren Wohnfigen gefommen find. Ferner 16 
fest nicht nur Gen ce. 19, fondern auch die israelitiſche Einwanderungsgeſchichte voraus, 
dag Die Moabiter ſchon in ihrem Lande faßen, als die Israeliten nach Kanaan zogen. 
Tie Richtigkeit hiervon ift in neuerer Zeit von H. MWindler beftritten tworden, der in der 
Erzählung Ri 3, 12ff. eine Erinnerung an die Einwanderung und erite Machtentfaltung 
der Divabiter fiebt. Aber die Beweife hierfür find kaum im ftande, die wiederholte beftimmte 20 
Tarftellung des AT.s umzuftoßen. Die Nachricht Gen 36, 35 von dem Siege des femi- 
tiichen Königs Hadad über die Midtaniter auf dem Gefilde Moabs ift zu vereinzelt und 
läßt zu viele Deutungen zu, um darauf etwas zu bauen. Ebenſo unfiher iſt die Er: 
wähnung der Midianiter ın der Geſchichte Bileams (Nu 22,4. 7 u. ſ. w.), worin Windler 
Spuren einer älteren Duelle nachweiſen will, die von den Moabitern bei diejer Gelegen: 25 
heit nichts wußte; denn die beireffenden Stellen fünnen ebenso gut mit Kuenen (Onderz., 1, 
324) als fefundäre Ausgleichungsverfuche betrachtet werden. Und andererjeits beſitzt die 
Taritellung der Einwanderung der Israeliten in das Dftjordanland, wie befonders Well: 
hauſen nachgewieſen, eine folche innere Wahrjcheinlichkeit, daß nur ganz zivingende Gründe 
und nötigen könnten, fie aufzugeben. Nach diefer Darftellung faßen die Moabiter fchon 30 
in ihrem Lande, als die Israeliten die Wüſte verließen, hatten aber die Gegenden nörd- 
lib vom Amen an die Emoriter verloren, die dort unter Sihon ein Reich gegründet 
batten. Die Israeliten kamen als Freunde der Moabiter (Dt 2, 9ff.), die wahrſcheinlich 
gehofft hatten, durd ihre Hilfe das Verlorene wieder zu gewinnen. Da die Jsraeliten 
h indefjen nach dem Siege über die Emoriter in den Gegenden nördlid vom Arnon 85 
niederließen, wurde die Stimmung der Moabiter ftark abgekühlt, was fih in der Bi- 
leamögefchichte Ausdrud giebt. Über die Niederlaifungen der Gaditer und NRubeniter 
nördlich vom Arnon haben wir zwei untereinander nicht übereinftimmende Verzeichnifle 
(Nu 32, 34—36; Joſ 13, 15ff). Sie werden im allgemeinen durch die Erwähnung 
Aubens Rı 5, 15f. und durd die Worte der Meſa⸗Inſchrift 3.10: von jeher faßen die 40 
Leute vom Gab im Gebiete‘ Atarot gejtüßt. Das nächſte Mal, wo von den Moabitern die 
Rede iſt, find fie „Feinde der Israeliten, und es tft ihrem König Eglon gelungen, nicht 
nur die umftrittene Landſchaft nördlich vom Arnon zu erobern, fondern auch feine Macht 
über Teile des Weſtjordanlandes auszudehnen. Durch die kühne That Ehuds und die 
dadurch entitehenve Erhebung feiner Landsleute wurde das moabitifche Joch gebrochen 45 
und das kleine Volk für immer aus dem Weftjordanlande verjagt. Cine Erinnerung an 
die Ausdehnung der moabitifhen Macht unter Eglon enthält wohl der oben erwähnte 
Name “Arbot Moab für den ſüdlichen Teil_der Niederung öftlih vom Jordan. Falls 
die unter dem Art. Jephta Bd VIII ©. 663f. erwähnte Duellenfcheidung Nie. 11 richtig 
it, baben die Moabiter jpäter Jephta und die öftlih vom Jordan wohnenden Seraeliten 50 
angegriffen, wurden aber von ibm befiegt, und zwanzig Städte von “Aroer (am Arnon) 
bis Minnith (in der Nähe von Hesbon ſ. oben) erobert (Ri 11, 27. 33). Das weiſt 
auf fortwährende Kämpfe in der Gegend nördlib vom Arnon bin, während Ri 5, 15f. 
zu einer Zeit gedichtet tvorden ift, da Ruben als noch fräftiger Stamm ungeftört auf 
feinen reichen Weidetriften wohnte. Aber gerade diejer Stamm litt allmählich fo fehr 55 
unter den unaufbörlichen Fehden, daß er zuletzt vollftändig aufgerieben wurde, int Gegen: 
fate zu Gab, der fich länger hielt. Nachdem das israelitische Königreich gegründet worden 
war, wurden die vielen Stammesfehden von Kriegen in größerem Stile abgelöft. In— 
wiefern indeſſen ſchon Saul fiegreihe Kämpfe mit Moab wie mit den anderen Nachbar- 
völfern geführt hat, wie es in der zuſammenfaſſenden Überliht 1 Sa 14, 47 gejagt so 


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zumnn, Sen su zemiem oral Yuoldes gemmenzue. Tascren liegt mohl fein 
lını zz, ru Afımsmiı hs Mixe Toride mer Mech u beurstteln i2 Sa 8, 3). 
Aal A Reh re beraufamkar, mom er die Ibermundenen Reabiter bebanpelte, 
ink zirn man Bunde, ek anab 1 Z2D,5r mike, ale or von Saul verfolgt 
mu: fun Elm sam mozkitiiben Kontace in Zicerbetz sehrat Dutte. Aber bier fünnen 
maumt Fsmri Ibzren ber Woabiter, die uns unbdann: Ind, die Erklärung enthalten 
kein. Cr. Bıleu sunı Des Mmuhızen ! Yerhalmintes erben Dorit und Moab würde 


tim 27e Bo Hurt enthalten, fzüs man Nee Idene Stelle als Geichichtäquelle be 
nugsr Some; aber Dies it aus mehreren Orunden smiärelbaft, sumal ta David in der 
Fun: 1 Za 22, 38 me fanem Worre an Jane Verwandrichaft mit Den Moabitern 
rrnm. Doz keiteate Voab machte Tarid nicht su einer Provinz Des Reiches, jondern 
Eiznuste Ah, Tribut ven dem xuriten des Yandes zu nehmen. Klabriceinlich hörte dieſe 
ee rrichait ichen untr Zalsme, oder wenigitens nah Deiten Tode und der Spaltung 

Kate aus Als aber Das epbraimitiiche Reich unter der energiſchen Negierung 
— rieber kraftiger geworden war, begannen die Israeliten aufs neue Die Gegenden 
nordlich vom Amen unter ibre Serwalt su bringen. Genauere Einblicke in dieſe Verhält⸗ 
niit: zewabrt Die unichagkare Meta: \nichritt 1. d. Art, Rach ibrer Angabe berrichte 
damals in Moab eine dibonitiſche Trnattie, Die alte ibr Cenmum nordlich vom Amon 
hatte. Unter der 3jabrigen Negierung Des Kemoß .. . idie zmeite Hälfte Des Namens 
it unſicher/, und anfangs aud unter der feines Zchnes Mesa gelang es Omri und deſſen 
Nachielger beteutente Vorteile über Die Moabiter zu gewinnen. So eroberte Omri die 
ganze Yandichaft Medeba, worin ſich dann Israeliten anttedelten. In der jeit alten 
Zeiten von Gaditen bewobnte Yandicaft “Atarot befeitigten Die Israeliten Die gleich— 
namige Ztadt. Ferner gebörte ihnen Die Ztadt Nebo, wo ſie einen \abve:Altar batten, 
und Jahas, das ven ihnen bereitigt wurde. Außerdem lagen mehrere moabitijche Feſtungen 
in Trummern, Die entweder Die \sracliten oder andere Ztümme, melde die Schwäche 
Moabs benugten, zerttört hatten. Dieſem Zuſtande gelang es aber Dem Nönig Meſa ein 
(inte zu maden. Die eroberten Yandichaften und Städte nabm er zurück; die israeli⸗ 
tiichen Einwohner tötete er und ließ andere fih in den Städten anlicdeln, und die zer: 
itorten ‚yeitungen baute er aufs neue. Wach Dem AT fand Diele Aufiebnung erſt nach dem 
Tore Ababs ſtatt (? Na 1, 1. 33, 5), aber die Worte des Meſa-Steines können kaum 
anders aufgefaßt werden, als daß das igraeliniſche Joch ſchon wäbrend der Regierung 
dieſes Königs abgeſchüttelt wurde. Dagegen erzählt das Königsbuch (2 Ka c. 3) von 
einem Verſuch, den Joram von Epbraim in Verbindung mit \ojapbat von Juda machte, 
um den König Meſa wieder zur Anerkennung der israelitiſchen berberrichaft zu zwingen. 
Ter Zug verlief anfangs günſtig für Die \sracliten; Die verschiedenen ‚geitungen im Yande 
wurden erobert und zeritört, Die Felder mit Steinen vertchütter, Die Quellen verjtopft und 
Die Fruchtbäume umgebauen. Der moabitiſche König zog ſich in die ‚yeitung Qir hare- 
set zurud und wußte ſchließlich in feiner Not fein anderes Mittel, als ſeinen erſtgebornen 
Zobn auf der Feſtungsmauer als Zühnopfer zu opfern. Dann aber wendete ſich das 
Schickſal; Die verbündeten Könige wurden durch ein Greignis, deſſen Weſen aus der Er 
zäblung nicht Elar hervorgeht, geswungen, ıbre Pläne aufzugeben, und Moab gerettet. 
Für die wetentliche Geſchichtlichkeit dieſes Berichtes Tprechen Die verſchiedenen charafteriftifchen 


5 Jüge Darin, während es andererfeits leicht zu begreifen tft, dag Meſa diefe Epiſode und 


das von ihm benußte verziveifelte Mittel mit Stillſchweigen übergeht. Dagegen läßt ſich 
nicht mehr ausmacen, ob die Erzäblung 2 Chr ec. 20 vom Angriff der Moabiter und 
Ammoniter unter Der Regierung Joſaphats auf geſchichtlicher Grundlage ruhe, oder ob ſie 
nur eine Umbildung Des Berichtes ? Kg ec. 3 ſei. In der nach Meſa folgenden Zeit 
wurde wohl Die von Amos gerügte Shandtbat, daß Die Moabiter Die Gebeine des ebo- 
mittichen Königs zu Kalk verbrannten (m 2, 1), verübt; aber etwas näheres darüber 
wiſſen wir nicht. Wer Der Wiederbelebung der ephraimitiſchen Macht unter Jeroboam II. 
wurde nach Der Angabe 2 Na 11, 25 (wonach wahrſcheinlich Am 6, 14 zu erklären 11) 
die Herrſchaft über Moab nicht erneuert, obſchon Die Israeliten damals Teile des Dit 
jordanlandes eroberten. Auch erwähnt Amos (2,1) Moab als ein ſelbſtſtändiges Neich, 
al» deſſen Hauptſtadt er aber nicht Dibon, jondern Qerijot nennt. In der folgenden 
Periode werden Die ſpärlichen bibliichen Nachrichten über Moab durch Teilinfchriftliche Texte 
erganzt, und einige monbitische Nönige genannt, Die im AT nicht vorkommen. Moab 
tritt in den Keilinſchriften etwas Später auf als die Nachbarjtaaten, denn es fehlt nicht 
nur in den Inſchriften Rammannirari's (812 783), ſondern es wurd auch fein moabt- 


Monb 199 


tijcher König unter den Fürften genannt, die im Jahre 854 bei Dargara gegen Sal: 
manaflar fämpften, obſchon hier ſowohl Ahab von Israel ale Bafa von Ammon er: 
wähnt werden, ein ‘Fehlen, das H.Windler vielleicht richtig dadurd erklärt, daß Moab 
zu der Zeit noch Bafallenjtaat unter ephraimitifcher Oberboheit war. Dagegen treffen wir 
in einer Inſchrift Tiglat Pileſers (745— 727) unter den Tribut zahlenden nahen Sa- ; 
lamanu von Moab neben Ahaz von Juda (TI R. 67 3. 60). Der von Mebreren ge: 
machte Verſuch diefen Salamanu in Salman Hoſ 10, 14 wieder zu finden, iſt gewiß 
verfehlt, da der Prophet an diejer Stelle faum von einem moabitifchen Könige fpricht. Im 
Sabre 722 batten die Moabiter die Genugthuung, den Untergang des ephraimitischen Erb: 
feindes betrachten zu können. Aus einer Inſchrift Sargons geht indeſſen hervor, daß 
Moab fich jpäter wie auch Bhilitäa, Juda und Edom auf das gefährliche Spiel einließ, 
beim ägyptifchen Könige Hilfe gegen den mächtigen aſſyriſchen Oberherrn zu fuchen. Die 
Moabiter müfjen aber bald das Ausfichtslofe dieſer Volitif eingejehben haben, denn San: 
berib (704—681) nennt Kammusunadbi (= Kemosnadab) von Moab unter den 
Königen, die ihm freiwillig huldigten und jchwere Abgaben zablten (Taylor: Prisma Col. II ı5 
3. 53). Unter Aſarhaddon (681—668) dauerte diefe Abhängigkeit fort, denn Musuri 
von Moab fommt unter den Fürſten vor, die Materialien für die Bauunternehmungen 
des Königs abzuliefern hatten (Prisma B Col. V 3. 15). Unter Aſſurbanipal ent: 
ftanden jtarfe Unruben und Bewegungen unter den Wüjtenarabern, die in erjter Linie für 
Moab eine Gefahr enthielten, und die Moabiter hatten deshalb allen Grund, dem Aſſyrer- 20 
fönige treu zu bleiben und ihn in feinen Kriegen gegen die Beduinen zu unterftüßen. 
In einer Inſchrift lobt Aſſurbanipal einen moabitischen König, deflen Name leider nicht 
iüher gelejen werden kann, weil er den gqedarenijchen Häuptling Ammuladin befämpft 
und geichlagen hatte. Objchon aber die arabischen Stämme damals von den afipriichen 
Truppen zurüdgemorfen wurden, blieben fie doc fortwährend eine drohende Gefahr für 25 
die Moabiter wie für die Ammoniter, weshalb auch die Drohung des Propheten Eze— 
cbiel gegen dieſe Völker darauf ausgeht, daß fie den Söhnen des Oſtens preisgegeben 
werden follten (Ez 25, 10f.). Borläufig hatte indejlen Moab Ruhe, und auch der durch 
den Untergang Aſſyriens entjtehende Wechſel in der Weltherrſchaft gefährdete nicht das 
Beiteben des Volles, das vielmehr nun die Freude hatte, den Fall des ziveiten töraeli- 30 
tiihen Staates zu erleben. Als Jojakim fih gegen Nebufadrefar auflehnte, fielen unter 
anderen auch moabitiſche Streificharen in Juda ein und verheerten das unglüdliche Yand 
(2 Kg 24, 2). Allerdings fanıen nad er 27, 2 moabitifche Geſandte mit Edomitern, 
Ammonttern u. a. in Jeruſalem zufammen, um einen gemeinfanen Aufftand gegen Baby: 
lon zu verabreden; aber jedenfalls ijt nichts daraus geworden und fchließlich überließen 35 
die Nachbaren Juda feinem Schickſal. Als endlih Judas Vernichtung durch die Erobe- 
rung Jeruſalems befiegelt worden var, freuten ſich die Moabiter, wie Ezechiel (25, 8) es 
beichreibt, darüber, daß es jest den Israeliten, die eine Sonderftellung unter den Nationen 
beanjpruchten, ebenjo gegangen war wie vielen anderen Völkern. Doch zeigte es fich 
damals wie auch oft fonit, daß der Nationalbag in Einzelfällen Ausnahmen erlaubt, 10 
denn mir hören gelegentlich von Judäern, die bei der furcdhtbaren Kataſtrophe des Landes 
Aufnabme in Moab fuchten und fanden (Ser +0, 11). Nach der Darftellung des Jo— 
jephus (Arch. 10, 181) bätte fich allerdings das Verhältnis zwiſchen Moab und Babel 
nach dem Falle Jeruſalems geändert, denn er berichtet, daß Nebufadrefar, che er gegen 
die Agupter zog, mit Ammon und Moab Kriege führte, aber es läßt fich nicht entjcheiden, 45 
ob dieſe Nadıricht, die weder von der Bibel noch von den Snfchrikten betätigt wird, auf 
hiſtoriſcher Wirklichkeit beruhe. 

6. In der nachexiliſchen Zeit hören wir wenig von den Moabitern. Unter den 
fremden Weibern, die die für die Reinheit ihres Volkslebens gleichgiltigen Juden gehei— 
ratet hatten, und deren Kinder nicht mehr rein judäiſch ſprechen konnten, werden auch so 
Moabitinnen genannt, Neb 13, 23; val. Esr 9, Lf. Inwiefern Nehemias' Feind San- 
ballat (ein babyloniſcher Name Sinuballit oder Sinmuballit, „Sin madt lebendig“) 
en Moabit war, ift zweifelhaft, da fein Epitheton „der Horonite” ebenjo gut vom israe- 
Ittijhen Bethoron, wie vom moabitiſchen Horonaim abgeleitet werden kann. Indeſſen 
nabte die Zeit, da die Moabiter, die bisher ihr Schifflein geſchickt und glüdlich zwischen 56 
den Felſen gejteuert hatten, von einem barten nationalen Unglüde getroffen werden jollten. 
Aus den oben erwähnten Unruben unter den Wültenarabern entwidelten ſich allmäblich 
neue Austmwanderungen nach den benachbarten KHulturländern. Edom wurde von den 
Rabaräern beſetzt, und ein ähnliches Schickſal traf in den Zeiten zwiſchen Nehemias und 
der maflabäifchen Erhebung auch das mwabitiihe Voll. Schon der mit feinen Brüdern «0 


— 


0 


200 Moab 


verfeindete Hyrkan Tämpfte nach Joſephus in den Gegenden nördlich von Moab mit 
Arabern (Arch. 12, 229, vgl. die „Barbaren“ 12, 222). Unter den verjchiedenen Stämmen 
werden genannt die Nabatäer 1 Mak 5, 25. 9, 35, die in Medeba wohnenden Söhne 
Ambri’s (1 Mak 9, 35, var. Jambri; Joſ. Ardı. 13, 11 roð "Auapaiov raldas), 
5 wahrfcheinlih ein Amr-Stamm, und die Söhne Baian’s die ale Megelagerer den Juden 
Schaden zufügten und nah 1 Mak 5, 3ff. wohl zwiſchen Edom und Ammon gejuct 
werden müſſen (vgl. Wellbaufen, Jorael. jüd. Gefch.?, 277 im Gegenjfage zur Encyclop. 
Biblica 406. 505). Zu des Joſephus Zeiten war dieſe Arabifierung des Tftjordan- 
landes fo vollftändig, daß er z. B. Moabiter und Gilcaditer zu den Arabern rechnet 
10 (Arch. 13, 374), Machärus am arabifchen Gebirge (Arc. 14, 83) und Hyrkans Burg 
Tyros in Mrabien liegen läßt (Arch. 12, 233). Es ift deshalb ein ungenauer Ausdrud, 
wenn er in feiner Wiedergabe der Gefchichte Yoths jagt 6 ui» Mwaßttas u£yıoıor 
öyrtas xal vov Edvos (Arch. 1, 206), denn zu feiner Zeit waren die Moabiten feine 
reinen Nachlommen des alten Volkes, fondern ein Gemisch aus den früheren Bewohnern 
15 und Arabern. Eine Folge diefer Anvafionen war, daß ſich Die alten Staaten in eine 
Anzahl von mehr oder weniger felbjtftändigen Stämmen auflöften, die unter Häuptlingen 
ftanden, und wozu noch die belleniftiichen Städte Tamen, die ſich in ber gricchiid 
Beriode gebildet hatten. Erſt allmäblih gelang es dem kräftigen Stamme der Nabatäer, 
ein Reich zu gründen, das feinen Mittelpuntt in Petra batte, und dem der größere Teil 
des Iftjordanlandes unterivorfen war. Uber die einzelnen Begebenheiten in diejem Zeit- 
raume baben wir nur fpärlihe und zeritreute Nachrichten. Wenn das Bud Daniel (11, 41) 
von Edon, Moab und Ammon fpricht, die vom Angriffe Des Anttochus verjchont bleiben 
jollten, fo bewegt der Verfaſſer fich bier im alten Sprachgebrauche der propbetifchen Lit 
teratur. Dasſelbe gilt von Pf 83, 7, der indeſſen auf die wirklichen Verhältniſſe mehr 
35 Rüdficht nimmt, indem er die im Oftjordanlande nomadifierenden Hagriten neben Moab 
nennt. Höchſt merfwürdig it der Sab im bebräifchen Terte Sirachs 36, 10 PS 
N °DRD ENT „vernichte das Haupt der Schläfen Mobs“. ft der Tert bier ur: 
jprünglib (die Marginalnote bat 28, der Grieche &xdo@v), fo weiſt er darauf Bin, 
daß Moab damals aus einem uns unbefannten Grunde als Verlörperung der feindlichen 
3 Melt galt, womit man weiter Jeſ 25, 10f. kombinieren könnte. Feſteren Boden betritt 
man erſt mit der nüchternen Darftellung des 1. Makkabäerbuches. Wir erfahren bier, 
daß Judas Makkabäus mit den Nabatäern befreundet war, und dagegen mit den Baian- 
Eöhnen und mit den Ambri-Söhnen in Medeba fümpfte (1 Mak 5, 4f. 9, 35ff.), mo: 
durch wir ſchon ein qutes Bild von den zerfplitterten Verhältniſſen in dieſen Gegenden 
35 gewinnen. Ne mehr indefjen ſich die Macht der Nabatäer fonfolidierte, je leichter mußte 
das VBerbältnis zwiſchen ihnen und den aufjtrebenden Hasmonäern einen feindlichen Cha: 
rafter annehmen. Von wem Johannes Hyrkan Medeba und Samega eroberte (Joſ. 
Arc. 13, 255; Bell. 1, 63; val. Pf 60, 10, der vielleicht dieſer Zeit angehört), wird 
nicht geſagt. Aber jedenfall batte Mlerander Nanäus (102—--76) bei feinen Eroberungen 
Dim Oſtjordanlande mit den Nabatäern zu kämpfen. Unter anderen Städten nahm er 
ihnen aud Die alten moabitiſchen Feſtungen Medeba (das alfo in der Zwiſchenzeit wieder 
verloren gegangen fein muß), Horonaim, Eglaim, und Soar (Joſ 1, 89; Arc. 13, 
374. 382. 397); außerdem eroberte er Hesbon, das aber eine belleniftiiche Stadt und 
Hauptpunft eines Tiftriftes Esebonitis war. Tie mit Alexander gleichzeitigen naba- 
45 täiſchen Nönige waren Obodas I. und Nabilos I., der mit dem fprifchen König Antiochus 
Dionyſos kämpfte und ibn bei Motho tötete (Euting, Nabatätfche Anschriften 82). Ale: 
randers Schwacher Sohn Hyrkan veriprad bei feinem Aufentbalte in Petra dem Nabatäer: 
fünig Aretas III, ibm die von feinem Vater eroberten Ztädte, darunter auch die mon- 
bitijchen, zurüdzugeben (Arch. 14, 18%. Dagegen fcheint Hesbon unter jüdifcher Herr: 
59 Schaft geblieben zu fein, denn es gebörte Serodes dem Großen, der es befeitigen ließ 
(Arch. 15, 294). Esebonitis gehörte jedoch nicht zu Peräa, jondern bildete deſſen 
Oſtgrenze (Bell. 3, 47). Am Mnfange des legten ‚reibeitsfrieges griffen Die Juden die 
nichtjüdiſche Bevölkerung an und töteten viele davon, wie «8 au ſonſt in mehreren 
Städten mit gemijebter Bevölkerung geſchah (Bell. 2, 155). Im Süden eritredte fich 
55 die jüdiſche Yandjcbaft Peräa bis zur Feſtung Machärus, mo das den Nabatäern ge 
ebörende Moabitis begann. Machärus jelbit gebörte aber den Juden, jo daß zu dieſer 
Zeit alio Der Arnon wieder Die Nordgrenze Moabs bildete. Die ftarfe Feſtung war von 
Alerander Janäus gegründet, wurde jpüter von Gabonius zerſtört, aber von Herodes 
dem Großen wieder aufgebaut. Nach feinem Tode gebörten fie befanntlich Herodes Anti: 
ca pas (Bell. 7, 171; Mrd. 14, 89. 18, 111; vgl. Mit 13, 3ff.). Im Freiheitskriege diente 


Moab 201 


ſie den Juden als eine der letzten Feſtungen, die ſie hielten. Moabitis blieb im Beſitze 
der Nabatäer, bis ihr Reich im Jahre 106 n. Chr. vernichtet wurde. Nabatäiſche In—⸗ 
jehriften find in Umm-er-räsas (aus dem jahre 9/10 n. Ehr., Clerm. Ganneau, Arch. 
Researches, PEF 2, 317) und Medeba (aus dem Jahre 37 n. Chr., CIS 2, 196 ge 
funden. Nach 106 bildete es einen Teil der Provinz Arabien, mit der Ejebonitis auch 5 
vereinigt wurde; bei der fpäteren Einteilung wurde es zu Palaestina tertia gerechnet. 
Bon dem Aufſchwunge, den das Land unter römischer Herrfchaft nahm, legen die vielen 
Ruinen, die zum größten Teile in diefe Zeit zurüdtveifen, Zeugnis ab. Ein Neb von 
römischen Wegen mit Meilenfteinen durchkreuzte das Land, während eine Neibe von Ka— 
itellen die ſchwache Oſtgrenze verteidigten. Allmäblid) drang das Chrijtentum in das 10 
Zand ein, und es finden fich deshalb unter den Ruinen eine größere Anzahl von Kirchen; 
unter den Teilnehmern an den Konzilien trifft man Bischöfe von Areopolis, Hesbon, Me: 
deba, So ar, Kerak (vgl. Le Duien, Oriens Christianus 3, 729. 733f. 737. 769f.). 
Nachdem die byzantinifchen Kaiſer das Sürftentum der Ghaflaniden ala Bollwerk gegen 
die Beduinen errichtet hatten, kamen auch die alten miwabitischen Gegenden unter die Herr 15 
haft dieſer Fürſten und wurde mit ihren anderen Befigungen in ‚Jahre 613 —614 von 
den Verjern verbeert. Der Verſuch, den Muhammed machte, diefe Gegenden durch ein 
ausgeſchicktes Heer zu bezwingen, wurde durch die Energie des Vikars Theodoros abge: 
wehrt, und die arabifhen Truppen erlitten eine große Niederlage bei Muta (Theophanes, 
Chronographie ed. de Boor 1, 335, vgl. Ibn Hiſcham 791ff.; Tabari, Annales 1, 20 
1610f.). Aber wenige Jahre nach dem Tode des Propheten fiel das alte moabitische 
Land in die Hände feiner friegerifchen Anhänger. 

7. Moab gehört zu den Tleinen Völfern, die bejonders deshalb unfer Intereſſe er: 
weden, weil ihre Geſchichte eine Parallele zu der der Israeliten bildet. Wie diefe waren 
fie von der Steppe eingewandert und in inniger Beziebung zu der Tanaanätjchen Kultur 
getreten; und ihre Lebensverhältniffe und politiichen Erlebniffe waren im großen und 
ganzen dieſelben. Doch fand allerdings ein nicht unweſentlicher Unterjchied zwiſchen 
Israel einerjeits und Völkern wie Aınmon und Moyab andererfeits ſtatt. Während die 
Israeliten auf ihren Bergen verhältnismäßig tfoliert wohnten und dur den Jordan 
von den Gebieten der Beduinen getrennt waren, gab es feine natürliche Barriere zwischen so 
den Moabitern und den MWüftenftämmen. Die Thüre fiand fortwährend offen und 
das Voll mußte immer auf die Möglichkeit einer neuen Invaſion vorbereitet fen, 
die Die Zulturelle Entwidelung zurückſchrauben fünnte. Den jeßigen Zuſtand des alten 
Moab vor Augen jagt Doughty (1,227): „wenn dies Land gefchwächt würde, würde es 
bald teilmeife verlaflen werden, da es den Wanderungen der Beduinen offen liegt: Die 36 
wenigen Bewohner würden fih in die jtärferen Städte zufammenzieben, die entlegenen 
Dörfer würden ohne Bewohner gelaffen werden. Mit den unfichern Yande binter ich, 
würden die gefallenen Plätze nicht wieder gebaut werden.” In der That enthält die Ge- 
fchichte dieſes Landes mehrere folcher Perioden, mo es in den Beduinenzuftand zurüdjanf, 
um ſich wieder emporzuarbeiten. Gelang es aber die Wüſtenſtämme zurüdzubalten, fo 40 
beſaß das Land in feinen natürlichen Hilfsmitteln eine vollftändig genügende Grundlage, 
um ein Kulturleben darauf zu gründen. Es it, wie Sofepbus fagt (Arch. 4,83), Frucht: 
bar und im ftande, eine Menge Menjchen zu ernähren. Cine Haupterwerbsquelle war 
die Viehzucht, wozu die treffliben Weiden einluden, vgl. die Schilderung Nu 32,1 ff. 
Rah 289 3,4 zablte der mobitifche König einen jührlichen Tribut von 100000 Lämmern 46 
und der Wolle von 100 000 Widdern (vgl. Jeſ 16, 1, wo der Text indefien wabrfcheinlich ver- 
derbt ift). Auch in der Mefainfchrift 3. 30f. it vom Serdenreichtum des Yandes die Rede. 
Daneben giebt es in Moab vorzügliches Aderland. Bon der Hochebene jagt Doughty (1,22): 
„es giebt viele Duellen und Waſſerlöcher in dieſem jeßt verödeten Lande; das Auge fiebt 
überall Haufen von Eteinen, die die alten Yandivirte beim Pflügen aufgelefen baben ; bier 2 
iſt jchr fruchtbares Getreideland, der von den Bewohnern Keraks in Handtiefe gepflügt 
wird; für wenig Pfund kann man cin ganzes Feld kaufen, und Korn giebt es in ihrer 
Stadt beinahe wie Sand, jv daß es twegen der übermäßigen Transportfoften nicht 
ausgeführt werden kann.“ Teshalb verjchütteten die Israeliten, als ſie auf den Befehl 
Eliſas das Land verbeeren wollten, alle Meder und verftopften die Duellen (2Kg 3,25). 55 


8 
au 


[We 


Falls der Tert Ez 27,17 richtig ift, muß der Weizen von Minnith (ſ. oben), oder der 
aus diefer Stadt erportierte Weizen berühmt geweſen fein. Ferner befabl Elija alle 
Arudtbäune zu fällen. Es gab nämlih in Moab, wie die noch bewahrten Mein: und 
elfeltern betweifen, eine Menge Neinfelder und Olbäume, was auc aus den Worten 
Je 16, 9f. hervorgeht. Der moabitifche Wein muß ſehr gejchäßt geweſen fein, da er nad w 


202 Moab 


Jeſ 16,8 exportiert worden zu ſein ſcheint. Unter ſolchen Verhältniſſen konnte das 
Land trotz ſeiner Kleinheit eine verhältnismäßig große Bevölkerung erhalten. Joſephus 
nennt an der oben citirten Stelle die damaligen Bewohner Moabs zahlreich, und daß 
es ſich in älteren Zeiten ähnlich verbielt, lehren die vielen Städtenamen, die im AT vor: 
kommen. Selbſt bei der heutigen Vernachläſſigung des Landes werden die Kerakenſer, 
die allerdings nicht alle in Kerak ſelbſt wohnen, auf 8—10000 geſchätzt (Quart.-Stat. 
1895, 220). 

8. In Die Kulturverhältniſſe Moabs giebt die Mefainjehrift einen höchſt wertvollen 
Einblid. Schon ihre Exiſtenz an und für ſich ift in diefer Beziehung lebrreih. Wenn 
ı nämlich die Moabiter im 9. Jahrhundert v. Chr. im ftande waren, einen längeren Text 

in ein fo hartes Material wie Bajalt einzugraben, muß die Schreiblunft bei ihnen eine 
ziemlich hobe Stufe erreicht baben, mie ja auch das Aufitellen eines ſolchen Denkmals 
überbaupt nur Zinn bat, wenn ein Teil des Volfes es leſen fonnte. Auch zeigen die 
grapbijchen Eigentümlichfeiten, Daß Die moabitiſche Schrift fich felbititändig entwidelt 
15 haben muß, jo daß der König nicht nötig batte, ſich dabei fremder Hilfe zu bedienen. 
Aus dem Inhalte der Inſchrift lernen wir aber allerlet Cinzelbeiten fennen. Die Moa- 
biter veritanden Die Kunst, ‚yeitungen zu bauen ; der König forgte für das Verfebrötveien, 
indem er eine Ztraße (mesillat, aljo eine mit Kunſt gebaute) am Arnon anlegen ließ; 
in feiner Hauptſtadt lich er Mauern mit Tboren und Türmen bauen, ein Schloß auf: 
20 führen, Ciſternen in allen Häufern anlegen und außerdem verfchiebene Veranjtaltungen 
treffen, deren Bedeutung uns aus jprachlichen Gründen nicht mehr Har tft. 

Was die Neligion Moabs betrifft, jo gebt ſowohl aus den AT als aus der 
Mefainjchrift bervor, daß Kemo3 der Hauptgott des Yandes war (vgl. Ser 48,7. 13; 
1 8g 11,7. 335 28923, 13). Die Moabiter beißen Nu 21,29; er 48,41 das Volt 
des Kemos. Die für Moab unglüdlihe Zeit unter der Regierung des Vaters Meſas 
rübrte nad der Inſchrift 3.5. davon ber, daß KemoS auf fein Wolf zürnte, und die 
Rettung des Yandes verdanfte Meſa der Hilfe des verjühnten Gottes. Auch zeigen die 
mit Kemo3 zufammengefegten Königsnamen Die Bedeutung dieſer Gottbeit. einem 
Gharafter nah war Kemos ein kriegeriſcher Gott, vor deſſen Altar die gefangenen Feinde 
30 abgefchlachtet wurden (Meſa-J. 3. 11f.). Damit ftimmt es aud, daß Meja in feiner 

Hot ibm feinen eignen Sohn als Opfer brachte, 28a c.3. Er befak eine Bama ſowohl 
in Dibon als in Verijot (3.3. 13). Das wiederbolte: es ſprach KemoS zu mir, in 
der Inſchrift weist auf em Orakel bin, von deſſen Einrichtung wir allerdings nichts wiſſen. 
Ron Prieitern des KemoS ift die Rede er 48,7. An einer anderen Stelle der Inſchrift 
35 beißt es, daß Meſa die erachten in Nebo töten ließ, nachdem er fie 522 00877 ges 
weiht hatte (E77), Wenn bier AStar, was wobl am nächjten liegt, eine weibliche Gottbeit 
ift, erinnert Die Zufammenfeßung an Namen wie Ntargatis, deren Bedeutung für ihre 
Verehrer allerdings nicht mit Sicherheit beſtimmt werden kann (vgl. Baetbgen, Beiträge zur 
ſemit. Religionsgeſchichte 255 ff). Nur jo viel iſt klar, daß auch dieſe Gottheit einen 
40 ähnlichen Gbarafter gehabt haben muß wie Kemoß felbit. Ferner treffen wir einen 
Ba’al Peor, deſſen Kultus nach Nu 25, 1. einen orgiajtifchen Charakter gehabt bat. 
Der Name bezeichnet wohl diefen Gott als Seren des Ortes Peor und läßt deshalb 
jeine dentität mit KemoS oder einer anderen Gottheit zu. Endlich bängt der Name 
des Berges Nebo fidher mit dem Gott Nebo zujammen, weshalb es wahrſcheinlich iſt, 
daß auch er in Moab verehrt wurde. Übrigens befand fih zur Zeit Meſas auf dieſem 
Berge ein israelitiſches Heiligtum, deſſen NIS (vgl. Ez 43,157) Der König vor Kemos 
bringen lieh. Dasſelbe Kultusſtück in der für uns unverftändliche Verbindung TTT7 IR“ 
wird auch bei der Eroberung von “Atarot (3.12) erwähnt; da es von Meſa „zurüd- 
gebracht” wird, war es wohl von den \sracliten aus einem moabitifchen Heiligtum dabın 
50 gefchleppt worden. - In religiöſer Beziehung war alfo, trog der Parallele zwiſchen 
der tsraclitifchen und moabitiſchen Geſchichte, die Entividelung bei beiden Völkern cine 
ganz verjchiedene, An feinem Punkte läßt ſich bei den Moabitern irgend eine Beitre: 
bung nachweiſen, fi über den Ztandpunft der ſemitiſchen Naturreligionen zu erheben. 
Überhaupt ftanden fie, ſoweit wir feben fünnen, auf feiner böberen Stufe in getjtiger 
55 Beziebung. Bon einer Weisheit, wie fie bei den Edomitern gerübmt wird, ift bei ihnen 
nicht Die Mede. Dagegen wird ihnen wiederbolt ein prablender und brutaler Hochmut vor 
geworfen (Ze 2,85 860 16, 6. 25,115 Jer 48,29), der aljo für die Israeliten der am 
meiſten bervortretende Charafterzug dieſes Volkes geweſen ſein muß. 
9. Da im Vorhergehenden weſentlich nur von den politiſchen Beziehungen zwiſchen 
vo Moab und Idsrael die Rede geweſen iſt, ſollen noch zur Ergänzung die übrigen alt⸗ 


[ei | 


IS 
.. 
DL 


Moab Möhler 203 


teſtamentlichen Stellen, die fih mit Moab befchäftigen, genannt werden. Daß Amos den 
Moabitern ein Verbrechen vorwirft, das nicht die Israeliten betraf, fondern im allgemeinen 
die Gefege der Humanität und Pietät verlegte, iſt ſchon erwähnt worden. Die übrigen 
prophetijhen Stellen, die gegen Moab gerichtet find, Ze 2,8f.; Jeſ e.15f.; 25,9—12; 
Jer c.48 betrachten dagegen das Verhältnis vom religiösenationalen Standpunkte aus. 5 
Auf die ſchwierige und verſchieden beantwortete Frage nah der Abfaſſungszeit diefer 
Abſchnitte näher einzugehen ift hier nicht möglich und auch nicht nötig, da fie im all 
gemeinen unfere Kenntniffe der Gefchichte nicht bereihern. Am rätjelbafteiten iſt der 
Abſchnitt Jeſ 25, 9—12, da er den beftimmten Eindrud macht, aus einem ſehr ſpäten Zeit: 
raum zu entjtammen, two aber nach dem, was wir fonft willen, Moab nicht mehr als ber: 10 
vorragender Feind galt. Doch iſt oben eine Stelle bei Sirach angeführt worden, Die 
vielleicht etwas Licht über Diefe Frage verbreitet. Tem 15. und 16. Kap. des Iefaias, von 
dem er c.48 abhängig tft, jeheint ein von innigem Mitgefühle getragener Klagegejang 
über Moab zu Grunde zu liegen, der jegt eigentümlich mit dem fonftigen Inhalte der 
Kapitel Eontraftiert. Die Stimmung gegen Moab, die uns fonft im AT entgegentritt, ift 
wechfelnd. Daß David, ehe er König wurde, in freundlichen Beziehungen zum moabitischen 
Könige ftand, tft Schon erwähnt. Auch fommt 1 Chr 11, 46 unter den Männern Davids ein 
Moabiter namens Jitma vor. Dagegen zeigt die Erzählung 2 Kg c.3, welche verbitterte 
Stimmung gegen dies Volk in prophetifchen Kreifen herrſchte. Aus einer jpäteren Zeit 
baben wir die Strenge Beitimmung Dt 23, 4ff., wonach die Ammoniter und Moabiter nicht 
einmal im 10. Gliede in die Gemeinde Jahves aufgenommen werden durften. Da dies 
Geſetz Neh 13,1 benugt wird, ift Bertholet geneigt, «8 erft zur Zeit des Nehemias fon: 
zipiert jein zu laſſen. Da aber die unmittelbar folgende Beltimmung Dt 23, 8f., daß die 
Edomiter im dritten Gliede in die Gemeinde aufgenommen werden dürfen, unmöglid) 
zu diefer Zeit entitanden fein kann, muß er zu dem etwas gemwagten Mittel greifen, : 
dieſe letztere Beſtimmung einer noch viel jpäteren Zeit auzufchreiben. Es dürfte demnach 
doch wohl ficherer fein, beide Beitimmungen als nody voreriliich zu betrachten. Daß der 
beftige Kampf Esras und Nebemias’ gegen die Eben mit fremden Meibern aud die 
Moabiterinnen betraf, iſt fchon berührt worden. Um fo auffälliger iſt die fompatbifche 
Schilderung der Moabiterin Ruth in dem gleichnamigen Buche, da diefe Schrift Doch den 30 
Eindrud macht, erft ſpät gejchrieben zu fein (was allerdings Driver beftreitet). Viele 
Neuere folgen deshalb Geiger, der in Buch Ruth den Ausdruck einer Richtung fab, Die 
direlt gegen das |trenge Verfahren Esras und Nehemias’ opponierte, und in der That 
läßt fich eine ſolche Auffafjung kaum vermeiden, falls die Beitimmung der Abfaffungs- 
zeit richtig it. Im Buche der Chronik find Dagegen die Aınmoniter und Moabiter Typen 35 
der Erzbeiden, was ſich nicht nur in der Erzählung 2 Chr c. 20 Ausdruck giebt, ſondern 
auch darin, daß die Väter der beiden Mörder des Jehoas (2 Kg 12,22) in eine ammo- 
nitiſche und eine moabitische Frau verwandelt werden (2 Chr 24, 26). Wie aber der Blid 
allmählich freier wurde, lehrt die von Schürer (Geſch.“ 3, 135) angeführte charakteriftiiche 
Erzählung Jadaim IV 4, wonach N. Joſua im Gegenfage zu Gamaliel II behauptete, daß 10 
en ammonitifcher Proselyt trog der oben angeführten Beltimmung Tt23,4ff. in die 
Gemeinde aufgenommen werden durfte, da die alten Ammoniter längst nicht mebr exiſtierten. 
Tasfelbe galt in der That auch, mie wir gejeben haben, von der damaligen moabitifchen 
Bevölferung, in deren Adern nur wenig echt moabitiſches Blut floß. Fr. Buhl. 


Modaliften |. d. U. Monarchianis mus. ft; 


Modeftus, antignoftiiher Schriftiteller, j. oben Bd XII, 267,2. — Pal. 
Harnack, Geſchichte d. altchriftl. Litteratur 1, Leipzig 1893, 759; C. A. Bernoulli, Der Schrift: 
ftellertatalog de3 Hieronymus, Freib. u. Leipz. 1895, pass. 

Nah Eufebius (Kirchengeich. 4, 25 vgl. 21) bat ein fonft nicht befannter Modeſtus, 
Zeitgenofie des Philippus von Gortyna und des Irenäus, eine Schrift gegen Marcion 50 
geichrieben, deren Polemik bejonders eindrudsvoll geweſen zu fein jcheint. Tas Bud it 
verloren gegangen. Hieronymus (Vir. ill. 32) will noch von anderen ovvraynata des 
M. willen, die ab eruditis quasi wevderiyoapa repudiantur. Wober er Ddieje 
Weisheit hat, iſt unkontrollierbar. Vielleicht verdankt ſie einem Mißverſtändnis des von 
Hieronymus im übrigen ausgeſchriebenen euſebiſchen Textes ihr Daſein. G. Krüger. 55 


— 
13 


19) 


20 


IS 
Ci 


Möhler, Johann Adam, geſt. 1838. — Eine Lebensbeſchreibung M.s von Reith: 
mayer enthält die fünfte Auflage der Symbolif, Mainz 1838; vgl. den Artikel desjelben Verf, 


204 Möhler 


in dem Slirchenlerifon von Weter und Welte Bd VII, ©. 189 ff. 2. Aufl. Bd VIII ©. 1677; 
B. Wörner, 3. A. Möhler, Regensburg 1866; J. M. Raich, Möhlers Symbolit. Ergänzungen 
dazu aus deſſen Schrift: Neue Unterſuchungen 2c. Nebit dein Yebensbilde Möhlers von H. Kihn. 
Mainz 1889; 3. Friedrid. J. N. Möbler, der Symboliter. Ein Beitrag zu jeinem Leben und 
5 feiner Lehre, Münden 1894; A. Knöpfer, J. N. Möhler, Münden 1896, 2. Monaſtier, J. 
A. Möhler, Zaufanne 1897. Bal. aud) den ausführlichen, teilmweife auf perjönlider Belannt: 
ihaft beruhenden Artifel von Dr. Kling in der 1. Aufl. diefer R.:E. IX, 662 fi. Außerdem 
find zu vergleihen Narl Werner, Geſch. der kathol. Theologie, 1866, ©. 470 ff.; H. Brüd, 
Geſch. d. kath. Kirhe im 19. Jahrh., 2. Bd, Mainz 1889; A. Ehmid, Wiſſenſchaftl. Ric: 
10 tungen auf dem Gebiet des Kath., Münden 1862; Haje, KG., S. 14. 727.744; derj., Bolemit, 
bei. Vorrede S. VIII ff.; Baur, EG. des 19. Jahrh., 1862, S. 309ff.; Klüpfel, Geich. der 
Univerf. Tübingen 409. 443; Strauß, Kl. Schr., Neue Folge, 1866, ©. 355; Nippold, Neueite 
KG., S. 169; Landerer, N. Dogmengeid., S. 378; Tehler, Symbolik, ©. 25 ff. 
J. A. Möhler ift geboren den 6. Mat 1796 zu Igersheim bei Mergentheim im 
15 württembergiichen Franken ale Zohn eines wohlhabenden Gaſtwirts und Torfichultbeißen. 
Die guten Anlagen des Knaben beitimmten den Water, ibn den Studien zu widmen. 
Auf den Gymnafium twoblvorbereitet wandte er fihb auf dem Lyceum in Ellwangen 1814 . 
dem pbilojopbifchen und bald darauf dem theologischen Studium zu. Mit der katholiſchen 
Fakultät 1817 nach Tübingen übergefiedelt und ın das Wilbelmftift aufgenommen, machte 
20 er fich die bier gebotenen Bildungemittel wohl zunuge. Neben andern Univerfitätslebrern 
(3. B. dem Philoſophen Eſchenmayer) hatte er an den Mitgliedern der katholiſch⸗theo⸗ 
logiſchen Fakultät Drey, Hirſcher, Herbit, Feilmoſer Lehrer, die in den verjchievenen Ge 
bieten ihrer Mifjenfchaft zu den eriten gehörten. Apologetik, Dogmatik und Ethik, praf 
tiiche, biftorifche und exegetifche Theologie waren durch diefe Männer in würdiger und 
25 liberaler Meife vertreten, in einem Geift, der teils der Sailerſchen, teild der Wellen: 
bergichen Richtung fich näherte. Nachdem er 1819 die Priefteriveibe empfangen, trat er 
als Pfarrvikar zu Weilerftadt und Riedlingen in die praftifche Wirkfamfeit ein; kehrte 
aber, um fich dem Yebramt zu widmen, bald nad Tübingen zurüd, wo er 1820 zum 
Repetenten am Konvift ernannt twurde. in diefer Zeit vertiefte er fih in die klaſſiſche 
so Yitteratur, griechiſche Philoſophie und Gefchichte, die ihn fo mächtig anzogen, daß er fchon 
im Begriff war eine philologifche Lehrſtelle ich zu erbitten, ale von der theologischen 
Fakultät die Einladung an ihn erging, als Privatdozent das Fach der Kirchengefchichte 
nebit den verwandten Disziplinen zu übernebnen (1822). Bevor er aber in dieſe Wirk 
ſamkeit eintrat, jollte er zu feiner weiteren Ausbildung eine wiſſenſchaftliche Reife mit 
35 Etaatsunterftügung unternehmen. Er befuchte nun im Winter 1822—-23 die bedeutenditen 
evangelifchen und katholiſchen Hochſchulen, bejonders Göttingen, two der Kirchenhiſtoriker 
G. J. land, und Berlin, wo bejonders Schleiermader, Neander, Marbeinefe bildenden 
Einfluß auf ibn übten, ſowie andererjeits der geiftiglebendige junge Mann durch fein edles 
und feines Benehmen Achtung und Vertrauen fi) erwarb. Am Sommer 1823 eröffnete 
40 cr als „Privatdozent voll jugendlicher Ideale“ feine Vorlefungen in Tübingen, zunädhit 
über Kircbengefchichte, Patrologie und Mirchenrecht, und beteiligte fih als Mitarbeiter an 
der theologischen Duartalfchrift. Mas er in derjelben niedergelegt, findet ſich größtenteils 
in den von Töllinger 1839 berausgegebenen Geſammelten Schriften und Aufſätzen (Re 
gensburg 1839- 40, 2 Bände). Doc bat der Herausgeber bier ein paar der interejlan- 
6 tejten Artikel aus den Jahren 1824 und 1825 abſichtlich übergangen, „angeblich weil fie, 
an ſich weniger bedeutend, einer früberen unreifen Geiſtesrichtung angebören, die der Ver 
faffer bald und für immer abjtreifte”. Es gebört bieber wohl die Necenfion von Schmitts 
Harmonie der morgenländiichen und abendlindicen Kirche (1821), morin der Recenſent 
die Bewilligung des allgemeinen Gebrauches des Stelches im Abendmahl mit großer Frei⸗ 
so mütigkeit befimvortet, Die Sophiſtik der Verteidiger Der Kelchentziehung mit fräftigem Un- 
willen rügt und Die jegige katholiſche Zitte entſchieden mißbilligt. Noch jtärfer find die 
Auperungen über Meſſe, Kelchentziehung, lateiniſche Kultusſprache 2c. in einer gleichfalls 
unzweifelbaft von Möbler berrübrenden Recenſion einer Schrift von %. Schaaf über die 
preußiiche Kirchenagende (1825), — Außerungen, in denen fih der Widerſpruch gegen 
5 katholiſche Mißbräuche und prieſterlichen Hochmut unbejchadet feines SKatbolicismus in 
energifeber Weiſe äußert. - us Derfelben Zeit ſind auch die Auffäge Möhlers: Hiero- 
nymus und Auguſtin im Streit über Sal 2, 14 (1824, 1; Gel. Schriften I, 1 ff); Über 
den Brief an Tivgnetus (1828, 3; Gel. Schriften 1, 19 ff); Marl der Große und feine 
Biſchöfe (Tüb. Duartalfchrift 1825), - Beinerfenswert ale Schöne ‘Proben patrijtijcher und 
so Firchenbiftorischer Studien. Größeres Auffeben aber machte die erjte jelbititändige Schrift, 
Die unter Möhlers Namen bervortrat; Div Einbeit der Kirche oder dag Prinzip des Has 


Möhler 205 


tholicismus, dargeftellt im Geifte der Kirchenväter der drei erſten Jahrhunderte, Tübingen 
1825, 2. Aufl. 1843. Das Ganze zerfällt in zivei Abteilungen: Einheit des Geiltes und 
Einheit des Körpers der Kirche. Jene ift zuerft die myſtiſche des bl. Geiftes, die alle 
Gläubigen zu einer geiftigen Gemeinfchaft vereint (Kap. 1), dann die verftändige in der 
Lehre als dem begriffmäßigen Ausdruck des chriftlichen Geiftes (Kap. 2), im Gegenſatz 
gegen die Härefien als die Vielbeit ohne Einheit (Kap. 3), endlih die Einbeit in der 
Vielheit: Bewahrung der Individualität in der Einheit der Gläubigen (Kap. 4). In der 
zweiten Abteilung wird vom Biſchof, in welchem die Einheit der Gemeinde fich zufammen- 
faßt (Kap. 1), aufgeitiegen zu der firchlichen Einheit im Metropoliten und der Synode 
(Kap. 2); von da zur Einheit des gefamten Epijfopats (Kap. 3) und fchlieglic) zum rö- 10 
miſchen Primat, deſſen ftufenmeife Entmwidelung aus den geichichtlichen Rerhältnifien des 
Altertums und Mittelalters nachgewieſen wird — nicht ohne kritiſche Bemerkungen gegen 
die Reformation des 16. Jahrhunderts, die das Prinzip der Einheit negiert, aber auch 
gegen den modernen Ultramontanismus, der ſteif auf den Anfichten bebarren will, die 
ſich im Mittelalter unter ganz anderen Umftänden entiwidelt batten. — So zeigt ſich hier 15 
Möbler als ein Mann, der über den empirischen Katholicismus wie über den bijtorischen 
Proteſtantismus hinausstrebt, indem er für einen idealen Katholicismus, mie er ihn in 
den alten Vätern gefunden zu haben glaubt, kämpft und ſchwärmt und in dieſem Kanıpf 
gegen die Entitellung desjelben ſelbſt proteitiert. 

Diefe Schrift über die Einheit der Stirche erregte in katholischen Kreifen bei den einen 20 
Anſtoß, bei den anderen Begeiiterung (j. Friedrich ©. 8f. dag Urteil Döllingers), be— 
ſonders aber richtete fie die Aufmerkſamkeit auf den boffnungsvollen jungen Mann; 
{bon 1826 erging an ihn ein Ruf von der Univerfität Freiburg, deifen Ablehnung feine 
Beförderung zur. a. o. Vrofeffur in Tübingen zur Folge hatte. Im folgenden Jahre 
ließ er („zum Teil nicht ohne äußeren beitimmenden Einfluß“, mie fein katholiſcher Biograph 25 
jagt) jeiner Erftlingefchrift eine zweite folgen, welche denen, die an der erjten Anſtoß 
genommen, ihr Urteil zu berichtigen Gelegenheit bot: Athanafius d. Gr. und die Kirche 
feiner Zeit, befonders im Kampf mit dein Arianismus, Mainz 1827, 2 Bände; 2. Aufl. 
1844: — ein Bild der Arbeiten und Kämpfe der Kirche des 4. Jahrhunderts, in leben: 
digen, friih aus den Quellen gejchöpften Zügen den Zeitgenoffen vor Augen geftellt. 30 
Aber auch zu einer Chrenrettung des Mittelalters führten ihn ſeine kirchenhiſtoriſchen 
Studien; eine der bervorragenditen Geltalten desjelben, Anjelm von Canterbury, „ven 
Mönch, den Gelehrten und den Kämpfer für die Kirchenfreiheit“, bat er mit Xiche ge 
fchildert in der theol. Duartalichrift 1827, 3. 4; 1828, 1; Gel. Schriften I, 32}. Wie 
er (freilich nicht: ohne fophiftiihe Willkür) auch dem anerfannten Betrug noch eine ideale 35 
Seite abzugetvinnen wußte, zeigen jeine Syragmente aus und über Pſeudoiſidor (geichrieben 
1829— 32, abgedvrudt in Gef. Schr. I, 283 ff). Außerdem find ale fleinere, Tirchenbijto- 
riſche Arbeiten zu nennen: eine Abb. über den Urfprung des Gnoſticismus, urjprünglich 
Glückwunſchſchreiben zum 50jährigen Doftorjubtläum des Göttinger Planck 1831, abge: 
drudt in den Gel. Echr. I, 403; eine durch die orientalische Frage veranlaßte Abhand- 40 
lung über das Verhältnis des Islam zum Ghrijtentum 1830; Gel. Schr. L, 348 ff. und 
Brucftüde aus der Gefchichte der Aufhebung der Sklaverei 1834, Gef. Schr. II, 54 ff. 
Dagegen blieben zwei größere Tirchengeichichtliche Werke, deren lan und Vorarbeiten ibn 
lange bejchäftigten, unvollendet: feine Batrologie oder chriftliche Literärgeſchichte, wovon 
Reithmayer aus Möhlers Nachlaß Bo I berausgegeben bat, der aber zu zwei Dritteln ı 
nicht von Möhler, jondern vom Herausgeber herrübrt (Regensburg 1840); und eine Ge: 
Mbichte des Mönchtums in der Zeit feiner Entitehbung und Ausbildung, wovon ein Krag: 
ment in den Gel. Schr. II, 165 ff. 

Bald nach Erfcheinen des Athanaſius mar Möhler den 28. Dezember 1828 von 
jener Fakultät mit der theologifchen Doktorwürde ausgezeichnet, von der Negierung den 50 
31. Dezember zur ordentlichen PBrofefjur befördert worden. Sein Einfluß als afademischer 
Lehrer ftieg immer höher, feine geiltvollen, mit Lispelnder Stimme und einer eigentüm— 
liben Anmut vorgetragenen Worlefungen wurden auch von proteftantifchen Theologen 
häufig bejucht und er übte großen Einfluß auf das heranwachſende katholiſche Theologen: 
geſchlecht. Verſuche der preußischen Iegierung, ihn für Breslau, Bonn oder Münfter zu ge: 55 
winnen, wurden jedoch durch Das Widerjtreben der hermefianijchen Partei vereitelt, |. Friedrich 
©. 248. Wie fehr Möhler damals mit der Univerfität und dem fonjtitutionellen Staats: 
leben befreundet und verwachſen war, zeigen feine „Betrachtungen über das Verhältnis 
der Univerfitäten zum Staat 1829” (Gef. Schr. 1,268 ff.), worin er den Gedanken aus: 
führt, daß im Zonftitutionellen Staat die Univerfität als Staatsanftalt eine unendlich co 


[ei] 


206 Möhler 


freiere Stellung eumebme als früber. Dagegen befämpft er den kirchlichen Liberalismus 
der aufgeflärten katholiſchen Profeiloren in Freiburg, als dieje jtatt an Erneuerung des 
firchliben Yebens von innen beraus zu denfen, zuerit (1828) die Aufbebung des Cölibats 
und Geſtattung der Priefterehbe beantragten. Möbler, der nicht obne Einfluß perjönlicher 

5 Yebenserfabrungen aus einem Gegner ein Freund des Gölibats geworden zu fein fcheint, 
trat jener, Damals unter dem ſüddeutſchen Klerus weitverbreiteten, auf Befeitigung des 
Swangscölibats gerichteten Bewegung entgegen in einer Beleuchtung der Denkſchrift für 
die Aufbebung des dem katboliſchen Geiſtlichen vorgejchriebenen Gölibats (Gef. Schr. I, 
177 ff), worin er zeigt, daß die Selbſtſtändigkeit der Kirche durch den Cölibat bedingt 

10 ſei: „der Cölibat des Klerus befördere nicht nur die ‚sreibeit der Kirche dem Staat, fon: 
dern auch die Freibeit Des Staats der Kirche gegenüber”. 

Immer deutlicher bereitet ſich jest jener Umfjchwung bet Möbler vor, der dann in 
jeinem dritten Sauptwerf, der Symbol, jenen Ausdrud fand. Als Norläufer dazu 
erkennen wir die Betrachtungen über den Zuſtand der Nirche im 15. und zu Anfang des 

15 16. Jahrhunderts (1831, Ge. Schr. II, 1 ff), worin er die Neformation daritellt als 
eine revolutionäre Bewegung, durch melde die ruhige Entwidelung der mittelalterlichen 
Kirche und der in derjelben reichlich vorbandenen guten Keime zeritört, die Firchliche Ein: 
beit zerrijfen worden jei. Immer eifriger bejchäftigte er ficb mit dem Studium der Quellen 
des fonfeflionellen Gegenjages zwiſchen Natbolicismus und Proteltantismus und bielt (nad 

20 dem Vorgang feines proteftantifchen Nollegen Baur) Vorlefungen über Symbolik. Durch 
diefe Vorträge und deren WVeröffentlibung glaubte er eine fichtbare Lüde in der fatho- 
lichen Yitteratur auszufüllen, ein umſichtiges willenjchaftliches Urteil über das Verhältnis 
der Konfeſſionen zu befördern und damit einen ‚rieden, der aus der wahren Kenntnis 
des Zwieſpalts und feiner Entjtebungsgründe bervorgebt. In diefem Sinn, zur Urien- 

25 tierung feiner Glaubensgenoſſen über das Weſen des Proteſtantismus und feiner verjchie 
denen Richtungen gab er jene „Symbolik oder Darftellung der dogmatischen Gegenſätze 
der Katholiken und Protejtanten nach ihren öffentlichen Belenntnisfchriften” heraus (Mainz 
1832, 5. vermehrte und verbeſſerte Auflage nach dem Tod des Verf. berausgeg. v. Reith: 
mayer 18385 9. Auflage 1884; auch in mehrere fremde Sprachen, ins Franzöſiſche, Eng: 

80 liche und Italieniſche überfegt) - das Hauptiverf feines Lebens, das einerſeits in feiner 
Kirche weithin eine freudige Aufnahme und Verbreitung fand, andererjeits aber auch eine 
mächtige Gegenwirkung von ſeiten der proteftantifchen Kirche und Theologie berborrief. 
Unter den proteftantischen Theologen war es vor allem fein Tübinger Kollege Dr. Baur, 
der zuerft in der Tübinger geitjchrift 1835, 9. 3. H dann im einem befonderen Werk: 

3 Der Gegenſatz des Katholicismus und Protejtantismus nach den Prinzipien und Haupt: 
dogmen der beiden Yebrbegriffe, Tübingen 1834, als gelebrter und fcharffinniger Apologet 
des Proteftantismus ibm entgegentrat. Ihm ftellte Möbler jeine Neuen Unterfuhungen 
der Lehrgegenſätze zwiſchen Natbolifen und Proteſtanten (Mainz 1834; 5. Aufl. mit einer 
Einleitung und Anmerkung berausgeg. dv. P. Schanz, Regensburg 1900) entgegen, worin 

40 er manches noch beller zu beleuchten und feitzwitellen juchte. Baur blieb die Antwort 
nicht jehuldig, indem er zuerjt feine Erwiderung auf Herrn Möhlers neuefte Polemik :c., 
Tübingen 1834, dann eine zweite verbeſſerte, mit einer Überſicht über die neueiten Kon— 
troverſen vermehrte Auflage jenes Gegenſatzes 2c., Tübingen 1836, erfcheinen Lich. Nächft 
Baur war es Marbeinefe, der in einer ausführlichen, auch bejonders abgedrudten Recenfion 

5 in den Berliner \abrbüchern Die Gebrechen des Möhlerſchen Werks aufdedte (Berlin 1833). 
Als Dritter Hauptgegner erbob ſich C. J. Nitzſch mit fünf Abhandlungen in den ThStK 
18312 35, welche 1835 gleichfalls im beſonderen Abdruck erſchienen u. d. T.: Eine pro⸗ 
teſtantiſche Beantwortung Der Symbolik Möblers nebſt einem Anhang: Proteſtantiſche 
Theſes, — eine Frucht tiefer und umfaſſender ſymboliſcher Gelehrſamkeit, mild und ſcharf, 

waus der Fülle proteſtantiſchen Glaubens und Lebens hervorgegangen, in der Richtung 
einer höheren Vermittlung ſich bewegend. Wenn auch zuzugeben iſt, daß von ſämtlichen 
proteſtantiſchen Gegenſchriften keine, ſeis unter Proteſtanten ſeis unter Katholiken, eine 
dem Werke Möhlers gleiche Bedeutung erlangt hat (Haſe), ſo gehört doch ein hohes Maß 
von Verblendung dazu, wenn Möhlers Biograph Reithmayer von einen glänzenden Steg 

5 des Nutbolteismus und einer empfindlichen Niederlage der Proteſtanten redet, welche das 
Möhlerſche Werk „verblüfft angeſtaunt“ baben follen. Vielmehr diente dasjelbe nur dazu, 
das proteltantiihe Bewußtſein zu ſtärken, die Einficht in den Gegenſatz zu fördern, die 
prinzipielle Tifferenz noch Elarer zu maden Man war gerne bereit den Scharflinn und 
die Tüchtigfeit Des Gegners anzuerkennen und ſich zu freuen, daß er von der gemeinen 

coMeife katholiſcher Polemiker, die Reformation aus den niedrigften Motiven zu erklären, 


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Möhler 207 


zu einer böberen Anficht fich erbebt und fie aus einer tiefreligiöfen, wenn auch ſchwär—⸗ 
meriſchen Erregung abzuleiten ſucht. Aber man batte auch Grund fich darüber zu be: 
Hagen, daß Möbler, Statt von den Prinzipien auszugeben, mit feiner Volemif bloß an 
eine Reihe von einzelnen Dogmen ji halte; daß er, ftatt die Gegenſätze nach den öffent: 
liben Bekenntnisſchriften darzuftellen, mit den Privatfchriften der Neformatoren und ein- 5 
zelnen darin ſich ausjprechenden ertremen Auffaſſungen fich fo viel zu ſchaffen made, und 
dadurch das Verftändnis der fombolischen Lehren nicht fürdere, jondern verdunfle; daß 
ihm überhaupt, trog feiner vertrauten Bekanntſchaft mit der proteſtantiſchen Litteratur 
und Theologie, das Verftändnis der reformatorischen Prinzipien und Perjönlichfeiten ab- 
gebe. Und auf der anderen Seite fann nicht geleugnet werden, dag Möblers Darftellung 
der römiſch-tridentiniſchen Lehre eine idealifierende, der Wirklichkeit nicht entfprechende iſt. 
Kurz, indem Möhler einem ibealifierten Katholicismus einen farifierten Proteſtantismus 
gegenüberjtellt, bat er feine wiſſenſchaftliche Symbolik geliefert, ſondern eine Parteiſchrift 
und nicht, wie er behauptet, der Wahrbeit und dem Frieden gedient, jondern dazu bei: 
getragen, den konfeſſionellen Streit neu zu entzünden. Es ift eine Verdrehung des Sach: 15 
verhalts, daß Nnöpfler aus der proteitantifchen Abwehr „animoſe und gebäflige An: 
griffe” macht (S. 73). Daß es aber auch innerhalb der fatholiichen Kirche an Par— 
teiungen nicht fehlt, zeigte Jich eben damals einerjeitS in dem bermelianifchen Streit, 
andererjeitö in dem Konflikte des Abbe Bautain mit jeinem Bilchof; an jenem Streit 
bat ſich Möbler, fo ſehr er die ganze NWichtung der berinefianischen Schule mißbilligte, 
grundjäglich niemals beteiligt (vgl. hierüber Reithmayer im K.-Lexilon S. 1685); über 
die Anfichten Bautains ſpricht er in feiner und vorfichtiger Weiſe fein Urteil aus in 
feinem Sendſchreiben an diefen (ThOS 1831, Ge. Schr. II, 141 ff); über die Ver: 
hältniſſe und Zuftände der katholiſchen Kirhe in der Schweiz äußert er fihb in einem 
Sendſchreiben an einen jungen ſchweizeriſchen Theologen v. 3. 1836, Gel. Schr. II, 
253 ff. 

Die Polemik, in welche Möhler durch jene Symbolik verwidelt wurde, trug Dazu bei, 
ibm feine Stellung in Tübingen zu verleiden. Im Frühjahr 1835 folgte er einem Ruf an 
die theol. Fakultät in München (ſ. Friedrich S.32 ff.), mo er (zunächſt für das Nominalfach der 
Eregefe berufen) mit Vorlefungen über den Nömerbrief feine Wirkſamkeit eröffnete, in der so 
Folge aber auch über andere paulinische Briefe, über Ktirchengefchichte, Patrologie ıc. Nor: 
elungen bielt und mit Borjtudien zu einer Gejchichte des Mönchtums jich beichäftigte 
(. Gef. Schr. II, 165 ff). Anfangs fchien es ihm bier, wo er in ungejtörtem Frieden 
leben fonnte, wohl zu geben, auch feine angegriffene Gejundbeit fih aufs neue zu be: 
feitigen. Aber nachdem im Sabre 1836 die Cholera ibm zugefegt batte, wurde er im ss 
Frühjahr 1837 durch eine heftige Grippe aufs Kranfenlager geworfen, mußte im Sommer 
feine Borlefungen ausjegen und in Meran Erbolung fuchen, two auch der Umgang mit 
den frommen und gelehrten Benebiktinern ibm wohlthat. Aber die Hoffnung auf Wieder: 
berftellung ging nicht in Erfüllung; mit Eintritt der winterlichen Jahreszeit bildete jich 
ein Yungenleiden aus; dazu Tanıen gemütlibe Aufregungen infolge der Kölner Eretgnifje. ao 
Auf dieſe bezog fich fein legter Auffab, den er zwei Monate vor feinem Tod unter dem 
Trud förperlicher Leiden ſchrieb oder diftierte: Über die neuejte Bekämpfung der katho— 
liſchen Kirche (Gef. Schr. II, 226 ff). Ein Mann von jolden Anfeben erjebien der 
preußifchen Regierung felbjt in jenen Zeiten des beginnenden Kirchenftreites als eine 
wünfchenswerte Acquifition; es war ibm fon im Dezember 1837 eine Profeſſur in as 
Bonn oder ein Kanonifat in Köln angeboten worden; er ging nicht darauf ein teils aus 
Scheu vor den Wirren, teild aus Rückſicht auf feine zerrüttete Geſundheit. Zu Neujahr 
1838 ebrte ihn König Ludwig von Bayern mit dem Werdienftorden des bl. Michael. 
Kurz darauf begann er feine Vorlefungen wieder, aber nach wenigen Wochen erfranfte 
er jo bedenklich, daß er ſich mit den Sterbefaframenten verfeben lieh. Zwar genaß er so 
wieder und dachte an die Erledigung dringender Arbeiten; aber dem Münchner Rlima, 
den Bejchwerden de Lehramts und den gemütlichen Affeftionen des ultramontanen Partei: 
treibend (vgl. ANZ.1858, Nr. 1) war feine angegriffene Geſundheit nicht mehr gewachſen. 
Der König ernannte ihn zum Domdekan von Würzburg. Aber diefer Schimmer zeitlicher 
Würde, momit er ohne fen Zutbun noch beffeidet wurde, war ihm ein Vorzeichen des 5; 
naben Endes. Ein Zehrfieber führte die Auflöfung raſch berbei; am Gründonnerstag 
den 12. April 1838 ging er ein zu dem rieden, den jeine Seele unter allen Kämpfen 
und Anfechtungen ſtets liebte und ſuchte. Ein Denfmal, aus Beiträgen faft des ganzen 
Intbolifchen Deutichlands errichtet, ſchmückt ſein Grab auf Dem Münchner Gottesader, 
Me \snfchrift nennt ihn: Defensor fidei, literarum decus, solamen ecclesiae. — 60 


par 


0 


5 


208 Möhler Möller, Johann Friedrich 


Zu den oben genannten Schriften Möhlers kam noch hinzu feine Rirchengefchichte, beraus- 
gegeben von Pius Bonif. Gams, O.S.B., Regensburg 1867—70, 3 Bände nebit Ne 
giſterband. Wagenmannr (Hand). 


Möller, Johann Friedrich, geit. 1861. — 

6 Johann Friedrih Möller, Generalfuperintendent der preußifchen Provinz Sachſen, 
it geboren den 13. November 1789 zu Erfurt als Zobn eines Geiftlichen, deſſen 
Borfabren ſchon in mehreren Gejchlechtern Paſtoren in Erfurt gemeien waren. Die 
erite Borbildung erbielt er von jenem Water, dann bejudite er das Erfurter Gum: 
naſium, bierauf die Univerfität Göttingen; von ibren theologiſchen Lehrern gedachte er 

10 ſpäter befonders Plancks dankbar; philologiſche Studien in Heynes Seminar gingen den 
theologifhen zur Seite; auch von Heeren und Blumenbacd bat er tiefere Eindrüde em: 
pfangen. Im Jahre 1814 wurde er Lehrer der Katechtik und Methodik am Schullchrer: 
ſeminar feiner VBaterjtadt, im folgenden zugleich Diafonus an der Barfüßerfirche. Mehrere 
Sabre verwaltete er proviforiih das Tireltorium des Schullehrerfeminare, einige Zeit 

15 auch die Stelle eines ſtädtiſchen Oberſchulaufſehers. Nachdem er 1829 Baltor an der: 
jelben Kirche geworden, 1831 Senior des evangeliſchen Miniſteriums und als ſolcher 
Epborus des Stadt: und Yandfreiies, erhielt er 1832 zugleih das Amt eines Konſiſtorial⸗ 
rats bei der Tal. Regierung. — Schon durch jeine Urdinationspredigt über 1 Ti 3, 1 
(„der ſchöne Beruf eines chriftlichen Lehrere“) Klingt die zyreude am Neichtum der Schrift 

20 charafteriftiich bindurch, denn in diefer Richtung rechnet er zu der Schönbeit feines Berufs 
die Vorbereitung, die er nötig mache. An feinem Geburtstag 1816 ergreift ihn „vie 
herrliche Predigt“ von Harms: „Was feblt mir noch“, und veranlagt ihn zu ftrengem 
Selbſtgericht. Mit Harms in perfünlide Beziebung brachte ibn eine feine von dieſem 
freudig begrüßte Sammlung religiöfer Dichtungen, welde WM. 1816 veröffentlicte: 

25 Chriftenglüf und Chriſtenwandel in religiöfen Geſängen (ſ. Schleöw.-Holft.-Xauenb. 
Kirchen: u. Schulblatt 1880, Nr. 21). Won da an find Harnız Schriften und Predigten 
für M. viel geweſen, der kräftige und originale Duell religiöjfen Lebens in ihnen er 
quidte und förderte ihn. Wie anders aber doch M. aus den unbefriedigenden Gegen 
ſätzen des Nationalismus und Zupranaturalismus feinen Weg in die Tiefe und auf die 

so Höhe fuchte, als Dies der Theſenkämpfer tbat, zeigt befonders ſein „Verſuch: Was ver: 
langt die fortgejchrittene Zeit von denen, Die zu Irägern des Ewigen berufen ſind?“, 
im dritten Jahrgang des Neformations:Almanace (Erfurt 1821), den Möller nach des 
Berlegers, Fr. Keyſer, Tode berausgab. Bervitwillig erkennt er in dem durch Gegenſätze 
hindurch fortfchreitenden philoſophiſchen Zeitgeifte die Momente an, welche der Richtung 

35 Des Ewigen angebören, und findet namentlib in Jacobi und Fries Stützpunkte. „Die 
wichtige Aufgabe unferes chriſtlichen Amtes iſt alfo, daß wir Die pofitiven Xebren der 
bl. Schrift der Vernunft unſerer Zeitgenoſſen vorbalten, die damit vermandten, in dem 
Menſchen ſchon vorliegenden, nur noch dunklen Elemente aufjuchen und nachweiſen, und 
eine innere Aneignung und einen Übergang des Einen in dag Andere zu bewirken willen. 

40 Je tiefer wir dabei in Die bl. Schreine Des Herzens fübren, je gewiſſer wir in den 
inneriten Abnungen und Bewegungen den Menſchen ergreifen, je bäufiger es uns glüdt, 
die äußere Tffenbarung fo an die umere zu balten, daß dieje, in die überrafchenden 
Wirkungen emer geijtigen Wahlverwandtſchaft verjegt, Das nicht zu ibr Gebörige, Fremd⸗ 
artige abjtößt und das Weſen von jener als ibr eigentümliches Erbe an fi nimmt, 

45 deſto glüdlicher und beilvoller wird unfere gefamte Thätigkeit ſein. M.s Anteil an der 
weiteren kirchlichen Entwidelung und ibren Kämpfen bat diefe Grundlinien mit kirchlicher 
Füllung verjeben, hat auch die Poſition ſelbſt weſentlich verjtärkt und ergänzt, das get 
gewand ijt abgejtreift, aber die Grundrichtung, welde jih darin ausipricht, iſt geblichen, 
und namentlich die fatechetifche Virtuoſität Möllere it aus ihr bervorgeivachien. In 

co dieſer Nichtung iſt ſchon das Zchriftchen „Über die erjte Behandlung des Neligionsunters 

richts in den unteren Klaſſen der Volksſchule. I. Die eigentliche Gotteslehre”, Erfurt 1824, 
bemerfenswert. In fteigendem Maße legte dann M. für den Religionsunterricht der 
Volksſchule Das Schwergewicht auf die bibliſchen Geſchichten. Vgl. „Unterlagen der 
Sotteserfenntnis in der chriſtlichen Volksſchule“, 2. Aufl, Erfurt 1836. — Nach einer 

5 anderen Zeite war es Die geiftliche Poeſie, im welder Die religiögsfittliche Idealität ihre 

— Flügel ſuchte, und der Werfündiger Des Wortes den Ton, welder den Widerhall in den 

Herzen wecken jollte. Auf jene erſte Sammlung folgte 1822 die größere: Der chriftliche 

Glaube und das dirijtlide Leben; geiftliche Yieder und Geſänge für Kirche, Schule und 

Haus, Erfurt, Keyſerſche B. Harms nahm eine große Anzahl in fein Geſangbuch auf, 


Möller, Johann Friedrich 209 


in kirchlich eingeführte Geſangbücher haben ſich doch nur wenige Eingang verichafft (vgl. 
Koch, Geſchichte des. Kirchliedes 2c., 2. Aufl., III, 362ff.)., — Mitten in eine gefegnete 
bauende Thätigfeit, die ſich trog mancher Hemmungen einer zarten Geſundheit frifch 
immer weiter ausbreitete auf dem wachſenden Arbeitöfelde, fiel der lutheriſche Separatis- 
mus Grabaus und feiner Anhänger. Möller hatte am 17. Juni 1834 mit gutem Ver: 5 
trauen in Grabaus warmen und frommen Eifer ihn zum Pfarrer von ©t. Andreas in 
Erfurt ordiniert und auf die Agende verpflichtet — zu einer Zeit alfo, in melcher 
Scheibel bereits Preußen verlaflen hatte, und in Breslau die Separation in vollem Gange 
war. Grabau, der viel Zulauf hatte, ftieß zuerſt durch eigenmächtige Einrichtung eines 
Abendgottesvienites an, eine Sache, die von oben recht bureaufratiich behandelt murde; 10 
bald fagte er fich von der Agende los und wurde fuspendiert (September 1836). Cine 
Predigt Möllers in Graubaus Kirche vermochte die Entitehung einer feparierten Gemein- 
ſchaft nicht zu hindern, weldhe nun, während Graubau abpejeht und wegen ungejeglicher 
Eingriffe längere Zeit in Haft war, wegen Verlegung der landeskirchlichen Ordnungen 
fortgejegten Polizeiſtrafen verfiel. Möller, perfünlih der Union zugethan, litt doch fchiver 15 
in —* Mitgefühl mit dem gefangenen Gewiſſen der frommen durch Grabau und den 
Polizeizwang fanatiſierten Leute. Und auf ihn gerade als Konſiſtorialrat fiel das Odium 
für Dinge, die er abzuwenden nicht vermochte. „Es iſt kein Kaiphas und Hannas ſo 
ſchwarz, er muß mir Namen und Bild leihen“ (M. an Dräſeke 13. März 1837). Schon 
I Anfang der Bewegung (26. Dftober 1836) warnte er namens des evangelifchen zo 
iniftertumd die Behörde vor jeder Maßregel, welche die Herrichaft eines Glaubens: 
zwangs auch nur befürchten laſſe, weil font nicht nur „die Ohnmacht des Gejeges dem 
Gewiſſen gegenüber ſich herausitellen”, jondern auch „die Verantwortlichfeit derjenigen 
ſich fteigern würde, welche das Unglüd hätten, bei Vollſtreckung ſolcher Maßregeln die 
Organe zu fein“. Vergeblich; im März 1837 jchüttet er Dräfele fein Herz aus. Es 25 
fe ihm, als müſſe man dem König zurufen: „Den Gebundenen eine Uffnung”. Nicht: 
vollitredung der verbängten Strafen genüge nit. „Es gilt den Reiz der Uebertretung 
durch Aufbebung des Begriffs der Straffälligfeit zu entfernen und der fo heiß begehrten 
‚greibeit der Neligiongübung durch Erlaubniſſe, welche die Freiheit regeln, einen Dämpfer 
aufzujegen und eine Abkühlung zu bereiten.“ Er legt es Dräfefe nahe, mit Borjchlägen 30 
an den König zu gehen. Dräfele zug den Biſchof Neander herein, der aber von Zuge: 
ſtändniſſen an die 500—1000 Altlutheraner nichts willen mwollte. In einer ausführlichen 
Eingabe vom 18. Dftober 1837 jest M. das Verwerfliche und auch nach den Voraus: 
Iekungen des Landrechts Unberechtigte des Verfahrens und des dadurch faktiſch geübten 
& szwangs auseinander und plaidierte für die landesgejeglich zuläflige Duldung, 3; 
aljo für eine verfaflungsmäßig beichränfte Neligionsfreiheit, d. b. für Tuldung in Betreff 
des Religionsunterrichts, der Andachtsübung und gottesdienftlichen Anitalten, „aber nicht 
für die das Staatsrecht alterierende Prätenſion, ſich unter eigenes Kirchen: und Scul- 
regiment zu jtellen und den geijtlichen Behörden des Landes ablagen zu tollen, noch für 
das der jtaatöpolizeilichen Ordnung zumiderlaufende Beginnen, ficchlice Handlungen nad) 40 
Gutbefinden überall vorzunehmen und zu regijtrieren, am menigften für den Wechjel der 
Grundſätze folder Geiftlichen, welche auf die bejtehende Kirchenordnung dem Staate fich 
feierlich verpflichtet haben“. Auch diefe Stimme verballtee Und in diefer für M. 
fummerbollen und aufreibenden Zeit traf ihn ein erjchütternder Schlag. Seine Kirche 
zeigte Riſſe; am Weihnachtsfeſte 1837 noch dicht gefüllt, mußte fie bald darauf geſchloſſen 4; 
werden. Am 8. Januar 1838 war M. mit der Baukommiſſion in der Kirche, als zwei 
Pfeiler mit dem entjprechenden Stüde des Mitteljchiffs und eines Seitenfchiffs vor jeinen 
Augen zufammenftürzten. Alle Anweſenden, auch zahlreiche Arbeiter, twaren wunderbar 
behütet; aber M. trug eine tiefe, lange nachwirkende Erjchütterung feines Nervenſyſtems 
davon. Die Sache der Lutheraner ließ ihm nicht Nuhe. Am 4. Februar 1838 wendete zo 
er ſich direkt an den Minifter Altenftein, jchildert die Volizeiquälereien und die Stand: 
baftigkeit der Betroffenen. Seine Teilnahme rube nicht auf einer Übereinjtimmung der 
Grundfäge oder auf perfünlichen Beziehungen zu den Häuptern, fondern darauf, „daß 
dieſe Bedrängten faſt ohne Ausnahme rechtlich unbefcholtene Bürger, abgejeben von der 
Renitenz in Glaubensfachen, treue Untertbanen S. Majeſtät, qute fleißige Familienväter, 55 
lkirchlich und zu jedem Werk der thätigen Liebe willig, daß fie meine Brüder im Glauben an 
tus, vor allem daß fie in ihrem Gewiſſen gefangen und für das, was fir als Wahr: 
beit erfennen, zu jedem Opfer bereit ; daß je zu Ungebübrlichfeiten und Widerſetzlichkeiten 
dadurch getrie find, daß ihr flebentliches Bitten um Duldung feine Erbörung ge: 
funden bat. Es handelt ſich in diefer Sadye um etvige Güter, um Wahrheit und Recht, co 
Real»-Suchklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XII. 14 


‘ 


210 Möller, Johann Frievrich 


um Freiheit des Glaubens, um einen Ausgang des Streitd, bei weldhem Kirchentum und 
Sittlichfeit obfiegen oder unterliegen werben”. Er bittet den Minifter, fein Departement 
als Konfiftorialrat von jeder Teilnahme an der Beratung ꝛc. der Scharatijtenjache zu 
entbinden, bis eine entfchieden veränderte Nichtung eingeichlagen werde, oder, wenn das 
b nicht angänglich, um feine Entlafjung ale Konjiftorialrat. Altenftein lieg M. nad Berlin 
fommen und wies darauf bin, daß ja die Erfurter Separatiften nod nie den ge 
iemenden Weg der Bitte um gewiſſe Zugeftändniffe eingefchlagen hätten, und M. ver- 
hand fih dazu, „diejenigen Maßregeln allererft noch rubig abzuivarten, welche infolge einer 
ſolchen von den lutheriſchen Tiffidenten etwa noch anzubringenden Bitte in Anwendung 
10 kommen würden, und ſich einem dahin gehenden Verjuche nicht zu entziehen“. In dem 
Promemoria vom 30. April 1838 legte M. feine Auffaflung des zu erjtrebenden vor: es 
handle fich nicht um Errichtung einer neuen privilegierten Kirchengeſellſchaft, welche den 
Namen und die NHechte der faktiſch fortbeſtehenden lutheriſchen Kirche für ſich ufurpiere, 
fondern um Duldung einer innerbalb der lutberifehen Kirche abgejondertes Daſein präten- 
15 dierenden religiöfen Gemeinschaft, deren Unterſcheidungsmerkmale darın gefunden erden, 
daß fie 1. im Gegenſatz gegen den bijtorifchen Entwidelungsgang der evangelifchen Kirche 
der Unton wibderftrebe, und 2. im Gegenſatz gegen die Anorbnung der Tirchlichen Oberen 
durch die neue Agende fich bejchwert fühle. Unter Wahrung der landeshohbeitlichen und 
fonfiftorialen Gerechtfame freie Religionsübung, alfo Gewährung eines Prediger und 
20 Seelſorgers ihrer ftrengeren Glaubensanſicht, Bewilligung einer altlutherifchen Agende 
und eines abgejonderten Urts für ihre Andachten. Für Dotation müſſen ſie jelbft auf: 
fommen, baben aber Anfprub auf billige Behandlung in Betreff der Parochiallaften. 
M. verbehlte ſich nicht, wie gering die Ausficht auf Erfolg; es müſſe aber ein Meg ge 
funden werden zwiſchen der Rerlegung des Gewiſſens und der Geſetzesverletzung, und erft 
25 wo dieſe klar vorliege, fei das Strafverfahren gerechtfertigt. Won diejer Überzeugung 
könne er fich nicht trennen; daß er es von feinem Amte können würde, babe er bereits 
ausgefprochen. Altenftein beauftragte den 8. Juli 1838 M. auf diefer Grundlage mit 
den Diffidenten in Kommunikation zu treten; aber die verjuchten Vermittelungen ver: 
mochten damals, wo die Führer ſchon auf eine felbitftändige Kirchengemeinſchaft bin: 
30 drängten und Scheibel ebendeshalb Verhandlungen mit einzelnen Zeigen, ftatt mit dem 
Ganzen, prinzipiell abmwies, nichts mehr; indejlen fie hatten doch, da gleichzeitig die 
poligeitichen und prozefjualiihen Maßregeln eingeftellt wurden, überdies aber die ent: 
ichiedenen Anhänger Grabaus im Eommer 1839 nah Nordamerifa auswanderten, das 
Gute, daß die Herzen einander näher famen, und die frühere Schärfe und Verkennun 
35 perfönlichem Vertrauen wich, wenn auch die Wunde brannte, bis der ‘Tod eier 
Nilhelms III. Wandel brachte. — Tie Barfüer Gemeinde und zahlreiche Anhänger der 
finnigen Predigtweiſe Möllers aus der ganzen Stadt fammelten ſich jest in dem ab- 
geiperrten bohen Chor der geräumigen gotiſchen Kirche, der unverfehrt war, und Diele 
Jahre, in denen M. am Hochaltar ſtehend predigte, die Kinder dicht vor fich, die Zuhörer 
40 den ganzen Raum füllend, bezeichnet den eigentlichen Höbepunft feiner eigentümlichen 
Predigtwirkſamkeit. — Tas Frühjahr 1843 rief ibn als Generaljuperintendenten nad) 
Magdeburg, als Dräfefe, der ſchon feit Jahren in ıhm feinen Nachfolger ſah, verlegt 
unter den Alnfeindungen eines König, Zintenis u. a, und müde geworden, fein Amt 
niederlegte. Die Eirchliche Geſchichte der Durch die lichtfreundlichen Bewegungen tief auf: 
4 gewühlten Provinz Sachen in jenen Jahren iſt befannt, ebenſo Möller Anteil an diefen 
Kämpfen (f. d. A. „Yicbtfreunde“ Bd XI S. 467 f.). Wir begnügen uns mit wenigen 
Andeutungen. Möllers Antrittspredigt „vom guten Hirten“ ging als noch jehr frieb- 
liber Gruß zu den Getftlichen der Provinz. Auf der Provinzialiynode im Herbſt 1844 
gelang der vermittelnden Natur und der geiftlichen Weihe Möllers trug der bereits hoch⸗ 
co gebenden Wogen der ‘Parteien nod ein Zuſammenhalten und Zufammenivirten zu er 
reichen, das vielen ein boffnungsreiches Gefühl gab. Aber das Vorgehen der proteitan- 
tiſchen Freunde ſchärfte die Gegenfüße und nötigte auch Möller zu entjchiedener kirchlicher 
Poſition, ja erfüllte ibn jelbft mit Mißtrauen gegen Die. Vorfchläge der Generalſynode 
von 1846 in Betreff der ordinatorifchen Verpflichtung und der kirchlichen Verfaſſung, fo 
55 daß er fih bier auf die Seite der rechten Minorität ftellte. Die Namen Mislicenus, 
Balger, Gieſe und vor allem Ublich Dezeihnen ın M.s Leben tiefgebende Schmerzen und 
Kämpfe, um fo tiefer gebend, je ferner M. — überzeugt, daß geiftlihe Dinge geiftlich 
gerichtet fein wollen — von emer bloß juriftiichen Aburteilung nach dem — war, 
und je ſchwerer ſich doch die Verantworilichkeit für die Heiligtümer der Kirche auf feine 
co Scele legte. Die Pfeile der Gehäſſigkeit, welche gegen ihn Nogen (Möller und Uhlich, 


Möller, Johann Friedrich 211 


Beleuchtung des Möllerfhen Schriftſtücks, Leipzig 1847, fich beziehend auf: Amtliche 
Verhandlungen, betr. den Prediger Uhlich 1847), waren nicht das Schmerzlichfte. Welche 
geiftlichen Wege er zur Verftändigung fuchte, davon geben unter anderem Zeugniö die 
Predigt am 1. Advent zu Nordhaujen gehalten, mit einem Sendichreiben an die evangel. 
Geiftlichkeit, Magdeburg 1846, Heinrich&h., und nach der Zostrennung der freien Gemeinde 6 
auf Grund des Patents vom 30. März 1847 die Schrift: Laſſet Euch Niemand das 
Biel verrüden! Mahnung durd Verftändigung über das Belenntnis der Neuen Ge 
meinde 2c., Magdeburg 1847, Heint., und: Amtsbetrübniß und Amtstrofjt(Ausl. von 2 Ti 
3,14—4,5) ald Baftoralfendfchreiben am Schluffe des Jahres 1847, Magdeburg 1848, 
Saldenberg. In der zweiten diefer Schriften wird gezeigt, auf welchen mechjelnden Flug: 10 
fand die neue Gemeinde fich gründen wolle; in der testen, der Verftändigung mit den 
Beiftlihen der Provinz gewidmeten, iſt bezeichnend die Auslaffung über die Formel: 
„Gottes Wort ift in der bl. Schrift, aber die ganze hl. Schrift iſt nicht Gottes Wort“. 
„An diefem Sate findet der findlih fromme Sinn eine Wegbahnung durdy den hoben 
und Töftlichen, aber auch oft dunkeln Wald der Bibel; aus diefem Sate macht fi) der 15 
meifternde Verſtand der Weiſen diefer Welt eine Art, die edlen Brambäume jenes Waldes 
auszufchlagen, wo es ihm gelüftet; von diefem Sage nimmt der Unglaube Anlaß, die 
grage zu wiederholen (Ser 17,15): „Wo ift denn nun des Herrn Wort? Xieber laß 
hergeben”. —* aber auch die Auslaſſung über die Symbole: „Von vielen, welche ich 
von Denen lieb babe, weiß ich: fie beugen ſich vor der hl. Schrift, fie fcheuen ſich vor 20 
den Grenzbeitimmungen der Symbole. Sit jene Beugung ihnen ein Ernſt, fo darf Diele 
Scheu, jo lange fie von Ehrerbietung begleitet ift und das Gemeinfame in geiveihten 
Händen hält, feine Sorge erwecken.“ 

Der Sturm der Märzrevolution 1848, für die loyale Gefinnung Möller ein großer 
Schmerz, veränderte auch feine amtlichen Verhältniſſe. Der Konfiftorialpräjident Göſchel 25 
(. d. A. Bd VI ©.748) nahm feinen Abſchied. Sintenis forderte in der Magdeburger 

eitung vom 11. April öffentlich) auf, ihn mit Material zu einer Schrift gegen Möllers 
mtsführung zu verjeben, und dekouvrierte fich dabei als Verfaſſer des anonymen 
Pamphlets „Möller und Ublih”. Das Zirkularreffript des Miniſters von Schwerin 
vom 24. wo 1848 wies unter Bezugnahme auf die Auflöfung des kaum ind Leben 30 
etretenen Oberkonſiſtoriums alle Konfiitorien an, nad) Maßgabe der vom Staate pro- 
amierten Neligionsfreibeitt auch innerhalb der evang. Kirche „der Freibeit der Lehre 
Raum zu geben” und jede „Bevorzugung irgend einer dogmatiſch-theologiſchen Richtung 
von feiten des Staat?” zu wermeiden. Dem gegenüber berief ſich das Konſiſtorium 
darauf, daß die ihm auf Grund landesherrlichen Auftrags obliegende Pflicht der Auf: 35 
fuht in dogmatifcher und liturgifcher Beziehung durch die neuen Staatsregierungsmarimen 
überall nicht verändert worden fe, und daß daher auch das bisherige Verfahren im all: 
gemeinen nad) den bisherigen Grundjägen werde fortgeführt werden müſſen. Infolge der 
weiteren Berhandlungen gab Möller als dermaliger VBorfigender des Konſiſtoriums ber: 
aus: Die Verwaltungsgrundfäte des Konfiftoriums der Provinz Sachſen in ihrem Ver: 40 
bältnifle jur Gegenwart, unter Mitteilung amtlicher Verhandlungen, Magdeburg 1848, 
Heinrichsh. Der Minifter hatte zu der Veröffentlichung die Erlaubnis erteilt, jedoch aus: 
bedungen, daß auch die Separatvota der Minorität des Konſiſtoriums mit veröffentlicht 
würden (vgl. Ev. Kirchenz. 1848, Nr. 55). Für Möller folgten hieraus noch perfönliche 
Verhandlungen in Berlin, denen er mit dem Gedanken entgegenging, fte fünnten feinen 45 
Abſchied ald Generaljuperintendent herbeiführen. Dazu fam es nicht. In einem Rund: 
ſchreiben vom 15. September 1848 verwahrte ſich Möller gegen den Vorwurf, als habe 
das Konſiſtorium in jenen Verhandlungen dem Miniftertum den inftanzenmäßigen Ge- 
borfam verweigert, fonnte aber zugleih auch die Verficherung des Minifters anführen, 
daß jenes Reſtript keineswegs die Bedeutung babe „von der Wahrung des Lehrbegriffs so 
der evang. Kirche abzujehen over Gerechtfame und Güter kränken zu lajlen, welche den 
Bliedern diefer Kirche teuer find“. In dem unter das Präſidium des Oberpräfidenten 
bon Bonin geitellten und in feinem Perſonal veränderten Konfiftorium fand ſich M. in 
bie Minorität gedrängt. Anfang 1849 erichien: Dr. F. Möller Wirken im Konfiftorium 
md in ber Öeneralfuperintendentur der Provinz Sachfen. Eine Denkſchrift an das 55 
Kultusminifterium von W. Fr. Sintenis, Lpz. 1849 (vgl. Ev. Kirchenz. 18419, Nr. 15—17), 
ene Schrift, deren SFeinpfeligkeit durch ihr niedriges Nivenu den Eindrud ſchwächte. 
M. richtete fih auf an dem mitten unter den Grfchütterungen der Zeit erfolgenden 
engeren Saar. der pofitiven erhbaltenden Elemente (Wittenberger Tag 18-418 
md 1849) und begrüßte freudig die wachſenden Beltrebungen der inneren Miſſion. co 
14 


“il Walz Norman Jatdex Möller, Rilbelm 


Soest ehme, NE se It zus vermel Durb Das Vertrauen Friedrich 
MON Ren on Zr Rzruzminz Verssche 1850, Weranlaflung ge 
' ia nalitjfuh Isralniutipist Anizumesmenr, core ñch auf dieſem Felde 


ud a dann Do Zrnitt Ne Srprapet veeume, Ser allgemeine Umſchwung, 
sid Nas krehllianum No top m zuNme ÊRIe aufdrüdte, und 
Novellen Metal wollt Sersfing om ganirader oichtigen Wertretern 
Kr dene onen Gern til, elgiicn Zurmuns ın dieſem hre.ısen veben, beivirfte, 
oe nn Steig Neo ala Frrurer Erfahrungen, daß Tu für Die wachſen⸗ 
we Year Neitı Zul aiiger je michr eintreten 32 zzuütfen glaubte, am 
eu md Aura Nie im Nr fogen. Monbtjoufonferens — Zpätberbit 1856. 
ira ben dent au Du Baden Der Unton nicht nur, jondern sse ın dent, was ein 
Wa vage Dendäeniian us Zubjeftiptsmus” zu beflagen genciar mer. bat er gleichwohl 
wen Careed, gie Nuntentlich ſein Yeitfaden und Spruchbuch sem Konfirmanden: 
rad one Ni Katewismus Yutbers, Magdeburg 1850 (2. Auil 1853; em Dritter 
era Nero ei, IE velchem ausgereift und vollendet ericheint, mas in icinen Grund: 
dene wen tar od alennen läßt. In feines Lebens Herbſte reiten auch noch die 
etenisihdHltit Jrüchte Diefer feiner geiftigen Nichtung, Die zujammenachorigen Tateche 
hd Sebi: Häandreichung Der Kirche an die Schule zum Eingang in Die bl. zehn 
rer vet, Magdeburg 1850, 2. Aufl. 1852, und Die jchr umiaſſende katechetiſch 
vrägetun Unterweiſung in den bl. zehn Geboten Gottes nach Dem Karechism. Yutbert, 
ud. ISIL Auch Die alte Yiederquelle war noch nicht verfiege. Lit bat M. die 
wedenden der Predigt in einigen vorausgejchidten Verſen betend angekündigt; zum Teil 
av veicben Predigtmeditationen find bervorgegangen: Geiſtliche Tichtungen und Gejänge 
at Unlerlage der bl. Schrift, Magdeb. 1852. — Tie Gebrechlichkeit Des Alters nötigte 
an Abſchied; im Herbſt 1857 meibte er noch im Gegenwart Des Königs und einer 
alanzenden Verſammlung Die erneuerte Kirche auf dem Petersberg bei Halle ein, mit 
Beginu Deo neuen Nabres legte M. fein oberbirtliches Amt nieder, blieb aber noch etwas 
langer in jeiner Stellung als erfter Domprediger. Wach einer dunkeln Yeiwenszeit ging 
er beim am 20. April 1861. Was fih nicht in einer Encyklopädie regiitrieren läßt, 
div Einwirkung feiner wabrbaft geijtlihen Perſönlichkeit auf viele Hörer, viele Rinder 
und Konfirmanden, die an feinen Yippen hingen, viele Geiftliche, melde Die Vorbereitung 
auf Die Ordination in jenem Haufe zu tbren tiefiten geiſtlichen Anfaſſungen rechnen, — 
dav ſteht im den Herzen gejchrieben. ®. Möller T. 


c 


Möller, Wilhelm, gejt. 1892. — Nekrolog in ZRG XIII (1892) 484 ff.; Perſonalakten 
d. fl. Konſiſtoriums in Magdeburg; Univerjitätsichriften von Galle und Kiel. 

Ernſt Wilbelm Möller wurde am 1. Cftober 1827 in Erfurt geboren als Sohn von 
Johann Friedrich Möller, der damals Tiafonus an der Barfüßerfirche war und ale 
(Heneraljuperintendent der Provinz Sachſen 1861 geftorben if. Der Sohn bat feinem 
Suter jelber in dieſer Encyklopädie ein Denkmal gejegt (f. d. vorftehenden Art.) ; dies Ye 
benobild Des Vaters, ein wertvoller Beitrag zur Gejchichte des Kampfes mit der [utberi- 
jchen Zeparation einerjeite, mit den Yichtfreunden andererſeits, zeigt, unter welchen Ein: 
wirkungen des Elternhauſes und unter welchen Eindrücken von der amtlichen Wirkſamkeit 
des Vaters W. Möllers Jugend und Entwidlungsgang gejtanden bat. 1843 fiedelte er 
mit dem Vater nad Magdeburg über, vollendete hier auf den Domgymnaſium feine 
15 Gymnaſialſtudien und bezog zu Oſtern 1817 die Univerfttät Berlin. Vier Semeſter brachte 

er bier zu; er ſchloß ſich an Neander und Nitzſch bejonders an, börte nur wenig bei 
Hengſtenberg, lieber Dei Vatke Altes Teſtament. Schon bier zeigte fich feine Vorliebe 
für Die Nirchengejchichte, da er neben allem, was Neander jelbit lag, auch die VBorlefungen 
feiner Schüler Jacobi, Erbfam und Piper auffucte. Aber auch bei Yeopold Ranke und 
0 Wilbelm Grimm juchte er Anregung und Belehrung. Die nächiten beiden Semefter bringt 
er in Halle zu, bier bejonders an \ulius Müller und Hupfeld ſich anjchließend. Der 
Vater geitatter ibm dann noch 3 Semeſter in Bonn zuzubringen, wo mir ibn vor allem 
bei R. Notbe, aber auch bei Dorner und Dieftel als Zubörer finden. Vom Militärdienit 
war er beim Abgang zur Univerjität „wegen ſehr Heinen, jchwachen Körperbaues und 
zo. einer Schwäche im rechten Ellbogengelenk“ für immer freigefprochen worden. Den Auf: 
entbalt in Bonn batte er zur Worbereitung aufs erite Eramen benußt, das er am 20.0% 
tober 1851 in Moblenz bejtand. Die Behörde ſchrieb ibm ins Zeugnis, daß er wegen 
jeiner jehr guten Kenntniſſe und Fähigkeiten zur Aufnahme ins Wittenberger Prediger: 
ſeminar ganz bejonders geeignet ſei. Er kehrte ins Elternhaus zurüd, juchte Übung im 


— 
—⸗ 


Möller, Wilhelm 213 


Predigen und half im Sünglingsverein dur) Abhaltung von Bibelftunden. Schon wäh— 
rend ſeines Aufenthaltes in Halle hatte ihn Thilo auf patriftifche Studien hingetviefen, 
und er machte fich jet zunächſt an eine gründliche Beichäftigung mit Drigenes und Gregor 
von Nyſſa. Im Sommer 1852 ging er zur Fortfeßung diefer Studien wieder nad) Halle, 
ichrieb bier „Gregorii Nysseni doctrinam de hominis natura et illustravit et s 
cum Örigeniana comparavit W.M.“ Halle 1854. Dieje Arbeit diente ihm zur Licen- 
ttatenpromotion (18. Sanuar 1854), nach welcher er fih am 6. März 1854 in Halle 
habilitierte. Es war die Dei in welcher die Arbeiten von Baur und Zeller die theo— 
logiſche Wiſſenſchaft ſowohl auf dem Gebiete des Neuen Teſtamentes wie auf dem ber 
älteften Kirchengefchichte aufs ernſteſte befchäftigten. Der junge Privatbocent fühlte daher 10 
das Bedürfnis, vor allem zu den Problemen Stellung zu gewinnen, die durch die Tü- 
binger Schule aufgetvorfen worden waren. So begann er mit Studien und auch einer 
Vorlefung über die Apojtelgefchichte. Dffen erfannte er die großen wiſſenſchaftlichen Ver: 
diente dieſer kritiſchen Schule an: in ihrer rüdfichtslofen Stellung der Probleme und 
ihrer Verbindung der Gejchichte des Kanons mit der der apoftolifchen und nachapoſtoliſchen 15 
yet; aber er meinte auch mit Entjchiedenheit nicht nur die fpefulativen Vorausfegungen 
aurs, jondern auch die Hauptergebnifje jener Geichichtsfonftruftion zurückweiſen zu müflen. 
Baur fehle das Verſtändnis für das Individuelle, Perfünliche und Freie. An den An- 
fang der Geſchichte des Chriftentums ftelle er ein Schattenbild anjtatt der Berfönlichteit, 
in tvelcher dee und Wirklichkeit fich defen. Das Johannesevangelium ſei der Felſen, 20 
an dem dieſe Schule fcheitern müſſe. Seine Studien überzeugten ihn von der Echtheit 
der neutejtamentlichen Schriften mit Ausnahme von 2 Bt und der Paftoralbriefe. Seine 
Vorlefungen gehörten anfangs fat ausichlieglich dem Gebiete des NDs an. Daneben 
aber begann er vom vierten Semeſter an mit der alten Kirchengeichichte, dann auch der 
Dogmengeſchichte, erſt viel ſpäter auch mit der Kirchengefchichte des Mittelalters. Befondere 25 
von jeinem Vater ererbte Neigung führte ihn daneben zur Hymnologie und das durch 
die Firchlichen Verhältniffe und Kämpfe in Breußen und durch jeine Lehrer in ihm gemedte 
Intereſſe an der Unionäfrage fpeziell in die brandenburgifch-preußifche Kirchengeſchichte 
binein. Seine Lehrer Neander, Müller, Rothe und Dorner hatten ihn zu einem ent- 
fchiedenen Freunde der preußiichen Union gemacht. Er fah in ihr, troß aller Mißgriffe so 
bei ihrer Einführung, eine höhere Notwendigkeit und die Erfüllung eines befonderen Be- 
rufes Breußend. %.%. Herzog forderte ihn zur Mitarbeit an der im Erfcheinen begriffenen, 
in Halle 1854 begonnenen (Bd VII ©. 786) 1. Aufl. dieſer Encyklopädie auf; von 
Band V (1856) an lieferte er für dieje eine große Anzahl von Artiteln aus dem Gebicte 
der Patriſtik, die alle eine tüchtige Belanntfchaft mit den Quellen und behutjames Urteil 86 
befundeten. Aus der neueren Kirchengefchichte übernahm er die Artikel über bie drei Theo: 
logen Wald. Im Zufammenbange mit den Studien für die Encyklopädie, bei denen er 
beionders auch die Häupter der Gnofis zu bearbeiten hatte, fteht fein erites größeres Wert 
„Seichichte der Kosmologie in der griechifchen Kirche bis auf Origenes“ 1860. Nebenbei 
batte er in Halle gern die Übung im Predigen fortgefeßt und auch hier mit beſonderer «0 
Luft allmonatlid im Jünglingsverein Bibelftunden gehalten. Da fih für ihn in Halle 
feine Ausſicht auf eine Profeſſur eröffnete, richteten N feine Gedanfen auf ein Pfarramt. 
Schon im November 1858 meldete er fich, nachdem er den vorgejchriebenen Seminarfurfus 
während der großen Univerfitätsferien abjolviert hatte, zur zweiten theologifchen Prüfung 
in Magdeburg, wurde auf Grund feiner bisherigen Publikationen von der Anfertigung 4 
einer wifjenjchaftlichen Arbeit entbunden, beitand das Examen mit „vorzüglid” und bat 
nun um die Berufung in eine Yandpfarre. Erſt im Sommer 1862 wurde ihm eine ſolche 
in Grumbach (Ephorie Langenfalza) übertragen. Hier benußte er die Muße, die ihm das 
Amt ließ, zur Neubearbeitung der de MWettefchen Kommentare zu Gal. und Theflalon. 
(1864) und zu den Pajtoralbriefen und Hebräerbrief (1867). Aber bereit3 hatte er Die co 
Anregung zu einer großen firchengejchichtlichen Arbeit bekommen. J. ©. Lehnerdt hatte 
ſchon als Profeflor in Königsberg auf Grund umfänglicher Vorarbeiten (f. Möller, Oſiander 
S. VI) eine Biographie Andreas Ofianders in Vorbereitung genommen, war aber dann 
als (Seneralfuperintendent in Magdeburg an der Ausführung behindert geweſen. Nad) 
deflen Tode nahm M. die Arbeit auf, erbielt 1868 einen längeren Urlaub, um in Kö: 66 
nigeberg die nötigen archiwalifchen Studien machen zu fünnen, und im Jahre 1870 erjchien 
das gründliche und gelebrte Werk über Oſiander ala 5. Teil in „Leben und ausgewählte 
Schriften der Väter und Begründer der lutheriſchen Kirche”. Im Anſchluß an diefe 
Studien verdankt ihm die Encyklopädie auch die Artikel „Dfiander” und „Fund“ in ihrer 
2. Auflage. Inzwiſchen hatte ihn bereits (1863) Greifswald zum Ehrendoktor der Theologie ge= 60 


214 Möller, Wilhelm Möndhtum 


nadı * enden Sic in ber Vollendung —— * * ———— —* erg Einkommen 





Orr a 44) im 1873 Minifter Falk 183 
s Kiel —F — das g * der 
lehrend vertreten. ſah feine befondere Gabe und Aufgabe darin, 
—— wi * — se er in er * 
pt e die j glei 
— — us Ma ham ben Ouellen orientieren. ee eig 





Bee nach fach * A l, bat 
15 em en 
— e Nesmfonen un — * allgemeine ——— 


iſche Einfälle als Geſchicht —— oder ein dogmatiſch —— Di 

ern a ee ale 9 ifjenfchaft gebärdete, fonnte er auch einmal einen 

% jcharfen Ton anſchlagen. Daneben publizierte er nur Weniges — id) nenne a Rek—⸗ 

toratsrede über die Religion —— 1881) und die wertwolle en Be über „ — 
—JF 87 


an der Univ noch —** er den 3. Teil feines es ne 

30 * führte ſchweren Schmerzenstagen ein afutes Blafenleiven am 8. Januar 1892 

vr. Tod * Auch noch als Profeſſor hatte er gern auf der Kanzel —— 
en aber liche und —— Predigt wurde ſtets ne —— 


Die Dem und tiefe —— feines Charakters offenbarte Ah in — re 
erfennun it der er in fpäteren Jahren auf die Verdienſte und S fr bie 
aan, ae ihren jüngeren Vertretern zu danken hatte; di en en auch eine metbo tiche 
Schulung für ine rbeit zu teil geworden, deren chüler ſich nicht hätten 
40 erfreuen dürfen. Beim Lutberjubiläum 1883 ebrte ihn bie Hhilefopbie —* in Halle 
durch Ernennung zum Ehrendoktor. In erſter Ehe mit einer Tochter es Generali 
intendenten Moll ın Königsberg, in zweiter mit einer Tochter Des ein iger G 
reftorö Nobbe verheiratet, wußte er auch feiner Häuslichleit den Stempel, jeines W eng 
u geben. Seine —— und kirchliche Stellung iſt durch das Bekenntnis charakteri- 
45 u her, er 1858 bei der Meldung zum 2. theologifchen —— ablegte: er bekenne 
id que — ſchen Konfeſſion, aber nicht im Sinne der Konkordienformel, ſondern 
mit Einſchluß des Melandhtbonianismus und der „locupletierten“ — von 1540 — 
ein edler Nepräfentant der deutichen „Vermittlungstheologie“. G. Sinweran, 


Mönchtum. — Allgemeine Litteraturz. Mönchtum: Gefamtdarftellungen der Mönds- 
50 —— ————— erg Rolemifer) De monachis seu de origene et 
um equitum tam militarium va —— omnium, Zürich 1588; 
— Helyot 30. (the), H Histoire des ordres monastiques, religieux et militaires et des 
gation 1714— 19, beutfch, Lei. 1753-56 (fleifige —— 
* umnkriti i); „(Groms) a 6 — eſchichte der rungen (Run) 
55 orden, 10 Leipzig 1784 mit PERL, eines RT ranzojen — 
(vom fa rl een Kr beugen), enrion (fatholi 
religieux, 2 Bde, Baris 1835, deutſch von J Allgemeine — der — 
2 Bde, Tübingen 1845 (nur für die neuere Beit Ya M. Heimbucer —— — 2 
Orden und Kongregationen der latholiſchen Kirche, 2 Bde, Paderborn 18961897 (Hier ade 
co führlidhe Litteraturangaben); O. Zödler (protejtantifch), Näteje und Röndtum, zweite Huflage 





Möuchtum 215 


der Kritiſchen Geſchichte der Askeſe 1863, 2 Bde, Frankfurt a. M. 1897 (beſte Geſamtdarſtellung 
der Mönchsgeſchichte, auch die außerchriſtliche Askeſe und die asketiſchen Erſcheinungen des 
Proteſtantismus berückſichtigend); U. Harnad (protejtantifh), Das Mönchtum, feine Ideale 
und feine Geſchichte, Gießen 1882, 5. Auflage 1901. — Bon älterer Litteratur zur Mönchs⸗ 
gefhichte noch wichtig: Alteserra, Asceticon seu originum rei monasticae, 10 Bde, Paris 5 
1674; Martöne, De antiquis monachorum ritibus, 5 Bde, Lyon 1690-1695; Sammlung 
der Mönchsregeln: L. Holstenius, Codex regularum monasticarum et canonicarum, 3 Bde, 
Rom 1661, vermehrt von M. Brockie 6 tomi in 3 Bde, Augsburg 1759; Ordensregeln ber 
Regulartleriter: Aub. Miraeus, Regulae et Constitutiones clericorum in congregatione vi- 
ventium, fratrum vitae communis, Antwerpen 1638; Auguftin Arndt, ©. J. die firdhlichen 10 
Rechtsbeſtimmungen für die Yrauenlongregationen, Mainz 1901. 

Die altdhriftliche Astele vor der Entfjtehung des. Mönchtums. Litte: 
ratur: Schiwietz, Vorgeſchichte des Mönchtums oder da8 Asketentum der drei eriten chrift: 
lihen Jahrhunderte, Ardiv für Tatholifches Kirchenrecht 1898 I,3 ff., IL, 305 ff.; Fr. W. Bor- 
nemann, In investiganda monachatus origine, quibus de causis ratio habenda sit Origenis, 15 
Söttingen 1885; Joſeph Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen in der Kirche der 4 eriten 
Hrijtlihen Jahrhunderte, Zeitichrift fiir fatholifche Theologie 1887, A. Harnad, Die pjeubo- 
clementiniihen Briefe de virginitate und die Entjtehung des Möndtums, SBA 1891, I, 
361 — 385; Joſeph Wilpert, Die gottgemeißten Sungfrauen in den erften Sahrhunderten der 
Kirche nad den patrijtiihen Quellen und Grabdenkmälern dargeftellt, Freiburg 1892. 20 


Bereit? Paulus giebt dem ehelojen Leben den Vorzug vor dem Leben in der Ehe 
(1 Ko 7, 38 u. 40) und rät lieber nicht zu heiraten wegen der nahen Wiederkunft bes 
Herrn (180 7, 26). Vielleicht ift jchon 1 Ko 7, 36—38 ein Zufammenleben von Män- 
nern mit Sungfrauen in der Art der jpäteren ovveloaxtoı yvvalxes vorausgeſetzt (E. Grafe, 
Geiftliche Verlöbniffe bei Paulus, Theol. Arbeiten aus dem Rhein. Will. Predigerverein 25 
S.57 ff., Freiburg 1899). In der römischen Gemeinde finden mir auch jchon im apoſtoliſchen 
Zeitalter eine enfratitifche Richtung, die ſich des Fleiſch- und Weingenuſſes enthält und 
vegetarisch lebt (Rö14,21; Rö 14,2). Die Apoftelgeichichte berichtet, daß die vier Töchter 
des Siebenmanns Philippus ald naodevoı lebten (AG 21, 9) und in der Apofalypfe 
des Johannes werden als die 144000, die drapyn Gottes und des Lammes, ſolche be- so 
——— die ſich mit Weibern nicht befleckt haben, denn ſie ſind Jungfrauen (Apk 14, 4). 
uch erzählt Hegeſipp, daß der Herrenbruder Jakobus der Gerechte als Naſiräer in völliger 
Wein- und Fleiſchabſtinenz gelebt habe (Euseb. H. e. II, 23). Sehr zahlreich find die 
Zeugniffe der apoftoliichen Väter und Apologeten, die wir über das Borhandenfein von 
männlichen und weiblichen Asketen befigen. Überall in den chriftlichen Gemeinden gab 35 
es folche, die die dyveia 29 oaoxl bewahrten (1 Clem. ad. Cor. c. 38; Ignatius ad 
Polyc. c. 5; Justin, änodoyia I, 15; Tatian, Aoy. noös "Eilnvas ce. 32; Athe- 
nagoras, roeoßeia c. 28 und c. 33; Minucius Felix, Octavius c. 31; Tertullian 
Apol. c. 9; de virg. veland. c. 10; de cultu feminarum II, 9; Cyprian de ha- 
bitu virginum c. 3 ff.; Clem. Alex. orowuara III, 1, 4; VII, 12, 69; VII, 6,33; 4 
nawdaywyös II, 2,20; 1,7 (hier zuerft dag Wort doxnjzns); Origenes, Contra Celsum 
I, 26; V, 49; Methodiug von Olympus, Convivium decem virginum oratio I, 1. 
Ignatius nennt ald Motiv ihrer Chelofigkeit eis tuumv Ts oapxös Tod xvolov, Athe: 
nagoras bezeichnet als folches die Hoffnung eines höheren RYohnes im Hünmel, Tod uäldor 
ovv&osoda: Deoö, vgl. d. A. Astefe Bd II S. 136, 80 ff. Seit es Asketen giebt, erheben 4 
diefe die Prätenjion, als die volllommenen Chriſten in der Kirche den eriten Platz einzu- 
nehmen. Schon Clemens Romanus ermahnt die Asfeten, ſich nicht zu rühmen, da die 
ea ein dem Einzelnen gegebenes Charisma ift und Ignatius ſchärft ihnen ein: 
„wenn einer fi) mehr duͤnkt als der Bifchof, fo geht er zu Grunde”. Was dag Leben 
der altchriftlichen Asketen betrifft, fo beitand noch volle Freiheit. Es gab folche, die nur so 
ebelos lebten, und jolche, die aud) dem Fleisch: und Weingenuß entjagt hatten (Clem. 
Alex. VII, 12, 69). Cyprian kennt ſolche Jungfrauen, die ihren Beſitz behalten hatten, 
fo daß Ehelofigfeit und Beſitzloſigkeit keineswegs immer mit einander vereint war (Cy- 
prian de habitu virgin. c. 7). Auch lebten die gottgemweihten Jungfrauen teild in 
ihren eigenen Wohnungen, teild zufammen in bejonderen Häufern nagdevüves, mo die 55 
älteren die Lehrmeiſterinnen der jüngeren waren (Athanafius, vita Antoni c. 3). Das⸗ 
jelbe gilt von den männlichen Asketen, mie 3. B. Sofrate® (H. e. I, 11) von dem ehe: 
Iofen Konfeſſorbiſchof Paphnutius berichtet, daß er in einem doxnzorov gelebt habe. In 
dem Leben bes Origenes finden mir alle Formen asfetifcher Bethätigung vereint (Eufe- 
bius, H. e. VI,3ff.). Er lebte ebelog, befi los, in fteter Gebetsübung und Meditation, co 
er enthielt fich nicht nur des Weines und Fleiſches, jondern legte ſich auch die härtejten 


— — - 22 m—uız ai um Blöße. Nur in einem 
— — our 2 vwıre Mieze, daß er noch innerbalb 
- "mer oo. zur = moon Aökzentun fremd, wenn auch 
2 zo ı 2.2 nr Ssfrm seien und vor Beteiligung 
- - = mer Soromem mir (Cyprian de ha- 
- mr r tanz grar "zer bismeilen nach Art der 

. Zr rrocı mouoe m +urlicen Gemeinden. Nur 
un Or zur 7 em: nz. Zabrhunderts entftandenen 

- OTIomr xXE. Berührung mit Frauen 

- ar Tr rn tm mr Sri rauen befinden, nicht 

. ‘ol. ur | @Trz ı. . II. 1-9. Auch der auf: 
: - 7 „zienne C sernten, Die Die Asketen in 


= 1m 7 emmmene Culebius rühmend (de 


Pr - .. ” — 


Pi mE re —— 2220 


nn zoom Astetenſtand ſehr hoch. 
Zzz2 ZJungfraͤulichen, der den 


. > x ?z sr: ıConvivium VII, 3). 


"ze. 7ız ihnen nädit dem Alerus 


“zer 2e srmuerion ein (Tertullian de 


— zz erite, welcher öffentliche 


.—2iae virg. veland. c. 14): 


m + mrczais bono suo elatae et a 
Tiefe Gelübde hatten 
Stloliene Ebe mar nicht 


 . — — —— 
—R an2® 'iſ⸗ 


num ne mm zit früb Nirchenftrafen 


| mem mmans ie fegte das ſpaniſche 


m 8: ser bigami, d. h. ein: 
= * 2 :, „aprbunbert ſcheint der 


on em. aim Seindestunifa überreicht 
ones egsge zucden Dann audı ſchwerer 
..zme nngzes non velatae (römifche 
2. 2°: SHeiele, Gonctliengejchichte, 
piosıze Toon su der Zeit des Baſi—⸗ 
vo „ade ur Didweigend (xara otc- 
rare Radungsftüd, an dem fie 


> near Leunzn verbielt fich Die Kirche 
rim Gegenſatz Au Gnoſtikern, 
RR De > sum Teil von ibren An: 
car von der Ehe forderten 
: tippeiyvt. Philos. 8,20; Clem. 
von tu Artase, Das aöfetifche Ideal 
> YZeege serntndli su machen. So 
. um Ne Swölrapottellebre nennt 


....0. .. .. .. 
nun 8 - 


no... = 


» », Die früb bezeugte römiſche 

Oo Dur .Socrates, H. e. V, 22; 
N Ka > aleichzeitig im Gegenſatz 

- Nr Nientaniiten gebildet (Jöckler 
Spt ĩtete Kontinenz (6. Ho- 

.. tn Zrmmesie von Elvira von Sabre 306 
>. zen ehelichen Umgang nicht ber: 
2 Ss su Nicäa 325 erflärte id 


>> syfmenenieben von Aungfrauen mit 
J =» 2 frub in der Kirche. Bereits 


Som Ni’. grrin daß ſie beſonders ın den 


al Adv. Haeres. I, 63). Trotz jcharfer 
„ı Cyprian ep. 02; Synode zu Ancyra 


Möunchtum 217 


von 314 c. 19; Pseudoclemens de virg. I, 10) blieb das Syneisaktentum auch bei 
den Mönchen ein unausrottbares Laſter auf Jahrhunderte (H. Achelis, Virgines sub- 
introductae, ein Beitrag zu 1 Ko 7, Xeipzig 1902). 

Am Ende des 3. Jahrhunderts hören mir zuerjt von der Gründung eine Asketen⸗ 
vereins (Epiphanius, adv. haer. c. 67). Hierakas, ein Schüler des Origenes, aus Le 5 
ontopolis in Agypten, ift fein Begründer. Nur Jungfrauen, Asketen, Witwen fanden in 
ibm Aufnahme, alle lebten in Enthaltung von der Che, un und Meingenuß. Es 
ift Dies der früheſte Verjuch genoſſenſchaftlichen Astejebetriebd auf dem Boden des Chrijten- 
tums, von dem mir tillen (vgl. d. U. Hierakas Bd VIII ©. 38f.). 


Die Entitehbung und Verbreitung des Mönchtums in Agypten: Kitte- 10 
ratur: Möhler, Geſchichte des Mönchtums in der Beit jeiner Entitehung und erjten Aus— 
bildung, Geſammelte Schriften und Aufſätze 1840 II, 168—225; Mangold, De monachatus 
originibus et causis, Marburg 1852; Kropp, Origenes et causae monachatus, Göttingen 1863; 
Beingarten, Ueber den Urjprung des Mönchtums im nadhlonftantinifchen Zeitalter, Gotha 
1877 und A. Möndhtum NE, X, 758f.; Gab, Zur Frage vom Urfprung des Mönchtums, 15 
ZRS 1878, ©. 254 ff.; U. Hilgenfeld, Zum Urſprung des Mönchtums, ZwTh 1878, S. 148ff.; 
Keim, Aus dem Urdrijtentum, Zürid) 1878, ©. 204 ff.; C. Hafe, Das Leben des Hl. Anto- 
nius, SpıTh 1880, S. 418 ff; Beitmann, Die theol. Wijfenihaft und die Ritfhlihe Schule 
1881, S. 14 ff.; Eichhorn, Athanasii de vita ascetica testimonia collecta, Differtation, Halle 
1886 ; 3. Mayer, Ueber Aechtheit und Glaub würbigteit der dem hi. Athanaſius zugejchriebenen 20 
Vita Antonii, Katholik 1886, I, 495 ff. II, 72ff.; U. Berliere, Les Origines du monachisme 
et la critique moderne, Revue Bénédictine 1891, ©. 1ff. u. ©. 49ff.; 8. Hol, Ueber das 
griehiihe Mönchtum, BY 1898, Bd 94, 407—424, Schiwieg, Das Ägyptiihe Mönchtum im 
4. Jahrhundert, Ardiv f. kath. Kirchenrecht 1898 ILI, A453 ff, 1899 I, 68—77, II, 272—90; 
D. Bölter, Der Urjprung des Mönchtums, Freiburg 1900. 26 

In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ift das Mönchtum entitanden. Die legten 
Bande, die die Asfeten mit der Welt verbanden, wurden gelöjt und das Einfamfeitstdeal 
in totaler Loslöſung vom focialen Verbande verwirkliht. Hatten die Asketen bisher 
innerhalb ihrer Yamilien oder doch innerhalb der Gemeinden, in Städten und Dörfern 
gelebt, jett begann eine gan e Maſſen ergreifende Flucht aus der Welt und Gejellichaft, so 
um in der Wüſte ein as —5*— und beſchauliches Leben zu führen. Was iſt die Urſache 
dieſer neuen Erſcheinung? Früher ſuchte man im Anſchluß an die Vita Pauli des Hie— 
ronymus (c. 1) aus der decianischen Verfolgung die Entjtehung des Mönchtums zu er: 
Hären (Gaß ©. 2541 ff). Man verwies auch auf den Bericht des Eufebius (H.e. VI,42), 
wonach während der decianischen Verfolgung zahlreiche Flüchtlinge &> donwiaıs al Öpeoı 86 
ihr Leben zu retten fuchten. Aber diejer Grflärung fehlen die hiftorifchen Beweismittel, 
da die Vita Pauli nicht als hiftorifche Urkunde gelten kann (ſ. Weingarten RE? X, 760). 
Die Anfänge des Mönchtums verraten nirgends einen direften Zufammenhang mit den 
Chriftenverfolgungen. Man hat dann außerchriftliche Erjcheinungen zur Erklärung berbei- 
gegogen. Hilgenfeld (5. 148 ff.) bat den Buddhismus zu Hilfe gerufen, doch lajjen ſich « 
eine biltoriichen Berührungen desjelben mit dem älteften chriftlichen Mönchtum nachweiſen. 
Weingarten jah in den xaroyoı der ägyptiſchen Serapistempel die Vorbilder der chriſt— 
lichen Mönche. Preuſchen (Diöndytum und Serapisfult, Programm, Darmitadt-1899) hat 
dagegen mwahricheinlich gemacht, daß dieſe Hierodulen ſich nicht aus asketiſchen oder melt: 
flüchtigen Motiven im Heiligtum des Serapis aufbielten, fonden um dur Inkubation 45 
von dem Gott Heilung, Bijionen oder Orakel zu erhalten. Reim (S. 215) bat endlich auf 
den Einfluß des Neuplatonismus hingewieſen. Aber jo gewiß dieſes letzte Syſtem griechticher 
Weisheit, in dem auf dualiftiicher Grundlage Askeſe, Myftil und Ekſtaſe zu einem Ganzen 
vereinigt find, auf die Kirche eingemirft bat, Tann es doch für den Urfprung des Mönch— 
tums als wefentlicher Faktor nicht in Betracht kommen. Iſt e8 doch gänzlich unerweislich 60 
und ausgefchloffen, daß ſich der Neuplatonismug gerade unter der ländlichen Bevölkerung der 
Thebais bejonders Stark geltend gemacht habe (Völter S. 39). Die Wurzeln des Mönd): 
tums liegen in der Entwidelung des chriitlichen Lebensideals. Bereits bet Clemens Ale: 
tandrinus in feiner Schilderung des wahren Gnoftifers und noch deutlicher bei Origenes 
eriheint der von der Welt zurüdgezogene, von ihrer Leidenſchaft unberührte, in Gott 65 
rubende Weiſe als der vollkommene Chriſt (Orig. hom. in Num. XXV, 4: qui mili- 
tant deo? illi sine dubio, qui se non obligant negotiis saecularibus). Gewiß 
baben die traurigen focialen und politischen Zuftände Agyptens in der ziveiten Hälfte 
bes 3. Nahrhundert3 dazu beigetragen, den asketiſchen Heroismus zu fteigern und zum 

then in die Wüſte zu treiben, während ähnliche Zujtände in Nordafrifa in An 60 
ſchluß an den Donatiftenftreit die Cireumcellionen, die die politischen, bürgerlichen und 


Möonchtum 


ai zhatriteer als ein Reich des Satans bekämpften, bervorbrachten 
roter Linie Stellt ſich Das chriſtliche Mönchtum als eine religiös— 
7 era vornehmſtes Motiv Die Erlangung Der Seligkeit und ſitt— 
ro greb Weltflucht war. Der alte Enthuſiasmus lebte wieder auf, 
np fur Die GGroße religiöſer Hütter und Pflichten erwachte, und eine 


- - ms begann, Der alle asfetiiche Leiſtung nur Mittel zu innerer 


. RER 
er des 3. Nabrbunderts mögen einzelne Weltmüde in Die 


‘zn der pieudocyprianiſchen Schrift de singularitate cleri- 
zuar, DaB Eheleute unter Dem Vorwand der Askeſe und 
-; we trennen und domiecilia singularia aufjucden. Euſebius 
„on daß der Biſchof Narciſſus von Jeruſalem, ein Zeitgenoſſe 

Aber ſchwere Verleumdung ſeine Gemeinde verlaſſen habe 

sr oo Zadar, um ein Tı4doogor Ptov zu fübren. 
Angachoretentum kann in beiden Fällen noch nicht Die Rede Sein. 
—Zaulus don Theben, des angeblich älteſten Eremiten, der nad 

der decianiſchen Verfolgung ein 90 Jahre umfaſſendes Eremiten— 

aßt ſich ein hiſtoriſcher Kern nicht mehr herausſchälen (Grütz— 

—nif... So Werden wir den Kopten Antonius, deſſen Yeben 
Wden erſten zu bezeichnen haben, Der wie die Vita c. 3 berichtet, 
rn in der Nähe der Heimat vor Den Thoren der Städte aufgab 

Daß dieſe Vita auf Athanaſius zurüdgebt, iſt zweifellos, Du 

Sc Das Werk als Arbeit Des alerandrinifcen Biſchofs durch 

warnt finden (orat. 21,9) 1. Haſe 2. 418 ff.; Eichhorn 2.3 ff.; 
Srtage ſich nur, ob unſer griechiſcher Tert mit dem Uriginal iden: 

. tt Grund der ſyriſchen Recenſion entnehmen fünnte (Fr. Schul: 

.. Beulen der Vita S. Antonii, Zürich 189, mit jpäteren Zuſätzen 
9 edler S. 100). An dem biltorifchen Wert der Quelle kann 
werelt werden, da Athanaſius in naber Verbindung mit Antonius 
Vita kurz nach dem Tode des Eremiten wilden 356 und 362 ver: 


Yavnis 251 u Moma bei Groß Serafleopolis in Mittelägppten von 
era Ehiern geboren. Zwanzigjährig Durch Die VBorlefung des Cvange 
on Jungling Me 19 ergriffen, verjdienfte er feinen Beſiß und übte jich 
an greiſen Asketen in der Askeſe. Plötzlich verließ er Dielen, ließ 
aan einſchließen und dam in ein verlaſſenes Kaſtell einmauern, wo er 
Zeu mit Brot verſeben in völliger Einſamkeit lebte (e. 11 --15). Nach 
Errinitenleben ſammelte er jeit 306 Schüler um ſich. Sein Nuf ver: 
ab, nachdem er in der Verfolgung Des Marximinus in Alerandria zur 
atlichen Brüder erjchtenen twar. Leute aller Ztände Juchten ihn auf, Die 
or le und denen er ſeinen feeljorgeriichen Rat angedeiben ließ. Seinen 
seit jetzt in Piſpir (Palladius, Hist. Laus. e. 25) genommen, Das 
od dent Wil entfernt lag (Hier., Vit. Hilar. ec. >30). Von dort machte 
an ie Eremitenkolonien ſeiner Schüler im äußeren Gebirge zu befuchen. 
e Wotltwolers veranlaßte ſogar den Kaiſer Nonftantin, ibn durch einen Brief 
Mitten im den arianiſchen Kämpfen kam Antonius noch einmal nad 
rur ce Rechtgläubigkeit Feugnis abzulegen und Die Heiden zu befehren. 
so obe zog er ſich in Die tiefſte Verborgenheit zurüd, two er 356 im 
ah Wien Zibafpe und Mantel vwermachte er dem ibm befreundeten 
a Watt ber Rechtgläubigkeit, der aud ſein Yeben beſchrieb. Antonius 
a iniſatien geſchaffen, die Eremitenkolonien, die den Namen woraotijota 
a mrritigten die Genoſſen im ganz freier geſellſchaftlicher Lebensart unter 
asty Ian Moncheheiligen. Die auf Antonius zurückgeführte Regel (Regula 
‚1 Hllon =uos monachos, petentes hoc ipsum ab eo in monasterio 
oaelflaner 1, IF und wenig abweichend aus Dem Arabiſchen von Abr. Ec: 
osgpspebsnte opt nicht ſein Werk, wenn fie auch aus Agypten ſtammt und fchr 
un tn Heyl des bl. Antonius, Metten-Gymnaſialprogramm 1895:1896). 
en a PO griechiſchen Briefe Des Antonius (MSG 40, 963 ff.) 
ch Meralueb wäre es mr, daß Die uns lateiniſch erbaltenen 7 Briefe dos 
1 hmm de vir, illust. e. 80 erwähnt, auf Antonius zurüdgingen. 


Mðuchtum 219 


Für die weitere Verbreitung und Entwicklung des älteren ägyptiſchen Mönchtums 
ſtehen uns in der Historia Lausiaca des Palladius (kritiſche Ausgabe in Vorberei⸗ 
tung von C. Butler, foll 1903 erjcheinen), in der Historia monachorum Rufins, 
in den Schriften Gaffinns de institutione coenobiorum lib. XII und Collationes 
patrum XXIV, in den Apophthegmata patrum (MSG 65), den Verba seniorum 6 
(MSG 73) und den Viten des Pachomius von einander unabhängige und in den 
Kirchengeichichten des Sozomenos und Cofrates felundäre Quellen zur Verfügung, 
deren biftorifcher Quellenwert nicht bezweifelt werden Tann (E. Lucius, Tie Quellen der 
älteften Gefchichte des ägyptiſchen Mönchtums, 3. f. R. VII, 163 ff. 1885; E. Preufchen, 
Palladius und Rufinus, ein Beitrag zur Quellenkunde des älteften Mönchtums, Terte und 10 
Unterfuchungen, Gießen 1897; C. Butler, The Lausiac History of Palladius, Texts 
and Studies ed. by J. A. Robinson VI, 1, Cambridge 1898). Durch die beiden 
zulegt genannten Forſcher ift vor allem der Nachweis der Unabhängigkeit des Palladius 
und Rufin geführt worden. Kontrovers bleibt nur, ob die Historia monachorum ein 
urfprünglich griechifches Werk ift, das von Rufin ins Lateinische überjegt wurde (Butler), 16 
oder ob ſie urfprünglih von Rufin lateinisch gefchrieben und jpäter ind Griechiſche frei 
überjekt wurde (Breufchen). 

uf Grund diejer Quellen ift e8 ung möglich, die Verbreitung der Mönchsbewegung 
u verfolgen. Noch zu Lebzeiten des Antonius und, wie es fcheint, unabhängig von ihm 
egründete Amun (Ammonius) in Unterägypten Eremitenkolonien. Er ift der Vater des 20 
nitrifehen Mönchtums (Hist. mon. c. 30; Hist. Laus. e. 8; Soz. I, 14; Soc. IV, 23). 
Zur Ebe gegtvungen, gelang es ihm am Hodhzeitötage feine Frau zum enthaltfamen Leben 
zu beitimmen. Nach adhtzehnjährigem Zujammenleben der Eheleute verwandelte feine Frau 
ihr Haus in ein Sungfrauenheim, und Amun ging in das nitrifche Gebirgsland. Südlich 
von Alerandria, an der Weſtküſte des Nilveltas gelegen, bildet e8 ein falzhaltiges Steppen- 25 
land, in dem waſſerarme Felder mit Felsgeſtein abwechſeln. Hier 40 römiſche Meilen 
von Alerandria, vom Mareotisfee in 1’. Tag erreichbar, fammelten fich zahlreiche Schüler 
um Amun, die in Hütten aus gebrannten Biegeljteinen einzeln oder zuſammen wohnten 
(Hist. mon. c. 21). Nach Palladius (Hist. Laus. ce. 7) follen zu feiner Zeit 500 GEre: 
miten in den nitrischen Bergen gehauft haben. Sieben Badftuben verforgten die Ge: 30 
nofjenfchaft mit Brot. In der geräumigen Kirche, an der acht Priefter thätig Maren, 
verfammelte ſich die Mönchsgemeinde am Sonntag und Samstag zu gemeinfamem Gottes- 
dienft. Müßiggang war verpönt, jeder Mönch mußte ſich Nahrung und Kleidung durd) 
Arbeit erwerben. Bis zur neunten Tagesftunde wurde gearbeitet, am Abend fand Hymnen— 
und Pfalmengefang ftatt. Die ftrengfte Diziplin berrichte in der Eremitengenoflenfchaft, 35 
auch die Gäſte, die im Frembenhaus neben der Kirche beherbergt wurden, mußten nach 
enmwöchentlihem Aufenthalt im Garten, Badhaus oder in der Küche thätig fein, wiſſen— 
fchaftlich Gebildeten gab man Bücher zu Iefen. In der Kirche befanden fich drei Palmen, 
an denen je eine Geißel für die Eremiten, die Näuber und die Gäſte hing, die fich ver- 
gingen. Der Delinquent mußte die Palme umfaſſen und erhielt die über ihn verhängte 40 
Debl Geißelhiebe. Amun, der Begründer der Eremitenfolonie, ftarb nach 22jährigem Buß- 
eben noch vor 356, vor dem Tode des Antonius (Vit. Ant. c. 60). Unter feinen 
Schülern werden Arfifius, Serapion (Hist. Laus. ec. 7; Soz. VI, 30, 1), Kronios (Hist. 
mon. c. 25; Soz. VI, 30, 1), Butubaftus, Aſion (Hist. 12; Laus. e. 7), Didymus 
(nicht identiſch mit dem blinden alerandrinifchen Katecheten, Hist. mon. e. 24) genannt. «6 
Der jüngeren Generation der nitrifhen Mönchskolonie gehören Pambo (Hist. Laus. 
e. 10; Rufin, h. e. II, 3 u. 4), Benjamin (Hist. Laus. 13), der frühere Kaufmann 
Apollonius, der in Nitrien ala Arzt thätig war (Hist. Laus. c. 14) und die vier foge: 
nannten langen Brüder Ammonius, Dioscurus, Eufebius und Euthymius (Hist. Laus. 
e. 10) an. In diefem Kreife wurde dag Studiun der Theologie des Origenes gepflegt, so 
und als Theophilus von Alerandria 399 Drigenes für einen Keger erflärte, brachen über 
die nitrifchen Mönche die ſchwerſten PVerfolgungen berein. 

ehn Meilen ſüdlich vom nitrifchen Gebirge in der Nähe des Ortes Krdkıa batte 
ſich alls eine berühmte Eremitenkolonie gebildet, in der die Einſiedler aber ſtrenger 
von einander geſchieden lebten. Hier herrſchte beſtändiges Stillſchweigen, nur am Samstag 55 
und Sonntag kam man zur Kirche zuſammen. Dieſe Wüſte führte den Namen ſtetiſche 
Wuſte (Hist. Laus. c. 29). Bon Nitria brauchte man einen Tag und eine Nacht, um 
nach der fletifchen Wüſte zu gelangen. Die Zellen waren bier noch primitiver, es gab 
ſolche, die in die Felfen gehauen waren, andere, die nur aus Brettern bejtanden. Ma—⸗ 
cartus der Agypter, auch Macarius der Große genannt (Hist. Laus. c. 19), war nad) u 








Ga eoll, 15, 3) der erfte, der als Eremit niederlieh. R 28 
Kr SS ara 
den —— — Eeel. Graee. Mon. I, 524) lebte 
auf EEE er gegen feinen Willen zum Priefter — in fen n 5 — 
5 Mädchen 
——— ſeine Un uld offenbarte. Palladius (e. 19) eb —— 
Ba Ban eier ae 
betie. Für die fletijche Möndsgemein er die g Unter 
einer Zelle hatte er einen unterirdiſchen Gang nad) einer Höhle —— ſich 
men ee rt: 
lien, die wir von ihm befihen (Andrea olegomena in vitas et, 
Ra —— t. ecc 
J orragend ii 7 
15 Dion j 
— 
it Er 
in bie Rüf e 327 oder 323. ‚Bu ben 
20 der äthiopiiche Mohr re — AT 
Pior (Hist, Laus. e. 11), Pachon (Hist. Laus. c. 29) 
Pe ‚den Beinamen dos Stäbters führt (Hist. een — etzteren — aus 
een verüb jerzigjäbn J 
en armen Cr sin — ner ser ge aus, jo daß 
in jener 3 nadı dem Tod cart 
iſt er faſt —— ge u En de 


regula 
Masarli, Paphnutü 'et alterius Macarli (MSG 34, 967 ff. und 34, 971f7.) find 
—— da ſie ein —— — Kloſterleben vorausfehen. Zwei Schüler des Macarius 
© — p ger riftjtellerifcher Bedeutung, rius Ponticus (Hist. Laus. ce. 86, Soe. 

Pros V, 650) und Marens Crem ta (Hist. Laus, e.20, Soz. VI, 29, 11; 

kan Marcus ar Leipzig 1895 ſ. d. A. Bd XII S. 280). Evagrius Ponticus 
Seh einen Werken die extremſte Theorie der Askefe, — Menſch —— 
von den Leidenſchaften ungeſtörte rast und V erlangen koͤnne. 
»5 Noch heute befteht in der ſtetiſchen Wüſte ein Kloſter des beilinem Mac Macarius, in dent eine 
en Zahl von —— Mönchen ein beſchauliches, aber recht klägliches Daſein führt, 
nd ſieben andere Trümmerſtätten von Klofterruinen im Natrontbal legen noch 
ag eugnis ab con dem reichen flöfterlichen Leben, das bier einft geblüht hat. Das —— 
cariuskloſter bildet ein Rechteck, das von einer hohen, ſchmuckloſen, weißgetünchten 
40 ug ge en en wird. Um den mit wenigen Balmen —— Sn gm 
* —— — —— ia ee dee DR — —— 
remitenkolonie tritt noch darin zu e, daß die Mönche geſon in engen nen 
ae, in denen fich ein niedriger Hochberd befindet, mohnen und — 
urch die libyſche Wüſte nach der Oaſe des Jupiter Ammon, Ber 
15 Beiblatt 2 vom 18. März 1900), 

Aber nicht nur in den mitrifchen Bergen und der ſtetiſchen Ar gab es * 
ganz Ägypten war gegen Ende des 4. Jahrhunderts mit einzeln lebenden ei lern 
oder Eremitenkolonien überzogen. In Lycopolis an der Grenze der Thebais — 
hannes in einer Felfentlaute e (Hist. a e. 1), bei Hermopolis magna lebte Apollonius 

5 mit 500 Mönchen (Hist. mon. c. 7), nördlich davon Kopres mit 50 Genofien (Hist. 
mon. e, 9). In Oxyrynchus in Mittelägppten jollen 20000 Jungfrauen und 10000 
Mönche angefievelt gewejen fein (Hist, mon. e. 5). Bei Arſinos wohnte der Priejter- 
mönch an! mit 10000 Mönchen, die ſich zur Erntegeit als Schnitter für einen —* 
von 60 Seſter Getreide verdingten (Hist. mon.e. 18). Im mittleren Deltagebiete < 

55 bei Dioleus zablreibe Mönchszellen. Hier lebten Piammon und Johannes (Soz. v1 
29, 7; Hist, mon. 32; Cass,, Collat. 18 u. 19), der Mönch Archebios aus ebler 
Familie, jpäter Biſchof von Parehofis (Cass., Inst. y, 37 u. Coll. 11, 2), in ber Näbe 

der Stadt Ehaeremon, Neiteros und Joſeph (Cass,, Coll. 11 ‚a”—17). Mö Werbretune Die gahlen 
im einzelnen übertrieben jein, ſchon Atbanafius bezeugt die ungebeure 
co Möndtums (ep, ad Dracontium ce. 10, MSG. 25, 593; hist, — = 








Möndtum 221 


monachos c. 10 u. ec. 67). Auch bezeugen das rafhe Wachstum der Bewegung das 
Edit des Kaiſer Valens vom Jahre 365 (Codex Theodos. XII, 1, 63), ſowie dag 
energiiche Vorgehen besjelben Kaiſers, der 375 fünftaufend Mönde aus der nitrifchen 
Wüſte zu Zoldaten ausbeben lich (Hieronymus, Chron. ad ann. XJI Valentis). 

Als Stifter des Nlofterlebene gilt der Oberägypter Pachomius (geit. 345. ſ. d. A.). 5 
Sein Verdienjt it es, die loſe Gemeinſchaft der Eremitentolonien feſter organijiert zu 
haben, indem er die benachbarten Gremitenzellen mit einer Mauer umgab und das Zu: 
fammenleben durch eine Mönchsregel disciplinierte. Dieſe älteſte Regel (. d. Nähern d. 
A. u) iſt nod außerordentlich primitiv und lüdenbaft, aber jie ſchärft den Mönchen 

die Pflicht der Arbeit ein, zeigt Anſätze zur Ordnung des Gebetslebens, entbält Bejtun 10 
mungen über Kleidung, Mahlzeit, acıtrube der Mönche und jucht das Nlofter durch das 
Berbot der Aufnahme von Fremden möglichſt von der Welt abzuſchließen. Aber nicht 
nur in der Thebais auch im übrigen Agypten verbreitete ſich das cönobitiſche Kloſterleben 
ſchnell, obwohl daneben noch die Eremitenkolonien in der alten Form fortbeſtanden. So 
hören wir von dem Abt Iſidor nördlich von Herakleopolis magna m Mittelägypten, deſſen 15 
Mönche cönobitiſch lebten. Eine Mauer umgab auch bier die Mönchswohnungen, ein 
Pförtner bewachte den Eingang. Ten Mönchen war das Verlajlen des Kloſters verboten 
und Gäfte wurden nur am Stloftertbor beberbergt (Hist. mon. c. 17; Soz. VI, 28). 

Für rauen war die Form des Gremitenlebens ſchwer durdführbar. Palladius 
(Hist. Laus. c. 137--139) nennt einige ‚grauen Talida, Taor und cine nicht namentlich 20 
bezeichnete Asketin, die in ber Thebais lebten, doch scheinen dieſe nicht ein. jtreng eremi— 
tiſches Yeben geführt zu haben. Tas erite Nonnentlofter jtiftete Pachomius für jeine 
Schweſter Maria, und die Form des Kloſterlebens wurde dann in der Folgezeit von weib— 
lichen Asketinnen in immer fteigendem Maße ergriffen. Daneben bejtanden aber die 
Jungfrauicbaften noch lange fort, in denen eine mildere Praxis in Askeſe und Abjchluß 25 
von der Welt herrſchie. Die Asketinnen (oxijroi), die ſich der klöſterlichen Askeſe nicht 

dr traten ſogar zeitweilig im einen gewillen Gegenjaß gegen das Nonnentum 

(BB. Niffen, Die Reglung des Stlofterwwejens im Rhomäerreiche bis zum Ende des 9. Jahr: 
hunberts, Hamburg 1807). 

Die Verbreitung des Mönchtums in den anderen Yändern des Orients. 30 
wihtigite Quellen: Palladius und Sozomenos j. o.; Theodoretus, BrAodros ioroota; Aufn, 

II, ce. 4 und 8; Hieronymus, Vita Hilarionis; Sulpieius Severus, Dialogorum 
—* I; Peregrinatio Silvia, cd. Gamurrini, Rom 1887; J. S. Assemani, Bibliotheca orien- 
talis Tom. III, 1 und 2; P. Bedjan, A. SS. et martyrum syriace Band Iff. 

Bon Ägypten verbreitete ſich das Mönchtum nach der Sinaihalbinſel, wo wir ſpäter 35 

i hervorragenden asketiſchen Schriftjtellern in Nilus Zinaita (gejt. ca. 430) und Johannes 

imacus (gelt. ca. 580) begegnen. Auch Palaſtina wurde frub von Mönchen beſiedelt. 
Hier batte Hilarion von Gaza (ſ. d. M. Bd VIII &.51), ein Schüler des Ägypters Anz 
tomius, in der erſten Hälfte Des vierten Jahrhunderte im Züden Des Yandes das Fre 
mitenleben eingebürgert. Über eine Neibe feiner Schüler, Die bei Betbelia und Gerar als. 
Eremiten lebten, berichtet uns Sozomenos (VL, 32). Bon anderen Paläſtinenſiſchen Ere⸗ 
miten wie Gabbango, Elias, dem Ägypter Abranũus am unteren Jordan (Hist. Laus. 
e. 111), dem aus Kappadocten ſtammenden Höbleneinfiedler Elpidius und ſeinem Kreis 
im der Nähe Jerichos (Hist. Laus. e. 107), Innocentius auf dem Olberg und Adolius 
bei Zerufalen (Hist. Laus. ec. 103 und 104), dem aus I berägupten nach Bethlebem 45 
gommenen. Poſidonius (Hist. Laus. c. 1782) bören wir durch Palladius. Um die 
des vierten n Jahrhunderte entjtanden auch zahlreiche öfter in Paläſtina (Bafilius 
ep. 207, 223, 220). gie reihe Nömerin Melania Die Altere, die Freundin Rufins, 
Eine ein Klofter am lberg, und die Römerin Paula (geſt. 404) ein Nonnen- und 

nchöklojter in Bethlehem (Hist. Laus. ec. 117. 129). Später war die jüngere Me: m 
lania (gejt. 439) (Vita Melaniae iunioris, Ana. Boll. VHI, tft; Ufener, Der bl. 
Theodoſius, Leipzig 1890, S. 196 ff.) als Kloſterſtifterin thatig. Die abendländiſchen 
Ronche und Nonnen lebten in Paläſtina ganz in Nachahmung der ägyptiſchen Vorbilder, 
we auch Hieronymus für Die Klöſter der Paula Die erweiterte Regel Des Pachvmus 


vom 
an 
u, 


hrien iſt nächſt Ägypten das Land, in dem Das Mönchtum am frübſten auftrat 
med die größte Blüte erreichte. Tb es bier wie im Ägypten autochthon iſt d. h. ſich 
sime ãgyptiſche Einflüſſe aus dem altchriſtlichen Asketentum entwickelt bat, läßt ſich nicht 
behaupten. Die Bundesbrüder und Bundesſchweſtern Des Syrers Apbrantes (0) Bert, 

‚ des perfifchen Weiten Homilien aus dem Syriſchen, TU III, 2, 1888) leben w 


222 Möndtum 


noch innerbalb der Gemeinde und pflegen mannigfachen Verkehr mit anderen Gemeinde 
gliedern. Sie werden nur „Einſame“ (6. Somilie vom Jahre 337) genannt, weil fie 
fraft übernommener Gelübde ebelos Icben (Ryſſel, Thuß3 1885, S. 387—89 über die 
Anfänge des Mönctums in Syrien). Aber der von Theodoret (Hist. relig. c. 1) an 
die Spige feiner Heiligen geitellte Jacob von Niſibis (geit. 338) foll ſchon, bevor er 309 
Biihof von Nijtbis wurde, mit Eugen dem Begründer des perfiihen Mönchtums ein 
Fremitenleben in den kurdiſchen Bergen geführt baben. Nach der jüngit durch Bedjan 
(III, 376- 480) veröffentlichten ſyriſchen Vita feines Zeitgenofjen und Freundes, des 
Dar Awgin (Eugenius), jtammte der leßtere aus Agypten von der Inſel Klysma bei 
ı Zug. Er war dort Verlenftfcher geivefen und batte dann längere Zeit im Klofter des 
Pachomius zu Tabennifi gelebt. An der Spige von fiebzig Mönchen joll er von Aegypten 
nach Meſopotamien gezogen und am Berge Izla ſüdlich von Nifibis ein Höblenklofter ge 
ftiftet haben. Wach dem Tode feines bifchöflichen Gönners Jacob von Nifibis habe er 
vor Kaiſer Jovianus und den Perſerkönig Sapores Proben jeiner Weisſagungs- und 
15 Wundergabe abgelegt, und dadurd die Unterftügung diefer Herrſcher zu feinem kloſter⸗ 
gründenden Wirken erlangt. Kurz vor jeinem um 363 erfolgten Yebensende babe er nicht 
weniger ald 72 mönchiſche Zendboten, unter ihnen jeine beiden Schweitern Märt Thekla 
und Wärt Stratonifa entſandt. Zollten wir es bier mit geichichtlichen Erinnerungen 
zu tbun haben - - und Dies werden wir trotz mancher legendarischer Züge als ficher an- 
ao nehmen dürfen — fo bat Eugenius aus den Pachomiustlöftern die ägbptifch-cönobitifchen 
Traditionen nad) Meſopotamien überbract (Zödler 3.232). Vielleicht it der Diar Amgin 
(Eugenius) mit dem "Awrns des Sozomenus (VI, 33, +4) identisch, der nach ihm der erite war, 
welcher die ftreng einſiedleriſche Lebensweiſe bei den Syrern betbätigt habe, mie Antonius 
bei den Agyptern. Weiter berichtet ung Sozomenos (VI, 33 und 34) von dem Mönd: 
25 tun im Nordoften Syriens, von der Gruppe der jogenannten Bdoxoı, die in den Bergen 
um Niſibis umberhioe’tten und nur von Gras lebten, von den in der Gegend von 
Karrbä lebenden Mönchen, dem Biſchof Bitos, Protogenes, den Inkluſen Eufebius und 
von den in ver Nähe von Phadane haufenden Gaddanas und Azizos. 
Unter den Mönchsvätern Edeflas und Usrboenes gilt der heilige Julianus, ein Zeit⸗ 
sn genoſſe Des Kaiſer Julian, des Apoſtaten, als inchoator vitae monasticae (Hiero- 
nymus ad Paulinum ep. 58, 5). Zu den asfetifchen Berühmtheiten diejer Landſchaft 
gebört Epbraem der Syrer (Soz. III, 16; Hist. Laus. c. 101, ſ. d. A. Bd V S. 404. 
Auch in Dfteilieien und in der Nähe Antiochias in der Wüſte Chalcis finden mir 
fett der Mitte Des vierten Jahrhunderts blübende Eremitenkolonien. Wegen der zabl- 
35 reichen dort anſäſſigen Eremiten erbielt Die Wüſte Chalcis den Ehrennamen der forilchen 
Thebais. Bon 373 bis 380 lebte aud Hieronymus bier ald Eremit (Grützmacher, Hie 
ronymus I, 155 ff.). Beſonders eingebende Nachrichten befigen wir über die Verbreitung 
des Mönchtums in der Diöceſe Kyros, Deren Biſchof Theodoret war (Hist. relig. c. 14 
bis 30). In Nordforien kam im fünften Jahrhundert die exrcentrifhe Form der As— 
40 keſe, das Stylitentum, auf. Als älteſter Vertreter dieſer jonderbaren Kaſteiung gilt der 
Eremit Symeon (Tbeodoret, hist. relig. ce. 26) Nachdem er als Inkluſe in Te 
laneſſa gelebt batte, Ichte er un der Nähe Antiochias auf einer Säule, erit von 6 dann 
18 und endlih 10 Ellen Höbe Wach 36jäbrigem Ylufentbalt jtarb er dort ca. 460. 
Tiefes chriſtliche Stolitentum jtebt wahrſcheinlich im Zujammenbang mit forijch-heidnifchen 
45 Vorbildern. Auch in anderen Yändern Des Urients fanden fich vereinzelte Nachahmer bie 
ins 15. Jahrhundert hinein. Der berübmtefte iſt Symeon der Jüngere (gejt. 596), der 
68 Jahre in der Nähe Antiochias auf einer Säule gelebt haben foll (9. Delehaye, Les 
Stylites, Brüffel 1895). 
In Kleinaſien erbalten wir über die Verbreitung des Mönchstums in Oalatien bes 
co jonders in der Hauptitadt Ancyra durch den geborenen Galater Palladius Kunde (Hist. 
Laus. 111, 115 u. 135). Der Begründer des Mönchtums im römifchen Armenien, 
Paphlagonien und Pontus tft der jpätere Biſchof Euftatbius von Schalte (Soz. III, 14, 
31). Auch jeine Parteigänger, die Homoiuſianer, wie die Bilchöfe Marathonius und 
Macedonius (ſ. d. A. Bd XII S. 46,5ff.) erwieſen fih als warme Freunde des Mönch⸗ 
65 tums. Euſtathius batte das Mlönchtum wahrſcheinlich in Agypten kennen gelernt (ſ. d. A. Vd V 
S.628). Dasfelbe nahm in Armenien einen bejonders ſchwärmeriſchen Charafter an und es 
Fam zu heftigen Zuſammenſtößen zwiſchen dem mönchiſchen Enthuſiasmus und der Hierarchie. 
Die Synode zu Gangra in Papblagenien 343 (2) trat gegen die Übertreibungen ber 
Euſtathianer, die Den VBerbeirateten die Seligfeit abgefprochen, die Reichen zur Aufgabe des 
6 Beſitzes aufgefordert und fih in Ronventifel zuſammengeſchloſſen hatten, für die keuſche 





Ier Mia Tl zur Mnden zur Erziehung im 
- Br .- u a 272 zmcn Hr ı Reg. br. tr. 15). Jeit⸗ 
mar Zomnlung geitattet (Instit. resp. 


= zexter nit abgelegt, Die drrorayn 
2 22 zzelzrung von jeder Beziehung zur 
2.2 Zum we nloiters jtcht Der zooeorcos, den 
. Im m arreterliche Eigenſchaft desſelben zu 
— - Reg. br. tr. 82 „und 120). Das 


I. IT Ieen erzengchet, Ten, Set, Von, Kefper 

Bu or» | = oO zamein Reg. fus. tr. 37). Ülber die 
- ..- 0-2: 0:2 or nr dem Wohlgeſchmack dienen joll 
- = - - zr ze,raz verboten (Reg. br. tr. 9). Auch 
0 u — mm „ne br.tr. 22 und 23), Tie Kappa- 
nl — m 2 7 wietenmeien im mejentlichen nach den 

u nn zu —* noch zu den Lebzeiten des Baſi— 

.5 mo: + Im. Zr Zenen und Epiphan aus Hellas cine 
_ — nnd find wir ſchlecht unterrichtet. Palladius 

u — -. ma Frauen Olympias, Candida, Gelafia in 
De 0 2 + man des Chryſoſtomus befannt find. Tas 
Be „dreier Monchtum  jcheint beiondere Gründe 
-. zrun der selbit ale Eremit bei Antiochta gelebt 
- -, zuädus befreundet war, batte mit Ichonungslojer 
. een ar Ketdensitadt gerügt, Jich in Die Verwaltung 
— md dak die ſeither ftilljebweigend geübte Nachjicht 
x eueremihen Monde aus den nitrifchen Bergen, 
“<>. zz Me Verfelgungen des Bijchof Theophilus von 
. - Zur, bei Dem Die mißvergnügten und gereizten 
= ns waren Much noch auf feiner legten Verbannungs- 


m ao encde mr tierischer Wut, obwohl gerade er neben 
— .. ν De Monctums gebörte, 
"Le. den rt Nee Hieronymus das Mönchtum durch Hilarion 
ne 


are zent Salamis, der früber als Mönch in Palajtına 


ET eo an net cririgen Foörderer. 
u 
— “. or realen Möndtume — Quellen und 
>, nn ss. .rwes Via Euthrmii, Analecta graeca, Pari® 1088, I, 
“772er are. Mon. Paris_1686, III, 220-376; Vita Theo- 
* —5 X. .v. Yassır 1800, S. 103—113; Vita Johannis Si- 


ne. oa „en "IS: Vita Cyriaci A. SS. Sept. VIII, 147—158; 


= m *è EN is, Is; Theodorus, Vita Theodosii bei llfener, 
ar u Se Ne 5 Zehlom Zuſtand des Kloſterweſens in der byzans 
“m Ton Ne. ne zum Yang des 13. Jahrhunderts (824—1204), 


en TO a Ne IJ. Oliarzewoty, Das paläftinenjifhe Mönctum 


— 80a Dion den Veröſſentlichungen der ruſſiſchen Pald: 

—5 au wer De Kegelung des Kloſterweſens im Rhomäerreiche 

—B Er. N. Bose es Johanneums, Hamburg 1897; K. Sol, 

win x ae. wen eo Ronchtum, eine Studie zu Symeon dem neuen 
it an 8 NN - . - . . 

= 2° 050 aan Ne Dee. hs Bis Gonobitenleben erfreute fih in ber grie 

> ° oa he nern Schatzung. Wenn man einmal die Nach 

urN “ 


oa nenznd So konnie auch Das Ziel des Mönches, die 

N In achoret ganz zu erreichen hoffen. Aber das 
a. > rad nebeneinander, das Kloſter galt als die 
NEE SO NER, Sn Anachoretentum ale Die Stufe der Boll 
no Ne re Valaſtina Das klaſſiſche Land des Möndh 
Yen des zeligivien Yebens Durch Die zunehmenden 

.. ssirsastfen wurde. Nachdem bereits Pachomius 
rss Sri zu einem Kloſterverband zuſammen⸗ 
N. N an Ss 5. Jabrhunderts eine Organifation ded 
PERGR NRLTIN EHI, Syenutengenojienfchaften einen gemeinſamen 








296 Mön * 





a entümlich Schauen des göttlichen Sichtes aus, Di 
—— EX, Mona ——— De —— 
404 ‚betrug. Anſ 
Ba na al ——— 
ppthmiſche Spite nf 
| er j fi beit abfre d eder t. Bis te der 
es m [reichen iin Grant mb — wie ea —* Kld: 
25 —— als re u Er chen Mönchtums erbalten (Ph. , | 
efchichte d ſter, Leipgi 1893). erofden. nd; heute iR 
—— Beine dm Bi hit iſt er bis beute nicht —— —— iſt 
das heſychaſtiſch —— dem Sthos’im Brauche (Bh. Meyer, äge zur Kenntnis 
der neueren ichte und des gegenwärtigen Zuftandes der Athosflöfter RS 1890, 
©. 395ff. und 539 ff.) 
Verhältnis des griechiſchen Mönchtums zu Kirche und * Obwohl 
das Mönchtum in ſeinem Urſprung ſich als eine Bewegung —— eine I 


Kritik an der Weltfi Akte I wurden doch ernitere Kämpfe vermieden, Das M 
Km zwar in ber Zeit 2“ — * und dem —* rau ® — nen ha 
6 W 





hohe M 

diefer die größere Seiligtit Des Möndheftandes —* —— * 

mandrit — (geſt. — eine —— iche Amt (Vita Sabae 

0 S. ee DR ‚aber bie 4 das ‘ 1 hd, gu he — vor allem - 
fius ben | 1 Mc jr 


or Sfanatismus im 5, Jahrhundert gemacht hatte, führten zu einer 
tönchslebens auf dem Konzil zu Chalcedon 451 (e. 4,8, 23, 24): 
Känntliche Mönche der Rarocıie In e in d dem Biſchof unterjtellt. Obne biihöfliche Erlaubmis 
55 darf fein Kloſter gebaut werden. Sklaven dürfen nicht ohne Willen des Herrn 

werden. Den vom Konzil als verbindlich vorau efefen intrittsgelübden wird die Ver— 
lihtung zur Ortsbeftändigfeit (stabilitas loci) hinzugefügt, um das Um —— | 
Nönche zu verhindern. Die für Kloſterzwecke geweihten Baulichkeiten dü * — 


en almählich rer eg Die — — die — e mit dem 
{ 5 


zu profanen Ziveden eingezogen werden. In Anknüpfung an das Ghalcevonenfe 
co nian durch feine Kloftergefeßgebung, die die Grundlage aller gejeglichen 








my Möonchtum 


derit irt Das Moͤnchtum nirgends autochthon, ſondern überall aus dem Orient 

EEE TE —8 dem nicht zu bezweifelnden Jeugnis Des Hieronymus (ep. 127, 5; 
irgstcenı, Öwronpimus I, 22G6ff.) bat bereits Äthanaſius in feinem römiſchen Exil von 
e die Runde don den Eremiten Antonius und den Klöſtern Dee Pachomius 

ao Nat zedracht, und nach Palladius (Hist. Laus. 1) weilte auch ein Mönch Iſidor 
s Agepien um Sao in Mom. Die vornehme Römerin Marcella war die erite aus den 
3 teren Noms, Die ſich der Askeſe weihte, wenn fie auch fein jtrenges Nonnen⸗ 
rn au uhren begann, ſondern noch ganz in der Weiſe der alten Asketen iebte. Auch 
Sy Zwmpeter des Ambroſius, Marcellina, nahm bereits 353 den Schleier in Rom (Am: 


ruv. de virg. III, 1--3). Eine andere Hömerin Aſella (Paladius, Hist. Laus. 


Pi 


=: 


[2 
- 


= 


“5 Deganın 6 ereite als aehnjähtiges Madden 3-44 ein ſtrenges Nonnenleben (Hiero- 
nyımus ad Marcellam ep. 4 de laudibus Asellae). Durch den Biſchof Petrus 
HT) Alerandria— der 373 in Jon eine Zufluchteftätte fand, wurde vielleicht Der Zug nad 
Sen Lrient bervorgerufen, der die vornehme römiſche Aitwe Melania und Rufin nad 


—8* und Jeruſalem, Hieronymus zu den Einſiedlern der Wüſte Chalcis führte. 


vun den 70er Jahren des 4. Jahrhunderts ſcheinen im Occident die erſten Kloſter 
vartttuerden zu ſein, Sozomenos (hist. ecel. III, 14) berichtet, daß noch in den Tagen 
div Hilariub von Woitiers, des Martin von Tours, des Aurentius von Mailand 5000 
—V —2R olxovow, Aneigatoı FL Novayız@r ovvomxıav Noar. 
Lie Gemeinſchaften männlicher und w eiblicher Asfeten paßten jihb nur allmäblig der 
kloſerlichen Aokeſe an. An dieſe beitebenden doxyrnora fnüpften die Vertreter der mön- 
sbinben Propaganda ihre Bemühungen um ein jtrengeres asfetijches Yeben, mobei aber 
bav Kloſterweſen nur langſam vorwärts ſchritt und durch das Beſtehen der Jungfrau⸗ 
haſten ſaſt mehr gehemmt als gefordert wurde. Beſonders war Hieronymus in ſeinem 
lomiſchen Aufenthalt don 382 bis 385 in dieſem Sinne thätig, aber es gelang ihm nicht 
Law Haupt des asketiſchen Kreiſes, Marcella, zu ſtrengerem asketiſchen Leben zu bewegen, 
nur die vornehme römiſche Witwe Paula und ihre Tochter Euftochium verichärften unter 
ſeinem Einfluß die Askeſe. Als aber Bläſilla, die älteſte Tochter der Paula, durch über: 
tiebene Mofefe 385 einen früben Tod fand, fam die Stimmung des römischen Volkes 
een Die Mönche zum beftigen Ausprud (Hier. ad Paulam ep. 39, 5), Hieronymus 
mußte Mom verlaffen, und Faula und Euſtochium folgten ibm nach dem Drient, um im 
Nlojter zu Bethlehem ihr Yeben zu bejchließen. Nicht ohne ſcharfe Oppoſition, die in 
Helvidius und Jovinian (ſ. d. AN. Bd VII S. 654 und Bd IX S. 398) in Nom, den 
beiden Mönchen Zarmatio und Brabantianus in Mailand und den \panijchen Prieſter Vigi⸗ 


1a lantius (ſ. d. A.) beredte Vertreter fand, ſetzte ſich das Mönchtum im Abendlande durch. 


Veſonders die zu 2 oder 3 in den Städten lebenden Aofeten, die in Italien solum aut 
primum genus monachorum waren (Hieronymus ep. 22), wiberjegten ſich aufs hef⸗ 
tigſte der mönchiſchen Klauſur. Trotzdem gab es ſchon, als ſich Auguftin 388 in Rom 
aufbielt, viele diversoria sanctorum. In den römiſchen Nonnenklöſtern erwarben ſich 
die Nonnen ihren Lebensunterhalt durch Spinnen und Weben von Gewändern (Auguſtin 
de mor. ecel. cath. I, vu). In den 9er Jahren des 4. Jahrhunderts wurde der rö- 
miſche Senator Pammachius Mönch (Hist. Laus. ec. 122; Hieron., ep. 66) und be 
grundete in Gemeinschaft mit der vornehmen Witwe Fabiola im römiſchen Hafen ein 
byriibmtes Xenodochium. 
In Oberitalien war der Biſchof Ambrofius von Mailand (ſ. d. A. Bd J S. 483) 
ber wirkſamſte Beförderer des Kloſterlebens. Er gründete in einer Vorſtadt Mailands 
cin Mlofter in Nachahmung orientaliſcher Vorbilder, Das er abweichend von der morgen: 
—66 Sitte, die die Mönche auf eigene Arbeit hinwies, aus ſeinen Mitteln erhielt 
Auguſtin, Confess. VIII, 6). Ob das von Auguſtin (de mor. eccel. cath. I, 70) 
upabnte diversorium sanetorum non paucorum hominum, quibus unus pres- 
byter praeerat, mit dieſem Kloſter identiſch oder ein zweites mailändifches Klofter war, 
mt nicht mit Zicherbeit feitziitellen. Neben Ambroſius it der Sardinier Euſebius von 
Lercellae der wichtigite Wegbereiter Des Mönchtums in Oberitalien. Er gilt neben Auguſtin 
als Der erſte, welcher ein mönchiſches Zuſammenleben der Kleriker, das ſpäter Jogenannte 


„kanoniſche Yeben, begründete (ep. 63 Ambrosii ad Vercellenses c. 71: haec igitur pa- 


tientia in s. Eusebio monasterii coaluit usu et durioris observationis consue- 
tudine hausit laborum tolerantiam; namque haec duo in attentiore christia- 
norum «levotione praestantiora esse, quis ambigat clericorum officia e& 
monachorum instituta”). Wabrſcheinlich ſind dabei orientaliſche Vorbilder wirkſam, 


hier in feinem Exil kennen gelernt hatte. In Unteritalien förderte der aus vornehmem 





Mönchtum 229 


Geſchlecht ſtammende, ſpätere Biſchof von Nola, Paulin (ſ. d. A.) das Mönchtum. Für das 
wahrſcheinlich bei Terracina am tyrrheniſchen Meer gelegene Kloſter Pinetum uͤberſetzte 
Rufin die Regel des Baſilius ins Lateiniſche (Praef. Hosten. I, 67). Sin Kampanien 
und Sicilien gründeten die jüngere Melania, die Entelin der älteren, und ihr Gemahl 
Pinianus gegen Ende des 4. Jahrhundert? zahlreihe Mönchs- und Nonnenklöfter (Palla⸗ 
dius, Hist. Laus. c. 118—121). Im Jahre 412 rübmt Hieronymus (ep. 127 ad 
Principiam) die große Verbreitung der Klöfter in Stalien: erebra virginum mona- 
steria, monachorum innumerabilis multitudo, ut pro frequentia servitium deo, 
quod prius ignominiae fuerat, esset postea gloriae. 

Bejonders früb und zahlreich wurden die fleinen Inſeln des nördlichen tyrrhenifchen 10 
Meeres von Eremiten bejiebdelt, dieſe öden Eilande follten den Abendländern die MWüfte 
erjegen. Für Gorgona bezeugt Oroſius (Hist. VII, 36), für Capraria Auguftin (ep. 48 
e. 4) und der beidnifche Dichter Rutilius Namantianus (de reditu suo I, 12) die Eri- 
jtenz von Mönchen. Auf dem Inſelchen Gallinaria bei Genua lebte bereit# um 360 ber 
beilige Martin von Tours als Gremit (Sulp. Sev., Vita Martini c. 4). 15 

Schr früb bald nad) 360 hat Martin von Tours (f. d. X. Bd XII ©. 389) in 
Gallien das Mönchtum durch die Gründung des Klofters Licugé bei Poitierd und bes 
Kloſters Marmoutiers (maius monasterium) bei Tours heimisch gemacht. Diefes gallifche 
Mönchtum war von dem eifrigen Verlangen befeelt, das ägyptiſche Mönchtum durch 
Strenge der Askeſe an Ruhm und Heiligkeit zu übertreffen (Sulp. Sev. dial. II, 5; 20 
III, 1, 21). Im Süden Galliens wurde am Anfang des 5. Jahrhunderts durch den 
BL Honoratus auf der Inſel Lerinum (f. d. U.) ein Eremitenverein geftiftet, und ziemlich 
gleichzeitig begründete Caſſian (f. d. A. Bd III ©. 746) in Maffilia ‚ie Klöfter. Zahl⸗ 
reiche Kloſterſtiftungen folgten im Laufe des 5. Jahrhunderts in Gallien. Noch vor 450 
legten die Brüder Romanus und Lupicinus am ſüdlichſten Teile des Jura eine Klofter- 25 
folonie an, deren Mittelpunkt Condat war. 

Bon Gallien verbreitete fih das Mönchtum zu den Kelten Englands und Irlands 
im 5. Jahrhundert (|. d. N. Keltifche Kirche Bd X ©.204), und von den iriſchen Klöftern 
fm 6. Jahrhundert die Chriftianifterung Schottlands aus. Auf iriſchem und fchotti- 


or 


Boden bildete fih im Anfchluß an die klöſterliche Mifjion eine eigentümlich mona⸗ 30 
tiche Stirchenverfaflung aus (ſ. d. A. Keltifche Kirde Br X ©. 222). 

Schon früh haben wir Kunde von einer Verbreitung des Mönchtums auf deutfchem 
Boden. Vielleicht hat Athanafius während feines Exils in Trier die eriten Impulſe dazu 
gegeben. Als der Offizier Pontitianus aus Trier 387 nad) Mailand kam, erzählte er 
dem Auguftin von der Vita Antonii, die er dort fernen gelernt batte, und von Ein⸗ 35 
fedlern, die in der Nähe der Stadt lebten (Auguftin, Confess. VI, 14 u. 15). 

Auch die der dalmatinifchen Küfte vorgelagerten kleinen Inſeln wurden früh von 
Eremiten bejtedelt, jo lebte Bonoſus, der Freund des Hieronymus, auf einer folchen Inſel, 
und Hieronymus rühmt einen vornehmen Mann Yulianug, der eine große Zahl Klöfter auf 
den Inſeln Dalmattens geftiftet und unterhalten habe (Hier. ep. 118, 5). 40 

Wenig Sicheres iwiffen wir über die Gejchichte des älteften jpanifchen Mönchtums. 
Ein gewiſſer Donatus foll von Nordafrika das Mönchtum nach Spanien verpflanzt haben. 
Jedenfalls läßt der 6. Kanon des Konzild zu Gäfaraugufta vom Jahre 380 vermuten, 
dab das Mönchtum fich hier nur gegen eine ftarfe Oppofition aus den Kreifen des Klerus 
durchzuſetzen vermochte. Der Kanon verordnet, daß, wenn einer aus Eitelfeit fein Kirchen: 45 
amt aufgiebt um Mönch zu werden, der das jtrengere Geſetz als die Klerifer befolgt, er aus 
der Kirche erfommuniziert und nicht eher wieder aufgenommen werden foll, bis er in- 

Randig darum bittet. 

In Nordafrika trat vor allem Auguftin für das Möndtum ein, dag auch hier an- 
fange auf Widerftand ftieß (de opere monachorum c. 22; Salvian, de guberna- w 
Gone dei VIII, 4). Sein Verdienſt ift es, neben Eufebius von VBercellä den Anfang 
gr Monachifierung des Klerus gemacht zu haben, indem er feinen Klerus zu mönchiſchem 
Zufammenleben vereinte (Possidius, vita Augustini c.5 und c. 11. 

Auch bis nad) Noricum wurde bereits in der Mitte des 5. Jahrhunderts das Mönch⸗ 
kam verbreitet. Hier gründete der heilige Zeverinus (gejt. 482) zu Faviana und Paſſau 55 
bie erften Klöſter (Eugippius, Vita Severini ce. 14 u. c. 19). 

Was das innere Ktlofterleben in der vorbenediftinifchen Periode des abendländifchen 
Nonchtums betrifft, jo treten trog der Nachahmung ägpptifcher und paläftinenfiicher Vor: 
bilder alsbald in der occidentaliſchen Klofterdigziplin Abweichungen ein. Die Möglichkeit 
zu foldyen Umbildungen war dadurch gegeben, daß ſich noch alles im Fluß befand. Es 60 






* vollſte ‚ jedes Kloſter war auf ſich geſtellt und Negel, 
es | in mehrere Negeln gebraud —53 a a im 
denen ber $ le 129 Mhtes an bie Stelle ner ichr — af ilder 
in Bezug auf die verſchiedene Uebung des 
5 ländifchen Klöſtern Hu,2:a in hune modum di 
monasteria et 





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 unteckbanf er vie MS bung che eform. Me en als 3 Sub 
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t. I, 10). Auch gegen den des Bhembes, des Gifichums Aprnc 
2 16 it am RA A a pa Krb Bra De ah ker 

es um | Beim Tagesoffizium verm er bie tägli 
20 | * ne Hei i des nach älte ientali 5* 





itte | 
die Faftendisziplin der Mönche erte indem er eine ziveimalige 
— das prandium um 3 Uhr und die coena an Abend, ete (Inst. III 
2; IV, 18). Das in ber et Kirche ya —— wollte er ſo⸗ 
— ben übrigen ten Des 


ud, 
| , , der er wochen wes elnden Dimfleun der Mönche hlof er fi 
r und d Kl J 
e — ee vol 55 — Hu: ash ” or 


6 min daß der Yustretenbe ji mit ee Gut ee —* IV, 9); denn 


e 
D. Scchaf, Über das ze elb Benetitis von Aniane ‚25, x 1895 "Royale 
Ge el x, 3 in der 
Überfegung Hufing, die Negel des Pachomiue in ber Rbekung * ap mer} und 


die fogenannte Regel des Macarius (Holitenius I, 18—21), lebt — 
ame — (geſt. 539) gegründeten Kloſter ——— Sean ( Dich Lange 
ucht (Vit. S. Joh. abb. Reomaensis A.SS. 0.5 I, 635). In anderen onen 


15 wie 4. B. Yerimum (f. b. V.) waren die Gebräuche nicht fd fie) aufaggei et, fondern wurden 
mündlich tradiert. In Nonnenklöftern galt vielfad die fogenannte Regel Auguſtins, 
urſprünglich eine Belegenbeitsich rift für eine Gemeinſchaft afrilanifcher — 
(ep. 211 Augustini, Holſtenius I, 347—350). Dieſe Regel legte auch 
Arles (geit. 542) feiner Nonnenregel “ runde (Reg. ad virgines, pol olftenius 7, I, 

0 353—362; Fr. Amold, Cäfarius von Nrelate, Erfurs 5, die Nonnenregel des  Cäfarius 
©. 500-809). Auch von dem Biſchof Nurelian von ve eit. 555) beſi od —— 
regel für das von ihm gegründete Kloſter, bei der er die Pegel feines ‘ 
benußte, Aus dem 6. Jahrhundert find ferner die Nonnenregel des Ah * — 
vom St. Peterkloſter ji Vienne (Haud, AG Deutfchlands I, 238) und die Möndsregeln 

56 des Gäfartus von Arles (HolfteniusI, 143Ff.), der Äbte Stephanus und Paulus ( 

I, 138 ff), die Slofterregel des Hlofters Agaunum (St. Maurice in Wallis) ( 
Tarnatensis, Holft. I, 179—186) auf uns gekommen. Aus Spanien ftammen die Ne; 
des Biſchofs Ferreolus bon Ueetia (Ufez) geit. 581 (Holſt. I, 155 f}.), des Biſchofs en er 
bon —— geſt. 636 (Holft. I, 187 ff.) und bes Fructuofus bon Complutum age 
oo (Holft. I, 200.), Alle dieſe Kloſterregeln ſind unabhängig * der Be 


u — l 











Mönchtum 231 


nedikts, fie haben fämtlih nur Iofale Geltung erlangt, während die Regel Benedikts 
Ne) bom Mutterllofter Monte Caſſino verbreitete und alle anderen Regeln im Abendlande 
verdrängte. 

Mas die rechtlichen Verhältniffe der Klöfter in der vorbenebiktinifchen Periode be— 
trifft, jo wurden die Klöſter als Korporationen anerkannt, denen die Befugnis, Vermögen 
zu erwerben und zu befiten, zuftand. Sie bedurften dazu feiner bejonderen ftaatlichen 
Genehmigung, mie die meilten PBrivatlorporationen, aber die Mönche unterftanden als 
Laien durchweg denjelben Rechtsſätzen wie alle übrigen Laien (Löning, Gejchichte des 
deutichen Kirchenrechts I, 352). Wie im Orient das ökumeniſche Konzil zu Chalcedon 
vom Jahre 451 die Pflichten der Mönche für kirchliche Pflichten erklärte und deren Über: 10 
tretung mit firchlichen Strafen bedrohte, jo verordnete dad 2. Konzil von Arles vom 
Sabre 460, daß fein Mönch feinen Stand bei Strafe der Exkommunikation verlafjen 
bürfe (c. 25), und das Konzil von Vannes vom Jahre 465 beſtimmte, daß ein Mönd, 
der ohne Erlaubnisſchein des Biſchofs das Klofter verlaffe, mit Schlägen gezüchtigt werden 
(e. 6), und nur der im Klofter bewährte Mönch vom Abt die Erlaubnis zum Eremiten- 15 
leben erhalten folle (ce. 7). 

Zangjam verbreitete A die Negel Benedikt von Nurfia (f. d. A. Bd II ©. 579, 59), 
die ſich nicht ſowohl durch Originalität als durch verftändige Milde und fluge Elaftizität 
auszeichnete, die Mönche zu ſtrengem Gehorfan, zur stabilitas loci und zur geordneten 
Arbeit erzog. Durch Gaffioborus (. d. X. Bd III, S. 649) wurde auch wiſſenſchaftliche 20 
Beihäftigung in den Klofterplan aufgenommen. Mit Hilfe der Päpite gelang es der 
Kegel Benedikts im 7. u. 8. Jahrhundert die anderen Mönchsregeln im Nbenbland zu 
verdrängen. 

Die eriten Einwirkungen der Regel Benedikts zeigen fich bereits in der Regula magistri 
(Holft. I, 224ff.) und in der Nonnenregel des Biſchofs Donatus von Befangon (geit. 660) 25 
(Holft. I, 375 ff). Ten größten Widerftand feßte der Verbreitung der Regel Benedikts die 
Kegel des Iren Columban, des Gründers von Luxeuil und Bobbio (geit. 615), entgegen, die im 
Frankenreich und in Oberitalien in vielen Klöftern gebraucht wurde. Aber der jchroffe Nigoris- 
mus der Columbanfchen Regel mußte der größeren Milde der Benebiktinerregel weichen. 
Durch Gregor II. u. III. und Bonifatius wurde die Regel Benedikts die Norm des Klojter- so 
lebens im Frankenreich, und diefes Wert fand an den fränkiſchen Königen Karl d. Gr. 
und Ludwig d. Fr. nebſt ihren Gebilfen Alcuin und Benebift von Aniane feine Erhalter 
und Fortſetzer. Je mehr jich die Klöfter vermehrten und je größer ihr Einfluß auf das 
Bolt wurde, um fo mehr mußten aber auch die Bifchöfe auf Unterordnung der Klöjter 
unter ibre Gewalt dringen. Die Abhängigkeit des Abtes vom Bilchof gründete ſich aber 36 
darauf, Daß der Abt als Diakon oder Prieſter der Klofterfirche vorstand. Andererſeits 
durfte der Bijchof feinen Mönd ohne Erlaubnis des Abtes zum Kleriker weihen. Ob: 
wohl die Hegel Benebikts die Wahl des Abtes durch die Mönche vorfchrieb, maßten fich 
vielfach die Gründer der Klöjter ein Ernennungsreht an. Seit dem 6. Jahrhundert 
(Regula magistri c. 93) wurde der Abt durch die Benebiltion des Biſchofs in fein 40 
Amt eingeführt. Um fich gegen die Übergriffe der Biſchöfe zu ſchützen, unterjtellten fich 
die Stlöfter feit dem Ende des 6. Jahrhunderts mehrfad dem Schuge des Könige und 
tömiihen Biſchofs. Das erfte Beifpiel einer vollftändigen Eremption eines Klofters von 
der biichöflichen Gewalt und unmittelbarer Unterordnung unter Nom enthält dag dem 

Bobbio vom Papſt Honorius I. 628 erteilte Privileg (Jaffs 1563; Xöning, 45 
Geſchichte des deutſchen Kirchenrechts II, 364ff.). Was die innere Verfaflung der Klöfter 
betrifft, jo verbreitete fi) das Inſtitut der Oblaten. Obwohl Bonifatius dasselbe 
energiſch belämpfte, beitimmte Gregor II., daß die Kinder, die von ihren Eltern im 
— dem Kloſter geweiht worden waren, lebenslänglich im Kloſter ausharren 

ten. 


a 


co 
Seit der Zeit des Bonifatius wurde das abendländifhe Mönchtum zum Kultur: 
träger im meitelten inne. Die Mönche des heil. Benedikts rodeten die Wälder, 
ſchufen Wüſteneien in Aderland um, wirkten ale Mifftonare, brachten das Chriften- 
tun dem nördlichen Europa und forgten für die Überlieferung der altchriftlidhen Theo— 

logie und eines Reſtes antiker Kultur. Die Klöfter wurden die Mittelpuntte des religiöfen 65 
Sehens, überall erblühten Klofterfchulen, unter denen die zu St. Gallen und Reichenau 
en. Durch Schenkungen wuchs der Neichtum vieler Abteten ind ungeheure, der 
aber auch eine Beteiligung an den Werfen chriftlicher Liebestbätigfeit ermöglichte 
(Üblborn, Geſchichte der chriftl. Yichesthätigfeit II, 66 ff, II, 74ff.), doch führte auch 

der Befig der Klöfter und die Uebernahme von Nulturaufgaben durch die Mönche zur co 


232 — 





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Eee urfprünglichen * 3 zurüd 
5 Die erjte diefer Neformen —— Aniane (ſ. d. A. 


33 Es A 19 Miltelm von Lobpans I 
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Rranfreib und Überital alemnitanere ai erius in Umteritalien, des Abtes 

hard von I Anden me und des Ku von —— in nie * 





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Camaldulenſer (. d. x IL, Se683), die $ — von Fonte Avellana und 
20 von abulefer (| 3b VII ©. 221 ‚22) bervor. den Vallombrojern begegnet uns 
pur ar. —— — Boben das nfttut der — * (fratres —— die 


* N en —* 265. * clam aber erft 
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5 egung (1. 5. %. Bo VII ©. 158) bradte es nicht u Der | —— er Kongre 


* * — * ßten Einfluß di egründete ee ge 
zum geö ie neug 
Giftercienfer (ſ. d. A, die ich den verweltlichten Cluniacenjern — —— 

3 * die Wiederh tellung des urjprünglichen Möndhtums zum Ziel jeßte. Dabei ver: 
danften die Giftercienfer ihre —— nicht zum wenigiten dem Bruch mit dem —— 
Wirtſchaftsſyſtem der älteren Benediltiner und Cluniacenſer. Sie nahmen i 
in Eigen * chaft auf gefchloffenen Gütern und verbanden mit der agrarif —— 
T t (Ublborn, Der Einfluß der wirtſchaftlichen Verhältniffe auf bie elu 

35 des öndhtums im MA. 3RG XIV, 370ff.). Derneue Aufſchwung im AN Pier 
namentlich in Frankreich eine Neihe neuer Bildungen bervor. Nody vor den Giftercienjern 
entftanden die Karthäufer (f. d. A. Bo X ©. 100), die das Eremitenideal zu erneuern 
jtrebten, wenig fpäter der Orben zu ? ge und ber Orben ber Gilbertiner, die beide 
das Inſtitut der Doppelklöfter von Mönden und Nonnen zur Stärkung der verfallenen 

10 Kloſterzucht zu beleben ſuchten. Während alle diefe Kongregationen nod die Regel 
Benedikts als Grundgeſetz fejtbielten und daneben nur eigentümliche — —9— 
bildeten, war der Prämonſtratenſerorden (ſ. d. U.) ein ——— der nach 

enannten Regel —— lebte und die Pflichten der ug ee mie, 
Nengften Möncsleben zu vereinigen ſuchte. Die mönchiſche Reform 

45 11. Jahrhunderts rief dies eis —— bervor und als Produkte rege de nat 
und geiftlichen Ritterorden. In dieſen Orbensbildungen verband fich das weltliche und 
geiftliche Ideal des Mittelalters in eigentümlicher Weife miteinander. Mit dem Erwachen 
der individuellen Frömmigkeit entjtanden immer neue Orden und Kongregationen, 
das 4. Yaterankonzil vom Jahre 1215 verbot jhließlich die Neugründung weiterer Orden 

so (e, 13), um einer fortgehenden Überproduftion entgegenzutreten. 

Eine neue Gejtalt erhielt das Mönchtum durch den bl. Fran iskus von Aſſiſi (ſ. d. N. 
Bd VI, S. 197). Franziskus wollte das Leben des armen Chrijtus und Der armen 
Apoftel i in der Vredigt bes Evangeliums und in ber —— ihres Lebens erneuern. 
Das alte Armutsgelübde wurde zu unbedingten Befislofigfeit nicht nur des Einzelnen 

55 jondern des Ordens und zum Leben der Mönche von erbettelten Almofen umgewandelt, 
Die Weltflucht, Klauſur und Suridoegogenheit des bisherigen Orbensivejens 
dem lebendigjten Eingreifen in das Volt durd Predigt und Beichthören weichen. D 
abendländiidhe Mönchtum, das bis zum Ende des 12. Jahrhunderts eine weſentlich a ifte 
kratiſche Snftitution geivejen var, wurde volkstümlich. Eine in Hingabe der Seele an Chriſtus 

so neu gejtimmte Frömmigkeit ging von Aſſiſi aus und bemächtigte fich der Kirche (Harnad 











Möonchtum 233 


S. 51). Kirchengeſang, Predigt, Kunſt und Wiſſenſchaft nahmen einen neuen Aufſchwung. 
Neben den Franziskanerorden traten der urſprünglich zur Bekehrung der Ketzer geſtiftete 
Klerikerorden der Dominikaner, der ſich aber bald ganz dem Franziskanerorden konformierte 
und ebenfalls zum Bettelorden wurde (ſ. d. A. Bd IV, S. 771). Der Franzisfaner: und 
ber Tominifanerorden wurden in der zweiten Hälfte des Mittelalters zum Hauptträger der 5 
ſcholaſtiſchen Theologie, und die in den Klöjtern der Bettelorden erblühende Myſtik erweckte 
die religiöje Individualität und hatte fchöpferifche Bedeutung für eine neue reformatorifche 
Geltaltung des chriftlichen Lebens. Neben die beiden älteren Bettelorden traten im 
13. Sabrbundert als Bettelorden die beiden aus Eremitengenofjenfchaften fich entmwideln- 
den Orden der Karmeliter (ſ. d. U. Bd X, S. 84), der durch feine phantaftischen Legen: 
den alle anderen Orden in Schatten zu Stellen fuchte, und der Orden der Augujtinereremiten. 
Später wurden noch die Bettelorden um die Eerviten (ſ. d. A.), Hieronymiten (ſ. d. A.), 
Pinimen (j. Bd VI 5.223), Trinitarier (f. d. A.) und Mercedarier vermehrt. Dadurch, 
Daß die Bettelorden im Dienft der Meltfirche arbeiteten, verweltlichten fie au. Der 
anzisfmerorben wurde durch den Kampf um das Armutsgelübde zerrüttet. In dem 15 
ruch der extremen Partei der Spirttualen mit Stirhe und Papſt trat noch einmal der 
immer wieder verdedte Gegenſatz zwiichen den Zielen des Mönchtums und der Weltkirche 
au Tape. Trotz der Reformverfuche im 15. Jahrhundert, die durch Das Konftanzer und Basler 
nzil veranlagt waren und die Johann Buſch (f. d. U.) im Benebiktiner:, Giftercienfer: 
orden und in den Auguftinerchorberrnitiften, Bernhardin von Siena und Johann von 20 
Capiſtrano im Franziskanerorden, Heinrich Zolter und Andreas Proles im Auguftinerorden 
unternahmen, wurden nur vorübergehende Erfolge erzielt, aber fein neues Leben in den 
Orden erzeugt. Troß der ftetig wachjenden Zahl der Orbensbildungen, der unüberſeh— 
baren Mafje der Klöfter und der außerorventlih großen Zahl religiöfer Bruderfchaften, 
die ein asfetiihes Andactsleben pflegten, jchien der Verfall des Mönchtums unauf: 25 
baltfam. Nm Zeitalter der Renaiſſance fchien das Mönchtum fich felbft — menige ehren: 
polle Ausnahmen abgerechnet — zur Faulheit und Nichtsnugigfeit zu verdanımen (Harnad 
55). 

Erft im Zeitalter der Gegenreformation brachten einige alte Orden neue lebens- 
kräftige Triebe hervor, unter denen die Kapuziner 1528 als Kongregation der Franziskaner 30 
iftet, Später felbititändiger Orden (ſ. d. A. Bod X S. 50), die unbeſchuhten KRarmeliterinnen 
Therefe von Jeſus (geft. 1582), die unbefchuhten Karıneliter des Johannes vom 

Kreuze (geit. 1591) und die franzöfifche Gijtercienferreform der Feulliants vom Sahre 
1580 die bedeutendften find. Yud das ältefte Produkt der fatboliichen Neftauration, die 
Theatiner vom Jahre 1524, die eine Neform des regulierten Chorberrninftituts daritellen, 36 
an Strenge der perjünlichen Beliglofigfeit noch die Bettelorden übertrafen, aber die Pflichten 
der Weltgetitlichen übten, find bier zu nennen. Bon viel grüßerer Bedeutung wurden 
die neuen Orden, die im Zeitalter der Gegenreformation entitanden. Die erite Stelle 
nimmt unter ihnen der Jeſuitenorden (f. d. A. Bd VIII, ©. 742) cin. Die Schöpfung 
Loyolas ftellt ſich als eine neue eigentümliche Entwidelungsphafe des abendländiſchen wo 
Mönchtums dar. Zwiſchen Klerus und Mönchtum mitten inneftehend und beide ver: 
bindend ift ihm alle Askeſe und MWeltflucht nur Mittel zum Zweck, nämlich die Herrichaft 
der Kirche zu ftüßen und auszubreiten. Tiefer Zweck fommt zum Ausdrud in einem vierten 

de, das den drei alten Mönchsgelübden binzugefügt wurde, vitam perpetuo 
domini nostri Jesu Christi et Romanorum pontificum servitio dedicare (Be: 46 
Mätigungsbulle Paul III. vom 27. September 1540). Neben dem efuitenorden ent: 
eine Reihe neuer Orden, in denen an Stelle der alten Ideale Llöfterlicher Voll— 
tommenheit und Weltflucht der Gedanke der Vereinigung zu praktiſch kirchlichen Ziveden 
kat Diefe Neubildungen waren faſt alle Orden der inneren Miffion im weiteſten Sinne 
bed Wortes. Ausbildung des Klerus, Mitarbeit an der religiöfen Volfserziebung im co 
Beichtftuhl, Predigt und Volksmiſſion, Jugenderziehung und Krankenpflege machten ſie ſich 
u Aufgabe. Tas gemeinjame Leben der Urdensangehörigen diente nur zur Berufs: 
berbilbung. Nicht der die eigene Scligfeit fchaffende, ſondern Chriftus d. b. der Kirche 
m Armen und Kranken dienende Möndh oder Nonne erfcheint als deal. Befonders 
bad weibliche Geichlecht wurde zur Mitarbeit für die Aufgaben der Kirche mobil gemacht. 55 
Die meiſten diefer neuen Stiftungen nahmen die freiere und elaftifchere Form der Kon: 
ionen an. In dieſen Kongregationen wurden die Mönchsgelübde vielfach nur auf 
mte Zeit abgelegt. Auch wurden nur die einfachen und nicht Die feierlichen Gelübde 
we in den Orden getban, dadurd behielten die Profeflen das Eigentum an ihren 
Gütern, mußten nur die Verwaltung und Verwendung an dritte übertragen, und vo 


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ie — hatte bereits den Orden große Gebiete entriſſen, aber noch weit 
eingreifendere gg übte die franzöfifche Revolution auf das Snhtum aus. Cluni 
und Gifterz wurden zerjtört, — in ein großes Zuchthaus umg eivandelt und in 


*. die Ka —— — — ————— aufgehoben —— die 
Klöfter der — ‚Orden ftarf n Deutjchland murden durch den eputations- 
Srchung 3 vom J. 1803 — fi er fähularifiert. Erſt jeit 1814 mit der Wieder: 
35 titenordens begann die Neftauration des Kur liſchen Monchtums, die 
aber dur ————— ng der Orden und Aufhebung der Klöſter in vielen 
—— im Deutfchen Reiche bejonders in dem ** des Rulturtampfes, 
zen wurde. Alle alten Orden, die im 19. Jahrhundert wieder entjtehen, ſowie die 
ongregationen und die zahlloſen freien Vereine, die ſich neu bilden, find jaft ſämtlich 
4 vom Geiſt des Jeſuitismus drungen. Nur der Benebiktinerorden hat fid feine Selbit- 
ſtändigleit zu bebaupten gewußt. Nachdem der legte Mauriner als Mitglied des Inſtituts 
von Frankreich geftorben war, fauften 1833 einige Freunde Lamenais’ die alte Wbtei 
Splesmes, um in ihren Kreifen die gottfelige Gelehrſamkeit der Kongregation des heiligen 
Maurus zu erneuern (Hafe, KG, ©. 732). Neben Solesmes ii t die feit 1863 —— 
45 hergeſtellte, Abtei Beuron, zu deren Kongregation das feit 1872 nl beit u 
Maredfous gehört, eine Stätte tüchtiger tatboliieer Wiſſenſcha se 
trefflichen Statiftif des Benediktiners Baumgarten (Aus den Hiftorif -politifchen B 
Chronik der Chriftl. Welt 1901, ©. 468), deren Zahlen fait alle aus dem — 1001 
itammen, Sp es jetzt Prieſter, Scholaftiter, Novizen, Laienbrüder der einzelnen geiftlichen 
so Senofjenjchaften: 20457 chriſtliche Schulbrüder, 16458 Franziskaner, 15073 Jeſuiten, 
9464 Kapuziner, 6000 Mariftenfchulbrüder, 4565 ‚Benediktiner, 4538 Trappiften, 4350 Dos 
minitaner, 3304 Lazariften, 2149 Väter vom bi. Geift, 2000 Karmeliter, 1858 Augu 
1698 Mitglieder der Gejellichaft des göttlichen Wortes, 1580 Oblaten der unbe 
Empfängnis, 1194 Mitglieder des Pariſer Seminars für auswartige Miſſionare, 1000 
55 weiße Väter, 238 Mitglieder des Seminars für afrikaniſche Miffionen zu Lyom Auf 
Deutichland entfielen im Sabre 1899 (Baumgarten, Die fatbolifche irche und ihre Diener, 
1899) 4116 männliche Ordensleute, von denen 818 Franzisfaner, 515 Hapuziner und 
432 Benediktiner waren, nnd 32731 weibliche Ordensangebörige. 
Während ſich im Orient die freie Form der Laura neben dem Gönobium erbielt 
vo (Über den älteften Rlofterbau ſ. V. Schulge, Archäologie der altchriſtlichen Kunſt, München 


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236 Möritofer 


obannfajpar 1877. fer tterat ————— 
— ten Sehen b Fat ; lic nen itteratur u 


Piarrer 9. G. Sulzberger 
ber Sr Ehumnauithen Belt Beiträge zur vaterländijchen Seidjichte* (mit Mor, 
Teer Ariel Ant Beitungen, genannt zu dem Artifel der Allgemeinen deutſchen Bin 


örifofer, geboren 11. Oftober 1799 — geſto ber 
u —— bei Zürich, nimmt als —— auf dem Felde 
owie au 


6 * 










er * 


10 theologiſchen Studien an der riichen € 1822 at in fine Dairadt a 
ein erlangte en Umgeſtaltung 
en als Rektor ——— nF hatte er ein 
offenes Auge für gemeinnügige n; er f einer kanto⸗ 
nalen böberen Zebhranftalt den Boden zu ebnen; — — 
des —5* ornhauſe gr —— — — doch eh | 
die verjüngende Be des fantonalen, Stnatötoefens 1830 berührt und trat jour- 


| auer “ mit dem Ausprud feiner politischen Auffafjungen 
bervor. Obſchon er mit den kirchlichen Funktionen ftets in Verbindung geblieben tar, 
2 erlangte cr och ef, 1851 — bie —— auf die angel der Gemeinde Gottlieben 


ma ertvünfch Weg die Ankıı mit enberg. e 

IR. ſchon —— 17 — * ynode — te 

(ir die Kirche ſich beteiligt, jo war em das ieh, er in jeiner Stellung reg des 

25 REN Kapitels, no er nn lichen Fleiß verwandte er auf die ver 

ng ber — legenen 1845 gegründeten Armenerziehungsanſtalt Bernrain. A 

—* er ſein Pfarramt —— und wählte als Wohnſitz die Heimat ſeiner Pre 
attin, ROTER * er aber nach einigen J mit Zürich vertauſchte, mit 

ſeit feiner Studienzeit ſtets vege Berührung feitgebalten hatte. Die philoſophiſche Fakultät 

3 der dortigen Hochſchule hatte ihm (dom 1872 die Ehrenpromotion erteilt — 1876 —* 


blieb I, in ter — bis in Die eriten Donate feines legten 
. jahres thätig. 
M. war au (serien Feldern ein for orfcher und Sammler, em —* 
und mehrere ſeiner 3 id von bleibendem Werte. Sein 


g 
engeren Ansgauiiöen Hai imat ſchenkte uerſt in —* Sammelwerke: „Die 
Ritterburgen und —— — * ere Schilderungen, und ebenſo ſchrieb 
Auftrage der von ihm überhaupt auf das rührigſte unterſtützten kantonalen —534 
40 zur — Guten und Tg mehrere Neujabrsblätter, befonders 1842 
u einem Buche eriweiterte Yebensbild des 1841 veritorbenen Landammanns Under: 
wi eines Bolitifers, der um die erjten Stadien der Entwidelung des 1798 jelbitjtändig 
gewordenen ntonalen Staatsweſens weſentliche Werdienite ſich erworben win Wie 
1858 M. als damaliger Präfident der genannten Gefellichaft zur Gründung des hiſto— 
45 riſchen Vereins des Kantons mithalf, jo gab er auch zu deſſen Veröffentli 
Mitwirkung. Erſt nad jeinem Tode erſchien nod 1878 in Heft VIII diefer „Beiträge“ 
jeine — und liebenswürdig originelle Schilderung: „Die letzten Tage des Kar— 
thäuſerlloſters — eine Erinnerung aus den Tagen des Jahres 1848, wo M,, 
wenigjtens jo viel an ihm lag, ſich nach Mufbebung der thurgauiſchen Klöſter die größte 
Mübe gab, die wiſſenſchaftlichen und fünftleriichen Schätze vor drobender Verfchleuderung 
Kam Aber auch anderen Bereichen des heimiſchen Lebens jchenkte er feine fleißige 
badtung: jo ließ er fi im feinem Pfarrdorfe Gottlieben, deſſen Einwo e —— 
ſächlich dem Fiſcherberufe im Rhein und Unterſee ſich hingeben, über dieſe 
genau unterrichten, woraus die ſpäter, 1884, im Feuilleton der — 
66 zeitung“, Nr. 136—142, abgedruckte Abhandlung erwuchs. In einer jchon 1838 
nenen Brofchüre: „Die fchtweizerifche Mundart im Verhältnis zur bochdeutichen i 
prache aus dem Geſichtspunkte der a der Sprache, des U ts, der 
Nationalität und der Litteratur” mar M. den Verfuchen von Lehrern, die aus 
land gefommen waren, die Mundart aus der ſchweizeriſchen Schule und > ‚gilt m 
so perbrängen, entgegengetreten, und er erfreute ſich ber ermutigenden Aufnahme bes 


Mörikofer Mörlin 237 


—— — eines verſtändnisvollen Schrittes auf einer erſt viel ſpäter energiſch betre— 
tenen Bahn. 

Aber auf einen ungleich breiteren Boden begab ſich M. mit dem groß angelegten 
Werke, das er noch als Pfarrer in Gottlieben ſchuf und herausgab: „Die Schweizeriſche 
Litteratur des achtzehnten Jahrhunderts“, das 1861 erſchien und für das der Verlag von 5 
S. Hirzel in Leipzig gewonnen worden war. M. wollte hier, was Gaullieur für die 
franzöſiſche Schweiz verſucht, für die deutſche wiederholen, prüfen, wie es der Schweiz 
vergönnt geweſen ſei, bedeutend in das Geiſtesleben und die Litteratur Deutſchlands ein- 
zugreifen, trotz der mehrfach erſchwerenden Zeitverhältniſſe. Er hielt es für notwendig, 
das zu thun: „Die Kritik glaubte ſich berechtigt, das Ubermaß des perſönlichen Anſehens, 
das einzelne Schweizer des vorigen Jahrhunderts erworben zu haben ſchienen, an ihren 
Schriften zu rächen und dieſelben eine Ungunſt erfahren zu laſſen, welche mit der Aner— 
fennung der Beitgenofjen in einem grellen Widerſpruch Bene M. hatte durch einzelne 
Vorarbeiten, Klopſtock in Zürich im Jahre 1750 bi8 1751” (1851), „Heinrich Peſta— 
lozzi und Anna Schultbeß” (im Zürcher Tafchenbuch von 1859), feine Befähigung für 
diefe Aufgabe fchon dargelegt. In vierzehn Abfchnitten führte jet M. in dem größeren 
Buche, von Haller und Bodmer bis auf Lavater, Peltalozzi, Johannes Müller, die Ver— 
bältnifje vor, unter denen jene Schriftfteller fich heranbildeten, mie aus der perjönlichen 
Eigentümlichkeit, der Stellung der Einzelnen ihre Werke entitanden. Der bejonders viel: 
feitigen Verfönlichfeit Lavaters, die M. ſchon bier mit befonderer Eindringlichfeit erfaßt 20 
batte, widmete er noch in den legten Jahren vorzüglich feine Aufmerkſamkeit. Große 
Sammlungen hatte er fi aus den reichen ın Zürich liegenden Materialien biefür ange- 
legt und noch als legten Vortrag vor der antiquarifchen Gefellichaft im März 1877 eine 
Studie „Lavater im Verhältnis zu Goethe” vorgelegt (abgedrudt im Zürcher Tafchenbud) 
von 1878), ala der Tod daztoifcen trat. 25 

Schon 1819 batte aber ferner M., als Studierender in Zürich, bei Anlaß der 
Säfularfeier der Reformation, fi) vorgenommen, die Gefchichte diefer Epoche in die Mlitte 
feiner beabjichtigten hiſtoriſchen Studien zu rüden. Nabe perfünliche Beziehungen zu dem 
durch feine tiflenfchaftlichen Arbeiten bejtens befannten Schaffbaufer Kicchhofer (vgl. 
Bd X ©. 196) beitärkten ihm in dieſem Vorſatze. 1864 ließ M. einen die gejamte zo 
kirchliche Entmwidelung behandelnden kürzeren Abriß: „Bilder aus dem firchlichen Leben 
der Schweiz” vorangehen, der für das Verſtändnis weiterer Kreiſe wohl berechnet war. 
Tanadı ließ er, 1867 und 1869, das Merk über den Neformator der deutfchen Schweiz: 
„Ulrich Zwingli, nad) den urkundlichen Quellen“, in zwei Teilen, folgen. Es war die 
erite umfaſſende Biographie, die hier geboten wurde, und befonders juchte M., wie fchon 3; 
der Titel des Buches anzeigt, „Die vielumfafjende Lebensarbeit des Reformators in den 
notwendigen Zujammenbang mit den gleichzeitigen politijchen Ereignifjen Zürichs und ber 
Schweiz zu bringen“. Freilich hat feitdem Hubolf Stähelins feit 1895 veröffentlichtes Werk 
die Arbeit Mörikofers etwas zurüdgeichoben, zumal in den Abteilungen, wo der jüngere 
Biograph feinem Plane gemäp, den Theologen und den Denker ftärter zu betonen ges 40 
dachte. Doch noch brachte M. zwei weitere wohlgelungene hiftoritche Werke als Früchte 
feiner Studien. 1874 erichien als die am abgerundetften ic darbietende jchriftitellerifche 
Arbeit jein „Rulturbild aus der Zeit des dreikigjährigen Krieges“, das Buch „J. J. Brei- 
Anger und Zürich”, von dem Bd III S. 372-—375 bebandelten zürcherischen Intiftes, 
von den M. nur das zu weit gehende Übergreifen auf das Gebiet der politischen ragen 4; 

Er jo erfennt, wie das feither durch P. Schweizer in der „Gejchichte der ſchweize— 
üben Neutralität” berausgeftellt worden ift. Und 1876 folgte noch die mit berzlichem 
mmeren Anteil des Verfaſſers gefchriebene Würdigung eines großartigen Werkes der 
Barmherzigkeit in der „Geſchichte der evangelifchen Flüchtlinge in der Schweiz“. 

M. war bis in feine legten Tage eine höchſt anregende, liebenswürdig feine Per: zo 
lönlichfeit, deren lebhaftes Intereſſe an allem, was ſie bejchäftigte, aus dem ganzen 
Beien, den nod bei dem Greifen unvermindert fefjelnden Bli des Eugen Muges, der den 
Da halanaen Redeweiſe, hervorging. Dabei war M. von einfach Ichlichtem, an: 

sloſem Auftreten, in feiner ganzen Art zu denken und zu handeln von echter Reli: 
gioſität erfüllt. Meyer von Knonau. 565 


er 


0 


— 


5 


Mörlin (Möhrle, Möbrlein, Morlinus u. |. wm.) Joachim und Marimilian, 
Brüder und lutheriſche Theologen aus Wittenberg ftanmend und in den Kämpfen, die 
nach Luthers Tode entbrannten, tbätig. — Litteratur: Ein allerdings unvollftändiges Ver: 
zihmis. der Schriften Mörling giebt Wigand in feiner Vita Morlini. Nad) feinem Tode er: 


238 Rörim 
S’ılırzıetizer, Zeil, Königäberg 1576, Teil II 


N INN nam Arten LER rim Ueberarbeitung abgebrudt, 
- un ren mu im Sm. sm ze oe om ihn ſind gedrudi 
>. So. 0 Ma “er Dei 75 = den tortgejepten Samm: 


=... zz a7 Brzsiis Tom. Iıu II in 
Tr 2 nnd 272 anderes Handidrift: 


Ss * Be Tr 
. >» ewmer, d.e 2m Dekan m _ Eezersardhio) u. ſ. w. 
- emur nme, "nr zeben Seinen Fur —® Briefen Drei alte 
m Sirersrıcme amgedrudı in den rrriegten Sammlungen 
- meer 2.22 Vita Morlini von Sener= übel (Acta Borus- 
. ="; :z> Acta Borussica I, 149. Icis ®smmen M. Adami, 


—8 sun ame ziche RG III; SYarttnod, $:225.’De Rirchenpiitorie 
- uneie 2 Ser Bittenberger Baitoren & EZ. 12: Sms. Memoria Berkel- 
Sum, Suppl. hist. evelen. Saee XVI: Zi:z Dil. der Augsb. 
kr Ledrbegriũ. Zeil 4, 5, 6; Schröckh, FE set der Rei. Bd IV; 
= IV, Ps: Tolinger, Ref. IL, 453; reger. isntus Dh Iu.ll: 
. mag Albrecht und jeine Hofprediger 1859: Baitser, 3. Körlin, 
>. ser, Arnſtadi 1556, 1863, 40 (2 Programme): Tichadert, Sutel; 
«roa Iu. I: Koch, Briefwechſel Mörlins mir Herzog Albredt, alt: 
a 30 Heft 7 u ðV. 

e rie Wigand berichtet, mit Vornamen Jodocus und mar, ale 
J “run wurde, Magiſter in Wittenberg. Er wird als Trofeilor der 
m \ota Borussica II, 477). Gr jtanımte aus der Umgegend des 
BEER Da er in Wittenberg nicht fein Musfommen batte (pauperri- 
.. Spalatin de Wette I, 553) wurde Jodocus Mörlin Pfarrer zu 

u; bite Daß es ibm bier materiell viel” beſſer ging. 
aribret ſelbſt, daß er am 8. April 1514 geberen iſt (Mörlins 
srrreust Zeine Jugend war bei der Armut jeines Waters jehr hart. 
.. ur in zarten Jahren untergebracht, mußte cr megen der Bauern: 
er, ala er elf Jabre alt war -- mit feinem Bruder Marimilion 
. tube, Mörlin lernte das Töpferhandiverf und Marimilian mar 
en. AT Yebre, Nach Coburg zurüdgefehrt genoß Mörlm den Unter: 
a mrhite Wolfgang Söfeler und ging mit 18 Jahren nach Wittenberg, 
idieren. Mörlin jab als jeine Yehrer außer Yutber und Melanchtbon 
to. Im vierten Studienjahr 1536 murde er zum Magiſter pro: 
a dell Aufenthalte in Coburg begiebt ſich Mörlin ale (Erzieher von 
sun td Friedrich Schwall wieder nach Wittenberg. 1536 heiratete er bie 
weritsn Gordus und ZSchweiter jenes Zöglings. Den Vorſchlag, fich der 
. vreiben, lehnte er ab. 1539 wurde er Yutbers Naplar. Schon damals 
ar nenimgeberg ala Nachfolger Polianders in Ausſicht genommen worden, 
... u Wittenberg su bleiben. „Der heilige Dann Yutber bat zu ‘Pommes 
ori andern geſagt: habet ucht auf Dielen magistrum, wird jemand nad 
seh der Lehre treu und ſtandhaftig bleiben, jo wird es dieſer Mann thun“ 
„ca Fom. II, 477). Zum Tofter der Theologie wurde Mörlin in Wittenberg 
0 Zwei 1510, volente sanctissimo viro Luthero, wie Wigand fih ausdrückt. 
"on se zeitlebens feiner Herkunft aus Wittenberg frob geblieben. Er bat fich 
ne billig einen Zchüler Yutbers genannt, bat aber ſich auch jeiner übrigen 
.., Praweeptores gerübhmt. In feiner Togmatif iſt er vornehmlich von Me 
sit, zeigt Sich dagegen von Der Unionstreundichaft der Pbilippiſten voll⸗ 
ii Zein Eifern für Die Erſte Tafel, ſein Trieb zum „Strafen“, die ſtrenge 


=. Zuparationspflicht trennten ibn von den eigentlichen Philippiſten. Mörlın 
\ en tale am 22. Zeptember Wittenberg wegen des ardens odium phari- 
no anen babe und laetus nad Arnſtadt als Superintendent gegangen ſei. 


Br Dada pn der Ruf verſchafft. In Arnſtadt entwickelte Mörlin eine große Thätig- 
ale viel ſittlichen Ernſt und unerichrodenen Wut. Darum mar feine Wiri⸗ 
ann Aruſtadt als Pfiarrer und Superintendent auch nur fur. Eum excutiunt 
Par “th bemerkt Wigand. Von Luther hat Mörlin die Heiligkeit der Straf und 
ivpilicht gelernt und verfiuhr demgemäß, mie ſeine in der Poſtille erhaltenen 
—W beweiſen. gegen Das Volk und auch genen ſeinen Landesberrn, Den Grafen von 
nethlige Da beſchloß Der Yandesberr die Vertreibung Des unbequemen Mahners, 
"nnd Rorbaltungen machte. ale er vorſchnell um etlicher Fiſche willen einen 
Und halle aufhängen laſſen. Die Vittſchrift der Gemeinde wurde vom Grafen ab: 


Mörlin 239 


ſchlägig beichieven (Acta Borussica II, 383). Im übrigen verfuhr der Graf mit jchtwäch- 
licher Nacht. Zu Martini 1543 batte er Mörlin abgejegt, ließ es aber zu, daß der- 
jelbe noch bis Dftern 1544 in Arnſtadt predigte und amtierte. Yuther bat fich in dieſem 
Streite durchaus auf Mörlins Seite geftellt, deſſen Zuchternft feinen Anjchauungen ent= 
ſprach. Er fchrieb an die Bürger von Arnſtadt, feparierte fi) vom unbußfertigen Grafen 5 
und tröftete Mörlin. Diefer mußte einen neuen Wirkungsfreis ſich ſuchen. Johann 
Friedrich von Sacien bot ihm eine Hofpredigerftelle an, Luther empfahl ihn Amsdorf 
al® Pfarrer nach Naumburg. Während diefer Verhandlungen ſah Mörlin Luther zum 
legtenmal. 1543 ſagte er dem heiligen Luther reverendo in Christo patri et viro 
Dei Lebewohl. Die legten Worte des Neformators an ihn waren: „Lieber Dr. Mörlin, 10 
thut nit forgen. Ste werden’d vwerfuchen, der Kaiſer und der Bapft, sed frustra. Nostri 
hoc facient. Hie wehre ich den Antinomis und draußen wachſen jie mir dieweil über 
den Kopf.“ ande Nachrichten 1734 ©. 371ff.). 1544 wurde Mörlin vom Göt- 
tinger Rat brieflih zur Superintendentur berufen. Am 10. Mai 1544 traf Mörlin in 
Göttingen ein. Seine uns erhaltenen Predigten der Göttinger Zeit beiveifen es, daß er 16 
für reine Lehre und reines Leben eiferte, daß er wirklich au Befehrung drang und mie 
in Arnſtadt großen fittlichen Ernft bewies. Ein Denkmal feiner Tatechetifhen Thätigfeit 
iſt fein 1544 erjchienenes und der Herzogin Elifabeth gemwidmetes enchiridion cateche- 
ticum. Als Superintendent hatte er manche Kämpfe zu beitehben (Stuß ©.241 ff). An 
der Lateinfchule unterrichtete er in der Rhetorik und erflärte die copia verborum et % 
rerum des Erasmus. Auch hielt er Vorträge über die loci Melanchthons (Göttinger 
Zeit: und Geſchichtsbilder III, 1, 6. 8). Der fchmaltaldiihe Krieg und das Interim 
machten feiner Wirkſamkeit in Göttingen ein rühmliches Ende Mörlin mar entichloffen 
nicht im mindeften dem Interim fich zu fügen. Mit feinem Freunde Antonius Corvinus 
pulammen protejtterte er fchriftlih und mündlih gegen die Unionspolitif Karla V. Val. 26 
ichadert, Antonius Corinus, und Mörlins Briete an feinen Bruder Marimiltan, Un: 
ſchuldige Nachrichten 1735, ©. 409, worin er in der fchärfiten Weife jede Einmifchung 
der Fürften in Glaubensjachen verdammt und jede Nachgiebigfeit in rebus adiaphoris 
perborregziert. Er hat nach feinen Worten gehandelt. Der Rat, der ja innerlih dem 
Interim wenig hold war, ließ ihn gewähren, der Herzog aber befahl dem Rat im De- 30 
ber 1549, den Doktor auszutreiben. Rat und Gemeinde treten wiederholt bein Herzog 
ür ibn ein, „da die Bürger fteif am Doktor bingen”, aber der Herzog wies nicht nur 
ihre Geſuche ab, er gewährte Mörlin nicht einmal freies Geleit. Am 17. Sanuar 1550 
vom Hate entlafjen, mußte er aus der Stadt weichen, aber die Herzogin-Mutter Elifabeth 
forgte dafür, daß er ohne Schaden davonkam. Von Münden fchidte fie einen Edelmann ss 
mit 14 Reitern nach Göttingen, der ihn per loca invia nad) Erfurt geleitete, wo er 
vor Herzog Erich und den Spaniern vorläufig fiber war. Bon Erfurt begab fih M. 
nach Arnſtadt, das er aber wegen der unfichern Haltung des Grafen von Schwartzbur 
bald verließ, um in Schleufingen beim Grafen von Henneberg — die Herzogin Elitabeth 
batte ihn an den ihr nabeitebenden Grafen empfohlen — ein Afyl zu finden. Er 40 
wohnte im Schloß und predigte daſelbſt. Seine Familie folgte ihn. 

Wie manchem anderen Opfer des Interims wurde auch Mörlin eine Zufludt in 
Preußen, das ftaatsrechtlich nicht zum deutſchen Reiche gehörte, geboten. Die Herzogin 
Eliſabeth hatte ihre Tochter an Herzog Albrecht von Preußen verheiratet und empfahl 

in aufs wärmſte ihrem Schwiegerſohne, der auch gern auf ibre Wünfche einging. & 
Am 25. Augujt 1550 verlieg M. Schleufingen und traf am 13. September in Könige: 

ein. Man hatte ihm die Superintendentur in Preußifch-Holland übertragen wollen, 
da aber Albrecht, dem er gefiel, ihn in Königsberg behalten wollte, jo twurde Hegemon 
bewogen, die Stelle am Kneiphöfer Tom aufzugeben und zur Löbenichter Kirche überzu: 
geben. Diörlin wurde die dergeſtalt freigemacte Stelle jamt der Infpeftion über: co 
tsogen (27. September 1550). Damit wurde er in den ofiandriftifhen Streit binein- 
gezogen, denn neutral zu bleiben war ihm einmal nicht gegeben. 

Andreas Oſiander (ſ. d. A.) hatte wie alle andern aud religiös und theologiſch von 
Luther gelernt, verhielt fich aber gegen die herrichende melanchthoniſche Dogmatik durchaus 
ablebnend. Seine eigene Rechtfertigungslehre hatte er als Weiterbildung der lutberiichen 55 
—— Er wußte, daß er von Luther abwich, auch ſeine Freunde wußten es, aber 
icht ohne Grund konnte er auf ſeine Verwandtſchaft mit Luther hinweiſen und die me— 
lanchthoniſche Rechtfertigungslehre als unlutheriſch hinſtellen. So lange Luther lebte, war 
die ſachliche Differenz nicht in die Offentlichkeit getreten. Das wurde anders als Luthers 
Tod und Melanchthons Verquickung mit dem Interim die Bahn für Oſiander frei machte co 


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210 Mörlin 


mb gı ven feiner Meinung nach richtig gedeuteten Yutber gegen Melanchtbon zu ver: 
teten und damit Die herrſchende Yebre zu beitreiten begann. 

Mu Vſiander feine ‘Propofitionen von der Neditfertigung am 21. Oftober 1550 ver: 
lewiſtle, wehnte Mörlin Diefer verbängnisvollen Disputatton jchmeigend bei. Der Streit 
bielt ſile noch in Den Grenzen Tollegtaler Urbanität. Mörlin felbjt verkehrte viel mit 
Thander und fand ganz richtig Den Punkt beraus, worin Oſiander mit Luther überein: 
ſtünmte (val. Vſiander an Morlin abgedrudt Grläut. Preußen III, 306 ff.). Er galt 
deobalb ber vielen fur oſiandriſch. Als aber Ufianders Schrift von der Menſchwerdung 
We oben Gottes und dem Bilde Gottes erichien, wurde Mörlin bedenklich. Die Diffe— 
eng zwnchen dem. was er don Den Wittenberger Präceptoren gelernt batte, und mas 
andrea verirat. wurde ihm klar. Uftanders Schrift „Bericht und Troftjchrift” mit feinem 
deitigen Angrüj aui Melanchthon. nor Sins ‚euer. Mörlin beſchwerte fich darüber 
aurꝛ Februar 1551 beun Herzog Alb oc, aber mit jo viel Pietät, daß ber Fürſt ihn 
Vo vedren Vermittler aniabh und ibr Den Auftrag erteilte, mit Aurifaber, Oſianders 

Sir Tortssen zu venummeln und die Eintracht berzuitellen. 
De tilsntet amt Due IT. nozuss sechsten, daß Mörlin es mit feinem Friedens⸗ 
wet wittich ernit nah un) nel zerech: su werden ſich bemühte. Dagegen war Sta⸗ 
yoyasp den Jeinde der Wettenberaet azamn Die Berbandlungen wurden danach fchriftlich 
I IRL TER TE Be 1 U TB us SR —S mu 


Der Autilozia set voätraria Jovtrina inter Lutherum et Osiandrum der 


—XWW Ba Tu ze 7 War ale Unparteiiſcher übergab, erllärt O. 
dern RE EN BEN 145 ULOLLINT mie rinen, Morlin wurde immer bedenklicher, 


oerb Aubied Ne ERSEER oz wre U. Marl 15519. Albrecht war erfreut, dab 
Yon der yes ynz is TI 0 Brei ts 17 beivobnen mollte Mörlin 


ta DE NDERLD GN mp HTT aan Briefe an O. Er vermißte in ber 
Ve de ANWENDEN Sons Jr re Geborſams, Leidens und Ster: 
er Sao SD Ion brwfss wurhe DIIurD SD Aerun. daß Mörlin am 19. April 
——— sredigte. O. bezog dieſe Polemik 
nt un, Nsr ker Sörrnar Tan tb au Mörlin, an deſſen Bekeh⸗ 
DD SF Run) Sn oma unlichern Freundes zu haben. 
To sec, ofnr amt han am Zu Je dꝛi „Nezreibendeng zu Neubaufen dem 
Nano. og Sun marnte und au on Nom Sinne and. ſchrieb. Oſiander 
on uns NEE nur Dt winlensiitier — Ser zu feinem Richter ſich auf: 
rn a MET re Zur, daß guch De örtlichen Verbandlungen aufbörten. 
Venlo. Nah au ur Yun Allbredsse S:tancarus, Profeſſor Der hebrãiſchen 
"ee zn sr burn much mit nem Kounoguium beginnen konnte, fubr der 
No, nn Van ie, Mat Tarın. Tie Theoteagen wurden wegen ihres gegen- 
0. Duirianne acalatonae Tijiander angewieſen. seine Lehre ſchriftlich darzulegen, 
ons Salzen Lann fu aleiche tbun. Tfrander fublte ſich gefräntt und zögerte. 
\ 


vos zn Merlot oem gen ten vor Am 27. Mai predigte er gegen U.  Teufele- 
nn rn Harte. 2, blieb ihm nichts ichuldig auf Katheder und Kanzel. Die fach: 

Degen wurde su pelonlidet Feindſchait geiſteigert. Beide Parteien glaubten für 
.. ET: il zu eifſcen. Ter Herzog underte jegt offenbar auf O.s Wunſch ſein Mandat 
“oo Dip auch die Gegner Los ihr Velenninie ichriftlich aufzuſetzen hatten. Mörlin 
ruhe dawider, mußte aber gehorchen und begnugte ſich mit einigen Worten über 
Ru rrcbugkeit ki: olaubens und Den unſchuldigen Schweiß Chriſti (9. Juni). 

Zwei weitere Mapregelt Des Herzogs reisten Morlin und ſeine Freunde zu leiden— 
aıntliber Oppoſition. Cr übertrug Cftander als Sixepräfidenten Die Verwaltung des 
legten Bistums Samland und erklärte Mörlin, Hegemon, Benediger, Stancarus und 
tupbilus, Daß er, mubden alle Vermittelungsverſuche geſcheitert ſeien, jich an Das Urteil 
ArKirche wenden wolle. Oſianders Bekenntnis vom eigen Mittler folle gedruckt werben 
und fie bätten Dann Darauf zu antworten. Erfolge feine Eimigung, fo jollten aud 
ibre Bekenntniſſe gedruckt un dem Urteil der Nirche unterbreitet werden. Das Schmäben 
hi ernſtlich unterſagt. Tie Antwort der Theologen war für Mörlin jebr charakteriſtiſch. 
Zi ſahen Oſiander als überführten Irrlehrer an, bielten ibn als Neger ipso facto 
abgeſetzt und unfähig des Amtes. Sie weigerten ſich, ihn als Verwalterpräſidenten an⸗ 
zuerlennen. Den Appell an die Kirche hielten fie für eine Verſchleppung Eine freie 
Synode ſolle entſcheiden (21. \ult). 

Mörlin that nach dieſen Worten. Er predigte gegen O. und erklärte keinen, der O. 


wanbing, als Tauſpaten dulden, zum Abendmahl zulaſſen und chriſtlich beerdigen zu 





Mörlin 241 


wollen. Er und ſeine Freunde legten ſich auch das Recht bei, ohne den Verwalterpräſes 
zu ordinieren. Sie etablierten ſich alſo als kirchliche Nebenregierung. Ihre Eigenmächtig⸗ 
keit wurde ihnen von Albrecht verboten (12. Auguſt) und ihnen zugleich die Konfeſſion 
O.s überſandt. Ungeleſen haben die Theologen ſie zurückgeſchickt. Die Führung im 
weiteren Streit übernahm Mörlin durch Abfaſſung einer Widerlegung der Oſiandriſchen 
Konfeſſion. Oſiander ſchwieg natürlich auch nicht. Der Herzog ſah, daß der Appell an 
die Offentlichkeit der Geſamtkirche nötig war und überſandte die Konf. O.s den Fürſten 
und Städten Deutſchlands, das Urteil einer Synode ſich erbittend. Oſianders Stellung 
in Königsberg wurde dadurch nicht gebeſſert. Mörlin gewann in Königsberg und im 
Yande immer mehr Boden. Auch die Herzogin neigte zu Mörlin, der einen baldigen 10 
Sieg erwartete. Die Judicia der außerpreußiichen Kirchen, welche Albrecht fich erbeten 
batte, fielen meift gegen DO. aus, weswegen der Herzog fie nicht publizieren ließ. Natürlich 
blieb das M. nicht verborgen. Seine Siegeszuverficht und fein Anhang verſtärkten ſich. 
Brenz (j. d. A. Bd III ©. 376) nahm eine Mittelftellung ein. Das Judicium feiner 
Württemberger mahnte daher zum green und zur Liebe, die melanchthoniſche Majorität 16 
fand um jo feiter hinter Mörlin. Diejer behauptete dreiſt, Brenz und die Württemberger 
bätten O. mißveritanden und ftünden auf feiner M.s Seite. Mörlins Streitichrift von der 
Rechtfertigung des Glaubens wider die neue verführifche und antichriftliche Lehr Andreä 
Oſiandri Königsberg 23. Mat 1552, erichien jebt auch gebilligt von Hegemon und Be: 
nediger. Genial ijt fie nicht, aber eine flare Darlegung der für orthodor geltenden wit- 20 
tenberger Nechtfertigungslehre mit fräftiger Hervorhebung der Differenz, die zmwifchen ihr 
und der Lehre Oſianders beitand. 

Dieſe Schrift wurde fofort v. O. in einem Pamphlet für fchelmifch und ebrendiebifch 
erklärt. Man konnte fich nicht mehr verftehen. Die Juriſten, vor allem der befonnene 
Rat Köterig, mahnten den Herzog zur Vorſicht. Dfiander drängte dagegen a energifchem 25 
Vorgeben. Mörlin verlangte die Eröffnung der noch immer geheim gehaltenen Judicia 
und Erlaubnis gegen Oſianders „Schelmen” eine Entgegnung zu druden. Im Juni 1552 
predigte Mörlin über Rö 11, 33 ff. und warnte vor Spelulationen über Gottes un: 
ertorfchliches Weſen. Die Spite war gegen D. gerichtet, der auch fofort in einem Send: 
briefe gegen M. losichlug und in feiner leidenichaftlichen Streitfchrift „Schmeckbier“ mit zo 
jeinen Gegnern (Mörlin, Roting, Waldner, Menius, Flacius, Gallus u. f. mw.) Gericht 
bielt. Immer kleinlicher und rüder wurde der Kampf geführt, immer gereister auch der 
gütige, ernitfromme Fürſt. Er rügte Mörlin wegen feines Ungeborfams und drobte ibm 
mit Abjegung (15. Juli 1552). Mörlin antwortete ehrerbietig aber feit, feine Sache fei 
Gottes Sache, O. zu befämpfen jet feine Pflicht. Unterdeſſen lief das zweite Bedenken 35 
der Württemberger ein. Der Herzog fandte es feinen Theologen zu. Wer dieje chrift: 
lihen, der Eintracht dienlichen Artikel annehme, bei dem molle er fteben und bleiben, die 
dawider Handelnden aber nicht leiden. Mörlin fand, daß Brenz feiner Meinung var; 
Cftander nahm gleichfalls Brenz für fih in Anſpruch. Dagegen forderte. von D. eine 
runde Revokation feiner Irrlehre. So blieb der Zwiſt zwischen Ofiander und Mörlin 40 
beitehen, beide Parteien juchten den Herzog zu Gewaltichritten zu bewegen und trauten 
den Gegnern Anſchläge auf ihr Leben zu. Dfianders Erfranfung wurde in der roben 
Reife der Zeit als Gottes Strafe angeſehen. Mörlin meinte, Gott wirft Oſiandrem in 
onen Winkel, daß er ftürzt und kehrt alle Vier dahin. Am 17. Oftober 1552 ftarb 
finder, vom Schlage getroffen, ruhig und friedlich. 3 

Oſiander ftarb als Befiegter. Die neue auf melandtbonifcher Grundlage ſich empor: 
arbeitende lutheriſche Orthodorie fchritt über ihn binweg. Mörlin fam dem großen Gegner 
an Gaben nicht entfernt gleich, aber er vertrat ibm gegenüber den lutberifchen Gommon- 
ſenſe energifch und überzeugungstreu. Seine fiegende Sache trug ihn empor. Er bat 
m diefem Kampfe ehrliche Liebe zum Evangelium, jowie er es veritand, und großen Mut 50 

tiefen. Die Waffen, die er führte, waren aber oft genug mit Nobheit vergiftet. Gr 
war völlig außer jtande, in D. einen Glaubensgenoſſen zu feben. 

Die Friedenspolitit des Herzogs, welche jo viel zur Schürung des Haders beigetragen 
batte, follte ſich auch ferner als unbeilvoll erweisen. Die württemberger Deklaration, 
welche beide Parteien in ihrem Zinne gedeutet hatten, fchien ihm als Unioneformel aut 55 
au ſein. Er erließ ein Ausfchreiben, an alle Stände und Rirchendiener (24. Jar. 1553), 
worin er befabl, von der Rechtfertigung nach den 6 württemberger Artikeln zu predigen, 
den Predigern aber, und fonderlib Mörlin, das Schmähen, Läſtern, Meutern u. |. w. 
bei fchwerer Strafe unterfagte. Er trat damit für Oftanders Zache und Freunde ein. 
San Boll hatte er nicht hinter ſich. Die Uppofition war allgemein. Die Eleineren co 

Real»-Enchklopäbie für Theologie und Stirche. 8. U. XIII. 16 


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242 Mörlin 


Städte proteftierten gegen das Mandat, nur Raftenburg mit feinem ofiandrifch gefinnten 
Pfarrer Neldius ſtimmte zu. In Schippenbeil predigte Marshauſen, Mörlins ;Freund, 
offen dawider. Tie Altitadt von Nönigeberg, wo Lfianders Andenken lebendig war, 
zeigte jib mit dem Mandate einverjtanden, Die Bürgerjchaft der beiden anderen Städte 
(Rneipbof und Yöbenicht) jamt vielen Univerfitätslebrern verbielten fih dagegen ablehnen. 
Der Rektor Pontanus und einige andere wurden dafür abgeſetzt. Albrechts ganzer Zorn 
aber richtete ich gegen Mörlin, den ſein Mut ſehr erponiert batte. Mörlin hatte ſchriftlich 
den Herzog zu überzeugen gefucht, Daß Brenz nicht für, fondern gegen Oſianders Yebre 
jet und alles aufgeboten, um den Erlaß des Mandates zu hintertreiben. Albrecht blieh 
feit, Das Mandat erſchien. Ta betrat Mörlin am Sonntag Ejtomibi die Kanzel. Er 
Schärfte die ‘Pflicht der Untertbanentreue ein und warnte davor, in Neligionsfachen Auf: 
rubr zu begeben. Tas Mandat aber dürften jie bei Verluft der Seligkeit nicht befolgen. 
Es ſei nicht vernünftig noch menjchlich, jondern des Teufels Angeben jelbi. So lange 
er jeinen Mund regen fünne, werde er dawider predigen und lieber alles leiden als ge 


5 borcben. 


Mörlin konnte gar nicht anders handeln. Mit feiner Perſon trat er für das hohe 
Hecht der Kirche ein, ihre Glaubens: und Yebrfämpfe frei auszufechten ohne irritierend: 
moderierendes Eingreifen der weltlichen Gewalt. 

Des Herzogs eigener Bruder, Markgraf Milbelm, Erzbifchof von Riga, batte dieſe 
Predigt mit angehört. Zu erfuhr Albrecht alles. Er trug dem Überburggrafen Chriſtoph 
von Creytz auf, den Mörlin auazutreiben, denn er babe ibn berufen und fünne ibn aud 
ſchweigen beißen oder beurlauben. Mörlin reichte dem Rate der Stadt Aineipbof am 
16. Februar feine Entlaflung ein und reifte am 19. Februar, am Sonntage Invocavit, 
ab. Zeine ſchwangere Frau und jeine Rinder ließ er noch in Königeberg, er ſelbſt aber 


>; juchte ein Obdach in Danzig. Er wollte feine Entlaffung nob nicht für definitiv an- 


jeben, jondern ertvartete eine baldige Rückberufung. Der Kneiphöfſche Wat bezablte ibm 
die Heifefoften und gab fihb Mühe, eine Jurüdnabme des Ausmweifungsbefebles zu er 
wirken. Cine Zupplif der Bürgerjchaft pries Mörlin als einen reich mit beiligem Geilte 
begabten Wann, rühmte jeine Almtetreue, befonders in der Kinderlehre, feine Mohltbätig- 
feit, feine Yopalität ale Untertban des Fürſten. Man beflagte die Feindſeligkeit des fonft 
jo gütigen und gerechten Yandesberrn und bat, daß man ihnen den Mörlin laſſe. Die 
Schöppen übermittelten dieſe Zupplif Dem Rate, der fih nun jelbjt bittend an den Herzog 
wandte. Albrecht ließ jich nicht erbitten. Ebenſo vergeblich war die Supplif, welche die 
rauen und Jungfrauen nicht bloß des Aneiphofes, jondern ganz Königsbergs, an die 
Herzogin richteten. Da beſchloſſen die Freunde Mörlins den moraliſchen Druck zu ver: 
jtärfen. 400 Perſonen mit ihren Nindern begaben jihb um 8 Uhr in Prozejlion auf 
das Schloß und warteten auf den Herzog, der in der Altitabt dem Gottesdienfte, den 
Funck abbielt, beivohnte. As er auf die Brüde gefahren fam, erfolgte ein joleınner 
Kniefall der Zupplifanten. Drei von Adel und etliche „ehrbare“ Frauen übergaben ibm 
eine Bittichrift. Albrecht mweift fie ab. TDarob großes Weinen und Klagen der enttäufchten 
rauen und Kinder, welde das Yied „Ad Gott vom Simmel fieb darein und laß dich 
dep erbarmen“ u. ſ. w. anftimmen (27. März 1553) Aus einem Briefe des Juſtus 
Menius, der aus Sachſen als ‚sriedensitifter nach Preußen berufen worden war, an Mörlın 
(Acta Borussica, Tom. I, 185) ift zu erjeben, Daß er den ‚sürlten vergeblich gebeten 
batte, den Verbannten auf einen Tag zu feiner ihrer Entbindung entgegengebenden Frau 
kommen zu laſſen. Da Mörlin Die Bemühungen feiner Freunde alle fcheitern ſah, mandte 
er ſich ſelbſt in zwei Briefen am 29. April und 9. Mai an Albrecht. Der Fürſt blieb 
bei jeinem Entſcheid. Jetzt ſah Mörlin jene Sache ale verloren an und mar entjchlofien, 
ſich emen neuen Wirkungskreis zu ſuchen, nadıdem er den Kneiphöfſchen Nat um feine 
definitive Entlafjung gebeten batte. 

Bald bot ſich ihm ein neuer Wirkungskreis. Braunſchweig und Lübeck warben um 
die Dienjte Des tüchtigen Mannes. Die Vokation des Braunfchweiger Rates traf früher 
ein und wurde angenommen Weil er ih den Braunſchweigern gegenüber gebunden 
hatte, mußte er Den Ruf des Grafen Poppo von Senneberg:Schleufingen, der ibn als 
Superintendenten nach Schmalkalden bringen wollte, ablehnen. Am Tage St. Jacobi 
traf Mörlin in Braunſchweig ein mit den ſehnlichen Wunſche: Facit Deus ut tandem 
in hoc nidulo eum ipsius gloria possim consenescere. 

Fur Morlins theologiſche Stellung war es wichtig, daß 1554 auf feinen Wunſch 
Martin Chemnitz zum Nachfolger Heinrich Winckels und zu feinem Koadjutor gema 


vo wurde. Beide Männer waren als Melanchthonianer, welde die Lehren des Meiſters mit 


Mörlin | 213 


Luthers Sägen forrigierten, einander wahlverwandt und fonnten in den theologiſchen Hän— 
dein der Zeit zufammengehen. Als Freunde und Genofjen baben jie lange zujammen- 
gearbeitet. Mörlins Thätigkeit in Braunſchweig war energifch und durcdhgreifend. Der 
Augsburger Religionsfriede gab die Möglichkeit, das Iutberifche Kirchenweſen zu befeftigen. 
Um „fih nicht fremder Sünden mitjchuldig zu machen“, wurde bejchlojfen, Saframente- 
verächtern das chrijtliche Begräbnis zu verfagen. Tas war nit als Strafe im recht: 
liben Sinne, fondern als ein Akt der Separationspflicht gedacht. Ein Edikt des Rates 
verbot auch die Teilnabme an katholiſchen Geremonien und das Bejuchen der katholiſchen 
Orte, was auf das Vorhandenfein katholiſcher Reſte Ichließen läßt (Rehtmeyer III, 223). 
Für die Geiftlichen jener Superintendentur fette Mörlin 1557 leges pro ministerio 
Brunsvicensi auf, welche alle Geijtlichen bei ihrem Amtsantritt unterjchreiben mußten. 
Chemnitz verbollitändigte hernach diefe leges. Ebenſo beitimmt mie dem Katholicismus 
gegenüber wurde das lutberiiche Kirchentvejen mit den Mitteln zeitgemäßer Intoleranz 
gegen das Eindringen der Reformierten feitgehalten. Das erjiebt man aus dem Fall 
Glotb. Der Bürger Henning Cloth, auch Elodius genannt, machte ſich des Calvinismus 
verdächtig und Mörlin verweigerte ihm das Abendinabl. Cloth war Witwer und wollte 
fich wieder verheiraten. Mörlin verjagte ihm mit Zuftimmung des geiſtlichen Miniſte— 
riums die Trauung, bis er jeinen Irrtum abgetban babe. Ta Cloth ſich dazu nicht 
entichloß, wurde er von Rate als sacramentarius verurteilt und am 1. Lftober 1555 
aus der Stadt ausgewieſen. Glotb bat fünf Jahre jpäter feinen Frieden mit Mörlin 
und Braunschweig gefchloffen. Er widerrief feine frübere Konfeſſion, leiftete Abbitte, 
wurde in die St. Martind-Gemeinde wieder aufgenommen und feine Verbannung wurde 
aufgehoben (1561). 

Im Jahre 1564 verhängte der Nat von Braunſchweig, daß das corpus Doctrinae, 
von allen Theologen zu unterjchreiben war (ſ. BPIV S.295 1ff.). Bis 1672 wurden die 
Braunfchweiger Theologen auf dieſes corpus verpflichtet. Mörlin und Chemnitz billigten 
dieſe Einrichtung und werden fie mit veranlagt baben, um unter ihren Paſtoren die Yebhr: 
einbeit zu fihern. Der Bederiche Handel zeigt, daß das corpus doctrinae fein toter 
Buchſtabe war. ob. Beder, Paſtor in Braunſchweig, batte das corpus unterjchrieben, 
war aber den Galviniiten in Bremen zugetban und verteidigte Majors Yehre. Er wurde, 
da er feit blieb, zur Abdanfung genötigt. 9. April 1966 reijte er nach Bremen, febrte 
nach Braunfchweig zurüd und wurde ausgewieſen. 24. April 1566 verließ er die Stadt. 

Während Mörlin und Chemnitz in Braunfchweig mit Emjt und Eifer ein lutberi: 
ſches Kirchenweſen errichteten, waren fie in den Streitigfeiten, die damals die Yutberaner 
zerriſſen, und den Angriffen der Galviniiten gegenüber auch nicht müſſig. Als einer vom 
rechter Flügel der Melanchthonianer iſt Mörlin durchaus frei von kryptocalviniſtiſchen 
oder ſpezifiſch philippiſtiſchen Neigungen, aber er war trotz ſeiner polemiſchen Härte einer 
von den Gemäßigten und Vermittelnden, welche den Frieden und die Verſöhnung wollten. 
Er wollte dem Frieden dienen und hat ihm gedient. 

Eine Epiſode bildete die Verwerfung des Schwenckfeldianismus durch die Braun— 
Kbweiger Prediger (14. Februar 1556). Mörlin verfaßte dieſes Gutachten. Schwenckfeld 
ft für ibn ein toller Teufel. Für diefen geiſtvollen und tiefſinnigen Myſtiker und Spiri: 
tualiften fehlte den Yutberanern damals jedes Verſtändnis (Zalig III, 750). Als Ber: 
trauensmann der niederſächſiſchen Stände hat Mörlin in die Bremer Händel eingreifen 


müflen. Um den Streit zwiſchen Timann und Hardenberg beizulegen, berief der Nat — 


von Bremen Eitzen-Hamburg, Bedern-Stade und Mörlin (1556). Vgl. über den Fort— 
gung und Mörlins Beteiligung den Art. Hardenberg Bd VII S. 414f. Es kam nichts 
dabei beraus. 

In den pfälziichen Handel griff Mörlin durch feine Streitfchrift „Wider die Land» 


lügen der Heibelbergifchen Theologen 1565“ ein. M. jtellt ſich durchaus auf Heſhuſius'— 


Seite, der ja in der Sache Recht hatte. Er rühmt Cheinnig, aber auch von Melanchthon 
will er nicht laſſen. Das Vrotofoll der Maulbronner Disputation batte ibn mit der 
Bebauptung Hardenbergs bekannt gemacht, „daß Yutberus vor jenem Tod der beilige 
Gottesmann, als er nach Eisleben reifen wollte, zu Melanchtbon gejagt babe, daß in 


Eaben vom Sakrament zu viel getban iſt“. Nicht der wirkliche, ſondern der gedichtete 5; 


Philippus babe das gejagt. Wie Korah, Datban und Abiram fich wider Moſes em: 
pörten, jo empörten jich Carlſtadt und Zwingli wider Yutber, den Mann Bottes. Heute 
wifien wir, daß und in weldem Sinne Yutber jene Worte gejprocden bat, Mörlın 
mußten fie um ihrer falfchen unioniftiichen Deutung willen apokryph erjcheinen (vgl. 
Haugleiter NEZ Bd IX, 831 und X, 199). 

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35 der Jenenſer Theologen die nee eine lutheriſche Generalſynode 
zur ung der — —* — der Weimariſchen 
ebenf —* (Die Sefhufius bey see sie 5*2 —S 
o wenig wie pro er sbearif 
— aber er bat auch ernftlic für die Mechte bei Pfarramtes der ſtaatskirchlichen Bureau: 
40 fratie gepenüber jeine Stimme erhoben. Gr flagte: die Fürſten wollen —— und 
— bei Mintfterium ibrem weltlichen —— den Sockel aufs dem Juſtinian 
—— Der Satan wolle geiſtliches und weltliches Amt, die heine voneinander 
get wiederum vermiſchen (Salig III, 646). Seme Anſichten bat er in ſeiner Franz 
rshauſen gewidmeten Schrift „von dem Berufe der Prediger” a . 
4 Er iſt Staatskirchler nicht im Sinne Melanctbons, jondern des päteren Luther. 
Gott beruft die Prediger durch Mittel d. b. durch die Kirche (Pfarrerjchaft) und die Dbrig- 
feit (Staat und Kommune). Nur den rechtmäßig Berufenen_joll man hören. Der P 
bat die potestas ordinis et jurisdietionis. Er joll Obrigfeiten und I 
treulich einzureden juchen, fie aus Gottes Willen des Beſſeren berichten, wie die 
— für die Bedrückten und Waiſen eintreten. Die Obrigkeit hat ins gei 
egiment d. h. im die Kirchenzucht nicht zu miſchen. Die D eit ift bierin Nullus 
und bie Pfarrer follen willen, daß fie micht Büttel oder Stab * er Sie follen 
über reine Lehre und reines Leben wachen Papiſten und Schwärmer joll I die —— 


nicht leiden, ſondern abſetzen und hinausſchaffen. Sie ſoll nach der richten und 
56 * en. Die Abſetzung eines rechtichaffenen Lebrers iſt eine Nullität. Er —* gar nicht 
t werben. 


Eine hervorragende Rolle ſpielte Mörlin auf dem Lüneburger Konvent (Juli 1561) 
ber niederſächſiſchen Theologen, der zu dem Frankfurter Nezejie *7* den Beſchlüſſen des 
Naumburger Fürſtentages Stellung nahm. Die zu Lüneburg ehe Belenntnis- 

oo schrift „Erklärung aus Gottes Wort und kurzer Bericht der Artikel u, ſ. w.“ "hatte Mörlin 
























































| Er 
en, nl Nah km 155 jtarb und der nunmehrige * 
des ‚gefangenen Herzogs —— in — inter. einfete und 


derjelben Intoleranz. Mörlins vermittelnde 
örlin bat an feinem Teil an dem Zuftande 
gearbeitet, * an dem li giſchen und 35 


De Ar ara = 
tenmal. 1584 den 20. * fe M. in in harter —* 
Fear sch änkter aber immer | | der, Jracın Mor M) 


* Confessio orthodoxa, geſt. 1647. — Littera ture as 
u au aenuenden Ausgaben der Confessio und die Symboliten, 
0 it der Q hiirhe, 1872 umd Sattenbufc, rg ber. ne 32 
1802; De us, Graecia 01 2, 36* 
ph ellı que ch dixsepti&me sidele, | 4 Bi 1894 —1 
NM 5 er aber aud) an anderen Stellen, namentlich ei 50 
n ber Im einzelnen La perpetuit& de In foi de 
tie, Ausgabe von —* 1781, Bd III, ©. 609-611, 
a rt ch daburd als er) -firchen: 
n i als ein univerjell 
ic fie diejenigen Teile der Kirche, welche fie nicht um: 55 
Erwägung und Sicerftellung ihrer bisherigen 
Erſchunerung auf die abendländiſche e, Die 
e, um der andbringenben Macht q jen zu jein, 
Gegenden bes Oftens. Die griechiſch-morgen⸗ 
jreifenden reformatorifchen Bewegung damals 6o 





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| — He teen 


aber wollte ibm —* —* ſtehen und ſie 
gekomn — umzubringen. Dem kranken Meiſter war — — — 
Schüler ein Greu⸗l. mußten Mörlin und Chemnitz wieder 





* acius ſi unbedingt identifizierte. Er konnte ſi wenn es ſeine 
wa —* m entſcheiden. Auf dem — ad, em E 
tember 1557) geht er nod mit Flactus und den Weimarer zuſammen. 
verlangt wie ſie eine unumwundene eher aller wider bie — Aug. ſtreitenden 
—— und erſchien den Philippiſten als der Hauptfriedensſtö Indem ſich Mörlin 
it Erhard Schnepf, Erasmus Sarcerius, Vietorin Strigel, — Stößel von den 
30 J— u cn —— er dafür, —* at ——— reſultatlos blieb. In 
Dezember —— es — * a ee 





um den Streit zwiſch | legen und mußte die 
Weimariden Son der —* durchſ ang iligte | ı Redaktion des 
Weim nsbuches. 1560 ——— — die Supplilation 






—* T w d Beneralſynode 
ur Ben Kal — —— au dr Ama Kon feik 
er eitel — den freikirch Gedanken der Täufer hat er 

* — ii np E al e — fein — —— verhinderte 3 
— aber er hat auch ernſtli ie R ſtaatskirchlichen Bureau⸗ 
40 kratie —— are Stimme —* Er en die ; Holt wollen —— und 


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—*— ce, fie aus —5* — des ofen berichten, wie — 
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egiment d. b. in bie Kirchenzucht nicht zu mifchen. Die | brigfeit it bierin Nullus 
und die Pfarrer follen wien, daß fie nicht Büttel oder Stadtknechte find. Sie jollen 
über reine Yebre und reines Leben wachen. Papiſten und Schwärmer joll die DO 
nicht leiden, ſondern abjegen und hinausſchaffen. Sie ſoll nad der Schrift richten und 
66 * en, Die Abſetzung eines rechtſchaffenen Lehrers iſt eine Nullität. Er kann — 
geſetzt werden. 

Eine hervorragende Rolle ſpielte Mörlin auf dem Lüneburger Konvent ( 1561) 
ber niederjächfiichen Theologen, der zu dem Frankfurter Rezeſſe und zu ven Beh üffen des 
Naumburger Fürftentages Stellung nahm. Die zu Lüneburg angenommene 

so schrift „Erklärung aus Gottes Wort und furzer ! »ericht der Artikel un f. w.“ hatte Mörlin 






4 


Mörlin 245 


um Verfaſſer. Er war auf diefe Schrift fehr Stolz und fchrieb froblodend: wie wird 

ittenberg toben! Heibelberg rajen! Tübingen jauer feben! (Nebtmeier III, 247). Dieje 
Schrift wurde zu Magdeburg, Jena und Regensburg gedrudt und in Braunſchweig als 
Spumbol eingeführt, worauf die Paſtoren verpflichtet wurden. In feiner „Verantwortung 
der Präfation fo für die lüneburgifchen Artikel gejtellt ift wider Dr. Majors Rorrede 
Anno 1562“, betonte Mörlin fein genuines Mittenbergertum. Melandtbon nimmt er 
für fih in Anfprud. Philippus babe Majors Lehre gemißbilligt. Seine Yünchurger 
Artikel follen dem Frieden dienen. 

1563 erfuchte der Rat von Wefel, welcher die reformierten Flüchtlinge aus Eng: 
land aufnehmen wollte, die Braunschweiger Theologen um ein Bedenken. Das Minifterium, 
Mörlin obenan, entihied am 8. März dahin, daß den Flüchtlingen Barmberzigfeit zu 
erweiten je. Dan folle fie aufnehmen und belebren, wollten fie aber den Samen des 
Irrtums weiter verbreiten, fo habe der Hat die Seelen feiner Bürger vor der Ver: 
führung zu ſchützen und die Verführer auszuweiſen. Dieje crudelis misericordia ſei die 
Pflicht der Obrigkeit. 

Als Flacius mit ſeiner Lehre von der Subſtantialität der Erbſünde hervortrat 
(1566. 1567), da bat Mörlin ſich gedrungen gefühlt, mit dem alten Genoſſen zu brechen 
und ibm Gottes Gerichte gemeisfagt, meil er fo viel unnötige und gefährlibe Händel 
angerübrt babe (Rebtmeier III, Beil. 111, Bland V. 1, 313). Gegen die Antinomiften 
richtete Mörlin feine tres disputationes de tertio usu legis(Zalig III, 56). Mörlin 
war und blieb fachlich allen Ertremen abbold. Er fürchtete, daß über den Zanken die 
Wahrheit verloren gebe. Während Mörlin in Braunfchweig arbeitete und kämpfte, mar in 
Preußen der Kampf zwifchen der melanchthonifch:ortbodoren Majorität des Yandes und 
der ofianderfreundlichen Friedenspolitik des Hofes auch nach Mörlins Vertreibung weiter: 
gegangen, |. d. A. Fund Bd VI S. 322. Mörlin, der über alles, mas zu Königsberg 
geicheben iſt, gut unterrichtet war, ſtärkte feine Geſinnungsgenoſſen durch feine Historia, 
welcher Geitalt fich die ofiandrifche Schwärmerei im Yande zu Preußen erboben (1554 
erihtenen). Sie enthält viele Urkunden und biftorische Nachrichten und proflamiert ale 
Regenten der Kirche Chrijtus allein Ten 8. Mai 1555 fehidte er auch ein von Chemnitz 
mitunterfchriebenes Gutachten über die Revokation der Oſiandriſchen nach Preußen. 

In demjelben Jahre erjchienen zwei weitere für Preußen berechnete Schriftchen: 
1. Treuliche warung und Troft der Ehriftlihen Kirchen in Preußen und 2. dag Oſiandri 
Irrthum mit feiner Wergefienbeit zu Stellen oder binzulegen ſei. 

Schließlich fab fich Albrecht genötigt, einzulenfen, |. d. A. Rund Bd VI 2. 322. 


Nun wurde die von den Ständen geforderte Rückkehr Mörlins möglid. In einem: 


mwürdevollen aber gnädigen Schreiben wandte ſich der greife Fürſt an Mörlin und 
Chemnitz (Acta Borussica, Tom. I, 557), und berief ſie nach Preußen (30. November 
1566). Mörlin lehnte ab, da er Braunjchweig nicht verlaffen wollte Der Herzog 
wiederholte die Bitte (31. Januar 1567) und ſchickte eine bejondere Geſandtſchaft an den 
Braunſchweiger Rat, um ihre Entlajjung zu erwirfen. Auch Venediger bat aufs dringendſte, 
dag Mörlin den Ruf annebme Gr ließ Sich zulegt erbitten und nahm vom Braun: 
ſchweiger Rate Urlaub, um die preußifchen Verhältniſſe zu ordnen, da man ibn nicht 
definitiv entlaſſen wollte. Gbemniß begleitete ihn. Mit \ubel wurden beide Männer in 
Königsberg empfangen (9. April 1567) und machten ſich fofort an die Arbeit. Zie 
wollten durch Heritellung einer Lehreinheit auf melanctbonijch-ortbodorer Baſis den Frieden 
ſichern. Sie wandten dazu diefelben Mittel wie in Braunfchweig an. Nach längerer 
Beratung mit den Fürftlichen Näten, wie man am fünlichiten die Wunden der Kirche 
beilen möchte, gaben fie dem Herzog den Rat, man folle feine neue Konfeſſion jtellen, 
fondern bei der angenommenen Conf. Aug., Apol. und Art. Smale., ivie diefelben in 
Luthers Schriften ferner erfläret, verbleiben; weil aber nach der Zeit der C. A. mancherlei 
gertum eingerillen, jo jollen dieje Artikel vorgenommen und diefe Corruptelae mit Namen 

und deutlich refutiert werden. Albrecht ſtimmte zu und willigte Damit in die Wer: 
werfung der Lehre Oſianders. 

Am 6. Mai überreihten Mörlin und Chemnitz dem Herzog ihre Nefutationsfchrift 
in deutfcher und lateinischer Sprache unter dem Titel Repetitio corporis doctrinae 
christianae oder Wiederholung der Summa und \nbalt der rechten allgemeinen chrift- 
lidhen Yehre, welche eine Niderlegung des Oſiandrismus, Synergismus, Antinomismus, 
Majorismus u. f. w. enthielt und in ihrer präzifen Mlarbeit Die Hand Chemnitzens ver: 
riet. Am 26. Mai wurde die Repetitio der in Königsberg verfammtelten Synode 
vorgelegt und nad vierzebntägiger Beratung genehmigt. Die Yandjtände ſtimmten 


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Juli 1567 —— —— 
die iſchen Schriften der ——— 
ac iften —— Fr IR, Art Sal, Sn 
—— Die Repetitio 









nannte En —— —* 
5 toill mr die Mi tor 
enge 507) die Ropeito 





in Besufen zu Bleiben. Noch jah er — 
—— ens verlangte er Garantien, die Galviniften aufbörten am Ir 
zu treiben. eg die Rabinetöfrnge a ar rd 





wie zog kam dabei w in e biete — een 

Em selbe Morlin —** tan Date —— uni 1567 verſprachen 

—— d ——— fe leiden au wollen. So konnte er berubigt nad 
— — und das 


bſchied von Braunſchw e erleichtert einen Ko 
ne ae 1567 — 


er der at einen Menfchen, der feinen Water bis auf den Tod verwundet 
frei I een m 13. Juli predigten bibe änmer datwider und tvarteten da 
mit ihres Strafumtes, Das verbroß ben Mörlin und Chemmih wurden mit zwei 


daß der Nat ni e— 
anſti ———— — a die Obrigei ae 
jen und erflärte: aljo kann ich euer Diener nicht mehr fein. Bei * enge 
der Dinge ift es den Geſandten des Herzogs er A ring ann — * 
wenigſtens zur Entlaſſung Mörlins zu bewegen. Der Hofmarſchall Joachim von 
und der penmeiſte —— —— Mundpfort ſetzten es beim Nate > 
wie Wigand erzählt. Der Nat lieh i des Konfliktes nur x ungern ‚ziehen und gab 


Mörli den B Saml ıd. verlieh 
== er nd —— == = Differenz von — ee nie 


—— auf "ber Bohs eines mobi En Melanchtbonismus ein San ve 
Konfenius berausbildete, der ſich in ber Konktordienformel einen maßgebenden Aus: 


drud ſchuf. 
Im Dftober traf Mörlin in Be ein, — im November vor dem alten 
6 iu in iau, der ibn zum Beichen der völligen Verſöhnung umarmte. 
am 20. März 1568 und feine zweite Gemablin folgte ihm an demjelben Tage ins 
Mörlin bielt beiven die Leichenpredigt. Nach dem Regierungsantritt 
—— hat ihn Biſchof Venediger von Pomeſanien zum —* von Samland geweiht 
und er bat nunmehr einige Jahre mit Kraft und —— e preußiſche Kirche geleitet. 
5 Kardinal —8 Biſchof vom Ermeland, beſtritt ihm freilich das Recht, den —* 
u führen, da dieſer nur vom Papſte verlieben werden fünne und 
önige von Polen (vgl. Hartknoch 44275.) Mörlin begnügte fi mi mit einer bloß 
firchenregimentlichen Thäti eit ſondern fubr fort zu predigen und die Jugend im Hate 
chismus zu unterrichten. Daneben beteiligte er Fr durch feine Schriften an den Yehr- 
55 fümpfen in Deutfehland (4. B. durch eine Schrift über bie Notwendigkeit guter Werke 
1567, Contra Sacramentarios cum altera disp. de comm. idiomatum 1571, 
Mider der Wittenberger Grundveſte u. |. w.). In Preußen fcheute er vor feinem 
flitte zurück, um die ſchwer errungene Yebreinbeit zu fichern. Den Bi und 
Bhilippiften erflärte er unumwunden: „Irrtümer, welche ſtracks wider das 
oo» doetrinae laufen, werde er in feinem Bistum nicht dulden; er babe jo ı 


Mörlin 247 


Schwarzen Wolf in den Rachen gefehen, daß er ſich vor keinem mehr fürchte”. Daß 
es in Preußen Calviniften in angejehenen Stellungen gab, war ihm ein Greuel, und 
ne ri, den Polenkönig um Schuß mider den lutherischen Biſchof an (Hartknoch 
©. 441ff.). 

Mörlin litt in feinen legten Lebensjahren am Stein. Sein behandelnder Arzt wollte 5 
„den gar zu fetten Gott der Preußen” nicht fchneiden. Ein zweiter verjtand ſich endlich 
zur Operation, die rejultatlos verlief (2. Jan. 1571). Mörlins ſtarke Natur erlag erit 
nach Monaten der Krankheit und der Heillunft. Am 29. Mai 1571 ftarb „der Flacianer 
Abgott“. Der Sterbende joll feinen Freund Heßhuſius zum Nachfolger gewünſcht haben. 
Aus feinem Teftamente (Acta Borussica Tom. I, 597) iſt zu erjeben, daß ihn von 10 
feinen zwölf Kindern acht überlebten: Joachim, Chriftian, Hieronymus, Daniel, Anna, 
Jeremias, Maria, Marimilian. Die „arme Anna war wohl Träntlih und bettlägerig. 

ieronymus Mörlin wurde von dem Vater zu einem der Teitamentsvollitreder ernannt. 
war Nfarrer, gab feines Vaters Pjalterpredigten heraus und hatte hernach einen Kon: 
flikt mit Heßhufius. Joachim Mörlin war ein Streittheologe, aber er war mehr. Er bat 15 
aufbauend gewirkt und der guten Sache gedient. Er mar, wie Wigand bemerkt, fein 
böftfcher Temporifierer, fondern ein wahrer Theologus speculativus et practicus, den 
auch Luther, der deutiche Prophet, als feinen Schüler anerkannt babe. Wie Luther, liebte 
er Muſik und Geſang und liebte e8 im Kreife der Freunde fröhlich zu fein. Er pflegte 
zu fagen: Laſſet uns fröhlich fein, wenn Gott ung einen fröhlichen Tag giebt, traurige 20 
baben wir jonjt genug und erden derer mehr haben als mir wünſchen.“ Mörlin 
liebte Kinder und war ein freudiger und erfolgreicher Katechet. Er hatte eine vffene 
gand und war bis zur Verſchwendung mohlthätig. Angehenden Predigern gab er den 

: arbeite reblich, meine es treulich, bete fleißig, fo giebt Gott feinen Segen reichlich. 
Sen Eifern um die Erſte Tafel bat ihn vielfach zu ungebührlicher Härte fortgeriffen, 25 
daß es ihm aber in feinem Kämpfen um die Sache und nicht um feine Perſon zu thun 
war, daß er aud im Streit das Wohl und den Frieden der Kirche fuchte, kann nicht 
verfannt werden. Seine Freunde haben ihn fehr boch geftellt, feine Gaben und feine 
Treue gerühmt, jeinen Charakter und feinen fittlihen Ernſt verehrt. Seine Gegner 
baben ihn mit der Ungerechtigkeit von Zeitgenofjen beurteilt (3. B. Oſiander u. Sutel). w 
Die pietijtifche Hiftoriographie bat dann von ihm ein unbilliges Zerrbild entworfen, das 
noch nicht ganz jeine Wirkungskraft eingebüßt bat. Wagenmann + (Lezind). 


Mörlin, Maximilian, geit. 1584. — Schriften. Ein Verzeichnis giebt es nicht. 
Genannt werden 1. Apophtegmata collecta ex Eusebii. Hist. eccl. et Tripartita, Nürnberg 
1552. 2. Lazarus resusecitatus, Frankfurt 1572. 3. Troſtſchrift von den Kindlein, die nicht 35 
Eönnen zur Tauf gebradht werden, Nürnberg 1575. 4. Eine Streitfhrift gegen Ojiander. 
Zitel unbelannt. Eine Sammlung ber meiſt noch ungedrudten Briefe M.s exiſtiert nicht. 
Die Briefe an Joh. Friedrich finden fih im Koburger Haus: und Staatdardiv. Außer den 
Briefen und Schriften fommen al® Quellen in Betradyt die Leichenpredigt des Koh. Frey, 
Superintendenten aus Hildburghaufen, und das lateinifche Epitaph von Joh. Hofer. 40 

Litteratur: Eine Biographie, die dem Manne geredt wird, fehlt. Dann kommen in 
Betraht A. Bed, Joh. Friedrich der Mittlere, I und II; Preger, Flacius I und II; Steu— 
Bing, Biographiiche Nadyrichten aus dem 16. Jahrhundert, 1790; J. Chr. Thomae, Das der 
payen evangeliichen Kirche, injonderbeit im szürjtentum Koburg aufgegangene Licht am Abend, 
722; Brüdner, Kirchen: und Schulenjtaat I, 5 ©.76; Berbig, Aus der Gefangenſchaft Koh. 45 
Friedrich des Mittleren, Gotha 1898; Dertloff, Geſchichte der Grumbachiſchen Händel; Jöcher, 
Gelehrien-Lezilon; edler, Univerſal-Lexikon; Pland, Proteftantiicher Lehrbegriff; Steubing, 
Geihichte der Reformation iu Nafjau: Dillenburg ; A. Kluckhohn, Yriedrid) der Fromme 1879; 
vgl. aud die Bictorin Striegel und J. Menius betreffenden Urtikel in PRE. 


Mörlin, Marimilian, jüngerer Bruder von Joachim Mörlin und Zohn des Jodocus 50 
Mörlin, wurde zu Wittenberg 1516 den 14. Oftober geboren. Der Vater beſtimmte ihn 
für das Schneiderhandiverf, fand aber troß feiner Armut zulegt den Mut und die Mittel, 
den Knaben aus der Lehre zu nehmen und zum (Gelehrten erziehen zu laſſen. M. ftu: 
dierte in Wittenberg Theologie unter Luther und Melanchthon und blieb wie fein Bruder 
zeitlebens ein lutheriſcher Melanchtbonianer. 66 

Nachdem er im Pegau und Zeit im Kirchendienſte thätig geweſen war, wurde er 
1543 Pfarrer zu Schallau im foburgifchen Kranken und 1544 auf Empfehlung feiner 
Wittenberger Lehrer Hofprediger in Koburg. Ta er den Schalfauern wegen feiner Tüch- 
tigkeit und Predigtgabe wert war, jo ließen fie ihn erjt ziehen, als Herzog Johann Ernſt 
von Koburg ihnen in einem Handbillet verſprochen batte, die Stelle mit einem ebenfo @ 


248 Mörlin 


würdigen Manne zu bejegen. Im Auftrage des Herzogs vilitierte M. M. mit Eberbard 
von ver ann und den beiden Geiftlichen Job. Yanger und Wolfgang Höfler die Kirchen 
und Schulen. 
1516 wurde M.M. unter den Tefanate Luthers zum Xicentiaten und in demſelben 
b Jahre unter dent Dekanate Grucigers zum Doktor der Theologie promoviert. Der Herzog 
ernannte ihn zum Zuperintendenten. Er war Melandhtbonianer aber fein Philippiſt. In 
jeın Eremplar der Conf. Aug. fchrieb er huic sacrosanctae confessioni et indubi- 
tatae assertioni ex verbo Dei toto pectore assentior et subsceribo et Deum oro, 
ut in illius confessione constanti et immutabili professione per spiritum Sanc- 
ı tum me perpetuo servet u. j. iv. Als er hernach das Vertrauen zu Melanchtbond 
Orthodorie einbüßte, jchrieb er an den Wand Ad hanc subscriptionem impulit me 
impia prophanatio corruptio et mutatio praecipuorum hujus confessionis arti- 
culorum per ipsum autorem in corpore suae doctrinae, quam ut hujus con- 
fessionis negationem detestor et abjicio et damno in articulis. M. M. geriet 
15 wie jein Bruder zeitweilig unter den Einfluß des Flacius und folgte eine Neihe von 
Jahren jeiner Führung, ohne doch jemals feine melandıtbontfche Art verleugnen zu können. 
Als fein Bruder in Oſtpreußen den Kampf gegen Oſiander führte, bat auch N M. eine 
Streitichrift gegen O. verfaßt. Tie „Censurae der fürftlich-fächjifchen Theologen zu 
Meimar und Coburg auf die Belenntnifje des A. Tſiander von der Rechtfertigung des 
20 Glaubens“ bat er mitunterjchrieben. Mit dem alten Amsdorf zufammen verlangte er 
auf der Synode zu Cijenach die Verdammung des Menius und als fie mit ibrem ®er: 
langen nicht durchdrangen, reifte er im Gebiet der fächfifchen Herzoge umber und jammelte 
Unterfchriften wider Menius. Auf Befehl feines Yandesberrn reifte er mit den ſächſiſchen 
Theologen nad dem Rhein, um fih am Wormfer Colloquium zu beteiligen, wo er feinen 
35 Bruder Joachim wiederſehen fonnte. Er befolgte den Rat des Flacius und bielt fid 
zum Juriſten Baſilius Monner, weil er jo viel zelum Domini beige, wofür ihn ber 
Wittenberger Poet Joh. Major verjpottet bat. Das Wormſer Colloquium blieb reful- 
tatlos. Mit Mufäus und Stößel zujammen, aber getitig durchaus von Flacius beberricht, 
arbeitete er das Konfutationsbuh aus (1557--1558), das von Johann Friedrich dem 
30 Mittleren jeiner Landeskirche als Norm auferlegt wurde. 
Als Kurfürft ;sriedrih von der Pfalz den verbängnisvollen Plan faßte, in feinem 
Lande den reformierten Typus einzuführen, juchte ihn fein Schwiegerfohn Joh. Friedrich 
davon abzubringen und reifte ſelbſt nach Heidelberg. 
M. Mörlin und Stößel nahm er mit. Auf des Herzogs Wunſch fand eine Die 
35 putation zwiſchen den beiden Yutberanern und Peter Boquin ſtatt, welcher beide Fürſten 
beiwohnten. Fünf Tage jtritt man ſich über 24 Theſen (Propositiones in quibus 
vera de coena Domini sententia juxta conf. August. propositae d. 3. et 4. Juni 
1560 in Academia Heidelberg., getrudt 1561). Wie üblich blieb jede Partei bei 
ihrer Meinung und fchrieb fih den Zieg zu. Die Galvinifierung der Pfalz, melde bei 
40 der Start humaniſtiſchen Unterjtrömung am Cberrbein faft unvermeiblih war und der 
latenten Aufklärung gemäß war, ift weder Durch M. Mörlins noch durch Heßhuſius' luthe⸗ 
rifchen Eifer aufgebalten worden. Indeſſen war M. Mörlin fein Radikaler. Wie fen 
Bruder jagte er ih von Flacius Illyricus los, denn auf der Disputation zu Weimar 
(2.--8. Auguſt 1960) batte dieſer Sätze vertreten, welche dem Melanchthonianer M. Mörlin 
35 unannebmbar fen mußten, Wie Joachim M. mahnte auh M. Mörlin zur Mäßigung 
und zum ‚grieden. Um der ſtaatskirchlichen Friedenspolitik des Herzogs zu dienen, wurde 
M. Mörlin zum Mitgliede des Weimarer Konſiſtoriums ernannt. In diefer Eigenfcaft 
bat er den Amtseifer der Flaciauer, der fib im „Ztrafen”, „Bannen” entlud, zu zü ein 
ſich beſtrebt. Die Autorität und ‚reibeit des Pfarrſtandes wurde zu Gunften des Kirchen⸗ 
so regiments fräftig eingeſchränkt. Im Intereſſe des Friedens und der melandhthonifchen 
Dogmatik iſt MM. auch für die Abjegung des Flacius und die Vertreibung feiner 
Anbänger eingetreten, Maßregeln zeitgemäßer Intoleranz, worauf Das Yutbertum nicht 
ftolz fein darf. Ebenjo billigte MM. die Strigelſche Tellaration vom 3. März 1562 
und feste an feinem Teil es durch, daß alle Paſtoren Diefe ziemlich philippiſtiſche Urkunde 
5 unterichreiben mußten. Es durfte nidst mebr wider Die Synergiſten gepredigt werden, 
jo wollte es der von Flacius abrüdende lutheriſche Melanchthonismus. it Stößel 
blieb M. M. im Bunde. Er bat ibn als Prokanzler und Vizedekan in Jena zum 
Toftor der Theologie promeviert(156 0. „Dr. Mar Mörlin“ warnte den Herzog vor dem 
Einfluſſe Grumbachs und wies noch am 13. Januar 1567 die Geiftlichleit an, dag Volt 
zur Buße zu rufen und Gott um Erleuchtung Des Herzogs zu bitten. Der Sturz Job. 


* 
w 


Mörlin Mogilns 249 


Friedrichs machte feinen flactanifch gefinnten Bruder Johann Wilbelm zum Regenten des 
Landes, der, wie zu erwarten, den Antiflacianer M. M. feines Amtes entjeßte (1569). 
Dafür berief ihn Graf Johann von Naflau-Dillenburg zum Hofprediger. Seine Mutter 
Ssuliane Gräfin von Stollberg und Bernhardt, Superintendent von Eiegen, batten den Grafen 
auf M.M. aufmerkſam gemadt. Eine längere Wirkſamkeit war ihm bier nicht befchieden. 5 
Der Graf und feine Untertbanen batten reformierte Neigungen und die löbliche Ent- 
ichiedenbeit, womit Mörlin alles auf lutberifch-melandhthonifchen Fuß einzurichten fuchte, 
mußte zu Konflikten führen. Die Kirchen: und Sculpifitation, die M. M. in feinem 
Bezirk abbielt, ließ über feine antireformierte Strenge niemanden im Untlaren. Er fand 
nur böfe Liebe. Eobanus Geldenhauer, genannt Noviomagus, verflagte ihn beim Grafen, 10 
der offen die Gegner des M. ftärkte. Da bot fich ihm eine ehrenvolle Heimkehr nach Koburg. 
oh. Friedrich, der gefangene Herzog, hatte mit dem ihm teueren M. M. einen Briefmechfel 
unterhalten und war über feine Bertreibung aus Thüringen wohl unterrichtet. Seinen 
Bruder, den Regenten Johann Wilhelm, hatte er brieflih fo lange bearbeitet, bis er ein- 
lenkte und den M. zurüdrief. Jim Winter 1572—1573 fiedelte M. Mörlin von Dillen- 15 
burg nad Koburg über. Damit mar in Dillenburg die Nieverlage des Luthertums ge 
fihert. Gelvenhauer hatte das Feld frei. Von Koburg aus fchrieb M. M. an die Gräfin 
‚uliane einen Troftbrief, wo er unter anderem ſich dahin ausipricht: „Sch bin von vielen 
hoben und anderen Perfonen jchriftlih und mündlich bericht worden, wie jchädliche An- 
derungen nad) meinen Abreifen eingerifjen find, wie ich Leichtlich abnehmen Tonnte, da 20 
man ın Bilderjtürmen fo bald anfing. Ad) mein Gott das heißt nicht reformieren, fon- 
dern deformieren. Marimilian Mörlin hatte ein vom Flacianismus gefäubertes Thü- 
ringen verlaffen und fand es jebt von Flacianern erfüllt wieder. Sein entjchiedener 
Gegner war wie billig Mufäus, der früher als Flacianer abgejegt worden war und in 
Mörlin nur den Verſtörer der Kirche fah. Mörlin fonnte daber in Koburg erft dann 25 
ausdauern, ald Johann Wilhelm 1573 ftarb und der nunmehrige Regent Kurfürft Auguft 
auf Wunſch des gefangenen Herzogs Mörlin in feine früheren Amter einjeßte und den 
Flactaner Mufäus famt feinem Anhang verjagte. Als nunmehriger kirchlicher Macht: 
baber bat Mörlin mit Lindemann, Stößel und Widebram Kirchen und Schulen vifitiert 
und alle Geiftlihen, die nur im geringiten des Flacianismus fchuldig waren, aus ihren 30 
Pfarren geworfen. Sp erforderte es der dogmatifche Territorialismus. Im Zeitalter 
feiner undogmatiich-rationaliftiihen Friedensliebe verleugnete der Territorialismus fein 
proteftantifches Blut nicht und befleißigte fich derjelben Intoleranz. Mörlins vermittelnde 
Richtung ſiegte in der Konkordienformel. Mörlin hat an feinem Teil an dem Zuftande: 
fommen dieſes hochwichtigen Lehrgeſetzes gearbeitet, auch an dem lichtenbergijchen und 35 
Zorgauer Konvente teilgenommen. 
Mörlin hatte fich zweimal verheiratet. Seine erjte Frau, eine Mittenbergerin, hatte 
hm 2 Töchter und 12 Eöhne geboren. 1581 beiratete der 65jährige Witwer nad 
ter Bauernart zum zmweitenmal. 1584 den 20. April ftarb M. Mörlin in barter un⸗ 
ber Zeit, ein zumetlen bejchränfter aber immer überzeugungstreuer Vorkämpfer des ww 
Luthertums melanchthonischer Prägung, auch dein Geiſte HR ein Bruder, Joachim Mor: 
Ind. Xitterariich hat er fich weniger bervorgethan als ſein Bruder, aber als Prediger 
und als Mann des Kirchenregiments bat er in Thüringen bedeutenden Einfluß ausgeübt. 
K. Färber (Lezinß). 


Mogilas, Petrus und die Confessio orthodoxa, geſt. 1647. — Litteratur:s 
Die Einleitingen in den unten zu nennenden Ausgaben der Confessio und die Symboliken, 
namentlich Sch, Symbolik der gried. Kirche, 1872 und Kattenbufch, Lehrbuch der vergleichen: 
den Konfeſſionskunde, 1892; Demetracopulus, Graecia orthodoxa, 1872, ©. 155fj. Vor 
alfen Zegrand, Bibliographie Hellenique du dixseptitme siecle, 4 Bde 1894—1896, na: 
mentlih Bd IV ©. 104—159, Bd II, 202 ff., aber auch an anderen Stellen, nantentlid) bei 50 
welpredung der fpäteren Ausgaben der Confessio. Im einzelnen La perpetuit de la foi de 
!’&gliee catholique touchant l’eucharistie, Ausgabe von Raufanne 1781, BBIIL, S.609—- 611, 

IV ©. 364—375. Loofs ThStKr 1898, &. 165—171. 

Die Reforination des 16. Jahrbunderts bat fih dadurch als ein univerjellsfirchen: 
biftorifches Ereignis Tundgetban, daß fte Diejenigen Teile der Nirche, welche fie nicht um: 55 
bilden konnte, doch zu einer erneuerten Erwägung und Sicherftellung ibrer bisherigen 
Grundfäge nötigte. Direkt wirkte dieſe Erjcbütterung auf die abendländifche Kirche, Die 
ſich als römische neu fonjtituieren mußte, um der andringenden Macht gewachſen zu jein, 
indireft und fpäter auch auf die entlegenen Gegenden des Oſtens. Die griechiſch-morgen— 
ländifche Kirche war allerdings einer durchgreifenden reformatorifchen Bewegung damals ww 


Mogilas 


Riegiamtei: genug um schendtge Firchliche 
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Mogilas 251 


Für das Abendland find drei griechiich-lateinifche Ausgaben zu nennen: die erjte mit aus: 
ührlicher Einleitung verjebene des Laurentius Normann, Profefjor zu Upfala, Leipzig 1695, 
auf melde von Leonhard Friſch, Frankfurt und Leipzig 1727, eine deutſche Ueberſetzung 
gebaut wurde, eine ziweite von G. G. Hofmann (Orthodoxa confessio eccel. — orien- 
talis, Wratisl. 1751), die lebte und brauchbarite von E. J. Kimmel (Libri symbo- 5 
liei ete., Jen. 1843), mojelbft der von Hofmann gelieferte Tert mehrfach berichtigt wird. 
Sm übrigen vgl. Legrand a. a. O. IV, €. 149 ff. 
Die Sprache der Belenntnisichrift ift die griechische Vulgäriprache, die wir hier nicht 
u charafterifieren haben (vgl. Kimmel, Prolegg. p.61). Unfere Aufmerkſamkeit wendet 
ih dem Inhalt zu; auch diejer wird nicht fogleich in feiner ganzen Eigentümlichkeit er: 10 
fannt. Schon der Umfang beweiſt, daß wir es nicht mit einem eigentlichen Bekenntnis 
p thun haben, ſondern mit einer vollſtändigen kirchlichen Lehrſchrift, die zwar in ihrer 
techetiſchen Form ſich an das Bedürfnis der Schüler und Katechumenen anſchließt, aber 
auch ſchwierigere und feinere Erwägungen in ſich aufnehmen will. Beiderlei Zwecke, die 
katechetiſchen und die mehr theologiſchen, waren in der griechiſchen Kirche niemals ſo be⸗— ı5 
ſtimmt wie in der lateiniſchen auseinander getreten. Die Richtung des Ganzen erhellt 
aus der erſten Frage: was der katholiſche Chriſt feſthalten und befolgen müſſe, um das 
ewige Leben zu erlangen; die Antwort lautet: zulorıw 6odNy xal Eoya xald. In dieſe 
beiden Stüde zerfällt die Bedingung der Seligkeit, der Glaube geht voran, die Werke 
folgen als deſſen Früchte (Ja2,24), und es entipricht durchaus dem Geifte des griechtichen 20 
Kirchentums, daß dieſe zwei Prinzipien mit antiker Einfachbeit neben einander geitellt 
werden, ein Bedürfnis aber, fie auf Eins zurüdzuführen, noch gar nicht empfunden wird. 
Freilich verwiſcht ſich diefe Zweiteiligkeit —8* wieder, daß der Verfaſſer gleich darauf 
(S. 57 Kimmel) ſeiner Ausführung die drei theologiſchen Tugenden Glaube, Liebe und 
Hoffnung zu Grunde legt und diejen ebenfo drei Stoffe zuoronet: das Glaubensfymbol 25 
für den eriten, die Auslegung des Vaterunſers für den zweiten und die der zehn Gebote 
für den dritten Teil des Werkes. Indeſſen gebört doch das Mittelglied der Hoffnung, 
indem es Glauben und Liebe verbindet, feinem Inhalt nah mehr dem dritten als dem 
erften Teile an. Der angegebenen Scheidung jteht aber noch eine andere prinzipielle 
Zweiheit zur Seite, die von Schrift und Tradition (S.60). Die Homologie Tann daher wu 
gar nicht umbin, im Verlauf neben den biblijchen Gitaten zahlreiche patriftifche Belegitellen 
einzujchalten, unter denen die der Gregore, des Athanafius, Bafilius, Dionyfius und Da- 
mascenus am häufigſten twiederfehren. 
ür die fpezielle Prüfung bietet der erjte Hauptteil die meifte Ausbeute. Das voran- 
geftellte Symbol kann natürlich fein anderes fein als das von 381, da die beiden anderen 35 
nur im Abendlande öfumenifche Geltung erlangt baben. Die Erklärung der Trinttät 
(5. 66 ff.) bewegt jich in der Yehrform des Johann von Damaskus und unterfcheidet 
obne übertriebene Subtilität die weſentlichen und die hypoſtatiſchen Idiome ((duwuara 
wruxa xal odowön) Auch für den KRontroverspunft vom Ausgang des bl. Geiftes 
vom Vater allein werden die inneren Beweiſe nur furz berührt; das Hauptzewicht rubt a0 
auf dem urkundlichen Argument, daß ber älteite Symboltert den Zuſatz filioque nicht 
iennt, und es wird auf die filbernen Tafeln bingemwiefen (E. 142), die nad dem Zeugnis 
des Baronius (ad ann. 809) unter Xeo III. in der Kirche zu Rom aufgeitellt fein follen. 
Die Antnüpfung der Lehre von der Schöpfung, die in gricchifcher Weife durch neun Klaſſen 
der Engel bis berab zur irdiſchen Menfchbeit verfolgt wird, war mit dem Attribut Gottes 45 
als des Schöpfer gegeben (S. 76 ff.). Nun aber beachte man wohl, wie mitten in dieſem 
gemeinfaglichen kirchlichen Gedankenkreis gewiſſe feinere Ausdrücke oder Bezeichnungen 
auftreten, die ganz eigentlich aus dem Apparat der altgriechifchen fpefulativen Theologie 
entlehnt find, damit auch dieſer wiflenjchaftliche Faden nicht verloren gebe. Die Trans: 
cendenz der Gottheit fordert die twohlbefannten Prädifate ürreoayadds Uneoreins (5.62). ww 
Die Reit jol immer nod in die intelligible (voeoös x00uos), das Reid der Harmonie 
und des Gchorfams, und in die fichtbare zerfallen, der Menſch aber, weil er mit beiden 
zufammenhängt und das ganze Univerfum in fich darſtellt, als Mikrofosmus erfannt 
werden (S. 77). Fragt man, warum die göttliche Eigenſchaft der Allmacht alle andern 
überrage, fo dient zur Antwort, weil fie vor allen den Abſtand des Abfoluten vom End: 5; 
lihen ausdrüdt, welches weder aus fich felbit getvorden fein noch Anderes Schaffen Tann 
(S. 72). Und wie vereint ſich die Allgegenwart Gottes mit deſſen Erbabenbeit über 
jedes Örtliche? Dadurch allein, daß er als fein eigener Ort (Töros abrös davrod) die 
örtlichen Schranten ebenjo beberricht wie von ſich ausfchließt (73). Im ganzen balten 
ſich auch die nächſtfolgenden Abſchnitte in den Grenzen der älteren dogmatifchen Über: co 








19 beide in na und in ‚der böchiten — 

ihrem EN aa | aa) ges 
Ghriftologie, die dem Symb S. 981), die re bon der € 
Se 5 vjö u 





25 Hau y | e it ſa "nachher die chriftfie Kaiſer 
den höchſten kirchli Rang d Neu⸗Rom verlieben haben (S. 154—156) 
—* | ——2— ug vor Ronftantinopel Die Kirche aber iſt —— —— 
ne —— Grundſätze der wahren | Gottesanbetung, des Faſtens, der Ans 


3 Myſterien betrifft, fo —* durch M ilas die abendländiſche ———— kirchlich ſanktio— 
d Entfcheid ‚ aber d wanfende und ungl 
niert, und def tſch — neu urch ſch eu — 


des Einzelnen verrät m 
F en Ko F uf Alten * wir bei dem über — 
rieſterw —— auf ältere ungen —— we o 
die uerovalwors, die endmahl ftattfinden foll, entſchieden über die alte neraßadn 
—5* * it feine Tr — Are eine In nern nn, * 
v ueraßdhkeran) un nur wieder etwas 
der ſakramentlichen Verwandlung ein ähnlicher innerer * der iſchen Einverleibung 
mit Chriſtus zur Seite ſteht (S. 178 ff.). Übrigens find die en nad) grischiicher 
0 Anficht Zeichen und Unterpfänder der göttlichen Kindſchaft un Seilmittel des fündbaft 
erkrankten geiftigen Lebens (S. 171). 

Der zweite Teil der Schrift hat die Hoffnung zur Überſchrift, d. hr das Vertrauen 
auf bie a 6 —* teils dargebotene, teils verheißene Gnade, und da ai ‚poffende 
— erſicht im et des Herrn und in den Seligpreiſungen der 
ildlichen Ausdruck findet: jo knüpft ſich die weitere Darlegung an die) pp 
Die Benutzung der Makarismen war ebenfalls nicht neu, ſondern feu Mr J 
—* chen und asketiſchen Schriften des Mittelalters üblich. Inben mun der 

tbifche und Praktiſche übergeht, fehlt es jehr an dem ſyſtem * 3ufanım 
= erften Teils. Die Auslegung wird durch firchliche und asketi 
I) — An die Stelle der inneren Entwickelung tritt die loſe —— | 
en, wie fie die fpäteren Griechen liebten. Wie ©. 1 I nach Fin 4,6 
* Ken 2 fieben Charismen und S. 152 nad Ga 5,22 neun Beüchte bes HB 
—3 — werden: * fol es ©. 159 neun kirchliche Vorjchriften geben, zu 
das Faſten, das regelmäßige Sündenbefenntnis (viermal im Yabr), die Ch) | * 
55 Kirchengüter und die Entbaltung von bäretifchen Büdyern gehören. Dagegen Am en 
leibliche und fieben Seelenpflichten der Barmberzi * anzunehmen (S. Boff mit Hilfe 
un ebr äußerlichen Teilung wird die Zahl wirklich herausgebracht, aber der Emit | 
achdrud ift anzuerkennen, mit weldem die Tröftung der Gebeugten, die a 
werfelnden, die Beratung der Unjchlüffigen dem Schüler ans Herz —F wird. 
60 * undſchaft ausdrücklich im dieſer Reihe auftritt, erllärt ſich aus ber a 


nee 4 












Mogilas Molauns 253 


Neun und Sieben ericheinen alfo neben der Drei als die religiös bedeutfamen Zahlen, 
die erjte bat in den Klaſſen der Engel, die zweite in den Saframenten und deren Wir: 
lungen ibre vornebimite Darſtellung. Die biermit eröffnete Tugend: und Pflichtenlehre 
fett fich ferner im dritten Teil unter dem Titel der Yiebe und in der Auslegung des 
Delalogs auf ähnliche Weiſe fort. Aus den drei chriftlihen Haupttugenden ergeben ſich 5 
zunächſt die Chliegenbeiten des Gebete, des Faſtens und der Wohlthätigfeit, dann die 
wichtigen Tugenden der Klugbeit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung, ganz nad) 
ihren Hafjishen Namen. Ihnen ſtellt fich jodann die Reihe der Laſter und Sünden, der 
läßlichen wie der Todjünden, gegenüber, das höchſte Gebot aber fpricht die gemeingültige 
Norm des Handelns aus. Eine evangelijch-freie Auffafiung der chriſtlichen Yebensaufgabe 10 
fann fih in den gegebenen asketiſchen, vorfchriftlichen und ceremoniellen Schranken nicht 
Bahn brechen. Indeſſen finden fich zumeilen tiefer greifende Erwägungen, 3.8. ©. 296, 
wo beantwortet wird, twiefern das zweifache Gebot Chriftt den ganzen Defalog in ich 
begreife, oder ©. 297, wo erflärt wird, warum das erite Gebot die Erkenntnis Gottes 
von Sich jelber austrüde. Tas erfte und zweite Gebot giebt auch Gelegenheit, die Firchlich 15 
vorgejchriebene Anrufung der Heiligen und den Gebrauch der Bilder zu rechtfertigen. Die 
Erledigung diefer Schwierigkeiten ijt verftändig und naiv zugleih. Die Heiligen werden 
als Freunde Gottes angerufen, nicht angebetet, und daß fie überhaupt von den irdiichen 
Dingen Kenntnis baben, muß durh Annahme einer göttlichen Gnabenmitteilung erklärt 
werden (S. 300). Es iſt ferner ein großer Unterſchied zwiſchen Idolen (eidwAor) und 20 
Bildern (eixwv); jenes find menfchliche Erfindungen, diefes find Darftellungen wirklicher 
Dinge und Berfonen, aljo wohl geeignet, die Anſchauung von dem Sinnlichen zum Himm— 
liſchen und zu Gott felber emporzutragen. Die Verehrung gilt alsdann nicht ihnen, jon- 
dern dem vergegemvärtigten Göttlichen oder Heiligen. Bilder find das notwendige Hilfs: 
mittel der Anrufung der Heiligen, Doch werden jie, wird naiv binzugefeßt, nur dann 35 
ihrem Zweck entjprechen, wenn jedes Bild feine Aufichrift hat. 

Wir haben in diefer Uberjicht viele Einzelbeiten unberührt gelafjen, den Sinn und 
Geiſt des Ganzen aber hoffentlich binreichend Tenntlich gemadt. Es tft der Standpunft 
des alten Katholicismus, wie ihn das griechifch-ortentalifche Kirchentum Nom gegenüber 
fortgepflanzt und feitgebalten bat. Man bat der Belenntnisfchrift des Mogilas den ent 30 
gegengejeßten Vorwurf gemacht, daß jie lutberanifiere und romanijiere, weil namentlich der 
angeblich lateinifch geſinnte Meletius Syrigus an der legten Redaktion großen Anteil gehabt 
babe. Die eritere Anklage kann nur auf Mißverſtändnis beruben und läßt fich mit feinem 
fiheren Merfmal belegen. Tie andere möchte nur infofern einen Zinn haben, als die 
griechifchen Eigentümlichkeiten in Bezug auf Fegefeuer, Ungefäuertes, Kreuzeszeichen, Ulung, 35 
Faften u. dal. einfach und ohne eigentliche Angriffe gegen Nom und das Bapfttum feit- 
gehalten werden. Gap 7 (Ph. Meyer). 


Molanns, Gerhard Walter, geit. 1722. — Ein Verzeihnid der Schriften von 
Molanus bei E. A. Tolle, Lebensbeſchreibung aller Professorum Theol. g" Rinteln, Hannover 
1752, IL, S. 331—338 und in Strieders heſſiſcher Gelehrtengejhichte IX, S. 136—143. Die w 
wiihen Molanus und Boſſuet gewechjelten Schriften jind in den Oeuvres de Bossuet, ed. 

j IX, Baris 1856, S. 809-1070 ausführliger und korrekter — die lat. Scriften 
meijt auch franzöjiich von Boſſuet — twiedergegeben als in der Schrift Super reunione pro- 
testantium cum ecclesia cath. Tractatus inter B. et Mol., ®ien 1782; v. Einem, Das Leben 
6.8. Molani, Magdeb. 1734; Schlegel, K. u. Ne. Geſch. von Norddeutihland III, Hannover 45 
1832; Hering, Geld. d. kirchl. Unionsverſuche II, 1838 ©. 214ff.; F. Uhlhorn in der ZEG 
X 8.39 ff.; Wagenmann in d. AdB XXII ©. 86Ff. 


Gerhard Walter Molanus, Iutberijcher Theologe aus der Schule Galirts, wurde in 
Hameln an der Wefer, wo fein Bater Spndifus und Advokat war, am 22. Oktober alten 
oder am 1. Nov. neuen Stils 1633 geboren und auf der braunſchweigiſchen Yandesuniverfität 50 
Helmjtedt gerade noch unter Galirtus ſelbſt, welcher bis 1656 lebte, und unter deſſen 
Schülen und Kollegen Gerbard Titius, Joachim Hildebrand u. a. gebildet. Dieſelbe 
tbeologifche Schule erbielt gerade Damals auf der ſchaumburgiſchen Untverfität Rinteln die 
Alleinberrichaft, ſeitdem jie nach dem weſtfäliſchen Frieden den reformierten Yandgrafen 
von Heſſen⸗Kaſſel allein überlajfen war und dieſe Die Wflicht hatten, den beftigen gegen: 56 
feitigen Haß der Lutheraner und Neformierten in ibrem Yande möglichit zu verjübnen ; 
ſchon Landgraf Wilbelm VI., der Veranſtalter des Friedensgeſprächs zu Kaſſel 1661, 
und nach deſſen frübem Tode 1665 jene Witwe, Hedwig Zopbia, die Schweiter Des 
großen KRurfürjten von Brandenburg, jorgten daher, daß nur aus der von Haß gegen Die 


ei — ex Theologen, alſo aus der helmſtedtiſchen, die 









tbeologifd ee ae une vurden. "Er u ia Adel 
Meer 11. an of Öfenns (9 — ——— 
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im der | dog eng ich —— 
"den late h ee Biete mehrmals ee 
ahre 1674 wurde Molanus von dem Johann Friedrich nach Juſtus 
die Di des nſiſtori und 
— — en * — Ai — und wie a den 





war von dem Herzoge Julius 1585 das Fortb der alten Rechte und das ir 
rachte „Habit” F ert und ſeine evangeliſchen Abte wurden nun unter den 
En — zugleich — * erſte 1992 2 —— 


40 waltung —* der I geworbene. obann 5 
er Nachfolger t Auguſt und Georg ‚ber bis er Tebte, hr 10h eis 
halbes Jahrhundert hindurch beinahe allein überließen. Molanus benugte dieſe Stell 

N e lange Zeit hindurch zu einer mehr erbaltenden und berubigenven, mehr erregte böfe 
enſchaften beſchwichtigenden, als Neues ſchaffenden, reformatorifchen Wirkſamkeit; jet 
+ Zymbolum war Beati pacifiei ,; als Schüler Galirtö bielt er bei der Landesgei 

auf gelehrte — überbaubt und auf die auch auf der —— 
insbeſondere und bewirkte er ſchon dadurch eine Vermind polemiſchen 
eit gegen die anderen Konfeſſionen und des Verdienſtlichfindens ns deren; er * 

r Schulen und Kinderzucht und Kultus obne Experimentieren und 
50 ri —* für pr feiner kirchlichen Konſiſtorialbureaukratie von 
ebörden neben ihr (Schlegel, T. III, ©. 353. 360. 376) und erbielt wann 
durch verdientes Vertrauen mebr noch als durch Fügjamteit obne viel yf die Jventität 
ai a ten und des land lichen Willens im Kirchenregiment und Be 
mfang feiner Wirkſamkeit. Aber diefe Erfolge und fein Gölibat, feine Wü 
65 > fein antwachjender Reichtum wurden ibm dabei zu einer Verfuchung, mehr Wert auf 
dies alles und auf ſich felbjt zu legen, als nötig, und für die ihm anvertraute Landes: | 
—— heilſam war; wenn er eine Bibliothek ſammelte, welche 12000 Thaler, und =. 
jammlung, welche 66000 Thaler wert war, und „fructus sancti coelibatus“ über 

ge Ser ichrieb (Dolle S. 328 ff.), jo war das nü lih und ſchön, befonders da «er 
00 Ki vor Simonie frei wußte — er beteuert in feinem Tejtament, „tie er von Anfang jenes 















ä 





Melanıs 255 


Kirchendirektorates 1674 viel hundert Candidatos zu Pfarrdienften — und zum Stüd Brot 
geholfen habe, Gottlob aber ohn alle Gefchenfe, Korruption oder Simonie”, auch nicht 
„für die Necommendationes bei meinem gnäbdigften Fürften und darauf allemal erfolgter 
obnjehlbaren Beförderung” — nur darf man dabei nicht an ein anderes „ehrliched Ka— 
pital” denken, welches um diejelbe Zeit Hermann Franke fammelte und Jeſ 40, 31 über den 5 
Eingang des Haufes fchrieb, welches er davon baute. Und fagt er in dem Gutachten über den 
Übertritt der Prinzeſſin Elifabeth zur fatholifchen Kirche: „Es ftehet feinem Priefter zu, fich 
zum Richter über Feine Souveränen aufzumerfen, gegen fie oder ihre actiones invec- 
tivas zu halten oder ſonſt etwas zu thun, dadurch die Affeltion und Reſpekt der 
Untertbanen gegen ihre hohe Obrigkeit vermindert werden Tönnte”, Altes und Neues, 10 
Jahrg. 1722, ©. 556, hat er nad) dem Zeugnis eines Zeitgenofien, Joh. Dav. Köhlers in 
öttingen (Münzbeluftigungen T. 9, ©. 57) guten Freunden, die von ihm einen Rat 
begebrt, wie fie ihr Leben klüglich und glüdlich in der Welt einrichten fönnten, die drei 
Regeln angewiefen: 1. superioribus reverentiam et obedientiam praesta, 2. of- 
ficium tuum fac taliter qualiter, 3. stultum est laborare ubi quiscere possis". 15 
S. auch Tholud, 17. Jahrhundert 2, 57, fo fteht man einem ebenfo bedenklichen Mangel 
an fittlihem Mut, wie an natürliher Energie gegenüber. Über die eigentümlichen An 
fhauungen, die M. über evangelifches Kloſterleben begte, ſ. F. Uhlhorn ©. 419 ff. 

Eine noch bedeutendere kirchliche Wirkſamkeit weit über die Grenzen der bannöve- 
rifchen Landeskirche hinaus ſchien Molanus durch feine Teilnahme an Untonsverband- 20 
lungen mit den Neformierten und mit der fatbolifchen Kirche erhalten zu follen; doch 
machte er bier bald die Erfahrung, daß der Schmerz über die Zerriflenheit der Kirche 
und die Anertennung der Pflicht, an ihrer Heilung zu arbeiten, nicht auch fchon die Aus- 
fübrbarkeit diefer in einer gegebenen Zeit verbürge. 

Über die Union mit den Reformierten fich zu äußern, erhielt Diolanus eine erfte 3 
PBeranlaffung durch die Aufhebung des Edikts von Nantes und die dadurch veranlaßte 
Aufnahme franzöfifcher Flüchtlinge im Hannoverifchen, und die im Sabre 1690 ihnen dort 
gewährten Privilegien (Schlegel a. a. D. ©. 291); bei diefer Gelegenbeit jpricht e8 Molanus 
m einem auch von Leibnig mitunterzeichneten Gutachten aus, „daß auch den moderatis, 
ja moderatissimis, d. h. denjenigen evangelicis, welche die abjonderlichen Xehren so 
der Heformierten nicht für fundamental, fondern vielmehr die Neformierten für Brüder 
in Chriſto halten, je dennoch vor einer ſolchen per declarationem publicam_ ein: 
zufübrenden Toleranz billig grauet, weil die conditio der evangeliſchen Kirche dadurch 
immer jchlimmer geworden”, hat aber, um dies zu beweifen, bloß jeine in Rinteln ge- 
machten Erfahrungen anzuführen, mie die helle Regierung dort nach dem Kaſſeler s 
Kolloquium vom Jahre 1661 reformierte Profeſſoren, Bürgerneifter und Natsherren ein- 
geſetzt und für den Gotteödienjt der Neformierten eine Kirche eingeräumt und „dann 
und wann Prediger dabin gejegt babe, welche die evangelifchen Dogmata beftig perftrin- 
gierten” weshalb denn Mufäus nach Helmjtädt, Edard nach Hildesheim gegangen und 
Henichen früh geftorben ſei. (Das Gutachten ift abgebrudt hinter Neumeiſters Schrift, ad 
„Daß das itige Vereinigungsweſen mit den ſog. Neformierten allen 10 Geboten, allen 
Artikeln des apoſtoliſchen Glaubensbelenntnifjeg, allen Bitten des V.-U. u.f. m. zuwider⸗ 
laufe.” Hamburg 1721 in 2°, S. 7176.) Weitere Beranlaffungen, die Union nit den 
Keformierten zu betreiben gaben die Verheiratung einer Tochter des Kurfürften Ermit 
Auguft an den Kurfürſten Friedrich von Brandenburg, dann 1705 Verhandlungen darüber 4 
wilhen Anton Ulrich von Braunfchtweig und dem Könige von Preußen; auch bier wurde 

lanus zu Gutachten, zur Kommunikation mit Urfinus u. ſ. f. herangezogen, und bier 
— er mehr als vorher nachgegeben zu haben, aber die Verhandlungen wurden ohne 
og ſehr plöglich im Jahre 1706 durch ein Verbot an Leibnitz abgebrodyen (Schlegel 

. ©. 323—326. 699). 50 

Noh mehr wurde Molanus zu Arbeiten für Herbeifühbrung einer Union mit der 
katholiſchen Kirche herangezogen. Herzog Johann Friedrich twünjchte fo beftig ihn felbft 
in die Bidet m Kirche nachzuziehen, daß er ihm dafür anbot, er wolle ihn dann zu 
feinem Biſchof machen und ibm außer einem Diefer Stellung angemelfenen Einkommen 
noch ein Gefchent (oder eine Totation für das Bistum?) von 100 000 Thalern dazu 
— Molanus ſchlug ſtatt ſeiner nach dem Tode des erſten apoſtoliſchen Vikars für 

deutſchland Macchioni (geſt. 1676) dem Herzoge den Dänen Steno für dieſe Stelle 
und zu feinem Beichtvater vor (ſ. Molanus eigenes Zeugnis vom Jahre 1710 bei Schlegel 
E. 265—266. Über den Vikariat Mejer, Propaganda, T.2, ©. 218 ff). Um diefelbe 
Zeit begannen auch die Unionsverbandlungen des Roras de Spinola, welcher zum erjten co 


& 


256 Molanns Molina und der Molinisuns 


Male unter Johann Friedrich 1676 und zum zweiten Male unter Ernſt Auguft 1683 
in Hannover erfchien und mebr angeboten zu baben fcheint, als er wohl nadıber bätte ra- 
tifizieren lajjen fünnen, z. B. Abendmabl unter beiderlet Geftalt, Prieiterebe, vielleicht gar 
Zuspenjion des Tridentinums, und mit welchem Molanus von beiden Fürſten zu unter: 
bandeln beauftragt war (Schlegel S. 297 ff.; Hering, Neue Beiträge zur Geſch. der ref. 
Kirche in Preußen, T. 2, Z. 352 ff.). Daran jchlofjen fih 1691, 1692 und 1693 noch 
Berbandlungen zwiſchen Boſſuet und Molanus, welche man näber fennt, in welchem 
man aber noch tveniger einig wurde, da Bofjuet nicht einmal fo viel wie Spinola ein- 
räumen konnte. Molanus ſpricht in feinen Erwiderungen die größte Ghrerbietung gegen 
10 Bofjuet aus und weiß fich faſt in allem dem einig mit ihm, was Boſſuet für Die gegen: 
jeitige Anmäberung durch jeine „expositoria methodus“, d. b. durch Nachweiſung ge- 
leiftet babe, in wie vielen Yebren der Difjens zwiſchen Natboliten und Lutheranern nur 
auf Mißverſtändnis oder verjchiedene Bezeichnung eines gleichen Inhaltes hinauslaufe; er 
bat nichts dagegen, die Eucarijtie „quodammodo proprie diei sacrificium“; er giebt 
5 ihm auch zu „de coneiliis oecumenicis legitime celebratis dico: Christus nunquam 
permittet ut ecclesia universalis in concilio aliquid fidei contrarium pro- 
nuntiet“ u. dgl. (Boſſ. S. 848. 871. 1042f.). Aber das Tridentinum, wo die ro. 
teftanten nicht gehört und dennoch verurteilt ſeien, und welches auch nicht von der ganzen 
fatbolifchen Kirche angenommen fei, 3.8. vom Deutjchen Reiche und näber im Erzbistum 
20 Mainz nicht, wo noch Kurfürſt Johann Philipp dies jeinem Rate Leibnitz bezeugt babe, 
fönne deshalb nicht für legitime celebratum gelten, und wenn deiien Geltung, 3. 2. 
feine Worfchrift der Kommunion sub una, nicht für die Proteſtanten juspendiert werde, 
jei alles weitere Unterbandeln völlig vergeblid, denn in diefen Punkte könnten und 
würden die Protejtanten nicht nachgeben. Auch mit dem Nachfolger Spinolas (geft. 
25 1695), dem Biſchof Grafen von Buchheim, welchen der Kaifer Leopold 1698 nach Han: 
nover ſchickte, Scheint Molanus nicht weiter gelommen zu fein (Schlegel S. 314ff.). In 
allen dieſen Verbandlungen aber bewirkte wohl ſchon der Ton, in weldem Molanus mit 
den fatbolifhen Biſchöfen verkehrte, die Zugeftändniffe, welche er ibnen machte, die Art, 
wie er fih ibnen gern noch als Gifterzienjer näher ftellte u. dgl, daß er ſich um dieſe 
0 Zeit gegen das Gerücht, er werde fatholiich werden, in Briefen und Schriften verteidigen 
mußte. Vielleicht machte ibn dies auch noch im Jahre 1705 etwas borfichtiger und 
itrenger, als ein Gutachten von ibm gefordert ward über den Übertritt, zu welchen Herzog 
Anton Ulrih von Braunſchweig damals feine Enkelin Elifabetb Chrijtine ver und zu 
ibrer Verheiratung mit dem nachberigen Kaiſer Narl VI. zu nötigen befchäftigt war; denn 
> obgleich er bier von feiner gemäßigten Anerfennung der katholiſchen Kirche nicht abfiel 
und die Meinung ausfprach, „daß Die päpftliche Kirche, excepta communione sub 
una, in der Lehre lange nicht fo ſchlimm fei, als in eultu“, und daß wer „im Papſt⸗ 
tum geboren und erzogen jet”, felig werden fünne, jo follte Doch daraus nicht folgen, 
dag ein evangeliſcher Chriſt ohne Sünde gegen fein Gewiſſen oder nah Nö 14 aud nur 
so mit zweifelndem Gewiſſen übertreten dürfe. 

Wolanus ftarb, 89 Jahre alt, am 7. September 1722. Die bezeichnendfte Charal: 
teriſtik Dosfelben, nicht nur durch ein vorangeitelltes calixtiniiches Glaubensbefenntnig, 
jondern auch Durch eine ſehr ſpezielle Selbftbeichreibung, giebt fein Teftament, welches 
am volftändigften bei Strieder a. a. D. T.9, S. 108-134 abgedrudt ift, abgelürzter 
bei Dolle. Henke + (Hand). 


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O. Pr), Historia congregationis de auxiliis gratiae, Lovan. 1700 (fol.). &egen ihn: Theo 
Eleutherius 1. Livinus Meyer S. J.), Historia eontroversiarum de divinae gratiae auxiliis, 
Antwerp. 178 tfol.). Gegen diejen dann der Thomiſt C. R. Billuart (geft. 1757), Summa 
summae S. Thomae, 1754. -- N. Werner, Thomas v. Aquin (Regensb. 1858F.), IIL, 378f.; 
und: Franz Suarez und die Scholaſtik der legten Jahrhunderte (Wien 1861), I, 24ff. 
L. Ranke, Die Päpſie, II, 203. Gerhard Schneemann 8.J., Die Entjtehung u. Entwidelung 
der thomiſtiſch moliniſtiſchen Nontroverje (aus SEML, Nr. 9—-14), Freiburg 1879|. Derj. 
Controversarum de divinar gratiae liberique arbitrii concordia initia et progressus, eb». 
> 1861 (vgl. unten, im Tert\. Tb. de Regnon, Bannes et Molina. Histoire, doctrines, critique, 
metaphysique, Paris 1883. Chr. Peſch S.T., Ein Dominikanerbiſchof als Molinift vor Molina: 
3tTh 188, ©. 171ff. (ſ. u. im Tert),. Derſ. in f. Traetatus dogmatici, V, 157—164. 
Hergenröther. Lehrb. d. Nirchenneichichte”, IIL(1SS6), &. 363--268). P. Schanz, ThOS 1885, 
I, 141, Dollinger-Reuſch, Bellarmins Selbſtbiographie (1587), ©. 2537. 273 ff.). Reuſch. 
„Der Inder der verbotenen Bücher II (Bonn 18851, S. 45f. 208-309. Morgott, KKLꝛ. VIII, 


Moling und der Molinismus. - Auguſtin fe Blanc (Pſeudon. für: Hyacinthe Ser 


z 
- 


Molina und der Molinismus 257 


17341780. Sanct. Sciffini, Tractatus de gratia divina, freiburg 1901, p. 383. 448. 

Sn biographifcher und bibliographifcher Hinſicht bietet bei. Neichhaltiges: C. Sommer: 
bogel, FT etc. t. V, 1167—79. Bgl. Hurter, Nomenclator? I, 47—49 u. Mor⸗ 
gott 1. c., 1735. 


Der an Scharflinn und umfafjender Gelehrfamteit den meisten feiner Orbensgenofjen 
überlegene Jeſuit Ludwig Molina trat gegen Ende des 16. Jahrhunderts — fcheinbar 
vermittelnd, im Grunde aber nur mit Worten den Gegenfaß verbedend — in den Zwie— 
ipalt hinein, welcher ſich durch die ganze Gejchichte der Lehre von der Gnade in der kath. 
Kirche binzieht und namentlich zwiſchen den Schulen des Thomas und des Scotus unab- 10 
läjfige Kämpfe erzeugt hatte. Beim Übergang vom Mittelalter zur neueren Zeit mar 
das Problem eine Ausgleichs zwiſchen der dem Auguftinus unausgefebt dargebrachten 
boben Verehrung und dem andererſeits die ganze Fatholifch-kirchliche Moraltradition be- 
—— Semipelagianismus beſonders von zwei Seiten her zu löſen verſucht worden: 
uerſt durch den ſpaniſchen Thomiſten Didacus Deza (Biſchof von Salamanca, dann von 

encia, geſt. 1523 als deſign. Erzbiſchof von Toledo), deſſen auf Umbildung der 
Auguſtiniſchen Gnadenlehre im ſemipelagianiſchen Sinne gerichtete Beſtreben treffender⸗ 
weiſe als „Molinismus vor Molina“ bezeichnet worden iſt (ſo von Peſch a. a. O.; vgl. 
urter, Nomenc. IV, 1023sq.); dann wieder in anderer Weiſe durch den belgiſchen 
rläufer und Wegbereiter der janfeniltiichen Bewegung Michael Bajus in Löwen. Der 20 
letztere (ſ. d. X. Bd II, ©. 363 ff.) war noch nicht geitorben, als der Streit in anderer 
Gegend in eine neue Phaje eintrat durch ein 1588 zu Liffabon erfchienenes Buch: Liberi 
arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione 
et reprobatione concordia, welches außerordentliches Aufjehen erregte. Verfaſſer des- 
— war der Jeſuit Ludwig Molina, welcher, zu Cuenca in Neucaſtilien 1535 geboren, 25 
on früh in den Orden Loyolas eintrat, mit großer Auszeichnung in Goimbra Theo: 
logie jtudierte und fpäter ein angejehener Lehrer derfelben wurde. Er fchloß ſich haupt: 
ſächlich an den lufitanifchen Ariftoteles Petrus Fonſeca (f. d. A. VI, 123,34) an, lehrte 
auch teils neben, teils nach dieſem feinen Lehrer zu Evora 20 Jahre hindurch thomtitifche 
zbeologie; jpäter wurde er Profeſſor der Moraltheologie in Madrid. Hier ſtarb er den 0 
12. Dftober 1600, 65 Jahre alt, von feinen Ordensgenoſſen bochgeehrt wegen feiner Ge: 
lehrſamkeit, Demut und freiwilligen Armut. Sein großes Werk völterrechtlichen Inhalts 
De justitia et jure (6 Bände, 1593— 1609), fein Kommentar über den eriten Teil der 
Summa des Thomas Aquinas (Cuenca 1592 u. ö.), auch verjchiedene biftorische und 
fonftige Schriften (vgl. Sommervogel 1. e.), haben ihm auch auf anderen Gebieten einen 35 
angefehenen Namen erworben. Hauptſächlich berühmt aber wurde er durch das oben ges 
nannte Werk, jeine erite größere Eritlingsichrift, die außer der angeführten, jest ſehr 
feltenen Liſſaboner Ed. princeps bis ins folgende Jahrhundert binein verjchiedene neue 
Auflagen erlebte (3.3. Cuenca 1592, Lyon 1593, Venedig 1594 und 1602, Antiverpen 
1595 u. 1609, auch noch Antwerpen 1715, fowie neuerdings Paris 1876). Das Buch 40 
bildet eigenlich einen Kommentar über gewiſſe Stellen der Summa des Thomas (bei. 
über art. 13 u. 16 von P. T), durch welchen der Verfaſſer Auguftin und die Semipela- 
gianer in einer Weiſe in Einflang bringen wollte, „mie es bisher noch von niemanden 
zu ftande gebracht worden.“ Das Wiſſen Gottes, determiniert durch feinen Willen, fei 
zwar, wie der Grund aller Dinge, fo auch derjenige der freien Handlungen des Menjchen. 4; 
Deus semper praesto est per concursum generalem libero arbitrio, ut natu- 
raliter aut velit aut nolit prout placuerit. In den Willen entmwidelt ſich die Frei⸗ 
beit nach vorhergegangenem Urteil der Vernunft formaliter. Durch dag Mitwirken 
(eoncursus) Gottes kann der Menſch auch ohne einen befonderen Gnadenbeiftand etwas 
moralisch gutes verrichten, welches feinem natürlichen Endzwede gemäß ift, wenngleich nicht so 
dem übernatürlichen, d. bh. dem, wodurch das Wachstum in der Gnade oder das ewige 
Leben erlangt werden fünnte. So oft aber nun der freie Wille durch feine natürlichen 
Kräfte bereit ift, alles zu verfuchen, was er von fich ſelbſt kann, um dasjenige zu er: 
lernen und anzunehmen, was entweder den Glauben oder den Schmerz über die Sünden 
und die Rechtfertigung betrifft: jo erteilt ihm Gott die zuvorkommende Gnade und jenen os 
Beiftand, damit er es fo thue, wie es zur Seligfeit nötig iſt. Nicht ale verdiene er fich 
dadurch jenen Beiftand in irgend einer Art, wenn er gleich ohne Hilfe der Gnade Ver: 
ſuchungen widerſtehen, ja fich zu einem oder dem anderen Akte des Glaubens, der Yiebe 
und ber Neue erheben könne. Sondern Chriſtus bat ung dies durch fein Verdienſt ver. 
ſchafft; um feinetwillen gewährt Gott uns die Gnade, durch welche wir die übernatür: co 
Neal-Eucytlopädie für Theologie und Stiche. 8. A. XIII. 17 


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Beat 










mpfahl fie ſich dadurch, daß fie möglichjt weit won den Lei  Häretifer Yutbe 
585, 11 ff.) und Mariana in — — Molina 
aber die Dominilaner ala Drbensgenofien des Doetor 














zu e Blanc (Setry), bebauptet 
ber, —— 
n et olina 
lieben. —— ihn — 
über dieſe Ge ve in Spanien 
haben würde, die Akten zum Spruche 






Molina und der Molinismns 259 


gugelandt. Er befragte die angefehenften Theologen und Biſchöfe darüber, erfannte aber 

‚ daß die Verwerfung der 60 Säte Molinas, welche man angefchuldigt hatte, für die 
römische Kirche ebenjo gefährlich fein würde, mie deren Annahme Daher ward das 
gewöhnliche Mittel angewandt, wo etwas in der Schwebe gehalten werden follte: «8 
wurde 1598 eine Kongregation zur Unterfuchung der Sache eingejeßt, welche unter dem 65 
Namen der Congregatio de auxiliis gratiae berühmt wurde und der ftreitigen An- 
gelegenbeit nach und nad) zablloje Seffionen widmete. Vor ihr führten nun Jeſuiten 
und Dominikaner ihre Sache im Geilte ihrer Orden ganz als Parteiangelegenheit (Reuſch, 
Sinder II, 298 f}.). 

Unter den für die Lehrweiſe Molinas eintretenden Theologen der Gefellichaft Jeſu 10 
waren ea rar Toletus und Franz Suarez, welche ſich beſonders hervorthaten. Molina felbit 
jowie Papſt Clemens VIII. wurden bald vom irdiſchen Schauplage abgerufen. Während 
der erften Jahre Pauls V. (feit 1605) dauerte der Streit mit SHeftigkeit fort. Die 
Jeſuiten mußten ſich der ihnen wiederholt drohenden VBerdammung dur allerei Künfte 
und bejonders durch ihr politifches Anſehen zu entziehen, indem fie fogar Erfcheinungen 15 
der Jungfrau Maria vorgaben, die ihre Lehre beitätigt habe; fie behaupteten, es handle 
fih nicht um Glaubensfäge, drohten mit einem allgemeinen Konzil u. |. w. Eine bereits 
ausgefertigte Verdammungsbulle wider fie wurde wegen der Verdienfte, die fie ſich im 
Kampfe des Papftes mit der Republik Venedig erworben hatten, zurüdgehalten und ge 
langte nicht zur Publikation. Seit 1607 ließ Paul V. die Kongregation ihre Siyungen 20 
einftellen, indem er zu gelegener Zeit eine Entſcheidung zu geben verfpradd. Statt dieſer 
Entfcheivung, welche überhaupt niemals erfolgt ift, erlieh der Papſt im Sabre 1611 ein 
Verbot jedes ferneren Streite über die Angelegenheit der auxilia gratiae.. Seine 
Runtien mußten den geiftlichen Oberen aller Länder ein auf genannten Gegenftand be: 
zügliches Drudverbot infinuieren (... ne sinant imprimi in materia de auxiliis, % 
etiam sub praetextu commentandi S. Thomam, aut alio modo; et qui volunt 
de hac materia scribere et imprimere, prius mittant tractatus et compositiones 
ad hanc S. Inquisitionem). — Wegen der fpäteren auf die auxilia gratiae bezüg- 
lihen Erlaſſe der Päpite, befonders des Inquiſitionsdekret Urbans VIII. vom 22. Mai 
1625 74 dasjenige Innocenz' X. vom 23. April 1654, |. Näheres bei Reuſch, Inder so 

‚303r. 

Nicht ganz ein Jahrhundert nach Unterdrüdung des Streites durch Paul V. fchrieb 
der Dominikaner Hyacinthe Serry, pſeudonym als Auguftin le Blanc, die Gefchichte der 
Kontroverje in Gehalt eines zu Löwen erſchienenen ftattlihen Folianten (f. o. die Xitt.). 
Seiner Daritellung trat als Anwalt des moliniſtiſchen Standpunktes der Jeſuit Livinus 35 
M unter dem Namen Theodorus Eleutberius gegenüber (1708), den dann der Thomiſt 
Billuart u. AN. befämpften (vgl. Dustif, Scriptt. O. Praed. II, 803; Reufch, Inder 
308 und 688 f.). Daß die jemipelagiantsche Denkweiſe Molinas über die mehr auguftiniich 
erichtete Theorie der Thomiften in der neueren römifchen Tradition faktiſch die Vor: 

haft errungen hat, ift bei mehr als nur Einem Anlaſſe erfichtlih geworben; fo ao 
namentlich ſchon gelegentlich der Streitigkeiten der Sefuiten mit ihren janſeniſtiſchen 
Gegnern im 17. und 18. Jahrhundert. Neueftens hat der Jeſuit Gerhard Schneemann 
in den Schriften: „Die Entftebung und Entwidelung der thomiſtiſch-moliniſtiſchen Kon- 
troverfe” (freiburg i. Br. 1879) und Controversiarum de div. gratiae liberique 
arbitrii concordia initia et progressus (1881) zu zeigen unternommen, daß Molina 45 
jeie die ihm folgenden jejuitifchen Theologen die Autorität des bl. Thomas, ja felbit 

ie des Auguftinus, mehr für In hätten, ala die älteren Thomiſten im engeren Sinne, 

+2. jmer Bang. Die moliniſtiſche Kontroverse ift infolge davon fait vollftändig wieder 

aufgelebt. Der Dominifaner M. A. Dunmermuth (S. Thomas et doctrina praemotionis 
hysicae, Paris 1886) und andere richteten Angriffe wider den Echneemannjchen Neu: 60 
linismus, während Jeſuiten wie V. Frins (S. Thomae Aqu. doctrina de coope- 
ratione Dei cum omni natura creata, Paris 1893), S. Schiffint (De gratia div., 
. 383. 448. —, ſ. o. d. Pit.) ꝛc. ſchützend für denfelben eintraten (vgl. Schreiber, Art. 
gemann im KARL? X und GC. Sommervogel, Biblioth. ete., VII, 822-—826). — Auch 
noch von anderer Seite her hat man in unferem Jahrbundert Molinas Lob gejungen. 
De Maiftre (De l'église gallicane I, 1,9) beivunderte ihn als „un homme de g£nie, 
auteur d’un systöme à la fois philosophique et consolant, sur le dogme re- 
doutable qui a tant fatigué l’esprit humain, systöme qui n’a jamais été con- 
damn& et qui ne la sera jamais“. Wegen feiner Yeiftungen auf moraltbeologifchen 
Gebiete überhaupt, insbefondere wegen feines kaſuiſtiſchen Scharfſinns, belobt ihn P. Gury w 

17” 


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zae -„iditate vravissimum (vgl. Hurter, 


Belt + (Zödler). 


—F “rse> Jjeers oncernant le Quiéêtisme et 
‚2 = me ten uneerning the present state 
._2-..zını 2 subert Vurnets Account of. 
rue. Lar:s Ihr ingl. J. Mabillon, 
„IS n -quictiate- tin den Oeuvres de 
: s. Urneid. Unverteniiche Kirchen: u. 
-m- 2. Disserrationum decas p. 404); 


PO 5512 x. ẽ. Zaturling, Mystikeren Molinos 


.. men. 3575 1854 35: H. Heppe, Be: 

On. zz: Der iS) =. 110--135; 260--282; 
 2= ei. ade ". TII IV, Madrid 1880; John 
- “or. Meutil, Ter Inder der verbotenen 
Taerlen -t la Suciete de l’Abbaye de 

,„ er . zer. Ethit II, 100-164; Zul. 

.. .z Jersa emer Anbüngerihajt: 386 


„2 mer sm Weiß Der Jahreszeiten, 
.; zerzzn yutanmenbang in Den Der: 

> Ts mern. Wie am Ende des 
oe age Hermegung teilweiſe ohne ſicht⸗ 
- „seie sum io am Ende Des 17. eine 
.2.: Zureiand Die Bewegungen Des 

“- 2 212 Taatertum auf, in Fankreich 
‘2 Szenum Nr Quietismus. Tie legt: 
on \arrpundertse durch Das beicht: 
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X —* des Aragoneſen Miguel 


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. . Z mas 125. Tesember 1640) von 

"= zes. zuntopmerte Prieſter Michael de 
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mn npurb er ſich Doch den Huf 
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. .. Ta anrwaft tchenften. So zählten 
2... nm, Ciceri und Petrucci (Cra: 

. . auch intereſſierten jich für 
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SYIX Zr: Run dor der Ztubl: 

„zı »2 Tremmen ſpaniſchen Prieſter 
rn „men püpitliden Palaſt zur 

„u "nun, den „Geiſtlichen Weg: 

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as... 2 del rieco tesoro della pace 
“0. deren Publikation der Fran—⸗ 
Nm anden Verfaſſer gedrängt hatte, 
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e oe, welden ein ungenannter 
2 sunzdit ala bejonderen Traktat 
der Aicael beigegebener Anhang 
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„gm sam. ungeachtet Dos Anſehens, 
.. Zesterzer und Beichtvater Roms 
„ner Zion längere Seit dor feinem 
> ann Toanafett gegen den Proteitan: 
a rerenmus und Myſticismus innerhalb 


Molinos 261 


derfelben zu entwideln begonnen. Im ganzen einer verftändigen traditionellen Theologie 
zugetban, befaß er allerdings auch Nepräfentanten einer inneren Frömmigkeit in Ye Mitte, 
doch immer unter ftrenger Zucht der Neflerion und Autorität. Die allein auf die innere 
Beichaulichkeit gerichtete, das Herzensgebet (die oratio passiva s. mentalis) vor allem 
empfeblende und den äußeren Frömmigkeitsübungen, insbeſondere auch der Beichte abholde 5 
PANNE eines Molinos, zumal bei dem Einfluß eines ſolchen Mannes auf das Ober: 

upt der Kirche, konnte diefem Orden nur gefährlich erjpeinen, Die vereinzelten Be: 
mwunderer, welche Molinos jelbit in feinen Kreifen, 5. B. an den römijchen Sefuiten 
Appiani und Esparza, gefunden batte, blieben ohne Einfluß auf die Haltung des Ordens 
im ganzen. Einer ‘einer Angebörigen, der fanatiiche Bußprediger und Asket Paolo Seg= 10 
neri, Verfaſſer einiger noch neuerdings in fatholifchen Kreifen gejchägten Erbauungsichriften 
gl die deutiche Ausgabe derfelben von Weisfopf, 1852), trat als eriter öffentlicher An- 

äger wieder die Lehren des Guida auf. Er ſchrieb dawider, zunächſt unter Vermeidung 
fchärferer Polemik, ſowie ohne des Molinos Namen zu nennen, eine Concordia tra la 
fatica e la quiete nell’ oratione (Bologna 1681). Die dadurch erregte Entrüftung, ı5 
nicht gegen den Angegriffenen, fondern den Angreifer wurde fo groß, daß die Inquiſition 
eine Kommiffion zur Unterfuchung der Schriften des Molinos und feine Freundes, des 
Biſchofs Petrucci von Jeſi, der durch feine Schrift La contemplazione mistica acquistata 
als Apologet der moliniftifchen Lehren aufgetreten mar, nieverzufegen für gut fand. So 
ſtark war indes noch für Molinos die günftige Meinung, daß die völlige Freifprechung 20 
der Angejchuldigten erfolgte und beider Schriften als mit dem Glauben und der Moral 
ber Kirche übereinftimmend bezeichnet wurden (1682). Verurteilt dagegen wurden mehrere 
der gegen fie gerichteten jeſuitiſchen, bezw. jefuitenfreundlichen Schriften, dabei auch eine 
von Segneri verfaßte Lettera polemiſchen Inhalts (Venedig 1681) — jene milder gehaltene 
Concordia allerdings nicht unbedingterweife, fondern nur mit dem Vermerk „donec cor- 26 
rigatur“ (ſ. das Nähere hierüber bei Reufh, S. 613f.). 

Vom litterarifchen Schauplage bintweg wurde nun der Kampf auf den politifch-firch- 
lihen verſetzt. Durch den Bater La Chaife wurde Ludwig XIV. beivogen, im Jahre 
1685 dem Papſt die eindringlichiten Vorftellungen zu maden, um ihn zu einem Ein- 
fhreiten gegen den der Kirche durch feine Lehren gefährlihen Mann zu bewegen. Wie so 
erzäblt wird, ſoll Innocenz die Anklage von ſich ab an das Inquiſitionsgericht vertiefen 
baben. Sein anfänglich mutiges Zeugnis für den frommen Spanier verjtummte nur all: 
zubald, zumal als die Inquiſition ihn angeblih „nicht als Papſt Innocenz XI., jondern 
ale Beneditt Odeschalchi“ um feinen Glauben zu befragen begann und gleichzeitig jener 
franzöfifche Kardinal d'Eſtrées feine Nolle mechjelte und aus einem Freund ein Gegner 85 
des Molinos wurde. Der Lebtere wurde nun, noch im Laufe des Jahres 1685, verhaftet. 
Der bei ihm vorgefundene namhafte Briefmechjel — an 20000 Briefe aus allen Teilen 
der katholiſchen Melt — ließ die Inquifitoren einen tieferen Einblid nicht nur in die 
weite Verbreitung diefer myſtiſchen Lehrweiſe, fondern mwahrjcheinlic auch in die für die 
berrichende Kirchenpraris, möglicherwveile bier und da auch für die GSittlichfeit bedenklichen 40 
Folgen derjelben thun. Den anfänglich auch vorgeforderten Petrucci entließ man zunächſt 
wieder; Molinos aber wurde im Gefängnis zurüdbehalten, um ihn zum Widerruf zu 

en. Zwei Jahre, damit die für ihren Liebling erhitzte Volksgunſt fih inzmwifchen 
abfüble, ruhte jcheinbar der Kampf, bis plößlich im Februar 1687 an 200 Berfonen, 
zum Zeil vom höchſten Range, wegen „quietiftiicher” Grundfäge von der Inquifition ein= 45 
gezogen werden. Mit diefem neuen Ketzernamen wird nämlich jene Richtung auf die 
„innere Ruhe” bezeichnet, welche bei Molinos einen bejonders fräftigen Augdrud ge 
funden batte, nachdem fie Schon längft in der Fatholifchen Myſtik als höchſtes Biel der 
Frömmigkeit betrachtet worden war. Am 28. Auguft 1687 wurde das Verbammungs- 
defret der Inquifition über 68 aus den Schriften des Molinos gezogene Sätze ausgefer: 5 
tigt, drei Monate darauf vom Papſt — fer es weil er feine Privatüberzeugung feinem 
Amte unterordnen zu müſſen meinte, oder teil er wirklich von den nabeliegenden Miß— 
bräuchen ich überzeugt hatte — beitätigt. Dem Feuertode entging Molinos; denn der: 
felbe Dann, welcher fich jahrelang im Gefängnis der Revokation geiveigert, entjchloß fich 
zu ihr, als das Dekret gefällt war! Mit Überzeugung? Ebenfowenig läßt fich dies glauben 55 
als bei einem Savonarola.. Molinos Abſchiedsworte an den Mönch, welcher ihn in die 
Gefängniszelle begleitete, lauteten: „Lebe wohl, mein Vater, wir feben ung wieder am 
Tage des Gerichtes, und dann wird es fich zeigen, ob die Mahrbeit auf meiner oder auf 
eurer Seite geweſen!“ Jedenfalls erjcheint der vorgebende Widerruf nicht jo unbegreiflich 
bei dem Myſtiker, welcher nichts für gefährlicher erklärt, als das fidarsi del proprio w 


Molinos 


& austrüdtich die Unterwerfung unter den Beihtoute foent „auch da, 
—— ı ober wo be 
— (1. II. e. 9. 10). vielleicht auch nicht 











jedinei Brider, Simon und Yon Maria Seoni, auegefek 
wen Mega u — ba, fie ur zu hihi, be 





{ zamts 
| ee gegen olau en ein er als Do 
„ai — a au di ‚le 


jäbrigem nquifitionsproge ro in —— ne ezwungen und —* zu 
kn Ya Bat Ir be n (vgl. . Rämme, Zur * des a6. und 
ahr une 1863, S uf ilien, wo eine — ſeit 1703 
| labirinte del’ Amore) ähnliche L Molinos 
j anfcheinend —— zu —* chwärmeriſcher Überſpanntheit, —— hatte, fand nod) 
— Palermo ein oliniſten⸗ Autodafs ftatt, vollzogen an einer Nonne und 
em Man * ee für abjolut fündfrei und volllommen —— hatten (vgl. 
* ausführliche Beſchreibung ihrer Verbrennung von Antonio L'atto publico 
uo di fede ete., Palerm. 1724, ſowie die neue Ausgabe an — pa 
Der 1, Par um über die Sache des Quietismus zu richten 
mäßig wenige vor. Bon —— des Molinos re außer Sen ou Qu 3 
jamt jenem Traftat De la eottidiana communione * —— ı in 
dem von einem — * herausgegebenen Réecueil de di — 
s le quidtisme 1688. In — Jahre — * ebenfalls. vor von einem Engländer ges 
jchrieben (ala Supplement Burnets ital. — 2 o. die Litt.) die — 
auf guten Informationen — Three lettres co the present state of 
Italy, written in 1687 (jpäter auch franzöſiſch, 2. * —— 1696). Hierzu fommen 
dann noch j ene 68 Thefen, auf welden das Verdammungsurteil fußte und a fich 
0 ſchon bei A. H. Francke im Anbang zu feiner lat. Ausgabe des Guida (Manuduetio 
8 iritualis, Lips. 1687) aus dem römijchen nquifitionsdefret edrudt finden, des⸗ 
gleichen deutſch bei Gottfried Arnold (Kirchen- und Ketzerhiſtorie, III, 17) und weiterhin 
“ ben neueren Monographien über Molinos (auch in Denzingers Enchiridion sym- 
bolorum ete., 6. ed. 1888, p. 266— 274). Noch nicht gedrudt ift * RR der Win, 
45 chener Hof- und Staatsbibliothek ——— —— —— 
263 proposizioni, worin die dem Angeklagten g en Irrlehren 
Gegenrede — 5* t ſind. Nach Heppe (S. 273) „beweiſen dieſe F 
Inquiſition vieles, was ſie dem Unglücklichen anfänglich zum Verbrechen 
ſpäter bat fallen laſſen, — aber auch, daß ſie damals a noch vr das * 
* Schriften des tolinos Vorliegende bielt, während fie 
4 Bropofitionen, ſich die gewiſſenloſeſten Werbrebungen und Lügen erlauben zu 
glaubte”, 
Die Aufmerkjamteit, welche diefer Prozeß in einer Zeit, wo aller Augen ſich auf die 
Torigejehten Siege der Jeſuiten und den damals noch —— ⸗ der a 
55 lichen Autorität gegen die gallifanifchen —— richtete, in allen Län 
männern wie bei Geiſtlichen auf ſich war eine außerordentliche. —— wie 
litterariſche eitungen waren voll von ° achrichten über den Duietismus. Bon 
Intereſſe find die auf ibn bezüglichen Nachrichten, welche die damals in Rom w 
Dauer Mabillon und Germain in ihren Briefen an Boffuet meldeten (j. de —— 
oo Mabill., 1, e.). In Deutſchland verſtärkte ſich dieſe Aufmerkjamteit durch die Verwande 





Molinss 263 


ſchaft der PVerurteilten mit den gleichzeitigen Pietiften, deren Gegner auch nicht verfehlten, 
dieſen Umſtand auszubeuten, zumal nachdem Frande zur Rechtfertigung des verurteilten 
frommen Mannes deſſen Schrift in Iateinifcher Überfegung herausgegeben und G. Arnold 
diefelbe dann verdeutjcht hatte. Eine abſtrakt verftändige proteftantifche Orthodoxie Freilich 
(mie bei Jäger in Tübingen, 3. Fr. Mayer in Hamburg, auch bei dem reformierten 6 
Theologen Jurieu in Amjterdam) richtete ähnlich wie Rom den Irrtum, ohne Berftänbnis 
für die zu Grunde liegende Wahrheit. Der Pietismus freute fich der innerlichen Yröm- 
migfeit, erfannte zwar den Irrtum an, fand indes in Molinos doch nur das unfchuldige 
Opfer jefuitifcher Intrigue; jo Spener in feinem Gutachten an einen katholiſchen Fürften 
(Bedenken 1, 317). Ebenjo Francke, vorzüglich aber Arnold, der Patron jeder Gattung 
des Myſticismus, welcher den Gegenjtand in feiner Kirchen- und Keßerbiftorie TI. III, 
il, mit gewohnter Gelehrfamteit behandelt; desgleichen Weismann, Memorabilia 1. o. 
(). oden). 

Die von Molinos in feiner Hauptjchrift dargelegte Lehre enthält in feiner Hinficht 
neues, jondern, wie auch ſchon die Berufungen des Verfaſſers auf die älteren Autori- 16 
täten dartbun, durchaus nur diejenigen Anjchauungen und Grundfäße, melde, nachdem 
fie innerhalb der Kirche — auf neuplatonifher Grundlage — zuerft in der myſtiſchen 
Theologie des Dionvjius Areopagita ausgeführt worden, nachher in unzähligen Baria- 
tionen von den eriten firchlichen Autoritäten, ja ſelbſt von Heiligen, in bald mehr bald 
weniger überjpannter Weife verfündigt wurden. An eveln myſtiſchen Erfcheinungen und 20 
Geifteserzeugniflen mar bejonders Spanien im 16. und 17. Jahrhundert reich geweſen. 
Die von Molinos unter allen Vorgängern, auf welche er ſich beruft, am höchtten ge: 
feierte myſtiſche Autorität iſt die Gaftilianerin Thereſia (f. d. Art.). Ihre Schriften nebit 
denen ihres Mitarbeiters an der Reformation des Karmeliterordens, des tieffinnigen un 
tiefinnigen ob. vom Kreuze, müffen auf die innere Bildung von Molinog von ſtärkſtem 25 
Einfluß gemejen jein. TDesgleichen weit er felbjt u. a. auf den frommen merilanifchen 
Einſiedler Gregorio Lopez (geit. 1596) fowie auf Frau von Chantal hin. Inwieweit 
auch Verkehr mit der ſpaniſchen Myſtikerſekte der Alombrados (vgl. d. Art. Bd I, 388 ff.) 
zur Ausbildung feiner Denk: und De a beigetragen, ift ungewiß. Manche möchten 
ibn ohne weiteres zum Sprößling diefer Partei feines Heimatlandes machen, ja auch für so 
feine Überjiedelung nah Rom in einer deshalb ihm drohenden Verfolgung den Grund 
ſuchen. Hierzu iſt jedoch ſchon darum feine Beranlaffung, da die Hichtung auf die oratio 
mentalis und die damit zufammenbängenden Jrrtümer in den verfchiedenften Zeiten und 
Abteilungen der Kirche, auch teilweife ohne allen nachweisbaren Zufammenhang ſich finden: 
bei den Umpbalopiuchiten des Berges Athos und bei den Begharden, bei der Guyon und 35 
bei den Tuäfern, felbit unter den Myſtikern Indiens und Perfiens (vgl. Jul. Köhler, 
ZRG 1898, S. 593f., wo der bei tatbolifchen Beurteilern nicht felten vorhandenen Neigung, 
allen Quietismus aus Einer gemeinjamen ketzeriſchen Wurzel berzuleiten und ihren Cha- 
rafter als unabhängiger „Parallelerfcheinungen” zu verfennen, mit Recht entgegengetreten 
wird). Überdies war vor der Anklage von jefuitifcher Seite feiner Schrift ebenfofehr der — 
Beifall des Dualifitators der Spanischen Inquifition als der des italienifchen Stegergerichtes 
zu teil geworden. „Non parla“, heißt es in der Approbation des ſpaniſchen Inquiſitors, 
„per proprio capriccio, per che segue le vestigie degli antichi, appoggiato 
sempre ne’loro prineipi e spirituali fondamenti, quale riduce ad un retto e 
chiaro metodo, de thesauro suo nova et vetera proferens”. Nach Uuellen zu 45 
fragen bei Anſchauungen und praftiichen Grundſätzen, melche überhaupt nicht an den Kopf 
überliefert werden fünnen, ſondern auf Erlebniffen ruben und aus denjelben hervorgehen, 
iſt überhaupt verkehrt: nur von follicitierenden Faktoren kann die Rede fein. Als ſolche 
mag man nun die erwähnten myſtiſchen Größen feines Vaterlandes anſehen, doch außer: 
dem audy die patriftifche und myſtiſche Litteratur überbaupt, eimen Auguſtin, Thomas sw 
und Bernhard, einen Nreopagita und Bonaventura. Die theologijche Belefenheit nämlich 
des Mannes giebt ſich in noch viel böberem Grade als in dem Guida, in dem Traftat 
über die Kommunion zu erfennen. Als Grundlage von Molinos Lehren find nur jene 
einfachſten Erfabrungen chrijtlicher Frömmigkeit anzufeben, wie er fie im Stile von 
Auguftins Konfeflionen und Soliloquien in einem in Petruccts Werfen mitgeteilten Briefe 55 
von 1676 an jenen feinen Freund ausſpricht. Er will „die Mittel angeben, welche die 
ungeichaffene Xiebe, die nicht den Tod des Sünders will, fondern daß er fich befebre und 
lebe, gebraucht bat, um den Briefichreiber von dem Elende der Zünde zu der Rube und 
Stille des Herzens, welche er mun genießt und allein der göttlichen Barmherzigkeit ver- 
dankt, zu führen”. „Eine der Grundregeln”, fährt er fort, „melde dazu dienen, meine wo 


ph 


1) 


Seele in innerem fteten beivabren, ift dieſe: ich darf nicht Neigung Vie 
oder jenes einzelne Gute Mia a Bes Fa error äh 
iſt; und ich foll zu dem allein bereit fteben, was jenes böchite Gut mir verleiht und 
bon mir fordert. Es find e Worte, aber 2 Is t vieles. Daraus folgt, daß 

sich zwar immer mit etwas ichem mich — Ban itrebe, aber desh 

mmer zugleich bereit bin, u oder jene hier tor — 
ott der Herr fie niht ersehen ‚ oder daß bas Erzielte mir 


es fo fs ‚daf i | n 
icht gelin d ich: ts — ——— als was will, 
id ir bo mitte geben, eye — 
welche ſich zu k dur di ——— — 5* FE n und 
das en entweder filihen oder * —— — 
Grab der Tontemnplativen u bien Si 


Abſtraktio 
durchkreuzen. Bei der M [ der —— des praktiſch⸗ ſittl 
15 mit dem Mariadienſt der —— bei anderen völlige — dom 2 





, Ataftion bon der x Lorhug ber — 3 J von —— 
5 — in Kontemplati 
olinos, nicht nur beleten, —— —* ——* arg ein Mann der böberen 
Geielhsart wie er denn aud ber damals m merlenden Königin Chriftina gejellig 
35 — —— zur Seite ſtand Ä * —5 Mabillon, l. e.), gebört zu —— 
arthadienſt mit dem arienſinn verbu nden wiſſen wollen. Der j 
Si leins iſt die erg um innern Frieden. Zu dieſem führt ein vierfacher Weg: 
Gebet, Gehorſam, —— — die innere ion. —* den Abwegen 
auf dief em bierfachen Wege will der Guida warnen. Zur | von dem äußeren 
0 Berufe, ermabnt er aber jo wenig, daß er vielmehr bie ie bes m... Be: 
tufes, wofern fie nur mit der rechten innern Sammlung no Hingabe in den Willen 
Gottes geſchieht, als virtuale oratione bezeichnet (I. * ce. 13). 
Abftraktion betrifft, jo folgt Molinos denjenigen, welde darin den höch oottei 
Grad erbliden — die Abftraftion auch von den tbeoretifchen —— der * 
35 und von dem praktiſchen Verlangen nad ihr. Er beruft ſich auf Bonaventura in 
myſtiſcher Theologie: „non ibi oportet cogitare nec de creaturis, nec de angelis, 
nee de trinitate, quia haec sapientia per affeetus desideriorum, non per medi- 
tationem praeviam habet eonsurgere“. Die gewöhnliche myſtiſche —— hatte das 
fromme Leben in einen Wechſel von Meditation und Kontemplation zerfällt 
a0 welche ſich durch den discursus mit den göttlichen Dingen beſchäftigt, Die he 
fie genießend anfchaut. Diefer Anficht tritt Molinos entgegen: wer einmal zur —* 
plation gelangt, babe nicht mehr auf die Meditation zurückzugehen. Dies bilbete den An: 
geitepundt in jener eriten polemifchen Schrift gegen In von Segneri. Doch erflärte aud) 
linos für die prineipianti die Meditation als den notwendigen Weg, jo daß alfo 
45 fein Irrtum nur darin befteht, daß er die Notwendigkeit verfennt, das ganze Leben bin 
durch jene Vermittelung zu erneuern. In dem Verhältnifie, welches er zwiſchen Mon: 
templation und Meditation fest, unterfcheidet er fich nicht weſentlich von den meiſten feiner 
Borgänger: Richard a St. Vietore, Bonaventura, Gerjon u. a. Sie iſt nidjt memoria, 
nicht giudieio, nicht discorso, beiteht aber in der vornebmiten Wirkung des in 
so in ber semplice apprensione illuminata della santa fede e ajutata da’ divini 
doni dello Spirito Santo, „Die Meditation fäet, die Kontemplation erntet, die Medi- 
tation fawet die Ep Die Kontemplation genießt fie.” Nichts anderes verfteht Molinos 
unter der „einfachen Apprebenfion“, als was wir im Schleiermacherſchen Sinne das Ge 
fühl oder unmittelbare Berwußtfein nennen würben, doc fo, baf —* das von Schleier⸗ 
56 madher „uſtändlich, ſinnlich und gegenſählich“ genannte Gefühl mit dem unmittelbar 
gegenftän lichen nicht nur zufammenfällt, fondern — dem fubj einen Charakter der Myſtil 
entfprechend — auch in dem Begriff bei weitem überiviegt. Mit diefem unmittelbaren 
eliiöfen Bewußtſein ſoll auf praftiiher Seite Hand in Hand gehen die | Re: 
fignation in den göttli Willen. Dieje Hemütsftimmung foll ein u | 
60 des inneren Yebens werden; „der ganzen Tag, das ganze Jahr, das ganze Leben“ ſoll 


en die innere 


Ti Molinos 265 


PP Tree werden. (in Nochbild iſt dieſer Zuftand bes 
cecren Stiche, „jenes actus purus, welchen die 
—— —een Unterſchied, als daß ſie von Angeſicht zu An⸗ 
—— » lauben“ (I, 13, 93). So verſtanden verliert 


BEP on DOT ke or Zorftellungen der Gottheit und - 


Kontemplation iſt nicht mebr jene 
‚ie auch ein Ruysbroek es befchreibt: 
3 Einbeit ſtrömt ihm ein einfaches 
eitellt Am Dunkel verliert der Menfch 
der N ladtheit verliert er alle Betrachtung und 
1 Wentifigierun des Seins der Gott: 
—F ee Myſtik. Molinos hat gleichfam 
' auch der römische Angquifitionsqualififator 
E la eima della contemplazione. 
"allerdings noch zu einer abftruferen Höhe, 

| in x epaulicyen zu ber contemplatio 
rk bt: „Hier bringt der göttliche Bräu- 
ele in einen überaus füßen und fried- 
* ang * und genießt ohne zu verſtehen, was 


m — 















































Te = 
en 
—— ⏑⏑ ⏑à5&ö 


von Winbitille. Erhoben und verklärt zu 2 


j hbchſten Gute vereinigt, ohne daß ihr 
Ein anderer Begriff der Kontemplation liegt 
Emm von bem Zujtande, mo die Kontempla- 





Tu wir, jo beſchäftigen ibn (ähnlich wie dies 
%, &, 316) vielfach die Zuftände der ariditä 
der Kontemplation eintreten. Jener gusto 
en id im Geelenfrieven nicht ftören zu laffen, 
Ind Yodungen des Satans, an fich böje, aber 
Bi fe daß auch ſie mit Refignation zu ertragen. 
e, den er als Autorität anführt, ſpricht: ad- 
nes nostras. — Was den Gehorſam betrifft, 


- I 
af: 


8 


unter den Beichtvater. Die äußeren 
Meditation nur für die prineipianti gelten, in— 

DIR Bäufie fich dabei der eigene, Gott noch nicht er: 
bricht er von zwei ungeſucht jich einſtellenden inneren 


Alenden „Ungeduld der habenden und doch auch 
> achtet er unter demjelben (Hefichtspunft, mie Die 
r —8— anime esteriori ein Vorbereitungsmittel für den 
e häufige Kommunion aber empfiehlt er unter dem (de: 


E war die göttliche Liebe in der Menfchwerdung, größer 

Tod übernimmt, außer Vergleich größer 
nigen im Sakramente zum Genuße giebt“. 

b der ſpaniſche Inquiſitor das Zeugnis nicht verſagen 


bon ben Dekreten der Konzilien oder der Reinheit der 
A Berdammungsurteil des päpftlichen Stubles bervorzurufen! 
+ Billigkeit ſelbſt gegen ein Inquiſitionstribunal, eine aus: 
t zu müfjen geglaubt: ob für Die dem Werurteilten ſchuld— 


— 


yen mehrfache Beiſpiele derart dar, wo die Motive für das Ur— 
‚uchen find, ale in der Sache ſelbſt, wären nicht oft genug ſolche 
eben, die unter anderen Umſtänden die Heiligſprechung erlangt 
e man eher in diejer Verdammung ein Rätſel jeben. Aber jener 


t fpefulativen Myſtikern es nur das zu⸗ 


yu unteriverfen. Na, die Lüfte der Melt: 


e andere zur Ertötung des Eigenmillens, wie: 


ns, daß der unendliche Gott dent endlichen Geſchöpf 4; 


don den Zeugniffen der heiligen Schrift, von den Lehren ; 


Ben realer Grund vorliege. Böte nun nicht Die Gejchichte - 


Q 


enigungsmittel bediene: einerſeits den Beängſti— 40 


[0 
.- 
w 


= 


r, 
T 


nd der heiligen Thereſa, Johannes a Gruce, während feines Yebens co 





Molinss Moll 


| | 9 Monate zu ſchwerer Kerkerhaft verurteilt — * Jahre 
feinem Tode wird er. g ! Edart, 1329 dur die Verbammungs 

für einen Keger erflärt 1440 von Kardinal Nikolaus von Gufa als die Ha stay 

igenen bilden hei gepriefen! Statt eines et ein —— 







—————— 
ae — eher il Sm die Akten 

zeſſee nie das Tagesli — Ex 

des zeichen aud jene 19 dt mie 1 „zen, dx Inqiftion 


ergo Be ru at er a — 
| | ein Mann, welcher die Meditation, die Beichte 
ifikation — erwerke —— auch felbſt oh fr 


| i Moͤnche und Nonnen die Roſenkränze, Bilder und * | 
weggeworfen, um ie innerlich zu dienen, welcher zunächſt in ber vornehmen 

dann in allen Ständen vieler Wolfe Länder einen begeifterten Anbang, ja jelbit das 
Vertrauen des Oberhauptes der K erworben ! diefer Mann ber jefwitifchen 





re gingen, wie jener Simon Leoni — Le. 615), welcher bie Not- 
= einer enreformation unter einem neuen ſt predigte; auch mögen unter 
== a gem En wohl manche entdedt worden fein ER und re 


36 o% man * in falich and e, F au —— hat zur —— 
ereits zur 
die 44. Rropofition erſcheinen: „Hiob ottete Gott mit feinen Lippen obne fr 
digen”; aber iſt es nicht nadı der fatbolif en Dogmatik nur ber consensus, 
eoneupiscentia zur Sünde mat? Oder die 41. „Um uns zu bemütigen, läßt Gott 

40 dem Teufel zu, daß einige volllommene Seelen geiviffe fleifchliche Thaten indem 
fie ihre Hände wider ihren Willen phyſiſch bewegen”. Man kann erraten, auf melche 
Handlungen bier ——— wird; aber wie häufig begegnet man gerade bei den ortho— 
doreſten Lea ner Kaſuiſten (Kefuiten, Liguorianern 2c.) ganz ähnlich Iautenden Sätzen, 
und wie viele katholische Beichtwäter würden auch auf ſolche Fälle das consensus parit 

s eulpam angeivendet haben! — Bol. überbaupt noch Heppe, ©. 113—129 und ©, 272 
bis 281. Tholud 7 (Zödler). 


Moll, Wilhelm, geit. 1879. — J. G. R. Acquoy, Levensberieht van Willem Moll 
im Jaarboek van de Koninklijke Akademie van wetenschappen voor 1879, Amjterdam 
&. 66-137; Rogge, Willem Moll in der Zeitichrift Mannen van beteekenis in onze 
u re 1879, mit Borträt; vgl. auch Nippold, Die römiſch-katholiſche Kirche im Königreich) der 

iederlande, Leipzig 1877, ©. 486—489. 

Wilhelm Mol wurde am 28. Februar 1812 in Dorbrecht geboren, wo fein Water 
Tabatsbändler war. Als Schüler der lateiniſchen Schule dafelbit itand er am meiften 
unter dem Einfluß des tüchtigen Präceptors Dr. J. W. Grimm, eines Anverivandten 

55 der berübinten Brüder Jakob und Wilhelm Grimm. Nachdem er, der belgifchen Revo— 
lution wegen, vom 1830 bis 1831 als Freiwilliger die Waffen für fein Laterland. ge 
en batte, widmete er ſich der Theolo one an der —— zu Leyden. Seine ein⸗ 
—S Lehrer waren der berühmte Redner van der Palm, der ausgezeichnete Exeget 
pan Hengel, dev vorzügliche Kirchenbijtoriter Kiſt und befonders der encyklopädiich gebildete 


Moll 267 


Johann Clariffe, ein Mann von feltener Belefenbeit und audgebreiteter Gelehrjanikeit, 
deſſen dauernde Freundichaft er jchon durch feine im Jahre 1833 gefrönte akademiſche 
Preisichrift: De musica sacra in ecclesia Protestantium ad exemplum veterum 
Christianorum emendanda, Lugd. Bat. 1834, gewann. Als er 1836 feine Studien 
vollendet hatte, trat er im folgenden Jahre das Rarramt zu De Vuurſche einem Dorfe 
in der Provinz Utrecht, an. Kaum batte er daſelbſt zwei Jahre als glüdlicher Gatte und 
ejegneter Paftor zugebracht, als eine Kehllopfentzündung ihn zwang, nach feiner Vater: 
—* heimzukehren. Einige Monate nachher, im Sommer 1839, begab er ſich zur völligen 
Wiederherſtellung nach Heidelberg, wo er den anregenden Verkehr mit Ullmann, Umbreit, 
Bähr und Rothe häufig genoß. Im Herbſte kehrte er nach ſeinem Dörfchen zurück, 10 
körperlich gekräftigt, geiſtig völlig durchgebildet. Nun entſchloß er ſich, eine Archäologie 
der chriſtlichen Kirche zu ſchreiben, deren erſter Teil 1844, der zweite 1846 zu Amſterdam 
erichien, während die zweite verbeflerte Auflage 1855 und 1857 in Leyden folgte. Schon 
der Titel diefes ſchönen und inhaltreichen Werkes: Geschiedenis van het kerkelijke 
leven der Christenen gedurende de zes eerste eeuwen, ijt beinerfensiwert, da er 15 
ein Proteft ift gegen den herfümmlichen Namen „Kirchliche Archäologie” oder „Stirchliche 
Altertümer”, wodurch diefe MWiffenfchaft auf eine falſche Spur und innerhalb unficherer 
Grenzen gebracht worden war. Moll mar überzeugt, daß das kirchliche Leben der Chriften 
äbrend aller Jahrhunderte unterfucht und befchrieben werden müßte. Die Kenntnis der 
lichen Verfaſſung, des Kultus, der chriftlihen Sitten u. |. mw. des 10., 16. und 19. Jahr⸗ zu 
bundert3 achtete er nicht weniger bedeutend als die der früheren Zeiten. Die Aufgabe, 
die er fich ftellte, erftredte fich darum bis in die Gegenwart. Hätten äußere Umjtände 
ibn nicht in andere Bahnen gezogen, fo wäre er der erite geivejen, der eine vollftändige 
Geichichte des Tirchlichen Lebens gejchrieben hätte. — Kaum ar der erite Teil dieſes 
ed erichienen, ala Moll einen Ruf nach der Stadt Arnheim empfing. Nur ein Jahr 25 
war er da wirkſam. Am 11. Juni 1846 trat er die Profeflur der Theologie am ftädti- 
ſchen Athenaeum Illustre zu Amjterdam an. Ginen fpäteren Ruf nad) der Univerfität 
Leyden (1860), wo man ihn als Nachfolger feines Lehrers Dr. N. C. Kiſt wünjchte, lehnte 
er ab. Bid zu feinem Tode ift Amfterdam feine Werkitatt geweſen; da hat er feine 
Werke gejchrieben; da gründete er eine kirchenhiſtoriſche Schule. Obgleich er Jahre lang su 
auch Exegeſe und Dogmatik zu lefen hatte, war doch die Kirchengejchichte ſein mahres 
Studium, und während er mit ausgebreitetiter Sachfenntnis und anregenditem Enthu⸗ 
ſiasmus die allgemeine Kirchenhiltorie Docierte, widmete er ſich als Autor * ausſchließlich 
der niederländiſchen Kirchengeſchichte, beſonders dem vorreformatoriſchen Teile derſelben. 
Denn, feines echt proteſtantiſchen Geiſtes ungeachtet, fühlte feine feine und reine, friedliche 86 
fromme Seele ſich vielmehr durch die zarte mittelalterliche Ssrömmigfeit, als durch 
die oft rohe Großartigkeit der reformatorifchen Zeiten angezogen. Selbſt da, mo er ſich 
bisweilen an lettere wagte, waren e8 nur Märtyrer, welche ihn recht begeijtern fonnten. 
Ein ſolcher war Angelus Merula, deilen tragifche Gefchichte er in feinem 1851 zu Am- 
fterdam erfchienenen Werte: Angelus Merula, De hervormer en Martelaar des ge- «0 
loofs, meijterhaft bejchrieb; ein ſolcher Johannes Anaftafius Veluanus, dem er im erften 
Teile des feit 1857 von ihm und Kiſt redigierten Kerkhistorisch archief einen gründ: 
lihen Aufſatz widmete. Seine beften und am meilten epochemadhenden Werke aber be: 
wegen fich auf dem vorreformatorifchen Gebiete. Mit jenem Johannes Brugman en 
het godsdienstig leven onzer vaderen in de vijftiende eeuw, Amst. 1854,2 Teile, 45 
bahnte er einen neuen Meg, indem er nicht weniger als die äußere Gefchichte auch die 
innere in Betracht nahm und das geiftige Leben der Väter aus handfchriftlichen An- 
dachtsbüchern und der ganzen reichen erbaulichen Litteratur des 15. Jahrhunderts zeichnete. 
Nachdem er alſo einen wichtigen Teil der niederländischen Kirchengefchichte ſehr gewiſſen— 
durchgemacht und allerlei Eleinere, jedoch ſtets auf das forgfältigite ausgearbeitete 
ufſätze aus demjelben Gebiete geliefert batte, machte er fih mit vollem Bewußtſein der 
Größe ſeines Unternehmens an eine, zwei Teile in 6 Bänden umfafjende Kerkgeschie- 
denis van Nederland voor de Hervorming, Arnh. u. Utr. 1864--1871; deutſch 
beaxbeitet von PB. Zuppfe, Leipzig 1805. In diefem Werke, das ein Mufter von 
rünblitten Duellenftudium, allesumfaljender Beleſenheit, forgfältiger Bearbeitung und 55 
Darftelung genannt zu werden verdient, ijt die innere Seite der Geſchichte eben: 
fofehr alö die äußere zum vollen Rechte gebracht. Nebſt der Hiltorte der Miflionare, 
der Bilchöfe, der Mönchsorden, der Sirchenverfafjung, der Stircbenlebre, des Kul— 
tus u. f. w. findet man bier cine treffliche Charakteriſtik der Miffton, des Kloſterlebens, des 
Schulweſens, der erbaulichen Yitteratur, des fittlichereligiöfen Yebens des Volles u. dgl. w 


[el] 


E 


268 Moll Moller 


are ke umfafjenden Werke legte er noch größere Bedeutung bei durch ein am 
des ausführlichen den Ne beigefügtes Ber * * mehr als hundert gelegentlich 

—— Gegenſtände, die eine genauere wi enfchaftliche Unterjuchung verdienen und 
—— So viel bekannt, iſt dies das erſte Beiſpiel eines KR Derzeihmien Daß 
5 es anregend gewirkt bat, ift ſchon offenbar, denn mebrere daſ — 


id ſeit dem inen di in mei ls gründl 
sehe "ac ice —*—— bie mitten — und 5* 
ere 


den Druck gab, nur noch klein deren aber zwei i 
3 — von großem und bleibendem Be find. Beide twaren ig⸗ 
10 ie 7 der —— en zu Amjterdam, deren Mitglied und Vicepräfident er 


24 Jahren war, beftimmt und find in bie Merfe der Afademie aufgenommen. 

— eine, Gozewijn Comhaer, een Nederlander aan het hoofd der kerk van 

Ysland, EN bon ihm jelbit herausgegeben, Amjterdam 1877 ; der andere, Geert Groote's 

Dietsche vertali ngen, ift, feinem uftrage auf dem Aeantenlager zu e, J— In 
15 Tode vom Unterzeichneten bejorgt, Amfterdam 1880. — Moll war nicht nur ein 


ordentli ißi d Gel a Docent, Sein 
Knferice Al rn —* Finn Ge umfeit, rn —— I 


d Niederla umandten. Ki diefen gründete 1853 
ö gie de eine Geſell die aber SE * — * 
ſchaft unter de veitung 8 —* eines —— voor de nten in 


fändigen & 2 —*8* Arbeiten auf —— Gebiet geliefert. Wir nennen 
nur in Zeitfo ee Caspar Janszoon Coolhaes, de voorlooper van Armi- 
so nius en ie — — Amſt. 1856 u. 1858, 2 Teile; Derſelbe, Johannes 
Wtenbogaert en zijn tijd, Anft. 1874—1876, 3 Teile; Acquoy, Gerardi Magni 
epistolae XIV, Amjt. 1857; Derjelbe, Jan van Venray (Johannes Üeporinus), 
'sHert. 1873; Derfelbe, Het klooster van Windesheim en zijn invloed, Utrecht 
1875— 1880, 3 Tei e; Roodhuyzen, Het leven van Guilhelmus Gnapheus, een’ 
35 der eerste hervormers in N erland, Amſt. 1858; Wiarda, Huibert 
de prediker van St. Jacob, Amit. 1858: Assink Calkoen, Geor Cassandri 
vitae atque operum narratio, Amit. 1859; Paris, Disquisitio de adgero Fri- 
siorum Saxonumque apostolo, Amſt. 1859; Vos, De leer der vier uitersten, 
Amſt. 1866; Pool, Frederik van Heilo en zijn schriften, Amit. 1866; van Otterloo, 
40 Johannes Ruysbroeck, Amſt. 1874; Geesink, Gerard Zerbolt van Zutfen, Amft. 
1879; Wybrands, Gedenkschriften van de abdij Mariöngaarde in Friesland, 
deeuw. 1879. Zu allem diefem füge man mehrere wiſſenſchaftliche Aufſätze, bejonders 
vom erjt- und vom legtgenamnten, in bijtorijchen Zeitichriften, wie au manche Arbeit 
von Schülern im weiteren Sinne, die nur kurz oder gar nicht Molls Unterricht genoffen, 
46 —5 von ſeinem Geiſte zu aeichichtlichen Studien angeregt worden find, und man wird 
eine kleine Überficht haben von dem Einflufje, den er nidyt mur in feiner Dlütegeit, jon- 
dern auch noch jpäter auf diefem Gebiete ausgeübt hat. — Moll, der jo viel beig 
bat zum Glanze des i. J. 1632 gegründeten Athenaeum Illustre u Amfirbam, 
den von ibm Ye it und fait gepropbezeieten Tag erlebt, Si dieſe 
50 bekannte Lehranſtalt zur ſtädtiſchen Univerfität erhoben ward. Er ſelb hielt am Ein: 
weibungstage bie Feitrede (15. Oftober 1877). Da börte man ibn noch einmal im ber 
vollen Kraft feiner jeltenen Beredfamkeit. Jedoch trug er ſchon damals den Keim — 
= das a ins Grab * gen —— an fe. —* at an - Her 
m große m berurjachte, jeine chriitli uld aber au — 
55 zen = 16, —* 1879, von Frau und Kindern, von zahlreichen Freunden und bank- 
baren Schülern beweint, ein durchaus braver und liebenswürbiger Mann. Acquoy. 


Moller, ha de — Bal. Are in der 1. Aufl. diefer PRE IX, ©. 704 ff, und 
Thelemann in der 2. Aufl. X, S. 166ff., ferner I. Friedrich Jen, Heinrich von 
Halle 1886 (Schriften des Vereins Kür Reformationageichichte Wr. 12), S. 109 und bie 


Moller Moloch 269 


genannte Litteratur; AdB XXII, ©. 554. — Ueber Heinrich von Zütphen als den Dichter 
des Liedes „Hilf Bott, daß mir gelinge“, Koch, Geſchichte des Kirchenlieds u. ſ. ſ. f., 3. Aufl., I, 
©. 411 ff, S. 482 ff., II, ©. 477; Wackernagel, Das deutſche Kirchenlied III, S. 81ff. bei. 
S. 84; Wackernagel, Bibliographie S. 100, Nr. 254 f.; Fiſcher, Kirchenliederlexikon I, S. 299 f. — 
Ueber den Profeſſor Heinrich Möller, richtiger Moller, vgl. AdB XXII, ©. 758 ff., und die 
bier angeführte Titteratur; ferner: Behrmann, Hamburgs Orientaliften, Hamburg 1902, &.27 ff. 
Unter dem Namen Heinrih Moller ift in den früheren Auflagen diefer PRE. der 
befannte Märtyrer Heinrich von Zütphen behandelt, von dem man aus einem nicht mehr 
nachweisbaren Grunde (ettva fett nicht lange vor 1700) annahm, daß fein Familienname 
Moller, Müller, Möller oder ähnlich geweſen fei. Infolge Ddiefer Annahme hielt man 
Heinrih von Zütpben dann auch für den Dichter des Liedes „Hilf Gott, daß mir ge— 
elinge” ;. nady den Anfangsbuchltaben der Strophen heißt der Dichter des Liebes „Heinrich 
uler” und das Lied fchließt mit den Zeilen „bat Heinrich Möller El in dem 
Gefängnis fein”. Seitdem nun aber die Annahme, daß Heinrich von Zütphen urjprünglich 
Moller oder Müller geheißen habe, als eine irrige erkannt ift (vgl. een a. a. D. und 
die AdB am zuerit a. O., wo es 1508 ftatt 1505 beißen muß), iſt ficher, daß er nicht 
Verfaſſer diefes Liedes fein kann, fo wenig als er die beiden anderen Lieder, die Wader- 
nagel ihm beilegt, wegen ihrer oberbdeutfchen Sprache gedichtet haben kann. Es iß aber 
ſeitdem auch kein ausreichender Grund mehr, Heinrich von Bütphen bier unter dem Namen 
Heinrih Moller anzuführen; vgl. deshalb unten den Artikel Zütphen, Heinrich von. 
Was das genannte Lied anlangt, jo bat Johann Chriftoph Dlearius es (1705, vgl. 
Fiſcher a. a. O.) dem Heinrich Moller, der von 1560 bis 1574 Profeffor des Hebräifchen 
in Wittenberg ivar und am 26. November 1589 in Hamburg jtarb, zumeifen wollen, 
weil diefer in den fryptocalvinijtiichen Streitigkeiten ing Gefängnis fam; aber diefe An- 
nabme wird dadurch unmöglich, daß das Lied Schon 1527 (15242) gedrudt ift, während 
diefer Heinrich Moller erſt 1530 geboren ward. Wer der Dichter dieſes Liedes ift, ſcheint 
noch nicht ermittelt zu jein. Gar! Berthean. 


Moloch, Molet (72:7). — Thom. Goodwin, Moses et Aaron, zuerft englifch Drferh 


1616 (mir liegt vor die 4. A. der lateinifhen Uberjeßung von Reiz, Bremen 1703) 1. 


e. 2: De Molocho (©. 315—335); Selden, De dis Syris I, 6 (1.9. 1617) mit den Addita- : 


menta Andr. Beyer in den fpätern Ausgaben; Valentin Greiffing, 975 Da rat h.e. Im- 
molatio liberorum Molocho facta, juxta Levit. XX. Comm. 2, Wittebergae 1678 (Dijjer: 
tation); Joh. Spencer, De legibus Hebraeorum ritualibus earumque rationibus, Cambridge 
1685 (mir liegt vor die Ausg. Tübingen 1732) 1. II c.13: Lex transitum per ignem in 


honorem Molechi prohibens (S. 360--370); Joh. Braun, Selecta sacra, Amjterdam 1700, : 


L IV c. 8: De vitulo aureo et Molocho, $.449— 476; Herm. Witſius, De cultu Molochi, 
in desſeſben Mis@ellanea sacra 1. II, 5, Bd 1, Herborn 1712, ©. 608-617; M. F. Cramer, 
De Molocho Ammonitarum idolo, Wittenbergae 1720 (Difjertation) ; &. F. Rivinug, Texvodrora 
Judaeorum, Xeipzig 1735 (Dijjertation); Salom. Deyling, Tabernaculum Molochi, Actor. 
VII vers. 43, in bdesfelben Observationes sacrae, Bd II?, Leipzig 1737, ©. 444—456; in 
Ugolinog Thesaurus antiquitatum sacrarum Bd XXIII (Venedig 1760) die Abhandlungen 
von &. Schwab, De Moloch et Remphan, 8.631—644, von Dan. Diegih, De cultu 

i, 8. 861—886, von Chriſt. Sam. Biegra, De crudelissima liberorum immolatione 
Molocho facta, 8. 887— 924; Münter, Religion ber Karthager?, Kopenhagen 1821, S. 5—61; 
Movers, Die Religion der Phönizier, 1841, S. 322—-498, Daumer, Der Feuer: und Molod): 
Bienit der alten Hebräer als urväterlicher, leguler, orthodorer Kultus der Nation, 1842; 
Ghillany, Die Menfchenopfer der alten Hebräer, 1842; K. Chr. Rland, Die Genefiß des Juden— 
thums, 1843; Ernit Meier, ThStt 1843, S. 1007—1053 (Recenjion der Schriften Daumers 
und Ghillanys); M. Löwengard, Sehova, nicht Moloch, war der Gott der alten SHebräer, 
Berlin 1843 (an hiftoriijhem Urteil wertlos); v. Lengerke, Kendan, 1844, ©. 249— 251; Winer, 
AB. U. „Milcom“ und „Molech“ 1848; Schwenck, Die Mythologie der Semiten, 1849, 
&.277—318; Abr. Geiger, Urfchrift und Ueberfekungen der Bibel, 1857, &.299—308 („172 
mb ="); J. G. Müller, A. „Moloh“ in Herzogs RE.', IX, 1858; Dort, Het menschen- 
offer in I ‚ Haarlem 1865; €. H. Herwerden, Het menschenoffer in Israäl, in d. Beit- 
fhrift Waarheid in Liefde, Jahrg. 1868, &.1—31, 81-—-108, 161—173; Kuenen, Jahveh 
en Molech, in: Theologisch Tijdschrift, Bd II, 1868, S. 559—598; berf., De Godsdienst 
van Israel, Saarlem 1869 j., Gap. IV, Anmtg. I (englijche Überfegung BI, ©. 249—252); 
Ziele, De Egyptische en Mesopotamische Godsdiensten, Amſterd. 1872 (franz. Überfegung 
Histoire compar&e des anciennes religions de l’Egypte et des peuples s@mitiques, Paris 
1882, S. 281 ff., 311 ff., 435ff.); derf., Kompendium der Religionsgefcichte, überf. von Weber’, 
1880, S.97 f., vgl. S. 95f.; derf., Geſchichte der Religion im Altertum bis auf Alerander den 
Großen, deutihe Ausg. Bd I, 1896, S. 240—244, 343f., 319—352; Baudiſſin, Jahve et 
Moloch sive de ratione inter deum Israelitarum et Molochum intercedente, Xeipz. 1874; 


25 


40 


60 


2 


0 


270 | Moloch 









Derz, U. „Saturn? in Schentel® BL. V, 1875; Neftle, Die iöraelitifchen Eigennamen nad 
ihrer religionsgejchichtlichen ©. 174—182; Paul Scholz, Gbhen⸗ 
un | — re vüern, 1877, & 182—217; Dunder, Geichichte des Alter: 
‚8b TS, 1878, Schlottmann, A — —* a I Stern . Liefer., 

51 2 ® 


W. Bd IL, Er Si 5, Bibtiice ‚ 1880, ©. 19; ®b. Bergen 

— is, Boni — Paris 1 1881, ©. ufre : Stade, Se 

es Volles Nirael, Bd I, 1837, ©. 609-611; Baethgen, Beiträge zur femi 
— 16 us. —— B. ®. Cerdmans, Melekdienst en 

 (Zeidener Difjertation , Sehen 1801; rg 


‚1a you de dep, Er tre XI du livre suivie es 
25—26, Löwen 1893; dowach, Sebräifche —3 e, 1894, Bo II, S. 305 


B. Gray, Studies in Hebrew names, London 1896, ©. 115 15-1 —— 
ug Das Berhältnis des — zur israelitiſchen Meligion, 1896; 
Meyer, 4 — —J— are ber — u. je; enge — 





ü. Molech in — Biblica TEL. 1008. um 6; 8.109 in 
8 Dictionary of the Bible III, 1900; Zimmern in: | —— und das 
20 : He Zen ums — Schrader", 1903, ©. 469472 („Milt”). — Bol. die Litteratur zu 


oloch, 9 Moleh, Molet den wird bie 
Ste gan, welhe in Mede ba, belt a In Cbrim, mit Andropfm 


Die xx —— den Vokal ber un Silbe, wie ähnlich in andern Fällen, 
— — gleichmachend, 6 Molog 2 Kg 23, 10; Am 5, 26; Ser 32, 35: sd 
Aöy Baorkei, auch 2 Rg 23,13 L un ge1,5 als Variante Meier, fönft — 
18,21; 20, 2ff.; Molox bei Aquila Ze 18,21 und 2 fg 23, 13, hm 21 
und 28 23, 10, Theodotion Ye 18, 21, Moloch bei Hieronymus. D br 

3 Ausf —5 — im Deutſchen (ſo ‚Luther AG 7, AG 7,43, —— * Die 
— x übt ihren Einfluß auch in den Varianten an ——— 1.3; 
olyoi * — ——————— (A. — 38 wahr — 5 — wc 
t, e Trans on — er eweſen 
quila, Symmachus und Theodation in die LXX- N * Bücher ber 
36 Könige und ber — eingedrungen ſei für Dice Mana es Baorkebs. Die doppelte 
Wiedergabe des Wortes in Jer 32, 35 fpricht für diefe Annahme; aber MoAoy findet ſich 
body auch AG 7,43, wo Am 5, 96 nad LXX citiert w 
Die Ausſprache molek Er fünftlich gebilbet. Die alten erachten nannten ben 
Gott zweifellos entweder melek „Höni " nach hebräiſcher oder malk (milk) A 
40 pbönichde Ausiprache. Die Punktatoren haben hier (tie rer cheinlih aud in " 
ie Vokale der beliebten Saal W der Götzen mit boßet „ e“ —— 6 
Geiger ©. 301; vgl. A. Baal BI, S. 337, 2ff.). —— zeigt m 
äoycov und Baoıkeds — er, daf mindeftens dem größern ge? der alten —— Über: 
— —* ipätere Ausforache bes Gottesnamens noch nicht geläufig war. 
er Mel tefbien der Isrgeliten. 1. Zur — des altteſta— 
en Melekdienſtes. Abgeſehen etwa von zwei Stellen des Buches Leviticus 
* —** t verſchieden beſtimmt wird, und von 1Kg 11,7, wo molek F 
u a it von dem Dienfte des Sottes Melet bei den Hebräern erſt 
De des — “ Ahas von Juda die Rede. 
50 Man bat allerdings in dem 7252 2 Sa 12, 31 (Ketib) eine Spur bes zen 
3. zu Davids Zeit finden wollen, indem man bas Wort von einem Feuer 
[de jenes Dienftes verftanden hat (Thenius z. d. St); allein von einem folben Ge 
rät im Kultus des Melet wiſſen wir fonft nichts. Sicher ift mit dem Ster& zu Iefen 


malbön —* elform” (G. Hoffmann, ZatWe II, 1882, S. 66). Das Ketib it daraus 
55 entjtanden, an dieſer Stelle der Ausdruck arm jteht, der für den Dielefvienft die 
jtehende it, Es wird aber zu emendieren fein mar (jo Gräß, 


ber Nuben, Bo Ln Ik S. 256; ©. Hoffmann a. a.D.; H. P. Smith, Bubbe, Nomwad 
j. db. St.): bie —— Anmmoniler wurden zur Arbeit mit ber Ziegelform ver⸗ 


Der älte den Melekdienit jcheint der 2 Ag 16, 3 berichtete — | 


fein. Danach pe dee ig Ahas feinen Sohn im Feuer dar; Melek wird hier 


nicht genannt. Deutlich weift auf ihm als den von Ahas durch Ninderopfer verehrten 

















| 


] 
— 


Moloch 271 


Gott 2 Chr 28, 3, indem hier von dem Thale Ben-Hinnom, der Kultusftätte eben dieſes 
Gottes (f. unten 8 I, 4b), die Rede ift, wobei der Bericht des Königsbuches gefteigert 
wird zu der Erwähnung von mehreren im Feuer dargebrachten Söhnen. Die ganze An: 
gabe der Chronik hat aber Feinerlei Wert, da fie zweifellos nur aus der des Königsbuches 
berausgeiponnen iſt. In dem Bericht des Königsbuches bleibt zweifelhaft, ob das Sohnes- 5 
opfer des Ahas dem Gott Melef galt. Aber aud) wenn bier an feine bejombere Bor: 
ftellung der Gottheit ala „Melek“ \ondern an ein Opfer für Jahwe zu denten wäre, Äh 
hätte Doch Ahas das Vorbild irgend eines fpeziellen Kultus für diefe außerordentliche 
That haben müfjen, da jedenfall® zu feiner Zeit und wohl fchon jeit Jahrhunderten 
Menfchenopfer im offiziellen Jahwedienſt nicht üblih waren. Da mir jeit der Zeit 10 
Jeremias die Kinderopfer ald dem Melek vargebracht bezeichnet finden, iſt es mindeſtens 
am nächiten liegend, auch von Ahas denfelben Kultus oder doch eine Nachahmung bes: 
jelben ausgeübt zu denken. Den Bericht über das Opfer des Ahas fallen zu lafjen und 
die Kinderopfer erftmals in der Zeit Manafjes aufflommend zu denken (Dloore), haben 
wir feine Veranlafjung, da im Königsbuch, anders ald in der Chronik, Angaben von be 15 
ftimmten einzelnen Thatſachen don nicht auf tendentiöfer Erfindung beruhen. Allerdings 
ſchweigen die zeitgenöffiichen Propheten, auch Jeſaja, von einem foldhen Vorgang, der 
ihnen doch als eine Greuelthat erfcheinen mußte. Auch redet Jeſaja nirgends direkt, 
vielleicht überhaupt nirgends, vom Melekvienft. In der Stelle Jeſ 8, 21 aus Ahas’ oder 
eber Hiskias Zeit ift bei 1272 nicht an Melekvienft des Volkes als eine befondere Kultus: 20 
form zu denfen; vielmehr ift damit, was der Zufammenhang nahe legt, der von dem 
Propheten gepredigte Jahwe gemeint (nad) Andern der irdiſche König). Dagegen Ipielt 
: 3630, 33 mit der „Brandftätte” für „den König” auf den Meleldienit an; es Tann 
: jedoch fraglich ericheinen, ob die Stelle dem Jeſaja angehört. Bielleicht ift es aber 
| nicht zufällig, daß gerade Sefaja c. 6, 5 den Gedanken bes Königtums Jahwes geltend 25 
macht. Es läßt ich darin eine Oppofition erkennen gegen beftebenden abgöttifchen Melek⸗ 
dienft (vgl. unten SIIL, 2). 

Bon Manafle wird das Opfer eines Sohnes ausgefagt 2 Kg 21, 6, auch hier indeſſen 
Melet nicht genannt, während 2 Chr 33, 6 auch für Manaſſes Opfer wieder ala Opfer: 
ort das Thal Ben-Hinnom nennt und von Söhnen in der Mehrzahl redet. Jedenfalls so 
muß zur —* Jeremias der von den Propheten ausdrücklich als ſolcher bezeichnete Melek⸗ 
dienſt vielfach geiibt worden fein (er 32, 35; vgl. c. 19, 5); im deuteronomiſchen Geſetz 
wird Das Darbringen des Sohnes oder der Tochter durch Feuer. verboten (Dt 18, 10). 
Auf Melekdienſt zu Joſias Zeit verteilt wohl Ze 1,5 (malkäm). 

Ez 23, 37 wird die Sitte des Kinderopfers nicht nur Juda fondern auch dem Reich 85 
Ephraim (Ohola und Oholiba) vorgeworfen. Für Melekdienſt, überhaupt für Kinder: 
opfer im Nordreih iſt das nicht unbedingt entjcheidend, da Ezechiel dem Untergang 
Ephraims ſchon jo ferne ftand, daß er diefem Reiche wohl eine Sünde vorwerfen konnte, 
auf die er nur aus der in Juda beitehenden Übung jchloß. Dasfelbe gilt von 2 Kg 
17, 17, wo das Kinderopfer unter den Sünden Ephraims genannt wird und zwar in 40 
einer Klage über das Verhalten Ephraims feit feinem Beltehen. Der deuteronomiftifche 
Redaktor, dem diefe Klage angehört, fchrieb früheftens kurz vor dem Untergang Judas 
und wird fchwerlich zuverläffige Kunde gehabt haben über Vorgänge im Norbreich, melche 
in den von ihm reproduzierten Uuellenausfagen weder direkt noch indireft bezeugt find. 
Bon Abas wird allerdings im Königsbuch gejagt, daß er „wandelte auf dem Wege der #6 
Könige Israels und aud feinen Sohn dur Feuer darbrachte”. Tas verweiſt aber nicht, 
wie Ziele (Geichichte, S. 344) vermutete, auf Kinderopfer der Könige Israels; vielmehr 
führt das „auch” und das folgende „nach den Greueln der Heiden” das Sohnesopfer 
an als eine weitere Übelthat neben der Nachahmung des Weges der Könige Israels. 
Am 5,26 iſt nicht ficher von dem Dienſte der fpeziell als molek bezeichneten Gottheit zu oo 
verfiehen, obgleih LXX und danach AG 7, 43 ihn hier gefunden haben; o=>°n mag an 
diefer Stelle lediglich Appofition fein zu dem vielleicht als Gottesname aufzufafjenden 
mac. Deutlich jcheint mir nur dies, daß es fich bier handelt um Abgötterer, die nicht 
während bes zeüffenzuges fondern in der Gegenwart getrieben wurde, dann alſo wohl 
um ötteret im Reich Ephraim, da Amos ſich in feinen Reden an diefes wendet. 56 
Über die Zugehörigkeit des nicht unentbehrlihen Verſes zu der Prophetic des Amos 
wird bezweifelt. 

Neben andern abgöttifchen Kultusformen machte auch dem Melekdienſt Joſia in Je— 

ein Ende durch Entweibung der Kultusftätte des Tophet im Benhinnom-Thal 
E Kg 23, 10). Später ift aber diefer Kultus wieder von Israeliten geübt worden. Jeſ 60 


272 en 


—— —* 
at FEN u u ——— 


Das energijche Verbot des Melefvienftes in dem fogenannten eiligkeitsgeſ , einem 

ı0 der ältern Bejtandteile des Prieſterkoder, Ye 18, — 20, 2ff. mit nei 
De elle Ee 20, el wird noch aus der Köni t herrübren Zur Zeit des ee, wo 
ara non worden ijt, lag faum Reranlaffung vor, ven Erulanten, in 

deren ie diefe Redaktion zweifellos entjtand, den Melefvienft zu verbieten. 

Der Gottesname „Molek“ wird ausdrüdlich im AT nur ac mal (davon viermal Ye 
15 20,2—5) genannt, abgejehen bon — m und Am 5, 26 222%, eingeſchloſſen 
aber 1Kg 11,7, wo molek jtatt milkom. Die Stellen find Le 18, 21; 20, 25; 
5 3 = 2.Rg 23, a 7 32,35. Als —— für den Gott „melek“ wird 


er gehören , wo E72 gewiß; aufufaflen ift: „ihr [Gott] melek“ und 
—* BE Tin ale ee 
20 * ME nur eine Melekdienſt vor 


Bebräife —— mit dem Gottesnamen 7>%=. Aus judäiſcher oder 
jene Fe ftammen ſcheinlich die onennamen nr=>n und mo>>lal, die 
en in Jerufalem g nden Takige d (Glermont-Sanneau, Sceaux et 
—— Pheniciens et Syriens, im Journ. Asiatique, VIII. Serie, 
3 Bo 2 1883, < lkof). Das Wort —* iſt hier wohl Epitbeton und nr, mw ber eigent- 
liche Gottesname, mo vermutlich der ägpptiihe Name Set. Zu 7 mag, man mit 
Glermont-Sanneau den Perſonnamen mr 1 Chr 4, 16 vergleichen, ni ein Gottes: 


name ſtecken könnte. jene beiden Namen würden — * d ———— nach 
Analogie der altteſtamentlichen Namen Malk'el Malkij äh over 
» Malkijjähü „König ift —* — alſo: „König ft Eh —* Um einen Gott mit 
dem Spezialnamen milk elt es ſich bier nicht. 
Dagegen ſcheint dies Wort einen unter den | — verehrten Spezialgott zu be— 
zeichnen in dem Perſonnamen 72773 oder auch vi de t Pro auf * zu Jeruſalem 


35 e 332, ff.) t nadı Analogie phöniciſcher und aramäifch: er mit 73 ober 
= zufammengefepter Verjonennamen zu — chickſſal iſt (verleiht) Melek“ oder 
aber „Schützling des Melek“. Nach Fundort des Steines mag der Name (nes 
N. „Sad“ a. a. D,) ein bebräticher — — unter den 10. oben gi Israeliten —E 
nacheriliichen eit Melekdienſt * Jeſ 57,9 bezeugt it (ſ. oben 35 Se wege 

40 weile ift ein Siegel mit dem Perſonnamen "Tora „Schweiter 
analogen Namen das 7m — Gottesname iſt, hebräi —— —— ei | 
ciſcher Herkunft (vgl. unten S II, 2,b); die Schrift verweiſt auf verhältnismäßig alte = 
vie das 7. —— 

Die Herkunft des Melekdienſtes. a) Iſt der Melekdienſt alt— 

46 eh äi (dh? Es ift wog, daß wo im AT Kinderopfer vorlommen, im Sinne ber 

Wolliebenden an Jahwedienſt zu denken ift. Dieje Annahme ift —— nicht 
aft in der von Kuͤenen (Theol. Tijdsehr. 1868 a. a. D.) ausreichend w 
ffaſſung von Dort (a. a, D., 5.59 f.), daß mit ha-molek ein bejtimmtes Sahne / 
— werde. Bon einem Gottesbild erfahren wir in den ® über ven 
elefvienft überhaupt nichts, und mit dem Worte „der König“ kann nicht ein Bild | 
fondern nur ein perjünlid gedachtes Weſen be zeichnet jein. Eher aber —— man an⸗ 
nehmen, daß molek nichts anderes als eine Bezeichnung für yahıve je jei, der auch ſonſt 
melek genannt wird (a. Eerdmans; Smend, Eee none, 1893, | 
E&. 271; R. Smith, Die Religion der Semiten, deutjche Überſehzu ©.2 284). 

65 Namentlich liegt es für die Kinderopfer in den Fällen nahe, an eine wer ei 
dien zu benten, io, wie in den Berichten über Ahas und Manaffe, ebenjo bei in: 
im Deuteronomium und von Ezechiel erwähnten Kinderopfern, die damit verehrte Gott: 
beit nicht genannt wird. 


Allerdings ob oder inwiefern Ezechiel e. 20, 25 f. Die menſchlichen burtsopfer 
oo anfiebt als * Jahwe dargebracht, läßt * verfchieden beurteilen. Der Propbet legt 


gefundenen ——— —5 — aus der lt het mE! — Bd VI, 
me 












„iz » Dia u) 


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Hist. * ©. 436). 
berartig, bi Übernah 
Überdies F — —— —— 


* 108 als Got wiederholt in babyloniſch⸗ 
Bi vor, . B. Nabü-malik alik, iſt aber using entlicher Getssuane nad) 
de Ken | ET a. en ©. —— mit Sicherheit nur — nach | 

















vonafi, 190; 2 6,19 * —— — 

Deu ee BER: Dt ae Se: Ba — 

— (THE 1000, 67) wich di Gemahlin 

die era (Andere d —— 

bie Angabe dahin, daR d "Sonn | “ — An 
Angabe ; e o bezei 

ae * — = 





sell fa rd auch jchlechtbin maliktu, nielkatır enannt wird R ehr u 
25 Venfen, SB 1886, ©. Bas: —J F J ie XI, Aue ©. 239). — — 
Deligfeh (Affe. Handwbrterbuch 6. ) ift zweifelhaft, ob die Gottheit 
— malikat als „Fürſt, Fürſtin“ Ron bedeutet malik Aſſyriſche 
i werden ſoll en md nicht vielmehr $ mälik, mälikat „Berater, Ber 
lt Ber immern, Keilinſchr. u. d. AT’, ©, 126. 469). Wo in menfchlichen 
mit einem Gottesnamen verbunden erjcheint (eleichtuertig damit wiel- 
bie Form milbi milbi in Urkunden aus ber Zeit Artagerres’ I, ſ. Zimmern ©, 471), 
* * nach Delisih — * Entſchei ung“ ( .®. Iu- „Gott ift mein 


Mur iſt, und etwa — daß dieſe ac Ban — — 


u jo nm ‚(eb o Zimmern ©, 470), wie das einen Teil derjelben 

ji um er ei, ‚wei En . mit — anzunehmen iſt. — 
weifelte ohne ndung Cpitbeton 

malikatu, malkatu ein —* Klinnen beigelegt werde. Al 


ab —* ers ————— und verbreitete —** a in mungen. Dos * * es — 


Beftimmte Nachrichten über Kinder oder r * Dt Men — en den Afforer 
ober Babploniern en wir nicht, In Dohrmenien bäftlichen Inhaltes aus der 
Bibliothet Aſurbanip * in in hypothetiſcher Weiſe die * von —— yeziell 



























50 bon Kinderverbrennung als einer I —* ern Fällen dem Vater aufzuerlegenden Strafe. 
Es ijt dabei an Se für den Gott Sin und die Göttin Belit-gäri, d. .“ an N 
denken (Zimmern, GgA 1899, ©. 250f.; — tr. u. d. AT’, ©, 134. —— 


wert für die Vergleichung mit den altteftament lichen und phöniciſ — it 
daß es ſich um das Opfer des älteften Sohnes und der — —— J 

55 der Au * — ——— iSarrap gebraucht wird wie im AT zum T das ent 
ende ai (j. unten $I, 4a), Ein babylonifcher Siegel; finder. (bei Fr Jeremias 
oſchers Lexikon a. a. D) ten ein Renfenopfer darzuftellen. Die Götter Der 
Sephartiter Adrammelech (j. d. U. BdI, ©. 186) und Anammelech (ebend. 4 sm 
dagegen, die ebenfo wie Melet mit Kinderopfern verehrt wurden (2 Ka 17, 31), Tünnen 
do bier nicht geltend gemacht werden; denn mit Sepbarwajtm ift gewiß nicht. das meſopo 





Moloch 275 


tamifche- (aber auch ſeinerſeits nicht aſſyriſche) Sipar fondern ficher eine ſyriſche Stadt 
gemeint, etwa Sibrajim zwiſchen Hamat und Damaskus ({. A. Adrammelech ©. 186, sıff.). 

e) Iſt der Melekdienft fanaanätfch-aramäifhen Urfprungs? a) Die 
alttejtamentlihen Angaben über die Herfunft des Melefdienftes. Wahr: 
fcheinlich war der von den Judäern verehrte Melek eine Tanaanätfche Gottheit. 6 

Dafür find Dt 12, 30f.; 18, 10 allerdings nicht beiweifend, wo das Opfern der Kinder 
unter den Greueln aufgezählt wird, welche Israel von den Kanaanäern nicht lernen folle; 
denn daneben werden Formen des Aberglaubens genannt, die entjchieden nicht nur fanaanätidı 
fondern auch althebräifch waren. Die Stellen zeigen aber doch wohl, daß der Deutero- 
nomiler das Kinderopfer als einen Beftandteil des zu jeiner Zeit geübten phönicifchen 10 
Kultus fannte. Von dem Deuteronomiler bat der Verfafler des Königsbuches (2 Kg 16,3) 
die Anſchauung über die Herkunft des Kinderopfers überlommen; eine felbftitändige 
Kunde darüber befaß er nad) feinem wörtlihen Anjchluß an das Deuteronomium 
faum (ebenſowenig natürlih der in Übereinstimmung damit referierende Chronift 
2 Chr 28, 3 und der fpäte Pſalm 106, 38). —* kanaanäiſchen Urſprung des 16 
Melekdienſtes der Judäer entſcheidet auch der Umſtand nicht, daß dieſer Gott bei 
Jeremia „der Baal” genannt wird, indem von den Kinderopfern des „Molek“ auf den 
Bamot des Baal die Rede tft (er 19,5 [bämöt ha-ba’al]; 32, 35; dagegen ift 
20 mar Jer 19,5 nah LXX zu Streichen); denn obgleih bafal zunächſt kanganäiſcher 
Gottesname iſt, bezeichnet dies Wort bei altteftamentlichen Schriftitellern in appellativem 20 
- Sinne jeden ausländifchen Gott. 

Aus den altteftamentlichen Angaben iſt alfo höchitens zu entnehmen, daß man von 

: Ainderopfern bei den Phöniciern etwas wußte; dagegen i daraus nichts zu erſehen 
über die Herkunft der bei den Judäern im Melekdienſt beſtehenden Sitte der f 

oder des damit verehrten Gottes. 2 

PB) Der phönicifhe Gottesname milk. Wohl aber fpricht für den alt- 
teftamentlichen Melek als einen Tanaanäifchen Gott der Umstand, daß die Phönicier, 
deren Kulten zumeijt die israelitiiche Abgötterei entipricht, wirklich einem Gott oder 
einer Kategorie von Göttern den Namen oder vielmehr das Epitheton 52 beilegten, 
das nad den Umijchreibungen der Griechen und Römer auszufprechen wäre malk over 0 
au melk, milk, milik, malik (lettere® in der Benennung des Herakles, d. i. 
mens, mean, als Madıxa, für Malıxao, |. Schröder, Tie phöniziſche Sprache, 
1869, S. 101), nad der Wiedergabe in babyloniſchen und aflyrifchen Terten milk oder 
auch melk (j. Zimmern S. 469 Anmerkg. 4, vgl. S. 471 Anmerkg. 2). Das Wort ift 
dem bebräifchen melek, der gewöhnlichen Bezeichnung für den König, gleichzufegen (j. Das 35 
Nähere unten SII, 1 und 2). 

Das Königsbuh will in feinem Bericht über Ahas offenbar das durch einen König 
vollzgogene Sohnesopfer als ein erjchredendes Novum brandmarken. Solde Opfer müffen 
alfo bis dahin in Juda nicht vorgelommen oder doch nicht gemöhnlich geweſen fein. 
pi it e8 denkbar, daß fjchon vorher im Benbinnom-Thal bei Jerufalem ein Kultus so 
bes Melek beitanden hatte, der möglichertwweife auf die vorisraelitiihen Kanaanäer zurüd- 
reichte, und daß in dem Stinderopfer nur eine alte, durch die Mofaifche Religion zurüd- 

ängte Kultusfitte wieder auflebte. Es läßt fich etwa dafür mit Tiele (Gefchichte I, 

.351f.) geltend machen, daß von einer Errichtung der Opferftätte des Melek, des Tophet 
(f. unten 8 I, 4b) im Benhinnom- Thal, unter Ahas oder fpäter nichts berichtet wird, «6 
diefe alio bei dem Aufkommen des gejchichtlich bezeugten Melekdienſtes ſchon beitanden 
zu baben jcheine. Beweiſend iſt diefer Umſtand aber bei der Dürftigkeit unferer Nach 
sichten doch nicht. Wie dem fei, ea wird anzunehmen fein, daß den ſchwachen König 
Ahas die Not feiner Yage dazu trieb, in einen neu belebten oder auch in einem jeßt aus 
der Fremde entlehnten Kultusbrauch Hilfe zu Suchen. Überfam er ihn von auswärts, fo so 
fann das nur von jeiten der Phönicier oder auch etwa, wie ſich weiterhin ergeben wird, 
der Aramäer getvejen en Für die Pbönicter Spricht nicht nur das auf ihrem Boden 

bäufige Vorkommen des Gottheitsepithetons mik fondern noch weiter der Um: 

Rand, daß bei ihnen — fo wenigſtens in fpätern Zeiten, danır aber gewiß auch fchon früber 
— Rinderopfer vielfacdy vorfamen (ſ. unten SII, 1b). 55 

y)MIik als Dattesbeeiömung bei den Aramäern, in Palmyra und 

bei den Philiſtern. Der Umitand, daß wir aus alttejtamentlicher Zeit für Kinder: 

oder überhaupt Mienfchenopfer der Phönicier feine Belege haben, wobl aber aus 2 Kg 

17, 31 erfahren, daß die Bewohner von Sepbarwajim, allem Anjchein nad eine 
eramäiiche Stadt, in der Zeit unmittelbar nad Ahas ibre Ninder den Göttern 60 

18 


inderopfer 
6 


276 Moloch 


Adrammelech und Anammelech verbrannten, könnte vielleicht für eine Entlehnung des 
Melekkultus ſpeziell von den Aramäern (vgl. oben 833b Ende) ber ſprechen, da in dieſen 
Gottesnamen das Epitheton melek enthalten it. Ahas hielt ſich eine Zeit lang in Da 
masfus auf, um dort dem König Tiglatpilejer zu buldigen, und ließ einen dort 
5 gefehenen Altar für den jerufalemiichen Tempel nadbilden (2 Kg 16, 10ff.). Danach 
wäre ſehr wohl denkbar, daß noch ſonſt aramäiicher Kultusbrauch auf ihn Cindrud 
macte. Aber von Kinderopfern und dem Kultus eines Gottes Melek zu Damaskus teilen 
wir nichts. Auch wurden Sinderopfer bei den Weſtſemiten durchaus nicht nur jenen 
aramätfchen Gottbeiten dargebradıt (ſ. unten $ II, 4b), und das Epitheton mik- ift 
10 verschiedenen Göttern der Tanaanätichen und aramäifchen Stämme beigelegt worden. Aber 
auch wenn der Melek des AT nicht direft von den Aramäern ber zu den „\udäern fam, 
mag dennod ein ſpezieller Zufammenbang zwtichen ‚bm und dem Adrammelech oder befier 
Adad-melech (ſ. unten S IL, 1) befteben (j. unten $ II, 3b). 
Als Gottesname oͤder Gottbeitsepitbeton it das Nomen milk ferner enthalten in 
15 dem komponierten palmyreniſchen Perſonnamen en (Lidzbarski, Nordſemitiſche Epi⸗ 
graphik, 1898, Wortſchatz 8. v.) „milk iſt Gott“ oder auch „König iſt EI”. — Bid: 
leicht auch liegt dieſe Gotiesbezeichnung vor in dem palmyreniſchen Gottesnamen Sa2br 
Malayßnlos (. A. Baal BD II, S. 339, wff.; die Belege für den Namen f. be 
Coot, A glossary of the Aramaic inseriptions, Cambridge 1898 und Yibabarefi 
a. a. O., außerdem Malagbel in zwei lateinifeben Inſchriften auf ungariichem Boden, 
publiziert von C. Torma in den Arhäologiich-epigrapbifchen Mt aus Lefterreich, Jahr⸗ 
gang VI, 1882, 2. 109. 111 und ebenda S. 111 die Sammlung der jchon früber 
befannten Lateinifchen Belege für den Gottesnamen, Dazu noch eine weitere römiſche In⸗ 
ichrift: [Deo soli invlicto] Malachbello] bei Sumont, Textes et monuments figures 
26 relatifs aux mystöres de Mithra, Br II, Brüſſel 1896, S. 114 n. 123). Allerdings 
wäre die Durch Die übereinftinmenden griechiſchen und Inteinifchen Transjfriptionen ſicher 
bezeugte Ausiprache malak ſehr auffallend, wenn es ſich um em dem bebrätfchen melek 
(oder arabifchen mälik) entiprechendes Wort bandeln follte Es liegt desbalb nabe, mit 


—— 


Lidzbarski (Ephemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, 1902, S. 256f.) anzunehmen, 


30 daß 7-72 bier, wie arabiſches @ I, jtatt 7859 ftehe, daß aljo der Name Malachbel 


„Bote des Bel“ bedeute. Aber ich weiß neben dem doch wohl andersartigen alttejtamentlichen 
m enmı feine entſprechende ſemitiſche Bezeichnung einer Gottheit mit Zicherbeit nach⸗ 
zutveifen. Wohl mag, wie Yırzbarsfi (Ein Expoſs der Jeſiden, 3dm LI, 1897, S. 5%) 
annimmt, in dem Namen melek faüs für das heilige Bild ber Feziden das Wort me 
35 lek bebeuten „Engel“; das kann indefjen für vorislamiiche Zeiten nichts beiveifen. Was 
aber das 7 in >22°% auch bedeutet, ſchwerlich iſt in dieſem Gottesnamen das Wort 
°2 ein zu Te Binzugefügtes Epitheton fondern vielmehr wohl der eigentliche Gottesname; 
denn ale bloße Epitbeton Scheint >32 bel in Palmyra nicht vorzukommen. Als olches 
wird vielmehr Die Form böl gebraucht, ſo in dem ihottesnamen Jar und doch mohl 
so auh in 33257 wol. A. Baal Bd IL, S. 324,47 ff.) Der Gottesnaume Sazan bedeutet 
aljo, wenn 7332 bier — 773 jein ſollte, wohl feinenfalle „Malaf, der Herr” ſondern König 
Bel“; Ta wäre alſo Epitheton, wie es Das auch, nur in umgefebrter Folge, ın dem 
(Sottesnamen Anammeleh zu ſein ſcheint (ſ. A. Anammelech 3 I, ©. 487f). 
In dem im AT wiederbolt vorkommenden philiſtäiſchen Eigennamen Abimelek wird 
45 der Gottesname oder Das Gottesepitheton zu finden fein (über die Bedeutung des Namens 
j. unten S II, 2b). 
In einem Eigennamen einer aramäiſchen Inſchrift aus Ägypten wird "Du Dem 
Gott Cſir ale Epitbeton beigelegt: Ts „Oſiris iſt König“ (Corpus Inseriptionum 
Semiticarum II, n. 15°. Welder Herkunft dieſer Name ift, läßt ſich kaum beftimmen. 
do Ebenſo iſt unbejtimmbar die Serfunft des Perſonnamens T57=8 Ilu-malafku] in einer 
aſſyriſch aramaiſchen. Bilinguis aus Kujundſchik (Corp. I. S., II n.28). Die Analogie des 
altteſtamentlichen 3=7°70 und des Ili-milki in den Ymarna- «Briefen (ſ. unten $ II, 
2b und III, 1) legt es nabe, bier 7>= als Gottheitsnamen oder -Epitbeton anzufeben; 
aber Die affurifche Schreibung malalku] ſpricht nach ihrer Vokaliſation für die Auffaffung 
55 ale Verbum (ebenſo Zimmern 2. 471%). In dem Namen eÄAualayov auf Sevptiiben 
Boden (bei Miller, Revue arch&ologique, Nouv. Ser., Bd XXI, 1870, 115) iſt 
das or Genetivz wien, nicht anslautendes nominales Waw; auch bier ſcheint alay Ders 
balform zu jein: „EL bericht“. In einer ägpptiſchen Lifte ſyriſcher Sklaven aus ber 





Moloch 277 


18. Dynaſtie findet ſich der Name 'Imrk (Imik), der mit Zimmern (a. a. O., ©. 470 
Anmkg. 2) nad Steindorff ale Tor anzufehen tft, wobei zmeifelhaft bleibt, ob milk 
Nomen oder Verbum ift. 

Wenn in der Meichasinfchrift der Name des Vaters des Könige Mefcha zu leſen 
fein follte Kemoſch-melek (f. A. Kemoſch Bd X, S. 244,28 ff.), jo märe dadurch milk ale 5 
Gottheitsepitheton auch bei den Moabitern belegt. Neuerdings mollen aber Lidzbarski 
und Halévy (Recherches Bibliques, Bd II, Paris 1901, ©.523 f.) Iefen swn>. 

Den feilfchriftlichen Namen eines edomitifchen Königs AA-rammu hat man bisher 
gelefen Malik-rammu (j. A. Edom Br V, S. 165,55ff.)., Da AA mit dem Gottes: 
determinativ verjehen it, läge bier dann malik als eigentlicher Gottesname vor: 10 
„Malik ift erhaben“. Aber die Leſung iſt doch unficher und AA hier vielleicht, wie ebenso 
auch in der gleichen Benennung der Gemahlin des Samas, ander auszusprechen (nach 
Simmern, Keilinfchr. u. dag AT’, ©. 167f. Aja). In dem teilfhriftlie vorkommenden 

omitiſchen Königsnamen Kaus-malak und der entſprechenden griechiſchen gm Koo- 
adiayos (f. U. Edom, S. 167, 7ff.) fcheint malak nicht Nomen fondern Verbum zu 15 
fin: „(der Gott) Raus herrſcht“ (ebenfo Zimmern S. 471, der daneben vorichlägt, an 

82 zu denken, was aber, fo an's Ende geftellt, gänzlich ohne Analogie wäre). 
| 6) Der ammonitifhe Milkom. Der Gott der Ammoniter hieß Milkom, jo 
1Kg 11, 5. 33; 2 Kg 23, 13 oder Malfam, I Jer 49, 1. 3 (dagegen ıft Am 1, 15 
nad c. 2, 3 der menschliche König gemeint; über Ze 1, 5 ſ. unten; vgl. noch Baers 20 
Zertausgabe zu 2 Sa 12, 30. LXX BL und Aquila (f. Fragments of the Books 
: of Kings ed. Burlitt, 1897, ©. 23) haben 2 Kg 23, 13 Modox, was gewiß nur Kor: 
; reltur nach der gewöhnlichen Form ift, denn LXX A hat AusAyou. Cheyne (Exposi- 
tory Times 1897, S. 143f.) vermutet nicht ohne Wahrfcheinlichkeit, daß 2 Sa 12,26. 
flatt Tee Tr und Dat beide Male zu lefen ſei: ED TE und daß fo die» 
Gitadelle des ammonitischen Rabba genannt worden jet, meil fie den Tempel des Gottes 
Milkom entbalten habe. 

Der Name Millom oder Mallam iſt offenbar mit dem Namen Milf oder Malf bei 
den Phöniciern identisch. Tas Wort bat dort nur den Zuwachs einer Nominalendung 
erbalten (Jahve et Moloch, &. 29f.; de Lagarde, Überficht über die im Aramäifchen... so 
üblihe Bildung der Nomina, AGG XXXV, 1889, ©. 190; durd Mimation: Kampff- 
meyer, ZdmG LIV, 1900, ©. 631; vgl. den Perſonnamen ob: unten $ II, 2d). Biel 
wertiger wahrfcheinlich ift die Erklärung dieſes Namens als einer Kompofition aus melek 
und dem Gottesnamen O5 (Eerdmans S. 112) nach Analogie des palmyreniſchen Gottes: 
namens Malachbel (falle hier >: —= 7272), da auf weftfemitiichem Gebiet folche kom: 35 
ponierte Gottesnamen, welche aus zwei parallelen Namen beitehen, Ausnahmen find, die 
fich wohl erft in fpäterer Zeit nachweiſen lafien (zu vergleihen noch die phönicijchen 
Gottesnamen Meltart:Rezeph, Melfart-Esmun, wohl aud der palmyreniſche Jarchibol 
und vielleicht Aglibol; fchmwerlich dagegen gehört bierber Hadad-Rimmon, |. d. A. Bd VII, 
S. 293 ff.; eine Analogie aus alter Zeit könnte etwa die Bezeichnung Rekub-El in c 
Sendſchirli fein; dagegen iſt in Aſchtar-Kemoſch der Meſcha-Inſchrift die Verbindung anders: 
artig, |. A. Atarte Bd II, S. 156,32 ff, und aus den Bezeichnungen Adrammelech 
und Anammeleh 2 Kg17,31 gebt nicht notwendig hervor, daß die Gottheiten mit dieſen 
Toppelnamen jtändig genannt wurden, jondern nur, daß der Berichterftatter von einem 
ihnen beigelegten Epitheton melek wußte). Beſſer ift die Erklärung von 92° als Kom: 4 

m aus O2 mit Augrundelegung der Bedeutung „Wolfsfönig” nad der alten 

ie des phöniciſchen Melfart „Stadtkönig“ (jo Cort S. 84; Kuenen, Theol. Tijd- 
sehr. 1868, 5. 561); aber bei diefer wie der erften Deutung wäre der Ausfall des > 
auffallend. 

Der Kultus des ammonitijchen Milkom foll Schon durch Salomo unter den für feine w 
rauen eingerichteten freinden Gottesdienſten in Jeruſalem eine Stätte gefunden haben (1Kg 
11,5 und v. 7, wo mit LXX jtatt >": des maforetifchen Textes zu leſen iſt 22° (7@ Baßıder 
eins, L Meiyou; Schwally, ZatW 1890, S. 214). Tiefer Spezialfult des Milkom 
ſcheint neben dem Melekvienft bis auf die Zeit Joſias in Jerufalen beſtanden zu haben; 
denn nach 2 Kg 23, 13 befand fih damals eine Bama des Millom auf dem Oelberg, 55 
während nach mehrfachen anberweitigen Belegen der Kultus des Melek feine Stätte im 
Thale Ben-Hinnom hatte (Baetbgen Z. 15). 

3e 1, 5 nennt „Malkam“ als in Juda zur Zeit Joſias verehrte Gottheit und be: 
ichnet deutlich diefen Kultus als neben dem Jahwedienſt hergehend und von dieſem ver: 
chieden, aber von den felben Perſonen geübt, welche auch Jahwe verehrten (f. Hitzig zu so 


276 Moloch 


und Anammelech wer au —— eine Entlehnung des 

e von den —5——— rechen, da in gi 
—— das Epitheton Fr fich an a lang i in D 

— um dort dem im zu buldigen, und dort 

—— den ent nacbbilden (2 89 16, 107 —— 

—— Hu 1 Eindrud 

—— Aber von —— und bem tus eines Gottes Melet zu Damastus willen 

— wurden — bei den r emiten — jenen 








xaphik, 1898, Wortſchat s. v. ) „milk: ift ehe „ = —— „Nö 
eicbt auch Liegt dieſe & ei vor in dem en 
2 | ne EN Sal I, 339, 10ff.; Ye Bu nen —— ſJ * 
Coot, A glossary Er the Aramaie inseriptions, Cam we ‚an und Yidzbarsfi 
»» a. a. D., auferbem Malagbel in zwei Iateinifchen Anschriften ariſchem 
publiziert von E, ehe in den — —— —— Na — —— 


—— VI, 1882, ©. 109. 1 und ebenda S. 111 die Sammlung ber ibom De 

(ateinifchen Belege für den Gottesnamen, dazu noch eime weitere In⸗ 

ſchrift: TDieo soli invlieto] Malachbel[o] bei Gumont, Textes et monuments res 

% relatifs aux mystöres de Mithra, ®b II, Brüffel 1896, ©. 114 n. 123). Allerdings 

— die durch die übereinftimmenden griechifchen und laleiniſchen en bien mei nor 
—* Ausſprache malak ſehr auffallend, wenn es ſich um ein dem 
oder arabiſchen mälik) entſprechendes Wort handeln ſollte. Cs liegt 

83 Ephemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, 1902, ©. 256f.) —— 


0 daß Tr bier, wie arabiſches si, ſtatt Idxdv ſtehe, daß alfo der Name Malachbel 


„Bote des Bel“ bedeute. Aber ich weiß neben dem doch wohl andersartigen altt 
m ara feine entjprechende jemitifche Bezeichnung einer Gottheit mit iberheit nach⸗ 
zuweiſen. Wohl wie Lidzbarsli (Ein Erpof6 der Jeſiden, IumG LI, 1897, ©. 598) 
annımmt, in dem Namen melek taüs für das heilige Bild der Jeziden das Wort a 
35 lek bedeuten „Engel“ ; das kann indeſſen für vorislamif * e Zeiten nichts beweiſen. Was 
aber das 7212 in 2-58 ne; bedeutet, jchwerlich tft in diefem Gotteönamen das ort | 
>2 em zu Ta binzugefü tes Epitheton fondern vielmehr wohl der eigentliche Gottesname; 
benn als bloßes ( itbeton ſcheint >= bel in Balmyra nicht vorzufommen. Als folches 
wird vielmehr die Form böl gebraucht, jo in dem Gottesnamen Saar und doc wohl 
40 auch in Srabar (val, A. Baal Bd IL, ©. 324, a7ff.). Der Gottesname Sazın 
alfo, wenn an bier — 77% jein follte, wohl feinenfalla „Malaf, der Dem jondern „König 
Bel; Tan —* alſo Epitheton, wie es das auch, nur im umgelchrter e, in dem 
Gotteanamen Anammelech zu jein jcheint (ſ. A. Anammelech Bd I, S.4877.). 
In dem im AT wiederholt vortommenden philiſtäiſchen Eigennamen Abimelek wird 
45 hunten $ IL, * das Gottesepitheton zu finden fein (über die Bedeutung des Namens 
unten 2 | 
In einem Eigennamen einer aramäiſchen Anjchrift aus Agypten wird * * | 
Gott Ofir als Epitheton beigelegt: Trarc& „Dfiris ift König“ (Corpus Inseription | 
Semiticarum II, n. 155). Welcer Herkunft diefer Name it, läßt ſich kaum — | 
so Ebenfo iſt unbejtimmbar die Herkunft des Perſonnamens 58 Ilu-malalku] in einer | 
| 





yriſch⸗aramaiſchen en aus Kujundidif (Corp. I.S., II n.28). Die Analogie des 

ttejtamentlichen TI2?8 und bes Ili-milki in den Amarna- Briefen (j. unten S$ II, 
2b und III, 1) legt es nahe, bier >= als Gottbeitsnamen oder Epitheton anzufehe 
aber bie aſſhriſche Schreibung malalku] ſpricht⸗ nach ibrer Vokaliſation für die Auffaſſun— 

55 als Verhum (ebenfo Zimmern S. 471). An dem Nanten eAualagov auf ägwptiidhe 
Boden (bei Miller, Revue archöologique, "Nouy. Sör., Bob XXI, 1870, S 
das ou Genetivzeichen, nicht auslautendes nominales Wew; auch bier ſcheint uaday 
balforın zu * „El herrſcht“. In einer ägyptiſchen Iſt⸗ ſyriſcher Sklaven: aus der 














sonoon@te 


1 
—E —3 
- 
- 


>, roman ro Denfen, Dejien Multus 


“on... me azenznın Ser wird vielmehr bier 


= '° »2.7,zrung? Üffenbar gebört das 


7 mi. >: »7 Armenien, Pbhiliſtern, Phoni— 


=. 7.2. re Azmzum Der weſtſemitiſchen Re— 
m... 7 mwszzimntsottes durch Die \eracliten 


7.7 2:77 22 marc. 
\ 


mim nn Vz — unabhängig ven „Molek“⸗ 


2.2 z2 m 22 Mes Icon vor Der Berührung 
22 °z 0m Zzur il unten S III, 1 um 2). 


’ 
J 


‚7 277 mm un Bott Milkom nannten, legt 


„7 „zeiz ihren Gott mit einem ent: 


= 8° 2 22% de Ammoniter fraglich, ob ſie 


wm un er suchten, namentlih da Die ihnen 
no ii mn Stamıngott nicht ebenſo be: 


rm auf Ar (Wellbaufen, Reſte ara 


- ern Zrear für einen Gott milk befannt. 
> ..=.°r”mı denn in Eigennamen jcheint auf 
“zer {m oder Geſchlechtsname au folgen 

Fmscmz der Slural ’amläk wahrfcheinlid 

_.»2. 310 XLII, 1888, &. 476%.) 

= mik cine urfentitifche, nicht erit auf 
nn zn Kim beftebendes eigentliches 
on. m Rüũpriſchen iſt Das entſprechende Wort 
vIiExndern für den Fürſten. Das Nomen 
= 2, en zöeichnet baben und konnte von dieſem 
2 Derrum so Neſtle S. 181, Nerber 2.38), 
. se mzasiihen Gebieters vorftellten. Aber der 

-„zerzzmen amicheinend nicht gebraucht haben, 
"> 2 sschrier in feinerlet Spuren erkennen 
”» zz Nr Konig nicht malik genannt wurde, 
ee son war bei den Phöniciern und Aramäern, 
oT —— mik bezeichneten Königen ſtanden, 


te or zsname milk ſoliert auf phöniciich-are: 
.. Javhedienst en volksreligie, (ro: 


OT ATZE worden iſt von den Hebräern, 
=. 'smäk fur ſich allein fan dieſe Annahme 
° zzenineldben Wegen ſchon in verbältnie 
In nn A GEN ſein mag. 
nr ia a von Der Sottbeit als melek ur 
;.n wurde Dod anzunehmen fein, daß der 
Masıım Nur kennen lernen, eine Entlebnung 
-=2 :.= in Nanaaniern oder Aramäern, viel: 
vr. 32 Zum Bobles Spuren finden werden 
nm sur kanaanäiſchen Urfprung Des 


a] 


s °..,»2 Vs und in feinen legten Weröffent: 


-:fperzihen Uriprungs? Ron einem 
2.20 v5. Movers, worüber zu vergleichen 
2. Sazcnm unverkennbar jemitifchen Nanıen 

or en Tiele's älterer Darftellung (Rom: 

Sa, wiozbeit in Diefer Geſtalt femitt: 
“cr Dieſe Oottesporftellung müßte 
“zn von Oiten ber oder durch Die Ober⸗ 
_ sch Kanaan gekommen fein. Die 
8. esmevortellung iſt aber durchaus nicht 


N —8 son den andern phönieiſchen Baalim 








Moloch 279 


nicht weſentlich unterſcheidet (vgl. unten $ II, 3). Tiele ſelbſt redete denn auch zu— 
legt (Geſchichte I, S. 352) nur von dem „alten fanaanäifchen Melef”. 

4. Die Formen des Melekdienſtes. a) Die Kinderopfer der Judäer. 
Melek wurde von den Judäern durch Kinderopfer verehrt (Knaben oder Mädchen: 2 Kg 
23, 10 [vgl. e. 17, 17); Jer 7, 31; 32, 35; vgl. Dt 12, 31; 18, 10; Pf 106,37). 5 

Ständiger Ausdrud für die mit den Rindern vorgenommene Opferhandlung tft 
*57 mit und ohne ER (Xe 18, 21; Dt 18, 10; 2 Kg 16, 3; 17,17; 21, 6; 
23, 10; Jer 32, 355 Ez 16, 21; 20, 31; 23, 37, 2 Chr 28, 3), was gewiß nicht 
vom Dinburchgebentaften durch euer bei lebendigen Leibe “ veritehen ift, aljo etwa von 

erluftrationen (Jahve et M., S. 42f.; dazu nod mit Moore als ältefter Beleg dieſer 10 
. Deutung das neoıxadalowv der LXX Tt 18, 10), fondern von der Darbringung im 
: euer nad vorausgegangener Schlachtung ; denn von einer Schladhtung der Kinveropfer 
des Melek iſt an einigen Stellen ausprüdlich die Nede (Ey 16, 20f.; 23, 39; vgl. Jeſ 
| 57, 5; BI 106, 37f.; zu der Bezeichnung der Abgötter an der legten Stelle vgl. Fe» 

I geiftr Bd VI, S. 4,6ff.). Der Schladhtung gedenken nicht, fondern nur des Verbrennens 15 
die Stellen Jer 7, 31; 19, 5, vgl. Dt 12, 31, und zwar mit Anwendung des nicht 
mißverftändlichen Berbums IS. Der andere Ausdrud ar ift allerdings nicht unauf- 
fällig. Man fünnte etwa annehmen, Sa "art bedeute: "binübergehen laſſen in's 
er“ — verbrennen, wie in demſelben Sinne geſagt wird EN3 729 in's Teuer ſenden“ 

i 1, 8), wonab dann abfürzend, etwa abjichtlih das Schredliche der Verbrennung 20 
verhüllend, Nas ohne den Sufak EN in eben diefem Sinne gebraucht worden märe. 
Allein dieje verumdeutlichenne Abkürzung hat wenig Wahrfcheinlichkeit. Vielmehr ift für 
257 bier wohl die Bedeutung „übergeben“ anzunehmen, eigentlich „zu Jemand hinüber: 
führen“ (ebenfo verjteht den Ausbrud in eingebender Delprehung desſelben Stuenen, Theo- 
Iogisch Tijdschrift I, 1867, ©. 59--64). Das VBerbum a7 wird auch ſonſt zwei⸗ 26 
mal, obne daß es ſich um Melekdienſt handelt, in dem Sinne „darbringen” auf Opfer: 
gaben angewandt, allerdings nur bei der Tarbringung der Erftgeburt Er 13, 12; Ez 
20, 26, wo, jofern die Erftgeburt nicht zu löſen ift, ebenfall® an Darbringung als Feuer: 
opfer zu denken iſt. 

Abraham Geiger (a. a.D., S.305) Korreltur ">27 „verbrennen“ ftatt asrT für 30 
den Terminus des Melekvienites iſt jedenfalls nicht berechtigt. In der won Geiger gel: 
tend gemachten Stelle 2 Chr 28, 3, wo “ea ſteht für asıı der Barallelftelle 2 Kg 
16, 3, liegt vielmehr eine erflärende Korreltur des überlieferten Ausdrudes von feiten 
eines Abjchreibers vor. Dies ergiebt fich zwar nicht daraus, daß neben rar das on> 
„durch Feuer“ überflüflig wäre (Bertheau z. d.St., vgl. aber SR neben Yin Di 12,31; 36 
2 Sg 17, 31; er 7,31; 19,5), wohl aber daraus, daß LXX (xal dınye) auch 2 Chr 
28, 3 gelejen bat “a. 

Es ift allerdings auffallend, daß Le 18, 21 fich der Pleonasmus findet: „du follit 
nicht geben, darzubringen (Mar) dem Molek“. Daraus könnte entnommen erden, 
daß 2 eigentlich einen jpeziellen Akt des „Gebens“ oder Darbringens bezeichne. Da «0 
aber ein folcher befonderer Akt, auf welchen der Ausdrud "237 paffen würde, faum zu 
finden iſt, jo bejagt jene doppelte Bezeihnungsmweile wohl: „du jolljt von deinem Samen 
nicht weggeben, um dem Molek zu übergeben“. Das ars ift übrigens wahrfcheinlich 
fpäter eingejegt, vgl. n=> für fd allein Ye 20, 2—4. 

Es ift durchweg deutlich, daß LXX in den Ausfagen vom Melekkultus asıı ge: 45 
leſen bat. Meiſt überjegt fie es mit dudyaw: 2 Kg 16, 3; 17, 17, 21,6; 283, 10; 

23, 37; 2 Chr 28, 3; ebenfo it & z@ dnoroomıdleodaı Ey 16, 21 = a2. 

uch dem &v rois dwopisuois Ey 20, 31 liegt “asT2 zu Grunde; Ze 18, 21 beruht 
larpedew auf dem Leſefehler 7 jtatt —. Freie Überjegungen wahrscheinlich bon mar 
id dvapeoeıy Ser 32, 35, neoıxadaiowv Dt 18, 10. Auch an den beiden Stellen, so 
wo “257 don der Darbringung der Eritgeburt gebraucht wird, hat LXX offenbar dies 
Wort gelefen und ähnlich überjegt wie in den andern fällen: Er 13, 12 dgekeis, AFL 
dpopısis ir Ez 20, 31); E 20, 26 & t@ Ötanopeveodal ue. 

Über Bedeutung und Veranlafjungen diefer Kinderopfer erfahren wir aus dem AT 
nichts. Daraus, daß das Kinderopfer Dt 18, 10f. zugleih mit Ausübung von Wahr: 56 
erei und Zauberei verboten wird, kann man vielleicht mit Dillmann (zu der St.) 
ließen, daß der Melekvienft „mit der Mantif und Magie in näberem Zufammenhang 

“. Sicher iſt das aber dod nicht; die in De 18, 10f. aufgezäblten Akte find 
aukımmengejtellt ala heidniſche, wie fie geübt tworden ſeien von den Kanaandern. 

Die Form der Kinderopfer als Brandopfer ſpricht entjchieden für die Entftehung dieſer co 


RR Moloch 


oa .mmt Die Wpesse Nr deine Feueraltäre errichtet, kennt feine 


vo N New Irvreßerst en volxsreligie, 2. 10). Bet den Arabern 
v Drnespyod, wer >, Sm nn Sept auf paläftinifchen Boden 


on. he, pet gem dm Bir De ISsezs zn un Nrar oder heiligen Stein ge 
pm Nom iwebeonnnn, De Jan Temtını Fur nsc noch jet beſtehende 
hal jan I N Inn Ten zsze Se rejpion to-day, Cbicago 19, 
' Norge spe So urn dns Sen on Seren Seit Menſchenopfer 

ba nern un UI Mc vorm Se Doeribenopfers als Brand- 
os eo ee neyderzzeg nis Ser Wuſte meischzzez 'ondern gewiß erit in 
S. Aber No N Detstee ennten vielleicht auf dic >erondere Natur dieſes 

“, a em Raiund daß tim MT nur ven Der Reldopfern der Aus 
e "mr tn Rus z3oraucht wird und bei ihnen rec iſt. Das fünnte 
. nee MR Bio Feuer in einer befondern BResichzrz Serade zu Dem Gott 
ne tan a wur Es iſt indeſſen möglich, daß zer Ausdrud nice im 
“OH. se endern don den altteltamentlicen Schritmeien gewählt wurde, 
. ern Neo Gettesdienſtes bervorzubeben ; denn Dem Jsraeliten, der auf Die 


s. yeiiibe 1 Dev Familiengruft den größten Wert leg?e. mußte es als 

ze Nr Dadinigabe erſcheinen, Daß Die Yerchen Der gechlochteten Rinder Dem 
zreenib wurden.  Üder vielleicht bezieht ſich die Hinzufuaung „Durch Feuer“ 
wensstsrlte darauf, Daß bei then, was fich etwa annehmen laßt, nicht wie bei 

\ authben Opfern zunächſt das Blut dargebracht jendern Der actötete Leib jo: 
nis Walde. Allerdings ſind Manipulationen mit dem Blute bei arabiichen 
rn al bezeugt (R. Smith, Neligion, S. 278); das fchliegt aber nicht aus, daß für 

en. hört Minderopfer eine andere Zitte beitand. Möglichenveite it SR 77 

rt Ausdruck für Die Darbringung derjenigen Opferart, melche Die ſpätere Kultus 

ya lei Ipextellen Zinn als foläh bezeichnet, d. b. Des Ganzopfers, das voll: 
ans ntbiaine wurde. Dieſe Form des Opfers mag zunächſt nur oder doch vorzug& 
is Bir din Menfebenopfern üblid geweſen fein; Denn Die vwerbreitetite Form Dee 
eeplers war in der voreriliichen Zeit Afraele die des Gemeinſchaftsmables, bet welchem 
An ein Teil Dep Tieres in das Altarfeuer gegeben wurde. 

bbı Der Ort des Meleffultus (Tophet). Der Urt des Melekkultus war für 
elle Das Topbet im Thale Ben-Hinnom (‘er 7,31f.; 19, 6 oder BeneHinnom 
N 25, 10 Ketib). 

Tus Wort PET bedeutet nad der vorliegenden Bunftation, Die an molek erinnert, 
ehl Ort des Abſcheus“, eigentlih „Das Ausſpeien“ von vr de Hi 17, 6). Aber Jer 
1, 06 lautet nicht, als ob rer ein Spottname für die Cpferjtätte wäre Tas Wort 
war wohl wie TER Jeſ 30,933 (wo aber vielleicht ebenfalls Das Topbet des Benbin- 
nen Thales gemeint ID eine Bezeichnung Der Feuerſtätte und iſt wahricheinlich nach LXX 
ne: dh Ldagged (dagegen 2 8423,10 LAX A dopda) auszuſprechen DE (Hitzig' au 
Nut, 53h oder PER (Schwally, ZatW X, 1890, Z. 219. Cine befriedigende Erklä⸗ 
ty des Wortes iſt Die jeßt nicht gegeben worden; denn die Ableitung von TER 
baden”, alle == Ofen (Kloſtermann zu 2 Kg 23, 10), iſt mit Nüdficht auf die Mort- 
bilbung wenig wabricheintlich, und die Annahme, tophet ſei ein Aramaismus: rer —= 
hebraiſch FEIN. Smith, Neligion der Semiten, <. 287, Anmfg. 651), bilft nicht, da 
wie jur TEE nur die Bedeutung „stellen, legen” kennen, die uns faum auf die Bedeu: 
zjung Dir Feuerſtätte führt, um jo weniger da TEEN nicht den Aſchen- fondern den 
Tungerhaufen bezeichnet. An einen von Alteren aufgejtellten Zufammenbang mit dem 
mulliiben täften „brennen“ wird nicht zu denken fein. 

Tas Thal = wal. noch Jer 32,35, 2 Chr 28, 3533, 65 über feine Yage 
Venzinger, Hebräiſche Ardäologie, 1804, Z. 41) führte nach Einigen von den Melek— 
kultus feinen Namen, indem man darin eine Anspielung findet auf das Wimmern der 
wepferten Ninder (won 5772 „ſtöhnen“, jo Dißig zu Jer 7,31 u. A. nad Jarchi). Das 
ben nacht ber Diefer Deutung feine Schwierigkeit: „Zobn des Gewimmers“ wäre nad 
heblaiſcher Ausdrucksweiſe das wimmernde Mind, wobei an den einzelnen Cpferfall ge: 
dacht würde; Der Plural bene 2 Na 23, 10 (Retib) könnte erflärende Anderung ‘fern. 
Eher aber führte Das Thal unabhängig von dem Nultus jenen Namen nad einem fo 
benannten Mate, obgleich allerdings im AT Die Bezeichnung nach dem Water ftatt des 
year Perſonnamens ſonſt nur bei Berühmtheit des Waters gebraucht wird und von 
nam Hinnom nichts bekannt iſt. Aber Jer 7, 327 19,6, wo der Name Des Thales 


Molod) 281 


Ben-Hinnom für die Zukunft umgewandelt wird in „Thal der Schlachtung”, ſcheint von 
einer ſlimmen Bedeutung des gegenwärtigen Namens nichts bekannt zu ſein (Oort 
S. 113f.). 

Der von Ge⸗-ben-Hinnom abzuleitende ſpätere Name der Hölle Gehenna iſt dem Ort 
ewiger Strafe beigelegt worden als einer Feuerſtätte wie fie im Thale Ben-Hinnom be: 5 
ſtanden hatte; dieſes fcheint urfprünglich ale der Ort der Endbeitrafung angejehen worden 
zu fein (j. A. Gehenna Bd VI, S. 419, 3ff). Danach tft es nicht unmwahrjcheinlich, 
daß mälik als Name des Wächter der unterirdifchen Region im Islam auf den im 
Benbinnom-Thal verehrten Melek zurüdgeht (Conder, Syrian Stone Lore, new edi- 
tion, London 1896, S. 337). 10 

eo) Angeblibe Melefbilder Aus Ez 16, 20f. könnte man jchließen 
(Ruenen, Theol. Tijdschr. 1868, ©. 578), daß Melef in „Mannsbildern”, vielleicht in 
Phallen (mas allerdings nad) der Erwähnung ihrer Bekleidung v. 18 wenig wahrſcheinlich), 
verehrt wurde, denn Diejenigen, welchen die Kinder geopfert wurden, werden v. 17 als 
„Mannsbilder” bezeichnet. Es iſt aber mahrfcheinlich, daß die folgenden Suffire fih auf ı5 
den allgemeinen Begriff „Götzen“ beziehen, der aus der befondern Erwähnung der 
Bilder herauszunehmen wäre. Vgl. über angebliche Bilder des Melet oder „Kronos“ 
unten 8 II, 4a. 

II. Malk und Melfart bei den Pböniciern. 1. 75 als phöniciſcher 
Gottesname. Der phönicifche Gottegname 759, welchen wir ald Vorbild des hebrät- 20 
ihen „Molek“ anjeben (ſ. oben S I, 30 4 und d) bedeutet zweifellos „König“. Renan 
(Histoire du peuple d’Israäl, Bd I, Baris 1887, ©. 286f.) dachte an die Möglich: 
feit, daß er aus 8272 „Bote“ entitanden fei ala eine Parallele zu dem Maleach-Jahwe 
des AT. Allein diefe Annahme wird, von anderm abgejehen, ſchon durch den zuſammen⸗ 
gelegten Gottesnamen nF = npsbn (j. unten $ II, 3a) verwehrt, der unmöglich 25 
edeuten kann „Stadtbote” ſondern nur „Stabtkünig”. Der Name 57, deſſen Trane- 
ffription ſchwankend iſt (fiebe oben 8 I, 3 cß), wurde mohl, nadı der Analogie 
des entfprechenden hebräifchen Nomens für „König“ in feiner Grundform, urjprüng- 
lih ausgeſprochen malk, fofür die im Aſſyriſchen und fonft vertretene Ausfprache 
milk eine Verdünnung zu fein jcheint. Der A-Laut iſt in malk offenbar vielfach so 
unrein wie e ausgeiprochen worden, mas namentlich die Benennung des Gottes von 
Tyrus bei den Greden als Meixdodos zeigt (vgl. zu diefem Mechjel der Ausfprache 
Schröder, Phöniz. Sprache, S. 127f.). een diefelben Wartationen finden fi) in der 
Ausfpradhe des ammonitischen Gottesnamens Milfom, Mallam (f. oben SI, 309), 
LXX 1 fg 11, 5. 33 L MeAyou; Ser 49, 3 Meiyou, Meiyol; 2 Kg 23, 13 85 
A Ausiyou. Die Ausſprache milkom, Meiyou wird, weil nicht hebräiſch, auf be 
ftimmter Tradition beruben, dagegen malkäm vielleicht auf der Deutung „ihr König“, 
LXX 1 fig 11, 5. 33 Baoulevs adıav. 

Tas Wort Te fommt für fih allein als Eigenname eines Gottes nicht vor. Höch: 
ftens könnte dies in der nicht qut erhaltenen und ſchwer zu erflärenden zweiten Inſchrift 40 
von Umm⸗al⸗-awamid der all fein (Corp. I.S.,I n. 8). Doch ſcheint bier 7: nicht 
eigentlicher Name jondern nur Gottbeitsepitbeton zu fein. Es ift vielleicht zu leſen 
ar da menfosrs>e|. Das bier vermutete nemersbrs findet fi infchriftlich ander: 
wärts zweimal; === fteht in dieſer Verbindung wohl jtatt 7552 (f. U. Aftarte 
Bd II, S. 156f.). Als Epitheton vor einem andern Gottesnamen tft das Wort Tor 15 
noch einige Male zu belegen, nämlich mehrmals vor dem Gottesnamen ba’al (Corp. 
L S., In. 123a. 147. 194. 380; Hadr. IX bei Euting, Puniſche Steine, in den 
Memoires de l’Acad&mie imp. des sciences de St. Pötersbourg, VII. Serie, 
3b XVII, 1872 [1871], S. 26) und einmal vor ’Osir (TON, Corp. I. S., In. 123b), 
m Inſchriften, die auf punifchem Boden, auf Malta und Sardinien gefunden worden so 

Der fomponierte Gottesname ftebt bier überall in Verbindung mit dem Worte 
=2: „tele“ (fo auh Hadr. IX aus =2.. zu ergänzen), woraus ſich, da die dann fol: 
gende Widmung andere Gottesnamen nennt, ergiebt, daß nesib malk-ba’al der tech: 
niſche Ausdrud für eine Kultusftele überhaupt war (fo zuerft Merr bei Euting a. a. O., 
S. 27; vgl. A. Malfteine Bd XII, S. 131f. und außer dem dort Angeführten: Phil. 55 
Berger, L’ange d'Astarté Etude sur la seconde inscription d’ Oum-el-awamid, 
in: La Facult6 de Theologie protestante de Paris A M. Edouard Reuss, Paris 
1879, S. 41, wo indefjen dieſes Tara nicht in der Bedeutung „König“ jondern — 8°: 
„Engel” verftanden wird, was mir unannehmbar jcheint, ſ. Thy3 1880, K. 3847.) 

In einer Inſchrift von Altiburos (ſ. Pb. Berger, Note sur la grande inscrip- 60 


„erazir : ytburns, ım Journ. Asiat. 


nn... ananu oe 


- er. vuprcenlic der Baal 


ver on DIN mu Ten oT de 2 2 


wo nsure sh ZEN m leſen a 
- ir ieboud, Les steles néo 

U ‚es notices et memoires de Is 
> VII "is 2. Hm als Ep 
z nr Benennung Der Gottheit zu: 


— — mer pen Inſchriften von Cirta (vgl 
=.z.2 mama sem st Der Wort, Edom“ 
_.. „ur ve m Amtsname oder Titel Des Ur. 

- 2 mzm Ita vn Doch wehl ein im Yu: 
“nr,z.a  zrömpepeen Vol zu Der Leſung 278 
* entern, Keilinſchriften u. d. AT; 
.5. Fraumenta historieorum Graecorum, 

F Raanarichr aramaiſchen Adad oder Sa: 
"7 2er Seremciſchen (Sottbeiten als Aaor- 
ir - 2. Zetim Gon Das Präadikat milk bei: 
- mr Zeuprcwrnlichfeit, daß Der vermutlich 

- " ste Adad melech forrumpiert iſt (nal. 


‚.zr. Ik owon ==, malach, wenn es 


„one, des (hortes ſondern bloßes Epi— 


0 mungen Gottesnamen dran: 


per Aiarbaddon und König 
un Sr ner des Weſtlandes ge 
„IT 2.027, woraus Zimmern 
er, dar mir dieſe Erklärung 
oe zehnte Keinenfalls wäre 


mar nr Hevum Terz aufzufaſſen; 


medien „Baal berridt”. 
ur 2 5 Minen: aber malagie 


* eat Ich weiß Dies 


nn waren. UÜberbaupt 
„ken Gottesnamen in 

.. rs uber Die Ablei— 

: Aranmg (Zeitſchr. f. 

N u NStien Grundform 
ee opzrigen. Freilich 


. = rn den ange: 
0.222” weltjemttitchenn 
Srreichnung in zu: 


n..x als erſtem Be: 

- 2, vor surber wobl Die 
- ar d valmyreniſche 
2:en BES und 

2 nichriftlich fol: 

IT, TION, TITTEN, 


—3 a “A ug u GR GE LU [US 27 107 
= . „wa 6 2 48 ei I ) 


-_ »rmien noch Die 
og Dd Nr aramälldıe 

. == cemem bebrät: 
z.2 us "su leſen jein 
ac ade und 5 net: 
nennt Ar mehrere Der af: 
og, vuntchen und neu— 


Moloch 283 


puniſchen Namensformen ſtellen ungefähr 21 wirklich verſchiedene Namen dar. In allen 
dieſen Namen, vielleicht mit Ausnahme von dreien, iſt es aus der Bedeutung zweifellos, 
daß mik Gottesbezeihnung, nicht etwa Titel oder Name eines Menfchen ift, und aud) 
in den drei andersartigen Namen ipricht die Analogie anderer mit einem Gottesnamen 
zuſammengeſetzter Perſonennamen für die felbe Auffaflung. 6 

Dazu Tommen noch, nur feilfchriftlich nachgewiefen, die phönicifchen Namen Milki- 
asapa, Abi-milki und Ahi-milki, ferner in den Amarna-Briefen als kanaanäiſch eben: 
fall3 Abi-milki und noch Milk-ili, Ili-milki, dann gleichfalld in den Amarna-Briefen 
als Parallelen zu den infchriftliben Namen 7:8 und 7>7272>: Milk-uru und Abdi- 
milki, auch noch anderwärt3 ein Uru-milki von Byblos. Außerdem hat Zimmern 10 
(a. a. O., ©. 470f.) aus aſſyriſchen Infchriften eine ganze Reihe von meitern Namen 
gelammeit, die milki enthalten und mahrfcheinlich, obgleich es ſich nicht direkt nachweisen 
äßt, fämtlich meftfemitifcher Herkunft find, nicht gerade deutlich phöniciſch oder kana— 
anäiſch fondern vielleicht aramätfch und zum Teil wohl hebräiſch. Darunter find Milki- 
ilu, Meliki-ilu, Milki-üri, Milki-rämu, Ilu-milki und Abdi-milki als Parallelen zu 
fiher phönicifchen oder fanaanäifchen Namen zu beachten. 

Die ftattlihe Anzahl phöntcifcher Eigennamen, die 572 als Gottesbezeichnung ent- 
balten, ift über den meiten Bereich der phöniciſchen Sprache verbreitet. Befonders ſtark 
ift daran Karthago beteiligt, im phöniciſchen Mutterland vor andern Orten die Stadt 
Bublos. Der Gebrauch der Gottesbezeihnung reiht von der Zeit der Amarna-Tafeln 20 
bis in die ſpäten Jahrhunderte der neupunischen Inſchriften. (Darüber, daß in den fa- 
naanätjchen Eigennamen der Amarna-Briefe das Ideogramm für „König“ in der That 
durchweg milki zu lejen tft, |. Zimmern S. 470 Anmtg. 1.) 

a) 72:2 ale Epitheton einer Gottheit in phönicifhen Berfonennamen. 
An einigen wenigen diefer Namen ift milk deutlich Epitheton eines daneben genannten 25 
Gottes. Die Namenbildung wird fo zu verſtehen fein, daß milk das Prädikat zu dem 
Gottesnamen als dem Subjekt darftellt. So in dem Namen Tar>r2, der doch wohl nur 
bedeuten Tann „Baal tft König”. Man könnte freilich diefen und ähnliche Namen auch ver: 
fteben als zu menichlichen Berfonennamen gewordene komponierte Gottesnamen, aljo „Baal, 
der König“. Allein nad) der Analogie zahlreicher anderer femitischer Berfonennamen liegt zo 
die Auffaffung ale Ausfagefab näher. Der Name rsra kommt vor ın einer Infchrift 
von Idalion (für alle Namen, deren infchriftliche Belege ich nicht angebe, verweiſe id) 
auf Lidzbarski's Nordjemitiiche Epigrapbif, „Wortſchatz“ S. 204 ff), in Münzlegenden ale 
Name eines Königs von Kitton, wahrſcheinlich im 5. Jahrhundert (ſ. de Vogüé, ME- 
langes d’arch6ologie orientale, Paris 1868, Appendice, ©. 7ff.), keilſchriftlich in 36 
der Ausfpradhe Ba’al-maluku als Name eines Arwadäers (j. Zimmern ©. 472; vgl. 
über die Form 775° unten $ III, 1 und zur Ausfprache mit u ©. Hoffmann, Phöni- 
kiſche Inſchriften AbG XXXVI, 1890, ©. 6). Identiſch mit Tara iſt vielleicht der 
punifche Name 7>:>2 (Corp. I. S., In. 586), wenn fo nicht vielleicht irrtümlich ge 
jchrieben worden it ftatt Ta272. — Hierher gehört wohl au der im AT als Tanaa: 40 
näiſch genannte Name Malkisedek in dem Sinne: „König iſt (der Gott) Sedek oder 
Saddik" (j. Baudijfin, Studien zur jemitifchen Religionsgefhichte I, 1876, ©. 14f.; 
ob in diefem Namen und den analogen Namensformen das i Suffix oder Nominalendung 
ift, darf bier dabingejtellt bleiben) und etwa der vielleicht ebenfo zu verjtehende Name 
auf cupriichen Münzen T>u77x „Sedek iſt König“, vielleicht aber vielmehr: „gerecht ift #5 
Mall” (vgl. altteftl. Sidkijjähü). An dem Perfonnamen 37 = TarcsT einer 
Inſchrift aus Tyrus ſcheint 2>7 ein Gotteename zu fein (alfo „Dom ift König”) wie 
ebenfalls in den Namen M>21:77, xırm2r7, Aouoalws, Aouavws in einer Bilinguis aus 
Athen (Corp. I. S., In. 115): „Dom jchenft Gedeihen“, „Dom ift gnädig”. 

Ebenfo iſt mlk Gottheitsepitbeton in den oben (8 I, 2) angeführten jüdifchen Namen öo 
rn und mas>tel, in dem aramätfchen T=cR und dem ziveifelbaften moabitischen 
72913 (f.oben 8I, 30 y). 

Wahrſcheinlich gehört ferner hierher der neupuniſche Perſonname Yard, worin yer 
doch wohl Gottesname iſt: „König iſt Ammon“. 

b) 7>:: als Name der Gottheit in phöniciſchen Perſonennamen. In 
den übrigen Namen iſt mlk entweder Eigenname eines Gottes oder doch ein den Eigen: 
namen vertretendes Epitbeton eines Spezialgottes. Sch Stelle zur Vergleichung entipre- 
chende Namen, die den aus 7-2 gebildeten Gottesnamen MIF=2 (j. unten S II, 3a) ent: 
alten, neben die mit 7>°. 

Der am häufigsten zu belegende unter diefem Namen iſt nr>>2 „Malt hat gegeben“, co 


õ 


8 


nA Moloch 


Ya venre Kenigs von Kitton UND Izalien Corp. I. S., In. 10. 11. [14]. 16a. 
I. so Meute gepeidh maneifribiert n. an im Genet. Milxtadwvos ; 


eva Worininte N ug, Melanges, Appendice, = 10 ff.), auch von andern 
Lutz. ss Prag serfzrmn Corp. IL S, In. 59. 54. [77] und nod in einer 
rn Nesiez ons Immo ne vwiaun on .2.220n 3, 3.4), ebenjo in 
Know ers IS, Im 0. Je Ten. ler auch in der fürgern xormm mer 
») yoozı.yan Teer Se Kamc Ser nm der Form wen, in lateinifchen In⸗ 
—W co, Miiehato:s, Möeatenis und rund au in umgefehrter Stellung 





rue in or... Ann Ir Suenname our „Diener Des Malf”, Daneben 
TI. ar mus co m NMöfunumg für ==; eine andere Erklärung 
None nn eo Veen, =. . Abdi-milki in den Amarna-Briefen, 
nn er. 8, 2 ne, messe vielleicht noch gebört puniſches 
ea per mim, ma J. und S. Derenbourg geichrieben ſtatt 
en a nen. m Ben kamen St ubrigens mit 722 nach der Analogie Des 
uno IP I2T TOR tr. 2:4 mik nicht nowendig büottesname. Zu Guniten 
NR wenn ipeißhiii NIE zu veraleichen Der phontctiche Name 7222725 
Se Min. ad Me umidhen Peemuren, reesere  Wggd des Melfart”, 
Mara 77.72 "edinilear. 

0. en Nee getuit De Ramen 22m (Corp. 1. S., I n.50) „Zchütling 
N aETN.T8 boende, neupuniſch Seems, doc twohl = = eltgenofle bes 
=. Skin des letztern Namens mit „Wohnung tit Mall” (Ulmer, 
N Ba wa hwztiteiritailb SH Alten Teftament I, 1901 | Erlanger Tiiertation], S. 34) 
x Arsen Zum geitend machen. Die erſtere Deutung, die von Renan (zu 


— Sn en omg, wird nicht durch den undeutlichen edomitiſchen Namen 
an tus Hieiber gebört ferner Teen = "mn „Befig bes Malt” 


ro each Siegelein ME A. Yeop, Siegel und Gemmen, 1869, 2.2. 
she HE alt Me Wartet, Welche Die Zugebörigfeit zu der Gottheit zum Aus: 
“2 me os elrilen der puniſche Name Teen = Teen „Bruder der Malt”, ent: 
. iieitamenilichen TIITR und den keilſchriftlichen Namen eines Arwadaͤers 
oe lage dont Asdod Abi-milki (j. Zimmern S. 470; [A?-]huni-milki in 
Voten testen Rerzeichnis zu den Amarna-Tafeln iſt nach Knudtzons „Kollation 
rm Sehe mm: Beträge zur Aſſyriologie, Bd IV, Hft. 1, 1809, S. 110 zu 
uaran u Kuna er bedeutet nicht eiwa „Bruder ift Malt“, denn 08 kommt, als 
nt none dat hebraiſcher Name, in einer Siegelinſchrift das entiprechende ermN dor 
wi ud Gemmen, S. 58), Das nur bedeuten fann „Scweiter des Malt”, 
hi die TIP, lateiniſch otmile, daneben puniſch re=eern, Dem männ: 
a anal ltipanbt Hamilear, Himilcar, d. i. mern. Danach iſt auch >> in dieſer 
letlu gewißk eniegname: weniger ſicher iſt dies 12° in dem nabatätichen 
ei 1 PPR Corp. I. S. IIn. 231; vgl. unten S IL, 2d über wre). 
Uran nn Nun, De ein Fnvansiicaftsverhilini au der Sottheit ausdrücken, er 

oe nabosrell ber Perſonname 72223 in einer phöniciſchen Inſchrift von Abydos (ſ. J 
ern ande. Les inseriptions ph£niciennes du temple de Seti ä Abydos, 
5 Revue dÄsnyriologie, BD 1], 1886, 2. 87). Er bedeutet am wahrfcheinlichiten 
a ME, ie wohl auch Das altteltamentlide Bönajähl, Benajäh befagen 

tl lin ba ROUTE . 

Nato Kamin druiten nicht ein Verbältnis zu dem Gott aus, ſondern enthalten 
tea anni Stelle angeführte Namen jm°=2:3 eine Ausfage von der Gottheit. 
null Nanıy JPrT2T2 ,Malf errettet“. Auf phönicifchen Siegeln und Gemmen 
losmanı enn ' Mut iſt erhaben“, in emem ‚all altbezeugt, nah dem Fundort des 
an Kur vos DANN, Jabrhundert angebörend (ſ. Levpv, Ziegel und Gemmen 
rg Patti ninriicben Inſchriften wiederbholt Milki-rämu, jo ale Eponymen⸗ 


Yen abe bohvt, ſ. zimmern 2. 171. Nur keilſchriftlich, für einen König von 
re ETIT PUT WETTEN] Annan Milki-asapa (1. Simmern < S. 470), etwa = bebräifch 
Anataı, Meilinpbr a. d AT’, 2.1857 dal doxSczd Er 6, 24), das wohl be: 
ee Uellennnmnt anf”, oder and : DEN = De Malt vermehrt (Die Familie)“. 


on baehude Habt om ben Mamen, Die eine usjage enthalten, 72 an zweiter Stelle 
ae nal Jassptlut vorausſtehenden Nomen beziebungsiweife Apjektivum oder Verbum. 
rn be buinpipynte Adjektivum oder ob Berbum, läßt ſich nicht überall erkennen. 
u Net Dust ale Konngename vor 7272778 „berrlich ift Malt” (ſ. A. Adrammelech 


Moloch 285 


Bd I, S. 187, 8ff.) ferner in Tyrus und mehrfach in Karthago der Name Taa1r „ſtark 
ift Mall” (Altixos, |. Schröder, Phöniz. Sprache, ©. 128; Nöldele, Artikel Names 
in der Encyclopaedia Biblica III, 1902 8 29 giebt noh an nmn>217, das ich nicht 
nachweifen fann). Etwas anderer Art ift die Bildung des Namens TER, für einen 
König von Byblos (Corp. I. S., I.n. 1, 3. 1), falls fo zu lefen tft; er würde be 5 
deuten „euer iſt Malk“ (vgl. hebr. IR und TIME, WER), schwerlich, weil gegen 
die Analogie: „Feuer des Malt" Man hat freilich aud ergänzt TaTR oder TonaR; 
aber Eeilfchriftlich fommt Uru-milki als Name eines Königs von Byblos vor (f. Zim— 
mern ©. 470) und in den Amarna-Briefen Milk-uru, wie es ſcheint, ebenfalls als 
in Byblos geführter Name (zu den Stellen in Windler® Ausgabe noch Milkur 53, 10 
43 nach Knudtzons KRollation a. a. O., S. 113). Hierher würde auch gehören der 
jüdifche Name 7573 (f. oben 8 I, 2), wenn er wirklich fo zu leſen iſt, = „Schidfal ift 
(verleiht) Malt”. — In andern Namen ift dem milk ein als ſolches nicht zu verkennen⸗ 
des Verbum vorangeftellt, jo in dem Königsnamen von Byblos 1 (Corp. I. S., I 
n. 1), vielleicht mit der Bedeutung „Mall ſchenkt Leben”, vielleicht aber „Malt verfün- ı6 
det” (dur ein Orakel), vgl. Amarjah „Jahwe redet” (jo Nöldefe, A. Names a. a. O. 
$ 33), und in dem puntfchen Perfonnamen T2>77 „Malt weiß”. Möglicherweife gehört 
noch bierber neupunifches 72:27 ftatt 22271 „gnädig ift Mal”, wenn nicht etwa Tom 
— mens zu leſen iſt (Lidzbarski s. v. Ta2:7). 

In der ganzen zweiten Neihe von Eigennamen iſt mlk zu verjtehen als Gottes: 20 
name oder wohl eher als für den eigentlichen Gottesnamen gejeßtes Epitheton. Daß 
mik der eigentliche Name eines Spezialgotted war, ergiebt fi aus diefen Namen mit 
Deutlichleit ebenfomwenig als für baal aus Eigennamen wie Hannibal u. ſ. w. Biel: 
mebr ift wahrfcheinlich, daß malk ebenſo mie 'adon und bafal an verfchiedenen Orten 
jeweild dem höchſten Gott beigelegtes Epitheton mar, ſodaß dann nur der Malk des a 
und des Ortes eine Beſonderheit darftellte.e Auch einen Spezialgott des Namens Adon 
oder Adoni hat es bei den Phöniciern nicht gegeben. Obgleich die Griechen die fehr be- 
ſtimmt individualifierte Geftalt des Adonis von den Pböniciern entlehnten, bemeift das 
doch nichts für den Namen, fondern zeigt nur, daß das Epitheton Adoni von den Griechen 
Fi wurde als der Eigenname des Adon von Gebal, dem ihr Adonis zumeiſt ent= 30 
pricht. 

In die zweite Eigennamen-Reibe mit mik an Stelle eines eigentlichen Gottesnamens 
gebört vielleicht auch der Name ’Abimelek, der nicht nur im AT als hebräifcher und 
pbiltftätfcher vorfommt fondern auch keilſchriftlich, geſchrieben Abi-milki, als Name in 
Tyrus (Amarna:Briefe) und Arados (bei Afurbanipal, |. Zimmern ©. 470; vgl. den 35 
Ramen des aflyrifchen Eponyms für das Jahr 887 v.Chr. Abu-malik in dem aflprifchen 
Regentenlanon, Schrader, Keilinjchr. u. d. AT’, ©. 470), mag man ihn nun verjtehen: 
„Bater ift Malk“ oder „Vater des Malk“. Nah Analogie des Syrauennamens TrannR 
„Schweſter des Malk“ wäre die Auffaflung „Vater des Malk“ die richtige (jo Nöldele, 
3dm® XLII, 1888, ©. 480) aber da fübarabifh Te[e]2R als Frauenname vorkommt a 
(Corp. I. S., IV n. 85), fo ift doch mohl die Bedeutung entweder „Vater (mein Vater) 
ft Malt” (fo jetzt Nöldeke, A. Names 8 14: „mein Vater iſt Melek“) oder auch nad) 
einer dritten Möglichkeit iſt "28 „mein Vater” als Bezeichnung eines beftimmten Gottes 
aufzufaflen (jo Olshauſen, Hebräifche Sprache, 1861, S.615; Windler und Zimmern, Keil: 
inſchr. u. d. AT?, ©. 480, Anmtg. 2; nach Hummel, Auffäge und Abhandlungen II, # 
10, S. 160, Der Geftirndienft der alten Araber, 1901, ©. 13. und Ulmer, Eigen: 
namen, 5.2 fpeziell Bezeichnung des Mondgottes Sin), ſodaß dann >= Prädikat märe: 
„mein Vater ift König“. So wird "a& in dem hebräifchen Namen AFRIN und noch in 
andern (feinenfalls aber in "I8) zu verfteben fein (ſ. auch Nöldefe, A. Names a. a. O.); 

in der Zufammenitellung mit dem jo oft als Gottesname vorfommenden mik liegt so 
es näber, diefes in ’Abimelek als Gottesnamen und alfo als das Subjekt der Ausfage 
aufzufaflen nach Analogie des bebräifchen ’Äbijjäh. Diefer Name fpricht zugleich dafür, 
daß melek in’Abimelek nicht etwa Name oder Titel eines Menfchen if. — In dem 

en eines jüdpaläftinischen Häuptlings der Amarna-Briefe Milk-ili und dafür einmal 
Ii-milki (auch nody ein anderer Ili-milku, f. Zimmern &. 470) ift es namentlicd) bei 56 
dem Wechſel der Stellung zweifelhaft, ob milk Prädikat oder Subjekt ift, alfo ob eigent: 
liches oder aber für den Gottesnamen eintretendes Epitheton: „EL iſt König” oder „Milk 
ft Gott“. Ebenfo liegt e8 mit dem palmyreniſchen Ss= (j. oben $ I, 3e y). 

c) Bhönicifche Berfonennamen mit 72, deren Leſung oder Bedeutung 


286 Moloch 


Abkürzung fein für TzaR8 oder Tr72r, 75272, wenn > bier nicht, wie vielleicht auch 
== (j. oben 8 II, 2b), Bräpofition ift: „mit Malk.“ Wielleicht liegt diefer Name auch 
vor in einer Inſchrift aus Abydos (3. und H. Derenbourg a. a. O., S. 95). Möglicher: 
weile iſt der Gotteönane oder das Epitbeton mik ferner zu erfennen in dem nicht 
10 vollftändig erhaltenen Perſonnamen einer neupunifchen Inſchrift von Ain-Jufjef [Tops 
(ſ. J. Derenbourg in der Revue arch&ologique, Nouv. Ser., BP XXXI, 1876, ©. 175f.); 
ob Name oder Epitbeton, bleibt unficher bei der zweifelhaften Bedeutung von SR, das, 
nach dem punifchen Berfonnamen SRT2> zu urteilen, Gottesname fein fünnte, aber nad 
F puniſchen Frauennamen >r2no-R auch Appellativum fein kann: „Verlobter des 
15 a “ 


d) Die nabatäiſchen, palmyreniſchen und phönicifhen Perfonennamen 
1>2>::, Malıyos, MaAyos, N2">, (2=2>'2). Urſprünglich eine Gottesbezeihnung ift viel: 
leicht zum Keil der nabatätfche und palmprenifche Eigenname 1252, der vielfach vor: 
fommt, beſonders als Name mehrerer nabatäifcher Könige (ſ. die AInfchriften-Belege bei 

20 Soof, Glossary, dazu noch Corp. I.S., II n.158, ferner Palm. 33. 35 bei de Vogüé, 
Syrie Centrale, Inseriptions Se&mitiques, Paris 1868—1877, eine palmyrenifche 
Inſchrift vom S.116 n.Chr. bei De Vogüe, Journ. Asiatique, VIII.S6rie, BdI, 1883, 
S. 244 und eine palmyreniſche Infchrift von Nazala bei Glermont:Ganneau, Etudes 
d’arch6ologie orientale II, in ber Bibliothöque de l’Ecole des Hautes-Etudes, 

a; fasc. 113, Maris 1897, S. 99; der Königename 712°: auch auf Münzen, f. de Vogüs, 
Melanges, Appendice, S. 22. 27. 34). Dieſer Name kann neben andere menjdhlice 
Eigennamen zu jtellen jein, die aus einem Gottesnamen ohne Zuſatz beftehen (f. darüber 
U. Hadad Bd VII, S. 284,25 ff, wozu nod zu vergleihen Georg Hoffmann im Anhang 
zu 9. Meyerſahms Kieler Difjertation: Deorum nomina hominibus imposita, fiel 

31891, S.33--37 und die Analogien römischer und griechischer Perfonennanten bei Meter: 
ſahm). Handelt e8 fih bei dem Namen 12°°2 überhaupt um eine Gottesbezeichnung, fo 
müßte fie aber nicht notwendig als eigentlicher Gottesname, fondern könnte auch als 
bloßes Epitbeton verftanden werden; denn in hypokoriſtiſchen Namen, die aus einer Aus: 
ſage von der Gottheit entitanden find, iſt bald der Gottesname für ſich allein, bald die 

35 Ausfage mir Weglaſſung des Gottesnamens jtehen geblieben (Fälle der letztern Art der 
Verkürzung |. bei Nöldefe, U. Names 8 49f. 53). Auch der Name Mdaiyos Jo 18, 10 
(und ſonſt, jo im einer Inſchrift aus Geraſa als Name eines Gerajeners, |. H. Zu: 
cas, Griechiſche AInfchriften aus Geraſa, Mt und Nachrichten des deutfchen Palaeftina- 
Vereins 1901, S. 37; dazu noch die palmbrenichen Namen xc'3>72 = Malchus, r=>r 

0 — Maiyiwv, auch *>°:, bei Cook und Xidzbarefi s. vv.) Tann bierber gehören; ein 
jüdischer Name, in welchem >: Epitheton Jahwes geweſen wäre, würde ſchwerlich fo 
abgefürzt worden fein. 

Aber => und MaAyos iſt nicht notwendig überhaupt Gottesname, ift es jeden: 
falls nicht überall. Der nabatäiſche Königsname wurde ausgeiprocden mäliku, iſt alfo 

45 der arabiiche Name Se, wofür Nöldefe (bei Euting, Nabatätfche Inſchriften aus 
Arabien, 1885, S. 63) bingewviefen bat auf den Periplus Maris Erythraei $ 19 
(Geographi minores ed. Müller I, S. 272: eis II&roav nods Maliyav, Buodéo 
Naßaraiwr). Die Form MaAıyos kommt öfters vor, und zwar nicht nur bei Joſephus 
von den nabatätjchen Königen, wo die Überlieferung (nach Niefe) daneben Mdixos bietet 

zo (wabrjcheinlih unter dem Einfluß des neuteftamentlichen ‚Maixos), jondern auch von 
andern Berjonen, fo in der Bilinguis Palm.35 bei de Rogüe, mehrmals ald Name eines 
Juden bei Joſephus (Antiq. XIV, 5, 2 u. |. w.), auch als idumäiſcher Name Corp. 
Inscript. Graec. 5119. In dem nabatätfchen Berfonnamen semar (Corp. I. S. 
II n. 161. 195. 230) it 23 nach der Analogie zweier anderer, mit 727 und einem 

65 Königsnamen zufammengejegter nabatäifcher Perſonennamen ſchwerlich Gottesname fons 
dern der Name eines Königs Mäliku (jo Nöldele bei Euting, Nabat. Inſchr. ©. 32f.; 
vgl. jedoch Wellhauſen, Reſte arab. Heidentums?, S. 4). Auch MdAyos Tann einem 


.c- 
ale Eigenname nicht mebr vorfommendeh (sCLg entiprechen (Nöldeke a. a. D., ©. 63) 


Moloch 287 


und wird dann ebenſo wie Mäliku ſchwerlich auf einen Gottesnamen zurückzuführen fein, 
da wir einen arabifchen Gott Malf oder Malit nicht Tennen. Eben deshalb ift in dem 
Berfonnamen 15:8 (doc) wohl fo zu verbinden) einer Injchrift aus Higra (Corp. 
1.S., II n. 231) fchwerlid ein Gottesname ">> zu erfennen, obgleich der entiprechende 
Name Adhimelek, 7er, Ahbi-milki im AT (j. unten S III, 1) und bei den Phöniciern 6 
(f. oben 8 II, 2b) vermutlich den Gottesnamen enthält. Einem Menjchen fonnte mit 
Bezug auf die an ihm beobachteten oder von ihm erhofften perfönlichen Eigenfchaften der 
Name „König“ oder „Herr“ beigelegt werden (vgl. Nöldefe, A. Names a. a. O. $ 57 


und oben S I, 3d über SW Aue). Bei der in nabatäifchen Inſchriften vorkom⸗ 
menden jefundären Namensform n>N>2 (Malsıyados, bei Lidzbarski s. v.) ald Mannes: ı0 
und auch als Frauenname iſt jedenfalls nicht an einen Gottesnamen zu denten. 

Aber der Name Malyos — >72 fommt auch von Phöniciern vor und ſcheint auf’ 
pböniciichem Boden nad jenem öftern Gebrauch einheimilch zu fein. MdAyos war der 
eigentliche Name des Philoſophen Porphyrius aus Tyrus und Mayos, entitanden aus 
Maäiyos, der Name eines ſidoniſchen Schriftitellers, auch eines puniſchen Märtyrers. 15 
Müuyos tommt vor ald Name eines Phönicierd und Milicus als der eines afrikaniſchen 
Bischofs (ſ. Schröder, Phöniz. Sprache, S. 104. 128; der Perjonname Milcho ebend. 
©. 128 iſt wohl Abkürzung eines fomponierten Namens). Ein phönieciſcher menjchlicher 
Eigenname Malt könnte fehr wohl von Haus aus der Gottesname fein. Inſchriftlich 
it ein phöntcifcher Perfonname 757 noch nicht mit Sicherheit nachgemwiefen. Allerdings 20 
ift er zu lejen in einer farthagifchen Inſchrift (Euting, Sammlung der farthagifchen In— 
fchriften, I, 1883, n. 139); möglicherweife fehlen aber Buchjtaben am Anfang und ift 
etwa zu ergänzen 7217 (Bloch, Phoeniciſches Gloffar, 1890, 8. v.). 

o der Name 2>52 auf einem aramätfchen Siegel von unbeitimmbarer Herkunft 
(Corp. I. S., IIn. 94; vgl. M. A. Levy, Phöniziſche Studien IL, 1857, ©. 31 f.) 26 
einer Bedeutung nach unterzubringen iſt, läßt ſich ſchwer jagen. Der Berfonname Malkam 
ommt 1 Chr 8, 9 in einem benjaminitifchen Gejchlechtsregiiter vor und mird dort mit 
Aufenthalt in Moab in Verbindung gebracht. Einheimiſch hebräiſch ift er danach nicht 
fiher. Für das Sabäiſche finde ich die Namen D>>= und E>5r angegeben, kann fie 
aber meinerjeit3 nicht nachweiſen. Jedenfalls tft die Endung äm in dem alttejtamentlichen so 
Namen die in Eigennamen häufige Zitdungeſitbe. Ob dieſem 2572 der Gottesname zu 
Grunde liegt oder nicht, läßt jich nicht entfcheiven, obenfomwenig bei dem hebräiſchen Eigen- 
namen 727 in ber Chronik (ſ. unten $ III, 1). 


3. Die Borftellung von Malf und Melkart. a) Meltart:Herafles und 
der pbönicifche „Kronos”. Der, wie es fcheint, zunächſt als Epitheton gebrauchte 35 
Gottesname malk ijt zu Tyrus mit einem Zuſatz verjehen worden, der zunächſt nur auf 
den Ort der Verehrung hinweist. Mit diefem Zufag verbunden iſt malk Eigenname eines 
von Tyrus aus meithin verbreiteten Gottes geworden. Der Spezialgott von Tyrus wird 
nämlich infchriftlih Ap>i2, bei den Griechen MeAxdodos genannt, ſ. A. Baal Bd II, 
©.331,»ff.; vgl. noch die infchriftlichen Belege für den Gottesnamen bei Lidzbarski s. v. 40 
und dazu ferner n=pDr2 oder wohl eher mars, als Perſonname in einer 1894 zu Zar: 
nala auf Eypern gefundenen Inſchrift, |. ©. U. Coofe in The Academy, Bd XLIX, 
1896, ©. 59 und G. 3. Gray, ebend. S. 100. Vielleicht gehört hierher auch der keil— 
fhriftliche Name für einen König von Sidon Abdimilkutti, iva8 eher = maps 
ald = n257727 zu fein ſcheint (Zimmern S. 472). Der Name mp ift ohne Zweifel a 

en aus np Ta „König der Stadt”. Er macht deutlich, in welchem Sinne die 
Gottheit bei den Phöniciern als „König“ bezeichnet wurde. Man nannte fie fo als den 

teter des zum Staat organijierten Stammes, 

In Tyrus und in der tyrifchen Kolonie Karthbago fommt daneben in Eigennamen 
das einfache malk oder milk als Gottesname vor. Wir haben in den Amarna:Briefen co 
den Namen eined Tyriers Abi-milki, freilich aber in dem turifchen Namen Tr 
dad Wort mik, wie es Scheint, als bloßes Prädikat eines anders benannten Gottes. In 
zahlreichen A Sigennamen wird 572 wie ein Gottesname gebraucht. Überhaupt 
erſcheint in den phönicifchen Eigennamen >72 vorzugsmweife in dem Wert eines Gottes- 
namens angewandt, nur vereinzelt und dazu noch in mehreren Fällen unficher als ein 55 
bloßes Gottheitsepitheton (j. oben $ II, 2 a und b). Milichus ift bei Silius Stalicus 
III, 104 der Name eines phönictichen Gottes in Spanien (über den Zeus Meilichios 
des Philo Byblius, der nad) der Vofalifation des Namens kaum hierher gehört, ſ. Bau- 
biffin, Studien II, 1878, ©. 174). Ob mir, wo in Tyrus und Karthago em Gott 


N eat ne. do ne hy Solo :z Summe Daben, ılt zweifelhaft. Es 
a ne Te N. np wirm Far Waage rom mehrer anderer Gott trug, 
one Nr mar To zei unurı. ebenfalls müſſen 
\ Non na. su m ren Beiazeaung 777 iben frühzeitig wie 
an 2 gept hervor aus Der Tieergott Melifertes 
nz Nm aler Zeit durch Ne:imten von Tyrus 
0.0.0. pamfn, Studien II, 2.171.21>. wenn aud vie: 
N . 0.0.00, 57 Kam entnommen wurde; Denn er VWintbos des 
. rn zrägeres: S. Reinach, Les Cabires et Melicerte, 

No oe. sed... Serie, Bod XXXII, 1808, S. Sn--H1). 
por roh von den Phöniciern entlehnt hasın, fünnte er 
.* „= Trrus, Da Die Bejonderbeit des „Molct" :Rultus jeden: 
2: Zaaemein Die Verehrung irgendeine: pbentricben oder 
. ra wie mit Dem Baalfultus. Auch wird im AT molek 
\ „era Wogenname gebraucht. Die Judäer baren den Gott 
2: en zu denfen ſein jollte, nicht Melfart iondern einfach 
vw Ne nicht in ſeiner Beziebung zu der „Stadt“, d. b. zu 


. J >. Richtigkeit dieſer Kombination vorausgeſetzt, wäre der 
ms wer rine Wiederaufnahme des ſchon unter Abab in Ephraim 
“se dere Nabe Baal war obne Zweifel der Schußgott von Tyrus, 
20. ammte (ihr Vater Etbaal war Prieiterfönig ven Tyrus 


ser Contr.Ap. I, 18; „Sidonter” 1916,31 tt allgemeiner 
Sec atkultus kam von Ephraim aus auch nad Juda (j. N. Baal 
sonen in dem ſpätern judäiſchen Meleffultus feit Abas wären 
oe sterprt, oder auch unſere altteftamentlichen Tuellen fönnten über 
“  ramgeberrichaft von Menſchenopfern desbalb ſchweigen, weil ſolche 

. dr gerade don Königen zu berichten waren. 
onen DO „Molek“ gerade mit dem Melkart von Tyrus it Doc 
et einen andern Gott, konnte das Epitbeton milk wie fein Eigen: 
lermont-Ganneau (Etudes d’arch6ologie orientale I, in der 
one des Hautes Etudes, fasc. 14, 1888, Z. 10) fieht milk an 
on Ip Gottes don Byblos, da die beiden Namen Tr und TR, 
netten in Byblos vorfommen (ſ. oben S II, 2b) und als nmtbi- 
ray genannt wird Waixardoos, der Gemahl der Aſtarte (Plutarch, 
. 1» Dazu iſt noch hinzuzufügen der keilſchriftliche Name Milki- 
ng don Byblos ud ebenfalls als Königsname von Byblos TR 
J tl, 2b)y. Danach mag in der That Der Hauptgott von Bprblos, 
partie Kronos oder ZAos, den er als Gründer von Byblos bezeichnet 
. “Yrasın. historic. Graec. III, Z. 568), ſpeziell das Epitbeton milk 
wer Darauf könnte ferner verweilen Die Angabe über den El-Kronos 
er IS Xwpas (aa. C. n. und 5 2. 570f.). Auch der weit— 
one lli-milki, Milk-ili, 282°, Elimelech, Malkiel (ſ. oben $ II, 2b 
0 19 kommt bier in Betracht, obgleich er ſich nicht in Byblos nad 


ya nach Serodot (II, 14) zwei Tempel des Serafles, nach Joſephus 

th Leupel Des Herakles und einen andern des Zeus, Herakles iſt bier Be: 
.. ettart: Melit. I (Corp. I. S., In. 122), eine bilingue Inſchrift, ſetzt 
2, ts Dentiicb mit „Meltart, Baal von Tyrus“; Philo Byblius: Med- 
ra UHoaxziizs. Von Menjchenopfern im Dienjte des Melkart iſt nicht 
as aber vielfach bei Griecden und Roͤmern von pböniciichen Menſchen-, 
WVWrieeekephein Für den Mronos oder Saturn Die Rede. Dagegen berichtet Pli— 

Sao tus NNAVL 5 [5,12 von Menſchenopfern des Hercules bei den Buniern, 
NS demeint ſein wird. Sonſt nennen Die Abendländer den durch Rinderopfer 
ee tab ſpeziell bei Den Karthagern ſtändig Kronos. Ta Nartbago eine 

rruv War, jo Bitte es ohne Frage Den Hauptgott mit dieſer Stadt gemein. 

“av ale hier etwa eine Bezeichnung des Melkart fen. Aber Diodorus 

\\ tr erwahnt neben Dem Kronos einen Herakles, alle wie es ſcheint Miclkart, 

Ye and Philo Boblins unterſcheidet in den angeführten Stellen den pbönt- 
BReernere veſtimmt don Dem Melkart Derafles und gibt jenem den phöniciſchen Na- 
Nuhl nur bet ihm jondern auch auf Münzen von Byblos, die das Bild des 


Moloch 289 


Kronos zeigen (Imhoof-Blumer, Monnaies Grecques, Paris 1883, ©. 442—444), er: 
jbeint „Kronos“ als der Gott von Byblos. Allerdings alle diefe Gleichjegungen find 
mebr oder meniger mwillfürlicher Art. Diodor mag mit feinem Herafles den von Andern 
Kronos genannten Gott und mit feinem Kronos einen von diefem verfchiedenen gemeint 
haben, und Philo fonnte den Gott EL dem Kronos entfprechend finden, Andere einen 6 
andern. Die Verehrung durch Kinderopfer mochte in verſchiedenen phönicifchen Kulten 
vorfommen und fo zur Gleichfegung verſchiedener Götter mit dem feine Kinder ver: 
ichlingenden Kronos Anlaß geben. 

Es iſt aber doch zu beachten, daß Philo Byblius den El oder Kronos, der nadı 
dem oben Bemerkten, wie es jcheint, fpeziell das Epitheton milk führte, in eine ganz 10 
bejtimmte Beziehung zu den Kinderopfern bringt, indem er von ihm berichtet, daß er 
feinen eigenen Sohn geopfert (der Tert iſt forrupt) babe (fr. 2, 24 ©. 569; vgl. n. 4 
und 5 ©. 570f.), und an anderer Stelle von ihm angibt, daß er einen Sohn und eine 
Tochter eigenhändig tötete, fodaß die andern Götter darüber erftaunt waren (fr. 2, 18 
S. 568). Danach mag die ftehende Bezeichnung des farthagifchen Gottes, welchem die ı5 
Kinderopfer dargebracht wurden, als Kronos und nicht als Herafles doc) begründet und 
anzunehmen fein, daß dem Dienite des tyrifch-Tarthagischen Melkart-Herakles die Kinder: 
Opter nicht peziell angehörten, daß neben ihm aber in Karthago ein anderer Gott verehrt 
wurde, der dem El-Kronos von Byblos entiprach und vorzugsmeife der Gott der Kinder: 
opfer war. Dann erklärt ſich auch, daß ſich auf israelitiihem Boden in dem Kultus des 20 
Baal von Tyrus feit der Zeit Ahabs Kinderopfer nicht nachweiſen laſſen. Sie jcheinen 
erit aufgefommen zu fein mit der Einführung eines andern phöniciſchen Kultus feit Ahas 
oder Manaſſe, nämlich des Kultus des Gottes El-Kronos, den man als Melek bezeichnete. 
Es ift ferner nicht zu verjtehen, weshalb der Melfart von Tyrus bei den JIsraeliten zuerft 
(jeit Abab) nur allgemein als „der Baal” (f. A. Baal Bd II, S. 336,4 ff.) und erſt 25 
von dem Aufkommen der Kinderopfer an als „der Melek“ follte bezeichnet worden fein. 
Auch diefer Wechſel der Benennung jpricht für die Annahme zweier verjchtedener Gott- 
beiten 


Die Judäer müßten den Melek, wenn er mwirklih dem El von Byblos entfipricht, 
nicht gerade direft aus dieſer Stadt entlehnt haben, wofür fich gefchichtlich eine Veran: 30 
laſſung nicht erfehen läßt; der Spezialgott von Byblos kann auch in andern phönicifchen 
Städten Aufnahme gefunden oder ein Pendant gehabt haben, vielleiht auch zu Tyrus, 
wo ihm etwa der „Zeus“ von Tyrus bei Joſephus entſpricht. Daraus würde fih am 
einfachjten die Angabe Diodors erklären, daß zu Kartbago neben dem Herafles, d. i. dem 
Mellart von Tyrus, auch ein Kronos verehrt worden fei. 35 

Der Kultus von Boblos und der von Tyrus weiſen auch ſonſt Analogien 
af. Tem Melkart feierte man ein Feſt der Auferftehung, und ein Gott von Byblos 
war der befannte Adonis der Griechen, deſſen Erjterben und Wiederaufleben in feinem 
Kultus dargeftellt wurde. Diefer Gott ift nicht identisch mit dem El-Kronos von By— 
blos bei Philo; denn der dem Adonis unverlennbar entiprechende Gott beißt bei ibm 40 
"Yınoros oder ’Edıoödv (ſ. Baudiſſin, Studien I, ©. 36.299). Es fcheint mir alfo deutlich 
zu fein, daß zu Byblos, zu Tyrus und Kartbago ein der Würde nad älterer und ein 
jüngerer Gott neben einander verehrt wurden. Der ältere wird von Philo für Byblos, 
von Andern für Kartbago als Kronos, von Jojepbus für Tyrus ale Zeug bezeichnet; 
va Äingere ift in Byblos der Adonis der Griechen, zu Tyrus und Karthago Melfart: 45 


es. 

Die Kinderopfer fcheinen fpeziell dem Dienfte des ältern Gottes, des Kronos, cha: 
ralteriſtiſch geweſen zu fein. Wielleicht kamen fie gelegentlihb auh im Melkartdienſt vor, 
worauf die Ausjage des Plinius über den punifchen Hercules zu verweilen jcheint. 

baupt wird der tyrifche Melfart von Haus aus in feiner Vorftellung nicht wejentlich so 
verſchieden geweſen fein von dem „ältern”“ Gott, dem „Kronos”, wenn dieſer cbenfo wie 
jener das Prädikat mik führte. 

Möglich ift e8 immerhin, daß die Rinderopfer fpeziell in den Kulten derjenigen Götter 
vorfamen, welchen dies Prädikat beigelegt wurde. Es ijt zu beachten, daß die Judäer 
den Gott, welchem fie Kinder opferten, Melek nannten, daß der mythiſche Urheber des 55 
Kinderopfers, El-Kronos, das Epitheton mlk geführt zu haben jcheint, daß auch die Götter 
bon Sepbarwajim, in deren Dienft nah 2Rg 17, 31 Kinder verbrannt wurden, Adram- 
meleh und Anammelech, das Prädikat melek trugen. Ta in den pbünteifchen Inſchriften 
bis jeßt eine zmeifellofe Ausſage über Kinder: oder Menjchenopfer nicht gefunden worden 
ft (j. Corp. I. S., I, 1 ©. 248), find wir nicht in der Lage, die Namen der Gott= 60 

Neal⸗Encytlopãdie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 19 


290 Moloch 


heiten, denen ſolche Opfer galten, mit Sicherheit zu beſtimmen. In einer neupuniſchen 
Inſchrift (Numidica VIII bei Gefenius, Seripturae linguaeque Phoeniciae monu- 
menta, 1837, S. 452 ff.) berubt die Auffaſſung von einem Sohnesopfer für den Baal- 
ram auf der unſichern Xefung und der ſehr unmwabrjcheinlichen Erflärung des Wortes 
6°C mit immolavit bei Gefenius. Aus demjelben Worte konſtruierte Geſenius in zwei 
andern neupuniſchen Inſchriften (Numid. VI und VII, a. a. O., S. 4M5 ff.) die Ermäh- 
nung eined Sohnesopfers. 
Ohne dafür in den Inſchriften einen Anhalt aufweiſen zu können, glaube ib in— 
deſſen doch, in dem „Sronos“ von Bublos, der, wie es feheint, das Präbitat 7 rn führte 

10 und mythiſch mit den Kinderopfern in Verbindung gebracht wird, jetzt die noch von 
Moore in ſeiner trefflichen Darſtellung über den „Molech“ vermißte Kombination eines 
Gottes Melek mit Kinderopfern gefunden zu haben. Dagegen fehlt auch mir der Nad- 
weis des Weges, auf welchem diefer Melek-Kronos und feine Opferfitte zu den Judäern 
gekommen mären. 

15 b) Charakter und Naturgrund der Malk-Gottheiten. Sofern der „Mole“ 
der Judäer jedenfalls dem Namen nach fich mit dem Melkart von Tyrus berührt und 
diefer in feinen Anfängen faum wefentlich verfchieden gedacht wurde von andern phöni- 
cifchen Gottheiten, twelden man das Prädifat mik beilegte, dürfen wir noch immer, trog 
der Ablehnung eines direkten Zufammenbangs zwiſchen dem altteftamentlichen „Molet” 

2» und dem tyrifchen Melkart, zunächft nach der Natur des Melkart fragen, un die des 
alttejtamentlichen Melek zu verfteben. ‚jener ift die einzige greifbare Gottesgeſtalt, die 
wir mit den Namen mik belegt finden. 

Die nah Movers’ Vorgang früber beliebte Unterfcheitung bes Malt, als eines dur 
Menſchenopfer zu verfübnenden verderbliden Gottes, von Baal als dem mohltbätigen (jo 

2 auch Jahve et M., S. 31ff.) läßt fich nicht rechtfertigen, da ba’al und malk von Haus 
aus gar nicht göttliche Eigennamen waren. Co it Demnad eine unbegründete Annahme 
(Movers, Tunder, jo auch Jahve et M., 39), daß der tyriſche Gott die Doppel: 
bezeichnung melkart und ba’al deshalb trage, weil in ihm die Natur des Baal und 
des Malf zufammengefaßt jei, indem man ibn als eine das Verberbliche überwindende 

30 Gottheit zu denken babe. Die phöniciſche Religion weiſt überhaupt nirgends in ihren 
Göttergeſtalten (auch nicht in den weiblichen, f. A. Altarte Bo IL, S. 161,2ff.) den Dua⸗ 
lismus des Wohlthätigen und Verderblichen, noch weniger den des Guten und Böfen 
auf, fondern lediglich den gefchlechtlichen Tualismus. Ein und dieſelbe männliche oder 
auch weibliche Gottheit wird in einem Fall als Heil bringend, in dem andern als Ber: 

35 derben bringend gedacht, iſt gnädig und furchtbar „zugleich. Das gilt von dem tyriſchen 
Melkart ebenſo mie von den andern Göttern. Die Unterfbeidung der Göttergeftalten 
bei den Vhöniciern beruht überhaupt nicht oder doch nicht überall auf einer urjprüng- 
lichen Verſchiedenheit der ihnen zugefchriebenen Wirkſamkeit ſondern zunächſt großenteils, 
ſo ſcheint es, auf der lokal verſchiedenen Verehrung eines gemeinſamen Stammgottes. 

40 Tiefe führte durch den Austauſch der einzelnen Städte zur Verehrung der lokalen Be: 
jonderheiten des Stammgottes neben einander, jodaß fie nun wie verſchiedene Götter 
erschienen. Es mochte Dann etwa in dem einen Gott Die verderbende, in dem andern 
Die wohlthätige Macht als überwiegend gedacht werden, fo letztere in dem Gott der 
Frühlingsvegetation zu Byblos, dem Adonis der Griechen, und in dem Heilgott Es— 

16 mun-Asklepios, erſtere, wie cs ſcheint, in dem von den Abendländern als Kronos⸗Saturn 
bezeichneten Gott oder in den verjchiedenen unter dieſem Namen zujammengefaßten Götter: 
gejtalten 

In Melkart bat die wohltbätige Natur nicht gefehlt. Infchriftlih kommen die pu- 
nijchen Eigennamen vor: n7=:227 (Hamilecar), unneean, Unnep% „Melkart iſt gnäbig”, 
ia Kenn? en „ Melkart errettet“, ler >= „Melfart erbört“ ; auch nm „Shüß: 


barati: au “=> noch eine Srabinicrift, f. Telattre, L’&pitaphe d’un Rab, in den 
Comptes rendus der Academie des Inscriptions et Belles-Lettres vom J. 11, 
S. 168). Ter allerdings vielfad unzuverläffige Nonnus preift den eralie Aitroiten 
5 von Tyrus als den Spender der Xruchtbarfeit (Dionys. XL, 369 Überhaupt be: 
zeichnet das Epitheton milk audı wobltbätige Götter, tie mehrere —8 den oben (SII, 
2b) aufgezäblten. Eigennamen zeigen: mom „Matt bat gegeben“, Te „Schüt- 
ling des Mal“, ferner yarnzız „ Malt errettet“, "Milki- -aSapa „Malt nimmt auf“ oder 
„Malt vermehrt“, auch 77257, wenn es bedeutet „gnädig iſt Malk“, ganz befonders aber 
[FD der bybliſche oͤnigsname 227, wenn er bedeutet „Malk ſchenkt Leben”. 


Moloch 291 


Melkart war anſcheinend ein Sonnengott oder wurde doch in beſtimmten Lokalkulten 
mit der Sonne kombiniert (ſ. A. Baal Bd II, ©. 332,8 ff). Danach kann es nahe 
liegend erjcheinen, auch für den „Molek“ an einen Sonnengott zu denfen. So Deyling, 
Münter, Tunder, J. G. Müller, de Vogüé, Kuenen, während Andere ihn für den 
Gott des Planeten Saturn, jo Gefenius, oder für einen Feuergott, fo Moverd, 6 
Pland, balten (j. Jahve et M., S. 41 Anmkg. 1). Als Feuergott will den „Molek“ 
auch Schrader verjteben, inden er ihn beftimmt von Baal unterjcheidet ald den aus 
Aſſyrien nach Kanaan gelommenen Gott des Planeten Saturn, „Adar-Malik“ (ſ. THEIR 
1070 S.328 ff., Jenaer Litteraturzeitung 1874, S. 482 f.; vgl. Tiele, Religionsgefchichte!, 
S. 98). 10 

Daß Mellart-Herakles, wenn nicht ausfchließlich, jo doch auch als Sonnengott ge: 
dacht wurde, gebt wohl hervor aus dem un feiner Auferjtehung, morunter fi) auf dem 
Gebiet der Naturreligion nur das Neuerſtehen der Sonne nad dem tinterlichen Todes: 
fchlaf oder beiler da3 dur den Sonnenlauf bedingte Wiederaufleben der irdiſchen Natur 
veriteben läßt (ſ. W. Baal, S. 332, ff). Der Hauptgott von Karthago, alfo doch wohl 15 
Meltart, führt infchriftlich die Bezeichnung ba’al bamman, die vielleiht „Sonnenbaal” 
bebeutet (ſ. A. Baal, S. 330, ff.), und wird mit einem Strahlenfranz abgebildet. Nonnus 
(Dionys. XL, 370 ff.) bezeichnet den Herakles von Tyrus als Helios. Der palmyrenifche 
Malachbel war deutlih ein Sonnengott, wobei jedoch die Sonnenbedeutung gewiß an 
dem Namen >23, nicht an 75 haftet, da der palmprenifche Bel, das Abbild des babylo- 20 
nifchen Marduk, auch für fich allein ein Sonnengott geweſen zu fein fcheint (ſ. A. Baal, 
©. 339,10 ff). Für folare Bedeutung des als malk oder melek bezeichneten Gottes 
würde der Varallelismus mit der Meleket ha-ſchamajim fprechen, wenn diefe ald Mond— 
Bei angejeben werden dürfte, mas indeſſen zweifelhaft iſt (j. A. AltarteBd IL, S. 156, 260ff.). 

al ſpeciell als die verfengende Kraft der Sonne zu beitimmen und in Mellart eine 25 
Zufammenfafjung diejer Seite und der lebenfchaffenden Kraft der Sonne zu erkennen 
(Dunder, ebenjo Jahve etM.), find mir nach dem oben über Bedeutung und Verhältnis 
der Gottesnamen ba’al und malk Bemerften nicht berechtigt. 

Melkarts Naturgrund fcheint indefjen nicht nur die Sonne geweſen zu fein. Es ift 
infchriftlih von einem Melkart-Rezeph (E”) die Nede, mo '7 die im Gewitter herniever- 30 
fallende Glutfohle bezeichnen könnte (Jahve et M., S.43). Doc iſt mahrjcheinlich zu 
en felbititändiger und von Melkart verjchiedener Gewittergott, der mit diefem trotzdem 
lofal verihmolzen wurde (ogl. den Gott 10, reseph oder rassäph „Blit, Blitzer“, 
m Agypten reshpu, |. Ed. Meyer, ZtmG XXXI, 1877, ©. 719), ebenfo wie Esmun 
mit Melkart (j. Phil. Berger, L’ange d’Astarte, S. 41). Oder wohl eher in diefen Kom: 35 

tionen ijt der Name Melfart als ein ehrendes GEpitheton behandelt: der Stabtfönig 

b, der Stadtkönig Esmun. Überhaupt läßt fe in den doppelten Gottesnamen 

weſtſemitiſchem Boden (val. oben S I, 3 c 6) wohl überall der eine Name als bloßes 
Epitheton anjeben. Wie melkart in melkart reseph und melkart ’esmun wird aud) 
dem Namen des irdiichen Königs der Titel Tr infchriftlih und auf Münzen immer 40 
borangeftellt, mern nicht der Eigenname der Stadt dabei ſteht (f. de Vogüe, M&langes, 
Appendice, ©. 8). 

Daß Dellart fpeziell das Feuer der Sonne (Jahve et M., ©. 43) oder dad Feuer 
überhaupt repräfentiere, ift aus der ewigen Flamme auf den Altären des phöniciichen 
Heralles nicht geradezu zu fchliegen (Silius Stalicus III, 29 von dem Kultus des gadi- 45 
taniſchen Herafles: Inrestineta focis servant altaria flammae), da nicht verlöfchenves 
Altarfeuer auch ſonſt außerhalb des eigentlichen Feuerdienſtes vorkommt. Der Perfon- 
name in Byblos 7:8, Uru-milki, Milk-uru „Licht iſt Malk“ oder „Feuer ift Malt“ 
(. oben SII, 2b) kann allerdings auf eine Feuernatur des Gottes Malk verweilen, muß 
dies aber nicht notwendig thun, da „Licht“ oder „Feuer“ in übertragenem Sinne gemeint so 
em fönnte. Es ift aber noch darauf hurücgubertueilen, daß fich in den altteftamentlichen 

jagen über die Feueropfer des Melefdienftes vielleicht eine Beziebung auf eine Feuer: 
Ratur des (Gottes erfennen läßt (ſ. oben S I, 4a). 

Es find aljo mehr oder minder deutliche Spuren vorhanden, daß die Sonne einer: 

its und das Feuer oder der Blitz andererjeitö fombiniert wurde mit dem Melfart von 55 

> und mit Gottheiten, die das Prädikat mik führten, aber vielleicht von ihm zu unter: 
Kheiden waren. Abgejehen ettva von dem Namen Uru-milki leitet feine von diefen Spuren 

u auf den El-Kronos von Byblos, in welchem wir das Urbild des altteftament- 

Melek und ein Pendant des fartbagiichen, mit Kinderopfern verehrten Kronos ver: 
mutet baben. Wahrſcheinlich aber gehört doch die Feuernatur, nämlich die bes Blitzes, so 

19* 


292 Moloch 


ſpeziell ihm an. Wie der EI von Boblos, fo ſcheint auch der aramäiſch-phöniciſche Gott 
Hadad, der Adodos des Philo Byblius, Malk genannt worden zu fein (ſ. oben SIL,1). 
Tanach mögen El und Hadad als parallele oder identijche Öottesgejtalten anzujeben jein. 
Hadad wurde auch in Byblos und der Umgegend verebrt (ſ. A. Habab: Rimmon Bd VI, 
» 2.290, ff.). Er iſt ficher ein Gewittergott (j.a.a.C.,.291 ff). Vielleicht war dies auch der 
phaniciiche „Kronos“. Ebenſo mag der „Zeus“ zu Tyrus bei Jofephus dem Hadad ent- 
iprechen. Daß jpeciell der Gewittergott als mik bezeichnet wurde, zeigt auch der alt: 
teitamentlihe Name Regem-melek „Rägimu iſt König“ (j. unten 8 III, 1). Der ba 
boloniiche Name rägimu „Brüller“ für den Wettergott Namman oder Adad bat nad 
1" ven Belegen für den Samen Negem (. unten a. a. U.) mwabrjcheinlih ein fanaani- 
tiiches Pendant gehabt. Im Unterfchied von dem ältern Gott El-Kronos oder aud 
Hadad ſcheint in dem jüngern Gott, dem Adonis von Byblos und dem Melkart von 
Torus, das durch den Zonnenlauf bedingte Yeben der Vegetation repräfentiert zu jein. 
Aber Züge des ältern Gottes, Des Gewittergottes, find auf Melfart übergegangen, wie 
15 andererjeits in _Ipäter Zeit Züge eines Zonnengotted auf Die Geſtalt des Hadad (ſ. Bd VII, 
S. 291 ff.). Der Gott von Heliopolis-Baalbek würde nach einer oben (8 IL, 1) wieder⸗ 
gegeben, allerdings recht unſichern, Vermutung Terz genannt worden fein. Er muß 
trog des Namens SHeltopolis nach jeinem Bilde, Das ihn mit dem Blitz in der Hand 
daritellte, eigentlich ein Gewittergott geweſen fein (ſ. A. Hadad⸗ Rimmon S. 291, fl. 
292,34 1.). Vielleicht bieß er geradeau Hadad (ſ. a. a. TC. S. 289,83 ff.). Alſo hätten 
wir in dem Gott von Heliopolis möglicherweife nochmals einen Haba mit dem Prä- 
bifat milk. Dieſe Kombinationen, deren Fäden allerdings zum Teil dünn find, mürden 
uns zu dem Reſultat führen, daß bei Aramäern und Phöniciern fpeziell der Gewitter: 
ott Hadad als mik bezeichnet wurde und daß ihm der El-Kronos des Philo und der 
5 karthagiſche Kronos entjpricht. 

Tie Identifizierung des phöniciſchen Gottes EI, vielleicht auch noch anderer Götter, 
die das Epitheton mlk trugen, mit dem griechiſchen Kronos, zunächſt wohl auf der Ver: 
gleihung des phöniciſchen Minderopfers mit Der Kinderverichlingung des griechifchen Gottes 
berubend, mag jpäter, da man Kronos wegen irgendivelcher Ähnlichkeit auch mit dem 

3 babyloniichen Gott des Planeten Zatum identifizierte, Dazu geführt haben, daß der 
phöniciſche Gott ebenfalls auf den Planeten Satum bezogen wurde Philo By: 
blius jtellt feinen El-Kronos geradezu als den Planetengott dar. Urſprünglich aber ſcheint 
die Verehrung der fünf andern Planeten neben Sonne und Mond bei den Phöniciern 
nicht zu Haufe gewejen zu fein und iſt wobl erjt durch Berührung mit Babylonien, dem 

35 Lande der Sternfundigen, zu ibnen gefommen. 

4. Der Kultus der Malt: (Hottbeiten. a) Bilder desMalf oder „Kronos“. 
Der Hercules Gaditanus, d. i. Melfart, wurde nach Silius Italicus III, 30 f. bildlos 
verehrt. Das Zeichen Melkarts waren wei Säulen, wie ſie nach Herodot im Tempel 
zu Tyrus ſtanden und in den Säulen des Herakles zu Gibraltar und an andern Orten 

40 des phöniciſchen Heraflesdienjtes wiederfebren (vol. A. Maljteine Bd XII, S. 135, 1ff. 

138,241 ff). Silius Italicus nennt aber, neben jener Angabe von der Bildlofigteit des 

Kultus, an anderer Stelle (III, 104}. die cornigera frons eines mythiſchen Herrſchers 

in iberiſchen Gegenden, des Milicus (Milichus). In dem Namen iſt doch wohl eher das 
ſemitiſche mlk zu erkennen als das griechiſche ueilıyos, namentlib da von einer Herr: 

45 Schaft des jo Benannten die Kede ift und die Ableitung des Gehörntſeins aus ber 

Abſtammung von einem Satyrn ausſieht wie eine fünitlihe Erklärung. Diefer Milicus 

ift ichwerlich Der nicht abgebildete, aljo doch wohl in feiner beſtimmten Geſtalt vorgeftellte, 
gaditaniſche Melkart (Hercules), vielleicht aber der puniſche „Kronos“. Ging dieſer wirklich 
zurück auf den kanaanaiſchen Gewittergott . oben S II, 3b), jo könnten die Hörner 
beritammen von dem Ztier, der ſpeziell Das Tier Dee "Savittergottes Hadad mar. Hadad 
iſt m Sendſchirli dargeſtellt mit einer Kopfbededung, die an den Zeiten zwei Hörner hat 

(ſ. A. Kalb BDIX, S. 708f... Tagegen find für das AT Zujammenbänge des Melel: 

dienſtes mit Dem phratmitiichen Stierdienft zu Unrecht bebauptet worden. Aus Ho 13,2 

kann darauf (jo Eerdmans 2.22.) nicht geichlojfen werden; «8 iſt hier überhaupt nicht 

55 don „eentehenopfern bei dem Kälberdienſt die Rede (ſ. A. Kalb, S. 712,58 ff.) Noch 
weniger iſt Ho 10,7 unter dem melek Samariens der Stiergott (fo Eerdinang S. 24f.) 
zu verſtehen, ſoudern der irdiſche König: zuerſt wird der Untergang des Königtums, dann 
erſt (v. 8) der der Heiligtümer dargeſtellt; von dem Kälbergott war ſchon v. 5f. die 
Rede. — Eine andere Frage iſt, ob nicht etwa im legten Grunde der Gott des Stier: 

wu bildes der Israeliten zu Dem Melek im einem vertvandtichaftlichen Verhältnis ſtehe. Sie 


J 


.. 
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Moloch 293 


wird, wenn wirklich beide Kultusformen auf den Dienſt des Gewittergottes zurückgehen, 
zu beinhen jein. 

on ſehr zmeifelbaftem Werte find die aus einem fpät (13. Jahrhundert) redigierten 
rabbinischen Sammelwerk, dem Jalkut Schimeoni, entnommenen Angaben über das eherne 
Melekbild mit Kalbskopf und ausgeftredten Menfchenarmen, auf welche die Kinderopfer 5 

egt worden fein follen (j. Andr. Beyer zu Selden; Jahve et M., ©. 42 Anmkg. 2). 

. F. Moore bat wahrjcheinlih gemacht, daß das eherne Bild bier aus dem bei Dio— 
dorus Siculus (XX, 14) beichriebenen ehernen Bilde des Farthagifchen „Kronos“ ftammt, das 
Menfchengeitalt hatte und mit ausgeftredten Händen die Kinderopfer aufnahm und in 
einen Feuerſchlund fallen ließ. Der Kalbskopf des Molochsbildes, der fich in einer, 10 
wie e3 Scheint, ältern Variante der rabbinischen Befchreibung nicht findet, mag mit Moore 
aus einer Meminifcenz an den Minotauros der Griechen zu erklären fein (vgl. A. Kalb 
Bb IX, S. 709). immerhin fcheint die Befchreibung bei Diodor, die auf Klitarch im 
4 Jahrhundert zurüdzuführen ift, einen dem altteftamentlichen Tophet entſprechenden Ver: 

ungsapparat zu fennen. Der in diefer Weiſe verehrte „Kronos“ wäre nad) unfern 15 
Kombinationen (oben $ II, 3 a) angufehen als der Gott, welden die Kartbager milk 
nannten. (Vgl. über angebliche Melekbilder im AT oben S I, 4 c.) 

b) Die Menſchenopfer der Phönicier. Über die Opfer des phönicifchen 
Kronos“ wird mohl übertreibend von Klitarh und Andern, welche ſich ihm anſchloſſen, 
berichtet, daß fie lebendig verbrannt worden feien, mie ebenfo die rabbinifchen Angaben 20 
über Lebendigverbrennen der Kinder im Molekdienſt (ſ. Jahve et M., S. 41f.) durd) 
das AT nicht geftügt werden. Die Menfchenopfer wurden dem „Kronos“ dargebracht 
Bei Bedrängnifjen des Staates, fo in Kriegsgefahren, ferner bei andern Kalamitäten mie 

oder Dürre. Toch fanden aud ohne befondere VBeranlaflung jährlih Kinderopfer 

Große Mafjenopfer famen vor (Belegitellen |. Jahve et M., S. 50 ff.; dazu noch 25 
weitere bei Moore, A. Molech $ 6 Anmkg. 10). 

Menfchenopfer, jpeziell Kinderopfer, wurden übrigens in den meftfemitifchen Religionen 
auch andern Gottheiten ald den mit milk bezeichneten dargebradht. Für den Kultus des 
moabitifchem Gottes Kemoſch ift uns cin altes Beifpiel der Dpferung eines Sohnes be 
fannt (f. U. Kemoſch BoX, ©. 245,8 ff). Kaifer Heliogabal opferte auf italiſchem 30 
Boden vornehme Knaben (Vita Heliogabali ce. 8); es wird nicht gejagt, im Dienfte 
weicher Gottheit es geſchah, wahrjcheinlich aber doch im Kultus des Sonnengottes Ela: 
gaaı, den der Raifer aus Emeja in Syrien importiert hatte (über die Trage, ob dieſer 

r tell phöniciſchen Urſprunges mar, |. U. Höbendienftt Bd VIII, ©. 181,5 ff.). 
Au Tübfemitiichen Boden, bei den Mrabern, war die Eitte des Menfchenopferd bis 35 
äte Zeiten verbreitet: der „Morgenftern” und die Uzza werden als Gottheiten genannt, 
ſolche Opfer dargebracht wurden (ſ. Wellhaufen, Refte?, ©. 115f.). 
Zumeift erjcheint in dieſen Kulten das Menfchenopfer (vgl. darüber N. Smith, 
Religion, ©. 276--280: „Das Menfchenopfer“), ſoweit wir über feine Bedeutung etivas 
fönnen, als ein Akt der Dabingabe, der Entäußerung. Sp überall da, mo es 10 
um dag Upfer der eigenen Kinder oder doch der Kinder des eigenen Volkes handelt. 
Entäußerung kann entweder die Gunſt der Gottheit gewinnen oder ihren Zorn ab: 
wenden follen. Beides wird fich nicht überall trennen laflen. Mi 6,7 denkt die Opfe— 
Bang des eritgeborenen Kindes veranlaßt Durch die Sünde des Darbringenden. Von den 
. ern wird berichtet, daß fie in Mriegsgefahr zahlreiche Opfer edler Kinder dar: 45 
Beachten (Jahve et M., S. 51f.), und in der euemeriftifchen Darftellung bei Philo 
blius opfert El-Kronos in Kriegsgefahr feinen eigenen Sohn, nachdem er ihm 
"Weiglichen Schmud angelegt (Fragm. historic. Graee. III, n. 4 u. 5 S. 570f.); nad 
Mer andern Stelle opfert „Kronos” den Sohn bei dem Ausbruch einer Beftilenz feinem 
Vater Uranos (fr. 2,24 S. 569. Auch Meſcha von Moab opfert feinen Sohn, als 50 
"wich in Kriegsnot befindet (2 Ha 3,27). In diefen Fällen wollen die Darbringenden durd) 
"We Dahingabe die Ungnade ihres Gottes abwenden. Anders liegt es für die alttefta- 
’ Mentliche und nach der Meſcha-Inſchrift (f. A. Kemoſch Bd X, S. 246, ı ff.) au moabi— 
Ne Sitte, eroberte Städte mit ibren Bewohnern der Gottheit zu weihen (ever), d. h. 
Ab Berpohner zu töten, eigentlich zu opfern. Diejes Opfer läßt fich wohl nur verfteben 55 

en Dant dir den errungenen Zirg. . 

Wo es fih bei dem Mienfchenopfer um eine Sühne zur Abwendung des gött- 

m Zornes handelt, haben wir es faum mit einer uralten Vorftellung zu thun. Der 
und ältefte Gedanke beim Opfer iſt Doch wohl der Wunsch, der Gottheit ein 
k zu machen. Dies Geſchenk wurde in der Regel von dem Geſichtspunkt aus ge= 60 












* 













294 Moloch 


wählt, daß es für die Gottheit den Wert habe, welchen eben dasſelbe Geſchenk als nutzen⸗ 
bringendes für den Menſchen hatte. Deshalb wird das Opfer in alter Zeit ald Speiſung 
der Gottheit gedacht. Ties würde auf die Anſchauung —5— daß das Menſchenopfer 
in einer Zeit des Kannibalismus entſtanden ſei. Bei Völkern dieſer Stufe wird mit dem 

5 Menſchenopfer gewiß die Vorſtellung verbunden, daß der Gott auch ein ſolches Opfer 
eſſe. Diefe Borftellung fpricht in der That Ezechiel c. 16, 20; 23, 37 aus, wo die Kinder 
als den Abgöttern „zur Speiſe“ geopfert dargetteift werden. Aber in diefer Auslegung liegt 
zweifellos eine Konfequenz vor, die lediglich aus der Analogie des Tieropferd gezogen 
wurde; eine Erinnerung an fannibalifhen Brauch iſt für Ezechiel nicht anzunehmen. 

10 Zudem iſt es doc fraglich, ob wir ung überhaupt die Vorväter der Phönicier und 
Hebräer auf der Stufe des Kannibalisnus zu denken haben. Vielleicht ift er nicht eine 
ursprüngliche Erfcheinung der älteften Menſchheit aus einer Zeit, wo fie der Tierwelt 
noch näher geitanden hätte, jondern eine fpätere Entartung bei einzelnen gefuntenen 
Völkern. In der höhern Tierwelt ift das Verzehren der eigenen Spezies durchweg eine 

15 Ausnahneerfcheinung, ebenfo bei den „wilden“ Völkern das Verzehren der Stammes 

enofien. Danach fünnte man etwa zu urteilen haben, daß das Menfchenopfer, meil es 
Nch nicht als Speifung der Gottheit denken laſſe, zu den ältelten Formen der Religion über: 
haupt nicht gehöre, fondern erſt aus relativ fpäten Theorien des Opfers entitanden fei. 
Freilich müßten diefe doch fchon recht alt fein; denn die altteftamentliche genuine Jahwe— 

20 —e— weiſt nur noch umgedeutete Reſte der bereits überwundenen Sitte des Menſchen⸗ 
opfers auf. 

Es iſt indeſſen nicht undenkbar, daß irgendwelche rohe Auffaſſungsweiſe der Urzeit 
vermeinte, der Gottheit mit der Opferung eines Menſchen einen Dienſt zu erweiſen oder 
eine Freude zu bereiten, ohne daß man die Gottheit dabei als den geopferten Menſchen 

25 verzehrend dachte. Sie könnte etwa vorgeſtellt fein als eine ſolche, die an der Ver⸗ 
nichtung des Lebens ein Moblgefallen findet. Aber diefe Auffaffung läßt fich, unver: 
bunden mit andern, begründenden Momenten, in den fjemitiichen Religionen und wohl 
überhaupt in den Neligonen der Rulturvölfer nicht nachweiſen, und es bleibt mehr als 
zweifelhaft, ob fie auf einer frübern Stufe diefer Religionen vorauszufegen ift. 

30 Dagegen wäre vielleicht denkbar, daß man, ehe man bei den Cpfern an eine Sühne 
handlung dachte, die Darbietung der liebiten Angehörigen anſah ale das geeignetite Mittel, 
fih mit der Gottheit durch das Blut der Familien- oder Stammesgenoffen in einen 
direften Kontakt zu ſetzen. Dies Opfer war dann die dringendfte Form der Huldigung 
und der Bitte. Solche Auffaffung baben R. Zmitb u. A. als die urfprüngliche angejeben. 

35 Wäre fie wirflih der Ausgangspunkt des Meenfchenopfers, jo müßte meines Erachtens 
dennoch Die dabei geltend gemachte Idee der Ipferbandlung fchon für fefundär gehalten 
werden, wenn nämlich der Gedanke der Gabe überall das Erfte bein Dpfer ift. Jene 
Erklärung für die Anfänge des Opferkultus geltend zu machen, fcheint mir überhaupt ba- 
durch verwehrt zu werden, daß dann die vegetabiliichen Opfer ſich nicht aus dem felben 

10 Gedanken ableiten laffen wie die animalifchen. Es wird danach dabei zu verbleiben fein, 
dag dem Menjchenopfer als Ausgangspunkt entweder Kannibalismus zu Grunde liegt 
oder andernfalld die Vorjtellung der Opfergabe nicht als einer nugenbringenden fondern 
ala einer wertvollen. Dieſe Vorſtellung muß nicht notwendig erit eine fpätere Um: 
biegung von jener fein; dem auch bei der „Speiſung“ der Gottheit durch das Opfer 

45 liegt doch wohl die Abficht vor, ihr etwas von Wert zu bieten, und nicht der Gedanke, ibr 

etwas für ihr Dafein Notwendiges darzubringen; denn die Vorftellung ift für feine Ur: 

zeit anzunehmen, daß der Gott der Grbaltung feiner Exiſtenz von feiten der Menſchen 
bedürfe (vol. A. Malzeihen Bd XII, S. 149, uff). Es wird, was bier nicht weiter 
auszuführen ift, überhaupt faum anzunehmen fein, daß der Gedanke der Spetfung der 

Gottheit den Ausgangspunkt der Ipferfitte bildet. 
Wenn Diefe Ausführungen nicht unberechtigt find, fo liegt fein Grund vor, daran 
zu zweifeln, daß Die in dem Gherem des AT und der Meſcha-Inſchrift anjcheinend vor 
liegende Anwendung Des Menſchenopfers als einer Dankesäußerung den Urſprüngen des 
I pferfultus angeböre. Dagegen läßt ſich die ebenfalls ſchon im AT vorliegende Auffaſſung 
>> des Ninderopfers als eines Zübnemittels zur Bejänftigung des göttlichen Zornes nicht 
als eine primitive verſteben; fie iſt aber zurückzuführen auf den allgemeinen Gedanken 
der Entäußerung, deſſen Altertümlichkeit nicht zweifelbaft it. Jede Gabe, auch die des 
naiven Menſchen, bringt Diefen Gedanken zum Ausdruck, und eben nur darin bejteht ber 
Wert der Gabe. | 

un Daß die geopferten Ninder als die Unjchuldigen die Schuld der Erwachſenen fühnen 


IS 


- 


Molod) 295 


jollten, wird nirgends angedeutet, mag aber Doch für fpätere Auffaflungsart nicht auszu- 
fchließen fein. Keinenfall® dagegen wurde „das Verbrennen der Kinder als ein Durch: 
gang (mas) betrachtet, wodurch die Kinder nach Auflöfung der irdischen, unreinen 
Schladen des Körpers zur Vereinigung mit der Gottheit gelangten“ (Movers ©. 329) ; 
denn von einem befeligenden Jenſeits mar dem Altertum der weftjemitifchen Wölfer 5 
(abgefehen von einigen Anſätzen dazu in der jpätern alttejtamentlichen Zeit) kaum etivas 
befannt, und der “Dualismus von Seele und Leib ift der femitifhen Anfchauung völlig 
fremd, nach welcher das Leben nur zu denken iſt als das des befeelten Leibes. 

III. Jahwe und „Molek“. Die von Berfchiedenen (auch von dem Unterzeichneten 
in Jahve et M.) behandelte Frage, ob Jahwe eine veredelte Form des verderblichen 10 
Gottes Molek fer, beruht in diefer Faſſung auf einer irrigen Anfchauung von dem Gott 
Melet und von den weſtſemitiſchen Religionen überhaupt. Die urfprüngliche Identität 
der beiden Gottheiten iſt in oberflächlicher Auseinanderfegung behauptet worden von 
Daumer und Ghillany (1842), deren Schriften nur deshalb noch erwähnt werben 
dürfen, meil fie nicht obne Einfluß geblieben find auf fpätere ernjtere Darftellungen. Weit 15 
einfichtöpoller ijt die verwandte Auffaflung von Planck (1843). Schon früher hatte ein 
ſehr beachtensiwerter Forſcher, Vatke (Die bibl. Theologie, Bd I, 1835, S. 190—199), 
zwar nicht den Melek, aber den PBlanetengott Saturn in einer der gewöhnlichen Vor- 
itelung vom Melek nahe ftehenden Auffaffung desjelben zum Gott der alten Hebräer 
gemadt. Neuere haben molek als eine Benennung Sabtoes in volfstümlicher Vor⸗ 20 
ftellung angejehen (f. oben SI, 3a). 

1. Melek in hebräifhen Eigennamen. Es iſt zweifellos, daß ſchon in 
alter Zeit des Aufenthaltes der Hebräer in Ranaan ihr Gott mit dem allgemein welt: 
jemitifchen Gottheitsepitheton melek benannt wurde. Das ergiebt fi) aus dem Namen 
Adyimelet „Bruder des Melek“ (zur Bedeutung f. oben $ II, 2 b) für die zweifellos ge⸗ 25 
jchichtliche Perſon des Priefterd von Nob aus dem Haus Elis (1 Sa 21,2. 

Daß in diefem und fo in allen hebrätfchen mit melek zufammengejegten Namen das 
Wort nicht Gottedname fondern menfchlicher, Perfonname fet und ”Ahimelek bedeute 
„Bruder des [Menjchen] Melek“, ebeno ’Abimelek „Vater des [Menjchen] Melek“ und 
daß mit dem menjchlichen Eigennamen Melek Sottesnamen verbunden worden feien, 30 ° 
wie in Malkt’öl, lediglih um neue Namen zu bilden, aber nicht in der Abficht, eine 
Ausfage von der Gottheit aufzuitellen (De song, Over de met ab, ach enz. zamen- 
gestelde Hebreeuwsche eigennamen, Amſterdam 1880, aus den Verslagen en 
Mededeelingen der K. Akad. van Wetenschappen, Afdeeling Letterkunde, 2. 
Reeks, Deel X, bejonders S.14), ijt nicht anzunehmen. Die analogen Namen Adhijjah 35 
und Abijjah fprechen dagegen, da dod) weder jäh noch ’ah und ’ab für ſich allein alg 
Berfonname vorfommen und phönicische Berfonennamen wie mn „Malt hat gegeben“, 
in weldhen milk nichts anderes ale Gottesname fein kann, für diefelbe Bedeutung auch 
in den bebräifchen Eigennamen fprechen. Überdies läßt fich alleinftehendes melek nicht 
mit Sicherheit als hebräiſcher Perſonname nachweifen. ber nach der Analogie des 40 
arabiichen Eigennamens Mälik, des palmyreniſchen ‘>= und des phönicifchen MaAyl[os] 
iſt freilich auch ein hebräiſcher Eigenname Melek denkbar. Es ift deshalb nicht von vorn: 
berein ausgefchlofien, daß melek in den zufammengejegten Namen gelegentlih auch 
menfchlicher Perſonname jein könnte. Ber faſt allen dieſen Namen iſt es aber nad 
analogen, in welchen dem melek ein anderer Gottesname entipricht, mit Sicherheit an- 45 
zunehmen, dab das Wort als Gottesnane gemeint var. 

Jener Prieſter Achimelet wird an andern Stellen Achijjab „Bruder des Jahwe“ 
genannt. In Wirklichkeit führte er mohl nur den Namen Achimelel, und ein Späterer 
bat das ihm bedenkliche melek in jäh umgewandelt. Gewiß ift der Name nicht dahin 

veriteben, daß der, welcher ihn wählte, den hebräiſchen Jahwe mit einem andern Gott 50 

elet oder Maik identifizierte, fondern melek wurde wohl als eine Bezeichnung Jahwes an: 
gefeben; denn Achimelet ftanımt aus der alten, bis auf den Auszug aus Ägypten 

ickreichenden Priefterfamilie des Moſaiſchen Jahwedienſtes, und eben diefer Dienſt 
* in Nob nach dem Untergang Silos ſeine Hauptſtätte. Noch deutlicher würde der 

e ebenſo aufzufaſſen ſein, wenn der Prieſter von Nob wirklich mit den beiden Namen 55 
Adimelet und Achijjah benannt worden fein follte. 

Schon früher —* der Name Abimelek „Vater iſt Melek“ (vgl. Abijjah „Vater 
iſt Jahwe“, zur Bedeutung ſ. oben S II, 2b) vor für den ebenfalls geſchichtlichen Sohn 
Gideons, den König von Zichem (Ri8,31). Hier kann man bei den in der Nichterzeit 
beitebenden gottesdienſtlichen Verhältniſſen ſchwanken, ob an eine Bezeichnung Jahwes vo 


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246 Moloch 


als König oder an einen von Jabwe verſchiedenen unter dem Namen melek verehrien 
(Gott zu denfen fei, namentlih da in Sichem, dem (Gebiet des Abimelef, der Baal-Berit 
verehrt wurde, morunter jedenfalls nicht Jahwe zu veriteben tft (ſ. A. Baal BD II, 
S. 334, 2177). — Neben dem Namen Abimelek kann ſehr wohl, wie das Buch Nut mil 
(ec. 1,2 u. |. tw.), der Name Elimelek in der Richterzeit unter den Hebräern vorgelommen 
fein. Tie ſpäte Entjtebungszeit des Buches Nut bietet allerdings feine Gewähr für die 
gefchichtliche Nichtigkeit diefer Namensangabe Gin zu irgendwelder Zeit unter den 
Hebräern gebrauchter Name iſt darin aber gewiß zu erkennen (vgl. Ili-milki in den 
Amarna-Briefen). Er kann, wie ebenfo der entfprechende Tanaanätfche Name, bedeuten 
„Melek iſt Gott“ oder aber „EI ift König“, it alfo für den Kultus eines beftimmten 
Gottes Melek bei den Hebräern nicht beweiſend. — Auch die umgeltellte Form eben 
diefes Namens: Malki⸗el, Die in der Genealogie des Stammes Ajcher, und zivar für Die 
zweite (Seneration nach Aſcher, in der Prieiterichrift und in der Chronik (Gen 46, 17; 
Yu 26,455 1 Chr 7, 31) vorkommt, ıft bei der Art diejer Duellen nicht als altbebräifcher 


> Name zu erfennen, gewiß aber als ein irgendivann beiden \eraeliten vorlommender (vgl. 


Milk-ili neben Ili-milki in den Almarna:Briefen). 

Ein Sohn Sauls wird unter dem Namen Malfifhua „Malt ift Hilfe” genannt 
(1 Sa 14,19; 31,25 1Chr 8,33; 9,39; 10,2) und in der Chronik ein Urentel des 
Eaulsfohnes Jonatan mit dem einfachen Melek ohne Zufag: 1 Chr 8,35; 9,41. LXX 
bat dafür in 1 Chr 8,35 gelefen Malfizel (L MeAyına, B Meiyni). An der Ge 
jchichtlichteit des eriten diejer beiden Namen iſt überhaupt nicht, an der des zimeiten 
nur mit Nüdficht auf die ſchwankende Form zu ameifeln. In dem erſten ſteht ficher 
mik als Gottesbezeihnung; in dem zweiten ift dies für die fürzere Form in ber 
Überlieferung, Melek, zweifelbaft (vgl. oben $ II,2.d). Nach dem, was wir über Die religiöfen 
Berbältniffe in der Familie Zauls willen, fcheint es mir unannchmbar, daß für den 
Namen des Sohnes Saul an einen andern Gott Melet neben Jahwe zu denken fe; 
mik ftebt hier alfo wohl als Bezeichnung Jahwes. Über die Religion der vierten Gene 
ration nadı Saul tft ung dagegen nichts bekannt; immerbin tt es recht unwahrſcheinlich, 
daß ein ihr Angebörender mit feinem Namen einem andern Gott ald Jahwe zugeeignet 
fein follte (vgl. die Namen mit >32 in der Familie Sauls und dazu A. Baal Bo II, 
S. 335, 22ff.). Melek ift demnach gewiß in dem erften Namen und mahrfcheinlich auch 
in dem zweiten, wenn er überbaupt hierber gehört, Bezeichnung Jahwes. 

Ein Sohn Jechonjas, alfo ein Enfel Softas, der dem 7. oder 6. Jahrhundert an- 
achört baben muß, bieß nab 1 Chr 3,18 Malkiram, d. i. „Melek ift erbaben” (vgl. 
Joram „Jabhwe ift erbaben”), jchwerlih mit Auffaſſung von C= als Gottesname (als 
welcher das Wort meines Miffens nicht nachweisbar): „der Hohe iſt König”. „Malkiram“ 
beweist aber in feinem all einen jtcbenden Gebrauch des Wortes melek als Gottesbezeich⸗ 
nung bei den Hebräern, jondern kann ein frembländifches Vorbild haben, wie für den Namen 
Schenazzar eines andern Sohnes Jechonjas zweifellos anzunehmen tft. Phöniciſch kommt 
der identische Name 2===°2 vor (iſ. oben S II, 2b). — Auch der Name Regem:nelet für 
einen Juden zur Zeit des Propheten Sacharja (Zad 7,2) kann fremden Urfpru jein, 
wie der unmittelbar daneben ſtehende Name eines andern Juden Sareger es ficher ift. 
Für =37 iſt mit der arabischen und bebrätfchen Bedeutung des Stammes 57 „Steine 
werfen” kaum unmittelbar auszufommen. Nöldeke's Grflärung (U. Names $ 41): 


5 „Melek bat gejchleudert“ nadı Analogie von Jirmjähü „Jahwe bat geivorfen” befriedigt 


faum, da die Sottbeit bei den Semiten wohl als Pfeile, ſchwerlich aber als Steine 
werfend vorgejtellt wird, man müßte denn etwa an den Gottesnamen mx” denfen und 
ihn von dem Schleudern glübender Steine durch den Gewittergott veriteben. Es tft 
aber zweifelbaft, ob F27 den Glühſtein oder nicht vielmehr die glühende Kohle bedeutet. 
Tesbalb vermute ih, daß in 37T ein Gottesname jtedt und melek daneben Gottheite- 
epitbeton ift (vgl. den Berfonnamen =37 unter Ralebitern 1 Chr 2, 47; vielleicht 23” aud 
auf einem zu Ninive gefundenen Bronzejtüd mit phöniciſcher Schrift, ſ. Clermont: 
Ganneau, Journal Asiatique, VIII. Serie, Bd I, 1883, ©. 152). Es ift in biefem 
regem gewiß mit Simmern (Keilinſchr. u. d. AT? =. 450f.) der babylonifche Name 


5 für den Wettergett rägimu „der Brüller” zu erkennen. Der jübifche Träger dieſes 


Namens braucht fein Bewußtjein von deſſen Bedeutung gebabt zu baben (vgl. den 
jüdijchen Eigennamen Henädad, vermutlich — Hön-Hadäd, „Hadad iſt gnädig“). 
Unter den mit melek zuſammengeſetzten Perſonennamen kommt nur einer von 
mebreren Perſonen vor, nämlich Malkijjah „König tft Jahwe“. Er findet fich, wie Gray 
(a. a. C., 2. 119) gezeigt bat, feit der Jeremianiſchen Zeit, nämlich von zwei Zeitgenoffen 


Moloch 297 


Jeremias und von fünf nachexiliſchen Perſonen und einer nachexiliſchen Familie. Daß 
die Liſten der Chronik ihn für eine vordavidiſche Perſon gebrauchen (1 Chr 6,25) und 
die Priefterfamilie Malfijjab bis auf Davids Zeit zurüddatieren (1 Chr 24, 9), kommt 
bei dem Charakter diefer Liſten nicht in Betracht. 

Hiermit find die altteftamentlihen Namen erjchöpft, welche den Gotteönamen oder 5 
das Gottheitsepitheton melek enthalten und von Hebräern getragen iverden. Bei andern 
altteftamentlihen Namen nit melek iſt Ießteres nicht oder doch nicht ficher der Fall. 
Ter Name eines Eunuchen unter Sofia, Netannıelet „Melek hat gegeben” (2 Kg 23,11), 
worin melek deutlich Gottesname iſt, iſt nicht ficher bebräifch, da die Eunuchen häufig 
Fremde waren und wir den entiprechenden phöniciſchen Namen jm°>>°: fennen, der in der 10 
altteftamentlihen Form hbebraifiert fein fünnte. Auch der Name Ebedmelek, den ein 
fufchitifcher Eunuch unter Zedekia trägt (Jer 38, 7), Elingt freilich bebrätfch, muß es aber 
besbalb nicht feinem Urfprung nad) fein. Überdies bezieht fich hier das melek nicht 
notwendig auf die Gottheit ſondern vielleiht auf den menſchlichen König (Baethgen 
S. 146; vgl. den nabatäifchen Namen 12372, in welchem aber 122°: Eigenname des 15 
Königs zu fein Scheint, ſ. oben SII, 2d). Der Name einer Stadt in Afcher TIER 
oder TER (jo Baer) Joſ 19,26 (LXX ’Eleıuölex, gewiß gebildet nach "Adıuedex 
Rut 1, 2A, ’Edsueley L; Joſ 19,26 L ’KEAuedey), der nad Gefenius etwa zu 
erflären fein fünnte quercus regis, mag den Gottesnamen enthalten, giebt aber über 
defien Gebrauch bei den Hebräern feine Auskunft, da diefer Ortöname vermutlich vor: 20 
hebräiſch iſt. 

Vielleicht liegt auch dem Namen »2, der nur Neh 12, 14 im Ker& vorkommt, 
der Gottesname zu Grunde. Das Ketib >72 (LXX Malovy, L Malovx) ſoll gelejen 
werden ">1272; der Name 172 kommt in den Büchern Esra, Nehemia und Chronik vor (vgl. 
dazu den phöniciihen Namen in feilfchriftliher Wiedergabe Ba’al-maluku oben 25 
S II, 2a). Sollte in eine andere Ausſprache für 77° oder eine daraus entitandene 
Korruption vorliegen (vgl. den nabatäifchen Perſonnamen n=">7 oben S II, 2d), fo 
zeigt das in jo fpäten Uuellen in feinem Fall etwas für die Gottesporftellung, da der 
Name Nachbildung des arabifchen mälik fein fönnte (wie der palmprenifche Name 
=>= maliku) oder auch des phönicifchen Namens malk (vgl. oben SII, 2 d, ebenda 30 
über den nicht ficher hebräifchen Namen &=='2 1 Chr 8, 9). 

Unter den ficher von Hebräern getragenen Perfonennamen Abimelek, Achimelef, Mal: 
tiichua, Melek (Malki⸗el), Malkijjah, Malkiram, Regemmelek find die beiden legten viel- 
leicht trotzdem nichthebräifch (f. oben). Als wirklich bebräiiche Namen mit melek fünnen 
alfo, mehr oder weniger beftimmt, nur fünf angejeben werden. Ron ihnen fcheint der 55 
Name Malkijjah erft feit der Jeremianiſchen Zeit in Aufnahme gefommen zu fein, viel: 
leicht im Gegenſatz zu dem in Juda geübten Melefvienft, um zum Ausdrud zu bringen, 
daß Jahwe „der König“ fchlechthin ſei. In der nacherilifchen Zeit fommt von den mit 
melek zufammengejegten Namen nur diefer Name, welcher eine unverfennbare Ber: 
berrlihung Jahwes ausfpricht, öfters vor, daneben eimmal der nichtbebräifche Name «0 

egemmelel, außerdem in exilifcher oder nacherilifcher Zeit einmal Malkiram, vielleicht 
ebenfalls nichthebräifch. In den vier aus porjeremianifcher Zeit für Hebräer nachmweisbaren 
Ramen: Abimelet, Achimelek, Malkiichua, Melek (Malkisel), zu denen etwa als fünfter 
nob in Betracht fommt Elimelek, kann melek eigentliher Gottesname oder auch all: 
gemeine Bezeichnung der Gottbeit fein. Gray (a. a. O., ©. 146f.) bat zu ihnen richtig 45 
analoge altteftamentliche Namen in Barallele geitellt, in Denen das ben melek entfprechende 
Glied bald das eine und bald das andere it, nämlich zu Abimelek: Abijjab „Vater 
iſt Jahwe“ und Abi⸗el „Vater ift Gott“, zu Achimelet: Achijjah „Bruder Jahwes“ und 
Chi⸗el „Bruder Gottes”, zu Malkiſchua: Jehoſchua „Jahwe iſt Hilfe“ und Eliſchua „Gott 
iſt Hilfe“, zu Elimelek: Elijjahu „Jabwe iſt Gott“ und Eliab „Gott iſt Vater“. Mit co 
Raltı:el iß zu vergleichen Joel „Jahwe iſt Gott” (vgl. jedoch Baudiſſin, Studien I, 
2.223) und Abi⸗el „Bater iſt Gott”. 

Aus den gefchichtlichen Belegen diefer fünf Namen mit melek ergiebt ftch, Daß man — 
aber, wie es scheint, Doch nur vereinzelt — in der Nichter- und in der erften Königszeit melek ale 
Gottesbezeihnung gebrauchte. In den Namen Ichimelef, Malkiſchua und Melek (oder 55 
Malki-el) meinte man mit diefjem melek twahrfcheinlich Jahwe, und wohl nur der Name 
des Gideonsſohnes Abimelek fünnte auf einen befondern Gott Melek verweiſen. Es it 
jedenfalld nicht zufällig, daß in dem andern Namen Gideons, Jerubbaal „Baal kämpft“, 
der Gottesname Baal, in dem feines Sohnes der Gottesname Melek und ebenfo in 
Ramen aus der Familie Sauls beide Gottesnamen vorkommen. Für den Gottesnamen 60 


Moloch 


Malone dar nubt nur langanaiſch ſondern auch altarabiſch iſt 4. A. Baal Bd II, 
bonn emiger Wabrſcheinlichkeit anzunebmen, Daß er bei den Hebräern ſchon 
FRwranderung ugch Rangan gebraucht wurde al. A. Baal 3.3357). Das 
jagen Janet da ven ein arabeichen Worteenamen mälik nicht fennen, aus jenen Eigen 
ag rt der hellen Atabribeinlidhfett für Me Gortesbezeichnung melek vermutet 
kadtebt die Moglichleit. daß Die Hebraer Meile Gottesbezeichnung bei den 
ons dennen WIEN und vereinzelt aut ihren Jabwe übertrugen oder auch fchon 
dh vnientgelt den Tanaananden Gou Melek oder Malt verehrten. In be 
Renee m der Gideens und derjenigen Sauls, bar man Die mit kanaa— 
usgyanamen anlanmenfallınden Benennungen der Gottheit entweder von Jahre 
sr pre ande Gen neben Jabwe achraucht. Andersivo ba man fie, wie es 
u ag zu dertelben Zeit verwieden. 
pay Neranlaiunz vor zu der Annahme, daß Die Sebräcr, erſt ſeitdem 
Bu kosten, ihren \ahme mit dem Gottesnamen melek meinten 
na hen Sie lonnzen dur de: Den Kanaanäern kennen gelernte Vorſtellung 
a Melok or Muhr a Jadwe übertragen; fie fünnen auch ewa dieſe 
ne de den Cmmanderung m Kanaan mitgebracht haben. Was wir über das 
Segen wostesnamene mik DEM Semiten überbaupt beobachtet haben (f. 
Ned ende iu: Wacdhahmıme NT kanaanäiſchen Gottesbenennung. Bon den 
Se up norurennanmihern un? MENT DON Hebräern getragenen Eigennamen mit 
Dan sm Mathis ter Vendant bei den Phöniciern oder Kanaanäern. 
tal men ireilie ale IR jete alter, der vormoſaiſchen “Periode angebörender 
Se nehrar amansnen inzden, wenn man aus dem Namen des Weibes bes 
in a0 tajmerm durite, daß Die alten Hebräer eine Göttin Milka 
So Abaite: werelazen WI MAN meh ein Hott Melek oder Malk entſprochen baben 
N am ang wenn der Kcgenname Milka urſprünglich Name einer Göttin ift 
ne; Winroloatt XI, 1896, 2.299), bemeift das doch nichts für 
SINN asien Aspräet. da er wie andere unter ben Berfonennamen der Räter: 
nr iminen Stamm entlebnt ein fann. 


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a Auch außerhalb der Eigennamen ift die Bezeichnung 
\ 0 upnrton melek im AT. keineswegs häufig. Sicher datierbat 
Ka | Yan vor 106,0, gewiß aud c. 8,21, wo „feinem König und 
Beer “ u ahnen rom Zujanmenbang, nach der liturgifch feitftehenden Men: 
ET men Bert“ im Pſalmen, auf Jahwe zu beziehen ſein wird). 
ze ie Nie Stellen Se 33, 17, wo von Jabwe ſchlechthin als „einem 
.. \ RR m A 22: „unſer König“, leßtere Stelle aber vielleicht aus 
u ef Woſos (Ti 33,5): et (Rahme) wurde in Jeſchurun König“ 
ann me NT Zeit vor der Zerſtörung Samariens, läßt fih aber nicht 


Tem. Eben dieſe Stelle, die Das Königſein Jahwes von ber 
Te umlet Mofe ber datiert, zeigt, daß in Israel der Königsname, 


212 : R . ; 
N melkart, Die Gottheit als das Haupt des nationalen Ge 
ar aus kann ea (c. 6, 5) das Epitheton melek ge: 
er za Gottes zum Ausdrud zu bringen, indem er Jahwe fchlecht: 


en 


- nn ek nannte, und Da Er e. 15 fich febr verſchieden datieren läßt, 
5 wo Verbums von Jahwe nicht als alt zu erkennen. Aller 
7 np FE dagegen vorjeſajaniſch Die Hinweiſung auf Israels Stellung zu 
Ua anfprud Nu 23,21 mit den Worten: „Königsjubel ift in 


er . Ai 
27 Ser, Daß er Die Freude an ibm mit der ‚Freude an einem 


SAna liegt Die Vorſtellung des göttlichen Königtums vor in ber 


mit der Darin vorfommenden Benennung Jabwes als Stönig 
dem Todesjahr Uſias; Die Aufzeichnung fällt aber in fpätere 





Moloch 299 


Zeit, wahrſcheinlich in die des Ahas. So iſt es denkbar, daß Jeſaja im Gegenſatz zu 
dem unter Ahas aufkommenden Melekdienſt Jabwe als den König bezeichnete. Neu auf 
gebracht hat er aber diefe Bezeichnung für Jahwe nicht; nad den mit melek zu— 
ſammengeſetzten bebräifchen Eigennamen (f. oben SIII, 1) gebrauchte man ſie vereinzelt 
ſchon ſeit der Richterzeit, und Jeſaja führt „den Rönig Jahwe Zebaot” anjcheinend wie 6 
eine befannte Titulierung ein. Aber er bat diefe Titulierung allerdings worbereitet durch 
die Erwähnung des Thrones, den er nicht wie einen befannten aufführt. Jedenfalls 
ſcheint vor Jeſaja die Benennung Jahwes mit melek und die damit verbundene Vor⸗ 
Nellung nicht gerade vielfach angewandt worden zu fein. 

Anfcheinend war dies auch nad Jeſaja bie in die Zeit des Exils nicht der Fall. 10 
Die Stellen im Buche Micha ce. 2,13 und e. 4,7 find mahrfcheinlich beide nicht von 
Micha, die zweite vermutlich erilifc: in beiden iſt Jahwe der König des Volkes Israel, 
das er anführt oder von Zion aus regiert. Die Daritellung 1 Sa 8, 7, wonach die 
Israeliten mit dem Begehren eines irdifchen Könige das Königtum Jahwes verwerfen, 
iſt keinenfalls älter als aus der Zeit des degenerierenden Königtums. Alter dagegen 15 
fonnte fein dieſelbe Vorſtellung von Jahwes Königtum in der Ablehnung der Könige: 
würde durch Gideon Ri 8,23, wobei übrigend weder das Nonen melek nod das 
Verbum 72 gebraucht wird, fondern das Verbum Sr. Jeremia (ec. 8, 19) redet von 
Jabme als dem König Zions, 

Häufiger angewandt wird die Noritellung von Jahwe als König erit nad dem 20 
Untergang des Königtums. Deuterojefaja gebraucht fie, um wie Dt 33, 5 Jahwes 
Terbältnis zu Israel auszudrüden (ef 41,21; 44,6); „Schöpfer I \öraela” und „euer 
König” gelten ihm (Jeſ 43,15) als parallele (Sottesbezeichnungen. Nicht anders iſt 
bei ibm zu verftehen die Freudenbotfchaft an Zion: „König ift geworden (77) dein 
Son“ (Jeſ 52, 7); Gott wird das eben durch die Wiederberitellung Jsraele. Ebenſo 26 
bietet nad) . e 3, 15, in einem wabrjcheinlich nachexilifchen Abfchnitt, Jahwe als „der Rönig 
Israels“ feinem Volle Schuß und Berubigung gegen Anfeindung. 

Tagegen erfcheint Jabwe in Pfalmen, welche wohl alle nacherilifch Sind, als der 
König der Völker, der ganzen Erde (Pf 47, 3. 8; 98, 6; das Verbum 727 » 93,1; 
96, 10; 97, 1; 99, 1; Tem Bf 22, 29), ebenfo in einer nacherilifchen apofaltıp- 30 
tiſchen Darftellung Sach 14, 9 und fo wobl auch in zwei Jeremianiſchen Abſchnitten, 
die in ihrer vorlie enden Form ſchwerlich Jeremianiſch find, Jer 46,18; 48,15. In 
dem ſpät naderiliihen Zuſatz der Schrift Ohabdja wird v.21 die Königeberrfchaft Jahwes 
(7272°277) hergeſtellt durch die Beſitznahme Kanaans nach Befreiung der Gefangenen Jeraels 
aus den verſchiedenſten Gegenden der Erde. 

Aber die ältere Beziehung des Königtums Jahwes ſpeziell auf Israel zeigt ſich auch“ 

in Pſalmen häufig, nämlich in den Wendungen „unſer König“ Bf 47, 7, „mein König“ 
J 44, 3 und 74, 12, „ihr König” Bj 119, 2 und in der mehrmals vorfommenden 
Formel „mein König und mein Gott” (PA, 3; 84, 45 vgl. Pi 68, 25 „mein Gott, 
men König”, Bf 145, 1 „mein Gott, der König“ ). In einem Pſalm, der voreriliſch 40 
ſein müßte, wenn er fih wirklich auf die Rückkehr der heiligen Yade aus dem Kriege 
beziehen ſollte (Pi 24, 7— 10), wird Xabtve gefeiert als „der König der Ehre”. Jeden⸗ 
fallö beißt bier Jahwe fo als der König Jsraels, denn der Ehrenfönig wird gefchil: 
dert als „Starter und Held“, als „Nriegebelb”. Pſ 48, 3 beißt Jeruſalem „eines großen 
Könige Stadt“ '= = m, was ſehr bejtimmt an ben Gott nen Te zu Tyrus er: 45 
innert. Auch Pſ 20, 10 lin einem vielleicht vorexiliſchen Pſalm) wäre nach dem maſo— 
retiſchen Teri Jahwe als „der König“ angeredet, und dieſe Benennung müßte auf ſein 
Königtum in Joragel bezogen werden; aber zweifellos iſt die Beziebhung auf den irdiſchen 
König nad dem LXX-Tert die originale. Deutlich dagegen beißt Pſe10, 16 Jahwe „ein 
König”, und zwar zunächſt im nationalen Sinne, denn er ift es „für immer und ewig“, 50 
nachdem „die Heiden aus feinem Lande verſchwunden find“; die Vorſtellung iſt aber zu: 
gleich univerſaliſtiſch gemeint, denn in 9, der mit BF LO einen Zuſammenhang bildet, 
ft v. 5 und 8 von dem Throne Jahwes die Rede, von meldem aus cr den Gröfreis 
und die Völker richtet. 

Die Vorftellung von dem nationalen Königtum Jahwes konnte kombiniert werben 55 
mit der Anſchauung von feiner Königsberrſchaft über die Völker oder die Welt. Die ſpät 
nachexiliſche Apokalypſe im Buche Jeſaja läßt Die Königsherrſchaft Jahwes eintreten „auf 
dem Zion und in Fetzſalem nach Überwindung aller feindlichen Mächte auf Erden 
und am Himmel (ef 24, 23). In Diefem weltumfaſſenden Zinne feiner “önigebern 
ſchaft wird dann zuletzt Sabine bezeichnet ale „der König des Himmels“ (Da 4, 34). wo 


300 Moloch 


Auch dieſe letzte Form der altteſtamentlichen Vorſtellung von Jahwes Königsberrſchaft iſt 
nicht ohne Vorbilder im weſtſemitiſchen Heidentum. Sie hat ihre allerdings weſentlich 
anders zu verftehenden Analogien in dem Baal-fbamajim „Himmelsbaal“ einerjeits und 
der Meleket-ha-ſchamajim „Himmelskönigin“ andererſeits (ſ. A. Baal Bd II, S. 331, æff. 
sund A. Aſtarte ebend. S. 155f. $ 3). Der „Himmelsbaal“ kann nicht, wie neuerdings 
Lidzbarski cs darjtellt (Epbemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, S. 213—260: „Bel: 
ſamem“), erjt jpät unter jüdiſchem Einfluß gebildet worden fein, wenn wirklich der Name 
eines der Götter des Meftlandes in dem feilfchriftlichen Vertrag zwiſchen Aſarhaddon und 
König Baal von Torus (Zimmern, Keilinſchr. u. d. AT’, 5. 357) lautet (lu) Ba-al- 
iv sa-me-me und mit Baalſchamajim gleichzujegen iſt. (Zu der altteitamentlichen „Idee der 
königebereichaft Gottes“ überbaupt vol. ‘ob. Mei, Die Predigt Jeſu von Reiche Gottes', 
1900, 1—17.) 
—* allem, was wir über hebräiſche Eigennamen, welche den Gottesnamen melek 
enthalten, und ſonſt über die Entwickelung der altteſtamentlichen Vorſtellung von Jahwes 
15 Königtum wiſſen, iſt es nicht wahrſcheinlich, Daß dieſe Vorſtellung althebräiſch, aud nicht, 
daß fie auf ioraelitiſchem Boden gebildet iſt nach der Entjtebung eines einbeimijchen König 
tums. Nielmebr ift die Auffaſſung der Gottheit als eines Königs im AT höchſt wahrfchein- 
lich von den Kanaanäern entlebnt und auf Jahwe übertragen worden, teilmeife anfcheinend im 
Gegenſatz zu dem abgöttifchen Melekdienſt. Keinenfalls kann aus dem vorliegenden Da: 
2) terial mit Eerdmans (a. a. O., S. 113) gefolgert erden, daß der Melekdienſt nichts 
anderes ſei als die alte Form der Jahweverehrung und daß Jahwe zu einer befondern 
Klaſſe von Melef-Gottheiten gehört babe. Daß der „Molek“- -Dienfti in Juda an einem beſtimm⸗ 
ten Punkte der Geſchichte ploͤtzlich hervortritt, läßt ſich unmöglich mit Eerdmans (S. 146f.) 
ohne eine neue Vermittelung als das Wiederaufleben einer beinabe in Wergefienbeit 
25 geratenen altbebrätjchen Nultusfitte verfteben, ſchwerlich auch lediglich als die Neuaufnahme 
eines ſchon bei der Einwanderung Israels bon den Kanaanäern überfomnenen Brauchen. 
Von irgendwelcher Seite ber muß bei dent Auffommen des Melefdienites unter Abas oder, 
wenn man fo will, unter Manaffe ein Anſtoß erfolgt fein. Die wahrſcheinlichſte An- 
nabme bleibt, daß dieſer Kultus damals aus der Fremde fan, allem Anfchein nad aus 
30 Phönicien (ſ. oben 8 I, 3e). Er fand um fo leichter Aufnahme, als man ın Israel 
bereits früber, wenigftens vereinzelt, nach dem Worbild des fanaanäifchen Malf die Gott 
beit als melek bezeichnet batte. 
Aber wenngleih der Gedanke des Königtums Jahwes weder bebräifchen noch ur: 
ſemitiſchen fondern ſpeziell aramäiſch-kanaanäiſchen Urſprungs iſt, jo iſt er doch nur eine 
35 aus der beſondern Form der Staatlichen Verfaſſung bei den fanaanätfchen Semiten bervor: 
gegangene Spezialiſierung der allgemein ſemitiſchen und auch althebräiſchen Vorſtellung von 
der Gottheit als dem Führer und Gebieter des einzelnen Stammes. 
Die Babylonier haben dieſem Gedanken Ausdruck gegeben, indem ſie das Epitheton 
Sarru, bei ihnen die Bezeichnung für den König, weſchinehen Göttern, beſonders dem 
wo Anu, beileglen (Zimmern, Keilinſchr. u. d. AT’, 3527.) Der Gedanke bes gött⸗ 
uchen Königtums auf israelitiſchem Boden iſt aber — aus Babylonien herzuleiten. 
Konſequenterweiſe würde dann überhaupt Die weſtſemitiſche Vorſtellung von der Gottheit 
als Malk oder Melek auf Babylonien zurückzuführen ſein. Dieſe Herleitung bat aber 
feine Wahrſcheinlichkeit für fich, weniger deswegen, weil die Weſtſemiten ftatt Des auch 
35 ihnen geläufigen Wortes sar Das andere malk, melek auf die Gottbeit anmwandten, als 
deswegen, weil, wenn ich recht ſehe, Die Rorftellung des göttlichen Königtums auf weit: 
ſemitiſchem Boden viel intenfiver bervortritt als auf babyloniſch-aſſyriſchem. Nur dort tft 
mik geradezu zum Gottesnamen geworden. Zudem bereitet das häufige Vorkommen 
des Gottesnamens milk ſchon in den kanganäiſchen Namen der Amarna-Tafeln der Her: 
leitung aus Babylonien Schwierigfeiten. Überbaupt haben wir keinerlei Veranlaſſung, 
die weſtſemitiſche Auffaſſung von der Gottheit ale König in Babylonien  entftanden 
denken, Da Die kanaanäiſchen Stämme jeit alters, fo ſchon in der Zeit der Amarna- Tafeln, 
von kleinen Königen regiert wurden. Im Vande des babyloniſchen Königtums kann ſich 
die Vorſtellung von der Gottheit als einem Sarru, in den Gebieten der weſtſemitiſchen 
> Ztadtfünige Die entiprechende als von einem milk jelbitftändig aus der alten Anfchbauung/ 
von dem Stammgott berausgebildet haben. Jedenfalls tft der altteftamentlihde Name für 
den göttlichen König weſtſemitiſchen, nicht babvlonijchen Urſprungs. Der babylonifce 
Anu fit allerdings auf einen himmliſchen Throne, der kussü genannt wird (Zimmern 
aa. 05, 2.352), wie der Thron Jahwes NZZ in den Vifionen Jeſajas und Michas 
w des Zobnes Jimlas. Auch hier braucht aber nicht mehr vorzuliegen als eine Analogie. 





Moloch 301 


3. Die althebräiſche Vorſtellung von Jahwe und die Malk-Gott— 
beiten. Wenn die mit malk bezeichneten Gottheiten nur beſondere Formen der mit 
dem Namen ba’al allgemein benannten phöntciichen Götter und das Verderbenwirken 
nur eine Ceite ihres Weſens und nichts fie von andern Göttergeitalten Kanaans Unter: 
ſcheidendes iſt, jo kann nicht geradezu gefragt werden, ob der Gott der älteften Hebräer mit 6 
einem Spezialgott Malf, deflen etwaige Bejonderheiten die ſpätere Bildung eines Lofal- 
kultus waren, identifch fei, jondern zunächſt nur ob die altbebräifche Religion nicht außer 
Verbindung ſei mit den Religionen der benachbarten und verwandten Völker überhaupt. 
Auf jeden Fal war die von Einigen gegebene Antwort unrichtig oder doch nicht er: 
ichöpfend, daß der alte Hebräergott wie angeblich auch der „Malk“ ein verderblicher, dem 
Leben feindliher Gott geweſen je. Der Gott der Hebräer war dies, wo feine Erhaben- 
beit von jeiten feiner Verehrer verfannt und durdy Ungehorfam gereizt oder von deren 
Feinden durch Verlegung des gottermwählten Volkes angetajtet wurde; er war aber zu: 
gleich ein das Leben jegender und fürdernder Gott. Ebenſo iſt auch von dem „Malt“ 
die legtere Seite nicht auszufchliegen, tie überhaupt nicht von der ganzen Neihe der 
Baalım. Das und geläufige Bild des Molochs als eines btutbürftigen Scheuſals iſt ent- 
ſtanden durch die Polemik der ſpätern israelitiſchen und griechiſchen Religionsauffaſſungen, 
die in dem phöniciſchen Gott über den für ihren höhern Standpunkt verabſcheuenswerten 
— die damit kontraſtierenden mildern überſahen. Doch mochten letztere wirklich in der 

raxis des volkstümlichen Kultus von den Verehrern der Malk-Gottheiten vergeſſen 20 
werden. Nach einzelnen phöniciſchen Götterbildern zu urteilen, thut die Auffaſſung 
jenes Kultus als eines überaus rohen ihm nicht Unrecht, aber nur dem entarteten 
Kultus nicht, der nicht mehr dem urſprünglichen, noch jetzt durchſichtigen, Gottesbegriff 


bau 


0 


pa 


5 


Es iſt nicht zu verfennen, daß uns aus dem ältejten Glauben und Kultus der He= 25 
brüer Züge berichtet werden, welche an Vorftellung und Dienſt de „Malk“ erinnern, 
wie vor allem die auch bei den alten Hebräern beftehende Sitte der Menfchenopfer, die 
weniger durch Jephtas Opfer bezeugt wird, weil diefes auf Synkretismus beruhen Tann, 
als durch die Abweifung der Opferung Iſaaks, worin der Sieg der geläuterten Gottes: 
idee über eine ältere rohere zu erkennen iſt. Auch die Löfung der menjchlichen Eritgeburt so 
wird nicht nur eine theoretiihe Komjequenz jein aus der Sitte, die tieriiche Erjtgeburt 
darzubringen, ſondern vielmehr urfprüngliche wirkliche Opferung derjelben vorausjegen. 
Es gebt dies hervor aus der jedenfalls alten Beziebung des Paſſahs auf ein Ereignis 
der Beribonung von Israels Eritgeburt bei göttlicher Vernichtung der ägyptifchen, wo— 
nach das Ballahopfer ericheint als ein Erfag für die eigentlich der Gottheit verfallene 35 
menfchliche Erjtgeburt der Jeraeliten. In alter Zeit wurde dieſe, fo ſcheint es, gleich: 

eitig dargebracht mit der am Paſſah fälligen Erftlingsgarbe. Wenn der Friegsgefangene 
Moon am Heiligtum zu Gilgal „vor Jahwe“ getötet wird (1 Sa 15, 33), fo ift das 
doch eine Art Opfer. Das auch an Menſchen zu vollziehenve Cherem, im altteftament- 
lihen Geſetz als Strafe der Vernichtung aufgefaßt, iſt nach feinem Namen urjprünglich 40 
zweifellos als Opfer gedacht worden. 

Daß in dem ephraimitifchen Stierdienft, der alten Form des Jahwedienſtes, Menſchen⸗ 
opter noch bis in die prophetifche yet hinein üblich geweſen ſeien, iſt allerdings ſchwerlich 
"aus Ho 13, 2 zu entnehmen, wo kaum von Solchen, die Menſchen opfern, die Rede iſt, 
ſondern eher von Opfernden unter den Menihen (ſ. A. Halb Bd IX, S. 712, 58 ff.). 5 
Die Frage bei einem wahrjcheinlich ungefähr der Jeremianiſchen Zeit angebörenden Pro— 
pheten im Buche Micha (c. 6, 7): „Soll ich darbringen meinen Erftgeborenen um meine 
Zünde, die Frucht meines Yeibes um die Verfehlung meiner Seele?” zeigt nur, daß der 
damaligen Zeit das Kinderopfer nicht fremd war, aber nicht daß «8 von Haus aus im 
Jabmwedienft geübt wurde. 50 

Die einitmals in Israel vorkommenden Menfchenopfer berubten aber nicht not: 
wendig auf einer der „Moloch”= dee verwandten Anſchauung von dem verderbenden 

e der Gottheit, fcheinen vielmehr wenigftens teilweise, jo das Gritgeburtsopfer in 

ele mit den dargebradhten Eritlingen der Früchte, ein Tribut des Dankes an die 
ende Gottheit zu fein. Wohl aber erjcheint in den Sagen nicht nur der pa= 55 
triarchalifchen und mofaischen jondern noch der jpätern Zeit bis in die der Königsberrichaft 
hinein, wie bei der Volkszählung Davids, der Hebräergott als ein furchtbar und ver: 
derblich zürnender, als ein das Irdiſche, wo es unberufen vor ihn tritt, vernichtender und 
deshalb dem Menfchen unnahbarer Gott, deſſen von Manoah gefürchtetes, dem Mofe und 
Elia nur annähernd gewährtes Anſchauen den Tod bringt — cine Vorftellung, welche co 


— ⸗ 
— 


Pe | 


30% Moloch 


im ethiſih geſärbter Modifikation noch in der Furcht Jeſajas bei der Viſion der Propbeten- 
weihe nichklingt. 

Aber alle Zuge Des Hebräergottes, Die ihn als einen verderblichen, furchtbaren charal⸗ 
were, dannen an ſich nicht einen ſpeziellen Juſammenhang mit dem Melekdienſt konſta⸗ 
en denn Ne berubren Sich mit der altſemitiſchen, namentlich mit der phönicifchen 
(Nottvsporitellum uüberbaupt. Das Men'ſchenopfer, auf das man fich für jenen beſondern 
Ruſimmenbang zumeüt berufen bar, iſt in ſemitiſchen Kulten auch Gottheiten dargebracht 
werdet. welche nieht ale mik bezeichnet wurden. Jene Charakterzüge des alten Hebräer— 
ollev ale einee verderdlichen. die auch bei feiner in der altteſtamentlichen Religion all⸗ 
mabhlich dub vollziebenden Ummwandlung niemals ganz vergeſſen und verwiſcht wurden, 
atmen uber dak Me Iudaer m Jeuen der Ver und der Ver zweiflung Hilfe fuchten bei 
KiKa venden Wort Ni us rerter alten, jetzt wieder auflebenden Anfchauung ven 
ber Goltheit antun. 

Car Hugen der Jurce:arkerr m der Veritellunz Des alten Sebräergottes wird em 
(Musibwioude gegeben in audern veride tor dertellen ala den Werfmetiter Himmels und 
ber Win und ihm den Segen der —— uidreen. in Erzäblungen, die ibn unter 
Wa vebenvmmdeten den zuunenden Daumen un am den vebenäfroft ſpendenden Quellen 
verchel werden ZN ® Zuhmli 21m 287, vgl. A. Haine Bd VIII, 
zZ alt 

Sie alles NP ni nungn uns Sulmerormiz. melde Das hebräiſche Altertum 
ut dem nibthebrtotig Sermrishan nun Zin (Sr mer einitmals ein den pbönicifchen 
eanliin abe verwendter wm Der alte Schraerzse 3 Ssmmelägott mar — wie Died 
Wub einigen oben anantuprien Anseutunaen „Malt >= Melkart neben einer vereinzelt 
nufttetenden Seinen Redeutung and Jemen jom m2s  - ein Gebieter des himmliſch 
Feuers, worm er fuhb offenbart, io Dem Abrabam :m der zwiſchen den Stüden de 
Aundesopfers wandelnden ‚slanıme Er iendet euer nz, um fündige Städte zu zer 
ſioren; er entzundet mit Himmelsieuer das wohlacts.:zc Üvrer auf dem Altar und 
wandelt als Feuerſaule vor Dem Heere feines Volkes. rm umgeben Die Serapbim, „die 
Arrmmenden”, Die Dod wohl Jarienintationen ſind des zundenden Bliges in feinen 
Windungen, vorgeſtellt als cin Den Himmel durchictrendes geflügeltes Schlangen: 
weſen wall. Baudiſſin, Studien I, 2. 285.. Dieie Feuernatur Des Hebräergottes 
aber iſt nur eine Seite ſeiner Brkcutung alz Simmelsası. vermöge Deren er an andern 
Ziellen im Lichtglanz und nicht minter im Wolkendunkel K& offenbart. Nirgends erfcheint 
der Naturgrund m der althebraiſchen Gottwsitee in der Weüe pestalifiert, Daß Die Gott- 
beit geradezu als Die Sonne oder als eine andere Einzelericheinung Des Himmels vor: 
wejtellt würde. Tarın bat fih wehl der (Gott Der alten Hebraer unterſchieden von 
den fanaanatichen Yaalım überhaupt. An den pboniciſchen Gottern läßt ſich nur noch 
dunkel als Naturgrund Die Bedeutung von Himmelsgöttern allgemeiner Art erkennen. 
Die Hebräer ſind bei der weitern Auffaſſung eines Himmelsgontes ſteben geblieben. Auch 
bedurfte ihr (Gott nicht Der Erganzung durch eine weibliche Paredros, mie die Baalat des 
Raal, Die Meleket Des Melek oder Mall. Sie haben, ſofern ſie nicht zu fremden Kulten 
abfielen, Me Gottheit, ſo ſcheint es, niemals ſo tief in Das Einzelleben der Natur hinab⸗ 
gezogen, wie ihre Nachbarn es thaten. So konnten an den altbebräiſchen Gottesglauben 
Die Propheten, denjenigen welcher an ihre Spitze gebört, Moſe, nicht ausgenommen, ihren 
ethiſchen Gottesbegrifi anknüpfen, während Die phöniciſche Götterwelt einer ſolchen Ver: 
geiſtigung unzugänglich blieb und in immer widerwärtigere Verzerrungen der menſchen⸗ 
artig auigefaßten Naturkräfte ausartete. 

Die Verwandtſchaft der althebraiſchen (GGottesvorſtellung mit der allgemein⸗phöniciſchen 
iſt unbeſtreibbar. Inwieweit Dies auf urſemitiſchen Zuſammenhängen beruht, inwieweit 
auf Entlehnungen oder auch auf einer beiderſeits erfahrenen Beeinfluſſung von außen ber, 
it bier nicht zu unterfucden. Cs mag Dabei noch ein beſonderer Zufammenbang be: 
iteben zwiſchen einer beſtimmten als malk bezeichneten Wottbett und Jahwe. Es wär 
Dies der Fall, wenn wirklich, wie wir vermutet baben (oben SII, 1 und 3b), jpeziell ber 
aramärch: phöniciſche Gawittergen Hadad das Epitbeton mik führte. Der Gott der alten 
Hebräer ſtand vorzugsweiſe in einer Beziehung zu den Gewittererſcheinungen. Cine Ana 
logie und vielleicht irgendwelcher hiſtoriſche Zuſammenhang liegt auch darin vor, daß der 
Hebräergott im Stierbild verehrt wurde und der Stier bei den Meitfemiten vorzu 
weile als Das Tier Des (ewittergottes erichemt (wol. A. Kalb, Bd IX, S. 704ff) 
Nach Dielen Nonmbinattonen mag immerbin Der zu den Judäern von auswärts gekommene 


vo Melekdienſt Dem älteſten hebräiſchen Gottesglauben nicht nur homogen jondern 


— nie a Schiene een man. 


Moloch Monarchianismus 303 


direkte Zuſammenhänge verwandt geweſen ſein. Der Meleldienſt der Judäer wäre dann 
als eine mehr oder minder bewußte Zurückwendung zu altnationalem Kultus um ſo eher 
zu begreifen. Aber wenn wirklich Hadad und der Hebräergott in einer beſtimmten Be: 
ziehung zu einander ftehen, fo wird doch die Gemeinſamkeit des, wie es fcheint, and) dem 
Habad beigelegten Prädikates melek nicht aus den älteften Zeiten jtammen jondern 5 
erft aus Berührungen auf dem Boden Kanaans. olf Baudiffin. 


Molther, Menrad, Humanift, Mitreformator in Heilbronn, geb. 1500, 
geft. 1558. — Litteratur: Beith, Bibliotheca Augustana Bd 3. Blätter für württemb. 
K8., 1887, 57 ff., wo ein Lebensbild und ein Verzeichnis feiner Schriften gegeben iſt. Jäger, 
Mitteilungen zur ſchwäb. und fränf. Nef.-G.; Dürr, Heilbronner Chronif; Töpfe, Heidel- 
berger Matritel. Alten des Stadtarchivs Heilbronn (mitgeteilt von Pfarrer Dunder in Beljen. 
Preſſel, Anecdota Brentiana. ©. 288. 


Menrad Molther aus Augsburg befuchte die berühmte Schule des Joh. Pinictanus 
dafelbft und fam 1526 nach Heidelberg (inffribiert 4. Mai, Töpfe 1, 539), wo er neben 
dem Stubium ſich der Erziebung junger adeliger Herren und fchriftftellerifeher Thätigfeit 15 
befonders der Herausgabe feltener, teilmeife neu aufgefundener meift theologifcher Werte, 

B. von Alkuin, Avitus, Chriftian Drutmar, Williram von Ebersberg, widmete. In 
Snerfennung feiner Gelehrjamfeit wurde er 1529 zum Baccalaureus der Theologie Ereiert, 
obne Baccalaureus und Magister artium zu jein, welche Mürden ihm 1530 nad): 
täglih auf einen Tag erteilt wurden (Töpfe 2, 446). 1532 war er Regens der 0 
Realiſtenburſe, wurde aber 1533 (20. Mat) als Prediger nad Heilbronn an die Seite 
yo. Lachmanns (vgl. Bo XI, S. 197) berufen und 1539 deilen Nachfolger. Eine 

eibe ungedrudter tbeologifcher Gutachten Tennzeichnen ihn ale tüchtigen, humaniſtiſch ge: 
bildeten Theologen von fonferbativer, antizwinglifcher Richtung, der das Vertrauen des 

ilbronner Rates mit Recht befaß. 1543 bearbeitete er die Haller Kirchenorbnung für 25 

ilbronn. Die Ereigniffe nad) dem Schmalfaldifchen Krieg mit der ſchweren Einquar- 
tterung Spanischer Truppen brachten ihn in perfönlihe Gefahr (Dürr a. a. O. 105). 
De fchmerzlichen Überrafchung von Brenz riet M. 1548 dem Heilbronner Rat bei dem 
aft unerträglichen Drud der Einquartierung zur Annahme des Interims, da die Predigt 
des Evangeliums nicht verboten, die Meſſe nicht als Opfer für Tote und Lebendige, 30 
jondern als Dankſagung und Gedächtnis des Todes Chriftt gefordert fer und Vigilien, 
Seelenmeflen u. |. w. Kirchengebräuce ferien, melde man mit Bejcheidenheit (db. b. cum 
reservatione) wohl zu halten wiſſen werde. Wohl hielt jebt ein Interimiſt Gottes- 
dienft. M. aber predigte daneben ftreng evangelifch und antirömiſch und mied die Meile, 
weshalb er vom Interimiſten Keger gefcholten wurde, der verbrannt werden follte. 1551 35 
ſchlug Heilbronn M. zum Gefandten der Städte auf das Konzil nad Trient vor, aber 
man ſah von ibm ab. Er ftarb 1558 (vor dem 6. Juni), nachdem das Interim in der 
ee reiner war. Eein Nachfolger war Jakob Nat (f. d. Art. Nat). 1546 

e M. im Auftrag des Rats die Beichreibung von Heilbronn zu Münſters Kosmo- 
graphie geliefert. G. Boffert. 40 


— 


0 


Monardjianismus. — Duellen: Sie find bei den einzelnen Abfchnitten angegeben. 
Litteratur: Sämtliche Darjtellungen der Dogmengejdichte von Münſcher bis zur Gegen: 
wert. Der Abfchnitt in meinem Lehrbuch der Dogmengeſchichte Bd I? S. 648—739 dedt ſich 
weientlich mit dem nachſtehenden Urtitel. Dorner, Entw.-Geſchichte der Lehre v. d. Perſon 
Chrijti, ſ. Th. 1845; Lange, Geſch. u. Entiv. der Syiteme der Unitarier vor der nic. Synode 45 
1831; Hagemann, Die römiſche Kirhe ... in den erjten drei Jahrh. 1864 (die bedeutendite 
und anregendite Monographie iiber den Gegenſtand); Joh. Bornemann, Die Taufe Chriſti 
durch Sohannes in der dogmatijchen Beurteilung der vier eriten Jahrh. 1896. Aloger: 
Kerle, Aufflärung der Streitigkeiten der Aloger 1782; Heinichen, De Alogis 1829; Zahn, 

b 1875 S. 72f.; Caspari, Duellen 3. Geſch. d. Taufiymibols III S. 377f. 398f.; Zahn, 50 

dh. d. NTlichen Kanon? I S.220 ff.; Harnad, Das NT um d. 3.200 ©. 58ff.; Sülicher, 
31889 Nr. 7; Salmon, Hermathena 1892, p. 161}. — Theobdotianer und Artemoniten: 
Rapp, Historia Artemonis 1737; Lipſius, Quellenfritif des Epiphanius ©. 235f.; Chronol. 
der röm. Biſchöſe S. 173f.; Harnad, 3hTh 1874 5.200; Gasparı a. a. O. III S.318—321. 
WAf.; Langen, Geſch. der rum. Kirche I S. 1925. - Beryll: Ullmann, De Beryllo 1835; 65 
‚ Dissert. de christol. Berylli, 1843; Nojjel, Berl. Juhrbb. 1844 Nr. 41f.; Kober, 

S 1848 I. — Paul von Eamofata: Feuerlin, De hacresi P.S. 1741 ; Ehrlid), De erro- 
sibus P.S. 1745; Schwab, Dissert. deP. S. vita atquo doctrina 1839; SHejele, Concilien-Geſch. 
Ir €. 135; Routh, Relig. Sacrac III? p. 286-- 367; Frohſchammer, THOS 1850 1. — 
Abendländiſche Modaliften: Töllinger, Hippolytus und Mallijtus 1853: Volkmar, Hipp. ı. d. 60 


301 Monarhiaunidmnd 

. zenifen Ind Auzemaen 22 O.: Lanzen a. a. C. 2.1925; Lipſius, Quellen⸗ 

ne 2.43, Kererieit. Z.1S,°. IT Des Tu: Harnack, 3hTh 1874, S. 2007.; 
_ z \ 


girten. Worirtionite Ersiise sulen nie Ein Tepe und Unterjuhungen XV, 11.— 
Siieliımamus: Eielermiken Tre. ayzr ID 9.3: Nange i. db. 35h. 1832 II 2 
2. - n2sn, karl sun Anırı IST. 


Bir zesien Ente des 2. war rsunterze tann man tretz Dem entgegenftebenden Schein, 
ir con ben Mrolageren, von Irenaus und Tertullian jewie von Clemens erregt wird, 
ie Jegcelehre in der Chriitenbeit neh nich: als cine allgemein giltige Lehre bezeichnen. 
Ze Fir es im allgemeinen itand, daß man uber CEbriſtus denken müſſe ns zeol Veov 


:. II Clem. ad Cor. 1; „Christo quasi deo“, Ausſage der Chriſten bei Plinius), weil 


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er ter „Bert“, Der „änaeborene Zchn Gottes“, Der „von Dem bl. Geiſt Gezeugte”, der 
„Hidter der vebentigen unt Toten“ et, Te ſelten hibrte Diefe Anerfennung, von den 
vbileiephiſch geichulien Arologeten und einigen anderen Yebrern abgeſehen, zu feiten 
Zrefulatienen über den Sorn Gottes ale Yoxos und uber Den Begriff (Sottes jelbi. Was 


; wir über Diesen und uber den Sobn Gottes ım Hirten Des Hermas leſen (3. 3. Mand. 


I. Sim. V, IX, einem Bude, Das ib um Das Jabr Zum noch hoben Anſehens erfreute, 
mag ungefähr ala der Musdrud einer weitverbreiteten Meinung gelten. Es läßt fid 
durchaus noch nicht auf Die Formeln bringen, in welchen man ipäterbin die Natur und 
Wurde Des Erleiers und Die Seinsweiſe Gottes gefaßt und auszugleichen verjucht bat. 


Auf cine Ausgleidung waren uberbaupt Die wentaiten Damals bedacht; Denn zu einer 


ſolchen bedufte es philejepbiicher Reilerionen, Die den meiſten als Entbuſiaſten oder Idioten 
fernlagen. Zie war aber auch nicht geiordert. Denn ſelbit die Anerkennung der Prä— 
exiſtenz Des Erloſers in beliebiger Form verbielt ſich jo lange gleichgiltig zu dem Begriffe, 
den man ſich von Der Gottheit machte, als man den praeriſtenten Chriftus für en 
geichaffenee Weſen bielt und Dazu noch unbefangen von viner Ntelbeit binimliſcher Geiſter 
und pertenifiziert zu denkender Kräfte redete. Zwar tft ſchon einem Juſtin die aleran⸗ 
driniſchjudiſche Streitfrage über Die ſelbſtſtändige Qualitat der von Gott ausgebenden 
Nräfte wichtig und er bat su ihr Stellung aenommen (Dial. 128); aber es iſt bezeichnend, 
daß er fie nicht als eine chrtitliche Montreverie dem Tryphon vorgeitellt bat. Was man 
in den enticheidenden Jahren zwiſchen 140 und 180 in Bezug auf bie Perſonlichkeit 
des Erloſers als allgemein giltig verteidigte und ſicherſtellte, fiel noch immer in den 
Rabmen des kurzen Vekenntniſſes, welches auf Grund der Formel Mt 28, 19 erwachſen 
war (der aus bl. Geiſt und Der Jungfrau geborene Gottesſohn; der Herr; der Heiland). 
Die Anerfennung der übernatürliden Geburt Jeſu, Durd welche eine gewiſſe Prãerxiſtenz 
allerdings bereits vorausgeſetzt iſt, iſt das für ausreichend gehaltene Minimum geweſen, 
durch welches man ſich von den ſtrengen Judenchriſten und denen unterſchied, welche in 
Chriſtus nur einen zweiten Sokrates bewundern wollten, während die Anerkennung der 
wirklichen Geburt aus dem Weibe und eines wirklichen menſchlichen Lebens, wie es nach 
den Weisſagungen Der Propheten verlaufen tft, bier die Schranke gegen den Gnoſticismus 
bildete. Welche Mühe es gekoſtet baben muß, aud nur diefes Minimum in den Ge 
meinden, bei Gebildeten und Ungebildeten durchzuſetzen und vor Verwilderung zu jebügen, 
daruber konnen die jest als doketiſch oder gnoſtiſch geltenden apokryphen Evangelien und 
Apritelgeſchichten, ſowie die Hypowpoſen Des Clentens belehren. Es iſt trotz der fo 
lückenhaiten Ueberlieferung ned nachweisbar, daß in dieſer Zeit, im Laufe des 2. Jahr: 
hunterte, innerhalb der Durch Das Gemeindebekenntnis Berbundenen jomohl folche Chrifte: 
logien jrietlich neben einander geſtanden baben, welche als Vorſtufen der ſpäteren 
numurcbianiichen als auch ſolche, welche als Reime der arianifch- athanaſianiſchen, ja au 
fer enfettich gnoſtiſchen zu betrachten ſind. Ber demſelben Schriftiteller finden fich Formeln, 
in welchen Die göttliche Würde Des Erlöſers bald auf eine beſondere Erwäblung und 
Begabung Durd Die Gottheit, bald auf Die reale Einwohnung des hl. Geiſtes, bald auf 
eine himimliſche Hypoſtaſe oder auf eine Inkarnation der Gottheit zurüdgeführt wird 
wahrend Der liturgiſche Sprachgebrauch unbefangen einen Teil der Präpifate Gottes auf 
ihn, ſeiner perſonlichen Erlebniſſe und Thaten auf Gott übertrug. Für dieſen Zuſtand des 
dniitologijcen Dogmas ın der Seit bis zum Aabre Iso iſt vielleicht fein Zeugnis Ichr: 
reicher und entſcheidender als Das des Celfus, TDiefer scharfe Beobachter belchrt Darüber, 
wie ſchwankend Die Formeln Damals in Der Großkirche noch geweien find. Man * 
folgende Stellen: I, 57: „Wenn Du ſagſt (Anrede an Jeſus), daß jeder Menſch, den 
die göttliche Vorſehung geboren werden ließ, ein Sohn Gottes iſt, was haſt du dann 
vor einem anderen voraus?” II, 30: Chriſtus nad der Meinung der Chriſten Gott und 
(Sottes Zobn. IL, 31: „Die Chriſten verſchmähen Scheingründe und Trugjchlüffe nicht, 


Monardianismns 305 


um damit ihre Angabe zu ſtützen, es fei der Sohn Gottes zugleich deſſen leibbaftiges 
Wort“. IV, 18: „Entweder verwandelt ſich Gott wirklich, wie dieſe meinen, in einen 
iterblichen Leib“. VI, 69 giebt Gelfus den chriſtlichen Gedanken fo wieder: „Da Gott 
groß und der Anichauung nicht leicht zugänglich iſt, legte er feinen Geift in einen Yeib, 
ber uns ähnlich ift und ſandte ihn herab, damit wir uns von ihm untermweifen laſſen 6 
ünnten”. 

Dan fann einen „naiven Modalismus” jtatuieren (eine modaliftifche Kontroverſe 
fennt Irenäus noch nicht); aber es giebt Feine Beweiſe dafür, daß man Chriftus in 
jener Zeit mit bemwußter Ablehnung jeder Gegenlehre für die Gottheit felber gehalten 
habe, wohl aber galt er ala der Menfch, in dem die Gottheit oder der Geiſt Gottes ge= 10 
wohnt bat, oder — das war gewiß die verbreitetere Anfiht — er galt ald das himm— 
liſche Geiſtweſen, welches Fleijch angenommen bat und erjchienen if. Was den ent- 
jcheidenden Zeitpunft und Vorgang betrifft, von welchem man feine außerordentliche 
Würde ableitete und in welchem man fie gewährleiſtet jah, jo war es geitattet, bei dem 
Ereignis der wunderbaren Entſtehung jteben zu bleiben oder unter Anerkennung derfelben ı5 
nach vorwärts oder rückwärts vorzufchreiten. Für die, welche in Chriftus ein himmliſches 
Geiſtweſen intarniert fahen, lag der Vorgang, durch welchen er Alles geworden ift, was 
er iſt, in feiner vorweltlichen Erichaffung, und die wunderbare Geburt war nur die 
jelbftverftändliche Folge derſelben (doch war auch auf diefem Standpunft der Gedanke 
einer „Erhöhung“ nad) dem Siege über den Tod nicht ausgefchloffen). Die aber, welche zu 
ihn als den Menſchen verehrten, mit dem der Gottes Geiſt fich in befonderer Weiſe verbunden 
bat, durften noch immer an den Vorgang bei der Taufe denken, um das Walten des 
Geiſtes in Chriftus an ein entſcheidendes Ereignis zu fnüpfen, wobei dann die wunder: 
bare Entitebung nur als ein Worbereitendes galt. Aber fie durften auch noch von einer 
Bewährung Ghrifti und einer fortichreitenden Erfüllung des Menfchenfohns mit dem a5 
Geiſte und einer wirkliden und wunderbaren Erböhung desfelben durch die Auferstehung 
predigen. 

Auf die beiden genannten Formeln laſſen ſich die verfchtedenen chriſtologiſchen An- 
ſchauungen in den unter fich verbundenen Gemeinden des 2. Jahrhundert? zurüdführen. 
Ste konnten in der Predigt, in den Gejängen, in den Gebeten fo verwertet werden, daß 30 
ein Unterjchted zmifchen ihnen wenig oder gar nicht empfunden wurde, aber darüber 
darf nicht überjeben werden, daß ein folcher wirklich beitand. Allerdings iſt er bereits 
als ein tbeoretijcher, ein theologifcher bezeichnet, wenn es richtig iſt, daß er religiös nicht 

funden zu werden brauchte. Aber es kann doch nicht auffallen, daß die Theologen fich 
nicht über ihn hinwegzuſetzen vermochten, und das öffentliche Belenntnis bat je und je durch 35 
die Sfrupel der Theologen feine Ausbildung erfahren. Aber eg waren nicht nur die Theo— 
logen, welde an dem Sireite teilnahmen. Auch die Maſſen wurden aufmerffam und 
traten mit ihrem Schwergeivicht auf die eine Seite. Für beide Formeln ließen jich die 
bi. Schriften anrufen. Aber entichieven waren unter den damaligen geitverhältmiffen die 
im Vorteil, welche die Inkarnation eines befonderen göttlihen Weſens in Chriſtus 40 
erlannten, fo gewiß es in Wahrheit angeſichts der urſprünglichen evangeliſchen Verkün— 
digung, die auch in den ſynoptiſchen Evangelien nicht mehr rein vorliegt, diejenigen waren, 
welche in Jeſus den vom Geiſte erfüllten und zum Sohne Gottes berufenen Menſchen 
ſaben. Doch jene Auffaſſung entſprach der Deutung der altteſtamentlichen Theophanien, 
welche von den Alexandrinern übernommen war und die ſich im apologetiſchen Beweiſe «s 
als ſo überzeugungskräftig erwieſen hatte (die chriſtliche Sohn-Gotteslehre konnte den ge— 
bildeten Heiden durch die Logoslehre am leichteſten annehmbar gemacht werden; ſ. das 
denfwürdige Geſtändnis des Celſus II, 31: „Iſt wirklich nach euerer Lehre das Wort 
der Sohn Gottes, dann ftimmen wir euch bei”); fie ließ fich ftügen durch das Zeugnis 
des Paulus und einer Reihe von alten Schriften, deren Autorität mehr und mehr eine so 
abfolute wurde, und endlich — was nicht das geringite war — fie ließ ſich mit wenig 
Mübe den fosmologifchen und theologischen Sägen einordnen, die man als das Fundament 
für eine rationale chrijtlihe Theologie von der religiöjen Philoſophie der Zeit entlehnt 
hatte. Wo man den Glauben an den göttlichen Yogos zur Erklärung der Welt-Entftebung 
und =&efchichte aufnahm, da war cs jchon entjchieden, durch welche Mittel auch die gött: 55 
liche Würde und die Gottesjohnichaft des Erlöjers allein zu beftimmen ſeien. Bet dieſem 
Berfahren batten die Theologen felbit für ihren Monotheismus nichts zu fürdten — 
auch dann nicht, wenn fie den Logos mehr fein ließen als ein aus dem Scöpfermillen 
Gottes herworgegangenes VBroduft - ; Juſtin, Tattan, die anderen Apologeten zeigen 
nicht die geringfte Beforgnis um ibn. Denn Die unendliche, binter der Welt rubende co 

RealsEncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. U) 


306 Monardianisnms 


Sub ls bie Gottheit t wurde, f & 
en ge green ann ei here ubjeften 
er ——— — — —— 
v — wie ber u a ie | en 
s auch für bie eg — a ig . —— er —— —— * jenes 
2 w 1. er a 

—* — —S für feine, pirkuofe es * — bereite — 
| orarbei Diefer Begriff Eonnte jeder Wandlung und Steigerung des 
religiöſen Intereſſes jeder Vertiefung der Spekulation, aber auch allen Bebürfniffen des 
Au Ahnen bibliſcher a andepaht werben, Er offen: 
allmäblich als die bequemite Variable, die jofort ſich bejtimmen ließ d Te 





aus entiprungen war, 
15 logische Entjtehung des Bee An volljtändig verdeckte. Aber es dauerte lange, bis 
dies erreicht war o es noch nicht erreicht war, ſo lange der Logos 
als die Formel verwendet wurde —————— ei es nun das Urbild der 
Welt, ſei as vernünftige tg — gl ſo * at Gens m in 
Bezug auf die Zweckmäß ung der Gottheit Chrift nicht 
20 ganz auf. De e Got men —— in dem Erlöſer aı 
und nichts weniger. Grit — ihnen das durch feine Deutung der Formel 
vom Logos Be aber * auch den ganzen eh zwar nicht zu 
aber d ich zu Fe bie ——— —— von 
nafius bis Auguftin iſt Die like ber Subfritution osbegriffes durch den des 


26 ea ren en ni ber frei mod) „x © Züge des alten Logos 


begri 
ie en doch nicht die Bejorgnis um die göttliche Würde Chriſti geweſen, welche 
den eriten formulierten Widerjpruc gegen bie —— ogie im 2. —— ner 
vorgerufen bat; vielmehr war es die Beforgnis um den Monot us, 
so die durch die Apologeten vertretene Theologie richtete, in der En des —— 
aber lediglich das Intereſſe an der denſchheit des Erlöfers. 
Angriff auf die Verwendung ber platoniſch-ſtoiſchen — N side in 
Glaubenslebre. Die erſten öffentlichen und  litterarifchen 
Logosipelulationen jind dem Vorwurfe nicht entgangen, die ae bes Ciisfens berab- 
35 zu wenn nicht aufzuheben. Erſt in der Folgezeit, in einer zweiten ‚ baben 
die er der Logoschriftologie den Vertretern diefer jenen Vorwurf zurüdgel Tönnen, 
Zunäcit bandelte es ſich den Menſchen Jeſus, dann um den Monotheismus und die 
göttliche e Mürde Chrijti bei den Monarchtaneın. Bon bier aus wurde aber allın 
Die gefamte tbeologifche Deutung der zwei erjten Artikel der regula fidei wieder 
10 —— dur Verjtändnis war gegen den Gnoſticismus ficher gejtellt. Aber enthielt 
nicht die Lehre von einem himmliſchen on, der in Chriſtus inkarniert ſei, noch einen 
Reſt des alten gnoſtiſchen Sauerteigs? Erinnerte nicht die mgoßoAn Tod Adyov am bie 
Emanation der Honen? War nicht der Ditheismus — wenn zwei göttliche 
Weſen angebetet werden jollten? Nicht nur die ungebilveten Yaienchriften mußten fo 
45 urteilen — was veritanden fie von der „ökonomiſchen Seinsweiſe Gottes’? — jondern 
auch alle diejenigen Theologen, welche von der platonijch-ftoifchen — aan urn in ber 
chriſtlichen Dogmatik nichts wiljen wollten. Ein Kampf begann, der mehr als 150 Jahre 
edauert hat. Wer ihn eröffnet bat und zuerft agareffiv geworden ift, wiſſen wir micht. 
Der Kampf nimmt in berfchiedener Sinfih das höchſte Intereſſe in Anfprud und kann 
so unter verſchiedenen Gefichtspunften bejchrieben werden. Zwar nicht als ein ns der 


le; 


Theologie gegen eine noch entbufiaftiiche Religionsauffaſſung — denn Entbufiaften 
auch die litterarifhen Gegner der —— nicht mehr geweſen, vielmebr ale 
anfangs erflärte Gegner derjelben —; wohl aber als das Ringen des —— 
nismus um die Herrſchaft in der —— als der Sie i 3 und 
55 Arijtoteles im der chriftlichen Wiſſenſchaft, als die Geſchichte —* — des 
— Chriſtus durch den präeriftenten, des lebendigen du gedachten, ın ber 
ogmatif, endlich als der fiegreiche Verſuch den chriſtlichen G —* Ma Laien durch 
eine ihnen unverjtändliche theologische Formel zu bevormunden und das der 
Perſon an die Stelle der Perfon zu ſetzen. Das Erſte aber, was dem entgegentritt, 
co welcher die Geſchichte dieſes Ehreitea überſchaut, ift bie Beobachtung, daß fich Die Gegner 





Monardianismns 307 


bald wechſelweiſe, wenn auch nicht gleichzeitig, diefelben Vorwürfe zufchleudern und jeder 
den anderen wirklich zu widerlegen vermag. Die Lehre aus diefer Beobachtung ergiebt 
fih von jelbit. indem aber die Logoschriftologie zu vollem Siege gelangte (Xoworös 
Aöyos al vöuos), wurde mit der Vorftellung von der Einperjönlichteit Gottes auch jeder 
Gedanke an die wirkliche mienfchliche Perfönlichfeit des GErlöfers als kirchlich unerträglih 5 
verdanmt. Die „Natur” trat an die Stelle, die ohne die Perſon ein Nichts ift. Unſere 
Sympathie wendet fidh bier dem Unterliegenden nicht zu, weil er unterliegt, ſondern weil 
er Nichtiges vertreten bat. Aber der Hiftorifer fann auch Sympathie geiwinnen für einen 
ibm fremden Gedanken, wenn er fonjtatieren muß, daß er die pafjende Formel für den 
gefamten religiöjen Inhalt des Bewußtſeins einer Zeit geivefen ift. Welcher Wert diefem 10 
Inhalt zukommt, iſt freilich eine zweite Frage. 

Mit einem Ausdruck, den Tertullian geprägt bat, verjteht man unter Monarchianern 
die Vertreter des ftrengen, nicht:öfonomifchen Monotheismus in der alten Kirche, d. h. 
eben diejenigen Theologen, welche die Erlöferwürde Jeſu feitbielten, aber zugleich den 
Glauben an die perfönliche (numerische) Einbeit Gottes nicht aufgeben mwollten und das 15 
ber Gegner der Spekulationen wurden, die zu der Annahme der Zei: reſp. Dreieinigfeit 
der Gottheit geführt haben. In Wahrheit iſt diefe Definition zu eng; denn ein Teil 
der älteren fog. dynamiſtiſchen Monardianer (ob alle?) bat neben Gott als eivigen 
Eohn Gottes den bl. Geiſt anerkannt, aljo zwei Hypoſtaſen angenommen. Dieje Binitarier 
baben aber in Jeſus feine reale \nfarnation diefes bl. Geiſtes geſehen und find daher 20 
als Ghriftologen weder trinitarifch noch binitarifch, fondern monarchianiſch. Übrigens ift 
der Name „Monarchianer“ in der alten Kirche nicht für dieſe gebraucht worden, jondern 
allein für die Theologen, welche in Chriſtus eine Inkarnation Gottes des Vaters jelber 
lehrten. Auf die älteren dynamiftischen Monarchianer ift er nicht ausgedehnt worden, 
weil im Kampfe mit ihnen, fo viel mir wiſſen, die Frage nach der Ein- oder Mehr: 5 
perjönlichfeit Gottes überhaupt nicht kontrovers getvorden ift. — In einem weiteren Zinne 
fönnte man auch die Artaner und alle diejenigen Theologen zu den Monardhianern (vom 
Standpunft der abfoluten, nicht der ökonomischen Theologie) rechnen, welche die perfün= 
liche Selbſtſtändigkeit eines Göttlichen in Chriſtus zwar anerkannten, aber dasjelbe für 
ein Produkt der Schöpfertbätigfeit Gottes des Waters bielten. Indeſſen empfiehlt es fich so 
nicht, dem Begriffe jo weite Grenzen zu geben; denn eritlich entfernte man ſich damit 
von der alten Klaflifizierung, jodann ift doch nicht zu verfennen, daß auch bei den 
radikalſten Artanern die Ehriftologie auf die Gotteslehre zurückgewirkt bat und der ftrenge 
Monotbeismus irgendiwie eingefchräntt if. So bleibt es aus fachlichen und gefchicht- 
lihen Gründen das Zweckmäßigſte, unter Monarchianern lediglich folde Theologen zu 35 
verfteben, welche in Jeſus den geifterfüllten und zum Sohne Gottes berufenen Menſchen 
oder eine Inkarnation Gottes des Waters erfannten, wobei vorbebalten bleibt, daß die 
eriteren in einigen Öruppen den bl. Geiſt als göttliche Hypoſtaſe beurteilt haben, aljo 
eigentlich nicht mehr Monarcianer im ftrengen Sinne des Wortes find. Übrigens iſt der 
Ausdrud „Monarhianer” infofern unzwedmäßig, als ja auch die Gegner die Monarchie 40 
Gottes feſthalten wollen (ſ. Tertull. adv. Prax. 3sq.; Epiphan. h. 62,3: od noivdelar 
donyovusda, dila uovapyiav xmoVrrouer), ja ibrerfeits den Mlonarchianern den 
Vorwurf, die Monarchie zu zerftören, zurüdgeben. „Il novaoyia tod Yeod“ war im 
2. Jahrhundert ein jtebender Titel in der Polemik der Theologen gegen Polytheiſten und 
Gnoftifer (j. die Stellen aus Auftin, Tatian, Irenäus u. f. w., welche Gouftant zu ep. # 
Dionys. Rom. adv. Sabell. [Routb, Relig. S. III p. 385sq.| geſammelt bat). Ter: 
tullian bat den Wamen „Monarchiani“ darum feinestwegs im Sinne der direften Be: 
zeichnung einer Härefie feinen Gegnern gegeben (adv. Prax. 10: „vanissimi Monarchiani“), 
fondern fie vielmehr nad dem von ihnen ausgegebenen Stichwort ironisch benannt. Der 
Rame iſt auch in der alten Kirche nicht eigentlih Ketzername getvorden, wenn er aud bie so 
und da für die Gegner der Trinitätslehre gebraucht worden tft. 

Für das richtige Verſtändnis der Stellung der Monarchianer in der Entividelungs: 
gefchichte der kirchlichen Dogmatik ijt es, wie bereits aus dem Obigen Deutlich fein 
wird, enticheidend, daß fie erit bervorgetreten find, nachdem das antignoſtiſche Verſtändnis 
der la fidei im weſentlichen in der Kirche gefidert war. Hieraus ergiebt ſich, daß 
fie ſelbſt im allgemeinen als Gricheinungen auf dem Boden des Katholicismus zu 
würdigen jind, und daß fomit, abgejeben von den deutlichen Nontroverspunften, Über: 
einftimmung zwilchen ihnen und ihren Gegnern vorauszufegen iſt. Es ift nicht über: 
Hüfftg, daran von vornherein zu erinnern. Zu welcen Konfufionen die Mißachtung 
diefer Vorausſetzung geführt bat, darüber kann z. B. der betreffende Abjchnitt in Dorners so 

20* 


—⸗ 


—X 
— 


ber Lehre von der P Ion 6 hriſti belehren. Indeſſen io 
| i die Gefchichte vu Monarchianismus ohne N ficht auf d 






? | | u ü ' des | Lu | # „ — — 
zu bekle hohem Maße, wie die kirchlichen Berichten die wahre Ge 
Ichichte — jo Montanismus verfchtviegen und verdunfelt haben, baben fi ie 
Monarhianismus zu begraben oder zu entjtellen verſucht. Sie bereits jebr frühe, 
— a —— — — er Ebioni⸗ 
haben | ; Die Arbeiten 
—— als —SE —J— des Chriſtentums oder als Fälſchungen 
und die —— * als Abtrünnige, 2* die Glaubensregel 
*3* den Kanon preisgeben, — urch dieſe Art der Polemik haben ſie der 
Folgezeit unter anderem das Urteil da —— ob gewiſſe Eigen 
monarchianiſcher in Bezu * kn "nette entlichen iftenfanon aus einer 
—— überhaupt keinen neuteſtamentlichen Kanon = — 
** liſchen Sinne gab, oder X fie —— * * =. ——— ob 
erungen zu beurteilen jin en unter t au i amt⸗ 
charakter —— vh ngen, weiter auf die Thatſache, da Kar nachdem ber 
neuteftamentliche non in jeinen twejentlichen Umfange und in Anſehen fixiert 
erjcheint, auch von feinem Widerſpruch gegen denjelben mebr jeitens | 
25 berichtet ift, endlich in en daß auch den Montaniſten, ja felbit —* Marcioniten 
und Gnojtifern jehr bald Attentate auf den Fatholijchen Kanon vorgeworfen worden find, 
während iefelben doch bei ihrem Auftreten einen ſolchen noch gar nicht vorfanden, wird 
De —————— —— — der Monarchianer von dem 
katholiſchen Aanon uns lediglich auf eine Zeit weiſen, wo es eimen jolden noch nicht 
gab, und daß auch Ionftüge „Härefien“, die bei dem älteften Gruppen uns en 
= — werdenden, nicht der —— ade zu beur⸗ 


bier ehrt in * eine —— der 8 a —, * * u — 
mancher Hinſicht iſt, doch nicht ohne Gewaltſamkeit durchgefübrt werden. —— liegt 
10 das Gemeinſame der monarchianiſchen Richtungen, ſoweit ein ſolches upt v 
in der Faſſung des Gottesbegriffes, das Unterſcheidende im 56 Offenbarung; 
— eine reinlichere Sonderung in zwei Parteien iſt in den Quellen ni 
nbalt geboten, abgejeben davon, daß die —— und wichtigſten „Syſteme“ in der 
—2* Ueberlieferung vorliegen. Eine verläßliche Einteilung gi m 
45 der im allen jeinen Formen die | meer von einer phyſiſchen V ft Gottes ab— 
gelebnt und lediglihh in dem in be —— ſtehenden Jeſus den ohn Gottes ge 
jeben hat, it auf dem Grunde dev bisher befannten Quellenſchriften micht ee Bon 
ein paar Drag agmenten —— beſitzen wir nur Berichte von Gegnern. Cine beſondere 
Schwierigkeit macht nod die Chronologie. — Man bat de jeit der Entdeckung der 
so Philofopbumena viel Mübe um diefelbe gegeben; aber im 
geblieben. Über die Daten für die Aloger, Artemas, Praxeas, Sabellius, Die Erle 
niichen Synoden gegen Baul von Samelate ta u. |. w. ſchwanten —* die Urteile. End 
auch über den geograpbifchen Umfang der Kontroverjen find wir rin S 
Wir können — mit einiger Wahrſcheinlichleit vermuten, daß in 
55 Chriſtenheit des Reiches zeitweilig ein Kampf ftattgefunden bat. he — 
— der Schein — werben, als ließe ſich bier eine zuſammenhängende Gef 
en. 
I. Die fog. Aloger in Kleinafien. Aus dem Syntagma des Hippolyt fennen 
Epipbanius (Ch. 51; nad ibm Auguſtin h. 30, Prädeſt. h. 30, Iſidor h.26, Paul. h. 7, 
o Honorius h. 41, ob. Damascenus —; die Angabe des liber Praedest., daß ein 


etail ift das Meifte unficber 


4 


Monardianismns 309 


Biſchof Philo die Mloger widerlegt habe, kommt natürlih nicht in Betracht. Ob der 
Name in Rüdficht auf den alerandrinifchen Juden gewählt ift, ftebt dahin) und Philaftrius 
(h. 60) eine Partei in Kleinafien, welcher der Eritere den Spottnamen „Aloger“ ans 


“ gehängt hat. Hippolyt berichtete von ihr, daß fie das Evangelium und die Apofalypfe 


des Johannes verwerfe, indem fie diefe Schriften dem Cerinth zufchriebe — über die 5 
Briefe bat er nichts berichtet. Epiphanius wird wohl im Rechte fein, wenn er auch fie ver: 
worfen fein läßt, |. ec. 34; vielleicht aber war von denfelben überhaupt noch nicht die 
Mede —; fie erfennt aber auch nicht den Logos Gottes an, welchen der hl. Geift in 
dem \johannesevangelium bezeugt habe. Hippolyt, der fruchtbarfte alte Ketzerbeſtreiter, 
bat gegen diefe Leute außer feinem Syntagma ein befonderes Werk zur Verteidigung der 10 
jobanneifchen Schriften gefchrieben (ſ. das Schriftenverzeichnis auf der lateranifchen Hip- 
polytitatue: vreo Tov xara ıwwarlv|nv evayyelıov xaı änoxalvyews, und Ebed- 
Jesu, catal. c.7 [Afjemani, Bibl. Orient. III, 1, 15]: „apologia pro apocalypsi 
et evangelio Joannis apostoli et evangelistae”) und vielleicht auch noch in einem 
Werke gegen alle Monarcianer fie befämpft. Gewiß ift, daß Epiphanius außer dem betreffen- 15 
den Abfchnitt aus dem Syntagma mindeltend noch eine zweite Schrift wider die „Aloger“ 
ausgefchrieben bat, und mwahrfcheinlich ift, daß dieſe ebentalls bon Hippolyt herrührt. Die 
Zeit ihrer Abfaflung läßt fih aus Epipban. h. 51, c. 33 leider nicht mit Sicherheit be= 
itimmen. Am meiſten Wabhrfcheinlichfeit bat die Berechnung — fie bedarf freilich einer 
Tertlorrettur —, welche auf das Jahr 20415 führt (ſ. meine Chronologie der altchriftl. zu 
Pitteratur I ©. 376 ff). Hippolyt hat in feiner Schrift feine unbenannten Gegner als 
Zeitgenoſſen behandelt; aber eine genauere Prüfung zeigt, daß er diefelben lediglich aus 
deren eigenen Schriften (es waren deren mehrere; ſ. c. 33) fennt und daher von den Per: 
bältnifjen, unter denen fie aufgetreten find, aus eigener Anjchauung nichts weiß. Ein 
ewiſſer Anhaltspunkt für das Alter diefer Schriften und jomit der Partei felbft ergiebt 25 
fh aus der Thatfache, daß zu der Zeit, als dieſelbe blühte, nach ihrem eigenen Zeugnis 
Thyatira lediglich eine montaniftiihe Gemeinde exiftierte, während der Gewährsmann 
bereit s von einer aufjtrebenden fatbolifchen Kirche und anderen chriftlichen Gemeinfchaften 
dafelbft berichten kann. Beitimmter läßt fich die Blütezeit diefer Heinaftatischen Bewegung 
dur Kombination der Angaben des Hippolyt mit den Nachrichten des Irenäus III, 11,9 w 
ermitteln, eine Kombination, deren Berechtigung Zahn (Z3hTh 1875, ©. 72f.) erwieſen 
bat. Danach war die Partei gewiß ſchon zwiſchen den Jahren 170 und 180 in Klein: 
aftien vorhanden. Ihr Charakter läßt fich in den Hauptzügen nach den Zeugniflen des 
Irenäus und Hippolyt noch beitimmen. Um das hrifto ogifche Problem handelte es ich 
in eriter Linie nicht, vielmehr um die „Stellung zur Prophbetie”. Die Namenlofen, ss 
die Aloger, find eine Partei der radikalen antimontaniftifchen Oppofition in Alematien 
(dien) innerhalb der Kirche getvefen — fo radikal, daß ſie die montaniftifchen Ge— 
meinden nicht mehr als chriitliche anerkannten. Sie wollten alles Prophetentum von der 
Kirche fern gehalten wiſſen; in diefem Einne waren fie entfchiedene Verächter des Geiftes 
(ren. III, 11, 9: Epipb. 51, e. 35). Diefe Stellung veranlaßte ſie d einer biltorifchen 40 
tif an den beiden johanneifchen Schriften (Irenäus erwähnt die Kritik an der Apo- 
talupfe nicht), von denen die eine die Ankündigung des Parafleten durch Chriftus, die 
andere prophetiſche Offenbarungen enthielt. Aus inneren Gründen Tamen fie zu dem 
Schluffe, fie müßten unecht fein, eis övoua ’Iwavyvov verfaßt (c. 3. 18): die Schriften 
frien daher nicht firchlich zu rezipieren (e. 3: odx Afıa aürd paoıy elvar Ev Exxinoig). 15 
Dem Evangelium wurde vorgeworfen, es enthalte Unwahres, es miderfpreche den übrigen 
Evangelien (ce, 1: pdoxovaı, Ötı od ovuywvei ra Bıßlia Tod ’Iwdvvov Tois Aoınois 
dnooroloıs, c. 18: 6 ebayy&lıov eis Övona’lwarvov weddera:, 1.'0.: Adıdderov elvaı), 


' 26 eine ganz andere Reihenfolge der Ereigniſſe, ermangle jeglicher Ordnung, laſſe 


tige Thatſachen aus, berichte von zwei Paſſahfeſten — ihre Kritik der Begebenheiten 50 
Jo 1. 2 und der job. Chronologie it ung noch erbalten -- (e.3. 4. 15. 18. 22. 26. 
28. 29). Gegen die Apokalypſe wurde vornehmlich eingetwandt, fie enthalte abjolut Un- 
verftändliches, ja Abjurdes, zugleich aber auch Unwahres (c. 32—34). Co fpotteten fie 
über die fieben Engel und fieben Trompeten, über die vier Engel am Eupbrat, und zu 
Apk 2, 18 meinten fie, e8 babe zu Thyatira gar feine Chriftengemeinde gegeben, der Brief 55 
fei alſo fingiert. Unter den Einwürfen gegen das Evangelium muß aber auch der ge: 
ftanden baben (c. 18), daß dasſelbe dem Doketismus Vorſchub leifte, indem cs fofort 
von der ‚zleifchtwerdung des Logos zu der Berufswirkſamkeit Jeſu übergebe. In dieſem 
Zufammenbange fpielten fie das Marcusevangelium, welches die Arwder yErvnos Jeſu 
nicht Ichre, gegen Johannes aus (c. 6) und beanftandeten den Ausdruck „Logos“ für den oo 


310 Monarchiauismus 


Sohn Gottes (ec. 28), ja ſie witterten in demſelben Gnoſticismus und kamen ſchließlich zu 
den Reſultate, daß Schriften, die einerſeits Doketiſches, andererjeits Jüdiſch-ſinnliches und 
Gottes Unwürdiges enthielten, von Gerinth, dem gnoftifierenden Judaiſten, verfaßt fein 
müßten (Irenäus erwähnt das nit). Cs iſt bei diefem Thatbeftande bemerkenswert, 
5 daß Irenäus fie nicht in den Steßerfatalog (Buch I) eingeftellt und fie troß der fcharfen 
Ablehnung ale Schismatifer (nicht ale Häretifer) behandelt. Er billigte ihren entjchtedenen 
MRiderfpruch gegen alles pieudopropbetifche Unmefen, aber er meint, daß fie das Kind 
mit dem Bade ausjchütten, indem fie auch die echte Prophetie verwerfen. Ahnlich SHip- 
polyt (nicht Epiphanius). Ausprüdlich beitätigt er, abgejeben von dem zu Nügenden, 
iv ihre von ihnen felbjt (c. 3) beanſpruchte Kirchlichkeit (c. 4: Öoxodoı xal adroi ra ioa 
nur nuotevew ... doxodar Aoınöv Erılaußaveodu ns üyias al E&rdkov Öudao- 
xaktas), die auch in der ‚yorderung der ovupwria ww PißAwv hervortrete. Er ſtellt 
fie durchaus nicht auf eine Stufe mit Gerintb, Ebion u. ſ. w., und unzteifelbaft bat aud 
er ihre chriſtologiſchen Meinungen, über welche Irenäus überbaupt nichts mitgeteilt bat, 
15 milder genommen, weil er jo vieles bei ihnen fand, mit dem er übereinftimmen Tonnte. 
Aber welches waren nun ihre dhriftologifchen Meinungen? Hätte Lipſius (Ouellen 
S. 102. 112) Recht mit der Annahme, daß die Aloger in Jeſu nur einen natürlic 
erzeugten Menſchen gejeben hätten, deſſen Exiſtenz erjt feit feiner irdiſchen Geburt durch 
Maria datiere, daß fie überhaupt nur vorgegeben bätten, an der allgemeinen Xehre zu 
»0 halten, fo wäre die Stellung des \renäus und Hippolvt zu ihnen fchlechtbin unbegrerf: 
lich. Aber die Duelle giebt zu einem folden Urteil feinen Anlaß. Yipfius bat fich dur 
die Bolemif des Epiphanius täufchen laſſen. Aber noch in der Bearbeitung, in welcher 
die Polemik des Hippolyt bei Epiphanius vorliegt, iſt erfennbar, daß diefem über bie 
Chriſtologie der Partei aus deren eigenen Schriften nichts weiter befannt war, als ihre 
25 Verwerfung des Logosbegriffes ſowie der Geburt „von ben” und ihr antignoftifd 
Intereſſe an der Geburt, der Taufe, der Verfuhung, fur an dem menfclichen Yeben des 
Erlöfere. Hippolyt bat in feiner Polemik ledigli vor den Konfequenzen geivarnt, die 
aus einer Verwerfung des Logos fich ergeben mußten. Daß die Partei dieſe Konje 
quenzen gezogen babe, jagt er nirgends deutlich, ja ſogar Epiphanius wagt bier feine 
30 ganz beftimmten Behauptungen. Somit fann von einer Nicht:Anerfennung der wunder⸗ 
baren Geburt feine Rede fein; auch die Formel, Chriftus jet yılds Avdownos, wird 
die Partei nicht gebraudst haben. Möglich, ja wahrſcheinlich it, daß fie auf die Bor: 
gänge bei der Taufe ein bejonderes Gewicht gelegt bat; aber aus c. 18 (vgl. c.20) läpt 
fih das nicht mit Sicherbeit folgern (die vowilortes dnö Moapias xal deüpo Apıorör 
» avror xalsiodaı xal viov Peov, xal eivam Ev nO0TEDovV yılov Avrdownov, xard 
noo0xonnv ÖE elinp&vaı nv Tod viov Tod Veod nooonyoolav ſind vielleicht gar 
nicht die Aloger). 
Die erften uns befannten Gegner der Yogoschriftologie find Leute von ausgeprägt 
firchliber Haltung in Kleinaſien geweſen. Dieſe ibre Haltung baben fte dargethan durd 
so entfchiedenes Auftreten ſowohl gegen den Gnoſticiomus eines Gerintb als auch gegen die 
fatapbrugiiche Prophetie. In Bekämpfung der leßteren find fie dem Gange der Tirchlichen 
Entwickelung um ein Menſchenalter vorausgeeilt, inden fie alle Bropbetie und Deren 
Charismen verwarfen (c. 35), baben aber eben damit ihren katholiſchen Charakter am 
deutlichiten offenbart. Neil fie an ein Yeitalter des Parakleten nicht glaubten und feine 
+ ſinnlichen Zufunftsboffnungen begten, jo vermochten fie fich in die johanneifchen Schriften 
nicht zu jebiden, und weil fie an dem ſynoptiſchen Chriſtusbilde feitbielten, jo verwarfen 
fie Das Evangelium vom Yogos. Eine ausgefprocen kirchliche Nichtung hätte Dies aber 
nicht unternehmen fünnen, wenn fie fib einem bereits abgeichlofjenen NTlichen Kanon 
gegenüber befunden bätte, in welden Die jobanneifchen Schriften eine feite Stelle hatten. 
;o Die rüdfichteloje Kritif der Partei an denjelben, die innere ſowohl als die äußere (Hypo⸗ 
tbeje Des cerimtbifchen Ursprungs), iſt ein Beweis dafür, daß 08, als jie auftrat, noch Teinen 
allgemein anerkannten Fatbolijchen Kanon in Kleinaſien gegeben bat, daß fie aljo ungefä 
jo alt als die montaniftiiche Richtung tft, Der fie wohl auf dem Fuße folgte (oder war fie 
nicht noch älter). Unter Diefer Vorausſetzung tft Die Bartei innerhalb der werdenden Tatho: 
>5 lifchen Kirche, wenn auch mur furze Zeit lang, legitun geweſen, und nur jo erflärt fich die 
Beurteilung, Die ibre Schriften in Der nächjten ‚Folgezeit erfahren baben. Indeſſen — 
der erjte Widerſpruch gegen Die Yogoschriftelogie ift innerbalb der Kirche erhoben worden 
von einer Nicbtung, Die doch in mancher Sinficht als ſpezifiſch verweltlicht aufgefaßt 
werden muß. Denn der radikale Gegenſatz zum Montanismus und die formale, zugleich 
aber jpottende Kritif an der Apokalypſe kann nur jo beurteilt werden. Aber die Bevor 


Monardianismns 311 


zugung der Logoschriftologte vor anderen ift freilich ſelbſt, worüber Gelfus belehrt, ein 
Symptom der Berweltlihung und der Neuerung in dem Glauben. Die Aloger haben 
ſie auch als ſolche angegriffen, wenn fie diefelbe ald dem Gnoſticismus Vorſchub lerftend 
aufgefaßt haben. Aber fie haben die Xogoslehre und das Logosevangelium auch mit 
hiſtoriſchen Gründen, durh Rüdgang auf die fonoptifchen Evangelien zu widerlegen ver: 5 
ſucht. Die Vertreter diefer Richtung jind überhaupt innerhalb der großen Kirche, foviel 
wir wiſſen, die erjten geweſen, die eine hiftorifche Kritik, welche dieſes Namens mert 
it, an chriftlichen Schriften und kirchlicher Überlieferung unternommen haben. Gie 
haben zuerit den Johannes mit den Synoptifern Tonfrontiert und zahlreihe Wider: 
fprüche gefunden: „Aeıdnooürres" hat fie daher Epiphanius (ec. 34) — wahrfcheinlich 10 
ſchon Hippolyt — genannt. Wechſelweiſe Tonnten fte und ihre Gegner fih den Vorwurf 
der Neuerung zufcieben; aber man wird nicht verfennen dürfen, daß das größere 
Map einer jolchen bei den „Alogern” zu fuchen iſt. Wie lange fte fich erhalten haben, tie, 
warn FA von wen fie aus der Heinafiatischen Kirche ausgeſchieden worden find, wiſſen 
wir nicht. 1 
II. Der Lederarbeiter Theodotug, feine Partei zu Rom (Asklepio— 
Dotus, Hermophilus, Apollonides, Theodotus der Wechsler, Natalius) 
und die Artemoniten; adoptianifchellehren und Formeln im Abendland. 
Als Duellen für den älteren Theodotus fommen in Betradht 1. das Syntagma Hippolpts 
(repräjentiert durch Epiphan. h. 54, Philaſtrius h. 50, Pfeudotertull. h. 28; aus dem 20 
eriteren ee Auguſtin h. 33, Prädeſt. h. 33, Joh. Damascenus u.a). 2. Die 
Philoſophumena VII, 35. X, 23 (IX, 3. IX, 12. X,27). 3. Das Fragment Hippolyts 
egen Not (c. 3), welches wahrſcheinlich der Schluß eines größeren antimonardhianifchen 
es iſt und von Epiphbanius in feinem Artifel über. Theodotus mitbenußt wurde. 
4. Das in Ercerpten bei Eufebius V, 28 erbaltene jog. kleine Labyrinth, deſſen Verf. 25 
unbelannt tft, jedody von vielen mit guten Gründen Fir Hippolyt gehalten wird. Es 
it früheltens im vierten Decennium des 3. Jahrhunderts und nah den PBhilofophumena 
geichrieben, aber ſchwerlich auch ſpäter (hierfür ift Gasparı III, Quellen ©. 318--321. 
404. zu vergleichen), und richtet fich gegen römiſche dynamiſtiſche Monarchianer (um 
235) unter der Führerfchaft eines gewiſſen Artemag, die von den älteren, den “Theodo: 30 
tianern, zu unterjcheiden find. Eufebius aber hat dem Werke ausfchließlich ſolche Partien 
entnommen, in denen von den Iheodotianern gehandelt wird. Euſebius' Excerpte und 
die Philoſophumena 1, X find ausgefchrieben von Theodoret h. f. II, 4. 5; jedoch tft es 
möglich, wenn auch nicht wahrjcheinlich, daß er das fleine Labyrinth ſelbſt eingefehen hat. 
Die genannten Quellen, unter denen die’ vierte die reichhaltigjte it, Ddifferieren zwar im 35 
einzelnen nicht unbedeutend, geben aber doch in der Hauptfache ein übereinftimmendes 
Bild. In dem Syntagma fcheint eine Schrift des Theodotus benugt zu fein. Irenäus 
und Tertullian haben über ihn und feinen Anhang nichts überliefert. — Was den 
jüngeren Theodotus (den Wechsler) betrifft, fo ift fein Name lediglich durch das Fleine 
Yabyrinth (Eufebius V, 28), die Vhilofophumena (VII, 36; nad beiden Theodoret h. f. 4x0 
Ho, 6) und Pjeudotertull. h. 29 überliefert. Das Eyntagma Hippolyts (Epiph. h. 55, 
Philaſtrius h. 52) hat zwar über cine Bartei der Melchifedefianer berichtet, welche in den 
Philoſophumena und von Pjeudotertulliaon auf den jüngeren Theodotus zurüdgeführt 
wird, deflen Name und Urheberfchaft aber nicht genannt (darum fehlt der jüngere Theodot 
auch bei Auguitin h. 34, Prädeſt. h. 34, Honor. h. 32, Iſidor. h. 17, Paul. h. 15). — #5 
Sehr rätjelbaft nad Urfprung und Inhalt iſt das von Caspari aus Pariſer Handfchriften 
edierte Stück: Meixıoedexiavav za Oeodoriaviw xal ’Adıyyavw» (Tidsskr f. 
d. ev. luth. K. N.R. Bd VIII 9.3 ©. 307—337). — Die einzige uns bekannte 
Streitihrift gegen Artemas (Artemon) ift das oben erwähnte fog. kleine Labyrinth. 
Leider aber hat Eufebius die gegen ihn gerichteten Abfchnitte nicht ercerpiert ; in dem Syn- 50 
ma und den Philoſophumenen fehlt Artemas noch. Daber baben auch CEpipbanius, 
Beilartrius und Pfeudotertullian feinen eigenen Artifel für ihn. Da er aber in dem 
Schreiben der gegen Baul von Samofata gebaltenen antiochenifchen Synode an hervor: 
ragender Stelle erwähnt wird (ebenfv in der ep. Alexandri bei Theodoret h. e. I, 3 
und in Pamphilus' Apol. pro Orig.), jo nennt ihn auch Epipban. h. 65, 1 (gegen Raul 55 
von Samof.) und deshalb in demſelben Zufammenbang Augujtin h. 44, Prädeſt. h. 44, 
Pſeudohieron. h. 28 (Gennadius h. 3, 22); vgl. Tbeodoret h. f. II, 6. Erwähnt bat 
im Photius cod. 48. Schlieplich ſei bemerkt, daß die Angaben im Synodicon Pappi 
nicht in Betracht Tommen, daß die Angabe des Prädeft., ein ſyriſcher Biſchof Craton 
babe die Theodotianer, Dionyfius von Jeruſalem die Anhänger des jüngeren Theodotus ww 


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7 


312 Monarchiauismus 


beſtritten, auf Erfindung beruht und daß die Identifikation des jüngeren Theodotus mit 
dem Gnoſtiker gleichen Namens, aus deſſen Werken wir Auszüge beſitzen, unſtattbaft iſt 
(gegen Neander und Dorner mit — Forſch. III, S. 123), nicht minder unſtatthaft 
als die ‚rentiftfation mit Dem Mentaniften Theodotus, von welchem wir durch Eufebius 
s(h. e. V, 3,4. V, 16, 14sq.) willen. Als Quelle für die römifchen Monarchianer 
fommt ach noch Novatian, de trinit., in Betracht. 

Gegen Ende des Epiſkopats des Eleutherus oder am Anfang des Epiſkopats des 
Victor (geſt. 190) kam der Lederarbeiter Theodotus aus Byzanz nach Rom, der nachmals 
als „der Erfinder, Führer und Vater des gottesleugneriſchen Abfalls“, d. h. des dyna⸗ 

io miſtiſchen Monarchianismus bezeichnet worden iſt. Hippolyt (Epipbanius?) hat ihn ein 
änöonaoua der Aloger genannt (in den Philoſoph. bat Hippolyt die Ghriftologie des Th. 
mit der der Gnoſtiker, Cerinths und Ebiong zufanmengeitelt), und es iſt in der That 
nicht unwabrjcheinlich, daß er mit jenen kleinaſiatiſchen Theologen in Berübrung geſtanden 
bat. Betont wird feine ungewöhnliche Bildung (ky naudeia EMnvixjj dxpös, zoiv- 
15 nadns tov Aöyov), um deretivillen er in Anfeben in feiner Vaterftadt eitanden babe. 
Das Spntagma erzählt aber nun weiter, ev babe in einer Verfolgung Chriltum in Byzanz 
verleugnet. Ties babe bei einem fo hervorragenden Manne doppeltes Aufjeben erregt. 
Weil er die Schmac nicht babe tragen fünnen, fei er nadı Nom gegangen, ſei dort aber 
von einem Yandemanne erfannt und mit neuen Schmähungen überhäuft worden. In 
=9 diefer Notlage babe er zu feiner Verteidigung gejagt, daß er nicht Gott, fondern nur 
einen Menjchen verleugnet hätte — Chriſtus ſei ein bloßer Menſch geweſen. Die Metbobe, 
eine Irrlehre aus fittlicber Verfeblung abzuleiten, ift zu befannt, ale daß man diefem 
Gejchichtchen Glauben ſchenken könnte Möglich ift, jo dürfen wir vielleicht nad her 
Geiftesart des Mannes urteilen, daß Theodotus in der Streitfrage über den Umfang ber 
23 chrijtlichen Pflicht zum Belenntnis den Standpunkt einnahm, welchen Tertullian in der 
Schrift de fuga in persee. bejtritten bat, aber aud) dies ift unfiher. Aus jeiner Ge: 
ſchichte wiſſen wir lediglich nur noch Diefee, daß ihn der römiſche Biſchof Victor feiner 
in Rom verfündeten Chriftologie wegen erfommuniziert hat (Eufeb. V, 28, 6: deici- 
ov&e rijç xowwerias) -» 88 ift der erfte uns ſicher befannte Fall, daß ein auf ber 
»» Slaubensregel ſtehender Chriſt doch ale Irrlehrer gemaßregelt worden iſt. 

Die Lehre betreffend, ſo bezeugen die Priboſoxbum na ausdrücklich die Orthodorie 
des Theodotus in der Theologie und Kosmologie (VII, 35: pdox za negl Ev Tüc 
Tod navrös ‚aexiie avug’wra &x Egovs Tois ıns dA "Bode Exninolas, Io Tod Veov 
ndyvra Önokoyar yeyovevarı). In Bezug auf Die Beon Chriſti Ichrte er alſo: Jeſus 

> fei ein Menſch geweſen, der nad einen befonderen Ratſchluß Gottes aus einer Jung: 
frau geboren jet durd Wirkung des bl. Geiſtes, nicht aber fei in ihm ein bimmlifches 
Weſen, welches in der Jungfrau Fleiſch angenommen habe, zu erkennen. Nach einer 
vollkommenen Bewäbrung in einem frommen Leben ſei in der Taufe der hl. Geift auf 
ihn berabgeftiegen, dadurch fer er zum Ghriftus geworden und babe die Ausrüftung 3 
40 feinen befonderen Berufe erbalten (durdueıs) und diejenige Gerechtigkeit ertviefen, haft 
welcher er über alle Menschen bervorragt und ihnen Autorität ſein muß. Indeſſen be⸗ 
rechtige die Herabkunft des Geiſtes auf Jeſus noch nicht dazu, zu behaupten, er fer nun 
„Gott“. Einige von den Anhängern des Theodotus ließen Jeſum durch die Auferweckung 
zum Gott geworden fein, andere jtellten auch dies in Abrede. — Die Darftellung ift 
15 wejentiih nach den Philoſophumenen gegeben, mit deren Auffaſſung das, was im S 
tagma geſtanden bat, nicht ſtreite. Nur darf man nicht, wie Lipſius (Quellenkritik 
S. 235f.) gethan bat, Die bosbafte Entitellung Des Epipbanius, Theodotus babe die 
wunderbare Geburt aeleugnet, in das Syntagma hineinleſen wollen. Lipſius erreicht dies 
nur, indem er durch eine völlig willkürliche Konjektur den Pſeudotertullian genau das 
Gegenteil von dem ſagen läßt, was er geſagt hat. Die Darſtellung der Philoſophumen⸗ 
erſcheint höchſtens an einem einzigen Punkte unzuverläſſig, wo ſie nämlich im Sinne des 
Theodotus das rei ua, Das bei der Taufe berabgefonmten, „Ebriftus” nennen. Allem 
möglicherweiſe iſt auch bier alles in TC Ordnung, ſofern ja auch Hermas und ſpäter der Ver: 
faſſer der Acta Archelai den bl. Geiſt mit dem Sohne Gottes identifiziert haben (ogl. 
» auch was Urigenes zeoi doyam praef. über Den bl. Geiſt als Tirchliche Tradition mit: 
geteilt Bad. Es wäre Demmach nur jtatt „Chriſtus“ vielmehr „der Sohn Gottes“ zu 
jagen und anzunehmen, Dippolvt babe jenen Ausdruck gewählt, um die Lehre des Theo 
dotus als gnoſtiſch (cerinthiſchj bezeichnen zu fünnen.  \ndejlen können die Theodotianer 
wirfich den bl. Geiſt „Ehriſtus“ genannt baben. 
7 Für Diefe Chriſtologie juchten Tbeodotus und ſein Anbang den Schriftbeweis zu 


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Monardianismns 313 


liefern. Philaſtrius fagt im allgemeinen „utuntur capitulis sceripturarum quae de 
Christo veluti de homine edocent, quae autem ut deo dicunt ea vero non 
accipiunt, legentes et nullo modo intellegentes”. Gpiphantus bat uns zum Glüd 
Stüde aus den biblijch-theologifchen Unterfuhungen des Theodotus durd Vermittlung 
des Syntagma bewahrt. Diefelben zeigen, daß über den Umfang des Kanon fein Streit 5 
mehr tft; das Johannesevangelium iſt anerkannt, auch in diefer Hinficht iſt Theodotus 
alfo Katholiker. Die Unterfuhungen find aber interejfant, weil fie nach derfelben nüchternen 
eregetiichen Methode ausgeführt find wie die oben befprochenen Arbeiten der kleinaſiatiſchen 
Aloger. Epiphanius erwähnt die Berufung der Theodotianer auf Dt 18, 15; Ser 17, 9; 
Jeſ 53, 2f.; Mt 12,31; 1,35; Jo 8,40; AG 2,22; 1 Ti2,5 Aus Mt 12, 31 10 
folgerten fie, daß der hl. Geift höher ftebe als der Menfchenfohn. Befonders lehrreich ift 
die Bebandlung der Deuteronomium: und Yufasftelle. Dort betonte Theodotus nicht 
nur das „ yenv Ss &ul“ und das &x r@v ddeipir“, fondern auch das „Zye- 
oe“, und folgerte nun, die Stelle auf Chriſti Auferwedung beziehend: 6 dx Beov 
Eyeıpönevos Aoıorös obros 00x Tv Veös dia Avdownos, Een EE abı@v Tv, 15 
os xal Mwvons äydownos 7» — alfo auch der auferweckte Ehriftus iſt nicht Gott. 
Zu %c 1,35 argumentierte er jo: Das Evangelium ſelbſt jagt in Bezug auf Maria: 
„Geiſt vom Herrn wird auf dich fommen”; es jagt aber nicht „Geiſt vom Herrn wird 
in deinem Leibe fein“; auch nicht: „wird in dich eingeben“. Ferner fuchte er die zweite 
Hälfte des Satzes (did xal rö yervlusvov Ex cod Ayıov „Andnoeraı, vldös Beod) — 8 
wenn wir Epiphanius trauen dürfen — von ber erjten zu trennen, als ob die Wörtchen 
„do xal" fehlten, jo daß der Sinn Sich ergiebt, daß die Gottesfohnfchaft Chriſti erft 
ipäter (infolge der Bewährung) eintreten werde. Mielleiht aber bat Theodotus „did 
xai ganz getilgt, wie er ja auch ſtatt „mweüua äyıov“ vielmehr „nmvedua xvoiov“ 
gelejen bat, um jede Zmeibeutigfeit zu vermeiden. Und wenn Hippolyt ihm entgegen: 25 
bält, daß Jo 1, 14 nicht ftünde „ro nvedua oao& &yevero“, fo muß Theodot mindeiteng 
das Wort Adyos im Sinne von nvedua interpretiert baben, und ein alte Formel lautete 
ja wirklich Xoords dv usv TO noWrov nvevua Eyevero odo& (II. Clem. ad Cor. 
9.5, mo freilich fpäter Adyos für nvevua eingefeht worden iſt, ſ. d. Cod. Con- 
stantinop.). 3U 

Diele Seheimeite ft in Rom noch zu Lebzeiten ihres Urbebers für unerträglich ge 
halten worden. ewiß unter dem Titel, er bverfündige Chriſtus als yılöv Ardow- 
wor, it Theodotus in Rom vom Biſchof Victor erfommuniziert worden (ziwifchen 189 
und 199). 

Mie groß der Anhang geweſen ift, den Theodotus feiner Lehrweiſe in Nom er: 3 
worben bat, willen wir nicht. Man wird ihn mwahrfcheinlich als unbedeutend veranjchlagen 
dürfen, da der Biichof ſonſt die Exkommunikation nicht gewagt hätte. Jedenfalls it es 
durch feine Wirkſamkeit noch nicht zu einer befonveren Kirchenbildung in Rom gekommen. 
Der ältere Theodotus bat nur erjt eine Schule gegründet, in welcher bald verichievene 
Streitigfeiten über das Detail der chriftologifchen Lehre und über die eregetifche Begrün: w0 
dung derfelben auflamen. Sein bebeutenditer Schüler, Theodotus der Wechsler, und ein 
gewiſſer Asklepiopotus, beide höchſt mahrfcheinlich ebenfalls Griechen, machten nad 
der Exkommunikation zur Zeit des römischen Biſchofs Zephyrinus (199— 218), des Nach— 
folgers des Victor, den Verſuch einer eigenen Kiechengründung in Rom. Cin Ein: 
beimifcher, der Konfeflor Natalius, ließ ich, wie das fleine Labyrinth erzäblt, bewegen, 
57 eine Beſoldung von monatlich 150 Denaren, Biſchof dieſer Partei zu werden. 
Dieſer Verſuch mißlang. Der gepreßte Biſchof wurde bald abtrünnig — wie erzählt wird 
durch Geſichte, die ihm zu teil wurden, ſchließlich durch Schläge, die ihm in der Nacht 
„heilige Engel” verabfolgten — und kehrte in den Schoß der großen Kirche zurück. Co 
Intereffant diefe Unternehmung an fich ift ale Beweis, wie groß bereits die Kluft ziwifchen 5 
der katholifchen Kirche und diefen Monarchianern um das Jahr 210 in Rom mar, nod) 
lebrreicher ift die Schilderung, twelche der Verf. des kleinen Yabyrintbs von den Führern 
der Partei entivorfen hat. ie jtimmt vortrefflich mit den Berichten über die Ae&ıd700ÜVres 
in Alien und über die Bemühungen des älteren Theodotus zufammen. „Die beiligen 
Schriften haben fie ohne alle Scheu verfälicht, die Richtſchnur des alten Glaubens ver- 55 
worfen und Chriſtum verfannt. Denn fie unterjuchen nicht, mas die heiligen Schriften 
fagen, fondern fie finnen jorgfältig darauf, was für eine Schlußform zum Beweiſe ibrer 
Gottloſigkeit gefunden werden fünne Und wenn ihnen jemand eine Stelle aus der 
beil. Schrift vorbält, fo forſchen fie nad, ob die konjunktive oder die disjunktive 
Schlupform daraus gemacht werden fünne. Die bl. Schriften Gottes ſetzen fie bei feite und so 


— 


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314 Monardianismus 


beichäftigen jich dafür mit Erdmeſſung als Leute, welche irdiſch find und irdiſches reden 
und denjenigen, der von oben kommt, nicht kennen. Ginige von ihnen ſtudieren darum 
die (Heonietrie des Guflides mit der höchſten Hingebung; Ariftoteles und Theophraſt 
werden bemundert, Halenus von Einigen ſogar angebetet. Daß aber Yeute, melde die 
5 Wiffenichaften der Ungläubigen zum Beweiſe ihrer häretiſchen Anichauung migbrauden 
und mit der den Gottlojen eigenen Zchlaubeit den jchlichten Glauben der bl. Schrift 
verfälichen, nicht emmal an den Grenzen des Glaubens jteben — mas braucht es da 
Worte? Tesbalb baben fie auch ihre Hände jo ungefcheut an die bl. Schriften ge- 
legt unter den Worgeben, fie bätten fie nur kritiſch verbeilert (diwodwxevarı). Daß 
io Dies feine Verleumdung ift, davon kann, wer will, fih überzeugen. Denn wenn jemand 
die Handjchriften eines jeden von ihnen ſammeln und fie untereinander vergleichen würde, 
jo würde er fie in vielen Stücken voneinander abweichend finden. Wenigſtens merden die 
Handſchriften des Asklepiodotus mit denen des Theodotus nicht überinjtimmen. Man Tann 
aber Beifpiele bierfür im Überfluß baben: denn ihre Schüler haben mit ehrgeizigem Eifer 
15 alles das vermerkt, was von einem jeden von ihnen (tertfritifch) „berichtigt“, wie fie 
jagen, d. b. entjtellt (getilgt) worden ıft. Mit dieſen ſtimmen biniviederum die Hand 
jchriften des Hermopbilus nicht überein ; ja die Des Apollonides weichen fogar unterein- 
ander ab. Denn wenn man die früber von ibnen (ihm?) bergeitellten Handichriften mit 
den fpäteren, wieder geänderten vergleicht, fo findet man an vielen Stellen Varianten... 
» Einige von ihnen aber baben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die bl. Schriften 
u verfälſchen, fondern fie baben einfach das Geſetz und die Propheten verworfen und 
N unter dem Vorwande einer geſetz- und gottlojen Lehre in den tiefſten Abgrund des 
Verderbens geftürzt”. 

Ein Dreifaches ift es, was der Verfaſſer des Heinen Labyrintbs an den Schülern 
des gelehrten Schufters rügt: Die grammattich-formale Eregeje der heiligen Schriften, die 
einſchneidende Tertkritif und die eingebende Beichäftigung mit Logik, Matbematif und den 
empiriichen Wiſſenſchaften. So ſcheint es auf den erjten Blid, als jeien dieſe Xeute 
überbaupt nicht mehr theologiſch intereſſiert geweſen. Allein das Gegenteil iſt der wall. 
Ihr Widerſacher muß felbjt bezeugen, daß fie grammatifche Eregefe treiben, „um ibre 
30 gottlofe Sätze zu beweiſen“, Tertfritif, um die Handſchriften der bl. Schrift zu ver 

beſſern, Philoſophie, „um mittelft der Wiſſenſchaften der Ungläubigen ihre häretiſche An: 

ſchauung zu begründen“. Er muß auch bezeugen, daß dieſe Gelehrten die Inſpiration 

der beil. Schriften und den Umfang des Nanon nicht angetaitet haben (V, 28, 18). 

Ihre gefamte Arbeit Steht alſo im Dienjte ihrer Theologie. Aber freilich die Metbode 
35 Diefer Arbeit — es iſt Diefelbe, Die man ſchon für die Aloger und den älteren Tbeodotus 
erfchliegen fonnte -— wiederfpricht der herrſchenden theologifchen Methode. Statt Plato 
und Zeno werden bier Die Empiriker gefeiert, ſtatt der allegorifchen Methode der Schrift: 
erflärung joll Die grammatiſche allein gelten, Ttatt den überlieferten Tert einfach hinzu: 
nebmen, wird bier ein urjprünglicher Tert zu ermitteln verfucht. Wie einzigartig und 
foftbar find doch dieſe Mitteilungen! Wie lehrreich ift es zu eben, dab dieſe Methode 
den Kirchenmann fremd, ja bereits bäretifch anınutet, daß er zwar gegen die Beichäftigung 
mit Plato gewiß nichts einzuwenden gebabt bätte, aber ein Grauen ihn befällt, werm 
Ariitoteles, Euflid und Galen jene Stelle einnebmen follen. Der Unterſchied war frei: 
lich nicht nur ein metbodifcher. Bei dem Damaligen Yuftande der firchlichen Theologie 
15 mußte er zu einem prinziptellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß die Kraft 
und Wärme der religiöjen Überzeugung bei Männern, welche die gefamte religtiöje Philos 
ſophie der Griechen zurüditellten, eine befonders erhebliche war. Denn von wo anders 
ber fchöpfte man damals vornehmlich frommen Enthuſiasmus, wenn nicht von dort oder 
aus der Apokalyptik? Auch it es wenig verwunderlich, daß der Verſuch einer Kirchen: 
gründung zu Rom, welchen dieſe Gelehrten unternahmen, fo ſchnell fcheiterte. Sie mußten 
Offiziere bleiben obne Armee; denn mit Srammatif, Textkritik und Logik konnte man felbft 
die vorzüglichfte und durch lange Überlieferung ehrwürdige chriſtologiſche Yehrform in den 
Gemeinden nur Disfreditieren. So fteben diefe Gelehrten neben der Kirche, obſchon fie ſich 
ale Katholiker fühlten. Als „echte Gelehrte -- es iſt Das ein überaus charafteriitifcher 
5 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — baben fie auch eifrig darüber gewacht, daß jebem 

der Ruhm feiner Monjefturen und Verbeſſerungen gewahrt bleibe. Von den Arbeiten — 

auch das Syntagma weiß von ſolchen; ſ. Epipban. 55, e. 11: aAdrrovow Eavrois xal 

Bißkovs Erunkaorovs -- dieſer eriten gelebrten fircliden Eregeten iſt nichts auf und 

gefommen. Ohne eine ipürbare Wirkung auf die Kirche ausgeübt zu haben find jte da⸗ 
go bingegangen. Siebzig Jahre jpäter iſt unter ganz ähnlichen Verhältniſſen zu Antiochien 


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Monarchiauismus 315 


neben der großen Kirche eine Gelehrtenſchule entſtanden, die die Arbeit der römiſchen 
Theologen wieder aufgenommen hat. Aber ſie hat eine der gewaltigſten Kriſen in der 
kirchlichen Dogmatik herbeigeführt. 

Die methodiſch-exegetiſche Unterſuchung der hl. Schriften hat die Theodotianer in 
ihrer Vorſtellung von Chriſtus als dem Menſchen, in welchem der Geiſt Gottes in be 5 
jonderer Weife wirkſam geweſen, beſtärkt und fie zu Gegnern der Yogoschriftologie ge: 
madt. Der Verfafier des Kleinen Labyrinths giebt nicht an, worin ſich die Lehr— 
form des jüngeren Theodotus von der des älteren unterjchieven babe. Wenn er fagt, 
daß Cinige der Theodotianer das Geſetz und die Propheten vertoorfen haben, fo 
darf man wohl annehmen, daß fie lediglich die Nelativität der Autorität des AT be- 10 
tont baben; denn von einer Verwerfung des katholiſchen Kanons feiteng der Theodotianer 
iſt ſonſt nichts befannt. Aus den Philoſophumena iſt zu erjeben, daß die Frage, ob man 
Chriſtus etwa nad) der Auferjtehung „Gott“ nennen dürfe, in der Partei fontrovers ge- 
weſen ift, Die übrigens die wunderbare Geburt, d. b. überhaupt die Tatholifhe regula 
fidei, anerlannt hat. Nun aber hat Hippolyt im Syntagma aus den exegetifchen Ar- 
beiten des jüngeren Theodotus, ohne die Duelle näher zu bezeichnen — ſie wird aber 
durch Pjeudotertullian und die Philoſophumena deutlich — eine Stelle vorgenonmen, die 
Behandlung von Hbr 5, 6. 20f.; 6, 20f.; 7, 3. 17, und daraus eine fapitale Härefie 
geitaltet. Die fpäteren Berichterjtatter haben dies begierig aufgegriffen und eine Sekte 
der Melchiſedekianer erfunden, die allerdings den Chriftennamen faum mehr verdiente — 20 
wenn fie überhaupt beitanden hätte. Theodotus foll gelehrt haben (Epiph. h. 55), 
Melchiſedek fei eine ehr große Kraft (Övvawis tıs ueylorn) und erhabener als Chriſtus 
geweſen; dieſer verhalte fih zu ibm lediglich wie das Abbild zum Urbild. Melchiſedek 
fei der Fürfprecher der himmlischen Mächte vor Gott und der —** Prieſter der Men: 
ſchen (det Huäs to Meiyıosdex ngoopEgew, iva di’ adrov noo0eveydj Into Yumv, % 
xai edowmuev di adrov Lwrnv), Jeſus ſei als Priefter um einen Grad niedriger; jenes 
Urſprung fei vollig verborgen, weil eben himmliſch (nach Hbr 7, 3), Jeſus aber ſei von 
Maria geboren. Dem weiß Epiphanius noch hinzuzufügen, daß die Partei fogar eis 
övoua tod Meiyweötx ihre Oblationen darbringt; denn er fei der ‚Führer zu Gott, 
der Fürſt der Gerechtigkeit, der wahre Sohn Gottes. Daß Theodotus und feine nüch: 80 
ternen Schüler nicht einfach jo gelehrt haben fünnen, liegt auf der Hand. Auf den eriten 
Blick ſieht es ganz fo aus, als hätte ſich Iheodotus hier einen eregetifchen Scherz mit 
feinen Gegnern erlaubt, der ihm in der empfindlichiten Weife angefreidet worden ift. 
Vielleicht hat er zeigen wollen, daß nach derfelben Methode, nach welcher feine Gegner 
überall die Präexiſtenz und das himmlische Weſen Chriſti in der Schrift bezeugt finden, 86 
man auch aus Hbr 5—7 einen präeritenten, ja über Ebrijtus erhabenen Melchiſedek ab- 
leiten könne. Tiejer Spott wäre um fo iveniger überflüflig, als Epiphanius felbjt be: 
kennen muß, daß unter den Katholifern Streit fei über die Beurteilung des Melchiſedek 
(55 ec. 7): ol uev yao, jagt er, adıov vonilovan YVceı ıöv viov tod Veod Ev löla 
avdomnov ıdıe 1 Aßopaau nepnvevaı. (5. aud Clemens, Aler., Strom. IV, 161; 0 
Hieralas bei Epiphan. h. 55 ce. 5, h. 67 ce. 3; Philaftr. h. 148. Wichtig iſt Hieron. 
ep. 73. Um +00 hat der ägyptijche Eremit Marcus eine eigene Schrift eis tov Mel- 
zwoeö&x xara Melywedexeicv gejchrieben d. b. eben gegen folde, die in Melchiſedek 
eine Erfcheinung des mwahrhaftigen Sohnes Gottes gejehen haben, f. Photius, Biblioth. 
200; Diet. of Christ. Biogr. III p. 827, ferner Theodoret, h. f. II, 6, Timotheus 45 
Presb. bei Cotelier, Monum. Ecel. Gr. III p. 392 ete.). 

Alleın fo einfach kann man fih mit den Berichten des Syntagma und der Philo— 
fophumena nicht abfinden; denn augenjcheinlih liegt ihnen eine fchriftlihe Duelle zu 
Grunde, und die fompromittierenditen Zeugniſſe für einen Melchiſedekkultus bei den Theo: 
dotianern find mit paol» eingeführt und jteben im Zufammenbang mit Ausfagen, Die 50 
augenjcheinlih in mwörtlicher Miedergabe tbeodotianiiche find. Unmittelbar nad den oben 

‚ mitgeteilten Worten: dei Huäs alt nooopEgew xt4. (Epipbantus h. 55, c. 8) folgt 
; mämlich: xal Aguorös ulv, paoiv, E&cieyn va Hhuäs xalkon &x nollav 6öav eis 
navy tavıny mv yr@o, Uno Veov xeypiouevos xal Exkextös yerdusvos, Erreidt) 


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6 


äntoroewev quãc ano eldwiwrv zul Unedeıkev Nuiv vv ödor. ’EE obnep 6 äno- 55 
erolos Anooraleis aneraivwev Huiv Öt eyas Eoriv 6 Meiyıeöix xal.. . Öt 
16 Einooov Ex Tov ueilovos edioyeltau, dia Tovro, pol, xal Töv “Aßoaau ToV 
aaroıdgxny ebÄöynosv cds ueicwv oiv' od (scil. Tov "Aßoaau) Hueis Eouev uvoraı, 
Tuywusv nag abrod ıns ebdoylas. Die chriſtologiſche Anſchauung, wie fie in 
der erften Hälfte diefer Satzgruppe formuliert ft, ift num getwiß nicht Yon einem Gegner @ 


314 Monardjianismus 


mit Erb als Yeut ird und irdiſches reden 
en chen ah oben Bone nicht — inige ee darum 


er —— = Euflides mit der bogen Hingebung; Ariftoteles umd ‚weh We 
die 


Galenus en ſogar angebetet. 
W der läubi eiſe ih 
ae 
re? "Tech ak fe —* ihre Binde J —— * "pie Bi bt. —— 
fin Verleu —— — will, = — Denn a and 
eine en 


25 Des eben \ ns Die — —— —3 * "help en Schriften, * 
empiri ben —— eint es en erſten A i 
überhaupt or —ã— —— geweſen. Allein das Gegenteil iſt der Fall. 

Ihr Wid muß felbjt bezeugen, daß ai grammatiſche Apee e treiben, „um ihre 

u jet Sätze zu beweiſen“, Tertkritif, um bie Handjchriften der bL zu ver⸗ 

ala —— um une der Wiſſenſchaften der Ungläubigen ibre iſche An: 
a . Er muß auch bezeugen, daß Diele ehrten Die Anfpiration 

—— und den Umfang des Kanon nicht angetajtet haben (V, 28, 18). 

re gefamte Arbeit ſteht alfo im ‚Die —* Theologie. Aber freilich die Methode 

35 dieſer Arbeit — es iſt dieſelbe, Die —— für die Aloger und Zone Theodotus 
erſchließen konnte — wiederſprich — theologiſchen M Statt Plato 
und Zeno werden hier die —a g ſtatt der allegorifchen $ —* der —3 
—— ſoll die grammatiſche allein „ſtatt den überlieferten Tert einfach 
nebmen, wird bier ein urjprünglicher a ermitteln verſucht. Wie einz I 

10 koſtbar find doch diefe Mitteilungen! Wie lehrreich iſt es zu eben, daß die) 
den Kirchenmann fremd, ja bereits häretiſch anmutet, daß er zwar gegen die 
mit Plato gewiß nichts —— gehabt hätte, aber ein Grauen ihn 
Aristoteles, Euflid und Galen feine Stelle einnehmen follen. Der Un ied war „mem 
lich nicht nur ein methodiſcher. Bei dem damaligen Zuftande der kirchlichen Theologie 

45 mußte er zu einem pringipiellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß die Kraft 
und Wärme der veligiöfen Überzeugung bei Männern, welche die gefamte religibſe Philo- 
jopbie der Griechen zurüctellten, eine beſonders erhebliche war. von wo anbers- 
ber jchöpfte man —— vornehmlich frommen Enlhuſiasmus, wenn nicht von dort oder 
aus der Apokalyptik? Auch ift es wenig verwunderlich, daß der Verfuch einer 

x gründung zu Rom, Die dieje Gelehrten unternabmen, jo Schnell fcheiterte, Sie mu 

ziere bleiben ohne Armee; denn mit Grammatif, Tertfritif und Logik fonnte man jelbjt 
bie vorzüglichite und durch lange Überlieferung ebrivündige —— ne — in den 
Gemeinden nur diskreditieren. So ſtehen dieſe Gelehrten ne 
als Katholiker fühlten. Als „echte” Gelehrte — es ift das ein — i 

56 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — haben fie auch eifrig darüber —* dab 
der Ruhm feiner Konjelturen und Verbeflerungen gewahrt bleibe. Von den Arbeiten — 
auch das Syntagma weiß von ſolchen; |. Epiphan. 55, e. 11: Ädrrovom EZavrois ” 
Bißkovs Erunkaorovs — diejer erſten gelebrten firchlichen Exegeten iſt nidts auf uns 
gefommen. Ohne eine fpürbare Wirkung auf die Kirche ausgeübt zu baben find fie dar 

so bingegangen. Siebzig Jahre fpäter ift unter ganz ähnlichen Werhältniffen zu Antiochien 











314 Monardjianismus 


—— t Erdmeſſung als welche ird und —— reden 
en en fommt, —— ige Da 


Ne metrie bes Guflibes mit. ber öchiten Hingebung; Ariſtoteles und 
* —— von — A 


vo wi ichenb werben bie 
idſchriften — mit — des Theodotus nicht Dan kann 
a bierfür im UÜberfluß haben: denn ibre Schüler haben mit 
15 alles Be vermerkt, was von einem jeden von ihnen (temtkritiich) — wie ſie 
en sa entjtellt 2) worden ift. Mit dieſen ftimmen 
drin v6 — s nicht überein; ja die des Apollonides weichen —— unterein⸗ 
ab. m wenn man bie früber von ibnen (ibm?) bergeitellten ——— 
wieder geänderten vergleicht, ſo findet man an vielen Stellen Varianten 
20 Sum bon —* aber haben es ee —* der Mühe wert gefunden, die hl. Schriften 
en Vieh ch das Geſetz are nd nenn 
= — einer gejeh- ge —— Lehre in den = Abgrund des 
es 


„3 — muß ſelbſt bezeu en, TER. grammatifche Exegeſe treiben 
Bar Sätze zu beiveifen“, Tertkritil, um Die Handſchriften der De 
ern, Phi jophie, „ı ‚um mitteljt ken Wifenfchaften der Unglä 


Se zu en bie J 
Ton den umfon des Kanon nicht —* haben (V, 28 
en Arbeit ftebt alſo Kr ienſte ibrer Theologie. 

36 ide er Sec — es iſt Diefelbe, Die pt ſchon für die Aloger und ben älteren Theodotus 
eben konnte — wiederſpricht der berrichenden theologiſchen a Statt Blato 

* —* werben bier die Empiriker gefeiert, ſtatt der allegoriſchen Methode der Schrift— 
— ſoll die grammatiſche allein gelten, ſtatt den überlieferten Text einfach hinzu— 
nebmen, wird bier ein urfprünglicher Tert ——— ermitteln verſucht. Wie nr 

10 foftbar find doch dieſe Mitteilungen! Wie lehrreich ift es zu ſehen, daß dieſe 

Kirhenmann fremd, ja bereits häretifch anmutet, daf er zwar gegen Die 
mit Plato gewiß nichts re nebabt hätte, aber ein Grauen ibn bef * 
Ariſtoteles, Euklid und Galen feine Stelle —— ſollen. Der —— 
lich nicht nur ein methodiſcher. Ber dem damaligen Zuſtande der kirch —9— Sisto 
5 mußte er zu einem prinzipiellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß bie 
und Wärme der religiöfen Überzeugung bei Männern, welche die gr vefigtöfe Ppile- Bde 
opbie der Griechen zurüditellten, eine > befonders erbebliche war. Denn von wo anders 
ſchöpfte man damals vornehmlich frommen Entbufiasmus, wenn nicht bon dort — 
aus der Apofalyptit? Auch iſt es wenig verwunderlich, daß ber Fe einer 

” grünbung zu Nom, welchen dieſe Gelehrten unternabmen, jo ſchnell fcheiterte. Sie n 

ffiziere bleiben obne Armee; denn mit Grammatik, Textkritik und Logik fonnte man vi 
die vorzüglichite und durch lange Überlieferung ebrivürdige hriftologifche —— in den 
Gemeinden nur diskreditieren. So ſtehen dieſe Gelehrten neben der Ki ı fie ſich 
als Katbolifer fühlten. Als „echte“ Gelehrte — «8 tft das ein überaus 6 

55 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — haben fie auch eifrig darüber getwacht, Dan ed 

der Ruhm ſeiner Konjekturen und Verbeſſerungen gewahrt bleibe. Bon ben Arbeiten 
auch das Syntagma weiß von folden; ſ. Epipban. 55, e. 11: nÄdrrovam davrois zal 
Bißkovs Erunkdorovs — diejer eriten gelebrten kirchlichen Eregeten iſt nichts auf = 
nefommen. Obne eine fpürbare Wirkung auf die Kirche ausgeubt zu haben find fie da⸗ 

so bingegangen. Siebzig Jahre jpäter it unter ganz ähnlichen Berbältniffen zu Antiodyien 


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316 Morerchi rid 


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Epirban.e.% eranı ım mm Moses ur zer Tier Theodotianer 
behaupieiin. =: uF 2 Erizei sn I ice - zmamet Ücte eiliger Geiſt, 
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wirt ve mahridenid, nor ne Leimen zu Wer seen Ne Tbeodotianer 
hatten den sramtmien Zn Bine, vun 2, Soertie zeramemr., ertlich daß 
Das vinstge acnlide Iladın ma nm Rus 3 2_L ae im 2m mn er Zobne Gottes 


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identich it -- ud Komm nen Re ra oem es Permas fer —. Fodunn daß dieſer 
bl. (Jeitt tem Abrırcm (mean ne Mine Sr Ienekmcter ericreren Vet Tap fie 


1, mit letzterem nidıs Unirrzmie zurzrel: nam, 7 Sen ssewr Torten; Drittens, Daß 

Jeſus an mir Der Not re Di ehe sone Maid onen kr Es war aber 
nun aanı tolaered: un? nit: untaeriıt, zen Ro Skemmium. dem Den Abraham er: 
ichienenen Keniae der beredzister, 2a on un! Same atmen db Die Chriften, 
geſegnet babe, Lem warten, erızen Soon: (Hsmee, seküsre Clarion und Anberung. Und 
wenn Meem Zchne (menge zesenuker der ervetlte un? aetelbee Kecht Gottes, Jeſus, 
ſofern er eben Nenich iit, zuncchit: is inierie: crichein: o mer darin ibre Vvoñtion keine 
ungünſtigere, als es die ge Sermas zorden it Denn sub nad Hermas iſt Jeſus als 
der nur adoptierte Zohn (sozie im BL Mate ls dem amisen Zchne eigentlich un: 
vergleichbar, oder vielmehr er verbal: Ah su ihm, um einen shertstiantichen Äusdruck zu 
gebrauchen, wie das Abbild sum Urbild. Tob walte: intorerm allerdings ein großer 
Unterjchied zwiſchen Theetotianern un? Hermas ob, als jene die Srefulatienen über den 
ewigen Sohn (srttes unsreitelbaft Dazu benug: haben, um ven dem biftertichen Menſchen 
Jeſus aufzufteigen su jenem Zohne und das Hiſtoriſche uberbaupt als ein Untergeordetes 
zu überwinden Evirb. h. 55 c.», weven ſich bei Hermas nichts findet. Somit baben 
50 jich dieſe Theodotianer in abnlicher Weiſe wie Origenes durch die Spetulation von dem 

bloß Geſchichtlichen beircien wollen, indem fe wie jener den ewigen Sobn Gottes dem 

Gekreuzigten übergeordnet haben. Tie Probe auf die Nichtigkeit dieſer Annabme bietet 

Die Beobachtung, daß ſich tie Meichieretipekulationen gerade in Der Schule Des Urigened 

fortgeiegt haben. Wir finden fe, und zwar mit Derielben auf Die Herabſetzung De? 
3 hiſtoriſchen Sohnes Gottes gerichteten Tendenz, bei Hierakas und feinem Mönchsverein 
ſowie bei origeniitiihen Menden in Ameten im 4. und 5. Jabrbundert. Es ergiebt 
ſich alſo, daß dieſe Ipeologen Die alte remüche, von Hermas vertretene Cbhriſtologie bei- 
behalten, aber tbeologiſch bearbeitet und Demaemäß ihre Abswedung verändert baben. 
Wurde Damals Der Sir in Der romiichen (Semeinde noch aeleien, während doch Die 
theodetianiiche Chriſtologie verdammt war, jo bat man jich die Chriſtuslehre des 
Buchs umdeuten müſſen. Dies fonnte nad der eigentümlichen Belchaffenheit Des Buchs 
nicht ſchwer fallen. Man kann aber fragen, ob Die Lebre der Theodotianer wirklich als 
eine menarcianiiche zu bezeichnen iſt, da ſie Dem heiligen Geiſt neben Gott eine beſondere, 
wie ar Seine jelbitſtändige, Rolle zuweiſt. Indeſſen, vs läßt ich nicht mehr feſtſtellen, 
»wie Arte Thenlegen Die beiondere Hwpoſtaſe des Geijtes mit der Ginperjönlichfeit Gottes 
vermittelt bahen.  Zewicl Mt aber gewiß, daß in ter Chriftologie der Geiſt nur als Kraft 
fir ſie in Betracht gekommen it, und daß ſie Die Gegenlebre, Die Yogeschriftologie, nicht 
eu. bulb wuriwerfen haben konnen, weil ſie von einem zweiten göttlichen Weſen nchen Gott 
iiherhaupt nichts wiſſen wollten. Dies wird durch ihre eigene Yehre von bl. Geift und 
ſrinen Erſcheinung im AT bewicen. Dann aber liegt die Tifferenz mit ihren Gegnern 
bt auf dem EGebiete Der (Gotteslebre, vielmehr ſind fie in der Hauptfache bier mit einem 
Tbenfegen wie Hippolyt einig. Jit Dem fo, Dann find Die Gegner ibnen unziveifelbaft 
uherlegen; ſie ſelbſt aber bleiben binter der überlieferten Schätzung Chrifti zurück. Giebt 
Nnaämlich einen ewigen Sobhn Gottes oder etwas dem ähnliches und iſt derſelbe im 
„I. B. erſchienen, To kann Die überlieferte Scatzung Jeſu nicht mehr feſtgehalten werden, 

wenn man ibm dieſen Zohn entfremdet. Die Formel von dem geiſtgeſalbten Menſchen 

reicht dann nicht mebr aus, um Die überragende Größe der Uffenbarung Gottes in 

Ehriſtus feitzuftellen, und es iſt nur folgerecht, daß die altteftamentlichen Theopbanien in 

hellerem Yichte erſcheinen. Hier zeigt es fich, warum in den Gemeinden, nachdem bie 
theologiſche Neflegion einmal erwacht war, Die alten chriſtologiſchen Vorftellungen ver: 


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Monarchianissuns 317 


baltnısmäßig fo fchnell ſich ausgelebt und der vollftändigen und weſenhaften Apotbeo: 
fterung Jeſu Plab gemacht haben. Es iſt vor allem auch die cigentümliche Betrachtung 
des AT.S geweſen, welche dazu geführt bat. 

Sofern die Theodotianer eine einſt giltige, aber entbufiajtiiche Glaubensform auf bie 
Stufe der Theologie zu erbeben und als die einzig zutreffende zu verteidigen geſucht 5 
baben, foren ſie die Bezeichnung Jeſu als Hess ausdrücklich abgelehnt oder doch für 
fontrovers erllärt haben, jtellt jich ihr Unternehmen als eine Neuerung dar. In dieſem 
Zinne, aber auch um des neuen Intereſſes willen, welches ihre Vertreter an der alten 
Formel nahmen, ift es als eine Neuerung zu beurteilen. Denn fchmwerlic wird man vor: 
katholiſchen hrijten wie Hermas ein bejonderes Intereſſe an der weſenhaften Menjchheit 
Jeſu zufprechen lönnen. Sie glaubten gewiß in ihren Formeln die höchitmögliche Schägung 
des Erlöfers zu vollziehen und wußten es nicht anders. Diefe Theologen dagegen ver: 
teidigten eine niedere Vorftelung von Jeſus gegen eine höhere. So darf man in ihrem 
eigenen Sinne urteilen, denn ſie ließen die Voritellung von einen himmlischen Sohne 
Gottes beitehen und haben überhaupt diejenige Gefamtrevifion der herrſchenden Lehre 15 
nicht vollzogen, die fie berechtigt hätte, ihre hriftologifche Anſchauung als die wirklich 
legitime und zureichende zu erweifen. Sie haben zwar den SchriftbeiveiS für dieſelbe 
angetreten und find gewiß dabei ihren Gegnern überlegen geweſen, aber diefer Beweis 
deckt nicht die Xüde in dem dogmatiichen Verfahren. Da fie auf den Boden der regula 
fidei jtanden, jo ift es ungerecht und unhiſtoriſch zugleich, ihre Lehrform für „ebionitifch” 20 
zu erklären oder fie mit der Formel abzutun, Chriftus fei ihnen lediglich yılos Avdowros 
geweſen. Überjchlägt man aber die „eitberhälimile, unter denen fie auftraten, und die 
erzeifiven Erwartungen, welche ziemlich allgemein fchon an den Belig des Glaubens ge: 
beftet wurden — vor allem die Ausficht auf eine zukünftige Theopoieſis aller Gläu— 
igen —, fo fann man fih dem Gindrude nicht verfchließen, daß eine Xehrform für: 
nibiliftifch gelten mußte, welche es nicht einmal bei Chriftus ſelbſt zu einer Apotheofe 
brachte oder doch höchſtens zu einer ſolchen, wie fie etwa auch für die Kaiſer oder für 
einen Antinous von den Heiden erträumt wurde. Der apofalyptifche Enthufiasmus ging 
allmählihb in den neuplatonischen Myſticismus über. Diefen Übergang haben jene Ge- 
lebrten nicht mitgemacht, vielmehr einen Teil der alten Vorftellungen auszulöfen und mit so 
den Mitteln der Wiſſenſchaft, wie ihre Gegner, zu verteidigen geſucht. 

Noch einmal, 20—30 Jahre fpäter, iſt von einem gewiſſen Artemas der Verſuch 
gemacht worden, die alte Chriftologie zu repriſtinieren — wahrjcheinlih zu Nom, jedod) 
ift dies nicht direkt überliefert, fondern kann nur erfchloffen werden. Über dieje legte 
Phaſe find mir aber am fchlechtejten unterrichtet; denn Euſebius bat aus dem Werte 85 
gegen Artemas und feinen Anhang, dem kleinen Yabyrintb, fait nur Nachrichten, welche 
die Theodotianer betreffen, mitgeteilt. Wir erfahren bier indes doch, daß die Partei ſich 
auf das biftorifche Recht ihrer Lehre berufen bat, indem fie behauptete, erſt der Biſchof 
Zephyrin babe die wahre Lehre, welche fie verteidigten, verfäliht (V, 28, 3: gaol ya 
ToVs EV nporepovs Änavras xal adrols Tovs dnoorölovs napeinpevaı Te xal v— 

x&vaı ravra, A vüv obroı Akyovaı, xal ternonoſas ın» dAndeıav Tod xn0UyY- 
paros u£roı ı@v xodvwy ta Bixtooos . . ano det tov d1adoxov abrod Zepvolvov 
aagaxeyapaydaı ıyv dinderav. — Tas relative Hecht dieſer Behauptung 4 unbe⸗ 
ftreitbar, zumal wenn man erwägt, daß Zephyrin die gewiß neue Formel: „der Vater 
bat gelitten”, nicht mißbilligt hat). Wenn der Verfaſſer des kleinen Labyrinths ihnen 45 
entgegenhält, daß ja bereits Victor den Theodotus erfommuniziert babe, jo kann dieſe 
Thatfache doch den Artemoniten nicht unbefannt geblieben fein. Zieht man aber weiter, 
wie jich der Verf. augenjceinlid bemübt, ihnen den Theodotus als ihren geijtigen Vater 

iden, jo kommt man zu dem Sclujie, daß jich die Partei eben mit den Theodo— 
tianern nicht identifiziert bat. Worin fie von dieſen unterfchieden iſt, läßt fich allerdings 50 
nicht mehr angeben. Nur das ijt gewiß, daß auch jie das Prädikat „Gott“ für Jeſus 
abgelehnt hat; denn der Verf. jicht ſich genötigt, die Berechtigung desjelben aus der Tra— 
Mtion zu erweilen. Der Beweis wird aus den Schriften der Apologeten, des Glemeng 
und — ſowie aus angeblich uralten kirchlichen Pſalmen und Oden geführt. Arte— 
mas bat noch am Ausgange des 7. Dezenniums des 3. Jahrhunderts in Nom gelebt — 55 


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; aber freilich öl von der großen Kirche getrennt und obne bedeutende Wirkſamkeit: 

| findet fich doch jelbjt in den Briefen Cyprians feine Notiz über ibn. Daß er um 270 
noch gelebt bat, willen wir aus dem antiochenischen Synodaljichreiben wider Paul von 

| Samofata. Dort heißt e8 (Euſeb. VII, 30): „Baulus mag an Artemas Briefe jchreiben, 
und Die Anhänger des Artemas jollen mit ibm Gemeinſchaft balten“, und ſchon vorber: &@ 


AT.) Monarchianiemus 


ander ont bye Website Religion zum (Geſpotte und tbut mit ber ruch— 
las anlte dan Mbit Aveß denn warum follten wir nicht endlich jeinen Vater 
nen ntanterostattd lt its noch einmal, daß Artemas su Den dynamiſtiſchen 
nf hebt to Duni Be Kuſammenſtellung mit dem ſchen durch ſeine 
ent an so Nissdenn Vaulus Samoſata iſt Der Name des Ar: 
andren son. Ne Brnprzsisoon Drient gekommen und bat telbtt Den 
en ON Vs pad de Formel „Ebion, Artemas. Raulus 
u > oz yo den Namen Des Neſtorius eraunst und 





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Monardianismns | 319 


diefen und den Mooptianern. Derfelbe Zweifel erbebt fih in Bezug auf die Lehre des 
Beryll von Boſtra, den Origenes bekämpft hat. Gewiß tft, daß diefer Bifchof monardia- 
nifch lehrte und Widerſpruch bei feinen Kollegen in Arabien fand (Eufeb., h. e. VI, 33, 

j. auch Sofrat., h. e. III, 7). Aber wie die Charakteriſtik feiner Lehre (bei Eufeb) zu 
deuten iſt, ift nicht ganz ficher: rôy owrrjoa xal xUgLov Yußv un ngoügpeordvan xal 6 
idiay obolas nepıyoaynyv oo Tis eis dvdownovs Enuönuias unde Yedınra ldiav 
Eyeıv, AA’ Eunokrevousvnvy aut uöynv my naroımnv. Doch iſt es überwiegend 
wabricheinlich, daß die dynamiftifche Lehrweiſe hier gemeint ift. Origenes murbe nad) 
Arabien berufen, und es gelang ihm in einer Disputation (im Jahre 244 jagt man), 
den Biſchof gütlich von feinem Irrtum zu überzeugen. Derjelbe mag in Arabien mit 10 
allgemeineren theologiſchen Lehren, in denen die platonifche Religionsphiloſophie feine 
Stätte batte, in Zuſammenhang geitanden haben. 

Daß auf dem femitisch-helleniftifchen Boden die dynamiſtiſche Chriftologie auch ſonſt 
verbreitet war, zeigte ji) darin, daß der Inhaber des wichtigſten Stuhls im Orient, Paul 
von Samofata, Bifchof von Antiochien, fie feit ce. 260 nachdrücklich geltend machte und 15 
der Lehre von der phyſiſchen Gottheit Chriſti entgegenſetzte. Dadurch kam es erſt zu 
einer großen Kontroverſe im Orient, die mit der Niederlage des Adoptianismus endete. 

Die wichtigſte Quelle für Paulus' Geſchichte und Lehre ſind die Akten der gegen 
ihn gebaltenen antiocheniſchen Synode (d. h. die tachygraphiſche Nachſchrift der Disputa- 
tion zwoifchen Paulus und dem antiochenifchen Presbyter Maldion) und die Synodal- 20 
ſchreiben. Wir befigen diefelben, während fie noch im 6. Jahrhundert exiftierten, heute 
nur in Fragmenten und zwar bei Eujebius h. e. VII, 27—30 (Hieron. de vir. ill. 71 
Chron. Hieron.), in Juſtinians Tract.c. Monophysit., in der Contestatio ad Clerum 
CP. in den Alten des ephef. Konzild, in des Leontius Byzant. Schrift adv. Nestor. 
et Eutych. und in dem Bude des Petrus Diaconus de incarnatione ad Fulgen- 25 
tum. (Alles dies bei Routh, Rel. S. III?, p. 300 sq. 326sq., wo aud die Fundorte 
angegeben find.) Ilngezweifelt ift das Eynodalfchreiben von fechs Bifchöfen an Paulus, 
weldyes Turrianus veröffentlicht hat (Routh 1. c. p. 289 sq.); doch fprechen für die Echt: 
beit überiwiegende Gründe. Entſchieden unecht tft ein Brief des aler. Dionvfius an Paulus 
(Manſi I, p. 1039 sq.), ebenfo ein angeblich nicänifches Symbol gegen ihn (f. Gaspari, so 
Quellen IV, S. 161.) und ein anderes, welches ſich in dem Klagefchreiben gegen Neſto— 
sus findet (Manfi IV, p. 1010). Aus der Schrift „Doctrinae Patrum de verbi 
incarnatione“ hat Mai (Vet. Script. Nova Coll. VII, p. 68 sq.) fünf Fragmente von 
Reden des Paulus („ol roös Zaßıvov Adyoı“) veröffentlicht, die von dem höchſten In: 
tereffe find (nicht ganz korrekt abgedrudt bei Routh 1. c. p. 328 89.). Doch wird man, 36 
da fie bisher nicht geprüft worden, gegen ihre Echtheit Bedenken erheben Tünnen, die ſich 
vielleicht nicht völlig erledigen laffen. Schriften des Paulus erwähnt Vincentius, Com- 
monit. 35. In zweiter Linie kommen die Zeugniffe der großen Kirchenväter des 4. Jahr: 
bunderts in Betracht, die zum Teil auch auf den Alten, zum Teil auf münblicher Ueber: 
lieferung beruhen: ſ. Athanafius, ec. Apoll. II, 3. IX, 3 de synod. Arim. et Seleuc. «0 
26. 43. 45. 51. 93. Orat. c. Arian. II, n. 43; Hilarius, De synod. n. 86, p. 1200; 
Epbraem junior bei Photius, Cod. 229; Gregor Nyſſ., Antirrhet. adv. Apoll. $ 9, 
p. 141; Bajilius, ep. 52 (olim 300); Epiphan. h. 65 und Anaceph.; vgl. auch dic 
3. antioch. Formel und die form. macrostich. (Hahn, Biblioth. der Symbole, 2. Aufl. 

85. 89), jowie den 19. Kanon des Konzils von Nicäa, nach welchem Anhänger des 46 
us behufs Aufnahme in die fatholifche Kirche noch einmal getauft werden müſſen. 
in paar Notizen auch in Cramers Gatene in S. Joannem p. 235. 259 sq. Ginzelnes 
Brauchbare noch bei Innocenz I. ep. 22, bei Marius Mercator, in der Suppl. Impp. 
Theodos. et Valentiniano adv. Nestor. des Diaton Bafılius, bei Theodorus de Raithu 

(j. Routb 1. c. p. 327 sq. 357), Aulgentius u. |. w. Bei den fpäteren Keßerbeitreitern co 
son Philaſtrius ab und in den Beichlüffen der Synoden vom 5. Jahrhundert ab begegnet 
Rur anntes (Philaſtr. h. 64; Auguftin h. 44. Prädeſt. 44 u. f. w.). Sozom., h. e. 
IV, 15 und Theodoret h. f. II, 8 ijt noch von Wichtigkeit. Vom libellus synodicus 


M abaujehen. V | 

urch die alerandrinifche Theologie des 3. Jahrhunderts war der Gebrauch der Bes 55 
griffe Adyos, odola, nodownov ete. in der Dogmatik legitimiert und unumgänglich ge= 
nacht. Zugleich war ın den meiteften Kreifen die Vorftellung zur Herrichaft gefommen, 
up vie urjprüngliche Natur des Erlöjers nicht menfchlich, ſondern göttlich jei, daß der: 
| mithin nicht erft von der menſchlichen Geburt ab exiftiert babe. Hier feste Paul 
im. Nähere Nachrichten über die Vorausfegungen und die Anläffe der Kontroverſe fehlen oo 


320 Monarhianissuns 


und. Tod bleibt es denfwürdig, daß nicht eine Provinz des römischen Reiches, ſondern 
Antiodyien, das damals zu Palmyra gebörte, der Schauplag dieſer Bewegung geweſen iſt. 
Achtet man darauf, daß Paulus Vizefünig im Neiche der Zenobia war (|. Bernbarbt, 
(Gejchichte des römischen Meiches jeit dem Tode Valerians S. 170. 1787. 306 F.), daß 
5 von naben Beziehungen zwiſchen ibm und der Königin berichtet wird, daß jein Sturz 
den Steg der römischen Partei in Antiochten bedeutete, jo darf man annehmen, daß 
binter dem tbeologifchen Streit auch noch ein politifcher lag, und Daß die Gegner des 
Paulus zur römischen Partei in Syrien gebörten. Dem vornehmen Wetropoliten und 
fundigen Theologen, der von den Gegnern freilih als ungeijtlicber Kirchenfürft, eitler 
10 Prediger, bochfabrender Weltmann und verjehlagener Sophiſt gejchildert wird, war nicht 
leicht beizufommen. Die Brovinzialionode, in der er ja den Vorjig zu führen batte, reichte 
nicht aus. Aber ſchon in der novatianifchen Angelegenbeit, welche den Urient zu ſpalten 
drohte, war im Sabre 252 (253) das Erxperiment eines orientaliichen Generalfonzils mit 
Glück verfudt worden. Es wurde wiederbolt. Cine große Synode trat im Sabre 261 
15 — wir wiſſen nicht, wer fie berufen bat --- in Antiochien zujammen, der Bilchöfe aus 
verjchiedenen Teilen des Urients benvobnten, jo vor allem ;sirmilian von Gappadocien. 
Der greife alerandriniihe Biſchof Dionyſius entjchuldigte ſein Nichterfcheinen durch ein 
Schreiben, in welchen er wenigſtens nicht für Baulus Partei nahm. Dieſe erite Synode 
verlief refultatlos, angeblich weil der Beklagte feine faljchen Lehren Hug verbüllt batte. 
Auch eine zweite war noch ohne Erfolg. Firmilian jelbit verzichtete auf eine Verurteilung, 
„weil Paulus feine Meinung zu ändern verſprach“. Erſt auf einer dritten Synode 
(zwijchen 266 und 269, wahrjcheinlih 268) zu Anttochten — Firmilian jtarb auf dem 
Wege dortbin zu Tarfus - - wurde die Grfommunifation über den Metropoliten verbängt 
und ibm ein Sachfolger in Domnus gegeben (die Zabl der Synodalen wird verjchieden 
2; angegeben, auf 70, 80, 180), nachdem namentlich cin antiochenifcher Sophiſt und Bor: 
jteber einer Gelebrtenjchule, zugleich Presbypter der Nirche, namens Maldion, wider ibn 
disputiert hatte. „Er war allein unter allen im ſtande, jenen verjtedten und trügeriſchen 
Menſchen zu entlarven”. Die Alten der Disputation zuſammen mit einem ausführlichen 
Schreiben wurden von den Synodalen nad Rom und Alerandrien und an ſämtliche 
30 katholiſche Kirchen gefandt. Bon Zenobia geſchützt blieb aber Paulus noch vier Jabre 
in feinem Anite; die Kirche zu Antiochien fpaltete fih (Eyevorro oxiouara Aawr, üxa- 
raotaciaı legEwr, Tapgayı) zouuerwv, ſagt Balılius Diaconus | Act. Conc. Ephes. III, 
p. 127 Labb.)). Erſt im Jahre 272 wurde Antiochien von Aurelian eingenoninten, und 
perfönlich entichied der daſelbſt anweſende Kaiſer, an den appelliert wurde, daß das 
35 Nirbenbaus demjenigen zu übergeben fei, mit welchem die chriftlihen Biſchöfe Italiens 
und der Stadt Nom im brieflichen Verkehr jtünden - ein Befcheid, der natürlich aus 
politifchen Gründen erfolgte. 
Die Yebre des Paulus, melde von den Vätern als eine Erneuerung der artemonis 
tiſchen, bald aber auch als neujüdifch, ebionitiſch, Später als neſtorianiſch, monothele⸗ 
so tiſch ()) u. f. w. bezeichnet wird, war Diefe: Gott iſt fchlechtbin einperfönlih zu denken. 
Vater, Sohn und Geiſt find der cine Gott (dv novownor). Wohl kann in Gott ein 
Logos (Sohn) rejp. eine Zopbia (bl. Geiſt) unterfehieden werden (Xogos übrigens bei 
Paulus identisch mit Sophia), aber fie find Eigenfchaften Gottes (un elvam row viör 
tod BEod Erunooraror, üahka Er alt To de — & Veo bruuoryun dvvndoraros — 
185 Heros 6 narıjo al ö viös altod Er attad as Aöyos &r dvdowno). Gott fehl 
den Yogos von Ewigkeit ber aus ſich beraus, ja zeugt ibn, jo daß man ihn Sohn nennen 
und ibm ein Sein beilegen kann, aber er bleibt eine unperfünliche Kraft (Adyos ro0pe- 
oIxös - - Ö no0 air wios - - Tor Aöyov PyErınoev Ö Deös Äävev nagdevov 
ävev TIvög OVÖEVös Övros ni Tod Veov' zal obtws önéorn 6 Aöyos). Er tann 
zo darum jchlechterdings nicht in die Erſcheinung treten (oopla obx 17 Öbvaros Er 
narı ebgioxeodau, otör &r VE Ardods' elsav yao TWv dowusrwv Eori). Dieſer 
Yogos bat in den Propheten gewirkt, in noch böberem Maße in Mofes, auch in viden 
anderen, am meiften (wilkov zal drageoortons) in dem von der Jungfrau aus dem 
hl. Geiſt geborenen Davidsſohn. Der Erlöfer ijt feinem Wejensbeitande nach ein Menſch, 
55 der in der Zeit Durch Die Geburt entjtanden tt, er it alfo „von unten her”, aber von 
oben ber wirkte in ibn Der Yogos Wottes binein (Adyos usw Avywder, ’Inooüs Ö8 
XKoworos avdownos &rtedder : - Notorös ano Maoias xal devoo dorw — Gr 
Vownos 1» 6 Inooös, xal Er alto) Ev&nvevaer üvwder 6 Aöyos. O nariyo yde 
äna 7a via |scil. tw Aoyw| eis Weus, ö de Avdomnos xndrwder rö Ldıoy 
wwror Laogalreı, xal olTtws Ta ÖVo Agdowna Anpovrraı -- Ägıorös Evrevder 


* 
— 


* 





Monarchianismus 321 


rijc bnaokews nv coxn Loynxos — Akyeı Thooõũv Xgroröv xdrwder). Die Ber: 
bindung des Logos mit dem Nenfchen Jeſus ift vorzuftellen als eine Einwohnuug (wc 
&v va --- Eidövra röv Adyov xal &vormnoarra £v ’Inoov dvdounw Öyrı, bierfür 
berief fih Paulus auf Jo 14, 10 -— sapientia habitavit in eo, sicut habitamus 
et nos in domibus) vermitteljt einer von außen wirkenden Inſpiration Aoyov &veoyor 5 
EE oboavod & adıd — oopias Zunveovons EEwder), \o daß der Logos das in 
Jeſu wird, was ih dem Chriſten vom Apoftel „der innere Menſch“ genannt wird; aber 
die Gemeinschaft, die jo entjteht, ijt eine ovvapeıa xara uddmow xal uerovolar, eine 
ovv&lsvars ; nicht entjteht eine oboio odowusrn, & owuarı, d. b. der Logos bat in 
Jeſus nicht gewohnt odawöws dAla zara nowenta (ob Öldws, fagt Malcion, 
ovowodar Ev To ÖAm owıngı Töv uovoyern). Daher ijt der Logos ſtets von Jeſus 
zu untericheiden (dAAos ydo Eotv ’Inooös Xoworös xat Allos 6 Aödyos), er ft größer 
als dieſer (6 Aöyos ueillwv NV ToV — Xoworös yap da oopias utyas EyE- 
vero). Marta bat auch nicht den Logos geboren, jondern einen ung —— Men: 
jhen, und in der Taufe ift nicht der Yogos mit Geift gefalbt worden, fondern der 
Menſch (Mapla röv Adyov oüx Erexev ode yao Tv oo alavwv T Mapia, dlda 
üvdownov Hüv loov Erexev — üvdownos yoieraı, 6 Aoyos od ypistar 6 Nalw- 
gatos yoleraı, qHh xUolos Hua). Indeſſen andererjeits iſt Kerıs in beionderem Maße 
der göttlichen Gnade gewürdigt worden (otx Zouv 6 Ex Aaßlö yowwdeis dAlödtpios 
ts ooyiuc) und feine Stellung tft eine einzigartige (N) ooria &r Ulm oüy oüTws 2% 
I — xoelttwy xara ndvra, Eneiön 2x nvevuaros Ayiov xal EE Enayyelıar xal 
&x 109 yeyoauubwv N En avıa yägıs). Zeiner bejonderen Ausjtattung (Paulus 
ah fogar von einer dıayopa Tijs xaraoxeviis [ovordoews) Tod Xoıoroöd) entiprad) 
aber auch feine fittlihe Bewährung. Zwiſchen zwei Perſonen ift nur Einheit der Ge 
finnung und der Willensrichtung möglich (al dıdpopoı pVoeıs xal ra Öldgooa I000- 25 
wra Eva xal uövov Evmoews Eyovor TE0N0v nv xara Heinoıw odußaoıy, EE Ns 
/ xara Evepyaiav Ent tõy odıws ovvßıßaoderıwv dAAnloıs dvapaiverar uovds) ; 
oldhe Einbeit fommt nur durch Liebe zu Stande; aber dieje bringt es auch gewiß zu einer 
vollen Einheit (un Yavunons Ötı iav uera Tod Beod mv Üeinow elyer 6 owrijo' 
doneo yao ) Yvcıs ulav ı@v nolilav xal iv abımv Ündoyovoavy Yarepol Tv w 
obolay, oGtooc N oytoıs ins Aydarıns ulav ı@v noAlav xal ımv abımv £oydleraı 
dEinow da wmäs xai Täjs adrijs Yavegovukrny edapsornosws) und nur Das, was 
aus der Liebe geſchieht — nicht das durch die „Natur“ Erreichte --- bat Wert (ra xoa- 
tovusva ı@ A0oyw Tis pioews obx Eyovar Enawov' da Ö& oykoesı pılias xnaTov- 
vrregamweitau, ud xal ij auıi yraum »patovusva, dia jäÄs xal ıns abıng 35 
tveoyeias Beßaovusva, xal tjs xar EnadEnow odögnoTE navouevns KUNOEWS). 
Jeſus ift Durch die Unveränderlichfeit feiner Geſinnung und feines Willens Gott ähnlich 
und mit ihm Eins geworden, und zwar, indem er nicht nur felbft ohne Sünde blieb, 
fondern aub in Kampf und Mühen die Zünden unferes Vorvaters überwand (Ta 
Konto Tns yrouns Öuowdeis iO VE xal ueivas xadapös Auaprias hrvWdn 4— 
adıd —- äyıos * Ölxaıos yeyernuvos Ö 0WTNo dy@rı xal NöVW TÄS TOV N100- 
adıopos Hußyv xoarnoas duaprias' ols xatopdwoas nv dpermy avynodn 1 den, 
pay xal 179 alınv noös avıöv Bovinow zxal Evkoyaar tais av Ayado)v n00- 
xonais Eoynxos). Wie er aber jelbit fortichritt in Bewährung des Guten und in ihm 
bebarrte, jo rüftete ihn der Vater aus mit Macht: und Munderthaten, in denen er feine s 
ſtetige Willensrihtung auf Gott befundete (Korotös raoywv xara piow, Bavua- 
GV xara yüpıv ... xal Evnoyndn nowiodaı mv av davudımv Övvaoreliay, 
E 0v ular adrös Dei xal ınv adım ngös ıjj Deinosı Evegysıav Fywv Ösıydeis 
Anpwrns Tod yEvovs xal owıno Eyonudroer). So wurde er der Erlöjer und Heiland 
des Wenſchengeſchlechts und trat zugleih in eine in Ewigkeit unauflöslide Verbindung so 
mit Gott, weil feine Liebe nicht mehr aufbürte (zara mv xar! EnadEnow oWöenote 
aavousvnv alvnow ins pılias TO Ve ovvapdkeis 6 owıno olÖEnote Öeyeru 
penouöv els tous alövas, niav abım xal m adrızv Eywv Veinoıw xal Erkoyear 
dei zırovulımy ıj) pareowoeı ı@v dyadav). Nun bat er als Ziegespreis feiner Yiebe 
den Namen erhalten von Gott, der über alle Namen ift (mW Ev&oyeıay ddtaioeror % 
guidkas Oo Övoua xAnpovrau To Into när Övoua orooyis Enadiov altcö yaoıo- 
der), Gott bat ihm das Gericht übergeben (zo) de yırdozxeır, heißt es in der Catena 
in S. Joann., ötı 6 u8v Ilavkos 5 Zauooarebs oftw Pnoiv Eöwnxev abted xolow 
aowiv, Sri vlös dvdownov Eoriv) und bat ibn in göttlihe Würde eingeſetzt, alſo daß 
man ibn nun nennen fann „den Gott aus der Jungfrau“ (Athanaſ.: /Tavlos 6 La- © 
Realstäncpflopädie für Theologie und Stirche. 3. A. XIII. 21 


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are; Debn du us napberon önolone, debn bu Natagkr bene) So Kür 





man nicht ‚da [us ic i Bezi 
| ſeits en * * 
— —* | ren —* Perſonen, über das Weſen und die ber Liebe, über 
——— — Rn eine leeren. erteunbare Görlihtei 
—53 ng J Bing wein Sr — 

ein nur darau uweiſen, fonplizierte 

















beariff. Dh — die —— J —— wenn fie fr 
„das Myſterium des chriitlihen Glaubens verraten” (Euſeb. h. e. Mens 
45 den myſtiſchen Gottes» und Chriſtusbegriff, oder fich beichweren, P. 
ei deshalb eine Einheit, weil der Vater die Quelle derjelben bleibe op den 
* onen (Epiphan. e. 3: PJadlos ob Akyaı eöv did TO np 
narega). Was beit das anders, als zugeiteben, daß Paulus bei feinem Gottee 5 
nicht von der Subſtanz, ſondern von der Perſon ausgeht? Es iſt das J 
so tereſſe, im Gegenſatze zu dem akosmiſtiſch— 6 des Platonismus, 1 
hier vertritt. Und in der Schätzung der Perfon Jeſu mill er nicht in der „Natur“, fon 
dern in ber Gefinnung und Willensrihtung das Einzigartige und Göttliche erlennen; 
—* ibm ſteht es feſt: ra »garoüuera 1 Adym Ts pboews obx Erawor. 
Daher it ihm Ghriftus nicht xar“ odola», fondern (gegen Origenes) zard usrovalar 
65 Deös; aber deshalb ift ihm Doc Chriſtus als Perfon durchaus nicht —* —VVV — 
ſondern nur die Naturausſtattung Chriſti gilt ibm als keine abſonderliche. Aber r 
Chriſtus in einziger Weiſe Gegenitand der göttlichen Vorherbeſtimmung *5 i 
bat auch gemäß den Verheißungen der Geiſt und die Gnade Gottes in befonberer U 
auf ihm gerubt, und jo ift auch jein Wirken im Beruf und fein Leben mit und in 
co ein einzigartiges gewwejen. Dieje Anſchauung läßt Naum für ein menjchliches Leben; 








Monardiianismus 323 


bat Paulus auch fchlieglih die Formel gebraucht, daß Ghriftus Gott geivorden fei, fo 
zeigt feine oben angeführte Berufung auf Phi 2,9, in welchem Sinne dies gemeint ivar. 
Die Gegner haben ihm freilich vorgeivorfen, daß er feine wahre Meinung hinter orthodox 
Hingenden Formeln fophiftiih und täufchend verhüllt habe: es ift auch z. B. angelichts 
der Beobachtung, daß der unperjünliche Yogos von Paulus „Sohn“ genannt wird, möglid, 6 
daß an der Beichuldigung etwas wahres iſt; indeilen iſt es nicht wahrſcheinlich. Man 
bat den Paulus eben nicht veritanden oder vielmehr man hat ihn mißveritanden. Wird 
doch noch heute die Chrijtologie ded Hermas von manchen Theologen für geradezu nicä- 
niſch angefeben, obgleich ſie um nichts ortbodorer iſt als die des Paulus. Paſſiert ſolch 
ein Mißverſtändnis beute noch den Gelehrten — und Hermas heuchelte doch gewiß nicht — 
warum fonnte Firmilian nicht zeittveilig den Paulus für ortbodor halten? Cr lehrte 
doch einen ewigen Sohn Gottes, eine Einwohnung desfelben in Jeſus; er verfündete die 
Gottheit Chrijti, lehrte dyoprofopisch (Gott und Jeſus) und lehnte mit den Alerandrinern 
den Sabellianismus ab. a in diefem Punkte fcheint man ibm fogar auf der Synode 
eine Art von Konzeſſion gemacht zu baben. Wir willen, daß dieſelbe den Terminus 15 
„Suoovoos“ ausprüdlich verworfen hat --- zur Zeit des arianifchen Streite8 war dies 
eine befannte Sache, auf die ſich z. B. die Semtarianer zu Ancyra ausbrüdlich berufen 
baben, j. Athanaſius de synod. 43sq.; Baſilius ep. 52; Baſilius de synod. 81. 86; 
Sozom. h. e. IV, 15 — und zwar bat fie dies nad der Vermutung des Athanaſius 
getban, um einem Einwurfe des Paulus zu begegnen. Diejer foll nämlich jo argumen: 20 
tiert haben: ijt Chriftus nicht, wie er lehre, weſentlich Menjch, jo ift er Öuoovoros mit 
dem Bater. Gilt das aber, fo iſt nicht der Vater letztlich Urquell der Gottheit, ſondern 
die oval und es entitehen drei odoiaı (dvayxın toeis ovolas elvaı, ulav utv ngon- 
eynrv, Tas Ö& 600 EE Exeivns), d. h. die Gottheit des Vaters wird Fetbft eine ab 
eleitete, der Vater mit dem Sohne in der Urigination fomit identisch („fie werden 2; 
Früder ”) Dies kann ein Einwurf des Paulus geweſen fein — die artjtoteliiche Faſſung 
der odoia würde feiner Denkweiſe entiprechen, ebenſo der Umftand, daß er die Möglichkeit 
aner untergeordneten Gottheit des Sohnes gar nicht in Anſchlag bringt —, auch fann 
die Synode ſehr wohl in antifabellianifchen inne das Öuoovoros abgelehnt haben; in: 
deſſen iſt es doch ebenjo möglich, daß, wie Hilarius jagt, das Öuoovaıos verworfen 30 
wurde, weil Paulus felbit Gott und den (unperfönlichen) Logos (Sohn) für duooroıos 
erllärt hatte. Wie dem auch fei, nachdem man einmal die Anfiht des Paulus durch: 
batte, wurde fie von der Mehrheit als im höchſten Maße bäretiich empfunden. 
mar man jelbjt nicht darüber im klaren, welcher Art das weſenhaft Göttliche in 
Chriſtus ſei — daß er eine „Gottheit“ babe, zu der nicht gebetet werden bürfe, hatte 35 
noch Origenes gelehrt (de orat. 15. 16) —, aber für ein Attentat auf die regula fidei 
t es, dem Grlöjer die göttliche Phyſis abzufprechen (Euſeb. h. e. VII, 30, 6. 16). 
ichtig fühlte man den wirklich Schwachen Punkt in der Ehriftologie des Paulus heraus, 
daß er nämlich eigentlich zwei Söhne Gottes Ichre (Malchion bei Leontius Routh 1. ce. 
p. 312]: Zlavlos grow, un Vo Enioraodaı viors' el Ö& viös 6 I. Xo. tov Beov, 40 
E xal N oopia, xal ällo utv Ti oopia, Allo ÖE I. Xo., ÖVo Öpioravraı 
vioi — (Ephraem bei Photius, cod. 229): fo aber batte auch Hermas ſchon gepredigt, 
und Paulus nabm es mit dem „ewigen Zohne” nicht Ernſt. Doch dies war ja aud 
nur eine Nebenſache. Die entfcheidende Differenz murzelte in der Frage nad) der gött— 
. Ihen Phyſis des Erlöfers. 6 
Mit der ng und Nemovierung des Paulus iſt für die Berichterftatter feine 


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Sache abgethan. Fortab war cs nicht mehr möglich, fi auf dem großen Markte des 
Griftlichen Lebens für eine Chriſtologie Gehör zu verichaffen, welche die perjönliche ſelbſt— 
ige Präexiſtenz des Erlöfers leugnete. Niemand durfte ſich mehr damit begnügen, 
das gottinenjchliche Leben des Erlöfers an feinem Wirken klar zu machen; er mußte so 
a die göttlihe Phyſis des Erlöfers glauben. Die Eleineren abgelegenen Gemeinden 
mußten notivendig allmählich den größeren folgen. Wir wiſſen aber aus dem Rund: 
Weeiben des Alexander vom Jahre 321 (bei Theodoret h.e. I, H, daß die Lehre Pauls 
nicht fofort untergegangen iſt (das Nicänum, can. 19, bejtimmt, daß die Paulianiſten 
noch einmal zu kaufen find). Lucian und feine Gelehrtenſchule ift vom Seifte Des Paulus 55 
befruchtet worden (ſ. den Art. Yucian Bd XI S. 659). Yuctan bat während der Dauer 
ceier antiochenifcher Epiſtopate als Haupt einer Schule außerhalb der großen Fatbolifchen 
gejtanden, wie einjt Theodotus und fein Anbang zu Nom. Aber indem er fid 
me Annahme des origenitiichen Logos bequemte, bat er den Grundgedanten des Baulus 
glälfcht, und feine Schüler, die nachmaligen Arianer, baben in dem Bilde, das fie von ww 
31* 


Wunardlanisınnd 


RE ET BETTITETE DET U NGEERTIN TEL IN. UBELLLUSN Ieitbalten können, in welchen Taulus 
nn ht unbe bie Wenns Deo Willens in Chriſtus betont babın. Ter 
. hbbebun Merus ou QNNMÄNTEO NET adoeptianiſchen Ebriſtologie und der 

| —R , \esenrderz Vbormus dem Paulus gekommen; 


aan ehhn —V 


ost Daynane Inper ibm nicht fern. Denn be 


veonc.ns m Coriitus, Die fie allerdings be 
Ne adiie des Vaulus bereinigen, als 
| . 000m dern mo Ne Musführungen Theo: 
\ INN Non ie ME des Renſchen Jeſus, über 
Sn O8... cee era mi Denen Des Paulus, 
“rn: cr Hsumlepdtisg.), babe 
| . ν. "much Div ‚Fragmente 
W Ss. "euren ’n app. Pauli com- 
uno m mlus to verwandt, 
“2 w2och nicht aufrecht 
_...2. 7 »r Tar zum zweiten⸗ 
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F “2 wagen om Zupe über Die wa 
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.„. oralen aber Sippelrt, damen men me Verttete 
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Sadint iratetr veleh gewerden int ! ss Due 2734 
.. . i ſci: hr 2 Mal Des 3, \abrbandeer manımem ıl3 „Sa 
nun Zdunmauetı tod it irnen de dar: ‚Teotpassiani" 
ra in ep. ad Tit. fragm. II ed. Lomrazsıa V. p.28: 
superstitiyse magis quam religiose, ut ze Tıiwuntur duos 
.y. ursum negare salvatsris deitat-m, unar =z7’emque sub 1 
. w li asseverant, id est, «us quidem nomizs swandum di $ 
aut Peeipientes, unam tamen roragır scheisgere, id est, 
. iuvbus nominibus subiacentem, qui latine Psiripassiani ap- 
Souası De synod. e 7 nı+ der formula Antiwch. rıacrostich.) 
one N Me MONDEIIEIRBU NIRMTONDE Die ganze KEœre Suwerc (Philo- | 
\ ν Tlorizeor Zamı TOTAL Tor Z00U0r Er Um TOds SUGTOR 
„ap Jemen un) Inaenes vaben bezeugt, Dak se the Jar bei der 
„Stang Rettes dir monde” Trinitat und Die Mnwendarnz des Yogobe 
sadtie fur vrlapen sn Tertull. adv. Prax. ::: „Simplices quique, 
x... wpiwdentes rt jıliotae, qQuae major semper credentium pars est, 
ı psa vogula fideia pluribus diis saeculi ad unicum et verum deum.: 
.. ws miellegentes unieum quilem, sed cum sua ofxoroua esse ere- 
u, Ngaresrunt ad aizemwin . .. Itaque duos et tres jam jactitant a 
us ndtaiati, Se vero unius dei eultores praesumunt ... monarchiam in- 


1% 





Monarchianismus 325 


quiunt tenemus“; ähnlich Origenes, in Joann. t. II, 3, wo er von „der großen 
Maſſe der für gläubig Geltenden“ fpricht, welche, „indem ſie nichts Tannten als Sefum 
Chriſtum und zwar den Gelreuzigten, den fleifchgeivordenen Logos für das Ganze des 
2ogos [d. b. der Gottheit überhaupt] bielten”). Wie verbreitet überall, namentlich aber 
im Abendland, der natve und der refleftierte Modalismus waren, zeigen die zahlreichen 5 
apokryphen Apoftelgefchichten, die viel gelefen wurden und die fat fäntlich eine mobali- 
ftifche Ebriftologie vertreten oder ihr doch nahe kommen. Sehr lehrreih iſt auch die 
Chriftologie des Irenäus; fie ftellt den Verfuch einer eigentümlichen Verbindung der Logos⸗ 
hrijtologte mit dem Modalismus dar. Origenes unterjcheidet 1 Klaffen: (1) Götzen— 
anbeter. (2) Anbeter von Engelmädten. (3) Solche, denen Chriftus der ganze Gott ift. 10 
(4) Solche, die ſich zum höchſten Gott aufſchwingen. In Rom war, wie wir jeßt aus 
den Philoſophumena willen und mie die Evangelienprologe bezeugen (j. Corſſen, Monar- 
dianische Prologe 1896), fat ein Menjchenalter bindurh der Monarchianismus die offi- 
ielle Lehre, und daß er feine Neuerung in der Kirche geivefen ift, beweiſt am Beften die 
—* daß es unter den Montaniſten eine monarchianiſche — es war wohl die ältere ı5 
— Fraktion gab (Philofoph. VIII, 19; X, 26): ſpeziell in Rom war Aeſchines am 
Anfang des 3. Jahrhunderts ihr befanntefter Vertreter, während der römische Montanijt 
Proclus „ökonomiſch“ Lehrte (Pfeudotertul. 26). Daß auch Philaſtr. h. 51 auf mo: 
narchianiſche Montaniften zu beziehen fei, fucht Lipfius (Quellen d. Kegergeih. S. 997.) 
nachzutveifen. — Modaliftifches in der chriftlihen Bearbeitung der Tejtamente der 12 20 
tarchen. Eine erflufive modaliftifche Lehre bat es in der Kirche erit infolge des 
fes mit dem Gnoſticismus gegeben. Auch darauf darf veriviefen werden, daß es 
in den Kreiſen der Marcioniten Modaliften gab. Neander (8.:G. I, 2, S. 796; Gnoft. 
Spiteme ©. 294) hat fogar Marcion ſelbſt für einen folchen gehalten. Die mag un: 
ichtig bzw. eine faljche Frageſtellung fein. Aber gewiß ift, daß jpätere Marcioniten im 25 
Abendlande patripaffianiich gelehrt haben (j. Ambros. de fide V, 13, 162, T. II, 
P 579; Ambrosiaster ad 1 Cor. 2, 2, T. II, App. p. 117). Es mag zutreffen, 
ß dieſe modaliſtiſchen Monarchianer zum größten Teile theologifche „Idioten“ waren 
(Tertull. 1. c. und c. 1: „simplicitas doctrinae“ c.9. Epiphan. h. 62, ce. 2: dgpe- 
ioraroı N Axkoauoı. Philoſoph. IX, 7. IL: Zepvoivos löuwrns xal dygdunaros. o 
Le. c. 6: duadeis). Daß fte aber doch auch ihre wifjenfchaftlihen Gerwährsmänner 
hatten, lehrt die Rolemif der Kirchenväter. Die refleftierenden Modaliften behaupteten ihre 
‚ (1) um den Ditheismus abzuwehren (2) um die volle Gottheit Chriſti zu behaupten, 
(3) um dem Gnofticismus jeden Boden zu entziehen. Es ließe fich aber unfchiver zeigen, 
wie —2 der nativen Vorſtellung von der Inkarnation der Gottheit des Vaters in ss 
iſtus jede theologifche Berührung werden mußte, und man kann fagen, daß es um fie 
eben war, als te jich genötigt ſah, anzugreifen oder fich zu verteidigen. Indem fie jich 
m ein tbeologifch-willenfchaftliches Gewand büllen und über den Sottesbegriff reflektieren 
mußte, entleerte fie fich jelbit und verlor ihre urfprüngliche Urientierung; was fie aber 
noch zurüdbebielt, das entftellten ihr die Gegner vollends. Hippolyt bat in den Philoſo- so 
phumenen die Lehre des No&tus als von Heraklit übernommen dargeftellt. Dies tft 
freilich eine Übertreibung. Faßt man aber einmal das ganze Problem „philofophifch und 
wiflenichaftlich”, jo ähnelt es allerdings frappant der Kontroverſe zwiſchen den genuinen 
Stoikern und den ftoifchen Platonifern über den Gottesbegriff. Wie diefe dem  herafli- 
tifch-ftoifchen Adyos — Beds den transcendenten, apathifchen Gott Platos übergeordnet 45 
— ſo hat auch z. B. Origenes den Monarchianern vor allem dies vorgeworfen, daß 
bei dem offenbaren, in der Welt wirkſamen Gott ſtehen geblieben ſeien, fiatt zum 
en” Gotte vorzufchreiten und jo die Gottheit ökonomiſch zu fallen. Es Tann des— 
auch nicht aufallen, daß der modalijtiihe Monarchianismus, nachdem er einntal 
ve Wiſſenſchaft d. h. die Stoa zu Hilfe gerufen, fih im der Richtung auf einen pan— 50 
iftiichen Gottesbeariff betvegt bat. Aber es ſcheint dies doch nicht anfangs und nicht 
a dem Maße geicheben zu fein, als die Gegner annabmen. Die älteften litterarifchen 
er des Monarhianismus - - von den Idioten zu fehweigen — baben ein aus— 
gerrägt monotheijtijches und wirklich biblifchechriftliches Intereſſe gehabt. Für die Gegner 
ber ıft es charakteriltifch, daß fie fofort den Gott Heraklits und Zenos gewittert baben 55 
— ein Beweis, wie tief fie ſelbſt in der neuplatonifchen Theologie ftedten (über die Be- 
- en zur Stoa ſ. Hagemann, Römiſche Kirche S. 354 ff. und meine Togmengelch. 
I’ &. 696f.). — Duellen: Für Noötus: Hippolyts Syntagma (Epiphan., Philaſtr., 
Bleubotertull.) und jeine große antimonarchianiſche Schrift, als deren Schluß höchſt wahr: 
Geinlich die jog. "Ouudla Innoivrov eis ty» aliveon Noytov wos (Xagarde, Hippo- 0 





Iy ie feruntur 138g.) gelten beide Werfe 
1. 57. On Epipt 3 * 5 ir vor + 2 








Baul. h. 2 
27 (abon 
e ift nicht 
Rür 9 oh. 

— — — de 
i er e ‚nd 0; ie klei | 
ii Kontroverfe geweſen au F nt: 


icht m u ermitteln — mögl daß er mmuni 
25 u dr Io ſcheint “| —5— zu ſein, da er Fe 4 ls M ——— 
Au mkeit t hat, —— im Re ne Ne re Mer gm 
leicht in feinem G urtsort Smyrna p. e. Noöt. 1 nad) * 
auf G re: verurteilt, jondern erjt ſpäter infolge 
ua 6 — och war. Die Notiz, No&t bätte —* 
oſes, ſeinen Bruder für Aaron eben, darf man au in Dr a en; 
os. IX, Di vielleicht in Epheſus (Gr . e. I). Seine Erfommunifation in 
alien durch die Presbyter, wird erfolgt fein, nachdem in Nom bie ganze — 
*5* zum Ay Hu — —* war. & erfärt es fi, daß Aa * der 
en ; 
‚6: do jet, gr: Umftand 
— bat den Theodoret ( 6) 
je Nor ein ſpäterer Mona ae gen 
igonus und Kleomenee He etreten = — ni 3 - 


F nr — Schiller Be Ei iR kam nad) Nom zur des Ein 
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Monardiauismns 327 


anders Yipfius, Duellen, S. 150)). Die chriftologifche Formel, welche Kalliſt ſelbſt auf: 
jtellte, follte die weniger leidenfchaftlichen Anhänger beider Parteien befriedigen und bat 
dies aud, foviel wir vermuten dürfen, getban. Die Heine Partei des Hippolyt, die 
„wahre fatholiiche Kirche”, erhielt fich nur etwa noch 15 Sahre in Rom, die des Sa- 
bellius dagegen länger. Kalliſts Formel ift die Brüde geweſen, auf welcher die urfprünglich 5 
monarchianisch gefinnten römischen Chrilten, dem Zuge der Zeit und der firchlichen Seifen. 
ſchaft folgend, zur Anerkennung der Hypoftafen-Ghriftologie übergegangen find. Als No- 
vatian * (. deſſen Schrift de trinitate), muß dieſe Lehre in Rom bereits herrſchend 
geweſen ſein, und iſt ſeitdem dort nicht mehr verdrängt worden. Ein Politiker hat ſie 
daſelbſt begründet, der für ſeine Perſon dem mobalifichen Zehrbegriff mehr gugeneigt 10 
eivefen ift. — In Vorftehendem iſt der Verfuch gemacht worden, aus der tendenziöfen 
Darftelung Hippolyts in den Philofophumenen den geichichtlichen Kern berauszufchälen. 
Hippolnts Bericht ift am forrefteften von Caspari (Uuellen III, ©. 325—330) wieder: 
gegeben. Er iſt ſchon deshalb verdächtig, weil er überall Heuchelei und Ränke mittert, 
wo auch jet noch erfichtlich tft, daß die Bijchöfe die Einheit und den Frieden der Ge: 15 
meinde vor der rabies theologorum habe jchüten wollen. Sie thaten damit nur, was 
ihres Amtes war, und bandelten im Geifte ihrer Vorgänger, zu deren Zeiten die Aner- 
fennung des kurzen und weiten Gemeindebekenntniſſes allein entjchied, und ſonſt Freiheit 
berrichte. Erfichtlich ift auch, daß Hippolyt den Zephyrin und die übrigen deshalb für 
Idioten hält, meil fie auf die neue Wiſſenſchaft und deren „ökonomiſchen“ Gottesbegriff 20 
nicht eingehen wollen. 

Wie dürftig unſere Quellen für die Geſchichte des Monarchianismus in Rom — 
von anderen Städten zu ſchweigen — trotz der Auffindung der Philoſophumena ſind, 
zeigt wohl am deutlichſten der Umſtand, daß Tertullian die Namen Noët, Epigonus, 
Kleomenes, Kalliſtus niemals nennt, dagegen uns mit einem römiſchen Monarchianer be— 25 
kannt macht, defjen Name von Hippolyt in feiner feiner zahlreichen Streitjchriften erwähnt 
wird — mit Praxeas. Man bat diefe Thatjache fo auffallend gefunden, daß man fehr 
abenteuerliche Hypotheſen aufgeitellt bat, um fie zu erklären. Man bat gemeint, der Name 
„Brareas” fer ein Spottname (— Händelmacer) und unter demfelben ſei in Wahrheit 
Roätus (nach Pfeudotertull. h. 30, Ivo in der That dem Noätus der Name „Prareas” ww 
fubjtituiert ift) oder Epigonus (de Roſſi, Bullett. 1866, p. 70), oder Kalliftus (fo 3.8. 
Regemann, Geſch. der röm. Kirche, S. 234f.; früber ſchon Semler ähnlich) zu verftehen. 

a8 Richtige findet fi) bei Töllinger (a. a. DO. ©. 198) und Lipſius (IdTh 1868, 
9. 4). Praxeas iſt bereit3 vor Epigonus nad Nom gelommen in einer Zeit, bis zu 
welcher die perfünlichen Erinnerungen Hippolyts nicht zurüdreichen, ala etwa gleichzeitig 35 
mit Theodotus unter dem Cpiflopat des Wictor, nach Lipfius ſogar I unter Eleu: 
tberus (f. auch Chronol. der römischen Bilhöfe ©. 173f.). Er hat ſich vielleiht nur 
burze Zeit in Nom aufgehalten, ohne dort auf Widerſpruch zu ftoßen. Als 15 Jahre 
fäter ın Rom und SKarthago die Kontroverfe brennend wurde, und Tertullian ſich ge- 
nötigt ſah, wider den Vatripaffianismus aufzutreten, war der Name des Praxeas bereits 1 
verſchollen. Tertullian aber fnüpfte an ihn an, mweil er der Erſte geweſen, der in Kar: 
tbago einen Streit erregt hatte, und weil Praxeas als entfchievdener Antimontanift ihm 

isch war. In der Polemik aber berüdlichtigt Tertullian die zeitgejchichtlichen Ver: 
bältniffe, wie fie un das Jahr 210 etwa beitanden — um diefe Zeit ift die Schrift 
adv. Prax. geichrieben —, ja er fpielt wie e8 feheint, auch auf die römischen Mlonar: 46 
bianer, d. h. auf Zephyrinus und feinen Anbang an (f. Yipfius a. a. O.). In dieſer 
Beobadıtung berubt die Wahrheit dey Hypotheſe, Praxeas fei nur ein Name für einen 
anderen belannten römiſchen Mlonarchtaner. 

Prareas war ein Heinafiatiicher Konfeſſor, der erfte, der die Kontroverfe über Die 
Chriftologie nach Nom trug (adv. Prax. 1: „iste primus ex Asia hoc genus per- „ 
versitatis intulit Romam, homo et alias inquietus, insuper de iactatione mar- 
tyrii inflatus ob solum et simplex et brevecarceris taedium“). Zugleich brachte 
er aus feiner Heimat den entjchiedenen Eifer gegen die neue Prophetie mit. Wieder 
werden wir bier an die Partei jener Eleinafiatifchen „Aloger” erinnert, die mit einer mo— 
narchianiſchen Chrijtologie den Widertoillen gegen den Montanismus verband. In Nom 55 
fanden feine Beitrebungen nicht nur feinen Widerſpruch, fondern P. veranlaßte auch den 
Biſchof Durch die Mitteilungen, die er ihm über die neuen Propheten und ibre Gemeinden 
in Aſien machte, die litterae paeis, die er dieſen bereits ausgeftellt batte, zurüdzunehmen 
und den „Charismen“ die Anerkennung zu verfagen (Tertull. 1. c.: „Ita duo negotia 
diaboli Praxeas Romae procuravit, prophetiam expulit et haeresim intulit, w 


428 Monardiauismns 


parzeletum fugavit et patrem crueifixit). Wer dicict BR: man ie, ſagt 
2; — nicht; vielleicht Eleutherus (das iſt nad Euieb. h. e. V. - 7richeinlich, 
Lda Kictor. Ber Pſeudotertullian leſen wir: „Praxeas quidam baeresim intro- 
* quam Victorinus corroborare curavit“. Tieter Yinımrıs zo mir Recht 
it de meiſten Gelehrten für den Biſchof Viector gehalten. Terar mt: cuitlich der 
Km außer Kictor. Viectorinus ſ. Yangen, Geſchichte Der sem. ME. 2. on: Gas 
..zt, —_ttellen, III, Z. 525, n. 102), ſodann Der Ausdruck „curavit“, zieht auf eine 
..erstlfte Kerſönlichkeit führt, endlich der Umftand, daß die Nacictat Sa Victor, wie 
tr beininmt willen (ſ. oben), monarchianiſch aejfınnt waren. Daß Niet den Theo: 
"0 xxkrunmuniziert bit, Spricht durchaus nidıt Dagegen; Denn ter Monarchianismus 
2. Mans war ganz anderer Art, als der Des Praxeas. Es nt ZU Ne Drei Bi 
1.  Futer, Zephyrin und Kalliſt für ihre Perſon monarchianiich zcrzn: Screen, und 

x oiimiſtiſche Monarchianismus iſt durch einen Vertreter des modalurichen zuerjt für 

2itlullijch erklärt worden. Zu einer dauernden Nontreverie kam es aber in Nom durch 
‚zn Rlirlſamkeit Des Praxeas überhaupt noch nicht; er war nur Der Vorlauier Des Epi: 
arm me Kleomenes daſelbſt. Von Nom begab ſich Praxeas nach Kartbaae (dies iſt 
at mem orten Tertullians: „fructificaverant avenae Praxeanae hie quoque 
superseminatae dormientibus multis in simplieitate doetrinae", su Ichlicken, ſiehe 
Cs d. Co; Hauck, Tertullian, S. BUNT Yangen a. a. O. 2.190: anders Heſſel⸗ 
ri, dert. Yebre, Z. 215 Hagemann a. a. U.) und wirkte gegen Die Hoppoitaſenchriſto— 
l.ı (Gr wurde aber von Tertullian, der bamals noch Der katholiſchen Kirche angeborte, 
hr und zum Schweigen gebracht, ja gezwungen, jchriftlih zu widerrufen. Damit 
steh to erjte Phaſe Dee Streits („avenae Praxeanae traductae dehinc, per quem 
dens yoluit |seil. per me], etiam evulsae videbantur. Denique caverat pristi- 
ann doetor de emendatione sua, et manet chirographum apud psrchicos, 
npiul quos lune esta res est; exinde silentium“). Praxeas' Name wird nun nicht 
werden gen Aber erſt mebrere Jahre ſpäter wurde die Kontroverſe in Rom und 
Wendbengo vrft recbt eigentlich brennend und veranlaßte nun Tertullian su ſeiner Streit: 
Plant 1,Avenne vero illae ubique tune semen excusserant. Ita aligquamdiu per 
hypwwerisin nubdola vivaeitate latitavit, et nunc denuo erupit. Sed et denuo 
rrahlenbitur, si voluerit dominus“). "Über den Ausgang des Monarchianismus in 
Gardbungo allen wir nichts Sicheres. 

Cam einheitliche Darſtellung der Lebre Des älteren modaliſtiſchen Monarchianismus 
ln ande Der Tuellen nicht möglich, Aber es find wobl die Quellen daran 
srl «llein ſihulbe Tobald der Gedanke, in Ehriſtus ſei Gott ſelbſt inkarniert geweſen, 
Ne -hignids ermittelt weiden ſollte, mußten jebr verſchiedene Verſuche erfolgen. Sie konnten 
la nensaluben Kerwandlungsauffaſſungen oder bis nahe an die Grenze Des dynami— 
Hydan Menuenbuaranus jühren und Daben jo weit geführt; denn jobald die Einwohnung 
vr lellass panlrioon FJeſus nicht im ſtrengen Zinne als eine Inkarnation gefaßt wurde, 
babe no urhenbuleende Element in Jeſus nicht ausfchlieglich in der Gottheit Des Vaters 
on lnstl nein, Mu Der VBoden Dev artemonitiſchen Ketzerei betreten. Hippolyt hat denn 
che ten Kealliſt vergewoörſen, er ſchwanke wiſchen Sabellius und Theodotus WPbilo— 
Bl IN, IN, ' . bpb h. 57, DD, und in der Schrift gegen Noctus jpielt er 
2 ale halle Lerwändtſebaft weichen Diefem und Dem Yederarbeiter an. In 
rt ba Norte aber finden ſich mehrere Ztellen, betreffs deren man immer 
nel Hilbert, vb he Mb auf Modaltiten oder auf Artemoniten beziehen. Das kann 
neh hellen, tt ae. Neönebianer baten ein gemeinſames Intereſſe gegenüber der 
eehee ſie vertraten die hbeilsgeſchichtliche Auffaſſung der Perſon Chriſti gegen⸗ 
a ttehbaubtiuben Unter den verſchiedenen Referaten über die Lehre der 
len Mer elite zeige tes en Dr Hippolvt in der Schrift gegen Not fie in ihrer 
ntebllbiit yerım U Dive dedulderten Noöẽtianer werden als ſolche vorgeführt, welche 
bon Uühriftire Nr in Kater ſelbſt. und der Vater ſelbſt ſei geboren, babe gelitten und 
Ya rttenbsit ae 19 1 buntes Gott. ſo iſt er gewiß der Vater oder er wäre nicht 
Poll seabotebnalter abe yahntsiht gelitten, ſo bat der Gott, der es allein iſt, gelitten 
0 Mayo ultonmbto nur ein entſchiedelies monotheiſtiſches Intereſſe, welches fie [eitet 
rer En tl tet ra) UND welches Ne bet ihren Gegnern, die fir dideor 
niittttein Nebst Piberstae IE De Wen richten zwei Gotter, ja eine ſucceſſiv entſtan⸗ 
he ielhert von Wet ti dr. foren, I Hippolpt, (LTog alretaı adv dewr 
PEOEBELEZOREPUE TE Seo, NUDE. TEN, jendern es iſt auch Das | Intereſſe an 
er Göltheit Jeſu, weleche, wie ur menen, DIT durch ihre Yebre behauptein werden kann 


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Monardianismns 329 


(Hippolot legt c. 1 dem Noöt das Wort in den Mund: ri 00» xaxov now ÖokdLwr 
109 Xowoıov, J auch c. 9). Für diefe berufen fie ficb lediglih auf die Schrift, und 
zwar auf den Tatholifchen Kanon: fo auf Er 3, 6; 20, 2f.; Jeſ 44,6; 45, 5. 14f.; 
Baruch 3, 36; Io 10, 305.14, 8f.; Nö 9, 5. Auch das Jobannesevangelium ift alfo 
anerfannt; aber — und dies ift die mwichtigfte Mitteilung, die Hippolyt über die Schrift: 5 
auslegung diefer Noötianer macht — das Necht, einen Logos einzuführen und ihn Sohn 
Gottes zu nennen, finden fie nicht aus dem Evangelium zu begründen. Der Prolog des 
Zobannesevangeliums jei allegorifch zu veriteben, wie überhaupt jo mande Stellen in 
biejem Buche (ec. 15: àM 2oei nor is — seil. cin Noütianer — EEvov or pEgeıs 
ieyav Aoywy viöv. ’Ilmdvıns ut» yao Aeyeı Aöyov, aA Allws Adimyogei). Der 10 
Gebrauch des Logosbegriffes in der Glaubenslchre wird alfo beſtimmt abgelehnt. Mehr 
erfabren wir über die Noötianer bier nicht. In den Philoſophumenen aber referiert Hip⸗ 
polyt über den Gottesbegriff derfelben und jtellt ihn alſo dar (ſ. auch Theodoret): „Sie 
lagen, der eine und felbe Gott fei der Echöpfer und Water aller Dinge und er fer in 
feiner Güte den Gerechten alter Zeit erſchienen, obgleich er unfichtbar fei; ſofern er nämlich 15 
nicht gefeben wird, ift er unfichtbar, fofern er ſich aber zu fehen giebt, ſichtbar; unfaßbar, 
wenn er nicht gefaßt werden will, faßbar, wenn er fd zu faffen giebt. So it a in 
gleiher Meife unüberwindlih und überwindlich, ungezeugt und gezeugt, unſterblich und 
fterblih”. Hippolyt fährt fort, Not ſage: Sofern alfo der Vater nicht gemacht worden 
ift, ift er zutreffend Water genannt worden; fofern er aber geruht bat, fich einer Geburt zu 
zu unterziehen, ijt er felbit als Geborener jein eigener, nicht eines Anderen Sohn”. „Auf 
diefe Weiſe wollte er die Monarchie begründen und jagen, was Vater und Sohn ge: 
nannt wird, fer ein und derfelbe, nicht ein zweiter aus dem eriten, jondern er ſelbſt aus 
ah jelbft; dein Namen nach werde er unterfchieden als Vater und Sohn gemäß dem 
Wechſel der Zeiten, es fer aber der Eine, der da erſchienen iſt und fich der Geburt aus 25 
der Jungfrau unterzo en bat und als Menſch unter den Menfchen gewandelt ft. Er 
bat fih ala Sohn befannt denen, die ihn ſahen, um feiner Geburt willen, fich aber auch 
ala Vater denen, die es fallen fonnten, enthüllt. Daß der an das Kreuzholz Genagelte, 
welcher ihm jelber feinen Geiſt befoblen hat, der Geftorbene und nicht Geftorbene, der 
jelbjt am 3. Tage ermwedt hat, der im Grabe gerubt hat, der mit der Lanze Ge: 30 
ene und mit Nägeln Befeitigte — daß diefer der Gott und Vater des Alls ei, 
verfündet Stleomenes und fein Anhang”. — Der Unterſchied zwiſchen Vater und Sohn 
ft aljo ein nomineller, injofern aber doch mehr als ein nomineller (ein heilsgejchichtlicher), 
ala der eine Gott, fofern er Menſch geboren ift, ale Sohn erfcheint. Für die Identität 
des Erfchienenen und des Unfichtbaren wird auf die alttejtamentlichen Theophanien ver: 35 
wiefen — mit demjelben Rechte, ja mit einem befieren, als die Vertreter der Logos: 
chriſtologie fich auf dieje beriefen. Was nun den Gotteöbegriff betrifft, fo hat man gejagt, 
„das Moment der Endlichkeit werde bier potenziell ſchon im Gott felbft hineingelegt”, 
dieſe Monarchianer feien ftoifch beeinflußt u. ſ. w. Indeſſen dürfte diefe Erklärung dod) 
dem Texte fremd fein; das lebtere, der ſtoiſche Einfluß, ift dagegen nicht zu leugnen (vgl. 40 
oben und Philoſ. X, 27: zovrov To» nareoa abröv viov vouisovarı xatd xagoVs 
— ngös ra ovußaivorra). Aber als auf die Grundlage iſt zu verweiſen auf 
jene alten Formeln liturgifcher Art, wie fie Ignatius, der Berfaffer des zweiten Glemens- 
briefes und Melito gebraucht haben (f. z. B. ad Eph. 7, 2: eis iarods 2otıv oapxıxds 
re xal ryeupanınds, yevvnTos xal Ayevyııros, Ev 0agpxi yevöusvos Veös, & Va- & 
ao Lon dAndıwn, xai &x Maolas zul &x Veov noW@rov nadnrös zul tote Anadıis, 
nooũc —— und für Clemens die Zuſammenſtellung in der Z8G IL =. 3300) 
er fennt auch Ignatius nur eine Geburt des Sohnes, nämlidh die Gottes aus der 
. au. Wir haben bier die Worjtellung anzuerkennen, nach welcher Gott fraft feines 
illend auch endlich, leidensfähig u. f. w. werden, ſich ſelbſt jomit zum Menſchſein bes 50 
fimmen kann und auch wirklich beſtimmt bat, ohne feine Gottbeit dabei aufzugeben. Ce 
M der alte, religiöfe und naive Modalismus, der bier, mit den Mitteln der Etva zur 
tbeologifchen Lehre erhoben, erflufiv geworden iſt. In der Formel aber „der Vater hat 
itten”, two fie gebraucht wurde, liegt allerdings ein Moment der Neuerung; denn fie 
äßt jich im nachapoftoliichen Zeitalter nicht nachweisen. Es ijt aber ſehr fraglich, ob fir 55 
je von den tbeologifchen Wertretern des Modalismus rund gebraucht worden ft. Site 
werden wohl nur gejagt haben: „der Zohn, der gelitten bat, tft derfelbe mit dem Vater.” 
In welcher Weife dieſe Monarchianer die menschliche oaoE Jeſu gefaßt und welche 
Bedeutung fie ihr gegeben baben, erfahren wir nicht. Nomplizierter find bereits Die mo- 
narchianifchen Formeln, welche Tertullian in der Schrift adv. Prax. befämpft, Sippolyt wo 


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330 Monardianismns 


dem Ralliit in den Mund gelegt bat. Man erkennt leicht, daß fie geprägt find ın einer 
Rontroverfe, in welcher Die theologiſchen Schwierigkeiten, welche der modalifttfchen Lehre 
anbaften, bereits offenfundig geworden find. Die Monarcianer Tertullians balten noch 
jtreng an der vollen Identität des Waters und Sohnes feit (ec. 2: „post tem- 
pus pater |[,ob jie „pater“ an diejer Stelle gejagt baben, tft fraglich”) natus et 
pater passus, ipse deus, dominus omnipotens, Jesus Christus praedi- 
catur“), fie wollen von der Verwertung des Logos in der Chriftologie nichts wiſſen, 
denn das Wort ijt feine Zubjtanz, jondern nur ein „Scall“ (ce. 7: „quid est enim, 
dices, sermo nisi vox et sonus oris, et sicut grammatiei tradunt, aör offen- 
sus, intelligibilis auditu, cetertum vanum nescio quid“), fie teilen mit ben 
Koetianern das monotbeiftiihe Antereffe (ec. 2: „unicum deum non alias putat 
credendum quam si ipsum eundemque et patrem et filium et spiritum s. 
dicat“; c. 3: „monarchiam inquiunt tenemus“; c. 13: „inquis, duo di 
praedicantur“), jie befürchten in der Hypoſtaſenlehre die Wiederkehr des Gnoſticismus 
s(e. 8: „hoc si qui putaverit me zooßo4r» aliquam introducere“, jagt Tertullian, 
„quod facit Valentinus“, fie baben dieſelbe Anjicht über die Sichtbarkeit und Unſicht⸗ 
barkeit Gottes (c. 14. 15), jie berufen fih auf diefelben Schriftftellen, mie jene (ef 45,5; 
Jo 14, 9f., ſ. e.20), aber fie baben fich doch ſchon genötigt gejeben, mit den Zeugnitien 
ſich auseinanderzufegen, in welchen der Sohn als cin eigentümliches Subjelt dem Vater 
gegenübertritt. Sie tbun das in der Weiſe, daß fie jagen, Gott bat fich ſelbſt zum 
Sohn gemacht durch Annabme des Fleiſches (c. 10: „ipse se sibi filium fecit“), ge 
nauer: das Fleiſch macht den Vater zum Sohne, oder au: in der Perfon des Erlöfers 
it das Fleiſch (der Menſch, Jeſus) der Sohn, der Geift (der Gott, der Chriftus) aber 
der Vater („aeque in una persona utrumque distinguunt, patrem et filium, 
discentes filium carnem esse, id est hominem, id est Jesum, patrem autem 
spiritum, id est deum, id est Christum“. Hierzu bemerft Tertullian: „et qui 
unum eundemque contendunt patrem et filium, jam ineipiunt dividere illos 
potius quam unare. Talem monarchiam apud Valentinum fortasse didice- 
runt, duos facere, Jesum et Christum‘“). Hierfür beriefen fie fih auf Le 1, 35 
(„propterea quod nascetur sanctum, vocabitur filius dei. Caro itaque nata 
est, caro itaque erit filius dei“). Da nun Gott fchlechtbin Geiſt ift, jo bat er nicht 
leiden fönnen, jofern er aber ſich in das Fleiſch begeben bat, bat er mitgelitten: gelitten 
bat der Sohn („qui mortuus est non ex divina sed ex humana substantia“, aber 
mitgelittent (ſtoiſcher Ausdruck) bat der Vater (ec. 29: „compassus est pater filio“). 
Daber jagt Tertull. e. 23: „Ut sie duos divisos diceremus, quomodo jactitatis, 
tolerabilius erat duos divisos quam unum deum versipellem praedicare“, 

Es iſt leicht erfichtlidh, daß, jobald die Unterfcheidung von caro (filius) und spiri- 
tus (pater) ernſthaft genommen wird, die Yebre fich der artemonitischen näbert; fie iſt 
in der Ibat „versipellis“. Daß fir aber auch in dieſer Faſſung die Vertreter der Yogos- 
chriſtologie nicht befriedigen konnte, liegt auf der Hand; denn die perfönliche Identität 
zwiſchen dem Vater und den Ghriftusgeift wird noch immer feltgebalten. Überhaupt mußte 
jeder Werfuch, auf Dem Boden des Modalismus der Yogoschriftologie gerecht zu werden, 
folgerecht ſtets zum dynamiſtiſchen Monarchianismus führen. Bon den Formeln des 
Zephyrin und Mallift wiljen wir beitimmt, daß fie aus Kompromißverſuchen entitanden 
» jind (ſ. Philoſoph. IX, 7, p. 140, 35 8q.; 11, p. 450, 72 8q.), wenn auch der Vorwurf 
der Yiveigdtteret gegen Sippolvt und feinen Anhang erboben wurde (l. c. p. 452, 88; 
158, 78). Zephyrins Zaß (p. 450. S2sq.): „Ich weiß nur von einem Gott, Jeſus 
Chriſtus, und außer ibm von feinem anderen geborenen und leidensfähigen. Nicht der 
Inter bat gelitten, jondern der Sohn“, ſtimmt völlig überein mit der Lehre der Mona: 
chianer Tertullians, it aber fon als Nompromißformel zu verfteben. Noch weiter if 
Kalliſt gegangen, indem er es für angezeigt befand, in jeine von Sabellius (p. 458, 1 8q.) 
und Hippolvyt (fie waren ſchon erfommuniziert) geſchmähte Cintrachtöformel den Begriff 
Des Yogos aufzunehmen! Gott an fi ift em unteilbares Pneuma, welches alles erfüllt 
(rd ara yEeucıw Tod drlov eduatos Ta TE Arw xal xarw), oder, was dasſelbe 
bejagt, er iſt Logos; ale Yogos iſt er Dem Namen nach ziveterlei, Vater und Sohn. Das 
in Der \ungfrau fleiſchgewordene Pneuma tt ſomit realiter vom Vater nicht verjchieden, 
ſondern mit ibm identifch (No 14, ID. Tas was in Die Erfcheinung tritt, d. h. der 
Menſch, iſt der Zobn, der Weit aber, der in den Sohn eingegangen tft, ift der Water. 
„Denn der Vater, der in dem Sohne iſt, vergöttlichte das Fleiſch, nachdem er es ange 
wo nommen batte und vereinigte es mit ihm jelber und ftellte fo ein Einiges ber, alfo daß 


Monarchianismus 331 


nun Vater und Sohn ein Gott genannt wird, und daß dieſe einzige Perſon unmöglich 
mehr in eine Zweiheit getrennt werden kann, daß vielmehr der Satz gilt: der Vater hat 
mit den Sohne mitgelitten” (nicht hat der Water gelitten). 

Hippolyt hat in Diefer gormel ein Gemifch aus fabellianifchen und theodotianifchen 
Gedanken gefunden, und er hat Recht. (Katholifche Theologen bemühen fich freilich, die 5 
Sätze des Kalliſt nicänifch zu deuten und Hippolyt zum Ditheiften zu machen; jo Hage: 
mann a.a.D.; Kuhn, ThOS 1855, II; Lehir, Etudes bibliques II, p.383; de Rofji 
u. d. a) Die Annäherung an die Hypoftafenchriftologie und die Entfernung vom älteren 
Modalismus fommt bier in der That nur dadurch zu ftande, daß Kallıft auch einen theo— 
dotianischen Gedanken verwertet hat. Won dem platonifchen Gotteöbegriff hält er fich 10 
noch fern, ja es klingt wie eine ſtoiſche Reminiscenz, wenn er En Begründung der 
Menfchwerdung Gottes auf das Pneuma verweiſt, welches das AL erfüllt, das Obere 
und das Untere. Daß aber feine Formel in Rom trogdem den Wert einer Eintracht: 
formel bat gewinnen fönnen, ift nicht nur in der Yulafiung des Logosbegriffes be- 

ündet, jondern vielmehr in dem ausgefprochenen Gedanken, daß Gott im Momente der 15 

enſchwerdung das Fleiſch vergöttlicht hat, und daß der Sohn, fofern er die weſenhaft 
vergöttlichte aodoE& repräfentiert, als eın zweiter und doch als ein mit Gott real geeinter 
aufgefaßt werden fol. Hier trat das legte Fatholifche Intereſſe an der Chriftologie deutlich 
und forreft zu Tage. & berubigte man fih in Rom allmählich, und nur die menigen 
„Extremen“ von von links und rechts leifteten Widerftand. Die Formel war aber aud) 20 
durch ihre Unflarheit außerordentlich geeignet, da® Myſterium beim gläubigen Volfe auf: 
zurichten, unter deſſen Schuße die Hypoſtaſenchriſtologie allmählich ihren Einzug gehalten 
bat. In der Folgezeit fcheint e8 übrigens in Rom felbit doch nicht ganz vergeflen worden 
u fein, daß Kalliſt eigentlih Monarcianer geweſen it. So heißt es in fpäteren ge: 
—78* — Synodalakten (Manſi II, 621): „qui se Calistus ita docuit Sabellianum, : 
ut arbitrio suo sumat unam personam esse trinitatis“. Die fpäter folgenden 
®orte „in sua extollentia separabat trinitatem“ find ohne Grund Döllinger (a. a. O. 
©. 247) und Langen (a. a. D. ©. 215) befonders fchmwierig erfchienen. Dem Cabellia- 
nismus ift ja vielfach eine Zerreißung der Monas Schuld gegeben worden; f. die Stellen 
bei Zahn, Marcell. ©. 211. 

Die Hppoftafenchriftologie ift im Gegenjate zum Modalismus von den großen 
RKirchenlehrern zwiſchen 200 und 250 auf Grund der Theologie der Apologeten aus: 
gebildet worden. Sie hatten leichtes Spiel mit ihren Gegnern, fofern fie ihnen vor: 
hielten, daß nach dem Zeugniffe der Schrift Vater und Sohn zwei Eubjelte jeien, und 

onnten fie mit wenig Mübe hier ad absurdum führen. Auch die Formel „ber ss 
Bater hat gelitten”, wenn fie von den Monardianern wirklich gebraucht worden ift, 
tonnte als eine Neuerung aufgewiefen werden. Aber in der Faflung des Gottes: 
begriffes hatten die Monarchianer die ältefte chriftliche Überlieferung im allgemeinen 
für fich, wenn fie von der allmächtigen Perfon und nicht von der Subſtanz auögingen. 
Ihre Gegner haben die Schwierigkeiten ihrer eigenen Auffafiung mohl gefühlt. Aber um 40 
jo entjchlojfener warfen fie fich der Spekulation in die Arme, obfchon fie fih mit ihr 
dem Gnoſticismus bedenklich näberten. Die Definition des Monotheismus, welche Ter: 
tulliaon adv. Prax. 3 gegeben bat, darf bier ale Beispiel gelten: „ego monarchiam 
nihil aliud significare scio quam singulare et unicum imperium; non tamen 
praescribere monarchiam ideo quia unius sit eum cuius sit aut filium non s 
habere, aut ipsum se sibi filium fecisse, aut monarchiam suam non per quos 
velit administrare. Atquin nullam dico dominationem ita unius |sui] esse, ita 
singularem, ita monarchiam, ut non etiam per alias proximas personas ad- 
ministretur, quas ipsa prospexerit offieiales sibi“. Bekanntlich ift diefe Auffaſſung 
die heidniſche (Tertullian hat dies felbit unklar gefühlt; |. e. 13), und genau fo bat der zo 
Reuplatonismus mit dem Polytheismus fapituliert. Aber in das gleiche Fahrwaſſer tt 
auch Hippolyt geraten, wenn er (e. Noöt. 11) behauptete, im legten runde ſeien auch 
Valentin und Marcion als Monotheiften anzuerkennen, weil ja auch bei ihnen „zo näv 
eis Eva dvarokyeı" (!). Die Zauberformel „zar’ olxovowiav", die von Hippolyt und 
Tertullian ein paar Dutzendmal gebraucht wird, fell freilih den Monotheismus gegen den 55 
—— abgrenzen, und ſofern ſie dieſen Dienſt ſo ziemlich geleiſtet hat, mag man 

e reſpektieren. Aber ſie leiſtete ihn doch nur, indem ſie ſtatt des Gottes der Offen— 
barung den Gott des Geheimniſſes ſetzte. Aber auch in der Chriſtologie gelang es Ter— 
tullian und Genoſſen nicht, die chriſtlichen Anſprüche zu befriedigen und ihre Gegner zu 
überbieten. Ihr Logos iſt zwar weſenseins mit Gott, aber er iſt doch durch feine Ori⸗- vo 


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[el] 


30 


332 Monarchianismus 


gination, die erſt behufs der Weltſchöpfung erfolgte, ein inferiores göttliches Weſen. Dieſe 
Auffaſſung aber ſtritt mit der kultiſchen Ueberlieferung, welche Gott ſelbſt in Chriſto an- 
ſchauen lehrte, ebenfofehr wie der VBerfuch, den Sohn-Gottesnamen für Ehriftus nicht von 
feiner wunderbaren Geburt, fondern von einem vorweltlihen Alte abzuleiten, die dog: 
5 matifche Tradition gegen fih batte. Einen gemeinfanen Boden mit ihren Gegnern be 
baupten übrigens die älteren Beltreiter des Monarchianismus noch dadurch, daß für jie die 
Selbitentfaltung Gottes zu mehreren Sppoftafen durchaus noch offenbarungsgeſchichtlich 
bedingt ift. Der Unterjchied zwifchen ibnen und den Monarcianern, wenigſtens den 
jpäteren, it bier nur ein gradueller. Dieſe beginnen bei der Menfchwerbung (refp. bei 
ı0 den Theophanien im AT) und datieren von ihr ab eine nominelle Mebrheit, jene laſſen 
die „ölonomifche” Selbſtentfaltung Gottes unmittelbar vor der Weltſchöpfung ihren Ur- 
fprung nehmen. Es ift das fosmologifche Intereſſe, welches auch bier wieder bei den ka— 
tholifchen Lehrern bervortritt und das gejchtehtliche verdrängt, indem es dasjelbe angeblich 
auf eine höbere Stufe bebt. Aber die Theologie Tertulliand und Hippolyts it auch des 
15 Monarchianismus noch nicht Herr geworden. Dies gelang erft Origenes und der aleran- 
drinifchen Theologie. Soweit fih die Logoslehre im 3. Jahrhundert durchſetzte, wurde 
die Antwort auf die Frage, ob das Göttliche, welches auf Erden in Chriftus erjchienen 
it, mit der Gottheit identisch fer, unficher. Erſt Athbanafius gab auf den Boden ber 
Yogoslebre eine fichere Antwort. Bis dabin vertraten die Modaliften ein uralte und 
u wertvolles Intereſſe in der Kirche. 

V. Die Ausgänge des Modalismus im Abendland. Seit der Kompro- 
mißformel des Kallıft und der Exkommunikation des Sabellius trat der aggreffive Mo- 
dalismus im Abendland zurüd (die Lehre des Zabellius wird daher im nächiten Abjchnitt 
beim Morgenland dargejtellt werden). Aber audı Hippolyts Sekte erlofh nach kurzer 

25 Zeit. Denn modaliſtiſche Tendenzen und modaliftiiche Formeln baben jich zähe unter 
der Hülle der Logoschriſtologie erhalten, ja beſtimmte modaliftiiche Kehren fanden fich noch 
bin und ber. Um die Batripafitaner auszuschließen, erbielt nadı dem Zeugnis des Rufın 
(Expos. Symb. Apost. c. 19) das Symbol von Aquileja den Zufag: „(Credo in deo 

atre omnipotente), invisibili et impossibili". Dionyfius von Mom bezeichnet bie 

30 Lehre von der Identität von Vater und Sohn als eine „Blasphemie“ (bei Routb, Relig. 

Sacrae III? p. 373), und Cyprian nennt die Batripafjianer neben Gnoſtikern und Mar: 

cioniten eine „Belt“ (ep. 73, 4. Das mobdaliftifche Element kann man bejonders in 
den „Inſtruktionen“ des Commodian ftudieren ſowie an feinem „Carmen apologeticum". 

Ghrijtus heißt bier jtets „deus omnipotens“ bzw. „Christus omnipotens“; er ijt der 

„deus pristinus ipse“; „pater in filio venit, deus unus ubique“; „ideirco ne6 

voluit se manifestare, quid esset, sed filium dixit se missum fuisse a patre". 

Epipbanius berichtet (h. 62, 1), daß es zu feiner Zeit zu Rom noch Sabellianer gebe, 

und tim Sabre 1742 wurde bei Tor Maranzia an dem Wege nah ©. Paolo in einem 
jetzt nicht mehr aufzufindenden Cubiculum eine Inſchrift entdedt (4. Jahrhundert), die da 
lautete: „Qui et filius diceris et pater inveniris“. Der cigentlibe Ausgang des 
abendländifhen Modalismus liegt in der feſten Haltung, welche das Abendland im römi⸗ 

ihen Kampf angenommen bat, in dem energifchen Eintreten für die Homoufie und m 

der Ablehnung der Formel von drei Hypoſtaſen. Auguftins Ghriftologie, die allmäblich 
in der abendländifchen Dogmatik die berrichende wurde, muß ſogar als eine Überordnung 

5 monarchianiſcher Gedanken über die Logoschriſtologie aufgefaßt werden. 

VI Tie modaliſtiſchen Monardianer im Morgenland, der Eabel: 
lianismus. Da der Name „Sabellianer” jeit dem Ausgang des 3. Jahrhunderts im 
Orient die allgemeine Bezeichnung für die modaliſtiſchen Monarchianer geworden ift (auch) 
im Oeccident wird er bier und da in diefer Bedeutung im 4. und 5. Jahrhundert ge: 

50 braucht), fo ijt Die Überlieferung über die Lehrweiſe des Sabellius ſelbſt und feiner näch— 
jten Anhänger eine fehr getrübte Es iſt Zahns Verdienft, gezeigt zu baben, wie 
namentlich Sätze, welde Marcel von Anchra zuerit aufgeltellt bat, von den Gegnem 
als ſabellianiſch, weil als monarchianiſch, bezeichnet und nun in der Folgezeit dem 
älteren Theologen imputiert worden find. Aber nicht nur Marcelliiches geht unter dem 

5 Namen des Sabellius bis beute noch; der Monarchianismus bat in dem Jahrhundert 
zwiſchen Hippolyt und Atbanafius unzweifelbaft ſehr verfebiedene Kormen angenommen; 
er it von der philoſophiſchen Spekulation durchtränkt worden; Tenotifhe und Verwand— 
lungs-Lehren find ausgebildet worden -- und das alles baben die Berichterftatter 
mit einer und derjelben Etiquette verjeben; fie baben zugleih Ronfequenzmacherei getrieben 

sound jo Lehrformen gefchildert, die in dieſer Weiſe höchſt wahrjcheinlih gar nicht exiſtiert 


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Monardianismus 333 


haben. Es iſt deshalb auch bei forgfältigfter Beachtung aller überlieferten Nachrichten 
leider nicht mehr möglich, eine Gejchichte des Mionarchianismus von Kalliſt bi8 Marcellus 
zu fchreiben. Denn das Material iſt ein zu fragmentarifches. Gelingt e8 doc fogar faum, 
die Geſchichte der Logoschriftologie von Origenes bis Athanafius-Artus zu entziffern, ob: 
gleich hier die Überlieferung relativ viel reichhaltiger if. So viel fteht aber feit, daß im 
Orient der Kampf wider den Monarchianismus mindeſtens zwiſchen 220 und 270 ein 
ſehr heftiger mar, und daß felbit die Ausbildung der Xogoschriftologie Durch diefen Gegen: 
ſatz direft beeinflußt wurde. Ja der Uniſtand, daß der Name „Sabellianismus“ faſt der 
einzige ift, unter welchem der Orient den Monarchianismus fennt, weift darauf hin, daß 
es erft durch das Auftreten und die Wirkſamkeit des Sabellius, reſp. jeit derfelben, im 
Drient zu Kirchenfpaltungen gekommen ift, d. h. erjt feit den 4. Dezennium des 3. Jahr: 
hunderts (Eujeb., h.e. VII, 6). 

Quellen: In den Schriften des Origenes finden ſich nicht ganz felten Mitteilungen 
über Monarchianer; jo epi doy@v I, 2, in Mt. XVI, 8. XVII, 14, in Joann I], 
23, II, 2.3; X, 21, in ep. ad Titum frgm. II., c. Cels. VIII, 12 ete. Für Sa⸗ ı; 
bellius ift der Bericht der Philofophumena (l. IX) trog der Dürftigfeit von grundlegen: 
der Bedeutung. Hippolyt führt ihn übrigens in einer Weiſe ein, die es offenbar macht, 
daß Sabellius damals der römischen Gemeinde hinreichend befannt mar, daher feiner 
näberen Charafterifierung bedurfte (f. Gaspari, Quellen III, ©. 327). Aus guten Quellen 
ihöpfte Epiphanius h. 62. Die wichtigſten Urkunden über S. und feinen libyſchen An- 20 
bang würden die Briefe des Dionyfius Aler. (Eufeb. h. e. VII, 6. 26) an Ammon, 
Telesphorus, Eupbranor und Euporus, fowie die Korrefpondenz dieſes Bifchofs mit feinen 
römischen Kollegen fein, wenn mir dielelbe noch befäßen. Aber wir haben nur rag: 
mente, teild bei Athanafius (de sentent. Dionys.), teil® bei fpäteren (nicht vollitändi 
gefammelt von Routh, Rel. S. p. 371—403). Fragmentarifh aber doch unentbehrlich 35 
ift alles, was Athanaſius mitteilt (namentlich in den Schriften de synod.; de decret. 
Nic. synod. und c. Arian. IV. Diefe Rede ift durch unvorfichtige Benugung Anlaß 
iur Entftellung der fabell. Lehre geworden; doc ſ. Rettberg, Marcell. Praf.; Kuhn, 

atbol. Dogmatif II, ©. 344; Zahn, Marcell. ©. 198f.). Einzelne wichtige Angaben 
noch bei Novatian, de trinit. 12sq.; Methodius, Conviv. VIII, 10; Arius in ep. ad 30 
Alex. Alexandriae (bei Epiphan. h. 69, 7); Alerander v. Alex. (bei Theodoret, h. e. 
I, 3); @ufebius, ec. Marcell. und Praepar. ev.; Bafilius, ep. 207. 210. 214. 235; 
Gregor von Nyfla, Adyos xara ’Ageiov xal Zaßeiliov (Mai, V. P. nov. coll. VIII, 
2 p. 1sq.) — vorfihtig zu benugen —; Silarius, 1. ad Constant. II, 9. de trinit. 
VII, 39; Ambrofius, de fide (passim); YAuguftin, traet. in Joann. (pass.); Philaftr. 35 
h. 54; Pfeudogregor (Apollinaris) bei Mat, 1. c. VII, 1 p. 170sq.; Theodoret, h.f. II. 9; 
Bigilius von Tapjus, Dial. adv. Arian. ete. (Biblioth. PP. Lugd. VIII); in der ano: 
nymen Schrift noös robs Zaßellilovras (in Athanas. Opp. ed. Montf. II, p.37sq.); 
bei Nicepb. Gall., h. e. VI, 25. Die lateiniſchen Härefiologen, von Epiphanius abhängig, 
‚bringen kaum etwas Beachtenswertes; ſ. Auguftin h. 41 (hier find die Bemerkungen 10 
über das Verhältnis des Sabellius zu Noet intereflant. Augujtin vermag nicht einzu- 
feben, warum die Orientalen den Sabellianismus neben dem älteren Wonarchianismus 
als eine bejondere Härefie zählen); Prädeft., h.41; h. 70 werden Priecillianer und Sa: 
bellianer zufammengeftellt (jo ſchon bei Leo J.); Iſidor, h. 43; Gennadiug, ecel. dogm. 
1.4 („Pentapolitana haeresis“); Pjeudohieron., h. 26 („Unionita“); Honorius, h. 59; #5 
Paul, h. 28 („contra hanc haeresim tempore Aurelii exortam scripsit Diony- 
sius Alex.“). Für den Monarcianismus überhaupt fommen noch einige Stellen bei Gre— 
gorius Thaumat., Philaftr., h. 51 und ein paar Anfchriften (de Rossi, Bullet. 1866 
p. 86sq. 95) in Betradit. 

Wahrſcheinlich noch mährend des Epiſkopats des yaphprin trat Kleomenes von 50 
Schauplatze ab und Sabellius, vielleicht von Geburt ein Libyer (aus der Pentapolis) — 
doch taucht dieſe Nachricht erit bei Baſilius auf, dann bei Philaftrius, Theodoret und 
Nicephorus, und I möglicherweije Daher, daß die Lehre des Zabellius jpäter in Libyen 
befonders Anklang fand —, trat an die Spige der monarchianiſchen Partei (Schule) in 
Rom. Sabellius foll anfangs noch zu Vermittelungen geneigt geweſen fein (Philoſ. 55 
p. 451, 75 sq.). Allein in Gegenfag zu Kalliſt entjchied er * für Die monar— 
hianifche Lehrform in ftrenger Faſſung. Es iſt ſchon bemerkt worden, daß fich dieſer, 

m Bilhof erhoben, genötigt ſah, den Sabellius aus der Kirchengemeinfchaft auszu— 
bließen. So beitand in Nom nun cine fehismatische monardianifche Partei unter der 
Führung des Sabelius, die es an Vorwürfen gegen Kallift als gegen einen Apoftaten wo 


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OT Monardhianismud 
pe npben beiraboep Det /Ssq\ Wo Söꝛvelv: die Philoſophumena jchrich, be: 
ud oabeibene ihn Mate za o zoom Nom, Wir wiſſen auch nicht, daß er die 
nennen My navi oa oe mie Tod muß er von Nom aus 
organ — 2m rn enı namentlich Beziebungen mit den 
aa ier nein Nase \oreı zam Sim Tode Des Drigenes, um das Jahr 
Kom Na rn Duo ponmzianmihe vehre Die Derziaen Gemeinden erregte 
ont 8. TI > wer Zabellius ſchwerlich mehr am Yeben, und 
X. 0.00. Zets setelt worden ıAtbanai., de sentent Dionys. 
non Neo. neo am erjten Male geſcheben. Urigenes wenig—⸗ 
nom X Nemcu Der Manues bei feinen Auscinanderjegungen 
NT ren 2 meabnn Diele bentnnen ſchon um Das Jabr 213. Da— 
Sees pe Icrdyrinus, iſt Urigenes in Nom geweſen. Aus den 
Sn F are pelpt getreten iſt wiſſen wir Doch, daß er eine 
SIND en X: man mit Recht geſchloſſen Doͤllinger a. a. O. 
un 20,82, Nangena.a U. S. 2417), Daß Urigenes den 
ee N it und für Hippolut Partei ergriffen bat. Auf 
seen Depot Dur Pontian (im Jabre 231 oder 232) in Rom 
IT nenn ee Einfluß geineien fein. Wir leſen aber auch be 
. 0. en. ach Bifchöfe, welche, um Gott zu verberrlicen, den Wäter: 
Dad au einem nur nommellen macen. Dies fcheint auch 
- my Verhältniſſe gejagt zu fein. Die Theologie Des Tri: 
ne werden energiſchen Gegner aller monarchianiſchen Lehrweiſen; 
wertgellten Yebrfüße, daß der Yogos, auf den Inhalt jeines 
. Beszbett befige, und daß er don Ewigkeit ber aus dem Weſen 
wetten ſich zwar ſcheinbar einer monarcianiichen Denkweiſe, 
Rorheit viel energiſcher ab als Dies Tertullian und Hippolyt 
har der pbilofopbiichen Theologie des Urigenes folgte, war gegen 
Saar irixit. Es iſt aber wichtig zu bemerken, daß an allen Stellen, 
ensndtaner zu Sprechen fommt, er ihre Lebrweiſe lediglich in einer 
ne zone jede ſpekulative Verbrämung zu kennen ſcheint. Immer find 
Lacwlicn, daß Vater und Sohn zwei Hypoſtaſen find“ (fie jagen Ey or 
il ÖTORELLENG)), welde Water und Sohn „verſchmelzen“ (ovy- 
u der „Auffaſſung“ und im „Namen“, nicht in der „” Zabl“, Unter: 
sine wollen u... Origenes bält fie darum auch für untbeologijche 
, Iladubende“. Gr bat aljo Die Lehre Des Zabellius nicht gekannt und 
' Du ‚al Dei jvropaläftinenfijchen Boden feine Gelegenheit, ſie kennen zu lernen. 
u war unzweifelhaft, wie auch Epiphanius richtig geſehen bat (haer. 62, 1), 
el run verwandt; fie unterfchied ſich aber von ihr ſowohl durch jorafältigere 
üneiuhrung als Dur Die Berüdfichtigung des bl. Geiſtes. Die Annabme 
“nad anderen, man müſſe zwiſchen zwei Ztadien in der Theologie Des S. 
rn vild unnötig, ſobald nur die unzuverläffigen Tuellen ausgeſchieden find. 
“ep atab Des Zabellius lautete, daß Derjelbe Der Water, derjelbe der Sohn, 
7,2 Geiſt ſei. An einem und demſelben Weſen baften aljo drei Namen. Cs 
' Sr tinbe vIntereſſe, welches auch Sabellius leitet: de Ay EINWUEN, jagen Die 
to Apipbantus, Fra deor Eyouer, N} Toeis Deols, — ob nolıdelay 
‚Fu wundert Cpipbanius. Ob S. den Vergleich mit dem trichotomiſchen Weſen 
na und mit Der Sonne (ein Weſen, drei Energien: roͤ pœortorixovr, rö dul- 
go ſelbſt gebraucht bat, ſteht dahin (Epiph. J. e.). Das eine Weſen iſt von 
ect genannt worden, ein Ausdruck, der ſicherlich gewählt worden iſt, um 
"pn. naudnis, alv bandle es ſich doch irgendwie um eine Zweiheit, abzuſchneiden. 
0 erikbene iſt nach S. letzte Bezeichnung für Gott ſelbſt und nicht etwa nur für 
N daumen einer im Hintergrunde rubenden tovds. Wohl aber lehrte S. 
Yrhantito ad Athanaſius), Daß Gott nicht gleichz eitig Vater und Sohn iſt; viel⸗ 
ou db vrei aufeinander folgenden Energien wirkſam geweſen, zuerſt im Kroſopon 
lea CProſupon Erſcheinungsform, Geſtalt, nicht — Hypoſtaſe) als Schöpfer 
oc hlibenber, ſodann im Proſopon des Sohnes als Erlöfer -— dieſes beginnt mit der 
Yeti und findet Fein Ende in der Himmelfahrt —, endlich und bis beute im 
ton da Wrrftes als Lebendigmacher und Yebenjpendender. Ob es Sabellius möglich 
nhit all war Gedanken Der fragen Suecceſſion der Proſopen, jo daß dag eine Die 
ge ber ulleaeit iſt (Epiph. e. 3: 0° zao 6 viös abror &yErvyoer, obÖE Ö narıo 


Monardianismns 335 


neraßeßintaı dno Tod nano elvar viös), wirklich durchzuführen, fteht dahin. Mög- 
Ich, ja nicht unmwahrfcheinlich ıft, daß er nicht umhin gekonnt hat, eine fortgehende Ener: 
gie Gottes als des Vaters in der Natur anzuerkennen (j. Zahn a. a. O. ©. 213). Daß 
Sabellius und fein Anhang den katholiſchen Kanon anerkannt hat, verftebt fich von felbit, 
wird aber von Epiphanius noch ausdrücklich Tonftatiert. Auf Stellen wie Dt 6, 4; Er 5 
20, 3; Sef 44, 6; Jo 10, 38 follen fie fich befonders berufen haben. Epiphanius be- 
merkt aber außerdem noch, daß die Sabellianer ihre ganze Irrlehre und die Kraft der- 
jelben aus gewiſſen Apokryphen fchöpfen, hauptjächlich aus dem fog. Agupterevangelium 
(&v adteö yap noAla tomürta @s &v napaßvoıw uvormmowödWs &x NE00WNOV TOD 
ocrgoc Avapkperaı, ds adrov Önloüvros rois yanmrais röv abıov elvaı narkpa, 
tov adıöv elvaı viöv, röv adröv elvar Ayıov nvedua). Diefe Notiz ift lehrreich; denn 
fie orientiert nicht nur über eine verjchollene Litteratur des 2. Jahrhunderts, fpeziell über 
das Agypterevangelium (im 2. Glemensbrief, wo basfelbe vielfach gebraudt tft, finden 
ſich mehrere mobdaliftifche Formeln), fondern fie betätigt auch, daß die Chriftologie des 
Sabellius nicht weſentlich von der älteren fog. patripaflianifchen verfchieden geweſen ift. ı; 
Bon dieſer unterfcheidet fie fich nicht durch die Annahme einer hinter den Profopen 
ruhenden trandcendentalen Monas, auch nicht durch die Einführung des Logosbegriffes, 
der vielmehr von Kallift, nicht aber von Sabellius verivertet worden tft, ferner nicht durch 
eine fpetulative, der Stoa entlehnte Theorie über die verjchlofjene und wiederum ſich ent- 
faltende Gottheit, endlich auch nicht durch eine irgendivie geartete Trinitätslehre (da viel- 20 
mehr eine Trias bei Sabellius ausdrüdlich nicht zu ftande kommen foll) oder durch den 
Ausdrud viondıwo (der im Sinne des Sabelliu8 doch nur die Einperjönlichleit Gottes 
tonftatiert), fondern die allein beachtenswerten Unterfchieve von dem älteren Modalis- 
mus liegen 1. in dem Verſuche, die Succeflion der Proſopen nachzuieifen, 2. in 
der Neflerion auf den bl. Geilt, 3. in der formellen PBarallelifierung des Profopon des 
Baters mit dem der beiden anderen Proſopen. Jener Verſuch (ad 1) darf als eine Rück— 
febr zu der ftrengen Form des Modalismus gelten, welche durch Formeln wie die „com- 
passus est pater filio" als verlett erjcheinen konnte. In der Reflexion auf den Hl. 
Geiſt folgt Sabellius lediglich der neuen Theologie, welche den Geiſt eingehender zu be: 
rüdficbtigen begann. Am michtigften ijt der sub 3 genannte Punkt. Denn indem das 30 
Projopon und die Energie des Vaters in eine Reihe mit den beiden anderen geitellt 
wird, ift nicht nur die Kosmologie in die modaliftiiche Doktrin als eine Parallele zur 
Soteriologie eingeführt, fondern «8 ijt auch mit der Bevorzugung des Vater vor den 
anderen Projopen im Prinzip gebrochen und damit in eigentümlicher Weiſe die athana= 
fianifche und noch mehr die auguftinifche Ehrijtologie vorbereitet. Hier liegt ohne Zweifel 35 
der entſcheidende Fortſchritt, welchen der Sabellianismus innerhalb des Monarchianismus 
bezeichnet. Er hat das erflufive duoovowos vorbereitet; denn daß fich Sabellianer diejes 
Ausdruds bedient haben, ift wahrfcheinlich. Sie konnten ihn mit vollem Recht anwenden. 
Ferner, während innerhalb der mobdaliftifchen Theologie bisher fein deutliches Band Kos- 
mologie und Soteriologie verknüpfte, wird nun durch Sabellius die Welt: und Heils- 40 

dichte zu einer Geſchichte des fich in ihr offenbarenden Gottes. Anders ausgedrüdt: 

iefer Monarchianismus wird der den Logosbegriff verwendenden Theologie formell eben: 
bürtig, und hierin nicht zum mindeften mag die nicht geringe Anziehungskraft beftanden 
haben, welche der Sabellianismus im 3. und im Beginn des 4. Jabhrbunderts ausübte. 
(Zur Zeit des Bafılius gab es in Nev-Cäfaren noch Sabellianer; Epiphanius weiß von 45 
folden nur in Mefopotamien |h. 62 c. 1]. Dort hat fie auch der Verf. der Acta Ar- 
ehelai fennen gelernt, der fie als erklärte Häretifer [e. 37] behandelt hat). Indeſſen iſt 
nicht verhehlen, daß gerade die auf das Proſopon des Vaters ſich beziehenden Lehren des 
Sabellius ganz beſonders undeutlich ſind. Ja der Satz, welchen Athanafius (Orat. IV, 
25) dem Sabellius in den Mund legt: @oneg dtaıpäoeıs yapıoudımwv eloi, TO de wm 
abıd nyevua, odıw xai 6 narıo 6 adrös ufv Eou, nÄarüverar Ö& eis viöv xal 
avevua, ſcheint dem zu widerſprechen, was oben ausgeführt worden iſt. Indeſſen die 
np) iedenen Charismen jind ja der Geiſt felbit, der ſich in ihnen h entfaltet, u; er 
n 
ſich 


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t ein hinter ihnen ruhendes bleibt, ſondern total in ihnen aufgeht. Ebenſo entfaltet 

der Vater in den Proſopen. Die Zeugniſſe für die Succeſſion der Proſopen bei Sa: 5 
bellius find zu ſtark, als daß man aus diefer Stelle folgern dürfte, daß der Vater nad 
dem larvouös zum Sohne noch Vater bliebe. — Marcellus bat die Lehre des Sa: 
bellius, die er genau fannte, verworfen. Es war die Anerkennung des Logos, die er bei 
©. vermißte; Deshalb fei auch der Gottesbegriff von ihm nicht richtig erfaßt worden 
(Euseb. c. Marcell. p. 76sq.). Allein die Geftalt, welche Marcell dem Monardianis: co 


33 Monarchianismus 


mus gegeben bat, bat demſelben wenige Freunde erworben. Allerdings - - Die Zeiten 
waren andere geworden. Bereits war Das rettende Wort von der Einweſentlichkeit (Ho: 
mouſie) Deo Waters und Des Yogos geiprochen, weldws, jo bedenklich monarchianiſch es 
anfang jebien, eben Deabalb Das Mittel geivorden tft, um den Monarcianisnus in der 
Kirche überflüffig zu machen und zum Musiterben zu bringen. 

Der Streit der beiden Tionpie, Der an fich nicht bierber aebört, jondern in Die Vor: 
geſchichte des arianiſchen Streits, kann Doch nicht ganz übergangen werden, Da Die fabel: 
lianiſchen Neigungen in der Pentapolis den alerandriniichen Dionyſius zur ftarten Aus: 
ſprache jener Yehre beitimmt haben. Der bl. Geiſt iſt in Diefem Ztreite bereits mit be 
rüdjichtigt. Tie Unſicherheit Der Terminologie, in welcher Origenes felbjt noch Die ganze 
Frage gelaſſen batte, zeigt fich beionders deutlich in der Nechtfertigungsichrift Des aler. 
Tionpfius. Hier finden wir unter anderem den Satz: oro uEv Nuels eis TE TV rordda 
ri» uovada iarırouer dötaigeror, zal rı,y Toıada aalıy dueiorov els vv uovdda 
oryxeyaluotueda eine Formel. Die ſelbſt monarchianiſch gedeutet werben kann, mas 
Dionvſius gewiß am wenigiten beabſichtigte. Auch in Der Chrijtologie eines zweiten 
Schülero Dev Origenes, Gregorius Thaumaturgus, Die nach allem, mas mir über fie 
wiſſen und vermuten kommen, ganz weſentlich Die origeniftiiche geivefen ift, fanden fich 
Sabe, Die nachmals als monarchianiſche gedeutet wurden. So erzäblt ung Baftlius (ep. 210), 
daß in Der verlorenen Schritt Gregors, AradeSız ons Alkıavov, ein Satz geſtanden 
babe, ungefabr Folgenden Inbaltes: zarı;o xal vios Eruvoia uev eloı ÖV0, bnoordaeı 
SE, und daß ſich su Seiner Zeit neocaſareiſche Sabellianer auf denjelben beriefen 
(ij. Caspari, Quellen IV, S. 367. Ta Gregor den Yogos andererfeitö als xrioua und 
organ bezeichnet bar, ſo laßt th jene Ausdrucksweiſe wahrſcheinlich jo erklären, daß 
im Gegenſaß zu einer Dem Tritbeismus ſich nabernden Anficht von den göttlichen Hypo⸗ 
ſtaſen Gregor auf Grund Des origeniſtiichen Gedankens von der Homouſie Des Sohnes 
Die ſubſtantielle Einbeit Der Wortbett auf dieſe Weiſe bervorbeben zu müſſen gemeint hat 
(andere Erklarungen giebrz Baſfilius Selbit, Dem Der Satz große Verlegenbeiten bereitet bat). 
Wett aber uberbaupt unumganglich anzunebmen, Daß in der Seit der ärgften dogma- 
tunben nennen und Der Drobenden tbeologiſchen Auflöſung und völligen Ethniſierung 
dev Evangeliums, D. b zwiſchen 250 und 220, auch Neigung zum Tritheismus bei einigen 
vorbanden geweſen dt reſp. umgekehrt dauerndes Mißtrauen gegen die Logos-Theologie 
Alv Die Monarchie geiabrdend, und daß desbalb Schuler des Urigenes das xrjovyua is 
vorapyias beſtimmter su betonen Tih genotiat ſaben. Dies gebt nicht nur aus ber 
Korreſpondenz der Dionvie bervor, jondern auch aus den Werfen des Gregor Thauma: 


turgus. Zwar it Die Echtheit der Dem Gregor beigelegten Schrift an Philagrius über 


die Weſendaleichbeit 1 Aipiſel, Gregor, Z. 657, 1oof,, Dazu aber Dräſeke, IpTh 1881, 
2: Dverbat, Toy 1881, Wr 12) noch nicht entichieden, jedenfalls gehört fie aber 
der Zeit vor Athangitus an. In Diefer Abhandlung ſucht der Verf. die Einfachheit und 
Einzigartigkeit Wortes zu begrunden unter der Vorausſetzung einer gewiſſen bupojtatiichen 
Verichiedenbeit. ET mabert ſich aber zuſichtlich dabei monarchianiſchen Gedanken, obne 
Dub un ſie einzzumünden. In dem ſehr merkwürdigen Traktat ferner über Die Leidens— 
uniabigteit und Leidensfahigkeit cAiyſſel a. a. C. S. 71f. 118f.) an Theopompus (ob 
echt:;wird ſogar Über dies Thema gehandelt, ohne daß eine Scheidung zwiſchen Vater 
und Zobn in dieſem Zuſammenhang auch nur angedeutet wird — der Verf. ſtellt ſie freilich 


‚ab nicht in Abrede. Es gehört eben zu den Eigentümlichkeiten der origeniſtiſchen Theo— 


late, daß alle ihre Formeln in utramque partem interpretiert und verwertet werden, 
daß nicht nur auf Dem Wege der Halbierung etwa, ſondern ſchon auf dem der Grup: 
pierung Die Zäße Des Urigenes den verſchiedenſten dogmatiſchen Abjichten dienſtbar ge 
macht werden konnten. So trat in Der zweiten Hälfte Des 3. Jahrhunderts bei der 
Iluſſigkeit aller dogmatiſchen Begriffe ein Zuſtand theologiſcher VBerfumpfung ein, der 
auch Die monarchianiſchen Lehrweiſen mitbetraf; Denn das, was z. B. Athanaſius und bie 
ſpäteren als Sabellianismus kennen, it ein Sammelbegriff für verſchiedene Lehrweiſen, 
welche durch philoſophiſche, ſelbſt alexandriniſche Philoſopheme bereits entſtellt ſind, ſich 
aber allerdings in dieſer Geſtalt beſonderen Beifalls bei den ſpekulativen Theologen 
unſerer Tage erfreuen. Der kühne Verſuch des Paul von Samoſata, auf die älteſte Tra⸗ 
dition zurückzugehen, ſcheiterte ſofort, und auch Das Unternehmen Marcells, die geſamte 
alerandriniſche Theologie bei ſeite zu laſſen und durch Wiederaufnahme bibliſcher Gedanken 
und der irenäiſchen Theologie das chriſtologiſche Problem zu löſen, kam zu ſpät. Das 
Problem blieb auf Dem Boden der origeniſtiſchen Theologie gebannt und wurde auf 


vo dieſem entſchieden. Adolf Harnad. 


Monate bei den Hebräern Mond bei den Hebräcn 337 


Monate bei den Hebrfäern |. d. AA. Jahr bei den Hebr. Bd VIII S. 524,00 ff. 
und Mond unten. 


Monate, päpftl. j. d. U. Menses papales Bd XII ©. 629. 


Mond bei den Hebräern. — Bol. die Artitel „Mond“ von Winer, NW, 1848; 
von 3. &. Müller in Herzogs RE.'!, Bd IX, 1858; von Kneuder in Schenteld BL IV, ö 
1872; von Riehm in feinem HW., 11. Kiefer. 1879, 2. A. 1894, ®d II; Art. Moon von T. 
G. Binde? in Yaltings‘ Dictionary of the Bible III, 1900 und von A. C. Baterfon in ber 
Encyclopaedia Biblica III, 1902. 

Senjen, Die Kosmologie der Babylonier, 1890, S. 101—108: „Der Mond”; Bim: 
mern in: Die Keilinfchriften und das Alte Teitament von E. Edyrader?, 1903, passim, be: 10 
jonder® ©. 361—367: „Der Mondgott (Sin)”. — Uber die „Mondfeſte“: Wellhaufen, 
Geſchichte Israels, Bd I, 1878 (2. Auflage 1883 und fpäter: Prolegomena zur Geidid)te 
Söraeld), S. 115—119; Denzinger, Bebräihne Archäologie, 1894. ©. 464 - 466; Nomad, 

bräijche Archäologie, 1894, Bd II, ©. 138—144. — %. Hildesheimer, Die aftronomifchen 
apitel in Maimonidi3 Abhandlung über die Nreumonböheiligung, in dem Sahresbericht des 16 
Rabbiner-Seminars zu Berlin pro 5641 (1880—1881), ©. 3—64. 


Der Mond wird in der poetifchen Sprache des AT 7522 „der Weiße” genannt, 
vielleicht von feinem im Gegenſatz zur Sonne matten Lichte, vielleicht aber ein uraltes 
Hort von nicht mehr durchfichtiger Bedeutung (vgl. unten 8 III, 2 über Yaban). Auf 
die Farbe könnte auch verweiten der gewöhnliche Name T, etwa „der Fable” (vgl. 7" 20 
„grün, gelb fein“, Geſenius); eher aber wohl bezeichnet dies Wort den „Wanderer“ (vgl. 
mer mit de Lagarde, Überficht über die im Aramätfchen . . . übliche Bildung der No: 
mina, AGG XXXV, 1889, ©. 46 und dazu noch aſſyr. arbu „Monat”). Der Neu: 
mondtag, eigentlich der Neumond felbit, heißt DIT „der Neue”, wm aud im Phöni— 
cifchen, und der Bollmond oder die Vollmondszeit NOE oder 1°3, eine Bezeichnung, die: 
wahrfcheinlich zu erklären it nad) dem aſſyriſchen Kuse' u „Müge”, nämlich aus der Vor: 
ttellung, daß der Mondgott zur Vollniondszeit eine Kopfbinde (agü) trägt (Jenſen 
S. en, 104; Zimmern ©. 362; vgl. Hommel, Auffäge und Abhandlungen II, 1900, 
271). 

Daß Jeſ 14, 12 unter >97 der Mond zu verftehen fei (Zimmern S. 565 An: 30 
merkg. 7 nad Windlers Vorgang), iſt fchmwerlich anzunehmen, da arab. hiläl die Neu: 
mondſichel bezeichnet, bei dem „Sohn des Morgengrauens” aber nur etwa an die Sichel 
des abnehmenden Mondes gedacht werden fünnte, weil nur diefe am Morgen jichtbar ift. 
Es ift alfo doch wohl bei der alten Erklärung vom Morgenftern zu verbleiben. 

Mondfiniternifje ftellte man fich, wie es jcheint, im hebräiſchen Altertum, wie bei 35 
vielen andern Völkern (f. Roſcher, Über Selene und Verwandtes, 1890, ©. 92 und N. 
G. Bolitis bei Rofcher a. a. O., S. 186 ff.), vor als verurfadht durch einen den Mond 
verichlingenden Trachen. Jedenfalls bejteht jegt in Syrien diefer Glaube, wobei der Drache 

> 


IS 
+1} 


N 


(N 


mit Üe> bezeichnet wird (Littmann, Mt und Nachrichten des deutjchen Palaeftina:Ber- 


ans 1901, S. 21). Hi 26, 13 mag darauf binweifen (f. A. Drache zu Babel Bd V + 
©.8,sff.). — Ausführliche Darstellungen des Mondes in feinem Umlauf und feinem Ver: 
bältnis zur Eonne werden im Buche Henoch gegeben ce. 72, 3. 375 e. 73f.; ©. 78f. 
Der Mond war im Leben der Hebräer nicht nur als Zeitmeſſer und wegen des ibm 
efchriebenen phyſiſchen Einflufjes auf die Erdwelt von Bebeutung, ſondern aud) in der 
erehrung der abgöttifchen Israeliten nahm er eine nicht unbedeutende Stelle ein. Viel: #5 
leicht tbat er es ſchon im Kultus der ältejten Hebräer. 
I. Der Mond als Zeitmeffer. Die in regelmäßigen Perioden wechſelnden 
Phaſen des Mondes haben alle Völker veranlaft, nad ibm die Zeit zu beſtimmen, noch 
er und ſchon früber wohl, als das felbe geſchah nach den erjt in längern Zeitab— 
pnitten wahrnehmbaren Weränderungen des Sonnenlaufs. Jer 31, 35 iſt die Rede von wo 
den Eatungen des Mondes und der Sterne, nicht von denen der Sonne, weil jene fich 
in ibrem regelmäßigen Wechfel viel deutlicher beobachten laffen als dieje. Der Mond 
beist von der Berechnung der Zeit nah ihm in indogermanifchen Sprachen „der Meſſer“ 
ffrit. mäs von mA „meſſen“, |. Mar Müller, Borlefungen über die, Wiffenfchaft der 
prache, bearbeitet von GC. Böttger, Bo T’, 1866, S. 6). Bei den Agyptern iſt der 5 
Mondgott Tehuti (Thoth) der Gott Des Maßes, dann der Wiſſenſchaft, von den Griechen 
RealsGncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. Yufl. XIII. —R 


u 


— 
— 


una ee} iei des Hebrãern 


Dee Iosr Fyrızar Arms % Ieescbinann, Hermes Triemegi- 


oo: ion on. 3 rm, Be, ze Volker rechneten auch die 
em Now So, oo wo, zei Ir Journ mmiusmen Stadien feiner Gr: 
een Ne NONE. A m 22 iur nach Dem Monde 
N ame _ ...zmz Ader Das Nalendezmen der Israeliten vor 
Notar rn. 2m m $gl Mlademie der Iricaften zu Berlin, 

RR Deo zas nee Namen des zum en Male mieder erſchei⸗ 

NN Tr er Sorzkitichen nur in ber Berczzıng „Neumendtag“ 

nr nn Tu Araber und Hebräer rechner: wie andere Völler, 

N. on en — Handb. der Chronologie, #3 I. 1825, S. 80), 

Ne io 2. 2070 mr das AT aus dem Feſtkalender und auch aus 

Soon rer Dans, wie mir jcheint, aus Gen. e. Ir. Tiefe Vor: 

> 9.2 sr. roemer zur Ihrer Wichtigfeit für das Leben Der Säg er- und 

N on. Fier Te Weibos bei den Hebräern, 1876, 2.74.) Die nt 

eos pas Somit bei Üölfern niederer Rulturiture übliche Zählung 

oo. .- *, Tan zu > 1m AT, deſſen Ausſagen ſämtlich aus Der Periode 
no 0. m mer zschmwetien. 

meta du Rebentägige Woche zunächtt auf Dem Mondumlauf, 

>  s2.20..r I Rendumlaufs von 29 Jagen und 12 Stunden, indem 

>. namen 77, Tage in runder Summe 7 Tage fegte (jo Ide⸗ 


Ddemene zubr undenkbar, daß die mögliderweile in Babplonien 
sn er zaa &x von Haus aus Jich vielmehr auf Die ſieben Planeten 


ON nr Susaamur Mubseitig beobachtete und als Gottheiten verebrte (Kuenen, 
Nee ut a, Narlem 18609f. Bd I, Kap. IV Anmtg. 5; engl. Aus 
moon." Ardrian (Die Siebenz abl im Geiſtesleben der —8 Rt 


ua —E in Wien, Bd XXXI, 1901, 2. 225- 274) nimmt an 
ar aenus Die fosmtichempftüche 7 von den älteſten Gulturfigen in 
mer ai Der XxXGSedenſten Weltrichtungen ausftrable“. Toch läßt ſich die 
a 8 wer TZeodge mit den ſieben Planeten erſt ſehr ſpät nachweiſen, erit 
ae Ganz Den dies Saturni nennt zuerſt Tibull (geb. 59 v. Chr.). 
ee da Sr iſt Dagegen nicht, wie fich bei ;grübern angegeben findet, 
- wi ixxxt Vlanetennanen der Tage nennt. In Rleinafien kommen fie 
ae Tunr ver: Apollonius von Tvana beſaß ſieben Ringe für die 
>. Nm ern jedes Tages (Maaſs, Tie Tagesgötter in Nom und ben 
— wi Ice Rlutarch in der zweiten Hälfte Des eriten Jabrbunderts bat 
- Ne Zee Nr Meibenfolge der Planeten in den Tagenanten beichäftigt 
Sure cin pompejanijches Wandgemälde, das ungefähr um 50 n. Chr. 
Sonia Ne Sieben Planeten, mit Saturn beginnend, in der Folge der Tage: 
Sue ID, Ed iſt immerbin denkbar, daß Diefe Benennung der Tage den Abend: 
nr XxnXtet hat, aus Babplenien, etwa Durch Vermittelung der Syrer 
vSöorader, Der babvlon. Urjprung Der fiebentägigen Woche, ThEMN 
- a Reidele, Tie Namen der Wochentage bei den Semiten, Zeitjchrift für 
N Neem I, TH, S. I61-- 1621. 

ee Sp Pub aber ein Zuſammenhang der Tagenamen mit irgendwelcher 
> Near aubriiuchlichen Planetenfolge nicht, und babyloniſche Herkunft 
— — MR con Deshalb sticht twabricheinlich, meil bei den Babyloniern 
N art einen ſiebenten, aber nicht jedes feſtſtehenden ficbenten Tages 
Seren VWirlmehr fmden ſich puren dafür, daß der bedeutfame fiebente 
> ar ſich nach Dem dreißigtägigen Monat richtete, da in babyloni⸗ 
> NT 7. IL, 21. und 28. Tag und Daneben der 19. Tag auf 
— au Mami Div betreffenden Tage jedes Monates, der 19. deswegen, 
u Wr N Tagen Dis vorhergehenden Monates zuſammen der 49. Tag iſt 
Se von cenien Tag darſtellt Jenſen, Die ſiebentägige Woche in Baby— 
Sana Zurrkhr. 1. Deutſche Aortioric. I, =. 150— 160). Übrigens bat gr 

N rn NUN, wenn fie aus Der Nierteilung Des Mondumlaufs entjtanden iſt, 
* warrhulb eines jeden Monates bewegt und iſt erſt Pater eine feſte, 
— — unabhängige geworden (Wellhauſen! 116). Die nicht an den 
u See Weiterbewegung Der Woche wendet Nöldehe (a. a. O. S. 160) em 





Mond bei den Hebräern 339 


gegen ihre Entftehung aus dem Mondmonat. Aber die Unbequemlichleit einer an den 
Mondumlauf gebundenen und deshalb variierenden Wocheneinteilung Tonnte doch ſehr 
wohl eranlaflung geben, die Woche zu einer feiten zu macen. Eher läßt ſich mit Nöl- 
defe daran zweifeln, daß „das alte israelitiiche Bauernvolf” diefe „geniale Erfindung” 
gemacht haben jollte. 5 
Jedenfalls ift der babylonische Ursprung der fiebentägigen Woche und ihre Ent- 
ftebung aus dem Planetendienſt Babels ſehr zweifelhaft. Die Annahme befist große 
Mabrjcheinlichkeit, daß zuerit im Hellenismus des Orients die Kombinierung der Planeten— 
götter babylonifchen U prungs mit der fiebentägigen Woche der Juden vollzogen worden 
it (MMaaſs a. a. O., S. 278f.). Vielleicht aber fand diefe Kombinierung doch ſchon ältere 10 
Antnüpfungspunfte vor in weftjemitifchen Anfchauungen. Es läßt ſich dafür vielleicht 
an die Siebenzahl der phöniciichen Kabiren denfen. In einer phönicifchen Tempelinfchrift 
aus Kition anfcheinend etwa aus dem vierten vorchriftlichen Jahrhundert ift Die Rede 
von Tagesgöttern, nämlib von „Herren der Tage”, cı Ir2 (Corpus Inserip- 
tionum Semiticarum, I n. 86 B 4), wobei es an fich nabe läge, darunter Gottheiten 15 
eines kleinern Zeitabjchnittes, tvie etwa der Woche, zu verftehen. Da aber in der vorher: 
gehenden Zeile von Göttern des Neumondtages die Nede ift, wird man doch wohl bei 
den „Herren der Tage” an Gottheiten der übrigen Monatstage zu denken haben. Hier 
fönnte ägyptiſcher Einfluß vorliegen. Irgendwie fcheinen aber auf fanaanätfchem Boden 
die Zablen jchon in alter Zeit mit Heiligem und Göttlichem in Verbindung gebracht wo 
worden zu jein. Dafür läßt fich geltend machen der Ortsname Beerfcheba „Sieben: 
brunnen”, wohl au Kirjat-Arba „VBierftadt”, wahrſcheinlich ferner der phönicifche Gottes- 
name Esmun, der doch wohl mit der Acht zufammenbängt, ſchwerlich Dagegen der Orts: 
name Baal-Schaliicha, der faum mit der Zahl drei direkt etwas zu thun bat. Für den 
Ramen Beerjcheba hat man freilicy geglaubt an eine Rundzahl denken zu jollen, aber 
dar dieſer Ort feit alten Zeiten ein Heiligtum war (Gen 21, 31), iſt e8 doch jehr wahr: 
deinlich, daß der Name mit fultifcher Bedeutung in Zufammenbang Steht. Tie beiden 
amen Beerjcheba und Kirjat-Arba fcheinen nach ihrer Bildung und dem in der Geneſis 
über ſie Angegebenen vorisraelitiich zu fein. Planetengötter waren etwaige Tanaanätfch- 
pbönicifhe Zahlengötter von Haus aus kaum, da Planetendienft überhaupt nicht fanaa= 30 
näiſch geweſen zu ſein fcheint. Da ich aber nicht wüßte, was anderes als die ſieben 
Planeten der Heiligkeit jpeziell der Stebenzahl auf kanaanäiſchem Boden zu Grunde liegen 
follte, jo fönnte bier uralter babylonischer Einfluß anzunehmen fein. Die für die israe- 
litiſche Anſchauung vielleicht ausreichende Herleitung der Heiligkeit der Sieben aus der 
des Sabbats kann hier nicht in Betracht Fonımen. Indeſſen werben Bedenken gegen alte 3; 
Heiligkeit gerade der Siebenzahl auf phöniciſchem Boden dadurch nabe gelegt, daß in den 
gewiß nad phöniciſchem Vorbild gewählten Zahlen des Salomoniſchen Tempels die 
Sieben keine Rolle ſpielt, ſondern nur die Zehn und Zwölf: zehn Becken, zweimal fünf 
Leuchter und zwölf Rinder unter dem „Meer“. Daß die zehn Leuchter ſiebenarmig waren, 
wie der eine Leuchter der Stiftshütte und des nachexiliſchen Tempels, läßt ſich nicht nach- 40 
weifen und ift, weil dieje Befonderheit gewiß angegeben fein würde, nicht wahrſcheinlich.. 
Sehr hohes Alter der Heiligkeit der Sieben bei den Hebräern ift Dagegen erfichtlich aus 
dem Worte „fich fiebnen” in der Bedeutung von „ſchwören“. 
Auch wenn die Heiligkeit der Siebenzahl auf femitiichen Boden von den Planeten 
we jein follte, Tünnte doch die Kombinierung der fieben Tage mit den Planeten 45 
ehr ſpät aufgefommen fein, als die Woche längit feitftand. Und jelbit wenn die 
tage fchon verhältnismäßig frühzeitig mit den Planeten kombiniert worden fein 
follten, bleibt doch die einfachite Erklärung für die Entſtehung der jtebentägigen Woche 
dad von diefer Kombinierung unabhängige Bedürfnis nach Unterabteilungen des Mond: 
monatee. 50 
2. Monat und Jahr (vgl. A. Jahr Bd VIII, ©. 524ff.). Wie immer die Woche 
en fein möge, das hebräiſche Jahr war fiher ein Mondjabr von 12 Mondmonaten. 
Aus nachbiblifcher Zeit willen twir, daß die Juden den Anfang eines neuen Monates 
variierend nach dem Ablauf von 29 oder 30 Tagen anfegten, je nachdem der neue Mond 
am dreißigiten Tage am Himmel gejeben oder nicht gejeben wurde (ſ. BD VII S. 17, ff.; 5 
J Maimonides bei J. Hildesheimer a. a. O, S. 9 833). Daß die Rechnung nad 
ondmonaten und dann doch auch nach Mondjahren bei den Hebräern die gewöhnliche 
ſchon in ſehr alten Zeiten war und wohl die urſprüngliche, zeigen deutlich genug die 
bon dem Mond entlehnten Namen für den Monat, namentlich 977 (Tillmann a. a. O., 
S. 931; dagegen beantwortete Scyffartb die Frage: „Haben die Hebräer ſchon vor Jerus on 


22" 


[7] 


IV 


Mond bei den Hebräern 


—* Mondmonaten gerechnet?“ Zom& II, 1848, ©, 344355 aus 
au 3 finden f m uren bon ——— Sonnenjal 
in der Ang der Lebensdauer des — vielleicht nalich ein Got 
Jahresanfangs, don * a in —— prieſter eſterlichen € | 
(= ode ei * in © 

Bi — Man Donates bis um re seite 









dem Verfaſſe —— 
ge geläufig war, da er —— 
ei —— (68 wäre danad) mög 
db, dat | Hebräern das ältere war und —— 
das 9 a doch Fünnen jene beiden Spuren von tjchaft mit 
dem Someni ären fein aus ungen mit dem Ausland, etwa mit ben 


Agybter ‚ die Bas Jahr auf 12 dreifigtägige Monate und 5 Zufaßtage, alfo auf 365 Tage 


Aber gerade F —— ieſterlichen Schrift auf ein Jahr und 
Rn Tage * un weiter ab er nach dem Monjah von 354 eg en rechnen 
d Az — — ie 6 mr * gr a 
Es er im —— ten 3 eltung fommen, 
direft erfennen. ne man allerdings —* af ei ein Jahr von 360 en (aljo von 
12 dreißigtägigen ' ten, jomit nicht veinen Mondmonaten), wie es "lie don 
und Ägypter gebrauchten, die Anjegung von Perioden der Sintflut in * beſondern 
25 Quelle der priefterl Schrift zu 150 Tagen (Gen 7, 24; 8, 3). Freilich ift die. 
150 nicht aus 5mal 30 entjtanden, wie man ag angenommen bat (jo U. Jah— 
3b VIII, ©. 526, wff.; —— Kalenderweſen, S. 930). Windler (, ustuf, 
Altorientaliiche Forihungen, II. Heft 1, 1898, ©. 99) hat dieſe 
mit Recht eingewendet, daß au auf, nk‘ v3 die Einführung ber 19 na eine bleibe. 
0 Vielmehr fcheint bier die von Windler doch wohl konſtatierte Berechn 
tägigen Woche, hamustu, zu Grunde zu liegen, , min — —— er — J— 
hamustu von 1800 — 360 X 5 Tagen. e —— 
nic F erklärende Dreiteilung des Monates, ſo abe a. a. mann, Kalender 
©. 930.) it wohl auch zu erfennen in ber im AT mehrfach vorfommenden An- 
gebe cine ‚cm Yetrauns (Gen 24, 85; 67 12, 8 uf @- ‚ Windler a. a. D, 
S. 100) ned wäre auf die ägyptiſche zehn tag e Ben (. „Bere, Die Chrons 
logie der Aegypter, Bb I, 1849, ©. 132.) zu verwe — wohl 
der hamustu entfprungen jein wird. Diefe wird ferner bie e Grundlage f Kr den 
Monat von 30 =6X 5 Tagen. — Sedenfalls laſſen ſich Perioden —* —* Tagen 
“einem Mondjahr nicht eingliedern. Aber auch die Angabe der Perioden vo ran 
eigt nur, daß dem Pe ein Jahr von 360 Tagen befannt, nicht bob ee 
"5 räern gebräuchlich 
Bei der Sinbalung eines Jahres von 12 Mondmonaten mußte man beobachten, 
ba er es Jahr id mit dem Kreislauf der Jahreszeiten nicht dedte, daß die Jabreszeiten 
15 fi dem Sonnen nicht nach dem Mondumlauf beitimmen, und bie ei 
Des — mußlen auf jenen Bezug nehmen, nicht auf dieſen. Daher die 
oleihung des Mondjabrö mit dem Sonnenumlauf durd den erſt aus nachaltteſtament 
icher Zeit bezeugten, gewiß aber in irgendwelcher, vielleicht ziemlich willfürlichen, 2 n 
Mn ältern Schaltmonat (vol. Dillmann a. a. DO. ©. 933). Er iſt nad babyloniſchem 
sorbild aufgefommen. Die Babylonier jegten auf 19 Jahre 12 Gemeinja und 7 











Itjabre mit einem breizebnten Monat an (ſ. F. X. Kugler, Die Babvloniihe Mon 
— Zwei Syſteme der Chaldäer über den Lauf des Mondes und ber Sonne, Z 


Von der im AT vorliegenden und, wie es fcheint, allgemein: und altjemitischen Zeit 


s einteilung nad dem Mondlauf bat fich bei den Diandäern, wohl direft aus babylonifc 


Quelle, eine Erinnerung erhalten, die bas Prinzip diefer Einteilu deutlich ‚geltend 


macht, indem in einer ber manbätjchen Schriften der Demiurg Ptabil } 


den Mond zur Mechnung für die Welt“ (Brandt, Die Mandäihe Kelie, 1899, S. 61) 


3. Neumondtag und Feſtkalen der. Die Wiederlehr des neuen ırbi 
don den Hebräern bei der Michtigleit, die er für die Ordnung des Lebens hatte, J— ber 






















Mond bei den Hebräern 341 


fonderer Freude begrüßt und einstmals feitlich gefeiert, vielleicht ein Reſt alter göttlicher 
Verehrung ded Mondes (Kuenen a. a.D., ©. 244f., 266f.; vgl. unten $ III, 1). Das 
Feſt Des Neumondtages iſt eines der älteften unter den bebräifchen Feiten und wurde wie 
der Sabbat durch Ruhe gefeiert (Am 8, 5). In der Gefchichte Davids (1 Sa 20, 5f. 
24) und in der Elifa-Gefchichte (2 Kg 4, 23) wird das Neumondfeft genannt. Bei den 5 
ältern Propbeten (Am 8, 5; 20 2,13; Jeſ 1, 13; vol. 2 Kg 4, 23) wird es in 
Parallele mit dem Sabbat erwähnt (Ho 5, 7 dagegen ift fchiwerlih vom Neumondtag die 
Rede; der Tert ift offenbar Torrupt, wahrfcheinlich gerade in dem Morte OT). Wenn 
das hebräiiche Verbum 22:7, das den Feltjubel bezeichnet, mit der. arabifchen Benennung 
des Neumondes hiläl zufammenbängen follte (Wellhaufen, Prolegomena?, S. 117), fo 10 
ergäbe ſich daraus fehr hohes Alter der Neumondsfeier. Der Zuſammenhang iſt aber doch 
zweifelhaft (Mellbaufen, Reſte arabifchen Heidentumes', 1887, ©. 107 ff.). 

In dem jehoviftifchen Gejeh, dem Bundesbuch, und im Deuteronomium wird der Neu: 
mondtag nicht genannt, fondern als Feſte nur der Sabbat und die drei alten Nahres- 
feſte. Die Nicbtermähnung iſt namentlich im Bundesbuch auffallend, da doch noch Sefaja ı5 
den Neumondtag als Feittag Tennt. Offenbar ijt die Tendenz jener eeleggenungen dahın 
gegangen, den Neumondtag durh den Sabbat, mit dem ihn feine wechſelnde Anfegung 
in Kollifion brachte, zu verdrängen. Auch mögen abergläubifche Gebräuche, die ſich mit 
der Beobachtung des neu erfcheinenden Mondes etiva verbanden, die Feier feines Tages 
anftögig gemacht haben (Wellhauſen). Der Neumondtag bat fi aber, wie aus den 20 
Propheten zu ſehen ift, im volfstümlihen Bewußtſein und Brauche noch länger als Feſt 
behauptet. In Ezechiels Geſetz (Ez 46, 1ff.) und im Priefterfoder (Nu 28, 11ff.), deſſen 
Feitlalender in der vorliegenden Form nachdeuteronomifch tft, fommt der Neumondtag 
auch Für den legalen Kultus zur Geltung, jedoch in anderer Weiſe als in der älteften 
Br Er ift nicht mehr, mie früher, ein Ruhetag, wird aber durch Vermehrung der: 

fer über die täglichen binaus ausgezeichnet. Dies neue Derbortveten des Neumond: 
tages bat gewiß darin feinen Grund, daß der gefamte Feſtkalender der fpätern prieiter- 
lichen Geſetzgebung bejtimmt nad) dem Mondlauf geordnet it, was im Bundesbuch und 
im deuteronomifchen Geſetz nicht der Fall ift. Es iſt demnach fpeziell der Mond gemeint, 
wenn nach der priefterlichen Schrift des Pentateuchs zu den Aufgaben der von Gott so 
erſchaffenen Himmelslichter die Beltimmung der Feſte (STET>) gehört (Gen 1, 14; vgl. 
Pſ104, 19; Sir 43, 6ff.). — Nach dem Schema der heiligen Siebenzahl bat im Prieiter: 
oder der Neumondtag des fiebenten Monates vor den andern die Auszeichnung eines 
wirflichen Feſttages erhalten (Xe 23, 24; Nu 29, 1ff.). 

Das Berwußtjein, daß die Feſtzeiten, wenigſtens daß die des fiebenten Monates, nadı 35 
dem Mondlauf geordnet ſeien, Spricht fich deutlich in Pi 81, 4 aus. Der Chronift er: 
mwähnt mehrfach das Neumondsopfer als eine beftehende Ordnung (1 Chr 23, 31; 2 Chr 
2,3; 8, 13; 31, 3; Er 3, 55 Neb 10, 34). Noch um fpätern Judentum fpielt der 
Neumondtag als ein geweihter Tag eine Rolle (Kol 2, 16) und neben den Numenien 
auch die Pronumenien, entiprechend den Vorſabbaten (Judit 8, 6). 10 

Auf den 15. des Monates, alſo auf den Vollmondtag, fallen im Prieſterkoder zwei 
der großen Jahresfeſte, Mazzot- und Laubhüttenfeſt, von denen wahrſcheinlich das letz⸗ 
tere Pi 81, 4 mit dem Feſt am Vollmondtag gemeint iſt. Vielleicht wird Pr 7, 20 
die Rückkehr des verreiften Ehemanns am Bollmondtag deshalb erwartet, weil er zu 
diefem Tag als zu einem Feſttag daheim fein will. 15 

Auch auf griechifhem Boden ift nach Diele („Ein orphiſcher Demeterhymnus“ in ber 
„Feftſchrift Theodor Gomperz dargebracht“, 1902, S. 9) „im Apollocult ... in Folge der 
Bedeutung des Mondes und feiner Phaſen für die alten Feſte ein Cult der fiebentägigen 
Feiften entitanden”. Diefe mit jemitifchen, Speziell mit den bebrätfchen, Feſtzeiten parallel 

ende Ordnung der Feſte in fiebentägigen Friſten und zugleich mit Berüdfichtigung der 50 

ondpbafen — mag fie nun fpontan auf griechiſchem Boden entitanden oder von ſemi— 
tiſchen Einflüjfen abhängig zu denken fein — kann der Anfchauung zur Beftärfung dienen, 
Laß die bebräifche Woche auf nichts anderm als auf der Vierteilung des Mondumlaufs 


8* 


II. Phyſiſcher Einfluß des Mondes auf die Erdwelt. Im Altertum 5 
fhrieb man wohl aller Orten dem Mond einen Einflug zu auf Das Wachstum der 
Pflanzenwelt, eine Annahme, die begründet wird ntit der Behauptung, daß der Mond 
den Taufall befürdere, und auf der Thatjache berubt, Daß in mondbellen Nächten der 
Zaufall bejonders reichlich iſt (ſ. Belege: Baubijfin, Jahve et Moloch, 18714, S. 23 
Anmig. 3; Studien zur ſemitiſchen Neligionsgejchichte I, 1876, S. 24115 I, 1878, 60 


2 


2 Mond bei den Hebräern 


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151 Anmkg. 3; wozu ferner: Cornutus Phurnutus,, De natura deorum ce. 34, 
.233 ed. Gale; Appulejus, Metamorph. XI, 1, S. 205 ed. Eyſſenhardt; vgl. Welcker, 
Griech. Götterlehre, Bd I, 1857, S. 552f.; Goldziher, Der Mythos, S. 185. und be 
fonders Nofcher, Über Selene, S. 19ff.). Unter den griechifchen Zeugniffen für dieſe 
Auffaflung tft namentlich beachtenawert die Daritellung der Erfa, der Göttin des Taus, 
bei Alkman als einer Tochter der Selene und des Zeus. Wachſen und Gebeihen nit 
nur der Pflanzen jondern auch der Tiere leitete man in Griechenland und andermwärts 
bei den Indogermanen von dem zunehmenden Mond ab, deſſen eigenes Wachſen aud 
Wachstum zu befördern ſchien (Roſcher S. 61 ff.). Bon diefen Anichauungen findet fih im AT 
10 feine direfte Spur. Dt 33, 14, wo von den „Spenden des Triebes der Monde (Er7=7)” 
neben den „Zpenden der Erzeugnifle der Sonne” die Rede ijt, denkt ſchwerlich an ben 
vom Monde beivirften Taufall (jo Steuernagel 3. d. St.), da dann nicht der Plural 
er” jteben würde, auch v. 13 Ichon von dem Tau als einer Spende des Himmels die 
Nede var. Die Ausfage wird fich beziehen auf die in der Reihenfolge der Monate ge: 
15 fpendeten verſchiedenen abreserträgniffe. Der immerhin neben SS auffallende Blural Orr 
wird daraus zu erllären fein, daß der Verfafjer des vorliegenden Textes von Dt 33,14 
in dem Jakobsſegen Gen 49, 25 ftatt er erIT3 fällhlih enim-m Sad gelefen bat 
(ogl. Bertbolet 3. d. St.). 
Auf den Mond als den Urbeber der Fruchtbarkeit deutet in iweitfemitifchen Kulten 
u die Verehrung der weibliden Naturgottbeit, wenn dieſe wirklich als Mondgottheit auf: 
gefaßt wurde (f. A. Aſtarte Bd IL, S.15+f.). Überall erfcheint hier die weibliche Gott: 
beit alg die das Leben der Erd: und namentlich der Pflanzenwelt begünftigende. In 
der Geftalt der Atargatis wurde fie als die Urheberin der befruchtenden Feuchtigkeit ge: 
radezu in eine Maflergottbeit umgewandelt (ſ. U. Atargatis Bd II, S.174f. 177, 47ff.. 
25 Die weiblichen Gottbeiten der Weltfemiten waren wohl ferner Helferinnen bei den menid- 
lichen Geburten. Daher wird es fommen, daß in Juda die als Himmelskönigin bezeich⸗ 
nete Göttin befonders von den Weibern verehrt wurde (f. U. Altarte, S. 155f.). Be 
den Indogermanen ſpielten Mondgottheiten dieſe Rolle; man brachte mit den Geburten den 
Mond in Zuſammenhang, ausgehend von der Beobachtung des Monatlichen beim Weibe 
und der nach Monaten zu berechnenden Entwickelung im Mutterleib (Cicero, De nat. deor. 
Il, 46, 119: Luna graviditates et partus adferat maturitatesque gignendi; 
vol. Roſcher S. 55ff.). 

Dod das Mondlicht hielt man unter Umſtänden nah Pi 121, 6 bei den Hebräem 
auc für fchädigend (anders Hupfeld z. d. Et.), wie es zu allen Zeiten bei wohl allen 
> Völfern mit dem Erd: und Menſchenleben in fördernde und zugleich ſchädigende Be: 
ztebung gejegt worden iſt, in fchädigende unter anderm wegen feiner nachteiligen Ein- 
wirkung auf die Augen. Auch jtellte der abnehmende Mond an ſich felbft das Ber- 
geben Dar, wie der zunehmende das Wachstum (vgl. Roter ©. 66 ff). Wohlthätigen 
Einfluß des Mondes auf Die Geſundheit dachte man wohl verbunden mit dem ihm zu 
gejchriebenen Taufall: in der ſyriſchen Baruch-Apokalypſe (73, 2) „Iteigt Geſundheit 
berab im Tau“. 

Grit aus der neuteltamentlichen Zeit baben wir in der Bezeichnung oeAnvıaldueror 
„Mondſüchtige“ für beſtimmte Kranke (Mit 4, 245 17, 15) ein direktes Anzeichen dafür, 
daß Die Juden, wie ſeit alters auch andere Völker, von dem Monde gewifle Krank: 
heitserſcheinungen abhängig dachten. Gemeint find mit den Mondjüchtigen in den evan⸗ 
gelifchen Berichten (vgl. Wie 9, 22) unverkennbar, wie mir fcheint, Epileptiiche. Man 
könnte etwa diefe Darjtellung aus einer Altern entftanden denken, melde Fieberktanke 
befchrieben bätte. Bei den Babvloniern laffen der Mondgott Sin und der andere Mond: 
gott Nergal in Waſſer und in Feuer fallen. Nah Zimmern (a a. O., ©. 363. 366) 
jol dies von Fieberfroſt und ige zu verſtehen fein, was als richtige Erklärung kaum 
zu beanitanden tft, Da neben dent „Fallen in Waffer und in Feuer“, wie es jcheint als 
anderer Ausdrud für diefelbe Sache, vom „Erglüben und Erblaffen des Gefichtes“ Die Rede 
nt (Zimmern 2.364 Anmkg. 1; vgl. S. 112 Anmkg. 1). Ebenſo fällt der osAnvıa- 
Soneros in euer und in Waſſer (Mit 17, 155 Me 9, 22). Aber da man andermwärts 
sim Altertum zweifellos die Epilepfie vom Mond ableitete (ſ. Roſcher S. 68f. 167 und 

% ©. Politis bet Roſcher a. a. O., S. 185), jo liegt doch fein Grund vor, Die deut: 
lichen Angaben der Evangelien aus einem Mißverſtändnis zu erflären. — Simmern 
(a. a. O., 2.366. 115) Deutung des 275 0-49, 10 als vom Mond ausgehende Fieber: 
glut Scheint mir auf nicht ganz Sichern Kombinationen zu beruben, aud für den Zufamnten- 
bang in Jeſ 19, 10 weniger gut zu paſſen als die Erflärung vom Glutwind der Müfte, 


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Mond bei den Hebräern 313 


Dit der Vorftellung von verderblidem Einfluß des Mondes hängt es mohl zu= 
ſammen, daß bei den Mandäern der Mond mit dem Todesengel Sawri’el identifiziert 
wird (Brandt, Die Mand. Religion, S.126; derſ., Mandäiſche Schriften, 1893, S. 45. 
85). Der babylonifche Gott Nergal, der fetundärer Weife als Mondgott gedacht wird, ift 
ein Gott der Seuchen und des Totenreiches (Zimmern S. 412f.). Bei den Griechen 5 
wird der Mond, namentlich in der Geftalt der Hekate, zu den Seelen der Abgefchiebenen 
in Beziehung geſetzt (Roſcher S. 9Yf.). 

Einen rabbiniſchen Einfall über die Stellung des Mondes im Kosmos f. bei Ferd. 
Weber, Jüdiſche Theologie?, 1897, S. 201. 

III. Kultifhe Verehrung des Mondes. 1. Monddienft bei den He= m 
bräern. Nicht nur in den von abgöttifchen Israeliten verehrten weiblichen Gottheiten 
wurde vielleicht der Mond angebetet, aljo indireft — denn der nächjte Gegenftand der 
Anbetung waren dabei Baumftamm oder Bild der Göttin — AA. Aſtarte und Atargatis 
Bd II, S. 147ff. 171ff.) —, ſondern daneben fand auch direkte Verehrung des am 
Himmel ftehenden Mondes ſtatt. Die beftimmten im AT erwähnten Fälle der Ver: 
ebrung von Sonne und Mond wie überhaupt des eigentlichen Gejtirndienjtes beruhen 
auf jpätern Berübrungen mit den Afiyrern und Babyloniern, obgleich jedenfalls dieſe 
Art der Anbetung an ſich urjprünglicher iſt als die Verchrung der Sonne und bes 
Mondes in perfonifizierter Geftalt. Von direlter Anbetung des Mondes wie der Ge: 
ſtirne überhaupt ift im AT erit feit dein Ende der Königszeit die Rede. Die Anbetung 20 
des Mondes wird im TDeuteronomium verboten neben der Verehrung von Sonne und 
Himmeldbeer (c. 4, 19; 17, 3). König Joſia that in Befolgung dieſes Gefetes den: 
jenigen Einhalt, welche der Sonne, dem Monde, dem Tierfreis und dem ganzen Hinmels- 
beer räucherten (2 Kg 23, 5). Uber den Dienjt der Sonne, des Mondes und des ganzen 
Himmelsheeres in Jerufalem klagt Jeremia e. 8, 2, allgemein über den des Himmels: 25 
beeres c. 19, 13, ebenfo Zephania c. 1, 5. Unter der zu Jeremias Zeit verehrten 
Himmelstönigin iſt feinenfalls direkt der Mond, vielleicht aber eine Perſonifikation des— 
jelben in einer weiblichen Gottheit zu verſtehen (f. U. Aftarte Bd II, S. 155f.). Wenn 
es ſchon von Joſias Vorgänger Manaſſe beißt, daß er dem ganzen Himmelsheer diente 
(2 21, 3), fo wird auch bier der Mond eingefchloffen zu denken fein. Dagegen bat 0 
ber Redaktor des Königsbuches 2 Kg 17, 16 den ihm aus der lehten Periode Judas 
befannten Dienjt des Himmelsheeres gewiß fälfchlich aud) dem alten Reich Ephraim zur 
Laſt gelegt. Aber die vielleicht ſchon von Jeſaja, vielleicht allerdings von einen Inter— 
polator, genannten Monde, E77T2 (von arab. Sahr „Mond“), als Schnudgegenftand der 
sserufalemerinnen (Jeſ 3, 18) hängen doch wohl zufammen mit Mondverehrung und ebenfo 35 
die Sabaronim als Schmud der Kamele der Midianiter (Ri 8, 21. 26; vgl. unten 82 
über den aramäifchen Gott Sahar und den füdjemitiichen Gottesnamen Sahrän). Tiefe 
Schmudgegenjtände werden eigentlich Amulete getvejen fein, wie fie in der Form des Boll: 
mondes oder der Mondfichel bei indogermanischen Völkern vorkommen (Roſcher a. a. O., S. 72f.). 

Die Mondverehrung im Reiche Juda wird (in den angeführten Stellen) dargeſtellt 1 
als beitebend in Sichnieberwerfen und Näuchern. Anders iſt H131,26f. von Kußhänden 
für Sonne und Mond die Rede, eine Kultusart, welche der Verfaſſer des Buches, der 
beitrebt ift, die älteften Sitten sarzuftelen, in die patriarchalifche Zeit verlegt. Die Sitte, 
den Göttern Kußhände zuzumerfen, fommt auch jonjt im Altertum vor (Plinius, Nat. 
bist. XXVIII, 2 [5], 25; XZucian, Saltat. S 17; Encom. Demosth. $ 19; vgl. 1 Sig 15 
19, 18; Ho 13, 2). Die Räucheropfer für Das Himmelsbeer wurden nad Jer 19, 13 
auf den Dächern der Häufer vorgenommen, ebenjo überhaupt die Verehrung des Himmels— 
heeres nach 3e 1, 5 (vgl. 28923, 12; Jer 32, 29), natürlich deshalb, weil man von dort die 
Geſtirne jchauen konnte. Es iſt Dies Nachahmung babvlonifcher Opferfitte (f. Zimmern S. 601). 

Sichere Spuren dafür, daß der Monddienft ſchon von den Hebräern der ältelten 5 
Zeit geübt wurde, haben wir nicht. Allerdings fünnte in der altteftamentlichen ‚Feier 
des Neumondtages Sich ein Reſt alten Monddienftes erbalten baben (j. oben 8 IL, 3). 
Indeſſen iſt dies Feſt Doch nicht für Monddienſt beweifend, da die ‚Feier vielleicht nur 
dem Anfang eines durch den Mond bezeichneten Zeitabjchmittes gilt und der Gefeterte 
nicht notwendig urfprünglich der Mond felbjt ſein muß, fondern etiva der Himmelsgott 65 

in fann, der das neue Licht Des Mondes erfteben läßt. Nah der Analogie anderer 
femitifcher Religionen liegt es aber freilich febr nabe, bier alten Monddienſt zu Grunde 
legend zu denken. Auch darauf mag hingewieſen werden, daß der den alten Hebräern 
beilige Berg Sinai, mo er denn gelegen haben mag, vielleicht von dem babyloniſchen oder 
altſemitiſchen Mondgott Sin feinen Namen trug. Aber diefer Berg konnte den Hebräern wo 


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Mond bei den Hebräern 345 


10, 125.5; 2 Kg 23,535 Jeſ 13, 19; 60, 19 .; Ser 8,2; 31,35; E32, 7; Joel 2,10; 
3, 4; 4, 15; Hab 3, 11; Pf 72,5; 121,6; 136, 8f.; 148,3; 9% 6,10; Prd 12,2; 
vgl. Di 33, 14; Hi 31, 26). Eine einzige Ausnahme iſt die ſpate Stelle Jeſ 24, 30 
wo die Beihämung des Mondes (a5) vor der der Eonne (Men) erwähnt wird; man 
kann bier aber eine Steigerung erfennen: nicht nur der Mond fonbern fogar bie Sonne 
wird fich jchämen müſſen im Endgericht, wann Jahwe allein die Königsherrichaft an fich 
nimmt. Dagegen ift überbaupt nicht ale Ausnahme anzufeben Pf 104, 19, wo aller: 
dinge vom Monde vor der Sonne die Rede ift: der Mond ift hier als Zeitmeffer voran⸗ 
geftellt; dann folgt als etwas anderes der Wechſel von Tag und Nacht, anbebend mit 
dem Sonnenuntergang. Daß die Sonne im Sprachgebrauch den Vorrang vor dem Monde 10 
bat, wird jchwerlich erſt einer fpätern Entwidelungsftufe der Hebräer angehören; denn 
in folchen Dingen ift doch wohl der einmal entitandene Brauch unerfchütterkich. Belonbers 
tommt die höhere Rangitufe der Sonne zur Geltung in dem Traume Joſephs Gen 37, 9 

wo Sonne und Mond Pater und Mutter repräfentieren und zwar unter der deutlichen 
Vorausfegung, daß der Vater das Familienhaupt iſt. Aber der Vorrang der Sonne vor 15 
dem Mond in Anfchauung der Natur ſchließt höberes Alter der Verehrung des Mondes 
vor der der Sonne nicht aus. 

Für die Annahnıe diefes höbern Alters hat man auf den Mondgott Sin vertiefen, 
der im babyloniſch-aſſyriſchen Bantbeon eine böhere Stellung einnimmt als der Sonnen: 
gott Samas. Es find freilihb in den Göttergeftalten, die dem Sin ſeinerſeits über: 20 
geordnet find, vielleicht Züge zu erfennen, welche auf eine urfprünglich folare Bedeutung 
bintveifen, eber jedoch nur allgemein auf eine mit dem Simmel zufammenhängenve. Aber 
died ganze Syſtem der Götterfolge ift in verhältnismäßig ipäter Zeit künſtlich gebildet. 
Urſprünglich wurde an beftimmten Kultusftätten Sin, an andern Samas als der größere 
oder auch als der überhaupt größte Gott verehrt. In den babyloniſchen Perſonennamen 25 
aus der Zeit der Hammurabi-Dynaſtie ſcheinen die Gottesnamen Sin und Samad un: 
gefähr gleich häufig borzulommen (f. H. Ranke, Die Perfonennamen in den Urkunden 
der HSammurabidynaitie, 1902, S. 14). 

Unwahrſcheinlich ift es indeſſen nicht, daß Jägervölker und nomadiſierende Völker 
die Geſtirne der Nacht und unter ihnen beſonders den Mond früher als die Sonne ver: zw 
ehrt haben. Die ſüdländiſchen Nomaden beginnen ibre Wanderungen in ber fühlern 
AÜbendzeit. Die Jagd wird überall großenteile zur Nachtzeit ausgeübt. Als die Gottheit 
der Jäger ijt bei den Griechen die Mondgöttin ſelbſt eine Jägerin. Wenn wirklich in 
der germanifchen Sage von dem zur Nachtzeit jagenden Grönjette unter diefem der Mond 

beritehen fein follte, fo ginge daraus für fich allein noch nicht hervor, daß man den 
Rond grün dachte, wie E. Studen (Grün die Farbe des Mondes, Mt der Borderafia 
ten Geielihaft 1902, &.39—45) e8 daraus und aus andern Indie ien für das Alter: 
tum —— — entnehmen will, ſondern nur daß man den Mond als einen Jäger dar: 
Belle: für diefen iſt Grün die entiprechende Farbe als die des Waldes. Auf der Wichtigkeit 
cht für die Lebensentfaltung der Jäger⸗ und Nomadenvölker beruht jene bei den 
—2* und teilweiſe auch im AT vorliegende Rechnung nah Nächten und nicht nach 
Tagen (ſ. oben S I, 1). 

Auch abgefehen von den Berürfniffen Des Jäger- und Nomadenlebens fonnte der 
Mond befonders den Bewohnern heiferer Gegenden vor der Sonne ald das für das 
menfchliche Leben und das Erdenleben überhaupt woblthätige Geftirn erfcheinen (vgl. oben 45 
SI], Ferner wird H% 6, 10 der Mond als „Schön“ bezeichnet und nicht fo die Sonne, 
ohne Frage weil dem menfchlichen Auge der milde lan des Mondes mohlthuend ift im 
Gegenſatz zu der blenvenden Sonne. 

Wenn es nach allem als wohl möglich erſcheint, daß namentlich bei Jäger: und 
Romadenvölfern der Mond vor der Sonne und ihrer Glut Gegenstand der Verehrung x 
war, fo darf doch diefe Annahme kaum generalifiert werden. Jedenfalls hat mar Unbe: 

behauptet, wenn man bei allen Völkern mit Sterndienft die Verebrung des 

ie Ka vor die der Sonne anſetzte (jo 3. B. Fritz Schulte, Der Fetiſchismus, 

71, S. 231.) 

Im allgemeinen ift es mindeſtens ebenfogut denkbar, daß die Völker mit der Ver: 5 

der Sonne anfıngen, da, abgejeben von vereinzelten Zittuationen, Die Sonne das 

Leben des Menſchen -- und nicht erit Dann, wenn er zum Mderbau fortgefchritten iſt 

vielfacher und eingreifender beeinflußt als der Mond, Darauf ift allerdings für altſemi⸗ 

tiſche Anſchauung kein Gewicht zu legen, daß in Pf of v. 22f. die Zeit der Sonne, 
ver Tag, als die Zeit des Menjchen Dargeftellt wird im Gegenfag zu der Nacht als der ww 


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1. 


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2 direkt fur Me Auffaſſungs— 
eilt auch für Die Ausſage 
 zriygten werden, obaleich gewiß 
Sas in Der israelitiſchen No: 
and Nomade kann ſich ohne 
»de ohne Ne ſeine Herde nicht 
a auch der niederſten Kultur— 
md obaleich man nach Der in 
vr am ſich von der Sonne un 
ar ale das in der beſtehenden 


"raus nicht zulaſſig, anzunebmen 
Nnagegangen ſei. Jedenialls aber 
Str mindeſtens auf ſemitiſchem 
st und Fritz Schultze uber ein 
tr, wo der Monddienſt zeitlich 
So Verehrung Des Himmels; uber 
209 za ſtand zu Ur eſ. T sche, 
100, Z. 104ff. Fr. Feremia⸗ in 
> —R — 2. 1760f., vgl. z.h ist: 
N N Ueberſetzung, 1. Liefer. In, 
J . chus muy, Aauaodn, Euſebius. 
"um Graecorum, BdIII, S. 212, 
> Mr babvleniichen Religion haben 
is uüubertommen (Brandt, Die Mand 
SS Neben Dem mann ge— 
nn, weibliche Mondgottheit verehrt, 
. zznebmet, Die neben Dein Zonnen. 
„.erogt erfenmen ſein ſollte (anders 
- zz 71f. . Ten Kultus Des Sin 


‚nz Nergal, ſonſt Wert Der Sb 
“zz der Mondſichel, ſpeziell des ar 
»nVBedeutung (Zimmern S. 36:. 
‚mp darzuſtellen Der Gott Xusku 
ecnicher Namen will H. RNianke 
D:. Alrsraelitiſche Überlieferung, 
»SINesnamen und darin eine Spur 
var Wortertlärung und Die 


Sys ovralt Om Mittelpunkt Des 
28 als „aramäiſche“ genannt 
S. 13h und das Bo 
»d.: Verlinichriften und Geſchichts 
rzts Dieter Kultus zu Den 
ER icheint ferner zu Ralmvra 
d. 28T Stammnamen 267x 
sriptions Sémitiques, Varis 
om Zu konnte etwa auch au 
atnaiſcher Bildung, wie Si" 
ietn ſcheint KJenſen, Wochen 


sun. 
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der romiſchen Kaiſerzeit und 
"3:80 IL =. 156 1985 

zn des Septimius Zeverus 
—Idole des Mondgottes Es 
> altteſtamentlichen Aramaer 
ZT Mond”, Die Aſſprer nennen 


Mond bei den Hebräern 347 


einen Gott La-ban oder La-pan (Schrader, Ketlinfchr. u. d. AT’, S. 149; Jenſen, 
Zeitſchr. f. Aſſyriologie XI, ©. 298 Anmkg.; Zimmern ©. 363). 

In einem Nelief aus Sendfchirli aus dem achten vorchriftlichen Jahrhundert, das 
den König Barrekub von Samal darftellt, find Mondfichel und Vollmond angebradit. 
Auf wen diefe Zeichen hinweisen, bejagt die Inſchrift IrT>r2 "82 „mein Herr ift Baal: 
Haran“. Mit dem Baal-Haran ift der Gott Ein gemeint, deilen Kultus demnach von 
Haran zu den Nramäern Weſtſyriens vorgedrungen war (f. Sachau, Baal-Harrän in einer 
Altaramätjchen Injchrift, SBA 1895, S.119— 122). Ein erbielt diefe Bezeichnung nicht 
etwa erjt im Reihe Samal als ein aus Haran importierter Gott, fondern wurde, wie 
es ſcheint, ſchon in Haran fo genannt; denn in aflyrifchen Eigennamen feit der Zeit 
Sanberibs fommt Bäl-Harrän vor (Zimmern S. 363). 

Ob man im Reiche Samal für den Mondgott auch feinen eigentlichen baranijchen 
Namen Sin gebrauchte, iſt zweifelhaft. Auf zwei altaramäifchen Etelen von Nerab 
bei Aleppo, die vielleicht etivag jünger als jene Inschrift von Sendſchirli find, wird eine 
Gottheit “> Sahar, offenbar der Mongott, genannt; vgl. altteftamentlih BT 
(j.obenSIIL,1), "IT H% 7, 3 und namentlich den fabätjchen Sahrän (f. weiter unten; 
vgl. Geo. Hoffmann, Zeitſchr. f. Afiyriol. XI, S.210). Es find Grabftelen für zwei Prieſter 
des 222 TS, Des Mondgottes zu Nerab; auf der einen wird die Götterreibe 
Sahar, Semes, Nikal (>>>) und Nusk (72), auf der andern ebendiejelbe mit Aus- 
lajlung des Semes genannt (f. Hal&vy in der Revue Sämitique, Jahrg. IV, 1896, 
S. 279 ff. 371f.; Clermont:Ganneau, Les stöles Aram6ennes de Neirab in bejjen 
Etudes d’archöologie orientale, Bd II, Bibliothöque de l’Ecole des Hautes 
Etudes,. fasc. 113, Paris 1897, S. 193—195. 211— 215). Da der Name Sahar in 
der großen Inſchrift von Sendfcirli nicht vorfommt, wird man mit Glermont:-Sanneau 


annehmen dürfen, daß der Kultus des Mondgottes im weftlihen Syrien im achten Jahr: > 


Bundert noch neu und erft fürzlihb von Haran aus importiert war. 

Übrigens iſt auch TC>, dem babyloniſchen Nusku (f. oben) entſprechend, ein Mond: 
gott. Nusku fommt feilfchriftlich wor in dem Götterfreis um den Sin von Haran (Zim: 
mern S. 116). Zunächſt dortber fam auch die Gottheit >>>, die der ſumeriſchen Nikfal, 
Ningal, der „großen Herrin”, der Gemahlin des Sin entſpricht (Jenſen, „Nik[k]el- 

ratu — "0 ın Harrän“, Zeitſchr. f. Aſſyriologie XI, 1896, S.293— 301; Zim: 
men ©. 369). , 

Der Name des Mondgottes Sahar fcheint fich erhalten zu haben in dem des Mond: 
engel Zaoın4 im Buche Henoch 6, 7 S (vgl. 8,3 S 2ödldafe ta onueia tijç oeAnvns, 
G Zeoını |2didake| veAnvovaylas), den man aus Ni erflärt bat. Daran kann er: 
innern der Name Dis Mondes ale Todesengel bei den Mandäern Sawri’el (f. oben 
8 II), obgleih er allerdings cher aus RE (Brandt, Mand. Schriften, S. 45) 
nen zu fein fcheint. Much der rabbiniſche Engelname -8nmmw (mit doppelten , 
ſ. M. Schwab, Vocabulaire de l’angelologie d'après les manuscrits h&breux etc., 
m den M&moires présentés par divers savants A l’Acad. des Inser. et Belles- 
Lettres, I. Serie, Bd X, 1897, ©. 365) könnte mit einem jener Namen oder auch 
mit beiden zufammenbängen. In diefen fpäten Engelnamen wird auf die vorliegende 
Schreibiveife bejonderes Gewicht nicht zu legen fein. 

Für den Kultus von Hierapolis erflärt Lucian (Syria dea $ 31) ausdrüdlich, daß 
Bilder der Sonne und des Mondes dort nicht gezeigt würden und zwar deshalb nicht, 
weil man angebe, diefer Bilder bevürfe man nicht, da ja Eonne und Mond felbjt Allen 
ſichtbar ſeien. Damit fcheint er eine direkte Anbetung des am Himmel ftehenden Mondes 
vorauszuſetzen. 

In Palmyra ſind die Gottheiten Jarchibol und Aglibol deutlich Mondgottheiten. 


gr Malibol ift Dies erfichtlich aus der ibm beigegebenen Abbildung der Mondfichel (f. M. : 


Bd II, S. 329, 11 ff. 334, 14 ff), für Jarchibol aus dem Namen, der aus 7” „Mond“ 

und >12, palmprenifch für hebräifch-phöntcifches >22 (f. U. Baal 5.324, 17 ff.), zuſammen— 
est ift (j. Belege für den Gottesnamen >72777 bei Baethgen, Beiträge zur femitifchen 
eligionsgejchichte, 1888, S. 87). Auch als menſchlicher Eigenname fommt palmyreniſch 
ya, san, war vor, und ebenjo verteilt auf Mondverehrung der palmyreniſche 
Eigenname 7=V, vielleiht auch rrr” (Belege bei. A. Coof, A glossary of the Ara- 
maic jnscriptions, Cambridge 1898 und Lidzbarski, Handb. der norbjemitifchen Epi— 
geaphif, 1898, S.290; vgl. noch Drexler, A. Hierobolus in Roſchers Lexikon der griech. u. 
som. Miythologie, Bd I, Liefer. 15, 1889). In einer griechiichen Injchrift zu Palmyra 


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348 Mond bei den Hebräcrn 
TE der Duelle ' 
— San ara 6 ib Norden — war bie —— — 








Der Perſonn 
0 Schrift. ſont-Ganneau, Journal 
— Asiatique, VL Serie, 88 au, © 144) an Sehne * nichts 
für önicifd Es ſich wg de Kultus handeln, der 
‚d n nmenbing. Dagegen gehört der Stabtname Jerecho 
deutet er, — era ya Borg 
wahrſcheinlich den 


en. — 


anaanä Mor verweilen e Ausſprache es näber, an 
a el” zu denken. "Corel ( Sjabi el S. 808) nennt eine Reihe pe 
0 | | 






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wirkli * lä ——— nicht efeben. Der Name 
ottes TO iſt phöni werfen. Man 
Dem phönici en Stabtnamen —* Aa Inseript. Semiticarum, In.113), vol. mo 
HL 7, 35 da aber Die betreffend 19 36 Sahne wu er er | 
au 


25 eine Ägt ade Stadt und an Em Des 
| a Feſt, welches nad) Hieronymus (Vit. Hiler. c 20) ia bon 
cam sl Eluſa, ſechs Stunden D von Beerſeba, wurde, war ein 
ondes (Dillmann zu Cr 3, 18) ſondern der „Venus“ oder Des. „Lueifer“, 
ein d Nabatäer dorthin verp lanyts et arabüfhen Urfprungs, dol 
Well a, Hefte ar iſhen Heidentums®, 1897, ©. 42.] 

Den wiederholt vorlommenden oböniikchen Perſonnamen vum und —— ent⸗ 
rechenden auf ( gebrauchten Namen Novsmrıos muß man nicht nn (mit 
—— Beiträge S. 61) tr onbdienit Besichen, 8 kann damit der am 

eborene irn worden ſein (ſo AR Jeremias bei —— de — a. a. uud, 
3 Bi I, ©. 239). Ebenſo wird der ebenfalls durch Novumvios wi e Perſ 
wi une — einer Bilinguis aus Athen zu verftehen fein (Die Belege bei 
unter „Wo 
baleich ſie auf — Boden Monddienſt direkt nicht ac 
läßt, ht doch manches dafür, daß die weibliche Gottbeit ber i 
10 oder targatis, die ei entlich 16 Dem pen * — überha 





15 Bei den Sübarabern it ‚der Kultus = "uni unit m ottes Sin 


verweiſt ferner — das gets en das dem füdarabifchen Gott Nadd bei⸗ 

so gelegt wird (ſ. Hommel, Aufſätze und Abhandlungen II, S. 158), da es ſich wohl nur 
aus arabiſchem Sahr „Mond“ erklären läßt (vgl. oben den aramätfchen Gott Sahar). . 

Ebenio i 5 * deuten in einer der nabatäiſchen Inſchriften vom Sinai der in nem 


menſchlichen onnamen enthaltene Gottesname BR als rn —— 
Tuch, Sinaitifche Inſchriften, Zdm® III, 1849, ©. 201 ff); tro — 
Ah endung it es aber ſehr die Frage, ob diefer Gott als ein arabii — | 






liegt nabe, den aramätjchen Gott darin zu vermuten, Ob bie 

banü hiläl „Söhne des Neumondes“ und banü badr „Söhne des Te — 
S. 202.) auf Mondkultus vertveifen, iſt zweifelhaft. Ebenſowenig bezieht ſich ein 

Farbe wechielndes marmornes Sötenbild am Sinai („Horeb“), das Antonius 


so im 6, Jahrhundert beichreibt (Tud) ©. 203), notivendig auf ben Mondwechiel, — 








Mond bei den Hebräern Mongolen 349 


Antoninus allerdings das Felt des Bildes mit dem Mond in Verbindung bringt. Ob 
das zweimal in den nabatäifchen Infchriften des Wadi Diufattab vorlommende 77 r2W 
beiagt: „er hat beendet feinen Monat” und auf feitliher Bedeutung eines bejtimmten 
Monates berubt, wie Tuch (a. a. O., ©. 203.) annahın, fcheint mir recht zweifelhaft; 
überdied wäre auch hier nach der mutmaßlichen Herkunft diejer Inſchriften von Reifenden, 5 
die aus der Ferne gekommen waren, nicht mit Sicherheit an arabiiche Kultusfitte zu 
denken. Dagegen iſt zuverfichtlicher auf die Saharonim bei den Wlidianitern zu ver: 
weiſen (f. oben 8 III, 1). 

Bon Mondkultus der Araber reden ausdrücklich Abulfaradih (Historia dynastia- 
rum ed. Pococke S. 160) und Dimeſchki (bei Ehwolfohn, Die Sfabier II, S. 404); ı 
beide jagen übereinftimmend, ohne nähere Angabe, daß der Stamın Kenana den Mond 
verehrt habe. Die Stelle im Koran dagegen (41, 37): „Zu feinen (Gottes) Zeichen ge- 
bören Nacht und Tag, Sonne und Mond; aber betet weder Sonne noch Mond an, fon: 
dern Gott, der fie geichaffen bat“ ift doch nicht unbedingt ein Zeugnis dafür, daß Mu: 
bammed fpeziell Monddienſt bei den heidniſchen Arabern beobachtet hatte, fondern nur 
dafür, un er überhaupt von Sonnen: und Mondverehrung mußte (Über arabifchen 
Monddienit vgl. Uftander, Studien über die vorislämiſche Religion der Araber, ZUnG 
VII, 1853, ©. 468f.) 

Mit voller Beſtimmtheit ift für die älteften Zeiten der Semiten Monddienft nur in 
Ur und Haran zu erkennen. Er ift anfcheinend von Ur aus zu den Südfemiten über: 20 
tragen worden, von Haran aus deutlich nad Weſtſyrien. Ob in Weſtyrien fchon vor der 
Einführung des Kultus des Mondgottes Baal-Haran der Mond unter einen andern 
Namen verehrt wurde, läßt fich bis jegt mit Deutlichkeit nicht erjehen. Daß in Phöni— 
cien fpezieller Mondkultus einheimiſch mar, ift unmahrfcheinlid. Den weiblichen Gottheiten 
Phöniciens mag eine nicht fehr deutlich erfennbare und jedenfalls nicht allgemeine Be: 5 
ziehung zum Mond erit ſpäter aufgeprägt worden fein. Bei den Arabern haben wir für 
alten Monddienſt fichere Spuren ebenfalls nicht. 

Bei diejer Sachlage jcheint es mir einftweilen, vor Auffindung weiterer deutlicher 
Anzeichen, nicht geraten, aus den bisher vorhandenen immerhin mehrdeutigen Spuren 
auf alten Monddienſt der Hebräer zu fchliepen. Auffallend ijt nur, daß in der Dar: 30 
ftelung von der mejopotamtjchen Heimat der Väter Israels gerade die beiden Gentren 
des Mionddienftes, Ur und Haran, genannt werden. Diefe Darftellung kann aber, ihrer 
wabrfjcheinlichen Entjtebungszeit nad, doch wohl höchſtens bejagen, daß an einem ver: 
bältnismäßig frühen Zeitpunkt des Aufenthaltes Israels in Kanaan der babylonifch-oft: 
aramäifche Miondkultus auf JIsrael einen Einfluß ausgeübt hat, ſchwerlich daß der älteite 3; 
Sedräergott ein Mondgott war. Viel eher als zu Sin ftebt der Gott der Hebräer feiner 

edeutung nach in einer Beziebung zu dem babyloniſch-aramäiſchen und, wie es Scheint, 
auch kanaanäiſchen Gott Hadad (f. A. Moloch 8 III, 3 Ende). Ten Wettergott Hadad 
aber ebenfalld für einen Mondgott zu erklären (Homntel, Aufjäge und Abhandlungen II, 
S. 159 Anmig. 2), liegt meines Erachtens keinerlei Beranlaffung vor. Der Stier als 40 
Tier de3Hadad charakterifiert diefen durchaus nicht notwendig als einen Gott des Mondes, 
"obgleich allerdings auc Der Diondgott durch den Stier repräfentiert wird (ſ. oben ZIII, 1). 
Aber ebenfo wird der babylonitfche Hinimelsgott Anu mit dem Stier, nämlich dem „Him: Pf * 
melsſtier“ (vgl. Zimmern S. 572), in Verbindung gebracht. Indeſſen wenn der Stamm— 

oft der alten Hebräerſtämme nicht als Mondgott anzuſehen iſt, jo könnte Doch neben s 
jenem Kultus Verehrung des Mondes in irgendivelcher Form bejtanden haben. 

Wolf Baubiffin. 


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5 


Mongolen, Chriſtentum unter denſelben. — Solange die Mongolen in 
ihren urſprünglichen Sitzen ſüdlich vom Baikalſee verharrten, hingen ſie dem im nörd— 
lichen Aſien weit verbreiteten Schamanismus an, welcher an die Stelle des unmittelbaren so 
Terlehbrs mit der Gottheit Geifterbefchwörungen, Tieropfer und Wahrfagereien feßte. 
Dſchingiskhan jelbit, der Gründer ihres Meltrufes, wandelte noch in den Fußitapfen der 
Schamanenprieiter. Als er fih zu jeinen Eroberungszügen aufmachte, hatte dag Chriſten— 
tum wahrſcheinlich inmitten des Mongolenitammes felbjt noch Feine Anhänger gefunden, 
wohl aber war es durch neftorianiihe Miſſionäre zu ihren nächjten Nachbarn, den Kerait 56 
und den Uiguren, gelangt. Eben diefe Nachbarſtämme waren nun auch unter den erften, die 
fih dem mongolifhen Reiche freiwillig oder gesivungen angliederten. Sp kam es, daß 
das Königshaus der Kerait in ein Vaſallenverhältnis zum mongoliſchen Herrſcherhaus trat 
und daß zwijchen Gliedern beider Ehebündniſſe jih fnüpften, welche in der Folge be: 


350 Mongolen 


deutenden E die Behandlung der t vielen Teilen bes mongolischen 
Sehe üben olten. Unglei mannigfaltiger pefinlteen ih die Berührungen ve Mon 
a En a —— 
5 größere von B des is ismus), während andere Bewohn 
a Na ee tje oder des Laotſe hielten. 
auch feit Ja ü einden. Wenden wir uns aber 


bom du O a ens Mitte, tpir, bie olen ib 
ie I le 2 N im Luref Be enden 





” heit iani — Kane Teil — t * als 


verne een Be ıben, — — Gott jei, durch welchen wir 
n um , verſchi ger gegeben 
den — —— Tepe, = Chriften] gab u die u —— 


er”. 


und fo | laubenswerfe ; 
—* Sein ar — —* Be dem Mönd Rubruk ——— 
N 


A tet Marco Polo von Mangus Brub 
Kubi: Er seh. —— welche ven den verfäiebenen: Go 





Iverben: eacten Yfum Chef. ls ihre “ 
— ce ihrer en —— . b. Shaihamun 
2 in Wahrheit unter i ven ift, daß er mir belfen wolle“ 


Solange Koldhe Anſchauungen im Haufe der Diehingi niden borberrichten, — und 
dies war wenigſtens bei den zwei erjten Generationen der Fall — konnten die Prie 
und Mönche der, berichiedenen Bekenntniſſe des Orients ficher fein, da A im | 

35 derjelben ibre Kultbandlungen ungebindert vollbringen dürfen, ja fie zum Dant 
für die Gebete, die fie zum Himmel fandten und für bie Segensfprüche, die ie jie fpenbeten, 
ihren Lohn durch regelmäßige Präbenden in Geld oder Lebensmitteln. Wie die Mollabs 
der Mubammedaner und die Bonzen der Buddbiften, fo genoffen bie —* der Neſto⸗ 
rianer, welche bei den Mongolen den aus dem Gribchiſchen abgeleiteten 

10 Namen Arlaun führten, bejtimmte Fruchtrationen, waren milit —— leinerlei 
Abgabe, ausgenommen Grundſteuer, wenn fie Aderbau, Zoll, wenn fie Handel trieben. 
Nie die Dericher ft fie behandelten, das mögen bie Beifpiele (dr ne Kuyuk (1246 bis 
1248) und ** (1251— 1259) zeigen. Erxjterer duldete in nächiter Näbe — 
eine chriſtliche Kapelle mit Ren Gottesdienſt, befoldete die darin 

as und batte ' Yinifter und Yeibärzte chriſtlichen etenntnifies. Von Dangu wirb 
wie er von den neſtorianiſchen Prieſtern ſich beräuchern ließ, wie ſein Sohn und 
Tochter mit den Chriften fajteten und das Kreuz küßten. Aber wenn die Neitori 
ſolchen Annäberungen tiefere Bedeutung beilegen wollten, jo täujchten ie re IA ſelbſt 
wollten andere täuſchen. Gerade Kuyuk z. B. lehnte die Zumutung, ih Monde 

in einem Brief an den Papft ſchroff ab. Die Behauptung eines armeniichen Monchs, 
Mangu glaube bloß den Shen, verfebrte der fritiichere Abendländer in den 
gewiß richtigeren Sat, der Khan glaube vielmehr feinen. Nicht felten begab es fich, 
daf ein mongolifcher Prinz etwa unter dem Einfluß einer hriftlichen Mutter ala folcher 

getauft und erzogen worden war, aber diejer Religion nicht treu blieb, wenn er zur 

55 Regierung fam. Dann wählte er den Buddhismus oder den Islam zu BL 
religion, wobei in der Negel der im jeweiligen —— dominierende den 
—— Wie weit neben dem Privatbekenninis des Regenten die Schonung ber 
anderen 
Zeitftrömungen der verſchiedenſten Art ab; am wenigſten vertrug fi der Mubamm 

oo miss mit dem ——— des alten Tolerangpringips. 
















eligionen q wurde, das bing von der individualität besfelben und von 





Mongolen 351 


Bei dieſem Sachverhalt ift es fehlechterdings unmöglich, eine für das ganze weite 
Mongolenreich zutreffende Schilderung der Geſchicke der in demſelben lebenden Ghriften- 
heit zu geben. Es müſſen die einzelnen Provinzen ins Auge gefaßt werden. Beginnen 
wir mit der Mongolei und China. In der alten mongolifchen Hauptitadt Karakorum, 
wo der Mönch Rubruk die Ofterzeit des Sahres 1254 zubrachte, waren damals nicht 
weniger ald 12 Götzentempel (ydolatrie) von verfchiedenen Nationen und zwei Mofcheen. 
Die eine chrijtliche Kirche wurde von neftorianifchen Geiftlichen bedient. Wir können 
uns die Gemeinde, die fich bier verſammelte, nicht als auf Einheimische beichränft denten ; 
denn ebendamals lodte der Ruf des Khans Kuyuk als eines GChriftenfreundes viele 
Mönche aus Kleinafien, Syrien, Bagdad, dem Land der Aſen (Alanen) und Rußland 10 
berbei, auf der andern Seite waren als Kriegsgefangene Ungam, Mlanen, Rutbenen, 
Georgier, Armenier nah Karakorum gefchleppt worden. Die Umgebung der Stadt var 
meitbin unmirtlihb. Mehr gegen das Meer bin lag beileres Yand mit höherer Kultur, 
China, von meldem die größere nördliche Hälfte (Gatbav) dem Enkel Dſchingiskhans 
Kubilai als Kriegsbeute zufel. Während Kubilat unter dem Titel Großfban die Uber: 15 
berrichaft über das ganze Mongolenreih führte, wurde China fein unmittelbares Herr: 
chaftsgebiet, ſeine Reſidenz Peking, danals Khanbaligb genannt (1264ff.). Unter den 

itgliedern jeiner Dynaſtie war er der erfte, der den Schamanismus abjchüttelte. Im 
Einklang mit einem großen Teil der Landesbewohner wählte er zu feinem Privat—⸗ 
befenntnis den Buddhismus. Dabei blicb er aber dem Toleranzprinzip feiner Vorgänger 20 
treu, bezeugte den Prieftern aller Konfeffionen gleiche Gunft und wählte feine Beamten 
ohne Rüdficht auf ihren Glauben, wie er denn mit der Verwaltung einer Provinz auf 
brei Sabre bald den Neftorianer Mar Sarghis, bald den römifch-katholifchen Marco Bolo 

aute. 

Der Mönch Rubruk, welcher nicht ſelbſt bis in den äußeriten Oſten vordrang, er: 26 
fubr, daß in 15 Städten von Cathay Neftorianer wohnen, und daß fie einen Bifchof in 
Segin haben; damit iſt wahrſcheinlich Singanfu gemeint, weitere Städtenamen nennt er 
nicht. Marco Polo, der zwischen 1275 und 1292 im Lande verweilte, fand die Be: 
völferung der Städte meistens gemiſcht aus Buddhiſten, Muhammedanern und (neftoria- 
nijchen) Chriſten. Hiervon mögen nur drei erwähnt werden: die große Hanbelsjtadt 30 
Kinſai (Hangtſchau) mit einer Kirche, Kenchu (Hauptftadt der Provinz Kanfu) mit brei 
Kirchen und Chingianfu, wo der foeben genannte Sargbis im Sabre 1278 für feine 
Glaubensgenofjen zwei Kirchen bauen ließ. Doc der fchismatifche Neftorianismus war 
damals ſchon nicht mehr alleiniger Nepräfentant der Chrijtenheit auf dem Boden Cathays. 
Tem Großfban Kubilai hatte fein Erzieber chineſiſche Gelehrſamkeit beigebracht, aber 3 
vielleicht infolge von Geſpraͤchen mit Europäern jtieg in ibm die Ahnung auf, daß das 
abendländiſche Kiffen vollfommener fe. Als nun die Gebrüder Niccolo und Maffio 
Polo, venetianiſche Kaufleute, fih anjchidten von Khanbaligh aus heimzufehren, gab ihnen 
der Großkhan den Wunsch mit auf den Weg, der Papſt möge etiva hundert gelehrte 
Männer nad China ſchicken, welche mit den fieben Künften (Trivium und Quadrivium 40 
als Summe des abendländischen Willens) vertraut und im ſtand wären, die Superiorität 
der chriftlichen Religion allen übrigen Glaubensweifen gegenüber darzutbun. Diefe Mit- 
teilung hatte zur Folge, daß zwei Dominikaner auf päpftliches Geheiß nach China auf: 
brachen ; fie kehrten aber erſchreckt durch Kriegswirren ſchon in Kleinarmenien wieder um. 
Glüdlicher war ein anderer päpftlicher Sendbote, der Franzisfaner Johannes von Monte 5 
Corvino, welder im Anfang des Jahres 1305 nach Haus fchreiben konnte, er babe in 
Kbanbaligh vor fechs Jahren eine Kirche im Bau vollendet und fei im Begriff, eine 

ite zu errichten. Er klagt fehr über die Nejtorianer, welche durch lügnerifche Aus- 

ungen fein Wirken haben untergraben wollen, lobt dagegen den Großkhan (Togan 
Zemur 1294—1307), welcher ibn beihüst und in feine Umgebung gezogen babe, auch so 
den Chriſten überhaupt viel Gutes erweiſe, obgleich er felbit im Heidentum (Buddhismus) 
viel zu ſehr verbärtet jet, um der päpſtlichen Aufmahnung zur Annahme des Chriſtentums 
Folge zu leilten. In einen zweiten Brief von J. 1307 meldet Johannes, daß auf einem 
bon dem Kaufmann Petrus de Yucalongo erfauften Terrain eine weitere (Dritte) Kirche 
balbuollendet daſtehe. in anderer Berichterftatter zählt als feine Gründungen in os 
Abanbaligb drei Häufer der Franziskaner (wohl die cbengenannten Kirchen?) und zwei 
andere in dem von vielen Ghriften bewohnten und von fremden Kaufleuten ſtark be= 
fuchten Quinſai (Hangtſchau) auf. Im Hinblid auf folche Verdienſte um die Chriſten⸗ 
gemeinde im fernen Dften (5000 — 6000 Täuflinge!) wurde Johannes von Monte 
Corvino vom Papſt Clemens V. zum Erzbiſchof von Sthanbaligb erhoben (1307). Der co 


— 





350 Mongolen 
ter * bietet — des ee 


end: — Nationalitäten * —S—— —— — 
b ı f | . 
nee fie 8 Chinas bemãchtigten ſie auf 


hismus ), während 
die Lehren des Kongfutſe oder des La ielten. | 
— ine . Wenden wir uns aber 





— pr smäl Ic i | f u, och f Künſtler * andwerler, zer —* — 
wo aniſiertem —S Noch weiter | vordringend jtießen endlich 
bie Eroberer auf San ebiete, wo He her und Wolf von alters her ſich zum Cbriften- 

15 tum befanntenn, u. die Armenier, die Georgier, die —— 

— enlhane waren weit entfernt, ihren nr mann den von ihnen unter 
worfenen —— Yun en. Die Weltherricaft, von der fie träunten, war weſentlich 
der Ontie Natur; Hr ionsfriege führten ie nicht. Dichingis war EN daß 8 


leichgiltig ei pi welchen Geremonien man ihr bat- 
E Sein Entel john, der Gropf —— Lich ſich J dem Mönch Rubrut gegenüber 
eben und fterben, aber wi⸗ Gott der and > veriebene — ee be er 






ine ähnliche — berichtet Mareo Polo von Mangus Bruder, dem Großkhan 
a 68 — vier a welche von den —— — der Welt 
betrachten Sergei iſtum als ihren Gott, die Sarazeneı 
oſes a al ass t Sogomombar-Chan (d. b. Shakyamun 
En) 33 —— Se ah —8 ode Kae —* de — Ber und verehre alle vier 


itte den, welcher ın W daß er mir n wie” 
Solange ſolche —— A; Sau fe * — Grhefe, _ un e 
dies war wenigſtens bei den zwei erſt enerationen der Fall — 


und Mönche der. verichiedenen 83 des Orients ſicher ſein, da he 8* * 
 derjelben ihre Kulthandlungen ungehindert vollbringen dürfen, ja ſie zum Dank 
für die 6 ete, die fie zum Himmel ſandten und für die Segensfprüche, die fie jpendeten, 
ibren Lohn obn durch regelmäßige Präbenden in Geld oder Lebensmitteln. Wie die 
der Mubammedaner und die Bonzen der Buddhiſten, jo genoffen die Prieſter der Neſto⸗ 
rianer, welche bei den Mongolen den aus dem —2 „A abgeleiteten 
10 Namen Arkaun führten, beſtimmte Fruchtrationen, waren — zahlten keinerlei 
Abgabe, ausgenommen Grundſteuer, wenn fie Ackerbau, Zoll, wenn fie Handel trieben. 
Wie die Herricher fie behandelten, das mögen die Beifpiele Sroßkbane Kuyuf (1246 bis 
1248) und zn (1251— 1259) zeigen. Erjterer duldete in nächiter Nähe feines Zeltes 
eine chriſtliche Kapelle mit täglichem Gottesdienſt, bejoldete die darın fungierenden Prieſte 
4 und batte Ninifter und Leibärzte dwiftlichen Bekenntniſſes. Bon Mangu wird erzählt, 
wie er von den —— Prieſtern ſich beräuchern ließ, wie ſein Sohn und ſein 
Tochter mit den Chriſten faſteten und das Kreuz küßten. Aber wenn die Neſtorianer 
ſolchen Annäherungen tiefere Bedeutung beilegen wollten, ſo täuſchten ſie ſich ſelbſt oder 
wollten andere täuſchen. Gerade Kuyuk z. B. lehnte die Zumutung, Chriſt zu 
soin einem Brief an den Papſt ſchroff ab. Die —— eines —— Monchs, 
Mangu glaube bloß den Chriſten, verkehrte der kritiſchere Abendländer Nubruf im ben 
gewiß richtigeren Sat, der Khan glaube vielmehr keinen. Nicht ſelten begab es ſich, 
daß ein mongoliſcher Rrin; etiva unter dem Einfluß einer chriſtlichen Mutter als 
etauft und erzogen worden war, aber dieſer Religion nicht treu blieb, wenn er zur 
—— ng kam. Dann wählte er den Buddhismus oder den Islam zu ſeiner Privat⸗ 
len twobei in der Regel der im jeweiligen : Herrſchaftsgebiet dominierende Glaube den 
—— Wie weit neben dem Privatbekenntnis des Regenten die der 
anderen Religionen gewahrt wurde, Das bing von ber ndipibwalität —— und von 
Zeitſtrömungen der verſchiedenſten Art ab; am wenigſten vertrug ſich der Mubanmeba- 
nismus mit dem Aufrechthalten des alten Toleranzprinzips. 





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Ra * mann ee de Zucalongo erfauften Terrain eine weitere (dritte) Kirche 
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* 1 Häujer der Franziskaner (wohl die ebengenannten Kirchen?) und zwei 
vielen Chriften bewohnten und von fremden Kaufleuten be: 
— u) auf. Im Hinblick auf ſolche Verdienſte um die Chriſten— 
er (5000—6000 Täuflinge!) wurde Johannes von Monte 
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zweifeln iſt, der im dat 1370 Kr — ee — 


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Eroberu Be derſelben 


und — alle, Die das bl. Sand —— in die G ber 
verfinten ſahen. in meinjames Vorgehen wurde zwiſchen ben —— Bundes 
10 genofen, eplant, Gelandte un Korrejpondenzen gingen bin umd eh Kurie bee 
nützte dieſe Verbindungen, teils um dem K danfen für bie ne Bebanbluna 
jeiner Seien Unterthanen teils um ibn, jeine Familie, ja jein ganzes Bol Annabm 
der Taufe zu bewegen. Abafa lief; fi bierzu für feine Perfon jo wenig herbei * eur 
Vorgänger, Nach ibm bejtieg mit dem Sultan Abmed fogar ein —— Muham⸗ 
1 medaner den Thron der perſiſ en Chane; er machte gewaltſam Propaganda für ben 
Islam, vertvandelte Kirchen in ® ſcheen — marterte —— und once Zum Glüd 
für bie perfiichen Chriſten dauerte dieſes Regiment nicht lange —— Noch 
einmal, aber zum letzten Male erſtand ihnen ein wohlwollender Herrſcher in der Perſo 
des Khans Argun, des älteften Sohnes von Abafa (1286-—1291). Er nahm bie äu 
0 Bolitif feines Waters wieder auf und erflärte fid) bereit, mit feinen Truppen und ber 
Streitkräften der Könige von Armenien und Georgien zu dem abenblänbijchen Kr 
beer zu ftoßen, jobald ein joldes im Sicht jei; wenn dann die MWiedereroberung 
erufalems gelungen ſei, wolle er fich taufen laffen. Der 






















—— unter 
eſandten, welche dies den abendländiſchen Fürſten vortragen ſollten, war der 
handlungen nicht. A 

Als Argun — war, kam durch den langwierigen Streit um bie Here 
nidyt mehr mit Erfolg den Thron einnehmen könne. Scon von Anfang 
so Bevölkerung des Abanats überwiegend muhammedaniſch geweſen. Pre —— 


5; rianer Bar Sauma von uiguriſcher Herkunft. Zu einem Nefultat führten dieſe 
und deſſen endlichen — lar zu Tage, daß ein zum ——— 
m A — 





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25 guter Ruf voraus. 


5 bem G unters D isthan ebenſowohl als — weaen 
dem ri en Rönigsgefchlecht * Kerait — * eine In 
Mutter, die andere feine Gemahlin war, bei ſich Naum gab. er das Kbalifat 
dad. über den ufen warf und bamit einem Gentralfig der geiſtlichen und weltlichen 
0 Macht des Islam —— (1258), fam dies der Chri u 
Gleich zu Anfang | —— 
lee Much * — 3 un Tamastus di —* die islan | 

i | reiten ern | 
auferlegt ar Sen — Abaka (1265—1282), welcher eine —— inzeſſir 
"Ehen hai u — nunmehr er —* —— Selm wa —— den 

ei vaten nun aber im Abendland auf der Tapit, Die König 


—* Sin " gemein njames De wirde ae den — —— 





je ee ja Kan, aunzes 


Fin medaner den Thron ben pe n Chane: er Pie ——— 
Islam, verwandelte irchen in ® tojcheen und maxterte Klerifer und S — Sum Glas 
r die perfijchen Chriften dauerte dieſes Negiment nicht lange (1282-—1284). No 
N we zum legten Male erftand ihnen ein wohlwollender — in der Perſon 
des Khans —— des alteſten Sohnes von Abafa (1286.—1291). Er ** die äu 
;o Politik ſeines Vaters wieder auf und erklärte ſich bereit, mit ſeinen Truppen und bei 
Streitkräften der Könige von Armenien und Georgien zu dem abendländiſcher *— 
heer zu ſtoßen, ſobald ein ſolches in Sicht je wenn dann die Wiebe | 
Jeruſalems gelungen fei, wolle er fich taufen lafjen. Der bervorragenfte — den 
ejanbten, welche dies den abendländiichen Fürſten vortragen jollten * 
 rianer Bar Sauma bon wiguriſcher Herkunft. Zu einem Reſultat ihrten dieſe 
handlungen nicht. | 
Als Argun geftorben war, fam durch den langwierigen Streit um die Nachfol 
und deſſen endlichen Ausgang klar zu Tage, daß ein zum Chriſtentum hinneigender Dan 
nicht mehr mit Erfolg den Thron einnehmen fünne Schon von Anfang an war | 
co Bevölkerung des Khanats überwiegend muhammedaniſch geweſen. Sleuerbinge ı aber hatte | 
























rr - 


Mongolen 353 


der Religionszwang Sultan Abmeds noch viele Ehriften und Buddhilten ins Lager bes 
‚sslanı getrieben. Auch der Sieger im Thronftreit Gafan (1295 — 1304) war urfprüng- 
ih nidt Muhammedaner geweſen; ; er hatte in feinem Machtbereih mit großem Aufwand 
buddhiftiiche Tempel gebaut. Aber um obzufiegen bielt er für nötig, auf die Seite 
der mubammedanifchen Fanatiker zu treten, welche jchon die Kirchen in Tauris zeritört 
batten, und jein erjtes Edift nach der Thronbeiteigung gebot die Götzentempel, die Kirchen, 
die Synagogen, die Tempel der ‚seueranbeter niederzureißen. Die bubodbijtifchen Prieſter 
wurden ınit dem Tod bedroht, wenn ſie bei ihrer Religion bebarrten. Die Chriſten 
twurden durch demütigende Abzeichen der Verachtung preisgegeben, die Steuerfreibeit ibrer 
Priefter aufgehoben u. f. w. Tod erwirkte fpäter die ;Fürfprache König Hethums II. 10 
von Armenien, daß der Befehl, die hriftlichen Kirchen zu zeritören, zurüdgenommen wurde. 

Obgleich Gafans Nachfolger Oeldſchaitu getauft und im Chriſtentum erzogen morden 
war, erbolten ſich die Chriften unter jenem Regiment (130-4 - -1316) keineswegs, denn er 
trat zum Islam über. Abu Said war gleichfalls Mufelmann und joll wieder Kirchen 
zeritört haben. Tie fleinen Tyrannen nach ibm bereiteten vollends dem perfiichen Khanat ı5 
überhaupt ein Ende. 

Menn in diefem Abjchnitt von perſiſchen Chriſten geiprochen wird, fo find darunter 
Neitorianer gemeint, welchen wir ftillichweigend die Jakobiten und andere Schtismatifer 
als Schidjalsgenoffen anreiben. Es erübrigt nur noch zu fonitatieren, daß troß aller 
Unbilden, die ihnen widerfubren, doc ihre Kirchenverfaffung unverlegt blieb, kraft deren zu 
Patriarchen (zur Mongolenzeit Makita, Denba, Daballaba) mit dem Sig in Bagdad 
geftliche und weltliche Jurisdiftion über ein Neg von mehr als zwanzig Metropole 
ausübten. Aber ibr Sprengel breitete jich jo weit aus, daß davon nur in größerem Zu: 
fammenbang die Rede fein Tünnte. Dagegen darf bier nicht unerwähnt bleiben, daß eben 
zur Zeit der Mongolenberrfchaft neben der neftorianischen Kirche Die römische ihre Bis- 
tümer, geiftliche Orden und Yatengemeinden etablierte. 

@elegentlih der Bündnisverabredungen mit den Päpſten jprachen einige Khane den 
Wunſch aus, es möchten aus dem Abendland Männer in die mongolischen Herrichafte- 

tete gejandt werden, welche im jtande wären, das Volt mit der chriftlihen Lehre be= 
nmmt zu machen. Die Päpjte ergriffen dies mit Freuden und Die opferwilligen Männer 30 
waren in den Bettelmönden zur Hand. So zogen denn nicht wenige Mönche, aus: 
geftattet mit der Befugnis auch prieſterliche und bifchöfliche Funktionen auszuüben, nad 
Perſien. Belannt find uns viele Namen von folcben, aber weniger, wo fie fich nieder: 
i Sie mögen urſprünglich mehr gewandert ſein als ſich ſeßhaft gemacht haben. 
Ihre Aufgabe erkannten wohl die meiſten nicht jo ſehr darin, die Zahl der Chriſten zu 35 
vermebren, als vielmehr darin, möglichit viele Schismatiter der römiſch-katholiſchen Kirche 
zuzuführen. So richteten fie denn ibr Augenmerk für die bleibende Niederlafjung (Klöſter, 
Kirchen) vorzugsweiſe auf Städte, in welchen ſchon Gemeinden vrientalijcher Chriſten 
waren. Andererjeitö widmeten fie ſich der Paſtorierung abendländiicher Kaufleute, Hand: 
werfer, Soldaten u. |. w., melde jich länger oder fürzer in den Städten Perſiens auf: wo 
hielten. Die bedeutenditen diefer Wflanzungen der römiſchen Kirche in Perſien befanden 
fh in Taurie und in Sultaniab. Beide Bettelorden batten in jener älteren Hauptitabt 
ihre Klöfter gegründet. Aus neueitens befannt gewordenen Akten gebt bervor, daß Mit: 
glieder der Sekte der ‚Kraticellen, welche als Anhänger enter von der Kirche verworfenen 
Lebre von der evangeliichen Armut verfolgt wurden, fih in Tauris einnilteten und dort 45 
ibre Härefe auf die Kanzel brachten, nicht obne auf Widerfpruch aus der Mitte der dort 
enfäffigen italienischen Kaufleute zu ſtoßen (1332- 133-4). Eine andere Hauptſtadt 
Sultaniab gründete im Jabr 1303 der Khan Gaſan; Oeldſchaitu vollendete fie 1305. 
Ser ftiftete Papſt Johann XXII. einen erzbiichöflichen Zig mit weit ausgebebntem Sprengel 
und verlieb denfelben dem Dominikaner Franco von Perugia (1318), welchen jpäter so 
Bilbelm Adä (1323) und Johann de Core (1328) folgten. Sechs Zuffragane teilte der 
Bapft dem neuen Erzbiichof gleich zu, weitere, zu Denen aud ein Biſchof für Tauris ges 
bört, wurden fpäter ernannt. Ein langer Beſtand dieſer römiſchen Kolonie läßt ſich je 
doch nicht annehmen, da das Khanat bald zerfiel. 

(Heben wir zurüd in die Zeit, da Dſchingiskhans Reich unter jeine Nachlommen 55 
verteilt wurde, jo finden wir, daß dent dritten Sohn, Ugotat, Das an China arenzende 
öftliche Turkeitan mit dem füdlichen Teil Zibirteng, dem zweiten Sohn, Dſchagatai, das 
weitliche Turkeſtan als Erbe zufiel. Den größeren Teil dieſer Gebiete batten vorber 
ſeldſchuckiſche Zultane beberricht und es it als Nachwirkung dieſes Regiments anzujeben, 
wen die Bevöllerung übertwiegend die Neligion Mubanıneds angenommen batte. Die w 


HealsEncyllopädie für Theologie und ſtirche. 3. A. XIII. 23 


[ei] 


15 
— 


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354 | Mongolen 





neuen mongoli Land — — 
— ya de 9 Hehe —— — 
Br mE —— 
5 jelben Zeit, meld 
mals une — —— und — feine Um - 
— und Bicbernufbe — Franyis in der Haupflabt 
gelnbet, In dern Spife ein Bil 
u 
Beben Ir Es inte 1338) Era eine neue Ch riftenverfolgung —— 
m "on 5 if. foren ‚a * neue Ehriſtenve er ae) 
Märtyrertod a. — era + Ne Feat erb 
und all tel, ia f a 
von —— be RN ae * er im —* 340 “= igh auf: 
hielt, bie er fo gflänt, wen frei öffentlich 


25 jaben ſich umgeben von Ofjeten, Rip fen (Rumanen), 5* 1, 8 und 6 
I abmlihes — = Hr er —— zeigte inte, im en 


aren ‚ bie dem —— 
Ruthenen, Pe: Ä das —— aber wi | & Deekhtebene Siten ge 
Es war vorauszufeben, daß das H erhaus eine der zwei ge 
nannten onen anne en — Des eben —— Bruder Berke war 
nmedaner und te gewal Tre ne den Yelam. verbreitete 
aber und wurde bon Hark orienta hier genäbrt bie —— daß 
erles Sohn Sertat —* befunntlich bie, Sendung des Mönds 
Rubruk in das innere ch akt ne 


35 Sertaf nichts weniger — als hie jein oder auch Mein jo mes —— | 

bie ftarb Sertat 1266, ohne zur Herrfchaft gelangt zu | 

bei dieſem Zweig des Haufes Diehingiskhans. le "Khan. No — 

igte ihm mit beſonderer Wärme. Aber er war nicht zugleich | 
iſtenheit. Jahr 1313 erteilte er dem Metropoliten Peter einen Sreibrief 

40 * ie ra irche feines Sprengel Schuß und Steu — eit zu Fa af der —* 

gr Johann XXII. Anlaß, ibm gegen „die 

Ditnliepe ber Pe e Au danfen (1318) und Shen eine ——— von ſeiten 


gri ifche Kirche war 8 eine weilere —— af ber han Dem "2a 
die richtung eines Bistums derjelben in feiner Nefidenz Sarat eitattete. 
50 lichen Inhabern dieſes Sites eritand von anderer Seite eine Gefahr: dadurch, 
römiſche Kirche auf dem Boden des Khanats Kiptſchak Bistümer und 
er damit einen MWettbeiverb berbeiführte. Johann XXI. erhob im J — Bi | 
Handelsftadt Kaffa zu einem Biicofsfig, deifen Sprengel von Sarai bis Varna 
* te, und ernannte zum erſten Biſchof einen Franziskaner H einen der für 
65 die DTartarenländer beftimmten Mifftonäre. Andere — —— wurden ge⸗ 
gründet in Soldaja, Cembalo GBalaklawa), Kertſch, zum Teil neben —— 
hatten die Ra Dirt Sprengel organifiert, deren einer mit 10 Miffions 
custodia de Saray führte, während der andere mit fieben Stationen — der 
Gazaria (Krim) —* war. Dieſe Mönche entwickelten eine — und es 
1 * nicht ſelten Mitglieder des mongoliſchen Herrſcherhauſes zum Chriſtentum zu 



















| 4 


Mongolen Monheim 855 


Hier am Nordrande des Schwarzen Meeres angelommen jchließen wir unfere “Dar- 
jtellung. Die Georgier und Armenier fcheinen außerhalb unferes Themas zu liegen, 
da fie, obgleich den mongolischen Khanen unterworfen, doch ihre eigenen Könige be: 
bielten. W. Heyb. 


Monheim, Kobannes, gejt. 1564. — Hermanni Hamelmanni ... Opera Genea- 
logico-Historica, Lemgoviae 1711; Stromata. Eine Unterhaltungsfchrift für Xheologen, 
2. Bändchen, Duisburg 1788, ©. 273ff.; C. W. Kortün, Nachricht über dag Gymnafium zu 
Düfjeldorf im 16. Jahrhundert, Diüfieldorf 1819; C. 9. Cad, Catechismus ... auctore Joan. 
Monheniio (Neudrud), Bonnae 1847; C. Strafft, Die gelehrte Schule zu Düffeldorf u. ſ. w. 
(Programm der Realihule zu D.), Düſſeldorf 1853 ; derf., Monheim, RE’; K. Bouteriwet, Mon: 10 
Beim, REN; W. Crecelius, Monhein in AdB; Nheiniihe Alten zur Geſchichte des Zejuiten- 
ordens 1542—1582 bearbeitet von 9. Hanfen, Bonn 1896; Fr. E. Koldewey, Johannes‘ Mon: 
beim und die Kölner, ZwTh 1899. 


Sobannes Monheim aus Elberfeld ift wohl im eriten Jahrzehnt des 16. Jahr⸗ 
bunderts geboren (nad Bouterwek, Krafft und Grecelius 1509 auf dem Bauernhof 15 
laufen bei Elberfeld, worauf beruht diefe Angabe?), da jein Name am 9. Oktober 1526 
in der Kölner Univerfitätsmatrifel eingetragen ift: Joannes euerueldis de munhem 
dioces. Colon. (C. Krafft, Über die Suellen der Geſch. der evangel. Bewegungen am 
Riederrhein, Theol. Arbeiten a. d. rhein. wiſſenſch. Pred. Ver. I, 11), Die Familie 
flammte alfo wahrjcheinlihb aus dem Ort Monheim a. Rh., der zwiſchen Köln und zo 
Düfleldorf liegt. M. hatte die Schule zu Münfter i. W. befucht, welche in demſelben 
Geiſt wie ihr Vorbild die Schule zu Deventer, geleitet wurde. Hier und nicht in Köln 
wird feine wiſſenſchaftliche Tüchtigfeit gemwedt und genährt worden fein, denn die Kölner 
Hochſchule ließ es an geiltiger Triebfraft und an Verſtändnis für die Bebürfniffe der 
Zeit völlig fehlen, eine Feindin der Reformation wie des Humanismus. Von 1532 big 3 
1536 war M. Rektor der Stiftsijhule in Eſſen (K. Ribbeck, Geſch. des Effener Gym⸗ 
naſiums I, 28) und gleich oder bald darauf Rektor der Domſchule in Köln (prae- 
epuus inter ludimagistros triviales, Rhein. Aften 349, ludimoderator, Itſchr. 
d. Berg. Geſch. Ver. 29.Bd 241 Anm. 6). AS dann Herzog Wilhelm von Jülich— 
Gleve:-Berg in Düfjeldorf 1545 eine „anfehnliche Partikularſchule“ errichtete, berief er M. zo 

m Rektor. Ob diefer ſchon damals Erasmianer war und auch darum, abgefehen von 
Keiner Tüchtigfeit, dem Herzog Vertrauen einflößte, oder ob er es erſt in Düffeldorf ge- 
worden ift, durch Verkehr an dem Hofe, an welchem Erasmus bejonder8 hoch geehrt 
wurde, wird fich nicht feſtſtellen laſſen. Unter feiner Leitung fam die Schule, die über 
Die Aufgaben unjere® Gymnaſiums binausgriff und eine Zwiſchenſtellung zwiſchen 35 
Diefem und der Univerlität einnabm, zu bober Blüte. Ex tuo Duisseldorpio in 
dies magis ac magis bonis literis florescente, fo fchließt ein MWidmungsjchreiben 
M.s an den Fürſten vom Jahre 1551. Daß es feine Nebeflosfel war, beweiſt ſchon 
Die Aufſehen erregende Höhe der Schülerzabl, hinter der die Frequenz der meilten 
Univerfitäten weit zurüdblieb: Die Angaben ſchwanken zwifchen 1500 und 2000! 40 
Ste kamen von nab und fern, „über 50, 60, 70 und mehr Meilen Weges“. Viele 
Bürger Tauften und bauten Häufer zur Aufnahme der Schüler, und Die ganze 
Stadt hatte Vorteil davon. Werlodende Anerbietungen von auswärts lehnte M. ab, 
und als die Soeſter fihb ihn als Meftor ihrer neuen Schule erbaten, ließ der Herzog 
ihn nicht zieben. Freunde wie Gegner rübmen feine Gelehrfamteit und pädagogiſche 45 
Züchtigleit (vgl. 3. B. den Bericht des Job. Pollius v. J. 1562, Z3tiſchr. d. Berg. Geſch. 
Ber. 9, 169). Denn ihn war die Erziebung nicht weniger wichtig als der Unterricht. 
Bobl nah dem Muſter der Münfterfchen Schule waren die Schüler je einem ber Lehrer 
zur Aufficht zugetviefen und wurden ältere und ausgezeichnete Schüler als praefeeti bei 
der Aufrechterhaltung der Disziplin wie bei den Wiederholungen beteiligt. Nicht nur w 
im Unterricht verließ M. ausgefabrene Geleife; er magte fogar an der geheiligten Orb- 
mung der Oſter- und Michaelisferien Kritif zu üben: tum enim aer plerumque tem- 
peratus est, qui in bonas literas incumbentibus maxime convenit. In Sommer: 
uud Winterferien wünſcht er fie verwandelt. 

Auch als Schriftiteller war M. tbätig; daß er nur zu Unterrichtszwecken gefchrieben 65 

zeigt, welche Liebe zu ſeinem Beruf ihn erfüllte (ein Verzeichnis feiner Schriften 
ws Samelmann p. 179). Hier feien nur feine katechetiſchen Veröffentlihungen ge: 
went. Er bearbeitete einen Katechismus des Juriſten und Theologen Chriſtoph Hegen: 
wsfer (Hegendorphinus), 1547 bei Theodor Plateanus in Weſel erjchienen (5. Chors, 


22 * 


[ei 


354 X 


neuen mongoliſch.. vr, Dritter Band, 2.2357. 
Fanatismus, Dur: zus, zuerſt eine großere, mil 
andersgläubiger ‚zn emer Ausgabe ver 1556 
Chroniſt, welche a et pia explanatio sym- 
b nabe derſelben * -  meepforum, auctore D. Erasmo 
mals zuweilen .....ım Monhemium redacta, atg. 
gebung dafür r- ' eis quibusdam locupletata. 
Neubau und * + -  meafionis Dominicae, uis ac 
des dſchagataii⸗ - . {rasmo, per eundem collecta 
10 gründet, an d zz von 1551 genannt, da aber 
weſen zu ſein in Schreibfebler vorliegen. Der 
Brüdern geie. te haben gelehrt, Fromme wie 
der nicht Li: ... erſit dom legten Tage Der Welt 
Märtprertor „> “eelesiastica. Die Siebenzabl der 
16 und alle Gi: > aber Die communio sub utraque 
von Warn endet Monat erſchien eine kleinere 
hielt, die ia sueeinete et dilucide ad usum 
predigen 1 ..ratlonibus per Joan. Monhemium 
erklären, 1: ... Vibliothek in Wolfenbüttel. Sie 
20 Über: 0, Ssenrediger Arnold Bungard auf Die 
Khbannts ! tale zunſere Tertin und Quartanbe— 
Laufe der . dienen. Neun Jahre ſpater erichien: 
es einen .zions Elementa syncere simplieiterque 
baut ve: “ Perlege, deinde iudica. Dusseldorpi 
25 faben tı. 'crıuıs Busius Affines An. 1560 (Oridryus 
En äl— mn Schule. Nad M.s Tode ft geprudt: 
Khanar .-acris per totum annum in Templis le- 
Ruth . stersdami recognita. Singulis Epistolis 
trennt. - u asum puerorum subjecta sunt, per 
nam: ; "ttersienium Monocerotis 15659 (Gr. ın 
Mur. . aan Wort und Zucherflärungen. 
fich - nr. Swriiten, Der Katechismus, iſt für die kirch— 
Werf ..zd ven Einfluß geweſen. Denn er tft Das 
Hır . yerumtsbiuh, Das am Niederrhein erſchienen iſt. 
Zu nee aus Erasmus geſchöpften Schriften 
Di. „st der Erasmiſchen Richtung abgewandt. In 
au . Ap Die Schiller der 4. und 5. Klaſſe in Dem 
b: on etien Unterrichts an Ergebniſſen ſich dar 
C ade viſchen Vater und Zobn gefaßt und be: 
an° “ieh der Christiana Sapientia, Die Cognitio 


So gwib bern vom Menfeben, vom Geſetz (Aus: 

sung des Apoſtolikums in 12 Artiteln), 

a.ertein des Umerpaten), von den Zafranenten 

. ben dergph von Der Buße, bon Den übrinen 

J sr Zei ẽ aus Calvins Institutio geichöpft (Die 
.. eder benutzt) und Die UÜUbereinſtimmung er— 

Adructes. Auch der Genfer Katechismus 

0 N Friedr. Stange zu viel behauptet, wenn 

os. aminiseholastico ... praemissa, Cöthen 

20.00, zrtgwbuibern zuzählte. In der Abend: 

I ze Genf und Wittenberg einzunehmen, 

so, ſchließt DE ſich im einzelnen Er: 

rer gebt doch nicht immer nur ae: 

x Soszemeetnife mit der dhrijtlichen Taufe 

>. Volksmund entjtammender Worte 

= yablmig) Gebote. Beim Artikel 

Sr Wunſch zu erfennen, bei im 

, Szieferungen feltzubalten. Darum 

.. Marke verfeben. Sie bat einen 

Br . ri Hoifnung auf Verſtändigung mit 


Li 
® 


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Monheim 357 


Katholischen genommen. Thatſächlich kam M.s durch feinen Unterricht wie durch ben 
Eindrud feiner Perfönlichkeit tief gehende Wirkſamkeit den Evangelifchen zu gut. Evan: 
gelifche Prediger im Rheinland und der Pfalz find aus feiner Schule hervorgegangen. 
Aber auch Nichttbeologen baben bezeugt, daß fie ibm Unterweiſung und Befeitigung im 
evangeliichen Weſen verdankten. Mehr als einmal wird in den Mölnifchen Turm: : 
büchern, in denen die Ausfagen der un des evangelifchen Glaubens willen Eingeferferten 
aufbewahrt find, jein Name genannt. Kein Wunder, daß er den Jeſuiten, die feit dem 
Anfang der vierziger Jahre im Rheinland und bejonders in Köln Fuß gefaßt hatten, 
ein Dorn im Auge war, zumal der Zudrang zu der Tüfleldorfer Schule eine für ihr 
Kölniſches gymnasium tricoronatum empfindliche Konfurrenz bedeutete. Schon feit ın 
1558 waren ſie dabei, Ms Schüler ihm abfpenftig zu machen (Rhein. Alten S. 313). 
Als nun der Katechismus erjchien, gingen fie fofort daran, den Düffeldorfern eg bei- 
zubringen, „daß inmitten von Katholiken feine Schule von Häretifern zu bauen fer“ (Rhein. 
Akten S. 379) und M. unſchädlich zu machen. Einer privaten Zenfurierung durch Caniſius 
folgte die Censura et docta explicatio errorum catechismi Joannis Monhemii ... 15 
Coloniae 1560 (eine 2. Auflage 1582 verzeichnet D. Glement, Bibliothöque curieuse 
historique et critique, Tome I, Göttingen 1750, S. 300 Anm.), die erite nambafte 
Streitichrift der Nefuiten gegen den Proteftantismus in Deutichland. Denn fie find bie 
eigentlichen Urbeber (Rbein. Akten 2.349, 357 Anm. 4, 441), wenn auch der Titel 
Deputierte der theologischen ‚Safultät nennt. Hier wird die fatbolifche Kirchenlehre nicht 20 
ſowohl verteidigt, als vielmehr in jefuitifcher Auffaflung und Zufpigung dargeftellt. Mas 
+ 3. p. 129 ff. über die Befeitigung der Häretifer ausgeführt wird, läßt an Deutlichkeit 
wie an Schärfe nichts zu wünfchen übrig. So wenig wie Räuber, Diebe, Kirchenjchänder, 
darf man jie am Yeben lafien. Ille (Lutherus) si ante annos 40 ferro aut igni 
sublatus fuisset, aut alii e medio sustollerentur, non tam abominandis dis- >: 
sidiis, non tot sectis totus orbis concuteretur (p. 136). In der Nedhtfertigungs: 
lebre tragen die Verfaſſer fein Bedenken, das ewige Leben als Täuflih zu erflären 
(p. 191). Die Entziebung des Kelches bat ſchon in der Apoftelzeit ftattgefunden, fie tft 
von der Kirche befoblen, darum verliert Den Himmel und der Hölle verfällt, wer, in 
allem übrigen der Kirche geborjam, das Abendinahl unter beiderlei Seftalt nimmt (p. 309). :3 
Daneben feblt es nicht an geſchickten Angriffen auf proteftantifche Übertreibung dee 
Zcdriftprinzips: Non igitur celebranda erit dies dominica, quam scriptura non 
docet. Dubium erit, num hoc sit Euangelium D. Matthaei, aut hae sint Diui 
Pauli aut Diui Petri epistolae, quia hoc seriptura nusquam docet (p. 230). 
Zu gleicher Zeit wurden Kanzel und Katheder zur Agitation gegen M. benutzt; es fam 35 
dahin, daß fein früherer Freund Bungard (ſ. o.) ihn öffentlich, in feiner Gegenwart, bei 
einer Zchuldisputation als einen exitiosus doctor, iuventutem falsis ac perversis 
opinionibus imbuens, bezeichnete (HSamelmanıı p. 1023). Den entjcheidenden Schlag 
follte direfte und perfönlice Einwirkung auf den Herzog herbeiführen. Der päpftliche 
Kuntius Commendone erhob bei jeinem Beſuch ernftlihe Klage gegen M., fein Einfluß 10 
auf die Jugend jet verderblic (fa tutti heretiei, ſ. M. Loſſen, Briefe von Andreas 
Maftus, Leipzig 1886, S. 332).  Tie Erfüllung eines Lieblingswunſches des Fürſten, 
die Genehmigung zur Errichtung einer Univerfität in Duisburg und bedeutende Unter: 
ftügung wurde in Ausficht geftellt, wem M. entlaffen werde. Auch an den Katfer wandten 
fih die Sefuiten und erreichten es, daß er vom Herzog verlangte, er Tolle M. des Landes 
verweilen (Brif Ms an Chemnitz, ſ. u.) Daneben wurden die Nardinallegaten des 
Tridentiner Konzils in Aktion geſetzt (Maſiusbr. 5.343). Trotz all dieſes Drängens 
bat der Fürſt, jonft nicht gerade der feitejten einer, M. gebalten, ein Betvers, wie hoch 
er ihn fchäßte. Aber er unterfagte ibm, ſich öffentlich zu verteidigen und verbot den 
Gebrauch Des Katechismus. Andere traten für M. ein. Im Frühjahr 1561 vweröffent- zo 
lichte Johannes Anaftafius, damals Pfarrer in Steeg und Zuperintendent im Amte 
Bacharach (Fr. Bad, Die enangelifche Kirche im Yande zwifchen Rhein, Mofel, Nabe und 
lan, II. Teil 1873, S. 264 ff., vol. Ar. 9. Neufch, Der Inder der verbotenen Bücher, 
Erfter Band, S. 2495.) ein „Belenntnis von Dem wahren Yeibe Chriſti gegen der 
Bapiiten abgottiſche Mefje”, worin er ib M.a annabm; nach dem Urteil der Jeſuiten 55 
war es ein liber pestilentissimus (Nbein. At. S.391). An einem emzelnen Artikel 
der Zenſur, dem, der das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt betrifft, 
fuchte 9. Hamelmann das Gefährliche an der jeſuitiſchen Lehre aufzuweiſen, in dem 1561 
erſchienenen Schriftchen Resolutio duodeeimi artieuli in Censura Theologorum 
Coloniensium de Catechismo M. Johannis Monhemii u. ſ. w. mit einem Bor: m 


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358 Monheim Monod, Adolphe 


wort „von Sencnde An eb). Int Sonn or in Dim, hl ig Bm N 





sa ne Bern 3 Sa wi Ert | fragen zeigt. Es ift di 
Schrift | ‚Theologastrorum )loniensium Ce, Henriei Artopoei —— 
mn fe Catechismi Joannis "Monhemii Praeceptoris sui 
xeudit — ——— Petrus Cephalius Duromontanus. —* Verfaſſer, 
beſchlagen, gieb TEEN an SEHE: 7 ——— 
en— ich er —— 











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1) “ S1 Eu ur fhiebenen erlag bei © 


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S. 159. Monheims Dank in den Theol. Arb. III dh bei Koldew 

S. 136 f.). _ Als —— der perl JFeſuit BR — 1564 mit 
3 einer Gegen bemnig a. a. D,, en ft. ©. 442; aus 

dem lt bei 3* — Konrad von gr . 160, vgl. auch —— 

a. a. PB3 300), verfaßte Chemnitz das berühmte Examen coneilii 

Bu Biefer gr 2 gründ fen Zr —3 proteſtantiſchen Polemik bat alſo M.s — 


30 M. var, wie n imal verheiratet (Kraft, Die gel. Schule, ©. 20 Anm. ; 

K. Nibbed a. a. O. ec x & Mark Nu nn —* —— ächt, ut 
vix umbra hominis ineo a 564 „in Domino Jesu plaeide“ XX 
©, 178, — — — 1026). Nach —— * noch ſchrieb der Enge ge Joh 


35 und —— vom Jahre 1562 zeichnet ber Katalog 70 von L. R St Winde 
unter Nr. 16.521; ul in u Sort —* 21, NE! Bo XX ©. 177.) > die Schule 


Monod, Adolphe, geft ‚1858. — gm 3. 1086 1885 * ien: Adolphe Monod. I, Souve- 
nirs de la vie, extraites de la pondance, II. e Lettres A sa famille et ä ses 
40 amis, Paris 1885, 2 Bb. 1902, ei 1 Gelegenheit bes — tjährigen Geburtsſeſtes (Uentenaire 
wurde ein Band ausg ewählter Predigten (worunter mehrere noch nicht im el erſchlenene 
—— Adolphe Monod 1802—1902. Sermons choisis. Edition du Centenaire, Parts 


Adolphe Monod, unftreitig der erſte franzöſiſche evangelifche Kanzelredner —— 
nderts, wurde den 21. Januar 1802 zu Kopenhagen geboren, wo jein Vater, 
farrer "der franzöfifchen Gemeinde war. Durch reiche Begabung sowohl, —* ud 
feinen ebrivürdigen Charakter befannt, wurde diefer im Jahre 1808 nadı 
two die evangeliſche Gemeinde nach den Stürmen der Nvolution aus ihren —— 
tehen anfing. Adolph war der vierte Sohn einer Familie die nicht —— ala 
so Kinder zählte, welche von einem ſolchen Bater und einer gleich vortrefflichen Mutter 
geborenen de Conint aus Kopenhagen) erzogen, ſich ſämtlich durch natürlich 
durch eine echte Frömmigfeit ausgezeichnet haben. Bon den adıt Brübern 
ih vier dem heiligen Amte am Goangeliun gewidmet. — Mbolph, der erite, ber 
diefem 3 ea Geſchwiſterkreiſe durch den Tod entriffen wurde, erbielt iin 
55 Öymnafialbildung im College Bourbon zu Paris, und begab fi dann nach. — 
er 1820 1824 —— — Dieſes Studium war damals ſehr — 
die tieferen Bedürfniſſe Des flardentenden, zartfüblenden, gewifienbaften j 
zu befriebigen, Sein finniges, tiefes Sennilt, das ftets zur Schwermut neig 
innern Frieden noch nicht gefunden. Die Zeit nabte aber, wo auc er in den neueriwachten 











Monod, Adolphe 359 


ewangelifchen Glauben den Mittelpunkt feine LXebeng, die Duelle feiner künftigen Thätig- 
feit, die innere Ruhe feines Herzens finden follte. Die Offenbarung der göttlichen Gnade 
in dem Grlöjer fiel für Adolpb Monod mit einer Reife zuſammen, die er 1825 nach Ita⸗ 
lien unternahm, und die ihn nach Neapel führte, mo er bald als Gründer und als Seel: 
jorger der dortigen evangeliſchen Gemeinde bis zum Jahr 1827 wirkte. — Von Italien 5 
zurüdgefebrt, wurde er ald Paſtor der reformierten Kirche nad) Lyon berufen. Hier er: 
warteten ihn heftige Kämpfe, die feinem Herzen fchmerzlich waren, die aber feinen Glauben, 
feine Treue für feine meitere Wirkſamkeit jtählen mußten. Das dortige Konſiſtorium 
nämlich, unter dem Einfluß einer abgefchtwächten Theologie und eines merkantilen Welt: 
finnes, fonnte an der damals verfchrieenen, vom jungen Prediger aber klar verfündigten 10 
Lehre des Evangeliums vom Gekreuzigten fein Gefallen haben. Es bildete ſich gegen 
Monod eine entichievene Oppofition, die mit dem Gedanken umging, ihn bei ber erften 
Veranlaffung zu entfernen. Diefe Veranlaffung bot fi) in einer allzu feharfen Predigt 
Monods, herausgegeben unter dem Titel: Qui doit communier? gegen die Brofanation 
des Heiligen Abendmahls, an dem feine Gemeinde fcharenmeife, auch die offenbar un: ı5 
gläubigen Weltmenjchen teilnahmen. Das Konfiftortum entjegte ihn feines Amtes (April 
1831) und erhielt die königliche Beltätigung dieſer Abſetzung (1832). Was follte nun 
Monod thun? — Die Staatsfirhe war ihm verjchloffen; da gründete er mit feinen 
Freunden eine Freikirche (Eglise Evang&lique), die heute noch befteht, und von wo aus 
ein thätiges Werk der inneren Miffion fich unter die arme Bevölkerung Lyons ausbreitete. 20 
1836 wurde Adolph Monod zu einer erledigten Profeflur der Theologie in Montauban, 
der einzigen reformierten tbeologischen Fakultät in Frankreich berufen. Dort wirkte er als 
alabemifcher Lehrer 11 Jahre im größten Segen, und ohne dem Prebigen zu entjagen. In 
Montauban ſelbſt hielt er freiwillig jeden Sonntag Gottesdienst und benüßste in der Regel 
feine Ferienzeit, um als Neijeprediger die Gemeinden, namentlidh in Sübfranfreich, zu 25 
erbauen. Überall, wohin er fam, ftrömte alles herbei, um die gewaltige Verkündigung 
des Evangeliums zu hören. Tin den Jahren feiner Profeſſur zu Montauban war es, daß 
jein Name als Prediger jo berühmt wurde. Sein Platz war nun auf der erften evan⸗ 
gelifchen Kanzel der Hauptitadt. In der That wurde er auch bei der nächiten Erlebigung 
durch das Konſiſtorium der reformierten Kirche, 1847, nad) Paris berufen. Während so 
9 Jahren füllten jih nun allfonntäglich die evangelifchen Kirchen der Hauptitadt, in denen 
er predigte, namentlich das geräumige Oratoire. Außerdem bielt er jeden Sonntag Abend 
in einem kleineren Yofal des Oratoire eine Bibelftunde, mo er in ganz einfachen Medi: 
tationen das Wort Gottes praftifch betrachtete; dabei ſprach er aus eier folchen Fülle 
der Schriftfenntnis und chriftlihen Erfahrung, daß viele feiner gläubigen Zuhörer diefe 35 
Betrachtungen jeinen großen Reden vorzogen. 

Nach diefer dürftigen Skizze von Monods äußerem Leben müflen wir ihm nun näher 
treten, um zu jeben, was in Binen geiltigen Begabungen und vorzüglich in feinem chrift- 
lichen Charakter ibn zu dem Prediger machte, dem jedermann die erfte Stelle einräumt. 
Ein klarer Verſtand, der fich nicht leicht mit halben Begriffen begnügte, ein tiefes teil- so 
nebmenves Gemüt, eine erhabene Einbildungstraft — alle diefe natürlichen Gaben waren 
in Monod dur eine vielfeitige feine Ausbildung zu einem harmonischen Ganzen vereinigt 
worden. Waren auch feine wifjenfchaftlichen Kenntniffe bedeutend, jo war er doch eher 
zum Äſthetiker, als zum Gelehrten geboren. Er batte eine große Vorliebe für alles 
Schöne, und fein Sinn ftrebte nach Vollkommenheit. Darum gewährte ihm die Hlaffifche «6 
franzöfifche Yitteratur, namentlich die des 17. Jahrhunderts, einen großen Genuß. Seine 
Kenntnis der deutjchen, englifchen und italienischen Sprache machte ihm auch die litte- 
tariihen Schätze diefer Nationen zugänglih und er mußte diefelben hoch zu ſchätzen. — 
Was die Theologie betrifft, jo mochten feine erjten Studien derjelben allerdings mangel- 
baft geweſen fein; aber diefen Mangel bat er fpäter, namentlich in den 11 Jabren feiner so 
Vrofeffur, durch vieljeitige Lektüre, auch der deutjchen Theologen, reichlich erſetzt. Seine 
bauptfächliche Fundgrube der Gottesgelabrtbeit aber war die Bibel, die er täglich, und 
Mar immer in den Grundfpracen, las. So batte er fich feine eigene Erxegefe und Dog- 
matif unmittelbar aus der Duelle gebildet. Häufig führte er in feinen Predigten Bibel: 

en in eigener buchjtäblicher Überjegung an, Die ein unertwartetes, belles Licht über den 55 
betreffenden Gegenſtand warfen. So iſt es begreiflich, wie bei einer großen Übereinſtim⸗ 
mung feines Glaubens mit den reformatoriichen Grundſätzen des 16. Jahrhunderts feine 

eugung immer offen und unbefangen blieb, jede Wahrbeit aufzunehmen, die fich ibm 
nach (Hottes Wort legitimierte. Namentlich in gewiſſen incertis, tworüber die gewöhn- 
liche Orthodoxie ohne weiteres abgejchloffen hat, wußte ſich Monod ernftlich zu beicheiden. eo 


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Monod, Adolphe 361 


rwies die erjte mit einer überwältigenden Kraft das innerjte unzertrennliche VBerbältnis 
wilchen den Irrtum und dem Böen einerjeits, zwiſchen der Wahrheit und der Heiligung 
widererjeits. Mit andern Worten: Cs fann Fein Menſch anders geheiligt werden, als 
uch die reine evangelijche Wahrheit, das war das Thema aus No 17, 17. Heilige jie 
n deiner Wahrheit. — Materiell aber griff er mit derjelben unwiderſtehlichen Kraft jene 5 
— — Richtung an, indem er in der eiten und dritten Rede das Sündenelend 
ver Menſchen und die Gnade Gottes aus Schrift und Erfahrung darthat. — Dieſes 
Berk (denn eine jede Predigt Monods iſt durch Ausdehnung, Behandlung, Inhalt und 
Bollendung ein Werk zu nennen) bezeichnete eine Epoche und brach eine neue Bahn, auf 
velcher viele dem Manne Gottes nacfolgten. Seit jener Zeit veröffentlichte der ge: 10 
valtige Prediger häufig einzelne Reden, die, von allen Wabrbeitfuchenden gelefen, mebrere 
Auflagen erlebten. Im Nabre 1844 erjchien ein ganzer Band, der längit nicht mehr im 
Buchhandel zu haben ift, und deſſen erfte Nede, la er&dulit& de l’incer&dule, 68 Zeiten 
ntbaltend, als ein Meijterftüc der Apologetit betrachtet werden fann. Bis zu jeinem 
Tode, und auch nac feinem Tode find noch viele ‘Predigten einzeln oder in Kleinen 15 
Sammlungen erjchienen, tworunter zwei über den Beruf der hrijtlichen ‚grauen (la Femme) 
ind fünf über den Apoftel Baulus am meiſten Erfolg gehabt baben. Als Monod diefe 
Predigten 1852 bielt und berausgab, ftand er auf der Höbe jeiner inneren Ent: 
vedelung und feines Einfluſſes in der Nirde. Darum nocd ein Wort über diefe Samm- 
ung, die zur GCharafteriftit des Mannes gebört, weil ſie den innerften Gedanken feiner 20 
egten Yebensjabre enthält. Es iſt nämlich oft in neuerer Zeit unter den eifrigen aläu- 
ner Predigern, deren fich jegt die evangeliſche Kirche Frankreichs erfreut, Die Frage auf: 
kivorfen und erörtert worden: Warum bat in unjeren Tagen die Predigt des Evan- 
ſeliums jo wenig Erfolg im Vergleich mit der apoftolifchen Zeit? Monods Antwort ift 
n dem oben genannten Buch enthalten. Seine Überzeugung, die in ihm ein gewaltiger: 
derzenädrang geworden war, iſt folgende: Da wir alle Gnadenmittel haben, wodurch in 
wer apoſtoliſchen Zeit die Welt überwunden wurde, jo fann der unermeßliche Abjtand dee 
I chriſtlichen Zeugnifjes von dem damaligen binfichtlich des Erfolges nicht in ob: 
iven Urjachen gejucht werden, ſondern allen in der Schwachheit und Armut unferes 
yetftlichen Lebens. Tas Yeben der eriten Chriften, als Erweis ihres Glaubens, das war 80 
we tweltüberwindende Kraft ihres Zeugniſſes. Gebt der Kirche Chrifti dasfelbe Yeben 
pieder und fie wird diefelben Wunder erzeugen. Wie aber führt Monod feinen Beweis? 
Durch eine That, durch cin Leben. Der Apojtel Paulus, nur einige Hauptzüge feines 
wrrlichen Charakters, feines reichen Wirkens, iſt jein Zeuge. Fünf Neden find es nur: 
Las Wert Pauli, fein Chriſtentum oder jeine Thränen, feine Belehrung, feine Schwach 85 
yit und fein Beifpiel für uns. Was aber für ein Bild uns vor Augen jtebt, mit welcher 
überzeugenden Kraft die obige Frage gelöft ift, welcher Reichtum der Gedanken ſich bier 
mtfaltet, welcher heilige Eindruck mit innerer Salbung ins Herz dringt, - das vermochten 
nur Monods Zuhörer, - - das vermögen noch zum Teil jene aufmerkſamen Yefer zu 
lagen. — Doch durften alle diefe Schätze nicht zerftreut oder im Buchhandel vergriffen wo 
Der Herr gab jeinem Diener Tage der Muße in Tagen der Krankheit und 
da dachte er daran, feine Arbeiten zu ſammeln. Zwei Bände Predigten wurden noch 
vor jeinem Tode herausgegeben, nämlich die der erften und zweiten Periode, von Yyon 
nd Montauban. Seitdem find zwei tweitere Bände gefolgt, welche die in Parts gebal- 
tenen Predigten umfaſſen. Sermons p. Ad. Monod, Paris, T. I- -IV, 1855 u. |. w. 15 
Wie diefe Bände haben miebrere Auflagen erlebt. Viele diefer Neden find ins Deutjche 
überfegt worden; namentlich auch der „Apoſtel Paulus“ Frankfurt a. M. bei Tb. Völker. 
Ein anderes treffliches Werk Monods, Lucile, ou la leeture de la Bible iſt cbenfalle 
wittelit einer Überfeßung in Deutjchland viel verbreitet worden. Endlich dürfen wir einen 
lich⸗praktiſchen Kommentar über den Epbeferbrief nicht unerwähnt laſſen: Ex- sw 
tion de l’Epitre aux Ephösiens, wobei der Verfaffer den Kommentar von Harleß 
s benust hat. 

Wir baben von Tagen der Krankheit geiprocen. Tiefe Rrankbeit (1856) war der 
Bf des Herrn an feinen Diener: Siehe, ih fomme bald! Höchſt ſchmerzlich war dieſe 
Mike Prüfung, aber reichlich geſegnet. Die Arzte hatten die Krankheit für unbeilbar er: 5 

» Monod mußte es; er bereitete fi auf Das Kommen jenes Herrn; er batte Die 

Familienbande allmäblich zu löjen. Monate lang dauerte die Prüfung — und 

onod fegensreicher gewirkt, als in dieſen Monaten. Ztürfer und lebendiger 
je war fein Glaube, - - nicht allein eine völlige Ergebung in den beiligen Willen 
8 Gottes, fondern eine innige Freudigkeit erfüllte feine Zeele unter den größten w 


ww 


5 


Monod, Adolphe Monod, Friedrich 


362 
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133 für Bez, — er 
* men Berufen daß * —* einem — 





Monod —F ‚ach F ne: Ben proteftantii en Pajtoren — — Zeit: 
einmal durch die Erhabenheit feines redneriſchen Genies und dann durch die Heiligkeit 
"mm Lebens. Mitten in Br —— — des um bi —— blickte ein Sen Sunben auf 


— u andere 08 find, den Be a — F 
so die er mit aller Kraft ſeiner Seele Bag hatte, ganz bingegeben 
und redlich in den geringjten Dingen, wie in den größten; edulbig, bie zum —— 
er em Schmerzenslager, wo er feine legten Kräfte fammelte, um fie dem 
zu —— den er ſo innig geliebt, dem er ſo treu gedient hatte, — hat er 
= "beffer, wie A einer, das ehrivürdige Bild eines a der eriten 2. * 
s5 geſtellt. Adolp od ſtarb den 6. April 1856. Die Lücke —— 
den —— —* Zeit wird fie ausfüllen können?“ vr (& 2 





Monod, Friedrich, geſt. 1863 und die Union des Eglises 6yan— 
eliques libres de France — Litteratur: G. Monod, La famille } 
ris 1890 (als Manuftript gedrudt); de Felice, Histoire des Protestants de 

40 loufe 1895; Encyclop6die des scienses religieuses IX, 316 fj.; Les Archives du Christianisme 
au XIX. sidele passim; J. P&dezert, Cinquante ans de souvenirs — Paris 1896; 
L. Maury, Le Réveil religieux A Gendve et en France, Paris 1892; v. d. Goltz, Die re: 

rmierte Kirche Genfs im 19. Jahrhundert, Genf 1862; L’Union des Flises 6vangeligues 
ibres de France (Jubiläumsjchrift), Paris 1899. 

45 Friedrich Monod ift am 17. Mai 1794 in Mounaz bei Morges am Genfer See 
findet als das ältejte von den 13 Kindern des im gleichen Jahre an die franzöſiſche 

e ın Kopenbagen berufenen Pfarrers jean Monod. 1808 fiebelten die Eltern 

Dane über. wurde von feinem 16.Jahr an in Genf erzogen und widmete 8** 
Studium der eologie an ber dortigen Fakultät, Mebr als i Ct sogen 
so Männer des Reveil an, vor allem ber Schotte Nobert Haldane (j. den‘ "vl 
S. 354). „Als diefer gefegnete Mann, — ſchreibt M. fpäter — dem ich Gott mit 
in Chriſto durch das Evangelium gezeugt bat, nach Genf kam, jchienen Rp ale Me 
niffe feiner Miffion des Glauben und der Liebe entgegenzuftellen. ig 

55 das er vertrat, war voll Dornen und Difteln. Was uns Studenten E if 
verfunfen, Das beilige ° ‚ort Gottes war für uns terra ignota. Der Unteres 

mit feinem fühlen Einfluß und feinen feelentötenden — war die per 

die uns von unferen PVrofefjoren vorgetragen wurde , , , Noch jegt, nad a 


ut 


— 










einem erzen voll Liebe und Dankbarkeit meinen fie Vater nenne, 
wir größtenteils teichtfunmig, voll weltlicher Gedanten und in die irdijchen — igune 








Monod, Friedrich 363 


Jahren, ftebt nur diefer Mann vor Augen, wie er hoben Wuchſes, voll Mürde, umgeben 
von Studenten, feine engliſche Bibel in der Hand, die einzige Waffe des Wortes, das 
Schwert des Geiſtes bandbabte, wie er jeden Einwurf miderlegte, jede Schwierigfeit be: 
jeitigte, auf alle Fragen beitimmt durch verfchiedene Gitate antwortete, durch die er die 
Einwürfe, Schwierigkeiten und Fragen aufnahm und aufbellte und bald zu einem voll- 5 
ftändig befrierigenden Schluß gelangte. Er verlor nie feine Zeit mit Beweisführungen 
gegen unjere vorgeblichen Ratfonnements; er wies unmittelbar mit feinem Singer auf die 
Bibel und fügte die einfachen Worte hinzu: „Schau ber! Wie liefeft du? Das ift bier 
mit dem Finger Gottes gejchrieben!” Unter Haldanes Einfluß gewann M. wie fein 
Vetter Gauffen (ſ. den A. Bd VI S. 382) die Überzeugung von ber wörtlichen Inſpi— 
ration der Schrift, der er fein Leben lang treu geblieben iſt. In feiner Randidaten- 
biffertation (de Pentateuchi authentia 1818) verfuchte er den Nachweis, daß der 
ganze Wentateuch mit Ausnahme feines lebten Kapitels von Moſe ſelbſt gefchrieben ei. 
In Genf ordintert kehrte er 1818 nach Paris zurüd und war dort vorübergebend für 
eine Bibelgeſellſchaft thätig. Dann finden wir ihn kurze Zeit in Jena ale Hauslehrer 15 
eines mecklenburgiſchen Bringen, 1819 verlobte er fich in Kopenhagen, von 1820 an lebte 
er in Paris, zuerſt als Hilfsprediger feines Waters, feit 1832 als pasteur titulaire an 
der Kirche des Dratoire. 1837 verlor er feine Frau, die ibm 7 Kinder gefchentt hatte; 
wäbrend feiner zweiten Che, die er 1839 einging, wurden ihm noch 6 Kinder geboren. 

Gleih in der erften Zeit feiner Pariſer Thätigkeit übernabm %. M. die Redaktion 20 
der Archives du Christianisme au XIX. siöcle, und führte fie mit feltenem Talent 
und unbegrenzter Hingebung 43 Jahre lang fort als klarer, unerjchrodener und unerbitt- 
licher Verteidiger der caluinifchen Urthoborie. 

Dieſe feine publigifilche Wirkſamkeit ftellte ihn in den Vordergrund der Ereigniffe, 
ala die Wogen der Revolution von 1848 auch in das Tirchliche Gebiet eindrangen und 
an den beſtehenden Verhältniifen rüttelten. Politiker und Theologen verlangten die Tren- 
nung von Kirche und Staat, Alerander Binet im Waadtland, Yamartine und Lamennais 
in Frankreich. Auch Fr. M. jtand mit feinen Münfchen auf diefer Seite. Er boffte für 
die reformierte Kirche die Erlöfung aus dem Zujtand, den das Geſetz vom 18. Germinal 
des Jahres X geichaffen hatte, indem es ihr die befenntnismäßige Grundlage entzog und 
die Bertretung ihrer Intereſſen an die Höchitbeiteuerten auslieferte. „Die Regierung, die 
aus den Barritaden hervorgangen ijt und „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” zum Mabl: 
ſpruch genommen bat, kann und mill une die Abſchaffung eines Geſetzes, das die Direfte 
Negation diejer drei Grundſätze ift, nicht vertveigern. Aber wir müſſen fie verlangen, 
man wird fie ung nicht anbieten. Unfere Kette iſt zerbrocden! Wir wollen die Gelegen- 35 
beit benüßen, um ung wieder frei zu machen. Wenn wir jo thöricht find und uns von 
neuem in Ketten fchmieden laſſen, wird es um die Freiheit geicheben fein. Wir werden 
ane neuc Revolution abwarten müfjen, vor der uns Gott bebüten wolle”. Indeſſen 
mebr als an der Yöfung des Bandes zwiſchen Kirche und Staat lag ibn an der Auf: 
itellung eines Belenntniffes für die reformierte Kirche. Als einen Monat nach der Revo: wu 
lution, am 24. März 1848, Die zumeiſt aus Liberalen bejtehende Conference generale du 
Gard von Nimes aus eine Denkſchrift an alle Pfarrer und Altefte der reformierten Kirche 
verfandte mit der Aufforderung zur Zuſtimmung zu folgenden Sägen: „1. wir wollen 
eine einheitliche Kirche bleiben, 2. wir wollen die Bejoldung durh den Staat aufrecht 
erhalten, 3. wir wollen die Verbeſſerung des organifchen Geſetzes anftreben”, fonnte M. 45 
fih damit einveritanden erklären nıit dem einen Worbebalt: Die conference generale 
ſcheine eine Kirche ohne dogmatiſche Baſis zu wünſchen; eine folche fei für ihn undenkbar 
und er würde Jeſum Chriſtum und fein Wort verleugnen, wenn er in diefem Punft das 
Zugeſtändnis machte, das in Nimes ſtillſchweigend, aber thatfächlich verlangt werde. 
„Eine frei und Klar ortbodore, d. b. evangelifche und chriftliche dogmatiſche Baſis iſt der w 
einzige Boden, auf dem die orthodoren Chriſten ibre Zuſtimmung geben fönnen zur Grün— 
dung der Kirche, der ihre Bemühungen und ihre Gebete gelten“ (Arch. du Christ. 
1848, S. 59). Über die Frage der Trennung von Kirche und Staat hatte er ſchon am 
11. März 1848 fich folgendermaßen ausgeſprochen: „Wir haben es weder mit denen ge: 
balten, die allein in diefer Berbindung das Heil für Die Kirche eben, noch mit denen, 55 
die da meinen, jene Verbindung fei die Quelle von all dem Jammer in der Kirche und 
die Trennung iverde von jelbit den (Slauben, die Erneuerung, die Aufrichtigfeit und andere 
Tugenden, die noch in fo bobem Maße feblen, zur ‚Folge haben. Wir werden nichts 
tbun, um die Trennung, die wir eriwarten, zu beſchleunigen, noch auch, um fie zu ver: 
hindern. Hätten wir offiziell ein Votum abzugeben, jo würden wir für die Trennung so 


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Ein comité — in a war —— die vorbereitenben Een t 
und über die — eiten des Plans nähere Auskunft zu geben. M. boffte zuve —— 
daß die orthod itglieder der Synode auf ſeine Seite treten werden: „fröre ;, nous 
15 vous ee dans l’Eglise miserable et meprisee qui confesse, 6sus-Christ, 

son Sauveur et son Dieu!“ Ja, er erivartete jogar, daß die Separation den Mnlap 
geben werde zur Union aller Ortbodoren, die bisher in Reformierte und Yutberaner, 
Freifichen und Staatstirchen gefpalten waren. Andererjeits gab fich die Synode wie 
auch das Pariſer Konfiftorium und Ar. Ms Bruder Adolph alle Mübe, Fr. M. von 
— Entſchluß zurückzubringen. —— Am 8. Januar 1849 gab er ſeine Dem 

ion als Pfarrer am Oratoive und jagte ſich damit von ber Kirche —— der er 30 Jahre 











gedient hatte und in der er brei Brüder als Pfarrer zurüdlieh. Ohne Vermögen mit 

einer geoßen Kinderſchar einer ungewilfen Zukunft entgegengebend befahl er feine Ye 

bem, der es dem Nufrichtigen gelingen läßt. In feiner Abi igt am 22, Apr 
55 1849 über AG 20, 26. 27. 32 entbüllte er mit ergreifendem Ernſt die innere Sebi 


denbeit feines Gewiſſens „Hätte ich anders gebandelt, jo bätie ich nicht 
Ehriftum und jein Evangelium verleugnet, fondern ebenfo die ganze wunderbare 
der alten reformierten Kirchen Frankreichs. Ich bätte gebrochen mit den —— 
unſer ruhmreichen, treuen Vorfahren, ich hätte mich thatſächlich losgeſagt von dieſen eblen 
co und mutigen Märtyrern der Lehre, die fie noch unter dem Beil des Henkers befannten, 



























Monod, Friedrich 365 


hrend ihre Nachkommen fie auf die lange Bank ſchieben . .. Mehr als drei Monate 

€ ich überlegt und gebetet, ich babe mit Thränen zu meinem Gott geſchrieen, er ſolle 

, wein ich nicht jeinen Willen tbue, meinen Weg mit Dornen verjtopfen. Aber meine 
rzeugung iſt mir klarer und tiefer geworden und unter Thränen babe ich antworten 
len: ich kann nicht anders; vergebet mir und liebet mich“ (Mes adieux à mon ; 
upeau S. 16 und 21). 

Einen Monat fpäter eröffnete er in Paris ein kleines gottespienjtliches Lokal, in 
ı er um feine Kanzel die erften Anbänger der Tünftigen Eglise libre ſammelte. Die 
ftttuierende Synode der Union der Eglises &vangeliques libres tagte vom 20. Auguft 
1. September 1849. Es war M. gelungen, die zeritreuten evangelifchen Gemeinden, 10 
infolge des Reveil von der Staatskirche fich Iosgejagt oder neugebildet hatten, zu 
erem Zuſammenſchluß zu veranlaffen. Das wejentlihe Merkmal diefer neuen Urga- 
ton war, außer dem Grundſatz der völligen Trennung vom Staat, Das gemeinjame 
aubensbefenntnis. M. Iegte Teinen Wert Darauf, daß die Konfeifion von Ya Rochelle 
k neuem in Geltung trete. Sie ſchien ihm „trop longue, trop explicite, peut-ötre 15 
p absolue”. (Gr mußte auch wohl, daß jedes formulierte Bekenntnis Gefahr laufe, 
ve Formel zu werben „que tout le monde salue avec respect et dont personne 
.tient compte“, und leicht zu theologiſchen Prätentionen geneigt jei, Die Das Wie und 
+ Barum aller Geheimniſſe erzählen wollen. Aber es gab für ihn einige dogmatische 
undwabrheiten, denen er fonjtitutive Bedeutung beimaß wie für den Wert des per: m» 
Hichen Gbriftentume, jo für den evangelifchen Charakter und die Xebensfähigfeit einer 
Ze. Und unter diefen Grundwabrbeiten ftand obenan die Lehre von der Inſpiration 
ESchrift. „Nous croyons que toute l’Ecriture de l’Ancien et du Nouveau 
stament est inspir&e de Dieu et constitue ainsi l’unique et infaillible rögle de 
foi et de la vie" beißt der erſte Sag in der von M. entivorfenen Konftitution der 25 
em Eglise r&öformee &vangelique de Paris. 

- Als Pfarrer diefer Gemeinde bat Fr. M. bis zu feinem Tod in reichem Segen ge: 

Tank der reichen Beifteuer, die ibm aus Nordamerila, England und Schottland 
bob, konnte er den Bau eines Gotteshaujes unternehmen. Aber es war ihm nicht 
be vergönnt, Gottes Wort darin zu verlündigen. 1863 erkrankte er am Kehllopffrebe. : 
se glüdliche Operation konnte dem Fortſchreiten des Übels feinen Einhalt thun. Gr 
ſich auf Das Landgut jeines Bruders Dr. Guſtav Monod nach Villemombre bei Baris 
BE Ehe er die Stadt verließ, ließ er den Magen vor feiner neuen Kirche, die ſoeben 
endet worden war |Chapelle du Nord, rue des Petits-Hötels 17|, halten. Er 

bie Etufen zur Kanzel hinauf und betete dort. Tas war jein erfter und leßter 35 

. Mit Eintritt der fchlechteren Jahreszeit fchrte er wieder nach Paris zurüd. Sein 
ter Schmerz war, daß er nicht mebr fprechen fonnte. Sonjt wären auch von feinem 
mlenlager Segensitröme ausgegangen wie in den „Adieux“ feines Bruders Adolph. 
5 vor jeinem Tode erlchte er noch die ‚sreude, 8 jeiner Kinder um fein Sterbebett 
; Geier Des heiligen Abendmahles verfammelt zu jeben. Da jchrieb er auf ein Blatt so 
ier die Worte: Cette r&union est un des r&ves et une des priöres de ma 
ı Dieu l’a amenée bien autre que je m’etais imagine. Que son nom soit 
ni. Peut-£tre sera-t-elle plus benie ainsi. Bientöt elle se reformera lä-haut. 
‚28 puis que vous donner ma paternelle benediction. Aimez le Seigneur 
sus-Christ, aimez-vous les uns les autres. Amen. Demon lit de delogement. 4 
h dee. 1863. Papa." Am 30. Dezember 1863 hatte er ausgelitten. 

Fr. M. iſt eine der kraftvollſten Berjünlichfeiten des neueren franzöſiſchen Proteftan- 
mu. Mochte man die neuc Spaltung, die er in der obnebin jchon ſtark zerflüfteten 
emierten Kirche veranlaßte, bedauern, jo konnte Doch auch der dogmatiſche und firchen: 
Ütifche Gegner der Reinheit jeiner Abſichten, die frei waren von perjünlihen Macht: w 
Men, und jeinem gläubigen Zeugenmut, der immer und unter allen Umftänden feinem 
wiſſen folgte, die Hochachtung nicht verfagen. Über den Vierundzwanzigjährigen batte 
ine Schweſter Adele in ibrem Tagebuch geurteilt: „il est ultra en tout, ex- 
en politique”. Tamit ijt kr. Mis Schwäche treffend gezeichnet. Aber es ift auch 
bloß ſchweſterliche Parteilichkeit, wer fie weiter von ihm fagt: „iln’ya pas dans 
wur l’ombre derancune“. So ſchroff und ablehnend er fein konnte, wenn man 
Gerviffen Konzeffionen zumutete, jo weitherzig war er, wo man feine Liebe in An- 
nahm. Alle, die in Frankreich auf dem Gebiet der inneren und äußeren Miſſion 

Ionders der Evangelifation unter den Natbolifen an der Arbeit ſtehen, baben das 

fahren. Fr. M. war fein gelebrter Theologe. Er iſt über die Theologie des ww 


J 


= 






51 





—* — — =: Ib an vertreten. —— 
hi Die Kenntnis der € 0. Jahrhundert 






ı mit großer Geſchick an —— borübergeführ. 3 i 
Augen BE” ber Bebensfähintei dieſes Zweiges der famille —— 


10 Am 25. 1899 feierte —* —* des Sr &yangeliques de France 
tennen — a ie Stiftu Union 
- maren, {ih als ame rue 6 Die 3 Stang der Aion map 


der Dienipkn, ja fop —F = — über Vie SkC ab De Dri Ba ande Ba 

15 in, ja jogar mmungen un 

i klin, je, fon Di I Sie wollte die „unit en dehors de P’uniformite“ 
ie 68 c Synode ihre Reäfte frei für die großen gemein 





bildung von Geiftl ber Kirche obl 186 — Paris ein 
yleı mE ——— — St. Jean du Gard 
Beſtimmung Ordination nion arbeitenden —— 

25 gefügt wurden, benfalls im im jahr 1864 wurde eine — eingeſetzt; die 


24. Synode in Lyon 1895 beſchloß die cars war Während der 
rn 1895/97 betrugen bie Einnahmen der Union — * h. 48 Franken 


Die äußere Entwickelung hat mit dem inneren Ausbau des freilirchlichen Verbandes 
nicht gleichen Schritt gehalten. Bis zum 1873 haben ſich immer neue Gemeinden 
* die Union angeſchloſſen: aus den 10 des Jahres 1849 waren 73 geworden. 
Heute find es mur noch 36. Der Grund für diefen g liegt teilweiſe darin, daß 
en Profelptengemeinden, denen zu jehnell das Necht jelbftftändiger Kirchen eingeräumt 
orden ivar, wieder der Commission d’&vangelisation unterjtellt werben mußten. Vor 
36 allem aber- liegt er in ben ifjen, die inzwiſchen in ber reformierten | 
retchs eingetreten waren. Die Generalſynode von 1872 war wieder über der Befenntnie- 
frage uneins geworden (f. Bd VI ©. en aber diesmal —— die Liberalen. Die 
Orthodoxen bildeten die Eur general offieieux auf der Grundlage des Befennt- 
nifjes, das Friedrich Monod einft vergebens gefordert hatte. Der Anlap Br: 
40 Ken "Theorie r bie — nr da wire Zu Befenntnifjes willen — * 
i orien gerne aufga ielleicht wäre wenn er 
elbft in die Staatstirche zurückgekehrt, von der ibn, wie wir cn an, a allein bie ® 
itnisfrage und nicht jeine kirchenpolitiſche — getrennt hatte. Sag 
doch wenige Monate vor feiner tötlihen Erfrantung zu jenen ee im Neligie R 
45 unterricht: „die reformierte Kirche Frankreichs if unjere Kirche und, wenn ſie ein 
Glaubensbefenntnis bätte, fo bätten wir nichts zu tbun, als wieder "unfern 5 Mab 
ibr einzunehmen“ (Revue Chretienne 1902, I ©. 332). Sen Sobn 2 einſtige 
itarbeiter Theodor Monod tbat im Nabr 1877 diefen Schritt, ebenſo * 
und John Boſt. Dagegen blieben ©. Fiſch (geſt. 1881), Edmond be Pr 
so 1891, f. den Art), Noger Hollard (geft. 1902) und Leopold Monod in 
* libre treu, nicht aus dogmatiſcher Engberaugten, jondern aus Pietät. un ba 









eugung, daß die Eglise libre ala Freikirſche nocd eine Aufgabe in 
erfüllen babe, wenn fie auch als Belenntnistirde zur Sondereriftenz | 
a mebr hat. Denn als Belenntnisfirde nad) jeinem Herzen würde Mer — 
u ft feine Gründung nicht mebr anerkennen. Schon im Jahr 1861 mußte“ 
durch den Pfarrer der Gemeinde Thiers, die von der Union ſich trennen 
5 die Metbobiftenfirche fih anſchließen wollte, an die —— tiſche Anarchie innerha 
ber Union erinnern laſſen: „Handelt es ſich um die Bibel? eben nur eine inter 
mittierende Inſpiration zu, manche ziehen — die Achtheit die ei jenes Buches ir 
eo Zweifel. Handelt es fi um den Sündenfall? Er iſt abjolut für die einen, relatıw f 


BE sg u er 




















Monod, Friedrich Monogramm Chrifti 367 


die andern. Handelt es fi) um die Verfühnung? Sie wird, um das wenigſte zu jagen, 
von manden abgeſchwächt. Handelt es ſich um die ewigen Strafen? Die einen glauben 
daran, andere leugiien fie” (Correspondance relative à la rupture de l’Eglise de 
Thiers avec l’Union S. 25). Wobl hat die Synode von Urtbez 1893 jih in einer 
Kefolution von neuem zu den in der Konfeffion der Union enthaltenen fundamentalen 5 
Glaubenswahrheiten bekannt, aber die diefer Nefolution angebängte Beichränfung „tout 
en r&eservant à chacun la libert€E de ses opinions th&ologiques" läßt doch auf 
eine theologiſche Stimmung innerhalb der Eglise libre jchließen, die nicht mehr zu F. M.s 
dogmatifchen Ueberzeugungen führen würde. Sein Glaube an die Schriftinfpiration z. B. 
bürfte unter den Theologen der Eglise libre heute faum mehr einen Anhänger finden. 
Auch an den Glaubensbetenntnifjen wird wieder zu Erde, was von Erde genommen ift. 
Die zeitliche Hülle jtirbt ab, wenn ihre Zeit um iſt. Die ewigen Gedanken bleiben und 
uchen neue Formen. Es ift der Synode general officieux der reformierten Kirche 
anfreichs in Anduze 1902 noch einmal gelungen, mit derjelben Beſchränkung, die 1893 
die Synode der Eglises libres in Orthez machen mußte, die Konfeſſion von 1872 auf: ı5 
recht zu erhalten; aber die Verteidiger des Alten waren mit den Fürfprechern des Neuen 
einig in der Erkenntnis: die Frage iſt aufgefchoben, nicht gelöft. Zur Löſung fünnen 
Friedrich Monods Erfahrungen und die Schickſale feiner Gründung einen wertvollen Bet: 
trag geben. Engen Ladhenmann. 


Monogamie ſ. d. U. Ehe Bd VE. 182. 


Monogramm Chrifti. — G. B. de Rossi im Spicilegium Solesmense ed. Pitra IV, 
1858, S. 505ff.; R. Garrucci Storia della arte cristiana I, 1881, ©. 163ff.; Smith und 
Chetham, Dict. of Christ. ant. Il, 1880 ©. 1310ff.; 5. X. Kraus, Real-Encytlopädie d. hr. Alt. 
Il, 1886. S. 125 ff. 412 ff; V. Schulge, Archäologie der altchr. Kunit, 1895, ©. 265 ff. Bol. 
auch Brieger, Konitantin d. Gr. als Neligionspolitifer 1880, S. 38 ff. und Zöckler, Das 2; 
Areuz Chriſti 1875, ©. 7ff.; F. Cabrole, Dictionnaire de l’archeologie chret. et de liturgie 
L, 1903, ©. 177 #. 

Unter Monogramm Chriftt wird der Namenszug des Erlöfers verſtanden; gewöhnlich 
derjenige, der aus den beiden eriten Buchftaben des griechiichen Namens Chriftus zu- 

mengejegt iſt. Toc giebt e8 von altersber auch eine abgefürzte Bezeichnung des 30 
ens Jeſus, ſowie beider Namen zufamnengenommen. Wir haben diefe drei Mono- 
gramme in Betracht zu ziehen. 

I. Für den Namen Chriſtus. Wir fallen zuerjt die Korm des Monogramms, 
dann die Bedeutungen besjelben ins Auge; weiter foll von dem Alter und der Verbrei— 
tung, endlich von der Anwendung in Schrift und Bild die Rede fein. 36 

1. Die Form. Das Monogramm Chrijti zeigt zwei Hauptformen, inden entweder 
das P in vas X hineingejegt, oder das letztere aufrecht geftellt und das P an den nun 
fentrechten Arm angefügt wird) alfo: PR und P. Die eritere Form befchreibt Eufebius 
(Vita Constant. I, 31: vo oroıyeia rö Xoıorod nagadnloüvra Övoua, dia Tav 
REDTWV —— yagaxınowv, yıaloutvov toõß P xata TO ueoaltarov) und 40 
Baulinus von Nola (Poem. XIX. de Felic. Nat. XI. v. 618sqq. Opp. ed. Murat. 
p. 481), Die andere Yactantius (De mort. persecut. c. 44: Transversa X littera 
summo capite circumflexo Christum in scutis notat.), denn ſchwerlich kann 
unter der transversa X, deren Spige umgebogen ift, etwas anderes ald das + 
verſtanden werben, aus deijen jenfrechten Arm ein P gemadt if. Aus jenen beiden a5 
—* entſtehen durch Umkehrung des P zwei andere, nämlich X und +. Wird durch 


mi 


0 


20 


fügung eines horizontalen Querſtrichs aus dem P der eriten Form ein Kreuz ge: 

‚ ſo entſtehen zwei tweitere Formen X X. Dazu fonımen noch einige feltenere 
\ en, unter denen eine Modififation der beiden Formen > und P hervorzuheben 
in. Es iſt eine durch Einführung eines lateinifchen Buchjtabens entſtehende Mifchung, oo 
mbem R jtatt P gejchrieben wird, meijt mit geringer Ausbildung des fchrägen Striche. 
Die Form findet fi öfter auf Grabmälern in Syrien, fchon vom Jahre 420 (de 
, Syrie centrale Vol. II. Pl. 151; val. Vol. I, p. 89), in Trier auf Grab: 

‚ die nicht über die Mitte des 5. Jahrhunderts hinaufreihen (Xe Blant, Inser. 
Sr. 217. 270. 291; Pl. n. 160. 174. 190) und fonft in Gallien; etwas fpäter in 55 
ien, bauptfächlid in Ravenna, aud auf einem Sarkophag in Mailand (Allegranza 

. Tav. II). Über den Gang, den diefe Zatinifierung des P mutmaßlich ges 
kommen, vgl. de Roſſi, Bullet. crist. 1880, p. lötsgqg. -- Abbildungen bei Kraus, 
RE. II, ©. 412; Schultze S. 265 u. a. 














368 Monogramm Chrifti 
2. Underweitiges Vorkommen des Monogramms. Die Form P ilt 
— chriſtlichen Gebrauchs. | ihr nahe verwandt iſt 





nn 1876 €. — — 
10 auf Müngen ze — 
en Sabre bei} v. —* 


—— und in der zuſe In Dloh oAv n Ki Ba it 
id als an von x — = al Rs Palaeogr. Gr. = 













* Kine Chrifli 

ebraud, geinejen if. 
Belle des älteren Gebr 
n.3), ahre 291 bei oder en 

a5 vom dahre 291 bei eg 


Daß 
gef aan — 
gramm ins zweite rhundert ge bört (Roß, ne Fasc. III n. b. 
» p. 8), tt irrig. es iſt wo eheintic) ei wie man ſchon im zeiten 
die beiden — des Namens Jeſus mmennal — nachher unter ] 





Fake im chen vorkommt, 3. B. in beim "Eyitaph der "nen ae und des * | 


wi in der Priscillafatatombe IOT AOZA EN R, Wilpert, o > 1895 
Alfo geben die Privatdenfmäler mit dem Mo 
1 bau errt J in den Se —— Sräber, bald nn bald in Verl 


—— in ln Te r' Nr. OB8 fe. Le — * * n. — 355). gene 
Gerät der Gräber, namentlich Yampen und Slasgefähen, au a Fin 
in Wandmalereien der Grüfte, namentlich im Scheitel des® ee der —5 Endlich 
an Paramenten ſ. NOS XIV ©. 16 ff, auf Gewändern und anderen mälern au 
* täglichen Leben |. R. Forrer, Die frühchriſtl. Altertümer aus an ( ni berfelde vor 
Achmim⸗Panopolis 1893 ©. 24f.; auch bei der Inſchrift eines Hochzeitsgeräts (d’Agin 
eourt, Seult. Pl. IX fig. 1. 24). ’ 
Die beiden Hauptformen gehen eine Zeit lang nebeneinander her; fie erjcheinen zu 

weilen auf einem und demſelben Denkmal: tie auf dem Sarkophag des Caterbius 
0 Tolentino, wo die Front das ® zwiſchen zwei Schafen, die Duerfeiter das 2 ziwmiice 





Monogramm Ghrifti 369 


zwei Pfauen zeigen (Garrucci, Stor. T. V, pl. 393). Im 5. Jahrhundert tritt die Form 
2 gegen £ zurüd; und beide machen endlich dem einfachen Kreuz Platz. 

Auf öffentlihe Denkmäler gebt das Monogranm durch Kaifer Konſtantin 
den Gr. über. Er ließ e8 in das Labarum jegen, wahrfcheinlih in diejer Geftalt PB; 
audy auf jeinen Helm, ſowie auf die Schilde der Soldaten. An die ihm gewordene Er— 
ſcheinung erinnert das Yabarum mit dem Monogramm in der Hand dis Kaifers, der von 
der Victoria gekrönt wird, mit der Umfchrift HOC SIGNO VICTORERIS auf Münzen 
(Mittel: und Kleinerzen) feined Sohnes Konftantius und deſſen Zeitgenofjen Vetranio 
(350) und Gallus (351— 354). Bon ihm felbjt ift eine berühmte Münze mit dem Mono: 
gramm auf dem Labarum, welches auf einer Schlange ſtehend fie durchbohrt, nebſt der 
Inſchrift SPES PUBLICA (Gdbel, Doctr. numm. Vol. VIII, p. 88; Cohen, T. VI, 

. 160, 483); vgl. die wahrſcheinlich auf Konſtantius bezügliche Wiener Kaiſergemme, 
S XII S. 138ff.; jedoch wird deren Echtheit bezweifelt, Strzygowski, Orient oder 
Rom 1901 ©. 83. Münzen zeigen aud das Monvgramm auf dem Helm Konftantins, 
owie auf dem Schilde des Kaiſers Majorianus (157—461). Auf den griechijch-römtjchen 
ünzen ift ferner das Monogramnı in beiden Hauptformen (mit Unterbrechung durch 
Kaifer Julian) ganz gewöhnlich. Hauptdentmäler find ein Goldmebaillon des Kaiſers 
end, über 77 g ſchwer: der Raifer mit dem Yabarum in der L., eine weibliche Figur, 

die Res publica, aufrichtend; und mit demjelben Gepräge Goldmedaillons Balentinians II. 
und Theodoſius des Gr., — das erite und legte im fgl. Münztabinet zu Berlin (unter 
den ausgelegten Münzen Nr. 1114. 1118), das zweite in Paris (Cohen, T. VI, Pl. XV, 
5). An das Münzgepräge, namentlich aud) des Honorius (Binder 1857), ſchließt fich die 
Borftellung auf einem Elfenbeindiptychon desjelben Kaifers in Aoſta an. Unter Kaiſer 
gulianion I. (geit. 565) gebt der Gebrauch des Monogramms auf den Münzen zu 

‚ da das Kreuz an deijen Stelle tritt. 

Bald nah Konftantin, in der zweiten Hälfte des +4. Jahrhunderts, erfcheint es aud 
an Öffentlichen Bauwerken. Das ältejte datierte Monogramm diejer Art it in einer In⸗ 
ſchrift vom Jahre 377 zu Sitten in der Schweiz, vermutlich von dem dortigen Präto- 
rium, welche deſſen Wiederberitellung durch den Prätor Pontius anzeigt (MMommſen, 
Inseript. Helvet. lat. p. 3, nr. 10; Le Blant a. a. O. ©. 496 und PI. 38, 231; 
vgl. Egli, Kirchengejchichte der Echmeiz, S. 8). Es folgt zu Konftantinopel die Baſis 
des Obelisfen Theodoſius' des Gr., mo es unter Skulpturen erfcheint (B’Agincourt, 
Seult. X, 6). — Zumal in firdlichen Gebäuden wird es angebracht. Das ältefte, wahr: 
preinlich nob aus fonftantinifcher Zeit, it in den Mofaiten von ©. Konftantia in 

om auf einer Rolle in der Hand Ghrifti, da man berechtigt ift, auch Diefen Teil der 
Moſaiken in jene Zeit zu ſetzen (j. Müns, Mosaiques chrét. de l’Italie II., Rev. 
arch&ol. N. S., t. XXX, 1875, p. 2’4sqq.). Demnädjt erjcheint es in mittelpuntt- 
licher Anordnung an der Front oder an der Tribüne der Kirchen, — gleichwie zuvor in 
Cömeterien im Scheitel der Arkofolien. Beides zuerit an der merkwürdigen Kirche del 
Salvatore bei Spoleto mit einer Yagade, welche frübeite chriftliche Architeftur in klaſſi— 
ſchem Typus zeigt, mohl aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts: da iſt am großen 
Bogen über dem Altar das 2, und im Tompanum zweier Seitenfenjter der Front das 
P zu jeben (de Roſſi, Bullet. 1871, p. 141. 136; letztere abgegeb. Tav. X, 1). Ebenſo 
an einem verwandten Bau, dem Tempel am Ufer des Clitumnus, der vermutlich im 


d. Jahrh. in eine Kirche verwandelt worden; bier zeigt der Giebel der Rückſeite über der .- 


dag P ſymboliſch verziert (ebendaf. p. 40 Tav. XIT). Ferner im Scheitel des 
Bogens von S. Marian maggiore in Kom aus der Zeit Sixtus III. (um 435). Und 
ebenſo noch in S. Francesca Romana dajelbft aus dem 12., wenn nicht aus dem 13. Jabr: 
hundert. An der lateranifchen Bafılika ift es im Giebel fichtbar nach der Anordnung 
Slemens’ XII. vom Sabre 1735. 
4. Die Anwendung. In Grabfhriften drüdt das Wonogramm, wenn es gram: 
matiich unverbunden zu Anfang, in der Mitte oder am Ende derſelben vorkommt, das 
is zu Chrifto aus. Doch kommt e8 auch fpäter grammatifch verbunden als AD: 
firzung des Wortes Chriftug vor, 3. B.: IN ASELVS, -- AEQVITIO IN $ 
DEO INNOFITO (sic), -- QUIA SCIMUS TE IN >$, alle drei im lateranijchen 
Muſeum (IX, 19. VIII, 4. 15). Und in der Formel IN NOMINE >R (cbendaf. VIII, 
10) und abgefürzt IN N > (VIII, 9) over IN SIGNO P (j. zuvor). Aber auch 
mit Brädilaten wie DP.INN >, — SUSCEPTA COLONIA IN £ (VIII, 1. IX, 
19). Bei den Bildern der Cömeterien dient es vor allen zur Bezeichnung der Perſon 


* 


[ei] 


— 
© 


[> 7 
or 


20 


* 


40 


de 
De 


Ehrifti, zumal wenn dieſe durch Zinnbilder vorgeftellt iſt. So bat das Lamm, auf dem gg 


Neal⸗Fueytlopadie für Theologie und Kirche. 3.4. XIII. > 





Sy nd, Off ‚Id, 1, das auf t auf einem Sark 
tanıkden Oretten bi Bottari, T. j Tav. XXL. Au b bei der menfehihen Fi Ai pur 







— 
——— SE Meter Ri einen A 


od ri im song. Kalender — 
d’Arles p. 24, pl. XII, 
— — iſt endlich die == des Monogramms zu einer ſymboliſcher 
Auf einem Grabfteine vom Jahre 355 tt das P neben einem N anı 
ildet, welcher es mit der ausgeftredten Nechten ge ilt zn bei de Sof 
25 Eee Tr nr. 125). 





in ber 
— * Sr: 


Känber das a a ee in (ebendaf. Pl. II, 9), 
— — Monogramm in "den eb —* Une je in Nas 


2. Das Monogramm IC XC. Dies iſt die — ABkü F beider Namen 
55 in den älteſten Handſchriften des Neuen Teſtaments, wie in dem en Dim 
aus dem 5., dem Glaromontanus aus dem 6. Jahrhundert, die au —* den 
Handſchriflen beibehalten wird. Sie erſcheint dann auch in Dentmälern, namentlich 








ICXC 
der Inſchrift — die ſchon im den neapolitaniſchen Katalomben in einer —— 





| 

















u Mesnogramm Chriſti 371 


menu end fich findet (Belliccia, De eccles. christ. polit. 
——— Über die älteften chrijtlichen Begräbnigitätten, 
7 namentlich im Abendmalsgerät, auf dem Boden 
ucholog, p. 117). — Ferner wird in Bildwerken 
geſetzt: auf biyantinifd en Münzen zuerit unter 5 
s bajelbft in Gebraud) bleibt bis zum Untergang 

en leiten griechifchen Kaiſer, Konftantin XIV. Pa- 
willen den, welches auf der Rüdjeite neben der 
TO XO hat, wovon ein Cremplar im £ £ Mün 

uch Doetr. numm. Vol. VIII, p. 273). Auch font 
© auf ben chernen Thüren ehemals an der Pauls⸗ 
Richt minder in griechifehen Malereien, ſowohl Minia— 
bar Chriftfinde, welches die Maria auf dem Arm 

A ber l. Galerie zu Berlin. 

ji bergang dieſes Monogramms zu der latei: 15 
Peterskirche zu Rom befanden ſich Moſaiken 
s de 7  Abronenden Chriftus daritellten (zwiſchen den 


lt de Inſchrift IC XC (abgeb. im Ev. Kalender für 
In ben noch vorhandenen Mofaifen von Philippus 
gior gi om (Walentini, Basilica Liberiana Pl. » 
talieniichen Uriprungs aus dem 14. und 15. Jahrh., 
5 Diomogeamm aufzuweiſen haben, B. = einer 
. Nah 1334 in der fgl. Gallerie zu Berlin, und in 
en 1 bor der Magdalena von Donatus Bizamanus 
' WNaincourt, Peint. Pl. XCII). 25 


* — IHS XPS. Die lateiniſche Kirche bat 

1 Namen, die auch ſchon in den älteften Iatei- 
| iechijch- lateinifchen Goder Glaromontanus, an 
He mu in den Minustelhanpfchriften beibehalten, wie 
Paris aus dem 8. Jahrhundert, wo der Anz zo 


generationis in xpi (Fakſimile bei Silvestre Pa- 

I art baben im 9. Jahrhundert Verhandlungen in der 

A rind aus der Diözefe Met, Verfaſſer des Buchs 

f in einem Briefe an den Hieremias, Erzbiſchof von 

, Spiele. T. III, p. 330) Auskunft, weshalb man 35 

‚ &inem H, fchreibe, und drückt zugleich die Anficht 

( mit IH und C oder S gejchrieben werden; - - 

feine Afpiration, fondern das griechifche H fein. Meiter 

vb man richtiger IHC oder IHS fchreibe; worauf 

il art enticheidet, daß nämlich die beiden eriten Buchſtaben 10 
dem lateiniſchen Alphabet genommen werden, ähnlich 

ehalten werde (dieſe Briefe ebendaf.). 

ft, fo erf eint die Formel IhS XPS (und IhS XIS) 

—* antiniichen Münzen nah dem Vorgang Juſtinians II. 
* Essai de eélassificat. des suites monét. Byzan- 15 
XXIV, : 22) bis auf Romanus IV. an ln -1071); 

op: XC) allein dort in Gebrauch bleibt. --- Im Abend: 


BE XPS von altersber in Inſchriften a Bildwerken, 
) Miniaturen karolingiſcher Handſchriften, ſowie in Tafel- 


















































- —* 


on 
w 


— — 
— — 
— — 
— 


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Ö 


it 
rer 
ur 


v0 


R m Nefus Im Grichifhen das Monogranm IH. 
5 Monogramms, von der wir Nachricht haben, nämlich ſchon 
' (e, 9), wo in der Zahl 318 der Männer, welche Abraham 

—— oder Gleichſtellung von 1 Moſ 17, 23 mit 14, 14), 
ns Namen Jeſu und das Kreuz gefunden wird; denn 318 mit os 
gefchrieben, it oT. Ebenfo Clem. Strom. VI, 11. Dieſe 
ie ateiniiche Kirche übergegangen (ſ. Coteler. zur angel. St). Auf 
een indeſſen kommt cine jolche Abkürzung nur ſelten vor. Bei⸗ 
* 


372 Monogramm Chrifti Mouophyſiten 


jpiele aus der Katakombe der Priscilla bei » Gotigeiweihte Jungft, Tfl. IV, 8 
und aus dem Atrium ber jog. Capella “Cremer panis ©, 101. 

Im Abendlande bat, das Monogramm IHS jeit dem A des Mittel- 
alters großes Anjeben und —— Verbreitung gefunden durch | von 


s Siens, der in Predigten, wel in verſch 
abr 197 gebalten, zum Ku gm Tafel mit diefem —* in gr 
ıbftaben ‚ bon Sonnenftrablen rings umgeben, zur Verehrung te 


en Verhandlungen bean He Annal minor. T. V. a. 1427, 
& 





183 Ti Mon $ das igt wurde, ift auch i 
on —* — in uiid Sr —— ge 
ſuiten fich die — angeeignet. Bei ns [ eines Jeſuitengenerals 


im Nabre 1541, aus welder Ignatius als ſolcher — etzte dieſer an die Spitze 
ſeiner Abftimmung den Namen IHS. Und das Zeichen ıhs jteht in dem Siegelitempel 


15 aus € er in jener Eigen bediente, Demfelben, mit welchem die en 
— J — — — — ae (A, S. 5 Fr "ui Bo vi 


Monoinos, der arakın it allein aus olyts refutatio (ben —* 
— — —* "been, ber iin —— und —33 
20 ern erfahren wiren yt teilt nur ſeine gonie un — owi 
allerlei allegoriſche Spielereien d M. — ſich darin von gnoſtiſchen Ideen —— 
Sein Syſtem, ſoweit wir es erkennen fünnen, iſt eine Miſchung von pythagoreiſch 
Weisheit mit bibliſchen Gedanken. 
n einem von Hipp. VIII, 15 citierten Brief mahnt er einen geriten Tbeophraft 
» er ſolle, na * er Gott und die Natur und ähnliches (joll wohl heißen Gott im ber 
Natur) nel t babe, ihn in fich felber (drrö oeavrod) juchen, jo werde er ſich von 
als einer einbeitlihen und zugleich vielfältigen Macht abhängig —— 
Das höchſte Tejen ift der ungeborene und vollfommene en — aus ihm iſt, 
nicht durch gu fondern wie das Licht aus dem Feuer Menfcenfohn” * 
30 gegangen. Der doll ommene Menſch bat als Symbol das „eine — die Pad 







er it eine Monas, aber als Jota, das griechifche Zahlzeichen 10, 
Auch der Menſchenſohn wird mit dem Jota als ber Monas- ce ne 
Menſchen bilden fich ein, er ſei vom Meibe geboren, * alle in dieſem 
fang angenen vermögen feine Schönheit nicht zu fallen. In biefer —— * ſich 
35 Vetismus, wenn nicht Ablehnung des biftorijchen G riſtus überhaupt 

Die Welt ift nicht von dem Menjchenjohn gefchaffen, jondern bon Fr Sechöhei: 
in der Defas enthalten it; das findet in der m ag. Erzählung, —* Sechsta⸗ 
werk angedeutet. Der Sabbath iſt das Wert der Siebenbeit, die 

ehe entbalten ift. Hier findet fich das offenbare Bejtreben, ie ® t —— 

40 höchſten Weſen abzuleiten, aber auch nicht dugliſtiſch ihm gegenüber — An "die 
opbitiihen Sekten erinnert die Beſtimmung des a; als „Menſch“ le 
john“. Spelulation über das Jota und die wa »epala findet fich u, Mi 
(ren. I, 3,2), aber nur beiläufig, während fie be M. im ng 

Das AT bat M. allegoriich gedeutet. So ift ber Stab Mofis la 

45 Hgbpten wie bei den Naaſſenern bie materielfe Welt. In den 10 en ee 1 1% 
boten iſt die Dekas angedeutet; auch im Paſſahgeſ findet } ns Tieffinn 
er das NT braucht, beweiſt die Benugung der Stelle vom Mt 5,18. —— des 
M. Erlbſungslehre läßt uns Hippolht im Dunteln. Quell * Hipp. refut. VII, 

R. Licchtenhan, 





12—15; X, 17. 





50 Monophyſiten. — Der erhebliche Zuwachs an geſchichtlichen Erfenntniffen, der una in 
ben letzten Jahren durd) die Erſchließung zahlreiher in ſyriſcher Sprache — *—— Dueller 
zur Gejcichte des Monopbyjitismus geworden ift, machte es notwendig, den für Be 
vortrefflihen Artikel in der 2, Aufl. diefer Encyklopädie (Bb X, S.236—250) von W, Möller 
durd) einen neuen zu erjepen. Mus Gründen der Pietät und "weil ed mir (08 erſchier 

55 gut Gejagtes mur anders zu formulieren, bin ich dem Wortlaut des alten Art, nicht felten 
gefolgt, muß aber die Verantwortung für den neuen dod) allein tragen. 

bgefürzt eitierte Quellen (mo zen fritiiche Musgaben vorhanden 


nad) 
biejen eitiert, ſonſt nah MSG und MSL): 1. Konzilsalten md — | 











> unngeneben, nad) Manſi, Conciliorum Collectio, Bd 7—9, 
Simpliciug, Selig, Gelafius, Anaſtaſius und Hormisdas 
ianorum Pontificum genuinae, Tom. 1, Brunsberg. 1868; 
8 insbeſondere die wertvollen Gesta denomine Acacii 
Ihr Noen Pipe nad Manfi; val. außerdem Regesta Pontificum 5 
n. I, Lips. 1885; der Liber Pontificalia (j. d. U. Bd XL, 
1, "Par. 1886. 3. Geſchichtſchreiber und Ehronijten 
g nal. dazu K. Krumbacher, Geſch. der byzantiniſchen 
= Chronicon Paschale, verfaßt nach 629 (f. d. 
Üi Pe, wo Be — der Dindorfſſchen Ausgabe (Corp. 10 
—— eingetragen ſind; Ev. — Evagrius, Kirchengeſchichte, 
V, 6495.), eitiert nah J. Bidez und L. Parmentier, The 
15 "with e Scholia, London 1808: Joh. Ant. = Johannes 
bes 7. Sehr. citiert nad Fragmenta Historicorum 
r, 1870; Joh. Nik. = Johannes, monophyſitiſcher Biſchof 15 
Sehironit um 700, — in äthiopiſcher Ueberſetzung, eitiert 
sur la et, Byzantine de Jean, Eväque de Nikiou, in 
“ rn 1878, 245—347; Mal. — Johannes Malalas, Chrono: 
ian (1.8.9. BdXILI, ge, eitiert nad) MSG 97 (Seiten: 
[Oorp. Seript. Byz., Bonn. 1831] im Text): Nic. — Nice: » 
—— geſchrieben im 14. Ih. (ſ. d. A.), eitiert nach 
top, Historia Arcana, unter Zujftinian, citiert nad) Dindorfs 
onn. 1833; Theod. Lect. — Theodorus Lektor oder Anagnoftes, 
ng auf Quftinl. (518), orthodor, nur in Bruchſtücken (wahrſchein— 
‚ angelegten Erzerptenfammlung) erhalten und zwar: Theod.Lect. 
er 2 ioronias Heodwmoor Avayıworovs, citiert nah) MSG 86, 1, 
Sande von 5. Valefius, Cantabr. 1720, im Text); Theod. Tect. 
kino. foroolas, citiert nad): Anecdota Graeca (Parisiensia) ed. 
‚ 8°—114; Theod. Lect. Mill. = Fragments inedits de Théo- 
(par) E. Miller, in Rev. Archeol. 26, 1873, 273—288. 35 
— und Quellenverhältnijien val. J. V. Sarrazin, De 
4 fonte praeeipno, Lips. 1881, und Früger[f. u. S. 374, 4] 43 ff.) ; 
feſſor, Chronographie, zwiichen 810 und 815 (über das Ver: 
in a. a.D.), citiert nad) C. de Boors Ausgabe, Lips. 1883 -85, 
se Nhetor (f. d. W.), bald nad) dem Regierungsantritt des Anaſtaſius 35 
otifchen) Standpuntt gejchriebene Daritellung der kirchlichen Ereig- 
Syn n Zobe Benos, aufgenommen in Buch 3—6 der Historia Mis- 
®ateiner: Liber. = Liberatus, Breviarium Historiac Nestoria- 
Vin, neichrieben zwiſchen 560 und 566 (f. d. A. Bd XI, 4497.), nad) 
lare. — Marcellinus Comes, Chronik, bis 534 bzw. 548, citiert nad) a0 
ea Minora, Vol. 2, Berol. 1894; Viet. Tunn. — Viktor von Tunnuna, 
A Diommmjen ebda, c) Syrer: "Chron. Edess. — Edeſſeniſche Chronit, 
int wohl um die Mitte des 6. Jahrh. (Hallier® Gründe für fpätere 
whichlanend) geſchrieben, citiert nad: 2. Hallier, Unterfuhungen über 
| T Be: , in zu9]1, Leipzig 1892; Hist. Misc, — Historia u; 
Eiern —— Sammelwerf eines ungenannten monophyſitiſchen 
JAicchengeſchichte des Zacharias Rhetor genannt, deſſen Werk (ſ. o. 
ninen: ommen iſt, eitiert nah: Die 74 Kirchengeihhichte des Z3. Rh., in deutſcher 
3 - von #. Ahrens (lleberf,) und Krüger (Einleitung und Kommentar), 
7 ot Profani, Fasc, 3, Xeipzig 1899 (vgl. auch: The Syriac Chronicle =. 
{ Zachariah of Mitylene, transl. into Eingliah [ohne Komm.] by F. J. 
» Brooks, London 1899, und zu beiden Publitationen den Aufſatz von 
L eier historique de Pa. Zacharie le Rheteur, in Rev. de l’Or. Chret. 
- 461—480); Joh. Eph. = Johannes von Ephejus, monophyjitiiher Bischof, 
En. B5IX, 301F.), — zwar: Joh. Eph. Comm. = Joannis Episcopi ;; 
jophysitae Uommentarii de Beatis Orientalibus (Lebensgefdichten und 
jen u. Biſchöfen) Latine verterunt W. J.van Douwen et J.P.N. Land, 
1202. Joh. Eph. Fragm. = Joannis Episec. Eph. Syr. Mon. Historiae 
* zmenta, ibid. —— ‚Joh. Eph. KG. = Die Lirchengeſchichte des 
r Ept Eph. Aus —* se überi, von J. M. Schönfelbder, Winden 1962, und Joh. 60 
eg. Mau, Analyse de la seconde partie in@dite le l’Histoire Ecel6siastique de 
sie, IN Rer. de l’Örient Chretien 2, 1807, 457- -493; Jos, Styl. = Joſua Stylites, 
il, geidjrieben 507, citiert nach: W. Wright, The Chronicl- of Joshua le Stylite (Text 
mai. Ueberf.), Cambr. 1882; Mich. Ayr. — Chronique de Michel de Grand, Pa- 
we des Syriens Jacobites, traduite ... . sur Ia version armdnienne du prötre Ischok 6; 
‚ Langlois, Ven. 1868. d. Arabiſch: Eut. = Contextio Gemmarum sive Eutychii 
wchae Alexandrini (ſ. d. A. Bd V, 647) ‚Annales, citiert nad) MS 111 (bier die 


Monophyfiten 373 




















































IS 
rt 


7 
w 


374 Monophyſiten 


Seitenzahlen der Ausgabe von Pocode, Oxon. 1658). 4. Sonſtiges (alphabetiſch): Cyr. 
Scyth. = Cyrillus von Scythopolis in Galiläa (Mönch zuerjt im Klofter des Euthymius, dann des 
Sabas, geit. nach 557), und zwar: Cyr. Scyth. Euth.= Bios xai zodıreia tod daior narpos nur 
Erdrulor, in J. B. Cotelerius, Ecclesiae Graecae Monumenta 2, Par. 1681, 200—340, und 
5 Cyr. Scyth. Sab. = Bios roũ dalor zaroos numr Faßa, ibid. 3, 1686, 220— 376; Leont. = 
Leontiug, unter Sujtinian (ſ. d.A. Bd XI, 394—398), und zwar: Leont. Monoph. = contra 
Monophyeitas, in MSG 86, 2, 1769—1902, und Leont. t. — de Sectis, ebd. 86, 1, 
1193—1268; Blerophorien = %. Nau, Les Plerophoriees de Jean, Evöque de Maiouma 
(aus dem Eyrifhen überj.), in Rev. de l’Or. Chret. 3, 1898, 232—259. 337—392, eine 
iv Sammlung von Ausſprüchen (Prophezeiungen, Gejidhten, Offenbarungen) verjchiedener mono: 
phyſitiſcher Größen, in eriter Linie Petrus des Iberers, aus der Kampfzeit nad) Ehalcedon, 
um 515 entitanden; Suidas = Suidae Lexicon, citiert nad) Bernhardys Ausgabe, Halle u. 
Braunſchweig 1843; Tim. Presb. = Timotheus Presbyter, um 600, zeoi T@y ro00e0zousror 
75 ayia &xaimoia, gewöhnlid citiert als de receptione haereticorum, Kegerlatalog mit geſchicht⸗ 
15 lihen Notizen, had MSG 86, 1, 11—74 (hier die Seitenzahlen der Ausgabe von Eotelerius 
ſ. v. ©. 374,4) 3, 377—420 eingetragen); Vit. Petr. — Lebensbeihreibung Petrus des 
erers, verfaßt von einem zeitgenöſſiſchen Anonymus, citiert nah: R. Raabe, Betrus der 
Iberer, Leipzig 1895 (Tert und Ueberſetzung). 
Litteratur: (dev lleberfichtlichkeit wegen alphabetifch geurdnet; die 2. zur Lebens: 
0 gedichte u. f. w. der einzelnen monophyjitiihen Theologen iſt nicht aufgeführt; ſ. d. 
etr. Nrtilel): J. ©. Aſſemani, Bibliotheca Orientalis Clementino-Vaticana, Tom. 1, 
Rom. 1719; 2, 1721 «(bier die wertvolle Dissertatio de Monophysitis); C. 3. Ball, 
A. Monophysites in DcehrB 3, 1882, 308--320; W. Barth, Kaifer Zeno, Bajel 1894; 
3. Basnage, Dissert. de Eutychianis variisque Eutychianorum sectie, in Thesaurus 
25 monumentorum ccel. et hist. sive Caniaii lectionarium antiqu. I, Amstelod. 1725, 
cap. 3, 238qq.; %. C. Baur, Die chrijtl. Lehre von d. Dreieinigfeit 2, Tüb. 1842, 37—96; 
&% 3. Bury, A History of the Later Roman Empire, 2 Voll., Lond. 1889; H. %. Glinton, 
Fasti Romani, Vol. 1, Oxf. 1845; %. Diekamp, Die origeniftiihen Streitigkeiten und das 
5. öfuntenifche Konzil, Münjter 1899; J. A. Torner, Entwidelungsgeihichte der Lehre von 
30 der Perſon Chriſti? 2, Berlin 1853, 150--193;, X. Freund, Beiträge zur antiochenijchen 
und zur konſtantinopolitaniſchen Stadtdjronit, Jena 1882; H. Gelzer, Joſua Stylites und 
die damaligen kirchlichen Parteien des Dftens, in Byzant. Zeitlär. 1, 1892, 34-49; 
derf., Abriß der byzantiniſchen Saifergefchichte, in K. Krumbachers Geſchichte der byzant. 
Ritteratur?, München 1897; Edw. Gibbon, The Decline and Fall of the Roman - 
35 pire, Chapt. 47, Lond. 1788 (neue Ausgabe von J. 8. Yury, Vol. 4, ebenbaf. 1898): 
% 6. X. Giefeler, Commentatio, qua Monophysitarum veterum variae de Christi persona 
opiniones ... illustrantur, 2 Tfe., Göttingen 1885. 38; 4. v. Gutihmid, Verzeichnis der 
Patriarchen von Nlerandrien, in Kleine Schriften 2, Leipzig 1890, 395—525 (= Gut 
ſchmid); A. Harnad?, Lehrbuch der Dogmengeſchichte, 2, Freib. u. Leipz. 1894, 376—399; 
#6. J. v. Hefele, Gonciliengejhichte?, 2, Freib. 1875; derſ., N. Monophpfiten, in RE, 
8, 1893, 1781—97; 9. ©. Kleyn, Bijdrage tot de Kerkgeschiedenis van het Oosten 
durende de zesde eeuw, Utrecht 1891; derf., Het leven van Johannes van Tella door 
Elias, Zeiden 1882, ©. Krüger, Monophyjitiihe Streitigkeiten im Zuſammenhange mit der 
Reichspolitik, Leipzig 1884 (= Krüger); 3. P. N. Land, Zohannes, Biſchof von heſus, 
10 Leyden 1856; 9. Langen, Geſchichte der römiſchen Kirche von Leo I. bis Nikolaus I. 
Bonn 1885; Lebean, Histoire du Bas-Enpire, @d. Saint-Martin, 7.—9. Bd, Par. 1827, 28; 
M. Le Quien, Oriens Christianus, 3 Tum., Par. 1762---65; F. Loofs, Leontius von Byzanz, 
in ZU 3, 1. u. 2. Heft, Leipz. 1888: L. v. Ranke, Weltgeih. 4. Bd, ebd. 1883; E. Renaudot, 
Historia Patriarcharum Alexandrinorun Jacobitarum a D. Marco usque ad finem saec. 
#0 XIII cum catalogo sequentium patriarcharum et collectaneis historicis ad ultima tempora 
speetantibus, Paris. 1713: G. A. Roje, Kaijer Nnaftafius L, 1. Die äußere Bolitit des 
Ntailers, Halle 1882. 2. Die byzantiniſche Kirchenpolitik unter Kailer Anaſtaſius I, Wohlau 
1888; G. Schnürer, Die politische Stellung des Papjttums zur Zeit Theoderichs d. Gr. in 
HJ. 9, 1885, 251 283. 10, 1880, 258—301; ©. Le Nain de Tillemont, Me&moires pour 
»sservir & l’histoire ecelösiastique des six premiers siteles, Tom. 15 und 16, Venise 1732; 
derj., Histoire des Empereurs, Tom. 6, Venise 1739 (nur bis Anajtafiuß); Chr. ®. Frz 
Walch, Entw. einer vollft. Hiſtorie der Kezereyen u. j.w., 6. bis 8. Bd, Leipzig 1773—78 
(wertvollite Materialienfammlung); W. Wright, A short: History of Syriac Literature, Zonb. 
1804; derſ., Catalogue of Syriac Manuseripts in the British Museum, 3 Tie., London 
mw 1870 72. Nah Abſchluß diefes A. iit die Studie von O. Baumſtark, Die Evangelienexegefe 
der ſyriſchen Monophyſiten, im OÖriens Christianus 2, Rom 1902, 151-169. 358—389, 
erſchienen. 
Ju meinem Bedauern lieg ſich das, was man die Kulturgeſchichte des Monophyſitis⸗ 
mus nennen könnte, im Rahmen eines Artikels nicht darſtellen. Quellen wie die Schriften 
35 Cyrills von Seythopolis oder die Plerophorien oder die Vita des Iberers, die Historia 
Miscellanea u. a. bieten ſür dieſes intereſſante Thema Material genug, deſſen Reize aber nur 
bei einer individualijierenden Tarjtellung zur Geltung kommen fünnen. 


Monvphyfiten 375 


Bejondere Schwierigkeiten machen die Hronologijdhen Anſätze. Man bat fih zu jehr 
daran gewöhnt, Gutſchmids Arbeit (ſ. o. ©. 374,37) ſozuſagen als kanoniſch anzufehen, während 
die von ihm gefundenen Daten vft nicht nur unficher jind, fondern an den gejamten Quellen: 
material gemejjen als falfch erjcheinen. Wenn auc die Patriarchenfolgen nad) wie vor als 
das eigentliche chronologiſche Gerüft anzufehen jind, jo hat es fich doch gerächt, dag Gutſchmid 
zu einfeitig die alerandrinifchen Patriarchen, nicht auc) die Inhaber der anderen großen Stühle 
ind Auge gefaßt hat. Der beſſeren Weberfichtlichfeit halber ſetze ich die Amtsjahre der orien⸗ 
talifhen Patriarchen unjeres Zeitraums nad) den Ergebniffen meiner Unterfuhungen bier 
ein. Ueber die Sabre der Päpſte unterrichtet die von Funk im KL9, 1438 ff. (danach Mirbt, 
Quellen zur Geſchichte des Bapfttuns?, Tübingen u. Leipzig 1901, 449) aufgeftellte Liſte. 

Batriarhen: Konftantinopel: Anatoliud Aug. (Sept.?) 449 big 3. Juli 458; Gen: 
nadius bis Sept. (?) 471; Akacius bis Ende(?) 489; Fravitad big Frühjahr 490; Euphemius 
bis wahrſcheinlich Sommer 496; Macedonius II. bis 7. “ug 511; Timotheus I. bis 5.(?) April 
518; Johannes II. Kappadox 17. April 518 bis Febr. 520; Epiphanius 25. Febr. 520 bis 
5. Suni 535 (nit 536); Anthimus bis März 535; Mennas 13. März; 535 bis Auguft 552; 
Eutychius bis 22. San. (nicht 12. April) 565; Johannes III. Scholaſtikus bis wahrjcheinlid) 
31. us 577; Eutydhius bis 12. April 582; Johannes Sejunator biß 2. Sept. 595. 

Nlerandrien (bei Abweichungen von v. Gutſchmid find defien Zahlen in Klammern 
beigelegt): Proteriud Nov. 451 bis wahrjheinlicd 28. März 457; Timotheus, Alurus bis 


Anfang 460; Timotheus Salophakiolus Xuni 460 bis Nov. 475; Timotheus Alurus it. biß o 


31. Zuli 477, Betrus III. Mongus bis 4. Sept. 477; Timotheus Sal. it. bis wahrſcheinlich 
Zuni 482; Zohannes I. Tabennejiotes bis Ende 482; Petrus Mongus it.bis Mai 490 (29. Ott. 
489); Athanaſius II. Mai 490 (Herbit 489) bis 17. Sept. 496; Johannes II. Hemula 496 big 
29. April 505; Sohannes III. Nitivtes bis 22. Mai 515 (516); Dioskur II. big 14. Dt. 
517 (518); Timotheus IV. bis 8. Febr. 535 (536); Theodofius I. 10. bis 11. (Febr. 535 (536); 
Gajanus 10. (fo!) Febr. bis 23. Mai 535 (536): Theodojiug I. it. Juli 535 (536) bis wahr: 


5 


N 
= 


25 


ſcheinlich 537/38 (San. 540); Paulus 539? (541) bis ſpäteſtens Oftern 542 (543); Zoilus - 


bi3 551 (550); Apollinariog 551 (550) bis 569; Petrus IV. 576 big 19. Sanuar 578; 
Tamianus Zuli 578 bis 12. Juni 605. 
Antiohien: Marimus 449 bis früheſtens März 455 (?); Bafılius 4156 (?) bi 458; Ata- 
cius 458 bis 459 (?); Martyrius 460 (?) bis 168 (? 470); Petrus Fullo 468 (? 470) big 471; 
ulianug 471 bis 475j6; Betrug Fullo it. 475/6 bis 476j7 (? 477/8); Johannes 477 (? 478); 
tephbanus 478 (?) 6i8 481 (?); Kalandion 481/2 big 185; Petrus Fullo tert. 485 big 488 (?); 
Palladius 488 (?) bis 498; Flavian 498 (499?) bis 512; Severud 6. Nov. 512 bis 29. (?) Sept. 


30 


518; Baufus II. Ende Mai 519 bis 1. Mai 521; Euphrajius 521 bie 29. Mai 526; Ephräm ss 


526 bis 545; Domnus III. 545 bis 559. 

Serufalem (nad Dielamp): Juvenal 422 bi 458; Anaſtaſius Anfang Juli 458 bis 
Anfang Jan. 478; Martyrius 478 bis 13. April 486; Salluftiuß April 486 bis 23. Juli 494; 
Elias 494 bis Aug. 516; Johannes 1. (3.) Sept. 516 bis 20. April 524; Petrus 524 bis 
Anfang Oft. 532, Makarius Ott. bis Dez. 552; Euftohiuß Dez. 552 bis 563 (564); Mala: 
rius it 563 (564?) bis ca. 575. 

Ueberfidht: 1. Bon Ehalcedon big zum Erlaß des Henotifond. 2. Big zum Bruce mit 
Rom. 3. Bis zum zeitweiligen Siege des Monophyjitismus unter Anaſtaſius J. 4. Bis zur 
Befeitigung des Schismas mit Rom und zur Monvphyfitenverfolgung unter SuftinI. 5. Big 
pum Zode Juſtinians I. 6. Bis zum Ausgang des 6. Zahrhunderts. 7. Zur Theologie 

Monophyſitismus. 


1. Bon Chalcedon bis zum Erlaß des Henotikons. Am 25. Oktober 451 
war zu Chalcedon in Gegenwart des Kaiſers Marcian und der Kaiſerin Pulcheria das 
neue Glaubensgeſetz verkündigt worden, demzufolge man künftig, den Vätern folgend, in 
( hriſtus zu bekennen hatte „einen und denſelben Herrn, vollkommenen Gott und voll: 
lommenen Menfchen, . . gleich weſentlich dem Water nach der Gottheit, gleich weſentlich 
und (duoovaov Huiv) nach der Menjchheit . ., in zwei Naturen (&» dVo groeomw, im 
duabus naturis) unvermifcht, unwandelbar, unzerreigbar, untrennbar gegenwärtig; fo 
zwar, daß der Unterjchied beider Naturen infolge der Einigung feinesivegs aufgehoben, 
vielmehr die Eigenart beider Naturen bewahrt werde und beide fich zu einer Perſon und 
einer Seinsweiſe vereinigten” (ſ. o. Bd V,646). Die Politiker wiegten fih in der Hoff: 
nung, daß durch ihre kluge Entſcheidung der Slaubensftreit begraben fein werde. Das 
kaiſerliche Edikt vom 7. Februar 452, von Marcian in Genwinfchaft mit Valentinian IIL 
erlaffen (Mansi 7,475— 478; vgl. auch Marcians Edift vom 13. März, ebd. 177--.180), 
verhängte über alle, die fürderbin in der Uffentlichleit Slaubensfragen diskutieren würden, 
firenge Strafen: Kleriker follen der geiftlichen, Offiziere der militäriſchen Ebren verluftig 
eben, die übrigen gerichtlich belangt werden. In unmittelbarer Nähe des Hofes mochte 
oldye Abjchredungstbeorie ihre Wirkung thun. Aber der faiferliche Arm war nicht lang 
genug, um ihr überall zum Erfolge zu verbelfen, 


40 


40 


50 


65 


60 


ti Monophyfiten 


In ven eiſten Jahren nach Sbalcedon iſt die Mufregung über Die Synode in den 
Rrevinzen ve Neicbo gewaltig geweſen. Beſonders Die Borgänge in Paläftina und Agypten 
ar Blut ZFeugnis ab. In Paläſtina war eine regelrechte Revolution unter den fana— 
alt Monchen Die unmittelbare Folge (vgl. zum Folgenden Zach. 3,3—9; Vit. Petr. 
lb op oa:n, Exrill. Seyth. Euth. BR Ev. 2, 9). Den Bifhof Juvenalis von 
\rreleiynto ad BON, 650 8, Bet. Gih, ti2, 10), Der fih auf der Spnode von Epheſus 
it ale WBalkraötigen Partciganger T \ Tirskurs gezeigt hatte, beivog zu Chalcedon die Ansit 
ver der ſonh zu erwartenden Schmalerung teiner kirchlichen Machtitellung, nicht nur den 
Aberandriner und deſſen Schutzling Eutvches fallen su laffen, ſondern auch der Glaubens: 


rn. zuzüitenmen, an Deren endaulriger Wedaftion er jelbjt beteiligt war (Mansi 7, 


u Det. areenn obie force br Das Vertrauen der in Paläſtina beſonders 
wuliiwaben un geifiäseeichen More In den Plerophborien (ſ. 0. S.374, 8) lieft man 
ich site WURPiası * Neck Tyetbeſ:and illuſtrieren (Nr. 16. 17. 18. 20. 56), und 
die —J wur br von zezenum ebe Juvenal ven Chalcedon zurückgekommen mar. 


US st ya — ——— 22 Nun Beichlüffen der Synode feithalten zu wollen 


Atas anne “ Bi Verien des daurtradelstübrers, Des Möndhes Theodoſius, 
UGS AL BSTENIT Auen nur zeam Vezenbichof, Dem Juvenalis weichen mußte. 
De viwrmez Nahe Beh NERIEEBe F man vertrieb die Orthodoxen und ſetzte 
Ya Ni ννανα νν, . Zoe veder 8 nicht obne Blutvergießen abging (Oyr. 
Syarh uth: Dune WUSTEAn nike unzer Melen mar Petrus der Iberer, ber, 
a8 einer „Doom Jar ang Verwalter Des taijerlichen Marftalle, 
Paso nm Ne ri od en Rihrer son Majuma ıIala oös Üddarrav; 


ah: Da oo Insptetie BE und 7, 28, 4) gemacht wurde. Eine 
Ra Nato Nast Da um gm der iu \eruialem lebenden Kaiſerin-Witwe 
Na AND in NR Sviogam Valäſtina, Die Städter ſowohl wie 
. SEGEN N IN ia. ti SURSRRTUR vorden ſeien. Juvenalis var nach Kon: 
Ware nei ot. Mio, u uchen. Marcian, Die Bedeutung der Un- 
Na naeh Dort. hart ter Dur Üdrfte su tteuern (Manfi7,4183— 196). 
EN IaNUL DE BE BE Br RE TR: a Maßregeln. Der Komes Dorotheus 
N ae Daum.a  INuNtohan SSH wtandt; Juvenal begleitete ‚den 
En Be 0. 8b m moon Seinen De Zuche gütlich beizulegen, 
Re * d. & NE Fer runden Mönde wurden zufammen: 
nn ... 2 Tertrne der ipater ergriffen und längere 

\ .eerefoeh rennen wurde, bis er, unter Leo I. 

* = = - Zebr mer Roritadt von Konſtan⸗ 


NN mer nee: - ‚se. p. 257--260; Zach. 2,9 be 
Ä m “2 zermehm zur Verwendung ber Gubocia, 


on Alm, md ranatiiche Namofe ausgefüllten Zeit. Jahr: 
oNyooxccy mg sur Hubr arlangt, und zuch Ipüter baben die immer 
No fanbinstampr u feiner Zerrutung weſentlich beigetragen. 

a Don. Run 1: einen haurtachlich Die minder befigenden 
ae DAS NT JM hielt an Tieskur trotz feiner Abſetzung feit. 
>». obiles eivitatis, ſaat Liber. 11 p. tele -- mäblte zu feinem 
.. terre. über deiſen Bisherige Stellung im Klerus die Angaben 
Ko te ımd ‚Joh. Nik. 241 bezeichnen ibn als Archipresbster, 

| sr. Eut. p. 1051 als Ardirtafon), Der aber jedenfalld dem Dioshur 

m Hund nabhe geſtanden hatte und erit nach der Entſcheidung zur Gegen 

a. vn Von der Beborde unteritützt, bat er weder Güterkonfiskationen 

a agent, Die Widerſtrebenden zu ſeiner Anerkennung zu zwingen. 
abe und grobe Ereeſſe waren Die Folge. Ein kaiſerliches Edikt vom 
ed. dust. l, 5, 8; zur Tatterung vgl. Krüger 75 N. 2) muß in den 

vo 2..alt negen diejenigen vorgeben, Div an den eutpebianifchen Irrlebren troß 


| mil 7 ne te Meamdrien. Die Kaiſerin⸗Witwe 
om Inn Ire,® ter Nee Sn Abt Euthymius, eine ein⸗ 
d ν : * wieder eines Befferen belebrt 
on. 2 reohmi Gyr. Sextt Euth. SS. 987) Es dauerte 

SR ner nannte "erläufig ein Ende gemadıt 

ne dm, nn om Manpien zur Die Die gejchilderten Nor: 
22er ar Jaren und bössnders für Nlerandrien bedeutet 





























Rehrhe ß 
i 7, 869) und "fh den Namen des Proterius aus —* —— um 
— nd t ee dafür einzufegen. Die von Timotbeus vertriebenen Bifchöfe 10 
toten fich n * —— 4 in und an den Kaiſer Leo (val. ibre ausführliche Ein- 
Mansi 52 ee — — 
ung —— fimmen e er des Timotheus teten eine 
t an be Kaiſer Br 7, 536f.), und Timotheus ſelbſt fandte einen (nicht er- 
—— bätt  erivaten follen, daß dieſe revolutionären Vorgänge von Konftantinopel 
bre Ahn 3, gefunden bätten. In der That ordnete der Kaifer jtrenge Unter: 
des Proterius an und ließ die dabei Beteiligten bart be— 
—* Timo eus ging er, offenbar unter dem Einfluß der den Mono- 
ten Strömung bei Hofe und troß wiederholter Aufforderung des so 
149. 150. 152 vom 1. Sept. 457), nicht gleih vor. Zuerſt 
ode zu berufen, bei der er auf die Anweſenheit des Papſtes 
; vgl. Leo Ep. 156 vom 1. Dez. 457). Diejen ‘Plan vedete ihm 
aus, der für die Durd den 28. Kanon von Chalcedon errungene Machtitellung 
bles f A en mochte (jo Zach. 1.c.), und legte dem Haifer den Gedanten nahe, 55 
des Neiches Gutachten über die Synode von Chalcedon und die ' 
er | des Timotbeus auf den alerandrinijchen Stubl einzufordern 
Er iref an I den Kaiſer Mansi 7, 537). So erging, wabrfebeinlih im Of 
tril EP Eu, ein ‚taiferlices NRundſchreiben (in der für Anatolius be: 
ei Ev. 2, 9; Mansi 7, 521f, val. au 7957, am letzterer a 


4 


378 Monophufiten 


Stelle lateiniſch und griechifch), dem die Eingaben fowohl der orthodoren ägyptiſchen Bi: 
ſchöfe ale auch der Anhänger des Timotbeus beigegeben waren. Wie zu erivarten ftant, 
fielen die Antiworten (teilweiſe erhalten, gefammelt bei Mansi 7, 537—627) gegen Time: 
theus aus, wenn auch gelegentlich deutlich durchblickt (vgl. den Brief der Bifchöfe von 
Pamphylia secunda 7, 573--576), tie wenig warın die Herzen für die chalcedonenfilce 
Lehre ſchlugen. Nur ein Bilchof, Ampbilochius von Side, wagte ed zu betonen (vgl. 
Zach. 4, 7; Ev. 2, 10; das Schreiben felbjt iſt nicht erhalten, nur ein Sätzchen 
beit Leont. Monoph. MSG 86, 2, 1841), daß Ghalcedon zu dem Symbolum der 
318 Väter von Nicäa verderbliche Neuerungen binzugefügt babe; für den Timotheus 
wollte auch er nicht eintreten. Papſt Yeo antwortete am 17. Auguft 458 in einem langen 
Brief (Ep. 165), den man füglih mit feinem berühmten Tomus in Parallele ſtellen 
fann. Tiefen Brief, den wir auch griechifch befigen, wird der Kater dein Timotbeus 
zugelandt baben (Zach. 4, 5 p. 28, 10; Ev. 2, 10), der fih Dagegen in längerem 
Schreiben verteidigte (Zach. 1,6; ein Sa des griechifchen Originals in Patr. Doctr. ed. 
1» Mai Nov. Coll. 7, 1, 35b). 

Mittlerweile war Anatolius, der gefchidte Mettermacder, am 3. Juli 458 geftorben 
und der gelebrte (vgl. Gennadius, vir. ill. 90) Gennadius, ein überzeugter An: 
bänger des Sombols von Chalcedon, ibm gefolgt. Er betrieb die Verbannung des 
Timotbeus nad Kräften, aber Aspar widerjtrebte (Theoph. 112, 4), und es verging 

noch Das ganze Jahr 459, che es zur Rataftropbe kam. Nach heftigen Rämpfen murde 
Timotbeus zu Anfang des Jahres 460 aus der Stadt entfernt und über Konjtantinopel 
(vgl. Leo Ep. 170 vom 17. Juni 460) zuerft nach Gangra, dann nad Cherſon verbradt 
(Zach. 4, 9). An feine Stelle trat Timotbeus, deſſen Beiname Salopbatiolus 
(d. b. Wadelbut; Ev. 2, 11 weiß noch von einem zweiten Beinamen Baotıxds, der 
> als das frübejte Beiſpiel der fpäter üblichen Bezeichnung Melchiten = Königliche Kaiſer⸗ 
liche] für die Anbänger der chalcedonenfifchen Synode von Yale ijt), bereits die Meichbeit 
des Charakters andeutet, die ibn zwifchen den Parteien, freilich ohne Ausficht auf Erfolg, 
vermitteln bieß. Zelbit die Gegner (vgl. Zach. 4, 10) wiſſen Lobenswertes von ibm zu 
fagen, den ‚Freunden war er zu ſanft und nadıgiebig (Liber. 16 p. 10208q.), das aleran: 
drinische Volt aber war zufrieden: vel sinon tibi communicamus, tamen amamus 
te (Liber. 1. c.). Der verbannte Timotbeus blieb nicht müſſig. Cod. Mus. Britt. Addit. 
12156 (vol. Wrigbt, Catal. 639- -648) entbält eine Kompilation aus Abhandlungen, 
Briefen und Auszügen verfchiedener Autoren gegen das Konzil und die Dyophyſiten, die, da 
die wichtigften Dokumente von Timotheus berrübren, den Titel: „Buch des Timotbeug gegen 
5 das Konzil von Chalcedon“ führt. Darunter find auch zwei Briefe, die gegen die ägyp⸗ 
tiſchen Eutychianer gerichtet find und mit Nachdrud auf deren Ausfchluß aus der Kirden 
pemeinjchaft dringen. Sie finden fihb auch bei Zacharias (4, 12) und find befonders 
geeignet, Die dogmatiſche Stellung des Timotbeus (ſ. o. S. 377,23) zu beleuchten. 

Auch in Antiodien it co im Diefer Zeit zu Unruben gelommen. Unter dem 

»Schutze des kaiſerlichen Schwiegerfohns, Des Generals Zeno, trat bier Petrus Fullo 
(yragens, d. h. Walken, Presbyter aus Chalceden, gegen die ſynoditiſche Xebre auf, 
eiferte für den Satz orte dens Loravondm und den Zuſatz im Trisbagion (ſ. d. A. und 
den A. Theopaſchiten) ñ oraromdeis ÖU' Auäs und verbrängte den durch dieje Bewegungen 
eingeldüchterten Biſchof Marwrius, der fi vergeblih nach Konſtantinopel mandte und 

s ſchließlich auf ſein Bistum verzichtete. Much Des Petrus Epiflopat war freilich nicht von 

langer Dauer; von jenem Patriarchen Gennadius beraten, ordnete Leo die Abfegung des 

Petrus an (Theod. Lect. 1, 20 22). Wann diefe Vorgänge fich abjpielten ift uns 

jicher. Wermutlich bedeutet Der an Zeno gerichtete Erlaß Kaifer Yeos vom 1. Juni 471 

(Cod. Justin. I, 3, 29), Durch Den mit Hinweis auf Die Unruhen in Antiochten den 

München das Verlaſſen ihrer Nlöfter, den Beiftlichen das Erregen von gefährlichen Stim- 

mungen im der Menge verboten wurde, den Abſchluß. Daß fich aber, wie Barth (11R.4) 
behauptet, Die ganze Affäre im Jahre 171 abgeſpielt babe, iſt unwabrſcheinlich. 
Inzwiſchen hatten ſich am Hofe einſchneidende Veränderungen vollzogen. Den ger 
maniſchen Einfluß löſte Der iſauriſche ab: der bisher allmächtige Aspar mußte Zeno, 
dem verſchlagenen Kommandanten der Leibwache (ſein eigentlicher Name war Taraftlopiik, 
und er war umgetauft worden, als man ibm Die Prinzeſſin Ariadne vermählte), weichen. 

Ein letzter Verſuch, Die verlorene Machtitellung wieder zu gewinnen, endete mit Aspard 

Grmordung (HD. Die den Barbaren Zeno ungünſtige Stimmung der arijtofratifchen 

Kreiſe ließ nun freilich nicht zu, Daß der alternde Yeo ibn kurzer Hand zu feinen Nad- 

so folger machte. So wurde der wohl erſt fiebenjäbrige (Mal. 376) Entel im Oktober 473 


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Da: Lam sill de 4. m. . 


Monophufiten 379 


zum Mitregenten erboben und nad) feines Großvaters Tode (3. Februar 174) ald Leo IL 
Kaifer. Wenige Tage darauf ließ ſich Zeno durch den Anaben vermittelft einer geſchickt 
in Szene gejeßten Komödie die Krone reihen. Zu früh für feine Abftichten — der jpäter 
auftauchende Verdacht, Zeno ſei am Tode des Kaiſers ſchuld, ift falſch — ſtarb Leo, No: 
vember 474. Hofintriguen und der Abfall eines der fähigiten Vertrauten Zenos, des 5 
Generals Illus, hatten zur Folge, daß ein Schwager des alten Leo, Baſiliskus, die 
Gewalt an ſich riß. Zeno verließ Konftantinopel im Januar 475 (Joh. Ant. 210, Müller 
4,118 &ydrp wis Önareias quéoq, alfo nicht im November, wie gewöhnlich angenommen 
wird; zur Datierung vgl. Barth 27 N. 2 und 39 N. 1) und flob nach Iſaurien. In 
der Umgebung des Ufurpatord aber erjcheint nunmehr als einflußreichite Perſönlichkeit 10 
Timotheus Alurus, den Baſiliskus, wie es fcheint auf Anregung feines Magifters Theoftift, 
eines Alerandriners, zu fich gerufen hatte (Zach. 5, 1 p. 59, 22). Trotz des Mider: 
ſtrebens des hauptftädtifchen Batriarchen Alacius, der im September (2) 471 (anorg 
Zrivwvos, fagt Suidas s. v.) dem Gennadius gefolgt mar, mußten Timotheus un 
feine Anhänger dem Bafilisfus cin Nundfchreiben abzugewinnen (Ev. 3, 4 nad) Zach. 15 
5, 2, deſſen Tert in der ſyriſchen Überfegung verderbt iſt; Verfaſſer des an Timotheus 
gerichteten Erlaſſes war nad) Zach. der alerandrinische Sophift Paulus), durch das Leos 
ehrbrief und das chalcedonenfifhe Symbol mit dem Anatbem belegt und die Anhänger 
ber ketzeriſchen Lehre mit den ftrengften Strafen bedroht wurden. Die Charakterlofigkeit 
der orientaliſchen Bifchöfe erwies fi darın, daß 500 (fo Ev. 3, 5 nad Zach.; der 20 
Syrer bat 700) dem Rundfchreiben zuftimnten, nachdem fie oder ihre Vorgänger erjt vor 
wenigen Jahren das Gegenteil gutgeheißen hatten (ſ. vo. ©. 378,3). Timotheus, dem die 
monophyſitiſchen —2 es übrigens verdachten, daß auch der Doketismus in der 
Encyklika ausdrücklich verdammt war (ſ. Zach. 5, 5 p. 64, 20ff.), kehrte nunmehr nad) 
Alerandrien zurüd, wo Timotheus Salophakiolus auf kaiſerlichen Befehl bereits befeitigt 26 
war und wo der alte Patriarch (nad) Zach. 5, 4) vom Volke enthufiaftifch begrüßt 
wurde. Auf dem Wege meibte er, indem er den Oberbiſchof berausfehrte (Zach. 5, 4 
. 65, 21—25 fagt: „Under gab ihm [dem Paulus] in fanonifcher Weiſe die Gerecht: 
me ſeines Stuhles zurüd, welche die Verſammlung von Chalcedon ihn geraubt und aus 
ESchmeichelei dem Stuble der Reſidenz gegeben hatte”), in Ephefus eine feiner Kreaturen, w 
den Paulus, zum Biſchof und präfidierte einer Eynode, die an den Kaiſer einen feier: 
lihen Mahnbrief erließ, ja feine Zufäge und Änderungen zu machen und den Afacius 
als einen der Hauptitadt unwürdigen Biſchof zu bejeitigen (Zach. 5,3; aber der fyrifche 
Text ift verderbt, und die Bruchſtücke bei Ev. 3, 5 enthalten wichtige Cinzelbeiten, die 
im Sprer fehlen). 35 
Der Brief war das Erzeugnis berechtigter Beforgnis: denn fchon war des Timo: 
tbeus Stern wieder im Sinken. Zwar waren außer Ephefus auch Antiochien und Je— 
rufalem zur Zeit monophyſitiſch bejegt: nach Antiochien war Petrus der Walker, der ſich 
im Klofter der Aloimeten (f. d. A. Bd I ©. 282) zu Konftantinopel verborgen gehalten 
batte (Theod. Lect. 1, 30 p. 189; wenn diefer Aufenthalt freiwillig war, ift die That= 40 
ſache angeſichts der zweifelloſen und oft bethätigten ſſ. u. &.382,58. 383, 1»] orthodoren 
— dieſer Dönde auffallend), wohl um die Jahreswende zurüdgerufen worden, und 
— 82 von Jeruſalem unterſchrieb nicht nur die Encyklika, ſondern war aktiv im 
monophyſitiſchen Intereſſe und gegen Akacius thätig (Zach. 5, 5 p. 67, 30; vgl. auch 
p. 68, 19 ff.). Dieſer aber war nicht zu bewegen geweſen, der Enchyklika beizutreten 46 
(Zach. 5, 1 p. 60, 26), und der thatkräftige Mann, der feine eigene Stellung bedroht 
ſah (daß er I nicht aus Liebe zur Orthodoxie mwiderfegte, läßt Theoph. p. 122, 23 
durhbliden), ſetzte nunmehr alles daran, die Hauptſtadt gegen den Ujurpator aufzureizen 
(Zach. 5, 5). Die Stimmung der Menge und des Klerus kam ibm dabei entgegen; 
eine große Firchliche Demonftration wurde veranftaltet; fogar der Stylit Daniel kam von so 
ſeiner Säule berunter, um für den orthodoxen (Slauben einzutreten (Theod. Leect. 1,32. 
33 p. 182; Zach. 1. c.). Bafilisfus mußte die Stadt verlaffen; der gut unterrichtete 
und den ihn bebrängenden Heerführern gegenüber mit dem Geld nicht fparfame (Mal. 
379) Zeno näherte N Konftantinopel. Ein letztes Mittel, der Widerruf der Encyklika 
ieſes dyreyxuxdıov findet jih Ev. 3, 7, während Zach. [duradiöäs, parteiiſch, thV 56 
öl npayıarelav ovy odyas, wie Ev. bier mit Necht jagt] fie weggelaſſen bat), ver- 
fing nit mehr. Im — oder September 176 - alſo nicht 177; er war 20 Mo— 
hate abweſend (Proc. Bell. Vand. I, 7 p. 17,19; Viet. Tunn. p. 189,9; ſ. oben 
©. 379,7) — kehrte Zeno in die Hauptjtadt zurüd. Die Negierungsbandlungen feines 
Borgängers feste er in einem Edikt außer Kraft (Cod. Justin. I, 2, 16 vom 17. Dee 


N 


zu 


7 


380 Monophyfiten 


zember 176), in welchem auch Die kirchliche Prärogative des Patriarchen der Haupiſtadt 
auf das Nachdrüdlichite eingefchärft wird. Die aſiatiſchen Biichöfe hatten nichts Eiligeres 
zu tbun, als in einem de und wehmütigen Schreiben an Akacius ihre Zuſtimmung zur 
Eneyklika des nunmehr Enttbronten als erzwungen zurückzunehmen (Ev. 3, 9). Baſi⸗ 
livkus aber, in einem kappadoziſchen Kaſtell gefangen gehalten, iſt elend umgefommen. 
Papſt Simpliciue (3. Marz 468--10. [7] März 183), Leos zweiter Nachfolger 
(Hilarius ſ. Bd VIII S.67,:32fF.] bat ſich in die Angelegenheiten des Oſtens nicht em: 
gemiſcht) hatte, von den dribodoren Mönchen in Konſtantinopel, die immer mit dem päpft: 
lichen Ztuble Fühlung bielten, unterrichtet, noch an Balilisfus (Ep. 3 p. 179 vom 
10. Jan. 1765 daß Diefer Brief an B., nicht an Zeno gerichtet it, ſteht aus fachlichen 
und bandjchriftlichen Gründen feit, val. ‚Krüger 12 N. 2, Bartb 40 N. 1) die Auffor: 
derung gerichtet, den Hauptunrubeſtifter im Oſten, Timeikeus lurus, Mu befeitigen. Auch 
in feinem Glüdwunfchjchreiben an Zeno (Ep. 6 p. 186sq. vom 9. Cftober [476, nicht 
177; 1. Bartb 92 N. 3 und vol. unten das Todesdatum des Timotbeus) kommt er 
neben der Forderung ftrengen ‚yeitbaltens am Chalcedonenfe darauf zurüd (!. _aud Ep. 
p. 18984. an Akazius). Turd feinen am 31. Juli 477 m. Gutſchmid S 453)er⸗ 
folgten Tod (der angebliche Selbſtmord Liber. 16] iſt bloßes Geſchwätz) entging Der 
—— weiteren Maßregeln; der unmittelbar darauf eintreffende kaiſerliche Quäſtor 
hatte das Verbannungsdekret in der Taſche (Vit. Petr. p. 78). Die Monopbofiten er: 
boben jofort (nad Zach. 5,5 p. 68, 12 „auf kanoniſche Weiſe“; nad Gesta 7 p. 516 
und 'Theoph. p. 125, 21f. unter Aſfiſtenz nur eines Biſchofs) den bisherigen Archidiakon 
(Liber. 1. c.) Petrus Mongus, (d. b. Stammler; „der eine ſchwere Zunge hat“ 
v. Gutſchmid S. 453; lat. blaesus Liber. 1. c.), zum “Patriarchen. Die Regierung 
führte Dagegen, den Proterianern (daß fie immer noch je genannt wurden, bezeugt Zach. 
5,7 p. 72, 36 und 5, 9 p. 79, 2; vol. Ev. 3, 128. £.) zu liebe, Timotbeus Salopba- 
fiolus unter militärischer Bedefung nach Alerandrien zurüd. Petrus mußte ihm meiden, 
aber er blieb in der Stadt und bielt die Gegner in Unrube. Vergeblich beklagte fh 
Timotheus bein Papſte (Gesta 8), vergeblich ichrieb Ddiefer Brief auf Brief nach Kon: 
itantinopel (vgl. Simpl. Epp. 10- 17, 15 p. 196---200. 203). Timotheus, ber fein 
Ende berannaben fühlte, fandte feinen Okonomen Jobannes Talaja (fo Liber.; er wird 
auch der Tabennefiote genannt, da er Presbyter im Kloſter der Tabennefioten zu Kanopus 
bei Alexandrien geweſen war) in die Reſidenz, um es dem Kaiſer nahe zu legen, daß au 
alle „Sl nach feinem Ableben nur ein ertboderer Bifchof gewählt werde (Zach. 5, 6 
Di 13, Gesta 9). Jobannes benutzte die Gelegenheit, mit Zenos maächtigem 
Ntnifter Illus, der damals jeine Palaſtrevolution plante (j. Darüber und über die Unter: 
drüdung Des Nomplottes Bartb 76 91), in Verbindung zu treten, um ſich jelbit die 
Nachfolge zu ſichern, wußte nad Der Ruͤckkebr, den im Komplott befindlichen Exarchen von 
Agypten für ich zu gewinnen, umd verfuchte, als nun Timotheus wirklich ftarb (wohl im 
Juni 482 |v. Gutſchmid 2. 153]; nach Liber. 168. f. war er im ganzen 22", Jabr 
Bichef geweſen [vgl. vo. =. 378,21]; Simplizius wußte am 15. Juli 482 von feinem 
Tode Epp. 17. 18 p.206. 208), Die erzbiſchöfliche Würde an ſich zu reigen. Es jcheint, 
daß er Damit nicht nur einer ausdrüdlichen Weiſuns des Kaiſers, ſondern dem eigenen 
Verſprechen entgegenhandelte (je Zach., dem freilib nur zaghaft und im Be 
wußtſein, jich einer parteitich gefärbten — gegenüber zu finden, folgt). In der 
That bat Zeno fi Dem Papſte gegenüber offiziell den Anfchein gegeben (ſ. Ev. 3, 15), 
als babe er Den Johannes nicht um feiner dogmatiſchen Stellung willen, fondern wegen 
ſeines meineidigen Verbaltens entfernen laſſen. Jedenfalls wurde bald gegen ibn einge 
jchritten, und an feiner Ztelle (Ende 482) Petru⸗ Mongus als rechtmäßiger Biſchof ein⸗ 
geſetzt unter der Bedingung, daß er die vom Patriarchen Akacius ausgearbeitete, zur 
Schlichtung Des dogmatiſchen Zwiſtes beſtimmte Yebrformel, Die unter der Bezeichnung: 
Den otikon berühmt geworden iſt, annehme und ſich mit den Proterianern vertrage 
(Zach. 5. 7 p. 72, 29ffj. Ev. 5, 12. 
> His zum Bruch nit Nom. Der Patriarch Akacius (1. o. S. 379,13), vor 
ſeiner Wahl Borfteber Des Waiſenhauſes in Nonftantinopel (Suidas s. v.), iſt offenbar 
ein begabter Politiker geweſen. Dafur ſpricht ſchon Die Thatſache, daß er in für eine 
Hofbiſchof ungewöhnlich langer Amtsfübrung (171-480) die Wirren eines dreifachen 
Regierungswechſels und ſtarke Schwankungen des Barometers am Hofe mit Geſchick und 
Gluck zu überjteben wußte. Leo ſchätzte ihn hoch (. Suidas), Baſiliskus Lich ibn ge 
wahren, Zeno verdankt dem Eugen Natgeber die Erfolge feiner kirchlichen Cinigung® 


politik, In Die Stadien der Vorbereitung Des Den otitons geitatten die Quellen leider 


Monophufiten 381 


kaum einen Einblid. Daß aber Verhandlungen vorangegangen find, in denen Akacius fich 
vornehntlich des guten Willens des Petrus Mongus, offenbar feines Kandidaten für 
Alerandria und, wie er jelbft, einer politifch denfenden Perſönlichkeit, zu verfichern fuchte, 
dürfte trog des Schweigens der griechiſchen Chroniſten nicht nur der Sergang bei der 
Einjegung des Alerandriners, jondern auch die gefäljchte Korrefpondenz zwiſchen Akacius 
und Petrus beweifen, die in irgend welcher Weile einen Briehvechfel vorausfegt (vgl. 
Lettres d’Acace et de Pierre Monge, aus dem Koptifchen überjegt und als Fälfchung 
nachgemiefen von E. Amélineau in Monuments pour servir à l’histoire del’Egypte 
Chretienne aux IV® et V® siöcles |M&m. publi6es par les membres de la Mission 
Archöologique Francaise au Caire. Tom. 4] Par. 1888, 196—228 und, XXXT ı0 
bis XLVI). Die an Biichöfe, Klerus, Mönche und Volf von Wlerandria, Agypten, 
Libyen und Bentapolis (ſo Ev.) gerichtete Einigungsformel (griechiſch Ev. 3, 14, lateinifch 
Liber. 17, ſyriſch Zach. 5, 8 und Joh. Eph. Nau p.481, foptifch jtarf verfürzt in Cod. 
Vatic. 62 überfeßt von Amelineau in Monuments pour servir etc. [j. oben] 216 
bis 220; zum Text f. Krügers Anmerkung zu Zach. p. 75, 18) iſt, politifch angefehen, 
ein Meifterftüd. Sie geht auf den Glauben der in Nicäa verfammelten Väter zurüd, 
den die Väter zu Konftantinopel (381) beitätigt, dem auch die zu Epheſus (431) gefolgt 
find. Site verwirft namentlich Neſtorius und Eutyches und nimmt die 12 gegen jenen 
gerichteten Artikel Cyrills (ſ. d. A. Neftorius) an. Ghalcedon wird zwar nicht ausdrüd: 
lich abgelehnt, wohl aber jeder verworfen, „der jebt oder jemals in Ghalcedon oder auf 
irgend einer anderen Synode anders gedacht bat oder denkt“. Poſitiv lehrt das Heno— 
tifon, daß der cingeborene Sohn Gottes, desfelben Weſens mit dem Vater nach der 
Gottheit, und derfelbe mit uns desjelben Weſens nad) der Menfchheit, Fleiſch geworden, 
Einer ift, nicht Zwei. Des einen und felben find die Wunder und Xeiden, die er frei: 
willig am Fleisch erduldete. Abgewieſen wird die Vorftellung einer Trennung oder Ver: 25 
miſchung (der Naturen — aber dieje Bezeichnung ift jorgfältig vermieden), ebenfo jeder 
Doketismus (parraoia). Durd die Fleiſchwerdung ift feine Hinzufügung eines Sohnes 
(npoodnsn viod) erfolgt, die Dreiheit blieb, auch als der Eine aus ihr Fleiſch wurde, 
Treihbeit. Die Vereinigung aber auf diefen Glauben fchließt jede Neuerung aus. 

Der Erfolg des mit Unrecht als platonifch bezeichneten (Barth 99) Unternehmens zo 
war zunädit die Schlichtung der alerandriniichen Wirren, jo weit es bei den hoch— 
gejteigerten Parteigegenfägen überhaupt möglich war. Petrus hatte freilich feinen leichten 
Stand, und ohne unehrliches Lavieren ift er nicht ausgelommen. Die Vartei der Heiß- 
ſporne -- fo nennt fie Zach. 5,9 p. 78, 30 felbjt — mar nicht damit zufrieden, daß 
das Henotilon feine ausdrüdliche Verfluhung von Chalcedon enthielt; und als Petrus, 35 
um auch fie zu beruhigen, in öffentlicher Anfprache den Chalcevon betreffenden Say des 
Henotikons (ſ. o. S. 381, 18) jo auslegte, daß er einer Verwerfung gleichlam (Zach. 5, 9 

.89, 10), ſchwärzten ihn wiederum die Proterianer in Konftantinopel an (auch die Ent: 
ung der Leiche des Salophakiolus aus der Bilchofsgrabftätte warfen fie ihm, wohl 
nicht ohne Grund, vor), was ihn zu einer (ſehr gemwundenen) Rechtfertigung gegenüber 40 

dem Patriarchen zwang (Ev. 3. 17), der feinerfeits es mit Freuden begrüßte, daß 
Petrus auf dem Wege der Vermittelung verharre (Zach. 5, 11; diefe bei Ev. und 
Zach. aufbewahrten Briefe find die einzigen Stüde des Briefwechſels der beiden Batri- 
arhen, die erhalten geblieben find; ſ. o. S. 381, 7). Natürlich konnte man es nicht allen 
veht machen. Die Schismatifer (drrooyıoral bei Zach. 6, 1 p. 86,32; fte find fpäter a 
mter dem Namen dxcpadoı bekannt geblieben), unter denen fich bejonders ein gewijler 
Repbelius hervorthut (vgl. über feine Umtriebe Zach. Vit. Sev. ed. Spanutb p. 26, 39 
bie 27, 25, deutfch von Ahrens -- - in der Note zu Zach. 6,2 p.87,33), festen alles 
dran, Stadt und Volt in Unrube zu balten. Aber die Mehrheit war zufrieden 
(Zach. 5, 7, der |5, 9 p. 79, 27] auch des Einverftändnifjes des alten Petrus Des Iberers so 
ll. o. S. 376,20] gebentt: Liber. 18; Ev. 3, 14), und, was die Hauptjache, zwiſchen 
und Alerandrien berrfchte gutes Einvernehmen. 

in Antiochien beijerte fih die Yage. Hier war VBetrus der Walker nad 
der Kataftrophe des Baſiliskus jofort entfernt tworden. Seinen zweiten Nachfolger 
Stephbanus bereiteten antiochenifche Mordbuben ein abjcheuliches Ende (Ev. 3, 10; 55 
Theoph. p. 118, 17—22). Akacius nabm die Gelegenbeit wahr und machte aus eigener 
Rahtoolllommenheit einen gewilien Kalandion zum Patriarchen (wahrſcheinlich Ende 
481) der ihm die Wohlthat übel lobnte, indem er bald mit den chalcedonenftichen Gegnern 
des Henotikons und dem römischen Biſchof (f. weiter unten) in Verbindung trat, außer: 
dem aber auch fih am Illuskomplott (ſ. Zach. 5,9 p. 80, 14; Lib. 18) beteiligte, 


[64] 


— 


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382 Monophyfiten 


€ (485), und ber dritten Male auf den | 
Ba DE re m Er es Bee u ie 
N Beier an (Ev. 3, 16; jein Mongus bei . 5, 10). 
Das Leiche art rius von Jerufalem (vgl. feinen Brief an Petrus Mongus bei 
a ee Sn er ma ehe 
Bozantiner ee er sen ‚ ftanden, ein- 


; 


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tung 0 om ge — 

— ni gel on wer (ſ. er ©. 300, 2) 2), fndem Eu * 

e Vorgehen des i er Einſetzung des 


——— en, ee de Ihm nachträglich von Sta 04 & ui 
15 ad wurde, daß man mur aus Not —— habe und insbeſondere keinen 

räzedenzfall habe wollen. Man berief ſogar —— noch die Synode, 
—* — pe ——— 
u Astoria —— Is Ereignifien — kt, 





ge II. (13. —— ——— j.d. A. 3b VI, 20) erfeht zu 


: 8 nerung an feine früheren V 
Slauben des bl. — d ſich durch das al des Baſiliskus den 
— ar = jan he —— behandelt erin — 
ende ebenen, von dem er ertwartet, daß er nicht in in fortgejegter 
gehorſamkeit — ſondern Verſäumtes durch verdoppelten Eifer wieder gut 5* 


30 werde. Die Briefe waren kaum — ar iger enge der kirchlicher 
—— im ——** iweitere J iche e Nachrichten erh Lu, Yeban Talaja, 
rien (ſ. o. ©. 380, ” fe zua en 
—— dort reg cn Salanbion 58 —— ——— 4 nr 
igeren Betreibung einer Anſp n m 
an de ih na Nam Bey ———— ber über 
” Bömikdhe — nicht gut — if, ee dazu jagt Theoph. p. 131, 25 
ausdrüdlich, daß er erit unter Felir eintraf). uch die K —* in 
noch größere Entrüſtung verſetzt, ſandte Felir —* faum a — Boten einen 
weiteren mit Briefen nach (Ep. 3 und 4 p. 23941), durd Die er den Akacius zur 
40 — nach Nom citierte und von —* Maßregel den er unterrichtete. 
| uß tagte nun der Akoimetenabt Fee 379,39) über bie amfeit ber 
Ba en Mafregeln, was Felix veranlaßte, feine Cegaten nachträglich zu ermabnen, mit 
bte Fühlung zu nehmen (Ev. 3,19). Mlazius fam alledem zuvor. Als bie 
Km, Mi Legaten beit Abydus das feite Sand — wurden ſie in a ger 
a und jo lange bearbeitet, bis fie mürbe getvorden und nunmehr nad) 
(sit in feierlichem Sottesdienft mit Akacius das Abendmahl nabmen; fogar —8 
amen bes Mongus mußten fie aus den Diptychen verleſen hören (Ev. 3, 20; Liber, 18; 
Theoph. p. 131q.). Felir, durch die Akoimeten über dieje Norgänge in Kenntnis ge⸗ 
ſetzt (Ev. 3, 21), entbrannte in höchſtem Zorn. Auf der ſchnell berufenen Synode ſprach 
so er über feine Geſandten die Abjegung, über Afacius den Bann aus und ſetzte den 
Byzantiner am 28. “juli 484 (Ep. 6 p. 243—247) davon in Kenntnis, daß er aus bem 
priefterlihen Stande, der katholischen Kommunion und aus ber rF der üubigen aus: 
gejtoßen jei und das bie Stetten der Verdammnis auf ewig nicht follten von ibm 
nommen erben (Ep. 7 p. 247 jtellt ein Bruchitüd des Defretes dar. Dem Kater 
55 machte er wenige Tage barauf (Ep. 8 vom 1. Auguft) von ber ———— 
Patriarchen Anzeige und fügte die unverblümteſten Mahnungen für den | 
Alacius that, was allein richtig war: er nahm von der ganzen Sache feine Den 
en Akoimetenmönch, der dem Patriarchen beim Eintritt in die Kirche ben Bonn and 
ium beftete, ließ er einjperren (Liber. 18); ben Namen des Felit ſtrich er aus ben 
eo Diptyeben (Theoph. p. 132, 32), Der Brud) war vollſtändig. 





























Monophifite R 
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Ba nal vor allen das Fihße ud. bogniik wien ben 
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— die e folgen mußten Ge ©, 382,7), ſicher zu ftellen 

Das ut arten, > 6) eines — in deſſen net die —— 
Fo tan. un— öglid Bei ber ieſe ormel oder gar die Synode, —* der fie be⸗ 


bloffen war, zu a 2 unmoöglich Der Aust das 
tom mit f nn n Umgebung — ſchwierigen 2 Si das ug Lehel 
er — "6,6 P.96 Sn an) eihlicen —— act u 
d an u * — 


ern des mit der . 




















—— und —* —— die * dem —— 50 
t und ben Papſt auf dem Yaufenden zu halten wußten (vgl. 
“14 p26 ‚10: filii nostri religiosi monachi, rectae fidei confessione 
). _ Dayı fin, daß die dem Atacius folgenden Patriarchen ſich nicht auf der 
ga Eau. halten wußten und der faiferlichen Einigungspolitit im Oſten 
: in den Weg warfen. 66 
nde (?) 489. Seinen Nachfolger Frapitas (Flavitas; wohl ein 
n SprTh 10, 1884, 316 ff.) beurteilen die orthodoren —— 
Theoph. p. 133, 9). In der That befannte fi Fravitas in 
an Petrus Mongus (Zach. 6, 5), wenn aud mit worfichtigen 
juo, was dieſen zu einer erheblich perfönlicher und unvorfichtiger 


— 











er — 
ehaltenn, den Patiarhen aber rüßenden Anttvort — .6,6). 
Hay Far —DE 


zeigte er ſeine übrigens —— ife, da 
ie Se Dee Ye Vorgängen er anging) —— 
er | =) Lüfiel ewalt ae 
6 en mu Fa. 14 p. 267,3 i — (RR 
— Jahres — 190) Deutlich } as fich ihm gega lid 
—— flichtet haben Fo ver ie en oe if gi 
bi —— wie ke ba den gleichzeitig an den Kaifer gejandten (Ep. 15) deutlich die 
, dh von der päpftlihen Hauptforderung, bi | 
1 —— dh) zugugeftchen und den Alerandriner fallen 
Rede geweſen var. eurchgufepen iſ | ! 
gi feine Epp. 16 u. 17 eih 
——n an cn —— gar 
„net wahrſcheinlich im Se 
—— —5 17 —— 1. 





3 brachte ib 
— = % m Ki de 1) dem Tode at, — 


emins als € —* wegen der —— erfun 
u Eine 1 erzümte (Zach. 6,4). Er ſtrich lad —— p. 133, 16) mit 
ar a ongus aus den Dip chen und trug fich mit der 
feine Synode abjegen zu laffen, was den are Gutſchmid 29. Of 
—— die obigen Ang ſind Iſ. ©. 384,10. 22 nicht vor Mat 490) 
rs Tod * se rien üſſig — wide. Sein olger wurde der 


uldigende, tb t su. 
— . * —— hc * da — —* 
und Fravitas aus den Diptychen nicht geſtrichen hatte, Papſt die Aner: 


fennung (jo Theoph. p. 155, 17 sqq. 2 * — —— erhalten; von Eupbe- 
mius weiß auch Zach. 7,1p. 1 
Etwa ein Jahr nach dieſen > 9 April 491, ftarb Kaiſer Zeno. Den 
3 Thron und zugleich die d ber Kaiſerinwitwe Ariadne erlangte ber Sientiar (eine 
relativ untergeordnete Hofcharge) Anaftajius, der ebenfo tie jein Worgänger in ben 
monopbhfiti Heiligenkalender gelommen it, was er, wenn — Frömmigleit 
dafür maßg end wäre, vermutlich beijer verbient hat als jener. Aber bie‘ innere 
Anteilnahme an den kirchlichen und dogmatiſchen Fragen fit auch das f jeiner Ne 
40 gierung geworden. Politiſch durchaus gewillt, in Zenos en ee ri yebei aber ing- 
bejondere das Henotifon und Die unnadgiebige Haltung Nom g yeizubebal: 
bat er ſich doch durd) feine perjünliche mer ara Überugung D —* ‚gegen Ende 
jeiner Regierung zu unvorfichtiger Nachgiebigteit gegen die at, 
Dee lafien, während er andererfeits in der Auswahl der firdli Bern ‚bie 
unterſtützen follten, vor allem aljo der Patriarchen, feine glü iche Hand 
Yazu kommt, daß er jchon bei feinem Negterungsantvitt nicht mehr j jung —* 
die —— hat, daß er damals mindeſtens 60 Jahre alt geweſen ſei, weiß ich 
jedenfalls zulehl im höchſten Greiſenalter ſtand. Er batte nach dem Tode Petrus 
Es 









Walters (488°), dem der im Oftober 485 auch über ihn ausgeiprochene päpf 
;o (f. Fel. Ep. 11) nicht geſchadet hatte, unter den Kandidaten für das antiochenijd 
tum gejtanden, das dann Balladius erbielt (Theoph. p. 135, 24). Seiner Wahl 
Kaifer widerfegte fich Euphemius. Anaftafius war mit dem ı jcbon früber 
aneinander geraten, als er in der Kirche von eigenem Lehrſtuhl aus m ophufitiiche Vor⸗ 
träge hielt, bis ibm der Patriarch mit Zenos Einwilligung unter ber er werde 
55 ihm jcheeren lafjen, das Handwerk legte (Theoph. p. 134, 19; Suidas s. v. parola) 
Jetzt gab er nicht eber nad), als bis Anaftafius eine Art MWabl (Kapitulation un 


durch die er fich verpflichtete, feinerlet Neuerungen vo en und ( 
—— (Theod. Leet. 2 ‚6p. 186). Euphemius lieh Be 









BL 4 Bu 





Monophufiten 383 


3. Bis zum zeitweiligen Siege des te unter Anafta- 
fius. Der von Rom provizierte Brud und das ihm folgende 35 jährige Schisma 
wird in den firchen- und dogmengefchichtlichen Darftellungen (ſ. aber Gelzer 921) in der 
Hegel als eine verhängnisvolle Folge der durch das Henotifon gefchaffenen Lage, dieſes 
jelbft aber als eine überwiegend ſchädliche Maßregel beurteilt. Oberflächlich angefeben, 6 
ift daran gewiß etwas Richtiges. Hätte man das Chalcedonenje beibehalten und ſich in 
biefer wie in anderer Beziehung den Wünfchen, richtiger Befchlen des Papſtes gefügt, jo 
wäre es zum Schisma nicht gefommen. Es iſt aber billig zu bezweifeln, vb eine der: 
artige bedingungsloje Unterwerfung unter den Willen Noms für eine gefunde Entwide: 
lung der firchlihen Verbältniffe im Orient wünſchenswert oder auch nur möglich geweſen 
wäre. Man braudt nur die Briefe Felix' III. zu lefen, un zu der Überzeugung zu 
fommen, daß die bier mit verblüffender Rückſichtsloſigkeit in einer für nicht gänzlich de— 
generierte Chren unerträglichen Weife vorgetragene ‘Theorie von der Selbitherrlichkeit des 
römiſchen Biſchofs mit der Löſung der Suprematsfrage im Orient, wie ſie durch den 
28. Kanon von Chalcedon gegeben und durch Zenos viel zu wenig beachtetes Edikt von 
476 (f. o. ©. 379,60) von neuem beftätigt war, in unlöslichem Widerjprud Stand. Daß 
der Patriarch von SKonftantinopel die oberbifchöfliche Stellung über den anderen orien— 
talifchen Kirchenhäuptern angeftrebt und unter Akacius thatfächlid erreicht hat — ob N. 
bereitö den Titel eines ökumenischen Batriarchen angenonımen hat, ift unficher —, liegt 
vor Augen. Daß dieſe Entividelung im Orient felbit als geſund betrachtet wurde, 20 
zeigen Die Vorgänge bei der Durchſetzung des Henotikons. Nun aber war man „poli- 
tiſch und national von den Lateinern doch geſchieden“ (Gelzer a. a. O.), und ein feiner 
Würde bewußter Patriarch wie Afacius mochte bei Abwägung der politischen Für und 
Wider mit guten Grund das Einvernehmen mit Nom geringer einjchäßen als die Auf: 
rerbterhaltung feiner Prärogative. Er konnte es jogar mit Augficht auf dauernden Er— 
folg, fo lange die Regierung die Sicherung der Lage im Urient als ihre wichtigſte Auf- 
gabe betrachtete und auf eine Beeinfluffung der Entwidelung der Verhältniffe im Weiten, 
der ftaatlichen ſowohl wie der kirchlichen, verzichtete. Das ift in den nächſten Jahr: 
zehnten der Fall geweſen. Erſt als der faiferliche Ehrgeiz ſich wieder zu mweltumjpannenden 
Anſprüchen jteigerte, ward die Wiedervereinigung mit Rom eine wirklich brennende Frage; 30 
denn wer im Welten herrfchen wollte, hatte mit dem Papfte zu rechnen. Mit der Be 
ſchränkung auf den Oſten aber war zugleich das eigentliche Tirchenpolitifche Programm 
gegeben. Es galt vor allen das kirchliche und dogmatische Einvernehmen zwifchen den 
geben Stühlen, denen die Suffragane folgen mußten (ſ. o. S. 382,7), ficher zu ftellen 
fonnte auf Grund eines Programmes, in deſſen Mittelpunkt Die chalcedonenfifche 35 
fe itand, unmöglich gefchehen. Diefe Formel oder gar die Synode, auf der fie be: 
lofien war, zu anathematifieren, war ebenfo unmöglih. Der Ausiveg, den das Heno⸗ 
tion mit feiner Hugen Umgehung diefer jchmwierigen Frage, Die das praftifche Verhältnis 
Chalcedon nad) Bedürfnis einzurichten geftattete (wovon z. B. Petrus Mongus und 
Kine Nachfolger ſſ. Zach. 6, 6 p. 96,25 u. 97, 228qq.) reihlichen Gebrauch gemacht 10 
baben), war unter folchen Umſtänden der allein gangbare, und es iſt nicht die Schuld 
dieſer Formel, alfo auch nicht Zenos und feines “Patriarchen, fondern des mit der Zeit 
unmer deutlicher bervortretenden Mangels an deutlicher Einfiht in das überhaupt Er: 
reichbare bei den Nachfolgern geweſen, wenn ſich die Dinge troß allem nicht glücklich 
entwidelten. ;sreilih war diefer Weg mit Schtwierigfeiten gepflaftert. Der monophy— & 
Rtiichen Heißſporne (f. o. &. 381,45) Herr zu werden, war in jeden Falle vergebliche Liebes— 
müb', unter normalen PVerhältniffen auch nicht von großer Bedeutung. In der Reiche: 
bauptitadt aber wurde die allzeit bereite Oppoſition durch die „orthodoxen Feltungen” (Barth 
106) einiger Klöſter gepflegt (Theoph. p. 141,25 nennt außer den Akoimeten ſſ. o. S. 379,30] 
noch die Klöfter des Dius, des Baſianus und der Matrone), die zugleich Dem römischen oo 
Einfluß zugänglih blieben und den Papſt auf dem Laufenden zu balten wußten (vgl. 
Fe. Ep. 14 p. 267, 10: filii nostri religiosi monachi, rectae fidei confessione 
pollentes). Dazu fam, daß die dent Akacius folgenden Batriarchen ſich nicht auf der 
Höhe ihrer Aufgabe zu halten wußten und der fatferlichen Einigungspolitit im Liten 
ununterbrochen Steine in den Weg tmarfen. 55 
Alacius ftarb Ende (2) 489. Seinen Nachfolger Kravitas (Klavitas; wohl ein 
Bote, ſ. Gelzer in ZprTh 10, 1884, 316ff.) beurteilen die ortbodoren Ghronograpben 
alö einen Adhjelträger (vgl. Theoph. p. 133, 9). In der That befannte fih Fravitas in 
keinem Antrittsfchreiben an Petrus Mongus (Zach. 6, 5), wenn aud mit vorfichtigen 
Vorten, zum status quo, Was diejen zu einer erheblich perjünlicher und unvorfichtiger 60 


N 
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ID 
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384 Monophyſiten 


gebaltenen. den Patriarchen aber freudig begrüßenden Antwort veranlaßte (Zach. ii, 6. 
MPapſft Felir aber zeigte er ſeine Stublbeſteigung (übrigens durchaus korrekterweiſe, da 
ihn ja Die Jebde ſeine Vorgangers mit dem Römer nichts anging) in einem nicht 
erbaltenen Schrerben cn. in dem er den Apoſtelfürſten und ſeine Schlüſſelgewalt ge 
feiert baben wur Fel. Ep. 11 p. 267,5. Indeſſen zeigt Des Papſtes Anwort (Ep. 
pi von Ateans des Jadres gene deutlich, Daß Fravitas ſich ihm gegenüber fachlich zu 
min varpeipaı sen Ian Durch den in ſebr bötlidem Tone gebaltenen Brief zieht 
ii sig Nas imo nadene cn Den Natier gejandten (Ep. 15) deutlich die Be 
engen nn das ven der papitlicen Hauptforderung, die Verdammung bes 
Minis αα uns den Wlerandriner fallen zu laſſen, gar nicht die 
NN ara wer Zu Murmufeen 8 denn aud Dem Rapite nicht gelungen (wol. 


ner. NN 577 ur Banmiac Nangen 158 82), und man bat offenbar 
OR wer Do 2 Saze,sım sor mir acdachte. Tas änderte ſich auch zunädft 
82. rpm is ZINN, 2 17 rar dee nach viermonatiger Anıtöverivaltung; 
Nr N. N: Tan Tom 9 Dina Serats von der Schisvalang; jo richtig 
x — * Doyne Ir. sfr Sr undin den aus Apamea gebürtigen, in 
ur har sent SA 0 0.27 +) 7 Exrbemius einen Nachfolger erbielt, der 
„uses iso No zur N eine moglicit orzbetere Auslegung des He 
| ron, nennt nn 2 os am liebſten beſenia: batten. Er zeigte ji 
SONNE see Ne Ne Toert der Einigung nah Kräften bintertrieb. Gleich 
Sonnen — Lerrus Mongus in Monti, deſſen an Fravitas 
8 on ‚oz nah Dem Tode des Patriarden nad Stonftantinopel 

. . OD .8 0.0 ne Derfangr wegen der darin enthalzenen offenen Verw 
NN sn ... Zach. ti, } Gr jtrid (nach Theoph. p. 133, 16) mit 
N EN ne Worsus aus den Diptychen und muz fich mit der Abficht, 
\ 0.8 mer u laſſen, was durch den (nach v. Gutſchmid 29. Ok. 
\ Ss. x Asse richtig ſind ſſ. S. 384,10. 22], aber nicht vor Mai 490) 
Son. ter, denne uberflülfig gemacht wurde. Zein Nachfolger wurde der 
d 2. made, don Euphemius zunächſt nicht bebelligte Athanaſius II. 
vy—.te Euphemius ſeinen Amtsantritt an; da er aber Akacius 
N: Dawrvchen nicht geſtrichen hatte, weigerte der Rapit die Aner- 


atop. Sr 178gQq.; Der Briefivechjel iſt nicht erbalten; von Euphe 

a vxmn Zach. 7,1 P. 102, 3.9). 
or dieſen Vorgängen, am 9. April 491, ſtarb Kaiſer Zeno. Den 
ar da wand der Kaiſerinwitwe Ariadne erlangte der Silentiar (eine 
da Sendo Anaſtaſius, Der ebenſo mie jein Vorgänger in ben 
on. Woysithitender gefommen tt, was er, wenn perjönlice Frömmigkeit 
\ non vermutlich beſſer verdient bat als jener. Aber Die größere innere 
So ubinben und dogmatiſchen ‚Kragen it auch das Unglüd feiner Re 
N. ttiheb durchaus getwillt, in Zenos Bahnen meiterzugeben und ine 
“se ndyayteit und Die unnachgiebige Saltung Nom gegenüber beizubebalten, 
send veine perſönliche monopbofitifche Überzeugung befonders gegen Ende 
„. ‚nvorjihtiger Nachgiebigkeit gegen die Stürmer und Tränger ver: 
sad er andererfeits in der Auswahl der firchlichen Perfönlichkeiten, bie 
. esbisin. vor allem alſo der Patriarchen, feine glüdliche Hand beſeſſen bat. 
vn hhent bei feinem Regierungsantritt nicht mebr jung (ober Rofe 1, 10 
on. sh er Damals mindeſtens 60 \abre alt geweſen jei, weiß ich nicht), 
u 5a hochſten Greiſenalter ſtand. Gr batte nach dem Tode Petrus de 
san der im Oktober 185 aud über ihn ausgeſprochene päpftliche Bann 
. “abe geſchadet hatte, unter Den Nandidaten für das antiochenifche Bit 
oe bunt Palladius vrbielt (Theoph. p. 135,24). Seiner Wahl zum 
op Mb Cuphemius. Anaſtaſius war mit dem Patriarchen fchon früber 
rc, als er in der Kirche von eigenem Lehrſtuhl aus monophyſitiſche Vor— 
ect der Ratriarch mit Zenos Einwilligung unter der Drohung, er merke 
ha, babs Handwerk legte (Theoph. p. 134, 19; Suidas s. v. Yparola). 
ser nach, als bis Anaſtaſius eine Art Wablfapitulation unterzeichnete, 
ib veipflichtete, Feinerlei Neuerungen vorzunehmen und Cbalcedon anzu 
ad. beet. 2, 6 P. 1856). Euphemius ließ dann auch 492 durch feine Sp 
ia auebtudiuh bejtätigen (Viet. Tunn. ad ann.; Theoph. p. 137, 11), 
u Muberie ihm jene Urkunde twieder ab (Theod. Leet. 2, 7 p. 188 und 


Monsphuyfiten 385 


nad ibm Theoph. p. 139, 19; Ev. 3, 32 verlegt dieſen Vorgang, vielleicht mit 
Recht, erft unter den Patriarchen Macedonius). Als dann während des tfaurifchen Krieges 
der Patriarch in landeöverräterifche Verbindung mit den Feinden trat, war fen Map 
vol. Anaftafius berief die Synode, ließ den Unbequentn, der kurz vorber einem Mord: 
verſuch mit Tnapper Not entgangen war, abfeten und verbannte ihn nach Euchaita in 5 
Pontus (Theod. Lect.2,9— 12; Libell.Synod.Mansi8,374; wahrjcheinlihd Sommer 496 
[Viet. Tunn. ad ann.]; Theoph. p. 140, 9 jett das Ereignis 497, Marc. Com. ficher 
falich 495 an). Der Nachfolger Macedonius, ein Enfel des Gennadius (f. 0. S. 378, 17; 
Theod. Leet. 2,14, der M. ald doxntıxös xai leods charakterifiert), mußte das Heno— 
tifon unterſchreiben (Theoph. p. 140, 15). Aber auch an den neuen Batriarchen fand 
der Kaifer feinen Freund. Macedonius ließ fich jehr bald durch den Widerjtand der 
orthodoxen Mönche auf die Seite drängen, wohin ihn feine Herzensmeinung obnebin 
verwies. Darf man Theophanes (p. 141, 19 8qq.) trauen, defjen Angabe allerdings mit 
der des Victor von Tunnuna (ad ann. 497) in Widerjpruch ftebt, jo hat Macedonius 
den Kaiſer ſogar zur feierlichen Anerkennung Chalcedons durch die fonjtantinopolitanische 15 
Synode zu bewegen vermodit. 

In ein neues Stadium traten die Dinge dadurch, daß etwa um die gleiche Zeit die 
ſyriſchen Monophyfiten über das Henotifon als eine ungenügende Konzejfion hinauszu: 
drängen verjudhten. In Antiochien war nach dem Tode des Palladius (f. o. S. 384,51) 
498 (499?) Flavian zum Biſchof eingefegt worden, ein dem Kaiſer genehmer, von den zu 
Eynoditen aber von vornherein als Henotifer fcheel angefehener (Theoph. p. 142, 11) 
Mann. Soweit die Quellen ein Urteil zulafjen, gehört auch Flavian zu jenen PBrälaten, 
die dem Henotikon aus politifcher Überzeugung folgten, im Herzen aber orthodor waren 
(vgl. Die Angaben bei Joh. Eph. KG 1,41; Joh. Nik. 315; damit jtimmen die bei Mai, 
Nov. Coll. 6, 135 abgedrudten Brucitüde aus feiner Homilie über So 5, 23 und Die 3 

immelfahrt). Dieje an ſich geiunde Bofition erregte den Zorn der Monophyſiten feiner 
tögefe, die unter Petrus dem Walter und anfcheinend auch unter Palladius beiler auf 
ihre Rechnung gelommen waren. Ihr Sprecher wurde Philoxenus (Kenajas aus Tabal 
in Perfien; ſ. über feine VBorgefchichte, Litterarifche Wirkſamkeit und Theologie den Art. 
Philoxenus), den Petrus zum Biſchof von Hierapolis (Mabug) gemacht batte. Er wußte zo 
pmächtt Flavian zu veranlaflen (jo die paläftinenfifhen Mönche in ibrem Briefe an Al: 
jon und “Theophanes bei Ev. 3, 31), nicht nur, daß er auf einer Synode (508/509; 
natürlich zu Antiochien) fich unter Übergehung von Ghalcedon zu den Synoden von Nicäa, 
Konftantinopel und Epheſus, fondern aud zur Verdammung Diodore, Theodors und 
anderer Gelinnungsgenofjen bequemte und jein eigenes Bekenntnis in vier, der dyophyſitiſchen 3; 
Lehre mwiderfprechenden Sägen formulierte (j. außer jenem Brief Theoph. p. 151, 11---18). 
Damit nicht zufrieden, forderte Philoxenus auf einer auf faiferlichen Befehl zu Sidon 
abgehaltenen Synode (511/12; ſ. den Bericht in Hist. Misc. 7, 1U und die der Synode 
übergebene Bittichrift der Mönche ib. 7, 11; vgl. au Theoph. p. 153, 12—154, 2; 
Libell. Synod. Mansi 8, 374) die ausdrüdliche Verdaimmung des Ghbalcedonenje. Ter an 
Patriarch lehnte die Zumutung ab, moralifch gefräftigt durch die Anwefenbeit Des den 
gleichen. Standpunkt vertretenden, aber weniger biegjamen (er batte fich getveigert, auch 
mr Diodor und Theodor fallen zu laſſen; |. Theod. Lect. 2, 23 p. 196, Theoph. 
pP.151,27— 31 und vgl. dazu E. de Boor in ING 6, 18814, 573- -577) Patriarchen Elias 
von Jerufalem (f. Cyr. Scyth. Sab. 52 p. 300 8q.). Konnte fomit bier Pbiloxenus 5 
kinen Zweck nicht erreichen - - die Synode wurde aufgelöft —, fo foll doch ſchließlich 
tan dem Drängen der Mönche, binter denen der Kaiſer jtand, nachgegeben und die 
de anathematifiert baben (Theoph. p. 154, 2). Genügt bat es ibm micht: zwar 
wißlang der wüſte Putſch, den die Mönche gegen ibn in Szene jegten (Ev. 3, 32), 
aber bald darauf (512) traf dag faiferlicbe Dekret ein, das ihn nach Petra in Arabien 
berbannte (Ev. 3, 32; Marc. ad ann.; Theoph. p. 156, 9—18; vgl. aud Cyr. 
Le. 56, 307 sq.). 

Aus der Art, wie der Kaiſer das Auftreten des Philoxenus begünftigte, ergiebt jich, 
daß er von der Politif der geraden Linie inzwifchen abgewichen war. Theodorus Yector 
2,20 p. 193; ihm folgt Theoph. p. 119, 25) fegt diefe Wendung in die Zeit nad 55 
der Beendigung des Verferfrieges (506). Damals bat er den Philoxenus perſönlich kennen 
kim. (Theoph. p. 150, 4), und diejer mag dem alten Manne (j.o. S. 3814,48) zugeſetzt 


0 


Außer ihm bat der Patriarch Johannes III. von Alerandrien (0 Nexauats, 
ta, amtiert als Nachfolger Johannes' II. Hemula von 505 515 |v. Gutſchmid S. 457. 
516), den Kaifer, fogar mit Geldmitteln, bearbeitet (Theod. Leet. Mill. 396 und so 


Reals@ncytlopädie für Theologie und stirdhe. 3.0. XIII. 25 


4 Monsphufiten 


a enpal. zn 552, 10 12% Die Hauptrolle aber — neben dent fanatifchen poli⸗ 
rt bigtart Siv Kaiſers, Marinus von Apamea, der fid als erflärter Monophyſiu 
> neriwen Angelegenbeiten miſchte - begann mebr und mehr der gemandte 
0. Mens zu Ipielen, der, jeit etwa 510 mit vielen anderen paläftinenfiichen 
ai ch De Wenbsbaupetadt anweſend (Theod. Lect. Mill. 397 und danach 
neepa gr 02,5, den Kaiſer vor allem gegen feinen Hofpatriarchen aufbetzte. Macedo- 
we MB je Langer Deite weniger mit Anaſtaſius zu ftellen gewußt. Tiefer ver: 
er Non Valriarchen auch feine Nachgiebigfeit gegen Rom (ſ. Darüber unten S. 387, 11 ff.) 
one u unm ſo mehr geneigt, den Eimflüfterungen der Monophyſiten Gehör zu 
re. Die Monche jchürten nach Nräften. Beim jonntägliden Gottesdienft in der 
vdepede Tan es sum Tumult, als beim Trishagion der Zänger die ſeverianiſchen 
teen m gravowdeis dd Yuäs(). 0. S. 378, 13) dazwiſchen fchrieen (Theod. Leet. 2,26 
i,, danagch Theoph. p. 194, 3 sqq.). Maccdonius veritand ſich zwar zu einem 
Ayrnutians, Das, auf Nicäa und Ronftantinopel zurüdgebend, über Epbejus und halcedon 
eig. Er erreichte Doc nur, Daß darüber die ibm ergebenen Mönce in Aufregung 
twin, die er mit Mühe beſchwichtigte. Andererſeits ſuchte der Kaiſer den Patriarchen 
rurbind zur Herausgabe der von ihm aufbewahrten chalcedonenſiſchen Alten zu bewegen, 
ai Ne vernichten zu fünnen (Theod. Leet. Mill. 399, 2- -6 und danadı Theoph. 155, 
>1, nach den Chron. Edess. ed. Hallier p. 121 lich Anaftafius das Grabmal 


X Viaiwrerin Euphemie öffnen, wm die darin aufbewahrten Konzilsbeſchlüſſe zu ent- 


reriien und zu verbrennen). Die Gegenpartei aber erfanı immer neue Beichuldigungen 
egen Macedonius, und Das Ende war, daß der Vatriarh am Abend des 7. Auguft 511 
auflgeboben und nach Euchaita, wohin auch jein Vorgänger batte wandern müſſen (\. o. 
= 385, ) verbannt wurde (Theod. Lect. 2,28 p.200 |j. auch Rev. Arch. 398]; Mare. 
al ann. »11; Theoph. p. 155, 23; zu den Vorgängen vor der Abjegung vgl. aud 
davo uber Die Einzelbeuen eingehend berichtende, insbejondere mit genauen eitang aben 
oehene, in Der Färbung felbſtooerſtändlich parteiifche Schreiben der monophyſitiſchen 
Honbe in Hist. Mise. 8, 1 p. 121, 27- 128, 13). Er binterließ in weiten reifen 
ser tea Andenken: Die alte Kaiſerin weinte ihm Thranen nach (Theod. Leet. Mill. 
Le, ſeinen Getreuen erjchien er im Traume (Theod. Lect.2,36p.204. Der ihm vom 
Kaner geishte Nachfolger Timotbeug erfreute ſich, nad feinen bäßlichen Beinamen au 
kblnpen ce. lerooßorAßns und Kıjkov Theod. Lect. 2,28 p. 200, Theoph. p. 155,26; f. 
tal Liv Vemer ungen von Miller in Rey. Arch. 280; die Hist. Misc. 7,9 p. 129, 4 
uk m Gegenteil von ibn: jene Werke paßten zu feinem Namen, bieß er doch der Gott 


„ro, zum mindeſten bei den Crtbodoren feines befonderen Aufes, In der That ver: 


nubte on benotifche Straßen mit monophyſitiſcher Pflaſterung zu gehen: den Namen ſeines 
nterinda iniſchen Kollegen nahm er in die Diptychen ‚auf, während er die Bilder feines 

iheingers aus den Kirchen entfernte (Theod. Lect. 2, 29 und Mill. 399; Theoph.p. 155, 
0 Die Hauptftadt aber war dadurch keineswegs berubigt, vielmehr ſah das Jabr 


1 November) jene fürchterliche Revolution, an der wiederum das erweiterte Trishagion 


—B war und in deren Verlaufe Anaſtaſius ohne Diadem vor das im Zirkus ver: 
ſammelte Volk trat, um von der durch fein Erſcheinen gerührten Menge die Krone zurüd: 
‚wabulten (Marc. Com. ad ann.; Ev. 3, 11; Chron. Pasch. p. 853; vgl. aub 
ist Mise. 7,9 mit den Anmerkungen. Es ſcheint allerdinge, als habe dieſe Erplofion 


neblibuend gewirkt: zum wenigſten von firehlichen Unruben wiſſen die Chroniften in ben 


lan uhren Des Anaſtaſius nicht mebr zu berichten. 

Im Urtent aber begann der Zivgeslauf der Monophyſiten. An die Stelle Flavians 
1. 2.585,20) trat am 6. November 512 (Evagr. 3, 33; Mal. 400, 8 sqgq) Severus, 
ia willig hervorragendſte unter Den monophbyſitiſchen Führern. Dieſer berief (513 nad 


tar woöhnlichen Annabhme; Diekamp 2 2ff. tritt mit guten Gründen für 515 ein) eine 


ehr Zwiede nad Turus, aut der Ghulceden verworfen und das Henotikon mit 
vet Philorenus und Severus vertretenen monophyſitiſchen Auslegung anerkannt 
wur Al. IHlist. Misc. 7, 12). Bald darauf (514 nach der gewöhnlichen Annahme; 
und Liekamps einleuchtenden MNombinationen im Auguſt 516) mußte Elias von Jeru⸗ 
yon dm die Verbannung nad Wila am roten Meere wandern, mo er 518 gefiorben iſt 
ut Die Vorgänge, Die zu ſeiner Abſetzung ſuhrten, Cyrill. Scythop. Sab. 51 
p Pösqyuı Theod. Leet. 2,23 p. 196; Ev. 3, 31. 33 u.a). Übrigens bedeutete dieſer 
—X iuͤbt eigentlich einen Elend: ann der Nachfolger Johannes (wahr 
eb September 516 bis April 524, Tiefamp 27) verjprad zwar, wie Theoph. 
p ton, so muchtern ſagt, dor fetter Wabl alles, that aber nachher nichts davon. Dafür 


Mounophyſtiten 387 


ſorgte ſchon Sabas, der, „Politiker der Wüſte“ (ſ. d. Art.), der Hort der paläſti— 
nenſiſchen Orthodoxie. In Agypten dagegen behielt der Monophyſitismus auch unter 
dem übrigens unrechtmäßig gewählten und erſt nach allerhand Unruhen anerkannten 
Dioskur II (ſeit 516) die Oberhand. Als Anaſtaſius ſtarb (9. Juli 518), war bie 
Mittelpartei der eigentlichen Henotifer verſchwunden, ficher nicht ohne Schuld des Naiferg, : 
von dem ein nicht übelmollender Beurteiler, der Stylit Joſua in Edella, fagt: „Wenn 
diefer Kaiſer gegen das Ende feines Lebens in einem anderen Lichte erfcheint, fo ſoll ich 
niemand an unjeren (im Terte vorangehenden) Zobpreifungen ftoßen, jondern deſſen ge— 
denken, mas Salomo am Ende feines Lebens that” (Jos. Styl. 101.p. 76). 

4. Bis zur Beseitigung des Shismas mit Rom und der Monopbyfiten: 10 
verfolgung unter Juſtin I. In dem Verhältnis zum römischen Stuble ift unter 
Anaftafius trog mannigfacher Verhandlungen keine Anderung eingetreten. Gelafius I 
(1. März 492 bis 21.Nov. 496; ſ. d. A. Bd VI, 473- 475) batte fich fchon vor feiner 
Stuhlbeiteigung als jachkundiger Gegner der Monophyſiten und der Kirchenpolitif des 
Akacius bei ftrengftem Feithalten an dem Gedanken der römifchen Oberberrlichkeit gezeigt. ı5 
Zeugnis dafür legt die im Jahre 489 (p. 511, 2: Nestorius ante quinquaginta et 
oeto fere annos ... exilio meruit relegari) verfaßte Abhandlung ab, die unter dem 
Titel der Gesta de nomine Acacii seu Breviculus de historia Eutychianistarum 
ala wertvolle Duellenfchrift (f. o. S. 373,1) befannt geworden if. Auch der erite unter 
feinem Namen aufbehaltene Brief (Ep. 1 p. 287— 311), eine ausführlide Darlegung 20 
der Differenzpunfte zwifchen Rom und Byzanz, ift noch unter Selig, deſſen rechte Hand 
Gelaftus war (ſ. Thiel 23F.), wohl um die gleiche Zeit, gejchrieben worden. Den bier ver: 
tretenen Standpunkt hat er auch ale Papit mit bobem Selbſtgefühl beibehalten (j. feine 
Briefe an die dardaniſchen Bifchöfe, deren Heeresfolge er nicht ficher war |Epp.7 p.33580q., 
18 p. 382—85, beſonders 26 p. 392---113], feinen 2., 3. und 4. Traftat |p.524 --570]; 3 
feine Briefe an den Kaifer [Ep. 12 p. 349-— 358] und feinen Batriarchen [Ep. 3p.312- -321], 
endlih an den Magiiter [Ep. 10p.341—48]). Er bat ſich bis zu dem Satze veritiegen: 
mortuos suscitasse legimus christum, in errore mortuos absolvisse non legi- 
mus Ep. 10, 3 p. 342). Übrigens zeigt die in den Briefen mehrfach wiederkehrende 
Auseinanderfegung mit der gegnerifchen Forderung, er möge aus Nüdficht auf Die Stimm: so 
mung in Konjtantinopel die Nerdammung des Akacius fallen lajfen, deutlih, daß in 
diefen Punkte, von der dogmatifchen Frage abgefeben, Negierung und Volk in der Haupt: 
ſtadt folidarifch waren. Einem derartigen Madtipruch des römischen Biſchofs fich zu 
beugen wäre (außer den unioniftiich gefinnten Mönchen, |. o. S.383,48) niemandem ein: 
gefallen. Der Nachfolger des Gelafius, Anaftafius II. (24. Nov. 196 bis 19. Nov. 198), 35 
war offenbar aus anderem Holze gefchnigt. Nicht nur daß er dem Kaiſer in einem unter: 

gehaltenen Schreiben (Ep. 1 p. 615--623) jene Stublbefteigung anzeigte, was 
Gelaftus unterlaſſen batte (f. dazu feine Rechtfertigung in feiner Ep. 12, 1 p. 350), er 
muß auch fonit Anlaß zu der Auffaſſung gegeben baben, vo er für Beilegung des 
Streites ohne Bloßitellung der fatferlihen Autorität und des Anjebens des Patriarchen 40 
zu haben fe. Es wäre fonft nicht zu erklären, daß der Patrizius Feſtus gelegentlich 
einer politischen Gefandtichaft den Kaiſer die Hoffnung eröffnete, es werde müglich fein, 
dem Papſte die Anerkennung des Henotikons abzugewinnen (Theod. Lect. 2, 17 p. 192). 
Wie dem auch fei, Anaftafius jtarb zu früb, als daß fih die Berechtigung folcher vder 
äbnlicher Hoffnung bätte ausweiſen lafien. Aber noch in die Wabl des neuen Papſtes #5 
Hangen die Friedensgedanken hinein, freilib nur um ein friegerifches Echo zu finden. 
Papa verfuchte feinen Kandidaten, den Archipresbyter Yaurentins, Durchzufegen ; der 

heit aber gelang es, den Diakonen Sym machus (22. Nov. 498 bis ca. 19. Juli 311), 
auf den Stuhl zu bringen, der feine Anerfennung allerdings erjt nach wüſten Szenen 
(f. Darüber den rt Symmadhus) zu erzivingen vermochte. Sein Schreiben an den Kaiſer co 
(Ep. 10 p. 700-708, nicht vor 506 erlaffen) redet wieder eine andere Sprache, in der 
von irgend welcher Achtung faiferlicher Würde nichts anklingt, der man aber andererjeits 
die Anerkennung nicht verfagen kann, daß fie den eigenen Standpunft in eneraifeher, faſt 

iſch zu nennender Weiſe zum Ausdruck bringt. Wieder eines von den Dokumenten, 
die den eis dafür liefern, daß eine Unterordnung des römiſchen Biſchofs unter den 5 
Reichsgedanken ſchon damals cine Unmöglichkeit war und alle Verhandlungen nur ſcheitern 
oder zu einer Niederlage Oſtroms führen konnten. Das erſtere bezeugen die erſten Ver— 

lungen unter Hormisdas (20. Juli 514 bis 6. 17.1 Auguſt 525), das zweite der 


Den | 


Als Hormisdas den Stuhl beftieg, hingen über Anaftafius die ſchweren Wolfen ber so 
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60 


388 Monophyſiten 


vitalianiſchen Empörung (ſ. Dazu Roſe 1,52ff.; Hauptquelle iſt Johannes von Antiochien 
|Fragm. Hist. Graec. 5, 32sqq.). So unrichtig es iſt, den Schutz des katholiſchen 
Bekenntniſſes als einen der wirklichen Beweggründe Vitalians zu bezeichnen, ſo gewiß iſt 
doch, daß er, indem er ihn vorſchob, „damit eine ganz unvergleichliche legitime Baſis für 
den ungemeſſenſten Flug ſeiner ehrgeizigen Phantaſie erhielt und den Haß der katholiſchen 
Unterhanen gegen den Kaiſer als moraliſchen Bundesgenoſſen bei ſeinen Kämpfen benutzen 
durfte“ (Roſe 53). Bei der Verhandlung mit den feindlichen Führern ſtellte der Kaiſer 
in Ausſicht, daß er zur Beilegung der Glaubensftreitigfeiten die Vermittlung des Papſtes 
juden werde. Den Niederfchlag dieſes Verfprechens bildet feine Korrefpondenz mit NHor- 
misdas. In zwei Schreiben (Horm. Ep. 1 vom 28. Tea. 514 p. 7418q. und Ep. 2 
vom 12. Jan. 515 p. 7-42; der erſte Brief gelangte erſt nach dem zweiten in die Hände 
des Papſtes, ſ. u.) lud er den Papit fürmlich zu einer in Heraklea abzubaltenden Synode 
ein. Hormisdas gab auf beide Briefe böfliche Antwort (Ep. 4 vom 4. April 515 p. 74580. 
entbält die Antivort auf Ep. 2, Ep. 6 vom 8. Auli p. 747sq. die auf Ep. 1) und 


5 verficherte den Raifer wohlwollender Teilnabine für fein Unternehmen. In der That be 


ſtimmte er feine Gefandten (darunter Ennodius von Tieinum, f. d. Art. Bd V, 394,0) 
und gab ihnen eine Inſtruktion (Ep. 7 p. 748--755), wonach ſie bei höflichem und 
ihonenden Auftreten Doch alles meiden jollten, was als Anerkennung der Kirchengemein⸗ 
ichaft gedeutet werden fünne. Der Bapit fordert volle Anerfennung des chalcedonenftichen 
Konzils und Verwerfung des Mlacius; unter diefer Bedingung ſei er in eigener Perſon 
zu kommen bereit (Ep. 7, 6). Mit einem Benleitfchreiben an den Kaiſer (Ep. 8 vom 
11. Auguſt p. 7558q.) verfeben reilten die Yegaten nach Ronjtantinopel. Aber Anaſtaſius 
mochte, felbjt in jchwieriger Yage, ſich nicht entjchließen, jo kurzweg zu Kreuze zu Triechen. 
Er jchidte die Kegaten im Sommer des folgenden Jahres zurüd und gab ihnen ein Schrei: 


25 ben an Hormisdag mit, in dem er auseinanderjeßte, daß er vom chalcedonenfifchen Konzil 


niemals abgemwichen fei, da diejes ja ſelbſt den nicänifchen Glauben vertrete; daß er die 
Alerandriner wiederholt getadelt babe, weil ſie an der pofitiven Lehre ſich nicht ge 
nügen, jondern fih zu der überflüffigen Verdammung des Chalcedonenje und des Lehr: 
briefes Leos verleiten ließen; daß er aber binfichtlih des Alactus nicht nachgeben wolle 
und könne, weil ſolche Nachgiebigkeit Die fchiwerften Unruben bervorrufen würde (Ep. 10 
p. 761- 764; Datum unficher, |. Tbiel p. 105). In einem direft an den Papit ge 
richteten Billet und in einem Schreiben an den Senat (Ep. I1 p. 7648q., 12 p. 765 8q., 
vom 16. bezw. 28. Juli) giebt er feiner friedlichen Stimmung wiederholten Ausdrud. 
Die Römer verbarrten dem gegenüber natürlich auf ihren Standpunkt (ſ. die Antworten 


» des Papſtes |[Ep. 13 p. 766---68] und des Senates |Ep. 14 p. 768--70], beide aus 


d. Auguft), den Hormisdas auch jpäter unverändert beibebielt (Ep. 27 p. 796-800 
an den Kaiſer; Ep. 28 p. 800 an Timotbeus, Epp. 29 und 30 p. 801—805 an die 
orientaliſchen Biſchöfe, Ep. 32 p. 8068q. an die Urthodoren in Konftantinopel, alle 
vom 3. April 517; Ep. 37 p. 8128q. vom 12. April an den Kaiſer). Anaftajius aber 
brab mit Schreiben vom 11. \uli 517 (Ep. 38 p. 81380.) die Verbandlungen in 
durchaus würdiger Weile ab: injuriari et contemni (&£ovdeveiodar, der jetzige latei- 
nijche Tert bat annullari, j. Ibiel 81-4 N. 4) sustinere possumus, juberi non 
possumus. Bald aber veränderte fein Tod (. o. 2.387,14) Die Lage. 

Der Befeblsbaber der Palaſtgarde (comes excubitorum) Juſtin (aus Bedertana 


sim Grenzgebiet von Illyrien und Thracien, daber ibn die Hiltorifer teils als Illyrier, 


teils ala Thracier bezeichnen) bemäctigte ib am 10. Juli 518 der Regierung, indem 
er die Zummen, mit Denen er für Die Wabl eines anderen batte wirken follen, für fi 
verwendete (Ev. 4, D. Nach dem Urteil aller Quellen (Procop. Hist. Arc. 6, p. 4; 
Mal. !10; Joh. Eph. Nau 467; Hist. Misc. 8, 14; Mich. Syr. 175) ein rober, un 
gebildeter und bejchränfter Menſch, voller Eifer für die Urtbodorie (Theod. Leect. 2, 3 
p. 204; Theoph. 165, 1), von Anfang an ein Werkzeug feines verichlagenen und ehr: 
geizigen Neffen Juſtinian, der bei allen wichtigen Aktionen diefer Negierung die Hand m 
Spiele gebabt bat (ſ. d. Art. Juſtinian BD IX, 651,27). Mit diefer politiichen Wen⸗ 
dung kam die dem Monophyſitismus entgegengejegte kirchliche Strömung zum Durchbruch, 


»> der der inzwiſchen zu bobem Anſehen gelangte Vitalian (ſ. 0. S.388, 3), ein heftiger Gegner 


des Severus (Hist. Mise. 8,2), ſeit längerem Vorſchub geleitet hatte. Die Folgen traten 
jofort in die Erſcheinung. Schon am 15. Juli fam es zu einem — Auftritt 
in Der Ratbedrale (j. den der Synode von 5365 vorgelegten Bericht eines Anonymus bei 
Mansi S, 1057 -66). Der ‘Patriarch \obannes II. (6 Kannaddxns Theod. Leet. 
Mill. 100, danach Theoph. 164,9; er wird im Berichte wiederholt als doyıerioxonog 


Monophyfiten 389 


xai olxovuerıxös naroaopyns bezeichnet, ebenfo in der Zufchrift des unten citierten 
Synodalſchreibens; |. Dazu BDIX, 304,16), der am 17. April (Theod. Leet. 1. c.: ye- 
tovndels ıjj toim Tod ndoya hufoa; Viet. Tunn. fett das Greignis fälfchlich ing 
Sabr 517) 518 dem Timotheus (}. 0. S.386,31) gefolgt war, ſah fich gezwungen, das Ana- 
them über den „Manichäer” und „neuen Judas” Severus von Antiochien zu verfündigen 5 
und dem Polfe auf wiederholten Vorhalt und nachdem er fich zunäcft darum wegzu— 
drüden verſucht hatte (wie man ihm zufegte, zeigen Zurufe, wie: dav um Aaßw Anö- 
xosowv, Ews Öye aJöE el [Mansi 1059]) zu verjprechen, daß er am folgenden Tage feine 
Künfche auch bezüglich Chalcedons befriedigen werde. Das geſchah: am 16. Juli wurde 
das Gedächtnis der heiligen Väter von Chalcedon feierlich begangen und die vier heiligen 10 
Synoden fowie die Namen des Euphemius und Macedonius und Leos von Nom in die 
Kirchenbücder eingetragen. Wenige Tage darauf, am 20. Juli, trat auf Befehl des Pa: 
triarchen, der aber ſelbſt nicht anmwejend war, fondern fich dur einen Bevollmächtigten 
vertreten ließ (f. das von 41 [42] Biſchöfen unterzeichnete Synodalfchreiben bei Mansi 
8, 1041—1050), die Synode zuſammen und beichloß, auf Grund der an die fie gerich- 15 
teten Bittfchrift der bauptitädiichen Mönche (ſ. den Libellus Mansi 1049—56; unter: 
zeichnet maren über 50 Archimandriten) den Wunſch nad Serfte ung der Orthodorie durch 
den Patriarchen Kaifer und Katferin vortragen zu laſſen. Abjchriften der Spnodal- 
beichlüfe fandte Johannes nach auswärts (f. die Schreiben an Johannes ſſ. o. S. 386, 58] 
von Serujalem und Epiphbanius von Tyrus, Mansi 1075—68, und ihre Wirkung ver: u 
ſtärkte der faiferliche Befehl (Cyrill. Seythop. 60 p. 326). Der Widerhall blieb nicht aus. 
Su Jeruſalem (6. Nug.[Cyrill.1.c.]; Spnodalichreiben Mansi 1067 — 74) und Tyrus (16. Sept. 
Manſi 1083] ; Schreiben Mansi 1073—82, |. auch den angehängten Bericht über die Vorgänge 
ın der Kirche p. 1081— 92) fam die Orthodorie in die Höhe; im gleichen Sinne berichteten die 
Biſchöfe von Syria Seeunda an den Patriarchen (Mansi 1093—98), und der Triumph 25 
über den Sieg der Orthodoxie klingt noch in der antimonophyfitiihen Streitichrift des 
römischen Diafonen Ruftitus nach, der (vgl. Disput. etr. Acephalos MSL 67, 1251 sq.) 
von 2500 Bilchöfen redet, die fih damals für Chalcedon erklärt hätten. In der Diöceſe 
Antiocien, wo der Monophufitismus unbejtritten berrfchte, fam es zu regelrechter Ver: 
folgung der Bifchöfe (f. die Eis der vertriebenen Bilchöfe bei Joh. Eph. |Dion. Tellm.] 30 
m Kleyn, Bijdrage 8—12, danadı bei Mich. Syr. 179; vgl. aud Hist. Misc. 8, 5 
p. 158, 13 ff. mit der Note; über das Schidfal des Philoxenus ſ. d. Art.) und Mönche 
(über die Verfolgung der Mönche Hist. Misc. 1. c. p. 156, 13ff, Joh. Eph. Fragm. 
219sq. und Mich. Syr. 178). Natürlich wurde auch Severus vetrieben (September 518; 
vgl. Ev. 4, 4; Mal. 411, 17; Joh. Eph. KG. 1, +41; der Lib. Chalipharum [Land, 5 
Anecd. Syr 1,14, 11ff.| giebt als den Tag feiner Entfernung den 29. an, der nach dem 
foptijchen Stalenver [Renaudot p. 133] freilich al8 der Tag feiner Ankunft in Agypten ge: 
feiert wird). Er floh, wie auch Julian von Halikarnaß (f. d. Art. Bd IX, 607,47 ff.), 
nach Alerandrien (j. das Nähere im Art. Severus), wo der im OÖftober 517 (biches 
Tatum dürfte dem von Gutſchmid S.457 gewählten 518 vorzuzieben fein) den Dioskur 0 
((.o. S.387,4) gefolgte Timotbeus IV. „die Synode nicht annahm, ſondern die gläu- 
bigen Priefter, die ber ihm Zuflucht fuchten, Tiebevoll aufnahm, ehrte und ermutigte” (Hist. 
Mise. 8, 5 p. 158, 26-31). 

Dem Bapft hatte der neue Kaifer am 1. Auguft 518 feine Thronbefteigung ange: 
zeigt (Ep. 41 p.830sq.) und diefer Anzeige am 7. September ein Schreiben nadıgefandt 45 
(Ep. 42 p. 831. 8q.), in dem er feine und der fonftantinopolitanischen Synode (ſ. o. S. 389, 15) 
Bereitwilligkeit zur Wiederaufnahme der Nerbandlungen fund that. Dem faiferlichen 
Scheiben war ein Brief des Vatriarchen (Ep. 13 p. 832 sq.) und Juſtinians (11 p. 833 sq.) 
beigefügt, welch Iebterer den Papft un fein perfönliches Erjcheinen erfuchte und durch die 
Art, wie er die Alaciusfrage erwähnte, bereits der fünftigen Entſcheidung präludierte. 5 
Hormisdas antwortete zunächit formell auf die Anzeige Des Regierungsantrittes (15 p. 83-1 8q.), 
fodann auf die übrigen Schreiben (Epp. 16 48 p. 835---38) und ließ dann, Anfang 
519, durch eine mit Schreiben an den Kaifer (50 p. 810—44), die Naiferin Euphemia 
(31 p. 844), den Patriarchen (32 p. 84580.) und bochgeftellte Beamte (Epp. 73—55 
p-. 816 sq.) verſehene Gefandtichaft feine Bedingungen überbringen. Den Gefandten batte er 55 


— 


eine bis ins Einzelne überlegte und ausgeführte Inſtruktion mitgegeben (19 p.839 sqq.): 
danach follten je eine ihnen etwa zugemutete Zuſammenkunft mit dem Patriarchen jo 
lange meiden, bis derjelbe eine Formel (formam libelli quam portatis p. 839, 23; 


die Gefandten hatten alfo das ‚Formular vorfichtigerweife gleich mitbefommen) unter: 
ſchrieben baben würde, die nicht nur die monopbofitifchen Häupter verwarf, fondern auch w 


R 


= 


390 Monophyfiten 


Alacius und div sequaces damnatorum (p. 8410, 2), d. b. alfo au feine Nachfolger 
im Amte, Euphemius und Macedonius, deren Namen eben erit (1.0. S. 389, 11) von ber 
Zynode in Die Mirchenbücher eingetragen worden waren. Nur im Notfall follten fie die 
Aorderung der Verdammung der Nachfolger folgen laffen, deren Namen jedoch aus den 
Tiptveben geftrichen werden müßten. Die Gefandtfchaft 309, von den erſten Perfonen des 
Neiched (Vitalian, Juſtinian u. a.) auf das chrenvollfte empfangen, unter Fadelichein in 
die Neichsbauptitadt ein wel. biezu und zum ‚Folgenden den Beriht der Gefandten an 
den Papſt Ep. 61 p.Sd6sqg.). Am Gründonnerstag, dem 28. März 519, unterzeichnete 
Johannes im Palaſt Die päpitliche ‚Kormel, und vor den Augen der römiſchen Yegaten 
(sub nostro conspectu p. 857,33) wurden ſodann in der Kirche die Namen des Ala- 
cius und ceterorum episcoporum qui eum in communione secuti sunt (p.857, 32), 
des Anaſtaſius und Zenos aus dem Nirchenbuche gelöſcht. Am felben Tage richtete Jo: 
hanned em Schreiben nach Rom, in das der Anhalt jener Formel aufgenommen wurde. 
Um den Patriarchen zu jehonen, batte man ſich dabın geeinigt (ſ. den Bericht des den 
Yegaten beigegebenen Diakonen Tiosfur Ep. 65% p. 858—61), daß er der Formel eine 
ſelbſtverfaßte Einleitung voraufichiden möge. Trotzdem und trog des unverfennbaren Rider: 
ſtandes einiger anderer kirchlichen Würdenträger (ſ. den Bericht) handelt es ſich um bie 
Untertverfung in volllonmener Form. Das zeigen auch Die Briefe des Kaifers (Ep. 66 
p. Sulq.), Dea Patriarchen (67, S62sqq.), Juſtinians (68, 86-4) und anderer (59— 71 
p. Sölsqg.), Die zugleich mit den Berichten der Yegaten unter dem 22. April von Kon- 
ſtäntinopel abgingen. Man kann ſich nicht genug thun in Untertvürfigfeit und Ber: 
ſprechungen, den papſtlichen Bereblen Folge leiten zu wollen. 

Naturlich blieb Die Ausführung dennoch hinter den aufs böchite geipannten Erwar⸗ 
tungen Deo Romero zuruck. Der Metropolit Torotbeus von Theffalonih (f. zum Fol: 
enden Die Berichte der püpitlicben Geſandten Epp. 100 p. 898sqq., 102 p. YUlsqq,, 
110. p. u1084.) bare ſich der Eimführung der Union widerfegt. Ta er das Volk auf 
ſeiner Seite bitte, kam ve zu Erzeſſen, insbefondere zur Ermordung eines römiſch Ge: 
ſunten, Der einen romiſchen Abgeſandten beberbergte. Vor der Ankunft der päpitlichen 
Vegalen beeilten ſich Die Leute, ihre Rinder taufen zu laffen, da fie fonft in Gefahr 
Hunden, heidniſch zu ſterben. Einer der Geſandten wurde lebensgefährlich vertwundet 
(p899, EN. Hormiodasb, über dieſe Vorgänge begreiflicherweiſe ſehr erregt, forderte 
(kp 105 p 90 in Anwendung Der von den Paäpſten ſtets geltend gemachten kirchen⸗ 
winientlaben Anſpruche auf Oſtillvrien, daß Dorotbeus ibm zur Beltrafung nad Rom 
Aulogelieſer werde. Aber wider Erwarten wurde er auf freien Fuß gejegt (Bericht ber 
Geſanblen, EKp. Ip. Blosg.). Auch die ‚yrage der Wiederbefeßung (ſ. o. ©. 389, 3s) 
wo dub von Antiochien wurde erſt nad Lingerem bin und her (post labores, etsi 
post intentiones plures p. S6S, 32) in einer dem Papſte genehmen Weiſe gelöft (vgl. 
u VReribte Epp. 75 P. S6S 71, 76. p.STIsqq.). Zeine Xegaten hatten verlangt, daß 
ut osttts Der orthoderen Gemeinde zum Patriarchen gemacht werde. Dem widerſetzte 
eh ee Parter Der jitvthiſchen Mönche in Konſtantinopel, die eben damals für die tbeo- 
yuhbutsbe Formel agitierten (ſ. d. Art. Theopaichiten und oben ©. 386, 10). Schließ- 
Ib wüurde der konſtantinovolitaniſche Presbpter Paulus (er fcheint Jude geweſen zu 
wur Joh. Eph. Fragm. 217 und KG. 1, 11; Hist. Misc. 8, 1 p. 141,14; 8,4 
p Io, bund® Ss ti p. 161, 11; Die ortboderen Quellen wifjen freilih nichts davon: 


‚Mal tt, 1u Theoph. 165, 17|, Ev. 1, D zum Biſchof beitimmt (vor den 30. Mai 


19,3 Ep 75 ven dieſem Tage. Tie römiſchen Yegaten wußten es durchzufegen, daß 
en Reibe nicht in Konſtantinopel, ſondern in Antiochien ſtattfand (Ep. 75,1 p. 869, 1 ff.: 
jussit dominus noster beatissimus papa secundum antiquam consuetudinem 
ib vun episeopum ordinari), ein Weiterer Erfolg der inzwiſchen vollzogenen Verſtän⸗ 


gung. Paulus ſchritt genen Die Monophyſiten mit Strenge ein und machte ich dadurch 


yvo mißliebig, daß er bereits 521 11. Datz ſ. v. Gutſchmid 458) fein Amt wieder nieber: 
leeunnmüußlte. Non einem Nachfolger Euphraſius - - er ift bei dem Erbbeben vom 
9 Mu 525 umgekommen (vgl. Chron. Edess. Wr. 97 &.132f., Nr. 99 und Halliers 
Remerkungen S. 1515 Hist. Mise. S, I p. 111, 16 mit der Note; Mal. 423, 21) — 


beat Ahevbphaues (P. 167, 20-257 auf weſſen Autorität”), daß er jowohl die Erwähnung 


1! 


Ehalecdous Wie dein Namen Des Hormisdas aus den Diptychen getilgt babe, fpäter aber 
Wat eines anderen belebrt worden (yoßPıdEid) und zur Anerfennung der vier Synoden 
zurudetebrt taub Mal. 116, 1 bat er Die „Togenannten Urtbodoren” ſrobg Aeyousvovs, 
seradusons; verfelat; wahrſcheinlich alſo ſ. Bd XT, S. 98, ı] die Monopbofiten). 
Sant ſtimmt, daß wiederum fein Nachfolger, Ephräm (526 —345), vorher höherer 


Monophyfiten 391 


Beamter (xöuns dvaroijs, Hist. Misc. 8, 1 p. 155, 7; Theoph. p. 173, 21), für Die 
offizielle Orthodorie eintrat (ſ. u. ©. 393,31). Diefe blieb die Richtſchnur auch für den 
Hofpatriarchen, als melcher fett dem 25. Februar 520 (Theoph. p. 166, 23) Epipha— 
nius (bis 5. Juni 535 ſ. u. ©. 393,3) amtierte. Der Diafon Dioskur, der dem Bapite 
von dem Amtswechjel Nachricht gab (Hormisd. Ep. 111 p. 9118q., am vierten Tage 
nach der Ernennung des Patriarchen geichrieben und in Rom am 7. April eingegangen), 
icheint nicht mit befonderer Freude erfüllt worden zu fen. Er begnügt fich feitzuitellen, 
daß Epiphanius verfprochen habe, den Regeln der Väter zu folgen und das Cinigungs- 
werk nicht zu zeritören, fondern zu mehren: „Das find feine Verfprechungen; ob er fie 
balten kann, willen mir noch nicht“ (p. 912, 6800.). Epiphanius ſelbſt zeigte dem Papft 
feine Stublbefteigung erit im Juli an (Ep. 121 p. 923sqgq.), nachdem ihn Hormisdas 
im Mai (113 p. 913 8q.) gemahnt batte. Natürlich befennt er ich zu den vier Synoden 
und verflucht ihre Gegner (p. 924). In einem fpäteren Briefe (vom 9. September, 
Ep. 130 p. 947—50) aber unterrichtet er den Papſt von dem bei Hofe eingelaufenen 
Bittichreiben vieler Bischöfe in Bontus, Kleinaſien und dem Orient, denen es ſchwer falle 
oder gar unmöglich fei, das Andenken ihrer Vorgänger Tirhlib um der Union willen 
preiszugeben. Er fchreibt geradezu: tantaque eorum obstinatio est, ut omne peri- 
culum pro tali facto parati sint sustinere (p. 949, 1), und als der Papſt mit der 
Antwort zögert, trägt er jein Anliegen ruhig, aber nachrrüdlich, noch einmal vor (Ep. 136 


p. 9588q.). Daß Hormisdag ihm erit am 26. März 521 fein Begrüßungsjchreiben be: : 


fcheinigt (Ep. 138 p. 965 sq.) und unter dem gleichen Datum in längerer Ausführung 
(Ep. 141 p. 970—979, lateinifh und griechifch erhalten) feine Millensineinung bezüglid) 
der Renitenten zu veritchen giebt, deutet nicht gerade auf ein warmes Verhältnis und Spricht 
dafür, daß man inzwiſchen aud) am Hofe bedenklich geivorden war. Dafür erlebte die 


Hauptitadt das ihr völlig neue Schaufpiel, daß ein Bapft ihre Mauern betrat: der Nadı- : 


tolger des Hormisdas, Johannes I. (16. Auguft 523 — 18. Mai 526), kam, der Not 
geborchend, nicht dem eigenen Trieb, nach Konitantinopel, um die Artaner des Weſtens 
von der über fie verhängten Verfolgung loszubitten. “Der Oſtermeſſe (Marc. ad ann. 
525) wohnte er auf einem höheren Throne bei als der Patriarch (j. über die Einzel- 


beiten den A. Johannes I., Bd IX, 355f.; von feiner Duelle geftügt it aber die Be:: 


bauptung, daß J. der Weihnachtsfeier beigermohnt babe; ob ſich die Vorgänge 525 |fo 
Marc.; Theoph. p. 169, 19 sqq. ficher falih 524] oder 526 |f. Duchesne, Lib. Pontif. 
1, 277] abgejpielt haben, muß bier —— bleiben; wahrſcheinlich iſt 525 richtig [jo 
auch Langen 300)). 

5. Bis zum Tode Juſtinians I. Am 1. April 527 nahm Juſtin feinen Neffen 
um Mitkaiſer an. Am 1. Augujt ward Juſtinian I nad dem an diefem Tage (Mal. 
124, 17; Chron. Pasch. 617, 9) erfolgten Tode des Oheims Alleinberrfcher. Über 
feine Kirchenpolitik ift im allgemeinen ſchon an anderer Stelle berichtet worden (ſ. d. A. 
Juſtinian I., Bd IX, 656, 15ff.). Soweit die Haltung dem Weſten gegenüber, für Die 
die Anerkennung des römischen Stubles als der höchſten Firchlichen Autorität maßgebend 
blieb, in Betracht fommt, mag man das Nötige dort und in den Artikeln Dreifapitelftreit, 
Theopafchiten und Vigilius naclefen. Der wechſelvollen Gejchichte der Monophyſiten 
baben wir näher nachzugeben. Den ſchweren Fehler, den er mit der Verfolgungspolitif 
(.o. S. 388,52) begangen hatte, hat Juſtinian bald als ſolchen erkennen gelernt (vol. 
Vd IX, 656, biff.). So wenig er daran denken mochte, die nun einmal. offiziell aner— 
fannte Drthodorie wieder zu befeitigen, fo nahe lag doch der Wunſch, die Monophyſiten 

gewinnen, Jumal die Kaiſerin Theodora monopbufitiichem Einfluß zugänglid war und 
ũr eine Hebabilitierung der Bartei, mit der fie in ihren frommen Anwandlungen jun: 
pathifierte, je länger defto eifriger arbeitete. Schon wenige Jahre nach Juſtinians Thron: 
befteigung jind dahingehende Berbandlungen eingeleitet worden, die zumächt dahin 
führten, daß die 518 verbannten orientalischen Bifchöfe nach der Reichshauptſtadt citiert 
wurden (j. die Angaben in der unten |. 392,14] zu erwähnenden Eingabe Hist. Misc. 
9,15 p. 190, 1184q., die beweifen, daß die Initiative vom Naifer ausging). Hier 
follten fie ın einem Religionsgeſpräch gewonnen werden, an welchem ſich auf der Segen: 
feite nur ſolche Kollofutoren beteiligen ſollten, die ſich ausprüdlih zu dem Satze De 
fannten, daß Gott der Herr, einer aus der Dreteinigfeit, am Fleiſche gelitten babe (ſ. d. 
A. Theopaſchiten). Dieſe fogen. Collatio cum Severianis (vgl. über fie den Brief 
eines der orthodoren Teilnehmer, des Biſchof Innocentius von Maronia [öttlid von Philippi 
am Meer], an einen befreundeten Presbyter, bei Mansi 8, 817. 856; die Yebensbejchrei- 
bung des Johannes von Tella Konſtantine in Miefopotamien], der als monopbpfitiicher Volle: 


5 


10 


15 


35 


40 


45 


50) 


25 


su 


392 Monophyfiten 


futor anivefend war, gebt auf Die Verbandlungen nicht ein; vgl. Klein, Johannes, XLIX?.) 
wird gewöhnlich angejegt, und dieſes Datum dürfte trog der Einwendungen, die Xoofs 
(Yeontius 283 f.) Dagegen erboben bat, das richtige jein, fofern man nur beachtet, daß die 
Werbandlungen fihb nicht in einen furzen Zeitraum zufammengebrängt, fjondern auf 
längere Zeit verteilt baben (Hist. Misc. 9, 15 p. 196, Gsqq. fagt ausbrüdlich: „nachdem 
vieles die nicht furze Zeit eines Jahres hindurch aud von den gläubigen d. h. monophy⸗ 
fittfchen] Bischöfen... gegen die Synode von Chalcedon geredet war“; damit läßt ſich 
vereinigen, was ſchon Pagi |Mansi 8, 834sqq] für 532 gefagt bat). Die Annabme 
einer Identität diefes Geſpräches und der Verhandlungen im April 531, deren Cyrill m 
iv der Vita Sabae (cp. 71 p. 344) gedenkt, ift, auch wenn man zugeben will, daß dort 
von fürmlichen Verhandlungen überhaupt die Rede ift, durch nichts (auch nicht durch eine 
etivaige Beteiligung des Leontius an beiden Akten) nahegelegt. Die in der Hauptitabt 
verfammelten monophyſitiſchen Biſchöfe und Archimandriten (f. Hist. Misc. p. 196, 11. 
35) richteten an den Kaiſer eine Gingabe (Öönas; erhalten Hist. Misc. 9, 15; aus 
15 p. 196, 12 fann man vielleicht fchließen, daß Sobannes Bar Apbtonja [j. Wright, 
Syriac Literature =. 84f. u. F. Nau, Histoire de Jean Bar Aphtonia in Rev. 
de l’Or. Chrät. 7, 1902, 97—135], der Verfaſſer war, in der fie ihr amtincftorianifches 
und antieutychianiſches (bzw. antiapollinariftifches) Glaubensbekenntnis unter Betfügung 
zahlreicher Beweisjtellen darlegten (Darunter die Berufung auf Dion. Areop. de divin. 
»» nomin. 1,4 MSG 3,592 A; der Redattor hat leider die übrigen dem Schreiben bei 
gefügten gorjoeıs weggelaflen), um mit der Ablehnung des Tomus Yeoni® und der Formel 
von Ghalcedon zu fchließen. Auf diefe Bittfchrift beziehen fie ſich gleich zu Anfang ber 
Werbandlungen (Mansi 818C: nos satisfactionis chartulam de fide nostra com- 
positam piissimo imperatori porreximus, et in ea omnia quae nobis ambigua 
»; videbantur et scandalizabant nos intexuimus); auch die Gegenpartei bat fie ge 
lefen, denn der Vorſitzende, Biſchof Hydatius von Ephefus, antwortet: chartulam illam 
pervidimus, in qua tam supra quam infra Chalcedonense concilium cerimi- 
namini (ibid.). Die von den Monopbrfiten vorgetragenen Argumente verlaufen m 
der gleichen Richtung (daß fie dabei behauptet bätten, Cyrill habe die dionyſiſchen 
30 Schriften gekannt, kann man aus p. 821 D nicht berauslefen). Das zweitägige Geſpräch, 
dem ſich noch eine Verbandlung vor dem Kaiſer anichloß, endete ohne Ergebnis: nur 
Philoxenus (der Jüngere), Biſchof von Toliche, ließ fich gewinnen; die übrigen fünf 
Teilnehmer (Zergius von Cyrus, Thomas von Germanicia, Petrus von Refaina [Tbeo: 
doftopolis], Johannes von Tella |Ronjtantine] und Nonnus von Circeſium; fie erden 
3 auch in der Yilte der 518 verbannten Bifchöfe |}. o. S. 389,30] aufgeführt) blieben auf 
ihrem Standpunkt. Juſtinian aber bielt für angemefien, am 15. März 533 ein Geſet 
zu erlaffen (Cod. Justin. I, 1, 6), worin er wiederum Chalcedon als Nichtfchnur dee 
(Glaubens neben den drei anderen Synoden bezeichnete. Seinem Patriarchen — es war 
noch Epiphanius (ſ. o. S. 391,3) --- ließ er am 26. März einen entiprecbenden Ukas zu- 
40 geben (Cod. I, 1,7) und unterrichtete auch Papſt Johann IL, der darauf am 25. März 
331 die m Den Kodex aufgenommene Antwort gab (I, 1,8; dem päpftlichen Schreiben 
iſt bier das fatferlicdhe eingefügt, an deifen Abjfendung im Sabre 533 trotz Loofs aa. O. 
IR nicht gestveifelt werden kann; übrigens ift es auc in \uftinians Brief an Agapet 
|Mansi 8, 8158q. aufgenommen und bier auf 533 datiert). Natürlich gingen die Vers: 
45 bandlungen mit den Monopbofiten weiter, und der Einfluß der Katferin teitt immer: 
mehr hervor. Sie iſt auch in erfter Yinie beteiligt (j. Hist. Misc. 9, 19 p. 207, 29q.; 
Ev. 4, 10), als nun mit Zeverus, den eigentlichen Haupte der Partei (ſ. o. ©. 386,4 
ud vgl. d. A. Severus), der fih in Agypten aufbielt, Verbindungen angelnüpft werben. 
Briefe geben bin und ber (Ev. t, 11: oacovraı rolvuy &ruorolai ZevnooV Te 
a Jovotwiaro» zoös te Crodcöpur, was Niceph. H.E. 17,8 einfach nachgejchrieben 
bat). Einen Brief des Zeverus an der Naifer bat die Historia Miscellanea (9, 16 
p. 197, 2- 204, 15) aufbewahrt. Aus dieſem Schreiben ergiebt fih, daß ihm der Kaiſer 
freies Geleit zugefichert hatte. Severus aber, der die Hofintriguen fannte, lehnt die Auf 
forderung, nach Nonftantinopel zu kommen, dennoch ab. Zugleich verteidigt er fich gegen 
5 Die „Verleumdungen“, daß er in Alerandrien Zank und Unrube gejtiftet babe, und gegen 
die Vorwürfe, Die man ibm wegen jener Museinanderfeßungen mit Julian von Hali: 
karnaß (ſ. d. A. Bd IX, 60657. und unten 2. 400,22) machte. Wiederboltem Drängen 
bat er ſchließlich doch nachgegeben und iſt 595 de Hist. Mise. 9, 16 p. 204, 16—18, wo 


91 


Die 15. Indiktion — 53135 angegeben ft, während gleich darauf [9, 18 p. 207, 27] die 
th. Indiktion — 535756 genannt wird) in Die Neichsbauptftabt gelommen, um bier 


Monophyfiten 393 


tbatkräftig für die Förderung der monophufitiichen Sache einzutreten. Wermutlich batte 
damals der Patriarchenwechſel ſchon jtattgefunden, bei dem nach dein Tode des Epi- 
phanius (5. Juni 535, nicht 536, trog Theoph. p. 217, 28q., der ihm ſechzehn 
Amtsjahre giebt, übrigens auf alle Fälle eine falfhe Indiktion [15. = 536/37] bat) 
der Günftling der Thevdora, Antbimus, bisheriger Bilhof von Trapezunt, Tr: 5 
liher Regent der Hauptitadt geworden war. Anthimus, befannt durch feine Fromme, 
jtreng astetifche Xebensweife (Joh. Eph. Fragm. p. 247: qui quum per vi- 
ginti duos annos panem in os omnino non inderet, non taeduit eum 
jejunii nec vigiliae assiduae nece precum neque officiorum perpetuorum 
neque ea unquam omisit; f. auch Joh. Eph. Comm. 48 p. 158 und Hist. Misc. 10 
9,19 p. 207,34), hatte fich fchon längere Zeit in Konftantinopel aufgehalten. An dem 
Keligionsgefpräh von 533 hatte er noch als orthodorer Kollofutor teilgenommen, aber 
inzwijchen die Schwenkung zu Gunſten der Monophyſiten durchgemacht. Das Schreiben, 
das er an Severus richtete (Hist. Misc. 9,21 p.212, 13—217, 19; vgl. Ev. 1, 11, 
deſſen Bericht fih auf dieſem und auf den gleich zu erwähnenden Briefen aufbaut), zeigt, 15 
daß die kaiſerliche Bolitit zu den Pfaden Zenos zurückzukehren gedachte. Indem Anthimus 
dem Severus verfichert, daß er mit ihm Gemeinſchaft halten wolle, befennt er fih zu 
den drei großen Synoden, nimmt „die firchenvereinigende Schrift des De an, die zur 
Vollendung der Gottesfurcht ſowie zur Bejeitigung der Synode von Chalcedon und Des 
gottlofen Tomus des Leo dient“ (p. 214, 14— 17) und lehnt den Dyophyſitismus ausdrüdlich u 
ab. Es iſt begreiflich, daß Severus die ihm unter Jolchen Umftänden angetragene Gemein: 
haft in feinem Antwortjchreiben (Hist. Misc. 9, 22 p.217, 22- -222, 7) mit Freuden 
begrüßte und erwiderte; ebenfo, daß er fofort dem ihm befreundeten (Hist. Misc. 9,19 
De 10) alerandrinifchen Patriarchen Theodofius (ſ. u. ©. 394,31) von dem erfreulichen 
echjel in den Gejinnungen des oberften Bischofs (ala ſolchen bezeichnet er ihn p. 217,313 
ausdrüdlich) Kenntnis gab (Hist. Misc. 9, 23 p. 222, 9—224, 25), was diefen zu 
einer ebenjo beglüdten Antwort veranlaßte (Hist. Misc. 9, 21 p. 224, 27—228, 9). 
Auch Anthimus und Theodofius mechjelten Gemeinfchaftsbriefe (Hist. Misc. 9, 25 
p. 228, 11— 231, 33 und 9, 26 p. 231, 36—-236,3). Dieſer freudigen Stimmung murde 
aber bald ein Ende bereitet. 30 
Der Bilhof Ephräm von Antiochien (f. oben S. 390, co und vgl. über feine faſt ganz 
verloren gegangene Cchrifitellerei Photius Cod. 228 Bekker p. 245—2419 und 229 
p. 249—266 |bier ein ausführliches Excerpt aus einem umfangreichen, der Verteidigung 
Cyrills und Chalcedons, ſowie der Widerlegung des Severus gemwibmeten Werke; einige 
Bruchſtücke daraus bei Mai, Nova Collectio 4, 63 und 7,204 wieder abgedrudt MSG »5 
86, 3, 2103— 2110], der jchon früber dem Antbimus die Ziveinaturenlehre angelegentlid) 
empfohlen (f. d. Auszug aus feinem Briefe bei Phot. p. 247 b) und bei feiner Erbebung 
zum Patriarchen vom Kaiſer befondere Garantien gefordert hatte (Brief an Juſtinian 
ebd. p. 217 a), war an der Gegenmine befonders beteiligt: er entbüllte Durch einen 
ägemen Boten, den Arzt Sergius aus Reſaina (Theodofiopolis; vgl. über ihn Mrigbt 10 
88— 93), die Sache dem römischen Bifchofe Agapet (Hist. Misc. 9, 19 p. 208, 13 big 
209, 17; |. auch 10,1 p. 237,16). Diefen führte bald darauf ein Auftrag des Goten: 
fönigs Theodahat nah Konftantinopel (vor März 536; das Datum 20. Februar |f. 
Jaffé, Reg. 114] rubt auf der Angabe ver Vita Agapeti im Lib. Pontif. X Kal. 
Mart. [jo nad Pagis Korrektur des überlieferten Maias]; vielleicht ijt diefe Angabe 15 
: aber nur Interpolation ſ. Duchesne, L. P. 1, 288 N. 5]), wo er fich der Gemeinſchaft 
ı mit dem „Chebrecher” (Hist. Misc. 9, 19 p. 209, 36), d. b. dem unkanoniſch von einem 
Biſchofsſitz zum anderen übergegangenen Batriarchen enthielt (vgl. außer Hist. Misc. nodı 
Liber. 21). Agapet wußte den Kaifer umzuſtimmen. Anthimus refignierte freiwillig 
(. u. ©. 394,6). Sein Nachfolger ward am 13. März (f. Jaffe p. 114) 36 der Vorfteber 50 
des Samfonbofpitald zu Konjtantinopel Mennas, den der Bapft felbft ordinierte (Liber. 
23) Natürlih mar man aber mit diefem Perſonenwechſel nicht zufrieden, fondern ver: 
langte eine die Allgemeinheit angehende dogmatiſche Aburteilung. Archimandriten und 
Mönde in SKonftantinopel, aber auch ortbodore Mönche und Biſchöfe Deo Oſtens, Die 
fh in der Hauptftadt zufammengefunden batten, klagten Anthimus der Ketzerei an, 5 
und der Papft erklärte ihn für erfonmmuniziert, fo lange er ſich nicht gereinigt babe. 
Nachdem dann Agapet am 22. April (f. feine Dita, ob richtig) 536 in Nonjtantinopel 
geftorben war (feine Leiche wurde nach Nom überführt und dort am 17. Zeptember bei: 
gelebt), wurde Mai und Juni 536 unter Mennas jene Durch Die Vienge der von ihr 
erhaltenen Altenftüde (Mansi 8, 814- 1162; fie werien auch auf Die Vorgeſchichte vo 





| 









—— (Novell 
BE ae 


15 feinen Weggang Mise, 9, 20 p. 210, 
Ba ehem — Echreiben (über fee Toeieren Side d. A. 
— Gine am 19. September 536 zu Serufalem gehaltene Spnode bei 
des us bei; zur Verdam | 


—— — — der 

on Zella (}. o.) am Februar 538 LXXXVII]) | 

Creinifen : gegen das Ende leider Gen vi in IE 
list. Mise. 10, 1 p. 237, 10—238, 13; 10,2 u. 3, die gleichfalls von. der 

a m ern dafür ift der Bericht des — ne rn em 
lieben, d Assemani 2, 5lsqg. erzerpiert [vg zu Hist, Misc. p. 239,9]; 
auberdem a Joh. — 221—23 — 104, 3. 111,33. 134, 31 für 

ng zu 

0 die heilen den — unb Aufianiften (f 

den Streit in die ben der onen Bett de Liber jelbjt „getragen * | 
536) ‚ fam wa mtr Beide m 

Als Kandidat der — trat Theodoſius auf, —* ran 
" Winde —* ie —— bein Ni Sam * — 

















—— chr ade | 
' Dam wurde er urch He es Erkenntnis abgeſetz verſchickte ihn 
40 dinien, wo er verichollen ift), und, wiederum unter Konſt p 
dofius von neuem eingejeßt (wahrfcheinkich Juli 535), Aber J * — 5 
nicht, die Sympathien der Alexandriner zu gewinnen, und er verlieh, der ewigen Unrub 
ar ala alfa —* non —— bella a Pa —— cum exer n 
populo, a t eigentlich vertri ‚n nem onaten —— 
4 * Nov. 536) Die Hauptſtadt, um, wie es ſcheint (vgl. Severus von Aſchmonim bei 
139; ſ. v. Gutſchmid 465), fh der Propaganda im Inneren Ägypiens zu widmen. 
pbei Jahren wurde er nach Konſtantinopel vorgeladen und, nadyoene man bort 
—* hatte, ihn zur Anerkennung der Synode zu bringen, en abgeſetzt und in 
idenz verbannt, wo er vor dem 13. Auguft [22. | 2] 566 (Joh. 
50 Be 48 p. 159: mense nono postquam Justinianus rex mortuus erat 
nicht 567, wie von Gutſchmid S. 460 meint) nad) 31%), Jahren feiner Ynntöverionftumg 
(Joh. Eph.1. e.), was mit dem oben [S. 394, 3] angenommenen Datum jeines —— 
ſtimmt), geſtorben iſt. Die ägyptiſchen Monopbufiten haben nicht auf aufgehört, 1 | 
ihren rechtmäßigen Batriarchen anyufeben, und er bildete dauernd den Mittelpunkt ihrer 
55 agitatorischen Beftrebungen. An feine Stelle trat ein gewiffer Paulus, Abt aus Tabennälf, 
0.©.380, 31), ber in perfönlicher Angelegenbeit nach Konſtantino * elommen oc und fi den 
Haifer durch jeine Nachsiebinfei in der Synodenfrage empfab & wurde in Konjtantinopel 
von Dennas in Gegenwart bes päpftlichen Legaten Pelagius und — Spbräms 
von Antiocbien und Petrus' von Jerufalem geweiht (wohl nod 539 ; Die iologie if 
oo aber völlig unficher; Viet, Tunnun, berichtet die Abjegung des 


















sr 
WW 














Monophufiten 395 


zu Spät, zu 540, die Einfegung des Paulus zu 541) und von Juſtinian aud mit poli— 
-Sichen Befugnifien ausgeitattet. Er fand aber feinen Boden, mißbrauchte vielmehr feine 
Gewalt. Die Quellen (außer Liber. noch Procop. Hist. Arc. p. 150 sqq., Leont. de 
sectis act. 5 MSG 86, 1, 1232; und der leider verftümmelte Bericht der Hist. Mise. 
10, 1 p. 238, 25sqq.) ſchieben ibm Schuld oder Mitfchuld an den Tode eines Dia: 
. Ionen zu (timens quod de Proterio contigerat, fagt Yiberatus). Möglichertveife war 
auch fein dogmatifcher Standpunkt nicht ganz taftfeit: nach Viet. Tunn. ad ann. 541 


oa 


‚ beging er das Gedächtnis des Todestages Dioskorus' II. firchlih (Theoph. p. 222, 18 
1 chic: mv uynunv Zevnoov, der erit am 8. Februar 343 ſtarb; Die Notiz bei 
‚ Tim. Presb. p. 42 beziebt jich nicht, wie Diekamp, Irigeniftifche Streitigkeiten, 44, N. 4 10 
chlich meint, auf diefen Baul, ſondern auf Baul den Schwarzen von Antiodhien; . über 
beſen unten S. 396, :2). Jedenfalls machte er fich auch bei Hofe migliebig. Der Kaifer forderte 
„Alten ein und veranlaßte durch Vermittelung des päpftlihen Nuntius in Konftantinopel, 
r Papſtes Pelagius, der ſelbſt in den Orient reijte, jeine Abſetzung durch die 
' tarchen des Oſtens (Ephräm von Antiochien, Petrus von Serufalem, Hydatius von 15 
‚ Epbefus) auf einer Synode zu Gaza, die fpäteitens Oftern 512 (fo ſchon Diekamp 
‚2-45 gegen v. Gutſchmid 468f.; vielleicht fand aber die Verfammlung noch früher 
 Ratt) abgebalten wurde. Sein Nachfolger Zoilus, gleichfalls ein Synodit, amtierte bie 
"551 (nicht 550) und wurde dann, weil er Die Verbammung der drei Kapitel (ſ. d. N. 
ttapitelftret Bd V, =. 21) nicht unterfchreiben wollte, vom Kaiſer abgejeßt, was 20 
Erchlicherjeit3 trotz Widerſpruches des Papſtes Vigilius im Juli 551 anerkannt wurde 
(sgl. Viet. Tunn. ad ann. ö51 und Fragm. damnationis Theodori Episc. Cae- 
sareae Cappadociae a beato Papa Vigilio factae bei Mansi 9, 58—61; aus dem 
‚ von W. E. Crum in den Proceedings of the Society of Biblical Archeology 19, 
} 1897, 218— 222 veröffentlichten Bruchftüd eines Palimpſeſtes, das fih auf irgend welche 25 
h Borgänge feiner Amtözeit bezieht, ijt bezüglich der Perfon nichts weiter als der Name 
‚ m entnehmen). 
Auch auf Rom hatte Theodora inzwiichen ihre Pläne gerichtet. Nach Agapets Tode 
do. ©. 393,57 und vgl. zum Folgenden die genauen Duellenangaben bei Jaffe 117 ff.; 
es kommt Bauptfächlic die genaue und anjcheinend durchaus zuverläffige Darftellung bei 30 
Liber. cap. 22 in Betracht) hatte fie deſſen in Konftantinopel mit anweſenden Tia- 
Ionen Vigilius (ſ. d. A.) an fich gezogen, der fich für den Fall feiner Erhebung auf 
den römifchen Stuhl verpflichtete (amore episcopatus et auri, fagt Yiberatus), bie 
Eynode zu befeitigen und mit Theodofius, Antbimus und Severus in Gemeinichaft zu 
treten; tie verſprach Geld und die erforderlichen Befehle an Belifar. Vigilius erflärte 36 
fh über feinen Glauben befriedigend, fand aber in Italien bereits Zilverius, einen 
Sohn des Papites Hormisdas, gewählt. Aber Belifar, der im Dezember 536 in Nom 
mit Silverius verbandelte und feine Bereitwwilligfeit für Theodorens Wünſche bei ihm 
fand, bemächtigte fich feiner -- er Fam aus dem Palatium auf dem Mons Pincius 
nicht wieder zum Vorſchein -— und Ichidte ihn nach Patara in Yıcien in die Verbannung ; 0 
angebliche verräterifche Nerbindung mit den Goten bot den Vorwand. Wigilius wurde 
inter Belifard Schu am 29. März 537 (f. die Uuellenangaben bei Jaffe; alſo nidt 
am 22. November, wie Gutſchmid S. 467, wohl auf Grund des Vapftbuches, ſchreibt). 
Juſtinian, durch den Bilchof von Patara benachrichtigt, ließ zwar Zilverius zu ordnungs⸗ 
mäßiger Unterjuhung nach Rom zurüdbringen, aber Theodora wußte es mit Hilfe des s 
Pelagius durchzufegen, daß der Unglüdliche dem Vigilius ausgeliefert wurde, der ibn auf 
die Inſel Pontiä Schaffen ließ, wo er - nach Angabe jeiner Vita Hungers ſtarb. Nun: 
ſchickte Bigilius fein die zwei Naturen in Ghrifto verwerfendes und die Antiochener 
mendes Bekenntnis (aufbeivahrt bei Yiberatus) an Theodofius, Antbimus und Se: 
verus, verlangte aber von ihnen Seheimbaltung, um ohne Aufjchen weiter wirken zu sw 
en. Dem entfpricht es, wenn anders das Bekenntnis bei Pitra (Spieil. Solesm. 1 
p XI; ſ. Jaffe Nr. 908) dem Papfte und ungefähr diefer Zeit angehört, daß er fich 
geichzeitig offiiel zum chalcedonenſiſchen Glauben befannte. Jedenfalls bielt er feine der 
Weobora gegebenen Berfprechungen nicht: in feinen an Juſtinian und Mennas gerichteten 
bom 17. September 510 (Mansi 9, 35- 38. 38- 40; Regeſten bei Jaffe Wr. 91V 55 
ua 911) trat er dem Anathem der Synode von 536 über die drei monophyſitiſchen 
ei. 
i  ,, Ran kann nicht jagen, daß die ehrgeizige Kaiſerin mit ihren firchenpolitifchen Aktionen 
we Glüd gehabt bat. Um jo mehr muß man Die Zäbigkeit hervorheben, wit der ſie 
in ihren lebten Yebensjahren (geft. 518) immer wieder für ibre Schüglinge einge: a0 


ww 


AlııT Monophyfiten 


ireien un Die kirchenpolitiichen Maßregeln der Jahre von etwa 540 ab darzuſtellen 
ebort wennaleich Das Schickſal der Monophyſiten dauernd damit verfnüpft tft, nicht in 
ben Raburen ee Arzikels: men val. Die N. Dreikapitelſtreit Bd V S. 21 ff., Juſtinian 
SP IN [657 un Trrgentitiiche Streitigkeiten. Thatſächlich bebielten die Monopbr: 


Ni wahrend der zanzen Kegterang Juitinians in der Hauptſtadt feiten Boden, und ın 


vreien pr an Agrr vten Lnken Ko den maßgebenden kirchlichen Einfluß. In Konſtan⸗ 
unerei wuerde Jakrens KFattdaus % d. A. Bd VIII S. 566, 57 ff.) von Theodoſius von 
Wendt I oem Zoo, vonder auf Betreiben Der Kaiſerin, 541 oder 543 zum 
Kichet zeireret. um Svuren Seren la Uraantiater des öftlihen Monophyſitismus 


tzäiwt N NA Safzerzen BO VIII 2. 567 57D. In Theodoras Auftrag ging 


der OHOHDPEPHLAD. AUHtztn. os z Julian aus Alexandrien (ſ. BP IX S. 653, 2ff) 
tes Merten zu den finectaert. u Set Umgebung jammelte jih nah und nadı eine 
AI torte Sort ÜConper sr Tmrar Mc aus den Ditlichen Provinzen vertrieben ſich 
id Re Ruüuptucde inwtercet Ne are amziebenden Napitel in des Johannes von 
Foren N wre *5* Seren lang Des Kaiſers Vertrauen genoß (. d. A. BdIX 
I Stapamien 9022.50, 27, Joh. Eph. Comm. 47 p. 154-—157: de 
ousenitbus sanes 3 Theudora regina Constantinopolin arcessitis) wird ge 
wadr,  dvonzerzer een „Heiligen“ — Son an der Zabl -- im Palatiun des 
Need gt ven — Wobnung anweiſt und fie vernilegen läßt, und mie die 
Vereeent iuy wen Kenteten: nopel zu ibnen gelaufen fommen, ſogar folche, die der Ep: 
—X PUR REN Heh fie gewähren und billigte ihnen auch nadı bem Tode 
way Syrgihigovere Zöoug au Er felbjit war ja je länger je mehr Theologe geivorden, 
ie SUNONIES Lebens bat er Durch fein Eintreten für den Aphtbartobofetisinus 
DEIN In. Fo den Orthodoxen noch einmal böjen Anitoß gegeben. Ter Ra- 
ma. II NMBDRVL. 648), der im Auguſt 552 den Mennas gefolgt 
weder ab der neueſten dogmatifchen Wendung widerſetzte, abtreten (22. Ja⸗ 
ae Serie Notiz BD IX =. 319,16 ff.) und wurde durd Xobanneslll. 
arten DM BOEIX S. 2319) erieht, der Garantien für ein Wohlverhalten bot, 
Saar ms achalten hat. Am 13. nicht 1-4. [jo falſch Bd IX, S. 319,54 und 
Sr Susfenmachnveife bei Clinton 818) November 565 ſtarb Nujtinian. 

Non or Musaaig I 6. Jabrhunderts. Sein Neffe und Nachfolger 
ia ba Me ssh 5. Cie 578 |Chron. Pasch. p. 376]; jeit Dezember [fe 


Sie SE Rbrie an Erde des wabhnſinnig gewordenen Kaiſers der Cäſar Tibe⸗ 


yo Nonatsiktd war ein Werkzeug in der Hand des Defpatrianden. Seit dem 
Yon Nester, UL, ergingen, wie Joh. Eph. KG 1, 4. 5 berichtet, andauernde 
“owaangsito 58 Rlackereien über die Monophwſiten der Hauptitadt. Unfere Duelle, 
a spaaet ce Menge lebendiger und individueller Züge verdanken, will dafür be: 
sy ya tunttubrit Johannes verantwortlich machen (vgl. boſender 1, 11), der gierig 
oe Wtonub dent Blute der Lämmer gelechzt babe (1, Die gottespdienftliucen 
. metsipertit der Monophyſiten wurden geicloffen, die Altäre zeritört, die Prieſter 
note und in Daft geiporfen (1, 5), Die Alöjter (auch der Konvent der 
2. 7586,17) verwüſtet und Die Inſaſſen gezwungen, mit den Synoditen 
arm AHzieren eder ins Befüngnis -- den Nonnen erging es fehlimmer — und in 
. esselittib {U Wandern (1, 10. 1m. Daß Raifer und Naiferin (Sophia, die in 
ar etsit ſich zu Den Menophofiten gehalten batte ]2, 10), fih, vom Patriarchen 
zo ul Del Ssrlelgungsmafrenelt aktiv beteiligten, wird ausdrücklich hervorgeboben 
ya Kerlaufe ging Johannes Dazu fort (1, 12), monophyſitiſche Kleriker, die ſich 
ia alten und in Die Gemeinſchaft aufgenommen worden waren, nachträglib 
a war zu entkleiden und aufs neue zu Wweiben (1, 12), wogegen fih tum 
ent ontlltte al, 165 vgl. 2,59. Nunmebr kam es auch zu langwierigen Ver: 
oa it den Marteiführern, unter denen neben \obann von Epbejus, ber 
ie nodlichit unparteiiſchen (ſ. 1, 30) Bericht erftattet bat (1, 17--30) Paul 
‘wenn dev Schwarze (val. Timotheus Presb. de recept. haereticor. 
ont Pr) Bro Zophronius don Jeruſalem, der auf der 6. Synode verleſen 

. Mansi 11,501: Plarios 6 ursanös, o® uöro» ÖE Aeyöuevos, 

EN unkeidydrtn), Nominalbiſchof von Antiocdien (er war dem Sergius, 
he ebene ſeit 555, unſicher wann gefolgt), hervorragte. Klugerweiſe 
sy Monppbuftten zu gewinnen, auf Die Unionsformel von 433 zurüd 
» o) und berieh ſich Darauf, daß Gorill fie angenommmen babe. Die 

sb ſoſort, daß damit Der eigentliche Zankapfel, Chalcedon und jene 


Monophyſiten 397 


Formel, nicht bei ſeite geſchafft war. Sie gaben auch nicht nach, als ihnen ein kaiſer— 
liches Edikt (Wortlaut bei Ev. 5, 4; vgl. Joh. Eph. KG 1, 19) vorgelegt wurde, in dem 
die Frage nach der Synode geſchickt umgangen war, beftanden vielmehr auf Anderungen, 
die, wie Johannes felber jagt (1, 19), „Die ganze Härefie der zwei Naturen mit ihren 
Wurzeln ausgerottet haben würden.” Unter folchen Umständen ijt nicht zu berivundern, 5 
daß „der ganze Schtwarm der Nejtorianer und Semineitorianer in Beltürzung geriet und 
fie fummten wie Weſpenſchwärme“. Einiges Wenige wurde freilich aufgenommen, aber 
der Schlußſatz des Ediktes, daß die bisherige Gewohnheit und der bisherige Zuftand 
(Edos xal oyjua) in der Kirche unverändert bleiben müfje, hinderte Die Ginigung. Die 
Monophyſiten ſahen darin lediglich eine Yift, die bewirken follte, daß „ſich das Rad zu 
ibnen, den Nejtorianern, hindrehe“. Übrigens ſtieß die eigenfinnige Haltung der Biſchöfe 
allmählih bei den eigenen Barteigenofjien auf Widerſpruch; zumal die Anhänger des 
Monopbyfitismus in der vornehmen Geſellſchaft waren mit ihrem Starrfinn unzufrieden 
(1, 22). So ließen fie fih endlih und indem fie fich der, anfcheinend durch den Patri— 
archen genährten (f. 1, 24), Hoffnung bingaben, daß man die Synode jtilljchtweigend 
fallen lafjen werde, zum Eingeben der Kirchengemeinjchaft breitichlagen. Aber im lebten 
Augenblid wurde die Lage dadurch, daß der Patriarch plöglic erklärte, man müffe erit 
die Genehmigung Roms einholen, wieder völlig verändert. Mit Necht erblidten die Bi- 
fchöfe in diefem neuen Verſuch, die Dinge zu verzetteln, eine Täufchung und traten, voll 
bitterer Reue über die von ihnen gemachten Ronzeffionen (1, 25), wieder zurüd. Die 20 
Folge waren erneute Bedrüdungen. Noch einmal vor den Kaifer gerufen (1, 29), der 
mit dem Patriarchen unzufrieden war (1, 28), „kämpften fie einen mächtigen und ge: 
waltigen Kampf“, der damit endete, daß alle verbannt wurden. „Sie gingen binaus, 
wurden voneinander getrennt und ſahen ſich nie wieder”. Übrigens blieben nicht alle 
dauernd ſtandhaft (vgl. auch 4, 15). Paul von Antivchten Tieß fich nicht nur unter de: 2 
mütigenden Umjtänden von neuem zur Gemeinſchaft berbei, ſondern er erlangte, als er 
fih wieder frei bewegen durfte, ſolchen Einfluß beim Kaifer, daß der ‘Patriarch für ſich 
zu fürchten begann (2, 3). Schließlich flob Baul, dem der Boden doch zu warn fein 
mochte, aus der Reſidenz und fand Zuflucht bei dem Araberfürften Mundar (2, 7). Die 
Theodoſianer in Ägypten (alö geborener Alerandriner [Joh. Eph. 1, 41] und früberer 30 
Synzellus des Theodofius war Baulus dort nicht unbefannt) und die Jafobiten in Syrien 
wollten wegen feines Abfalles nichts von ihm willen. Zwar nahm der alte Jakob Baradäus 
den Reuigen nach drei Jahren wieder in die Gemeinschaft auf (4, 15), der monophyſitiſche 
Patriarch Betrus von Alerandrien (576— 78) aber feßte ihn „gegen Geſetz und alle 
Regeln und firchlihe Kanonen” ab (4,16). Der „alte und fchlichte” Jakob — Joh. Eph., 5 
der für Paul Partei ergreift, betont die „Einfalt des Greijes” mehrfach — Tieß fich zu einer 
Reife nach Alerandrien und dort zur Anerkennung der Abjegung des Paulus beivegen 
(4, 17. 18). Gin tiefgehenves Schisma zwiſchen Jakobiten und Bauliten (Timoth. 
Presb. de recept. haeret. p. 12: /lavkavıorai), das ſich aud auf die Klöjter erftredte 
(4,23 7.), war die von Johann von Epheſus beklagte Folge (4, 19); vergeblich verfuchten 4 
Runder (4,21. 36. 39}. 42) und der ägyptiſche Miſſionsbiſchof Longinus 4, 225 ſ. d. 
A. Juftinian Bd IX S. 653,5), legterer auf einer Neife nah Syrien, den Streit zu 
Knlihten. Umgefehrt goß der Nachfolger des Petrus von Alerandrien, Damianus (. d. 
Bd IV S. 139), Ol ing Feuer, inden er die bereits angebahnten ‚Friedensperband- 
lungen auf einer Reife in Syrien und nach Ronjtantinopel bintertrieb und an Stelle des 10 
Paulus (580 oder 581) den Betrus von Kallinikus zum Patriarchen weibte (4,45. 43 
bis 45. 60). Paul felbft flüchtete nach Konjtantinopel (vgl. 1, 54, wo die Angabe von 
4, 47, er babe ſich in den ifaurifchen Bergen aufgebalten, zurüdgenonmmen wird), wo er 
jo verborgen lebte, daß jelbjt der in der Hauptjtadt anweſende Johann von Ephejus ibn 
nicht zu Geſicht befam (4, 54). Nad 4 Jahren, alfo wohl 58:45, tft er geftorben so 
(4, 57. 58). In Konftantinopel jelbft waren in der lebten Zeit des Johannes Scho- 
laſtikus (geft. wahrſcheinlich 31. Auguft 177) die monopbyfitiichen Gemeinjchaften wieder 
auf Haudt Sein Nachfolger Eutychius (ſ. d. A. Bd V S. 648), den Juſtin wieder 
aus der Verbannung zurückholte, ging zwar im Gegenſatz gegen die Monophyſiten ſo 
weit, daß er die theopaſchitiſche Formel verwarf (2, 52. 3, 19), auch kam es unter ihm ss 
zu regelvechter Verfolgung (vgl. den Bericht des Johannes 2, 15. 16 über die ihm zu— 
en nen und über die Jerftörung eines gottesdienftlichen Yofales der Mono— 
p im kaiſerlichen Palaſte der Marina); aber Kaiſer Tiberius (578-582), den 
unſer Chroniſt ſehr lobt und dem er von Jugend auf nahe ſtand (2, 22), ſcheint den 
tarchen eher zurüdgehalten zu baben, und daß er nad Eutychius den friedfertigen «u 


U) 
—2 


* 
— 














— ke: hen a Der Monophyſitismu 


es Ai angede 


gi Eee 


©. 386, 2ff.); u Bw en ein an m Dim 


port zum Si ——— 
+. Leontius 3 — ©. 394) nötig, um ben hs Süßen wer 
offaiele — u erzwingen. Hier 7 a die 9 “ — 
w a = unter 
Eee dr Ba ma Veit ea, Be Ba or 


„Serie und d Denken in der einen "erfon ı des Heilandes er erleichterte (bier 
———— von Loofs Bd V S. 636, 7 ff. und IV &.31,0ff. 33,3), 


o ift die ätzen von ber Zweinaturenlehre mit ſchulm Kühle v 
ar beider me naiv — Gemiten gar nicht, * aber he dann 
eingegangen, wenn fie fich klar zu machen im ftande waren, über der jo dar: 


gelegten Trennung der Naturen die Einheit von Perfon und Seinsweiſe nicht verloren 
wo zu geben brauche. So war und blieb ide Formel meitejten — ber 
als — — ein — Bien ir e war — nn zwar in gan man 
s die ja auch unter abenvlän —— — — 
ein abendländiſches, mehr noch, ein röm hen her nen Kane 
id von denen empfunden, beren —5* * theo 36 ei ihnen 
15 leicht geſtattet haben würde, ſich die Formel nad ihren Bedürfniſſen zurediti | 
ie Boden eigentlich nur bei denen finden fonnte, denen die Yu echterbaltung. 
* Einvernehmens mit Nom über die Wahrung des Friedens und de ei 
den öftlichen Provinzen des Reiches ging (ſ. dazu weiter oben ©. 383,6). 
'oeoıw ging unter feinen Umftänden einem Denken ein, dem ber num ' 
50 Ueberlieferung Ne Rd * ae 380, off.) gebeil nt Gedanke der — pas t 
Aöyov 0e0aox war. So wu la m Sti 
Ioctperbreiteien Dr bie —8 religibſen Sichtung, A indem Ten fen = ıbenseifri 
Sohn der Gottesgebärerin zu ehren meinte und bie Ver 
den zwei Gefichtern, das Leo und die Werfammlung zu ——— * chtet hatten 
» (f, Zach. Rhet. 3, 1 p. 8, 11) mit Entrüſtung ablehnte, bie durch die. firchlichen For 
meln wenigſtens äußerlich aufrechterhaltene Kühlung mit Ve volljtänd 
verlor. Die Monopbufiten find, wie andere kirchliche ofitionspartei 
ibrem Gegenfat zur —— in ſich ſelbſt zerfallen ſie in mannigfade Gen am 
ſich in twütendem Glaub ensfanatismus gegeneinander gelehrt haben, 
2) Diejenigen Monophyfiten, deren bedeutendfter Nepräfentant Severus if, baben ſich 





Monsphufiten 399 


gegen ben Vorwurf des Eutychianismus und Apollinarismus ſtets energiſch gewehrt. Tap 
Eutycheo gleicher Verbammung würdig jei wie Neftorius (und die „Neftorianer“, d. b. 
ſtets die Chalcedonianer, denen gegenüber ſich die Monophyſiten regelmäßig als die „Ortbo: 
doren“, auch wohl als dtaxgıvöuevon |Tim. Presb. p.52C 65B: ol &avroug xuloüvres 

owwouevovs, was nicht mit „Zögernde“ — nämlih das Konzil anzuerlennen — 6 
fondern mit „Sich Abſondernde“ zu überfegen ift)) bezeichnen, gebt als ftändige Phraſe 
durch Synodalfchreiben, Briefe und andere Dofumente diefer Richtung hindurch. Dem 
Apoliinaris aber ergebt es kaum beſſer: „Alſo er“, fchreiben die feverianifchen Bilchöfe 
in ibrer d&noıs an Jujtinian (Hist. Misc. 9, 15), von der bereits oben (S. 392,14) die 
Rede war, „welcher völlig Wort, unveränderlicher Sohn Gottes tft, ward vollitändiger 10 
Menſch. Er bat uns nichts von unjerer Erlöfung entzogen, wie der thörichte Apollinaris 
fagte, daß die Menſchwerdung Gottes nicht vollſtändig geweſen ſei, indem er und das 
durch feine Meinung wegnimmt, was die Hauptfachen in unferer Erlöfung find: denn 
wenn unſer Verſtand nicht mit dem Norte vereinigt worden wäre, wie jener fafelt, jo 
wären wir nicht erlöft und wären durch die Erlöfung von dem berabgeglitten, was in 15 
und das Größte ift“ (p. 192, 5—15). Daß fie bei ihren xonoeıs aus den Vätern oft 
enug apollinariftiiches Gut citieren, haben fie wahrfcheinlich gar nicht bemerkt, und jeden: 
fall alle dieſe Monophyfiten dürften an den litterarifchen fraudes Apollinaristarum (1.381 
S. 673,07.) unſchuldig fein. Sie fühlen ſich recht eigentlih als die Konſervativen, 
darin den Origeniften des 4. Jahrh. ähnlich: darum betonen fie immer und immer, daß zo 
ibr Glaube der der Väter von Nicäa fei, der von den Vätern in Sonftantinopel und 
Epheſus (431) lediglich beftätigt wurde; darum war ihnen die ausdrüdliche Verwerfung 
Chalcedons und des Tomus Leonis, wie fie die Encyhklika des Baſiliskus (richtiger Ti- 
motbeus Alurus) enthielt (f. o. S. 379,15), Herzensfache, während fie dent leifetretenden 
Henotifon Zenos nur mit dem Vorbehalt perjönlicher Interpretation des die Synode : 
betreffenden Paffus beizutreten vermochten. Darum mußten aber auch die Machthabenden, 
wenn anders fie gejunde Politik treiben und zwiſchen den Extremen burchfteuern wollten, 
mit ihnen in eriter Yinie rechnen. 

Severus und ähnlich gefinnten Theologen lag es ferne, das Menſchliche am Logos 

zu bloßem Schein berabfegen zu wollen; auch einer Vermiſchung und Werwandlung von 30 

Böttlichen und Menfchlichem tollten fie das Wort nicht reden. Chriftus ift aus zwei 
Naturen zu ftande gelommen, deren Eigenjdaften in abstracto unterjchieden werden 
fönnen ; aber nach der Inkarnation foll nur von einer Natur geredet werden Dürfen, weil 
Die Feilbaltung der Zweiheit als zweier ſelbſtſtändiger Faktoren die Vorſtellung zweier 
Subjekte oder individueller Weſenheiten notwendig mit ſich bringe Wan fand es bes 
ſonders anftößig, wenn Xeos Brief aus der bleibenden Eigentümlichkeit jeder Natur fol: 
gerte, daß auch in der Einheit der Perſon jede Natur das ihr Eigentümliche wirfe, wenn 
auch in Gemeinjchaft mit der anderen. Gerade daß den beiden Naturen verſchiedene 
natürliche Wirkungen (Eveoyeiar) zugeſchrieben werden, ſpalte den einen Chriſtus in zwei 
rodowra, denn niemals wirke eine Natur, die nicht in ſich ſubſiſtiert; Zweiheit Der 40 
Raturen merde Zweiheit der Hypoſtaſen. Im Anſchluß an Cyrill und an des Areopa- 
giten Redeweiſe dont üvöowdeis deös und deflen za Yeavödoıziy &r£oyeua (f. Bd IV 
E. 695,19) fonftruiert Severus von der in fich fertigen göttlichen Natur und Perſon des 
Logos aus, der vermöge der Hinzunahme des Fleiſches und zwar des vernünftig bejeelten, 
Fleisch und Menſch wird, ale Menſch aus dem Meibe bervorgebt und Einer bleibt, da er s 
wegen der unzerreißbaren Einigung den VLeib als feinen eigenen bat und das Fleiſch un⸗ 
beſchadet der Erhaltung ſeiner natürlichen Eigentümlichkeit in ſeine eigene Herrlichkeit und 
Wirkſamkeit umgeſtaltet und erklärt. Die vereinigten Elemente bilden eine zuſammen— 
geſetzte Natur (und gottmenſchliche Hypoſtaſe), auf welche alle Thätigkeiten zu beziehen 
find (ſ. das Nähere im A. Severus). 50 

Während diefer gemäßigte und forufagen regierungsfäbige Monophyſitismus, dem in 
mannigfachen Abjchattungen die Mehrzahl befonders der in den böberen firchlichen 
Stellungen des Oſtens befindlichen Rerjönlichkeiten angebörte, ganz deutlich eine Fort⸗ 
— theologiſcher Gedankenbildungen der klaſſiſchen Zeit darſtellte, verharrten die Ra— 

en auf dem Satze des Eutvches, der Flavian von Konftantinopel auf Befragen geant⸗ 
wortet batte (Mansi 6, 742B): EWS ONMUEOOV OUX EINOV TO oWua Tod Avolov zul 
deod nucv Suoovoor pr: nichte Wenichliches follte dem fleiſchgewordenen Logos 
anhaften. Sie ſtanden von Anfang an den Gemäßigten feindlich gegenüber. Schon Dem 
Baläftinenfer Theodofius (f. o. S. 376, 15) batten fie „Not auf Not zugefügt“ (Zach. >, 9 
p. 19, 30). Zacharias (3, 10) weiß von einem jonjt nicht bekannten Johannes Rhetor so 


IS 
a 


on 
| 


ATT Ron ophyſiten 


nen re no uder des Sophiſten Palladius (ob identiſch mit dem von 
. . „mm weitet und Der „den Lehrern der Kirche nicht bei: 
0.” Serz Nas Wort menfchliche Natur mit ſich vereinigt babe und 

in » 7 dr, Dieſer Johannes machte auch litterariich Propa: 
mer .. u Seschtenstwerte Notiz - „feine Bücher nicht unter feinem 
retour das cine jegte er den Namen des Ibeodofius, Biſchofs von 

. 2 „mm den Petrus Des Iberers, Damit auch die Gläubigen (d. b. die 

- ner Doiervanze Durch fie irre würden und fie annähmen“ (p.18,4- -9. 
* er Heißſporne“ (ſ. o. S. 381, 45) immer eine einflußteiche Ka 

re mederen Klerikern und den Mönchen inner wieder neuer Zuzug 
ezzmwus Wiurus verbannt war, ſuchten zwei ihrer Führer, der Sa 
srrzeous Varva an Delta; er batte fchon, als Begleiter Dioskurs, an 
zer Sruede und ſpäter auch an der cbalcedonenfiichen teilgenommen ; ſiebe 


on EST md Der alerandrinifche Presbyter Theophilus, ihn 
un Geiinnunagsgenoſſen auszugeben, was der Verbannte in einem von 
on p. . i5 5510 aufbewahrten Schreiben zu widerlegen ſucht. Aus 


nit ningen jene droozıorai oder dxepadoı (Timoth. Presb. p. 565C) 
“Bene Yongus nach Unterzeichnung Des Henotikons die Gefolgſchaft weigerten 
8 und aus Dielen Elementen wiederum jene Bartei der Julianiſten over 
1 Me den Gegenſatz zu Den Theodoſianern bie zur Kirchentrennung getrieben baben 
ost S. ah, 57 u. vgl. BD IX < S. 603, —9 Es iſt bereits in dem Artikel 
Halikarnaß (Bd IXS. 06 Fl. bei. 608,2 > ft.) ausgeführt worden, 
>. on Mint Theologe Die Ncjenspleichhei des Leibes cbriſti mit dem unſrigen nicht 
ya brilte, in der That ſchob er fie gleichſam auf den einen Moment der Fleiſch⸗ 
rag sth Es iſt aber Doch nicht zu verfennen, Daß dieſe Iperation, mie Julians 
ren De Npbtbarlie über Den Zinn Des Austrude . Bd IX S. 607,5 ff), Die 
vor dsiimi von Din Gegnern den Namen der Apbtbartodofeten oder Phanta— 
io chi, den ſie mit Dem Vorwurf der Phtbartolatrie erividerten, mit ber 
. se y'upederw und don Severus geforderten Weſensgleichheit nichts gemein bat, 
rat se inebeſondere den Severianern fallen mochte, ihre Behauptung, daß auch 
be alien Naturgeſetzen unterworfenen Leib gehabt habe, mit ihrer monophyſi⸗ 
a riendpoſitien u vereinigen. Immerhin fühlte wenigftene Swverus noch fo viel 
a an ASGHINRLEL, Das ibn mit Dem Gegner gegenüber den Spnoditen verband, daß 
mn nt Vernjung auf Sa 5, 15 die Hand zum ‚Frieden bieten fonnte (vol. feinen 
an Nur Julian in Hist. Mise. 9, 13 p. 187, 11ff.). 
ur hocbſle Zpige getrieben und Daber dem inneren Widerſpruch verfallen, cr: 
eco talent Teil der Julianiſten oder Sajaniten die Behauptung, dab der Ya 
rin Moöonente Dev Vereinigung an niet nur als unverdedt, fondern auch als un: 
meh fattoten) anzuſeben jet einzige Notiz bei Timoth. Presb. p. 43 val. 57; 
oil IRLHAINO IN AXHOTITAL, Aftifteten, was ſie mut „toroidtgaı, Ktifte: 
3 sanierte. Auch unter den Severianern kam co zu Spaltungen: dem Ya: 
ee erbaite Ab 0. ſ. 3,0) trat ein Tiafon Tbemiftius, unter Berufung auf 
lan Bi 15,52 Jo 11, 34, mit der Behauptung entgegen, daß, mie ber 
ee tatle pen inttutludeit Bidingungen unterworfen, jo auch Chriſtus als nicht all: 
Yen werreen MN. Die Anhänger dieſer Lebre, die Themiſtianer, wurden 
giant sl Uanoeten Wipvojtar, äyvolraı) bezeichnet (gl. Liber. 19; 
on help ID, deſſen Notiz, Daß &xurjdn To Ööyua ar dyvonr, 
Does bwenoftie bereits in Konſtantinopel war |}. o. S. 394, 47] mit der 
era ntantiin IhDE notwendig im Widerſpruch ſteht; Timoth. Presb. p. 41B 
I he Sole Daaamase, haer 85). Die neue Yebre muß ziemlich viel Staub 
an babn  nenb een Ende Des 6. Jahrhs. wandten ſich Dadurch beunruhtgte 
Dodo an Palau Den Nuntius in Nonftantinopel, der feinerfeits nicht 
oe bunt toner I Meloung machte, jondern auch den orthodoren Patriarchen Eu: 
see Nana cl PM NDV, 590) um eine Niderlegung erfuchte. Eulogius 
nn Nr mtlinhg anne voyren, aus Der Photius (Cod. 230 p. 28-4 8q.) Auszüge 
te nee Iutonat pen Patriarchen über Die Frage Briefe gewechſelt (Epp. 
ar RG en Jahre 600, Nicht mehr im jtrengen Sinne monopbv- 
lan rn ins uhunermuhbe Sophiſt Ztepbanus Niobes durch das Gefühl 
nude meaſthen ber hebauptelen Ginbeit der Natur und der dabei doc ver: 
ie Als ahusenng sentetehben Unterſibnede (Oray:ogal) des Göttlichen und Menſchlichen 


Monophyſiten Monotheleten 401 


zu dem Satze getrieben wurde, man müſſe, wenn man nicht u Zweibeit der Naturen 
urüdfehren wolle, jeden Unterjchied (des Göttlichen und Menſchlichen) in Chriſto leugnen. 
Der Patriard) Damianus (ſ. d. A. Bd IV ©. 439) trat ihm entgegen, ebenſo Petrus 
von Antiochien (f. o. S. 397.46); andere, wie der Priefter Probus von Antiochien und 
der ſyriſche Abt Johann Barbur bekannten ſich zu ihm Niobiten, Timoth. p. 4A 
[mo auch die Bezeichnung adıapopiraı — fo iſt Statt drapogitau zu leſen — erwähnt 
wird] 53B 56B 65A; vgl. den längeren Bericht in dem Auszug aus Dion. Tellm. 
Hist. Ecel. bet Assemani, 2, 72 sq.) Zu al diefen Differenzen Tam nod die im 
Schoße der Monophyfiten gleichzeitig auftauchende tritbeiftifche Streitigleit, in der 
die Namen des Johannes Askusnages, Johannes Philoponus (f. d. A.). de Konon u. a. 
genannt werden und die einer befonderen Darftellung bedarf (j. den A. Tritheiſtiſcher 
Strett). &. Kräger. 


Monotheisuns |. Theismus. 


Monotheleten. Die Ausführungen Möllerd in der 2. Aufl. diejer Encyllopädie be- 
durften für den neuen Artikel zum größeren Zeil nur einer tonfervativen Umarbeitung, die 
mit Rüdjiht auf die Artikel Martin I. und Maximus Konfefjor zugleid) eine Kürzung be: 
deuten fonnte. Völlig neu gearbeitet mußte der Eingang werden und mit Rüdjicht auf 
die Eulogiusfragmente einzelne Bartien des dogmengeſchichtlichen Teils. Durch die Arbeit von 
Owſepian (ſ. unten ©. 402,2) ijt die Entftepungsgetdjichte auf Grund bisher nicht oder nur 





unvolllommen herangezogener Quellen hell beleuchtet worden. Zwar jind nicht alle dirono: : 


logifhen Anſätze D.3 einwandfrei, aber in der Mehrzahl jind fie doch gut begründet, und wo 
Zweifel bleiben, reihen die Quellen zu jicherer Entjcheidung leider nicht zu. 

Diefe Duellen (vgl. Yabricius:Harles, Bibl. Graeca 11, Hamb. 1808, 151—154) find, 
abgejehen von den armenijchen, über die nıan in ber genannten Arbeit Genügendes findet, 


1. zahlreihe Briefe und jonjtige Urkunden der am Streite Beteiligten, erhalten in den 2 


Atten der Lateranſynode von 649 (Mansi, Concil. Coll. 10, 863—1188) und denen der ſech— 
ften allgemeinen Synode (eb. 11, 189— 922). Bgl. dazu auch die Collectanea ad Joannem 
diaconum des Anastasius Bibliothecarius (j. d. A. Bd I ©. 493,5; zuerit hrag. von 9. Sir: 
mond, Paris 1620, und in deſſen Werfen, dann öfter in den Bibliothefen, zulegt MSL 129, 
561—690) ; 2. seitgendffifne Schrijtwerfte: Die Werke des Maximus Konfellor (citiert 
nah MSG 90 und 91, wo die Seitenzahlen der Ausgabe von Combefis eingedrudt find), und 
zwar bejonder3 die Opuscula theol. et polem. ad Marinum (91, 9—286) und die Disputatio 
cum Pyrrho (287—354); das Chronicon Paschale (ſ. den A. Bd IV ©. 84), citiert nad) 
MSG 97 (bier die Seitenzahlen der Bonner Ausgabe); die Mitteilungen in des Anaſtaſius 
Bresbyter (Sinaita) 4. Bud) zeoi roü xar eixova xai xad’ duniwaıv bei Mai, Script. Vett. 
Nov. Coll. 7, 193 fi. (gefchrieben ungefähr 20 Sahre nad) der 6. Synode, ſ. p. 194B); der 
Liber Pontificalis ed. Ducdeöne, 1. Bd, Paris 1886 (die den monotheletiihen Streit berüb: 
renden Biten gehören noch zum Grundftod); 3. Spätere Chronijten und Hiſtoriographen: 
Nicephorus, Patriarch, “Joronia orvınuos (Breviarium) ed. C. de Boor, Lips. 1880; Theo: 
phanes, Konvoyourpla, ed. de Boor, Lips. 1883. 85; die (jehr wahrfcheinlid) von Theophanes 
abhängige) Vita Maximi Conf. unbefannten Verfaſſers (MSG 90, 67—110) und gelegentliche, 
im Text verwendete Angaben bei anderen. 
Litteratur: Die ältere 8. über den monoth. Streit S. bei Fabricius-Harles 154f. Das 
Bichtigſte daraus ijt — abgeſehen von den Werten allgemeinen Inhalts, wie Baronius, Pagi, 
e — Frz. Combefis, Historia Monothelitarunm, vor dem 2. Band jeineg Auctarium no- 
vom, Par. 1648, 1—64, bier auch (65—198) die Dissertation Apologetica pro actis sextae 
synodi, in der die von Alb. Pighius (Diatribe de actis VI. et VII. concilii, Colon. 1572) 
und Baroniuß (Ann. ad ann. 680, 34. 681, 19—34. 682, 3—9. 683, 2—22) Tediglid) wegen 
der unbequemen Honoriusfrage erfundene Hypotheje der Aktenfälſchung widerlegt wird; Joh. 


Bapt. Tamagnini (Pjendonyn für Dom Anton Michael Fouquidre O.B. (?), vgl. Wald) 665), ı 


Historia Monotheletarum, Par. 1678 (79), Xoh. Sim. Afjemani, Bibliotheca juris orient., 
4, Rom 1764; ac. Chmel, Vindiciae conc. oecum. VI. praem. dissert. histor. de orig. etc. 
haer. Monoth., Prag 1777; Chr. W. Frz. Wald, Entw. einer vollit. Hijtorie d. Kepereien 
n. ſ. w., 9, Leipz. 1780, 1—666; J. M. Schrödh, Ehrijtl. Kirchengeſchichte 20, Leipz. 1794, 
36-451; 3. Chr. Baur, Die hrijtl. Lehre v. d. Dreieinigkeit u. f. w. 2, Tüb. 1842, 96 bi 
128; 3. 4. Dorner, Entwidlungsgefd. d. Lehre v. d. Perſon Chrijti u. |. w. 2°, Berl. 1853, 
28—256; C. 3. v. Hefele, Conciliengeſchichte 3°, Freib. 1877, 121--313 (365); J. Langen, 
Geld. d. röm. Kirche von Leo I. bis Nikolaus I., Bonn 1885, 515—580 (602); A. v. Gut: 
ſchmid, Verzeichnis der Patriarchen v. Alerandrien, in: Kleine Schriften n. ſ. w. 2, Leipz. 1890, 

; A. Harnad, Lehrb. d. Dogmengeſchichte 2°, Freib. 1894, 399-—408; D. Bardenhewer, 

rudte Excerpte aus einer Schrift des Patriarchen Eulogius von Nlerandrien (580—607) 
über Trinität u. Snlarnation, in THOAS 78, 1896, 353 - 401 (f. dazu u. ©. 411,33); 9. Gelzer, 
Ubriß d. byzantin. Kailergeihichte, in Krumbachers Geſch. d. byzantin. Litteratur?, München 

Reals@nchllopädie für Theologie und Stirhe. 3.9. XIII. 26 


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Ronotheleren 


De Sa "me 0er. 2 rbe Patriarchs of Constantinnple from 

“70. Twfepian, Tie Entſtehungsgeſchichte des 
00. T..00,2r ze) Sürgeltellt, Leipz. 1897. Bal. außerdem die 
R ..yY,omas Xnieſſor und die dort angegebene Litteratur. 


N > Dr m320n 638 Tie mit dem Namen Monothe 
re zen since verdankt ihre Entſtebung demielben Be 
N 2. ermaminmg Dee Monophyſiten (ſ. d. A. o. S. 372 ff.) 


N ern Annabherung, fomweit eine folche ohne völlige Preis: 


2 2.00. eye Sermermiugtten moͤglich var, aufzubeben, das jich Schon in 
- Zr oeszere vb geltend gentacht batte, Der Trieb dazu war um 
Du Ts venibl ganz unterdrüden ließ, dag man Doc auf dem 
- en Toriſtologie jtebe, die Durch die Entwidelung der 
eos con Beritürftes Gewicht erhalten hatte. Der Mailer 
> e ee std aber batte unter den damaligen Bedrängniſſen 
se nah auch Die Araber) ein ſehr reelles politifches In— 
00.2 seen Bepölferungsgebiete im Oſten und Südoſten Des 
ee. Dir tbatfräftige Dann - Gelzer nennt ibn einen genialen 
: an Organiſator und ‘Politiker, der zum Herrſcher prädeitiniert 
„nadıdeben Patriarchen Sergius (18. April 610 bis 9. Dez. 
“pen Die Krone aufgelegt batte, einen vorzüglicen Berater. 
.. Seren geſchenkt; bei feiner Abreife zum Perferfriege 619 
rt Ne Zorge für feine Refidenz und feinen Erben (vgl. feine 
.  muten. MSG 121, 785: es zelwas Tod deod xal Tijs Beoume- 
.. mir rarın? xal Tor vior nov). Zergius, em Syrer und, 
can de æAnaſtaſius Presbyter Vertrauen ſchenken will, von mono— 
wm p. 1932 orooyerns Indoxwr, &s ÖF Aöyos al laxoßıram 
se "®wopit. 550, 1, der aber Das ons Aoyos wegläßt), bat fich ſchon in 
von Anitsführung mit Untonsgedanfen getragen. Den Anfnüpfungs: 
Ternindiſen. Hier jcheinen ſchon um 600 die Stichwörter von der 
IN cu Minor jyorr Er Beinpa dur die Monophyſiten in bie 
son wberfit iporden zu fein. Bereits der Patriarch Eulogius (580 bis 
>02. 590 batte Die Verfechter der Einwillenlehre in befonderer Schrift 
sslanpft und ibnen Die Zweiwillenlehre mit ausführlicher Begrün- 
mv Hat Sergius don Diefer Schrift nichts gewußt (ſ. u. S. 411, u), 
yon den alerandriniſchen Monenergiſten und Monotheleten in Verbin: 
Yon Briefe erfuchte er den Pauliten (oder Paulianiſten, d. h. Partei⸗ 
de Scwarzen von Antiochien; ſ. den A. Monophyſiten 0. S. 396,2) 
re, pin Beweioſtellen für Die Lehre von der einen Willensbethätigung zu 
. her amd ließ in Diefem Brief Dereits feine Unionsabfichten durchblicken. 
os attette Den Unwillen des Patriarchen Johannes des Barnıberzigen (610 
SU ND IX 2,3007), der 08 Dem Arſas entriß und nur durch den bald 
enden Perſereinfall Daran verbindert wurde, Gegenmaßregeln zu ergreifen 
waren Genf Disp. ec. Pyrrho MSG 91,333). Tas war im Jahre 619 (zum 
VOreberung Alerandriens durch Die Perſer vgl. Gelzer in den Anmerkungen 
Yosyabr don Leontios' don Neapolis Leben des Johannes S. 151f.). 
inlen Jahre muß Sergius benutzt Daben, um den Kaiſer für jene Unions: 
u Naus Dev Lehre don Der einen Energie zu gewinnen. Als Heraklius 62 
et stand Dazu Owſepian 234.) zu Theodoſiopolis (d. i. Karin, dns 
vonnmdan Armenien weilte, hatte er eine Unterredung mit einem berporragen: 
an Kamens RPaul (identiſch mit Dem von Max. Conf. J. c. 332 erwähnten 
‚on Oasrng bezeichneten; vielleicht aus Cypern gebürtig), und fuchte ibn auf 
vehre von der ua Freoyeta Notortod Tob dAndıwod Veov Aumv für ben 
on mbpuntt zu gewinnen (vgl. Serg. ad Honor. Mansi 12, 529). Obne 
ron Jah due ſogur nach jener Rückkehr veranlaßt, an den Bifchof Arkadius von 
titan bieſen“ dal. Owſepian 55f.) ein von Sergius entiworfenes, gegen 


Sn 


a bonn wrnbtetvn Edikt zu erlaſſen. In Diefem Edikte wurde zugleich Die Lehre 


ooeatbritiygeit elfigwil verboten (000 SE Ereoyelas Eri Tod Öeonorov ud 'Inoot 


\ 


1* tat rennen οοαν, vgl. Cyr. ad Serg. Mansi 5614; 
Ao rannte ſelbſt trat in beſonderer Abhandlung für die neue 
u Wem weellere halfel in den Verhandlungen bildet die gelegentlih einer Er: 


lt ne 


Monotheleten 403 


pedition nad La zien wahrſcheinlich 626 (f. Theoph. 315, 14; Owſepian 45 vgl. 16) 
gepflogene Unterredung des Kailers mit dem Metropoliten Cyrus von Phaſis, Die 
eine Korreipondenz des Metropoliten mit dem Patriarchen zur Folge hatte. Cyrus erbittet 
jih von Sergius weitere Belehrung (Mansi 560f.), Sergius gewährt fie ibm (525 ff.), 
mweift des Cyrus Berufung auf den Lehrbrief Levs von Nom, in dem fo tvenig ivie bei 5 
einem anderen Kirchenlchrer von zwei Energien die Nede fei, zurück und führt feinerjeits 
einen neuen Zeugen ins Feld, den Patriarchen Mennas von Sonjtantinopel (f. über ihn 
o. ©. 393, 51), der in einer an Vigilius von Rom gerichteten (nicht erhaltenen) Abhand⸗ 
lung (deren Echtheit auf dem Konzil von 680/81 [j. u. ©. 409,22] von den päpjtlichen 
Legaten lebhaft beftritten wurde) rò ToV yorworov Belnua xal ulav Lwonoov 
Ev&oycıav gelehrt habe. Eine Abſchrift diefer Abhandlung, auf die er großes Gewicht 
gelegt zu haben fcheint, legte Sergius feinem Briefe bei; daß er diefen zuvor feiner Sp: 
node vorgelegt babe, behauptet der Libellus synodicus (Mansi 10, 606) wohl nur mit 
zweifelbaftem Recht. Cyrus wurde, wie Die weiteren Ereigniffe zeigen (ſ. u.), für ben 
Unionsgedanken gewonnen. In ähnlicher Weife gelang es, den Biihof Theodor von 
Pharan in Arabien zu überzeugen, den der Bilchof Stephan von Dor in Paläſtina 
auf der Sateranipnobe von 649 (ſ. u. ©. 407,21) in anfcheinender Unfenntnis der Chrono: 
logie als einen Vertreter des Monotbeletismus vor Cyrus und Sergius bezeichnet hat. 
Auch ihm hat Sergius unter Beilegung der Mennasfchrift gefchrieben, der Bilchof hat 
ihm geantivortet (Max. Conf. 1. ce. 332f.), und die erhaltenen Bruchjtüde feiner Schriften ao 
(Manei 10, 957—962; 11, 568 ff.) beweiſen, daß er monotheletiſch dachte. Sergius 
aber verjuchte noch einmal, unter Vorlegung des gefamten Altenmaterials, auf Paul den 
Einäugigen zu wirken, ohne daß man erführe, welches Ergebnis feine Bemühungen ge 
babt baben (Max. 1. c.; über die MWahrjcheinlichkeit einer Tertverderbnis |. Owſepian 
f.; vielleicht ift das verbächtige 2» Oeodooıwvnddeı lediglid) vor Zyoawye einzurüden, 25 
womit die Schwierigkeit behoben wäre). 

Einige Jahre hindurch erfahren wir nichts von Fyortichritten der Bewegung. Sergius 
bat fpäter ſelbſt an Honorius über dieje Zeit gejchrieben, daß oyı 9 ur EE Exeivov 
Tov xo0vov Tö ToWwvrov xepdiaror Eaßev (Mansi 532). Im Ami 631 (zum Datum 
ſ. v. Gutichmid ſo. ©. 401,58] 476 ff.) aber wurde Cyrus von Herallius zum Was sn 
triarchen von Alerandrien erhoben mit der beftunmten Abzweckung, durch die mono: 
theletifche Union die Monophyſiten zu geivinnen. In der That brachte er am 3. Juni 
633 eine Union auf Grund von formulierten Lehrſätzen (Mansi 11, 564ff.) zu jtande, 
die Die Zweinaturenlehre nur auf das vorfichtigfte verflaufuliert und unter ausdrüdlicher 
Gleichſetzung des Cyrilliſchen Terminus von der Einen fleifchgavordenen Natur, ſowie 35 
unter Betonung der ja allerdings kirchlich anerkannten theopaſchitiſchen Lehre feitbielten 
und unter Berufung auf Divnyfius den Arevpagiten daran ſchloſſen, daß der Eine Herr 
Jeſus Chriftus Göttliches und Menfchliches wirke mit der einen gottmenjchlichen Energie 
(. u. ©. 412,12). Triumpbierend meldet Cyrus nach Konſtantinopel (f. feinen Brief an 
Sergius Mansi 11, 561 ff.), daß Myriaden von Theodofianern (d. i. Monophyſiten ſ. o. 40 
©. 394,31) im Klerus, unter den Beamten, in Heer und Voll geivonnen feien, und Sergius 
brüdt ihm darüber feine große Freude und Befriedigung aus. Anaſtaſius Presbyter 
(p. 194; danach Theoph. 330, 14 und Vit. Max. MSG 90, 77 D) giebt der Stimmung 
unter den Monophyſiten vermutlich den richtigen Ausdruck, wenn er ihnen die Worte in 
den Mund legt: oöxꝝ Nuss ıjj Kalrndörnı, aA N Kadandwv uälkorv ijuuv Erowo- % 
moe dıa rijc &veoyelas ulav Öuokloynjoaca pVoıw Xouwotov. 

Etwa um die gleiche Zeit fam die Union mit den Armeniern auf einer Sy— 
node zu Karin (f. oben S. 102,48) zu ftande, die nach den beften Quellen im 3. Sabre 
des Patriarchen Esras (feit 631) und im 23. des Heraflius im Beifein des Kaiſers, fo: 
wie ſyriſcher und griechischer Biſchöfe (doch nicht des Sergius) ftattgefunden bat (vgl. Die so 
Nachweiſe bei Owſepian 50 ff.; danach find die Angaben bei Sefele 73 und 132 F. zu 
verbeflern): die Beichlüffe von Chalcedon wurden angenommen und im Trisbagion das 
6 & Huäs oravowdeis weggelaſſen; vb dabei der ia Zveoyeıa ausdrüdlih Erwähnung 

hab, verraten die Quellen nicht. Übrigens war diefe Unten, die von Anfang an auf 
pruch ftieß, nur von kurzer Dauer. — Bon Armenien zog Seraflius nah Syrien 5 

und verhandelte anfangs des Jahres 634 (nicht 629; vgl. Owſepian 25 ff.) zu Hiera— 

yolis mit dem monophyſitiſchen Patriarchen von Antiochien Athanaſius. Nach ben 

Quellen (Anast. Presb. p. 193A; Theoph. 329, 21; Vit. Max. MSG 
%, 767.) bat er ihn durch das Zugeftändnis feiner Anerkennung als Patriarchen (der 
Stubl von Antiochien war feit dem Tode Anaftafius II. 610 offiziell vafant) beivogen, w 


26 


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404 Monotheleten 


die durch die monotheletiſche Lehre gemilderte Annahme des chalcedonenſiſchen Konzils zu 
vollziehen. Athanaſius reichte ein Bekenntnis ein, gegen das der Biſchof Eubulus von 
Lyſtra eine Widerlegungsſchrift gerichtet bat (ſ. ein Bruchſtück bei Mat J. ec. p. 31 -343; 
von der bevorſtehenden Anerkennung des Athanaſius ſcheint auch Antioch. Monach. 
Pand. hom. 130 MSG 89, 1844C Kenntnis zu haben, doch iſt an dieſer Stelle auf 
Heraklius fein Bezug genonmen und die Homilie möglicherteife viel früher geichrieben;; 
vol. auch Le Quien, Oriens Christ. 2, 739f.). Xeider find die Berichte über dieſe 
Vorgänge ganz dürftig und unzuverläflig: nach Michael Syrus (ſ. Owſepian 27f.) bat 
Athanaſius nach der Synode von Narin einen Brief an den abgefegten Vorgänger des 
Eoras gejehrieben und darin Das Unionsunternehmen fcharf getabelt, was fchlecht zu feiner 
bald Darauf dem Kaiſer gegenüber angeblich bezeigten Nachgiebigfeit paßt. 

Inzwiſchen war eine neue Wolfe am Simmel der Einigung aufgetaucht (vgl. zum 
Folgenden Serg. ad Honor. Mansi 11, »32f. u. Maxim. ad Petr. ebenda 10, 690 ff.). 
Der Mönch Sophronius di. d. A.; über die Frage der Adentität zwiſchen Sophronius 


„dem Zopbiften und dem Patriarchen vgl. S. Vailh&6 in Rev. de l’Orient Chrétien 


1902 und 1909, der ſchen unter Eulogius und Jobannes dem Barmherzigen, dieſem 
befreundet, in Alerandrien geweilt batte, kam von Paläftina nach Agypten und zeigte ſich 
erſchrocken über Die „apollinariſtiſchen“ Zäge der Union mit den Monopbofiten, jo daß 
er den Gorus beſchwor, fie nicht vom Antbon der Kirche zu verfündigen. Cyrus berief 
ſich dagegen auf einzelne Stellen früberer Väter und erinnerte daran, daß fie oft genug, 
wenn es ſich Darum bandelte, Das Seil vieler Zeelen zu fürdern, beim Vorkommen von 
dergleichen Yebrlägen Sich gottgefälliger Nachgiebigkeit und Anpaffung bedient hätten (Tor- 
er rag aroıTtwr XEyalaiı)v  ÜVeanEcTois OixXxovouiaıs xonodusvor Waivoyra 
32 E) Zophronius ließ ſich nicht berubigen, ſondern reifte mit einem Briefe Des Chorus 
nach Konſtantinopel. Hier bejtand er den Sergius gegenüber auf Streihung des Aus 
drudo ua Frfoyera aus den Unionsartifeln. Davon wollte Sergiug in der richtigen 
Erkenntnis, daß dann Die kaum geichloffene Einigung wieder in Frage geftellt werden 
würde, nichts willen, empfahl aber doch dem Gprus, feinen Streit über eine oder zivei 
Energien zu geltatten und fid darauf zurüdzuzieben, daß der Gottmenſch das Göttliche 
und das Menſchliche wirfe und jede gottgemäße und menjchengemäße Wirkung auf un 
getrennte Weiſe aus dem einen und jelben fleiichgeiwordenen Gott Logos hervorgehe 
Dabei jest er als telbjtverjtändlidh voraus, daß Die Behauptung von zwei Millen zu 
vermeiden ſei, da Ste au gottlojen Ronfequenzen führen würde (600 Trävarria Belor- 
tus... oneo Övooeßfs H33E). Zopbronius ließ fih das fehriftlih geben und reijte 


nach Alerandrien zurüd; er iſt im weiteren Verlauf der Streitigfeiten nicht mebr bervor: 


getreten. Bald darauf — es muß anfangs 634 geweſen fein, 1. o. ©. 403,06 — erhielt 
Sergius dom Kaifer aus Edeſſa den Befebl, ibn die Belegftellen aus der Schrift des 
Mennas für Die monenergiftiiche Yebre zu überjenden. Dieſem Befehl kam Sergius nad, 
unterließ aber nicht, auf Die Schwierigkeit Der Yage binzuweifen und anbeimzugeben, ob 
nicht eine weitere Unterfuchbung Der Frage beſſer unterbleibe und man fich bei der Kirchen: 
lebre (775 TeToruuern zal ovugorms naga navımv Öuoloyovusn natoıx]) ÖLdaoxa- 
Ai) berubigen folle Zugleich berichtete er dem römischen Biſchof Honorius in Huger 
Auseinanderjegung über Das Vorgefallene und gewann an ibm für feine Auffafjung einen 
Nudbalt. Honorius ftimmte im einem, nur im griechifcher Überfegung (deren Weberein- 


Iſtimmung mit dem Original aber auf dem Konzil von 680/81 ausdrüdlich feftgeftellt 


worden tt [Mansi 518 Ah erbaltenen Schreiben (M. 537—544) dent Patriarchen zu, 
warf auf Sophronius den Vorwurf der Worbringung eitler Fragen und äußerte fih 
dabin, Daß der Streit über eine oder zwei Energien verbannt oder den Grammatikern 
uberlaffen werden folle, denn Die Neuerung in den Augsdrüden fünne entweder des Eu- 
hubtianismus oder Des Neſtorianismus verdächtig machen. Aber auch er bält dabei m: 
befangen feft, Daß, wie man auch über den Ausdrud: eine oder zivei Energien urteilen 
möge, man einen Willen befennen mülle (Oder Er xai Yelnua Önoloyoduev Tod xuvplov 
your Xotorod 5-40 B), da bei der Anmabme reiner, übernatürlich erzeugter Menicen: 
natur dur den Sohn Gottes von eimem zweiten, verjchiedenen oder entgegengeſetzten 
Willen (drdg:o0or 3 &varrior Beinpa) nicht die Rede fein fünne, auch Stellen wie Jo 
5,30 und Dt 26, 39, wo Chriſtus feinen und den göttlichen Millen im Gegenfaß zu 
jtellen jebeint, in MWabhrbeit nicht einen verſchiedenen Willen anzeigen, jondern nur auf Die 
Tefonontie der angenommenen Menſchheit geben (00x elol radta dıapdoov Veinuaros, 
sa ts olxXovolias TS MÜHDATÖTNTOS TIjs noooAngdeions); Chriſtus fpricht fo um 
unſretwillen ale unjer Vorbild, damit wir feinen Fußtapfen nachfolgen und jeder nicht 


Monotheleten 405 


feinen eignen, fondern des Herrn Willen erwähle Das Echreiben zeugt durchweg von 
veritändiger und richtiger Auffafjung der Situation; dem Papſt aber daraus einen Vor: 
wurf zu machen, daß er fich zur Einmwillenlehre befannte, geht um fo weniger an, als 
dieſe noch gar nicht firchlich verdächtigt war, wie denn ſelbſt Sophronius (f. 0. ©. 40 4,34) 
fih die Abweifung der Zweiwillenlehre durch Sergius hatte gefallen laffen. 5 

ALS Sergius an Honorius fchrieb, mußte er ſchon (Mansi 532 D), daß Sophronius 
auf den Patriarchenſtuhl von Jeruſalem erhoben fer, hatte aber die offizielle Anzeige 
davon noch nicht erhalten. In diefer, dem fogenannten Synodifon (M. 461—509; aud) 
unter den Merken des Sophr. MSG 87, 3, 3148-—-3200), hatte der neue Patriarch ein 
ausführliches Bekenntnis mit thatfüchlicher Ausſchließung der Neuerung gegeben, rein ı0 
fahlid und ohne Perfonen anzugreifen oder auch nur zu nennen. Die Zmeinaturenlehre 
führe auf dem rechten Wege zwilchen Neftorianismus und Eutychianigmus hindurch ; jede 
Natur wirkte (nach Leos Ausdruck) das ihr Eigentümliche unter Beteiligung der anderen, 
aus den beiden Naturen gehen alfo zwei Energien hervor, obgleich es der Eine Emanuel 
ift, der als Gott und Menſch zugleich die Rerke beider Naturen wirkt je nad) der Wahr: 15 
beit einer jeden von beiden (xar’ ällo xal ällo Eveoyav ra noarröusva 480C). Um 
der Realität der menfchlichen Lebenszuftände willen habe der Sohn Gottes, wenn er 
tollte, der menschlichen Natur Raum (xzaodv) gegeben, das ihr Eigentümliche zu wirken 
und zu leiden, fo daß dies freiwillig zwar, aber doch auf natürliche Weiſe ſich vollzog. 
Sen dieſem Sinne der Zurückbeziehung aller Worte und Werke beider Naturen auf die 
einheitliche Perſon des Gottmenschen, nicht aber in dem einer einfachen Einheit, till 
Sophronius den Ausdrud des Areopagiten von der za (jo it 488D zu leſen) xal 
deavdown Evkoyea (ſ. u. S. 412,13) verftanden willen. Die Behauptung der Zwei⸗ 
willenlebre fucht man auch in diefem Schriftftüd vergeblich. Sophronius, deſſen Syno— 
dilon Sergius gar nicht angenommen haben foll (Mansi 456), bemühte fih, als ſchon >; 
die Sarazenen in Paläftina eingefallen waren (M. 10, 896), auh in Rom durch den 
Biſchof Stephan von Dor gegen die neue Lehre zu wirken. Honoriug (vgl. die Auszüge 
aus feinem zweiten Schreiben an Sergius M. 11, 579—581) fuchte zu beruhigen: es 
ſei ganz eitel (ndvv udraıov), dem Mittler zwiſchen Gott und Menjchen eine oder zivet 
Energien zuzufchreiben, da davon nichts in der Schrift ſtehe; man folle befennen, daß so 
beive Naturen in dem Einen Chriftus natürlich geeint (77 Evormu Yvwueras) jede in 
Gemeinſchaft mit der anderen wirfe und handle. Ganz unbefangen und felbitverjtändlich 
werden dabei Zeus Worte verivendet. Sophronius ermahnt der Wapft fchriftlih und legt 
es den Gefandten noch beſonders ans Herz, daß er die Redeweiſe von zivei Energien 
fallen lafjen möge, und die Geſandten glaubten das zufagen zu dürfen für den Fall, daß 35 
auch Cyrus von Alerandrien, dem der Bapft gleichfalls fchrieb, es aufgebe, von einer 
Energie zu reden. Vermutlich unter dem Eindrud diefer Ertvägungen, die ihm Honorius 
mitteilte, verfaßte nunmehr Sergius anfangs 636 (nämlih 5 Jahre vor den Tode des 
Heraflius; |. des Kaiſers eigene Angabe in feinen Briefe an Papft Johann IV. Mansi 
11, 9) den Entwurf eines Erlaffes, den er dem Kaiſer bei deſſen Rückkehr aus dem Trient ı0 

bit 638 zur Unterfchrift vorlegte: die fogenannte Ektheſis (M. 10, 991—998). 
ine fonjtantinopolitanische Synode nahm fie als mit der apojtolifchen Lehre überein: 
fimmend an (M. 10, 999— 1002). Der Ausdruck uia &veoyera, obwohl bei einigen 
Vätern vorkommend, foll vermieden werden, damit nicht eine Yeugnung der zwei Naturen 
zu befürchten fei, der Ausdruck dVo E&veoyerar, weil er, der überdies bei den Vätern nicht 45 
vorlomme, dazu führe, ziver einander widerſprechende Willen (f. ſchon o. ©. 404,51) in 
Chrifto zu behaupten. Es ift Ein Wille in Chrifto, indem in feinem Nugenblide das 
vernünftig bejeelte Sleifch getrennt und aus eigenem Antrieb, entgegen dem Triebe des 
ihm hypoſtatiſch geeinten Gott Yogos feine natürliche Bewegung vollziehe, fondern nur 
warn und welcher Art und in welchem Grade der Logos felbjt es wolle. Der Monenergis- 5 
mus war endgiltig aufgegeben, der Monvtheletismus un fo energifcher behauptet. 

2. Big zum Grlah bes Typus von 648. Der Magifter Milttum Euftachius, 
der bie Eitheta dem Erarchen Iſaak für Italien zu überbringen hatte, übermittelte, auf 
ſeinem Wege Alerandrien anlaufend, auch an den Patriarchen Cyrus einen Brief des 
Sergius mit einer Abjchrift der Efthefig, die von Cyrus mit gebührender Zuſtimmung 5 
aufgenommen wurde (ſ. Cyr. ad Serg. Mansi 10, 1003). Sergius felbjt ftarb ſchon 
am 9. Dezember 638, und an feine Stelle trat der ibm und den Kaiſer befreundete 

yrrhus I. (20. Dez. 638 bis 29. [22.] Sept. 641; vgl. Broof3 16f.), der für Die 

8 und ihre Unterfchreibung durch die auswärtigen Biſchöfe eintrat (Mansi 10, 
11). Den Hauptherb der Oppoſition bildete der römische Klerus. In Rom war nad oo 


ware Monotheleten 


J Rdn d) rei Severinus zum Papſft gewäblt 
vun. yo, June Do Som end Des vateranpalaftes und der 
oo, I Am, Irzenan (Vit. Sever. p. 326), jchemt 

ur “NS, warfns rm m, Abella (wal. Dazu audı die professio 

"an Dr, Zr 71889, 72) sulammengebangen zu haben, 

sender ze Do auzus erit nad formeller Zuſtimmung zur El: 

Be oe nor ezer r,zaen fonnte (Ep. Max. Conf. ad Thalassium 

V. .. Zen, mom 28. Mai (7) 6160 geweibt, ttarb bereits am 
N: 00, am Rachiolger Jobannes IV. (24. Dez. [2] 640 bis 
X > noipeletismus auf einer römiſchen Synode von 641 

E :. .„.» Synod. Mansi 10, 607; Theoph. 331, #5). Der An- 

So 8 8ande fand, beranlaßte den bereits kranken Heraklius zu 
207202000, we Vater Des Erlaſſes fer (. feinen Brief, 2. 2.405, 9). 

. zer alt wandte ſich der Papit an die beiten Söhne Hera: 
‚wenas mit dem erlangen um Bejeitigung der Eftbefis, 

W ae o. S. 104, 459, auf den Porrhus ſich für Die Lehre 

„is, durch eine gezwungene und mit dem Wortlaut in Wider⸗ 

HJonorius babe nur Die Anſicht von zwei einander wider: 

ct in Ohrifte befümpft, überbaupt nur von der Menschheit 

zu su nebmen ſuchte (Apologia pro papa Honorio Mansi 

 .utere der beiden fatferlichen Halbbrüder ftarb (24. Mai 641), 

um wurde bald darauf mit ihrem rechten Sobne durch eine 

a Zobn Des älteren Bruders Konſtans II. (Konſtantin III) 

. spa 41). In Dielen Sturz war der Patriarh Pyrrhus ver: 

. .üitet gebalten batte (vgl. Niceph. Constant. Breviar. 7, 23 ff. 

x. 0. Ron dem an feine Stelle erbobenen Paulus II. (1. Ott. 641 

v1. 2. 107,507.) verlangte Theodor I von Rom (24. Nov. |?] 

se unter Anerkennung feiner ortbodoren Außerungen doch erſt Die 

were ſeines Vorgängers auf einer Synode und die Entfernung der 
ienilichkeit, wobei er vorausfegte, daß Konſtans mit der Beſeitigung 

. pi ſein Schreiben Mansi 10, 702. -705; ein in einigen Einzelheiten 

. sn ber den Briefverfebr der Päpſte Johann und Theodor mit dem 
kun. 11.0. 2.973,66) MSG 111, 11108.) Allein in Konftantinoyel 

u. vttbefls feſt. Pyrrhus batte ſich nadı Nordafrika begeben, mo es 

. \ult 645 wwiſchen ihm und Maximus dem Belenner zu jener Dig: 

sarıı Alten zu den denkwürdigſten Urkunden des Streites gebören (ſiehe 
ums Konfeſſor Bd XII S. 458,58 ff.). Nordafrika ftand mit dem 

en zuſammen, Daber Pyrrhus, dev in der Disputation — ob mit Abjicht? 

‚vn. Die ausdrückliche Verwerfung feier bisherigen Lehre für Nom auf: 

wnb Uberreichung einer Zcirift von Theodor ehrenwoll aufgenommen und 

vor üchof Der Reſidenzſtadt anerkannt wurde (vol. Vit. Theod. Tuch. 332; 
„4b; Theoph. 331, 15. Die nordafrifaniiche Kirche entwidelte gleich: 

weblte Agitation gegen den Monotheletismus und deſſen Vertreter Baul von 

an Die Biſchöfe der Provinz Byzakene, Die aber zugleich in Namen ber 
oannihben Kirche reden, wenden ſich, feinen ortbodoren Eifer rübmend, an den 
nei Dev Irrlehren, Die Mietropoliten von Numidien, Byzakene und 

a alt auch der neu erboßbene (16. Juli 616) Biſchof Viktor von Kartbago 
KRerinitlelung Ibeodors zu gleichem Zweck in Anspruch, weil Afrifa durch 

an. zn ſalſchen Verdacht bei Hofe geraten jet (dj. Die Zunodalfchreiben bei Mansi 
Eifer Verdacht war übrigens nicht ungegründet, denn in Afrika gürte es. 
"a at Empörung Gregors gegen den Matfer, auf Die der Papit nicht obne 
te. nreſen zu ſein ſcheint (ſ, d. A. Marimus Bd XII S. 159,10), der aber der 

e Peelekten im Gefecht mit Den Sarazenen (617) ein frühes Ende bereitete. 
22 a wa mit ſeiner Konverſion ſchwerlich ernſt genommen hatte, trat in Ravenna, 
ande dem Erarchen Plato in Verbindung ſetzte, wieder zurück und machte feinen 

akt dem Hoſe (Mansi 10, 859), Seine Geſinnungsloſigkeit muß in Nom große 

EI ar hervorgerufen baben: Theodor erkommunizierte ibn, indem er zur Unterzeich⸗ 
"0 . KRrwerſung mit Abendmahlswein gemiſchte Tinte verwendete (fo der Libell. 
td Mansi 10, oo amd Theoph. 331, 19; die Vit. Theod. gedenkt dieſer Einzel: 
torban ben Bong Raul von Konſtantinopel, Der jeiner erneuten Mahnung augen: 


Monotheleten 407 


über fib ganz im Sinn der Ektheſis und des Sergius geäußert hatte (Mansi 10, 1019 
bis 1026), erklärte er für abgejegt (10, 878). Es fcheint nun, als habe eben Paul den 
Kaifer, der den Frieden wünſchte, beftimmt, dies im fog. Typus (648) in einer der Ek— 
theſis analogen Weije, d. h. nicht durch Befeitigung der monotheletifchen Auffaflung, ſon⸗ 
dern durch Verbot des Streites über die Ausdrüde zu thun. Im Unterfchied von der 
Ektheſis find eingehende theologische Erörterungen vermieden; der Erlaß hat nicht die 
Form des Belenntnifjes, ſondern die der tarjer lichen Berordnung. Daß gegen irgend 
jemand bloß megen monotheletifcher oder dyotheletiſcher Ausfagen Tadel oder Anklage er: 
boben werde, wird unterfagt, wohl aber die Entfernung der Ektheſis aus der Vorhalle 
der großen Kirche angeordnet. Auf den Ungehorfam gegen die Verordnung wird ſchwere 10 
firchliche (ei Klerus und Mönden) und bürgerliche Strafe geſetzt (vgl. Mansi 10, 
1029 —32). 

3. Bis zur ſechſten allgemeinen Synode. Hiergegen erhob ſich nun der von 
Marimus und Theodor bereits entſchieden vertretene Dyotheletismus auf der von Theo: 
bors Nachfolger Martin I. (feit Juli u 649; ſ. d. A.Bd XII ©. 380f.; der Wahl ı6 
fehlte bie Laijerliche Beitätigung) in der fonftantinifchen Baſilika im Lateran vom 5. 
bis 31. Oktober 649 abgehaltenen Synode (Alten Mansi 10, 863—1188). Außer ita- 
ltenifchen (doch nicht Iombardifchen), fizilifchen, ſardiniſchen Bilchöfen nahmen an dieſer 
Berfammlung eine größere Anzahl griechifcher Abte (auh Maximus, ſ. d. U. Bd XII 
S. 459, 11f.), Priefter und Mönche, die feit längerer oder fürzerer Zeit in Nom Zu: 20 
flucht gefunden hatten, teil; auch jener Biſchof Stephan von Dor (f. oben S. 403, 16), 
der unter Papſt Theodor wieder nah Rom gelommen und von diefem beauftragt worden 
war, als jein Stellvertreter gegen die Anhänger der Ektheſis in Paläftina einzufchreiten 
(Mansi 900D). Die Synode fchließt ich in ihrem Belenntnis wörtlih an die chalce- 
bonenfijche Lehre unter Hinzufügung der Lehre von zwei natürlichen Willen und zwei 25 
natürlichen Energien an (Mansi 1049—52) und entiwidelt dies eingehend in 20 Kanones 
(1151—1162), wobei fie den Cyrilliſchen Sa von der ula pvoıs Toü Beod Aöyov 
oevapxwu£rn neben der Behauptung der zwei Naturen gelten läßt: oeoapxwu£rn be: 
fage, daß unſer Weſen völlig und unverringert, abgejeben von der Sünde, in ihm, dem 
Herrn, ſelbſt ift; und die Zweiheit der innig vereinten Willen wird damit begründet, daß so 
einer und derjelbe nach jeder der beiden Naturen ſich von Natur unjer Heil wollend ver: 
balte (Can. 10, p. 1153C: did TO xad” Exarloav abrod YVoıw Veintxov xard 
pvorv töv alröv ündoyew rijç Hudv owrnolas, ber jetzige lateinische Text, [den Hefele 
3, 2237. drucken läßt] ift nur eine unbehuffene Nücdüberfegung aus der griechiſchen 

egung des lateinischen Originals; vgl. das ähnliche Verhältnis beim Briehe des Ho⸗ 35 
norius, o. ©. 104,4). Martin fandte nun ein Schreiben der Synode an den Kaifer 
(Mansi 789—98), eine Encyklika mit den Aften ber Serfammfung an alle Bilchöfe 
(1169— 84), ſuchte das fränkiſche Abendland zu beteiligen (1183-—86), belobte die Afritaner 
(797— 804) und machte feinen Einfluß in den von den Sarazenen bejeßten Sprengeln 
von Antiochien, dejlen in Konftantinopel lebenden Patriarchen Macedonius er nicht aner= 40 
tannte (827—32), Paläſtina und Agypten möglichft geltend, indem er an Stelle des von 
ihm in Schuß genonımenen, aber doch nicht wieder benüßten Stephan den jet von 
dieſem felbit empfohlenen Bischof Johann von Philadelphia (in Arabien) als feinen Bifar 
beauftragte, überall Weihen vorzunehmen und Unordnungen zu befeitigen (805— 18). Den 
Biſchof Paul von Thefjalonich, der allen zuftimmenden Erklärungen auswich, belegte er 45 
mit dem Anathem (833—50). Über die nun folgenden Ereigniſſe, die zur Verhaftung, 
Mißhandlung und Verbannung des Papſtes führten, der durch feine Kirchenpolitifche Hal- 
tung, vor allem aber durch Beziehungen zu dem mit hochverräterifchen Plänen umgehen- 
den Exarchen Olympius den Kaifer aufs Höchſte erbittert hatte, iſt bereit im Artikel 
Martin I. berichtet worden (Bd XII S. 380,56 ff.; die dort nur zweifelnd vorgetragene co 
Annahme, daß Martin ſchon 653 nad Konftantinopel Fam, dürfte der Wahrheit ent: 
fprecben, troß des von Brooke, 46 Anm. 1 erhobenen nicht unwichtigen Bedentens). Sein 
Gegner Paul, dem Grabe nahe, erwies ihm den Liebesdienft, beim Kaiſer um eine mil: 
demde Behandlung des Schwergeprüften zu bitten. Doch bat ihn, den man im März 
654 nach dem Cherſonnes deportierte, erjt der Tod am 16. September 655 von feinen 55 
Qualen erlöft. An Bauls Stelle war inzwifchen noch einmal Pyrrhus getreten 

ang 654 — ‚Pfingitfonntag d. ı. 1. Sum 654 [nicht 655, troß Brooks 17), der 
von Martin gern Außerungen erpreßt hätte, als wäre fein Abfall vom Monvtbeletismus 
m Rom erziwungen geweſen (Mansi 10, 859). Inzwiſchen hatte man auch begonnen, 
gegen den bedeutenditen Gegner, den Abt Maximus, vorzugehen, um ihn womöglich mürbe so 


or 


408 Monotheleten 


zu machen (ſ. feine Schickſale Bd XII ©. 459,5ff). Der an Etelle Martin, ohne 
Zmeifel unter kaiſerlichem Einfluß erhobene Eugenius (10. Auguft (2) 654 bis 2. Juni 
657) Scheint in der That, wie man in Konftantinopel dem Maximus vorbielt (ſ. Max. 
Acta 7 MSG 90, 121), zum Frieden geneigt geweſen zu fein: der Vorfchlag ging dahin, 
was im Grunde nur ein pofitiver Ausdrud für das im Typus negativ Gefagte war, 
man folle fowohl von einem (nämlich dem bupoftatifchen) als von zwei Willen (nämlid 
den natürlichen) reden dürfen, in dem Sinne, daß die zwei durch die Einigung zu einem 
werden (vgl. Max. ad Anast. MSG 90, 132: Övo Adyouev Eveoyelas dia tiv Ötagropar 
xal av da nv Erworv; Petr. Const. Ep. ad Vital. Mansi 11, 276C; die „brei 
Rillen“ [von denen auch Bd XII S. 460, 42f. die Nede ist] find lediglich Konfequenz 
macherei der Gegner). Man berief ſich dafür auf eine frühere Außerung des Marimus 
jelbft, worin er veranlaßt durch eine Stelle des Anaſtaſius Sinaita in der That den 
Gebrauch des Ausdrudes von einer oder zwei Energien nebeneinander als unverfäng: 
lich entfchuldigt hatte (vgl. Max. Tom. Dogm. ad Marinum presb. MSG 91, 2290). 
15 Marimus wies die Vermittelungsfornel zurüd, proteftierte dagegen, daß er fie je ver 
teidigt habe (vol. Ep. ad Catholicos per Siciliam constitutos 91, 114), wie er denn 
auch von zwei Willen nie geredet batte, und wirkte durch jeine Anhänger (Ep. ad 
Anast. 90, 131—34 und vgl. Anast. ad commune monachorum ap. Calarim 
constitutos 90), 133— 136) energifh auf den Weiten, „damit wenigſtens dem älteren 
Rom der Same der Frömmigkeit erhalten bleibe”. In der That nötigte die öffentliche 
Etimmung in Rom den Papſt, die Synodika des Petrus nicht anzunehmen (Vit. Eugen. 
Duch. 341, 7). Sein Nachfolger Vitalian (30. Juli (2) 657 bis 27. Ian. 672) aber 
trat wirklich fofort in Verbindung mit dem Kaifer, diefer und der Patriarch fandten Ge 
Schenke, die Kirchengemeinfchaft war ftillfchweigend bergeftellt, und Konftans wurde, ala 
er 663 nah Rom kam, devot aufgenonmen (Vit. Vital. Duch. 343; Mansi 11, 572E; 
vgl. auch 200D, 345A). 

Indeſſen der für den Augenblid verdedte Gegenjag trat nach der Ermordung 
Konſtans' II. (668) und in den eriten Jahren Konftanting des Bärtigen (Pogonatus, 
668— 685), der durch Empörungen wie durd die Kämpfe mit Avaren, Bulgaren und 
Sarazenen vollftändig in Anſpruch genommen mar, wieder in Geltung. Der Verkehr 
zwischen Rom und Konſtantinopel hörte auf. Der Nachfolger des Petrus, Thomas II. 
(Titerfonntag, das iſt 17. April 667 bis 15. [2] November 669), unterließ es, angeblich 
wegen der durch die Sarazenen gebinderten Kommunikation, fein Antrittsfchreiben nad) 
Rom zu fenden ; das Synodikon jeines Nachfolgers Johannes V. (25. [Nov. [?] 669 bis 
35 18. Aug. 675) aber wurde von Vitalian von Rom und das Konftantins I. (2. Sept 

675 bis 9. Aug. 677) von Bapft Adeodat III (11. April[?2] 672 bis 17. unit 676) nit 
angenommen (Mansi 11, 576). Der neue Patriarch Theodor II. (23. Aug. [X] 677 
bis Nov. [|Dez.] 679) entſchied ſich daher, fein Synodikon, deſſen Nichtannahme er be 
fürdsten mußte, dem Papſte gar nicht mitzuteilen und verlangte in Gemeinfchaft mit dem 
10 in Nonftantinopel refidierenden Patriarchen Malarius von Antiohien vom Kaiſer die 
Streihbung des Namens Bitalians aus den Tiptychen. Ciner derartigen Verſchärfung 
des Werbältniffes ungeneigt forderte KRonftantin den Papſt Tonus (2. Nov. [?] 676 bis 
11. April 678) in einem längeren Schreiben (nur der lateinifche Tert enthält die Datie 
rung auf den 12. Auguft 678, Die, da Donus damals ſchon Monate lang tot mar, 
45 fehlerhaft fein dürfte) auf, da die Zeitumftände cine allgemeine Synode nicht geftatteten, 
eine größere Deputation von Biſchöfen und Abten auf Staatskoſten nad Konttantinopel 
zu fenden, und verheißt freies Geleit für den Fall, daß Teine Eimigfeit erzielt werde 
(Mansi 11, 195-202). Da Rom ſchwieg und Donus’ Nachfolger Agatho (27. Zuni [?] 
678 bis 10. Jan. 681) zügerte, feinen Gefandten nad Konſtantinopel zu jchiden, fo ge 
nehmigte jeßt der Kaiſer die erneute Bitte der beiden Patriarchen und der konſtantinopo⸗ 
litaniſchen Synode um Streihung des Namens Vitaltang (Mansi 11, 345). Der neue 
Papſt verjchaffte fich zunächft den nötigen Nüdbalt im Abendlande, indem er überall 
Verfammlungen anregte (vgl. M. 196; den Brief der Mailänder Eynode unter Man: 
ſuetus an den Maifer, M. 203-- 208; die Synode zu Hatfield in Hertfordfbire vom Jahre 
5680, M. 175ff. |dazı Brigbt, Chapters of Early English Church History, 
Orf. 1878, 31622). Gine römifche Synode (M.785—188; wohl Oftern 680) von 
125 Biſchöfen ſandte Deputierte an den Hof mit einem Synodaljchreiben (M. 285—316) 
und einer ausführlichen Erklärung des Papſtes (M. 233— 286), die den langen Auffchub 
mit der Entlegenbeit vieler abendländifchen Bistümer entfchuldigt, dabei aber mit ſtarkem 
w Zelbjtbewußtjen Nom als die zuverläſſige Bewahrerin der rechten Lehre geltend macht, 


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Monotheleten 409 


die die Brüder zu ftärfen babe, befonders ſeit die Patriarchen von Konjtantinopel eine 
feßerifche Meinung in die Kirche einzuführen begonnen haben. Für jolches Auftreten war 
inzwilchen in Konltantinopel der Boden bereitet. Theodor war jchon vor Ausgang des 
Jahres 679 (f. o.) vom Kaifer entfernt worden, wohl weniger jenes Monotheletismus 
wegen als meil er der Union mit Rom widerſtrebte (jo richtig Hefele 259 4.3), und 5 
Georg (bis Frühjahr 686) auf den Patriarchenſtuhl erboben worden. Der Kaijer, 
der die römischen Abgefandten ebrenvoll empfangen hatte (Vit. Agath. Tuch. 351, 1--9), 
beauftragte den Patriarchen fofort (nämlidy unter dem 10. Sept. 680 [vgl. Hefele 260), 
die Metropoliten und Bijchöfe feines Sprengeld zufammenzuberufen und den Patriarchen 
Makarius mit entprechender Inftruftion zu verſehen (Mansi 201— 204; das Datum nur 10 
in der lateinifchen Überſetzung). 

4. Die jehfte allgemeine Eynode und ihre Nachſpiele. — Eine all 
gemeine Synode war nicht beabfichtigt gemefen. Aber die nun am 7. November 680 in 
dem gemwölbten Saal (TooöAkos, daher trullanifche Synode) des Faiferlichen Palajtes zu: 
fammentretende VBerfammlung bezeichnete fich gleich in der erſten Sitzung als ökumeniſch 15 
(Mansi 11, 2090), wie fie denn auch wider Erwarten von den Patriarchen von 
Alerandrien und Serufalem bejchiet worden war. Mit längeren Unterbrechungen hat die 
Synode in achtzehn Sigungen bis zum 16. September 681 getagt (die Alten im griech). 
Driginal und in zwei alten lateinifchen Überfeßungen erhalten, bei M. 11, 189-922). 
Die Römer bejchwerten ſich über die feit 40 Jahren neu aufgetauchte Lehre, als deren zu 
zäher Berteidiger ſich Makarius von Antiochien zeigte, der fich wie auf Cergius, Por: 
rhus u. a. auch auf Honorius berief.” Tie Cchrift des Mennas an Bigilius, auf die 
Sergius ſich bejonders berufen hatte, durfte, als in die Alten der 5. ölumenifchen Synode 
erit eingetragen (dies ließ jich ermweifen, vgl. M. 588 ff.) und angeblich unecht (hierfür 
blieben die Römer den Beweis fchuldig, protejtierten dafür aber um fo lauter gegen die 25 
Echtheit; M. 225. 528), nicht verlefen werden. Die beiden Briefe, in denen Papſt Bi: 
gilius Suftinian und Theodora feine Sinnesänderung angefünbigt hatte (ſ. M. 9, 351 
und den A. Vigilius), wurden von den Römern des darin vorfommenden Belenntnifjes 
jur una operatio wegen ebenfalld für unecht erflärt (M. 225. 528, wiederum fehlt 
jeder Beweis, auch für die moderne [Baronius ad ann. 680 n. 47; Baluzius, Praef. 30 
in acta conc. V bei Mansi 9, 163ff.; SHefele 2,857 f. u. a.] Behauptung, daß der 
intriminierte Ausdrud durch einen Monotheleten in die echten Briefe eingejchoben morden 
fe). Sodann bradte Malarius ein umfangreihes Material patriftiicher Zeugniſſe für 
die monotbeletifhe Auffafjung bei, denen dann die Römer die Zeugniſſe für die dyothe— 
letifche gegemüberftellten. Der Patriarch Georg, offenbar von vorne herein mwillens, ſich 35 
für Agatho zu entjcheiden, erklärte fih am 7. März 681 (8. Zigung, M. 336) durd) 
defien Darlegung überzeugt, und ihm folgten nach und nad, durch Akklamation, ſämt— 
liche Biſchöfe feines Sprengels und einige andere. In diefer mißlichen Lage machte der 
Abt Stephan aus Antiochten, der entichiedenite Bundesgenofje des Makarius (M. 665: 

6 Tovrov uadnıns uäilov de Akyew xadnynıns), nod den vergeblichen Berjuch, durch 40 
den von ihm vorgejchobenen „bäurifchen” (ywoıxös, M. 340 0) Biſchof von Melitene eine 
vermittelnde, die Streitfrage unentſchieden lajjende und dadurch die Monotheleten vor 
Verdammung fchügende Erklärung berbeizuführen. Jetzt wird der Name Vitalians in 
den Diptychen wieder hergeitellt (M. 345 A). Makarius und Stephanus werden wegen 
Berfälihung der Dogmen und der Väterlehre und wegen Steßeret ihrer geiftlichen Würden 45 
beraubt, die aber, melde ihre bisherigen Irrtümer verbeffern, follen in ihren Amtern 
verbleiben (9. Situng, M. 385). Endlich wurde in der 13. Sitzung vom 28. Marz mit 
allen den in Agathos Schreiben verivorfenen Namen (Sergius, Cyrus, Pyrrhus, Paulus, 
Petrus, Theodor von Pharan) auch der Name des Honortus mit dem Anatbem belegt, 
weil fein Schreiben an Sergius zeige, daß er dieſem durchaus folge und feine gott: 50 
Iofen Lehren beftätige (M. 556). Tas Manöver des Mönche Polychronius, dem Mo— 
notheletismug durch ein Gottesgericht zum Siege zu verhelfen, mißglüdte (15. Sitzung, 
M. 605— 12); dann trat der Presbyter Konjtantin aus Apamen mit einer interejjanten 
ittelung auf (er gebe zivei Energien zu, denn fie gehörten zu den Eigentümlich— 
leiten der gjei Naturen; aber es fei in Ghriftus nur ein perfönlicher Wille, der des 
Logos [Heinua Ev Alyw Tod nooowWwnov Tod Aöyov]|, neben diefen ein natürlicher 
gprouen Beinors], der menjchliche; diefen babe der Herr ausgezogen, als er am Kreuze 
Fleiſch und Blut auszog), wurde aber damit ala neuer Manichäer und Apollinarijt ab: 
getviefen (16. Sigung, M. 617 ff). Georg von Nonftantinopel ſuchte wenigſtens durch— 
zuſetzen, daß feine verurteilten Vorgänger auf dem Batriarchenftubl (Sergius bis Petrus; 0 


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Monothelet 
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Agatho (683—94), und das öffentlich in ber | * | 
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er er Vita ta (Dud. 350, 1: 355, * ‚dab er am 10, 2 681 — 
Valan fol Auffallend bleibt 
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40 Kaifer mit — —— u, a. nad) Nom aha bat, damit je * 





— — —* — einmal der neu en den ——— zur Geltung 
zu bringen. Philippikus Bardanes (711—713), von Haus aus der Dion 
an angebörig und noch durch jenen Abt Stepban N vo. ©, 409, 0) unterrichtet, tat 
55 jofort gegen die 6. Synode auf, entfernte den Batriarchen Cyrus era bis Ian. 
712?) und erbob ftatt feiner Johannes VI., der fi g (gar. 712 | bie 
Juli Aug. 715 [?)): das Andenken der von der 6, Synode gejtellt 
und eine förmliche VBerwerfung der Synode dur Unterichrift verlangt. "om Papſt 
Epſtantin 25. März 708 hie 9, April 715) widerſetzte fich und Bar 
eo nicht an; in Konſtantinopel dagegen ſcheint er nicht viel Widerſtand gefunden au — 



















Monotheleten 411 


Doch dauerte die Reaktion nicht lange. Bardanes wurde am Pfingftfonntag 4. Juni 
713 geftürzt, und fein Nachfolger Anaftafius II. (713— 715), den Johannes krönen 
mußte, jtellte das Anſehen der Synode wieder ber. Johannes aber machte feinen Frieden 
mit Rom, indem er feine Anbequemung an ben Tyrannen mit der Abficht, noch Schlim- 
meres zu verbüten, entichuldigte (vgl. zum Vorſtehenden Agathonis Diaconi [zu SKon- 5 
ftantinopel; vgl. auch Hefele 287 U. 1] Peroratio bei Combefis., Auctuar. nov. 2, 
199—212, auch Mansi 12, 189—196; Joann. O. P. Apologia bei Comb. 211 bis 
230, M. 1, 195—208). 

5. Dogmengeſchichtliches. Der dogmengefchichtlihen Betrachtung kann der 
monenergiftiiche beziw. monotheletiiche Streit ale ein bloßes Nachfpiel des monophnfi- 
tiſchen erfcheinen. Und dennoch bietet auch er Eigentümliches, denn er zeigt, wie man 
bei korrekt dyophyſitiſcher Gefinnung nicht zu dyotheletiſchen Konjequenzen fortfchreiten zu 
müflen glaubte. In feinem Briefe an Cyrus von Phafis hat Sergius behauptet (Mansi 
11,528B), daß bisher feiner von denen, die als Verteidiger des Briefes Leos aufgetreten 
jeten, ja überhaupt feiner der Yedrvevoroı rijç Exxinoias uvoraywyal von duo Evig- 15 
yeıaı geredet habe, und hinzugefügt, daß, wenn ein Sachverſtändiger dafür den Nachweis 
erbringen könne, ihm ſelbſtwerſtändlich Folge gegeben werden müfje Soll diefe Behaup- 
tung den Sinn haben, daß nie zuvor auf dyophyſitiſcher Seite von dVo Evkoysrar ge: 
redet morden ſei, jo ift ſie unrichtig. Nicht nur bat Severus (vgl. die Stellen bei Mat, 
Nov. Coll. 7, 1, 71) die Redeweiſe feinen Gegnern in den Mund gelegt, fondern der 0 
Mönch Euftathius (Ep. de duabus naturis MSG 86, 1, 909B) hat fie ihm als zu 
Recht beitehend abgenommen. Auch Auftinian bat fih in feinem Briefe an den Aleran- 
driner Zoilus (MSG 86, 1, 1149A) dazu befannt, und die Ausführungen des Leontius 
von Byzanz (Ar. Nestor. et Eutych. MSG 86, 1 1,320 und adv. argumenta 
Severi 86, 2, 1932; vgl. dazu Loofs 70) zeigen, daß ihm der Gedanke geläufig war, 25 
zum mindeiten aber feine Echwierigfeiten bereitete. Immerhin hatte Sergius fo Unrecht 
nicht, wenn er auf den Diangel an anerkannten patriftiichen Zeugnifjen für dieje Lehre bin: 
wies: die Berufung auf die genannten Autoren fonnte fie jedenfalls nicht erjegen. Noch 
günftiger für ihn lagen die Dinge, wenn e8 fih um die ddo Beinuara bandelte. Die dvas 
Beinudrwv begegnet bei früheren Schriftitellern (ſ. ſchon Polemo BDI 676, 10, bei Mai a. a. O. 0 
0b und Severus ebend. 71b) lediglich als den Gegnern zugefchobene lette Konjequenz 
der Zweinaturenlehre. Ob darüber überhaupt geftritten worden iſt (jo Harnack 400 
4. 2), bleibt zweifelhaft. Nun hat freilih Eulogius von Alerandrien in feiner erft vor kurzem 
und leider nicht vollitändig wieder aufgefundenen Schrift eo rjs dyias toıddos xal 
nepi ns Deias olxovonias (brig. von Bardenhewer, ſ. o. ©. 401,59; ein Bruchitüd 35 
ſchon bei Mai, N. C. 7,1, 177f., auh MSG 86, 2, 2939 — 4-4) ſowohl die Ödo Eveo- 
yaaı als aud die ÖVo Belnuara in längerer Auseinanderfegung mit ungenannten 
Gegnern verfochten und dabei hen im wejentlichen die Gründe vorgebracht, die für Die 
Konzilsväter von 680 beitimmend geweſen iſt. Dieſe Schrift aber, an deren Echtheit 
zu zweifeln im übrigen fein Grund vorliegt, fann über Alexandrien hinaus nicht befannt so 
geworden jein. Sergius bat fie nicht gekannt, was an ſich nicht auffallend fein mag, 
immerhin aber bei der Beitimmtbeit, mit der er in dem angegebenen Zufammenbang 
(M. 528A) behauptet, daß auch Culogius (in feiner ovvnyoola des Yehrbriefs Leos) 
nichts von zwei Energien wife, Gewicht bat. Auch Sophronius bat ihrer nicht gedacht, 
und er war dem Patriarchen perfönlich befreundet! Während des ganzen Streites bat ss 
man von ihr feine Notiz genommen, und felbft dem Photius ift fie unbelannt geblieben, 
fo daß wir Fein altes Zeugnis ihres Tafeins befigen. 

an kann jomit füglih nicht fagen, daß der monenergiftifche Streit ſchon in 
Juſtinians Zeit im Sinne der fpäteren Ortbodorie entfchieden geweſen fei (fo Loofs 316). 
Vohi aber iſt es richtig, daß vom Standpunkt der metaphyſiſchen Betrachtung, auf Dem 50 
fih die juſtinianiſche Orthodoxie die Terminologie der leoniniſchen Zweinaturenlehre mund: 
gemacht hatte, logiſcherweiſe nichts Dagegen einzuwenden mar, Daß den Övo 
, auch ÖVo gvorxal dveoyeaı (Sev. 1. c.) zugefchrieben wurden (ſ. Die Aus: 
Fabrungen bei Loofs 69). Man Tünnte «8 fogar als MWortflauberet bezeichnen, wenn 
Sergius, der Leos Brief als die Grundlage der Nechtgläubigkeit anerfannte (M. 525 E: 56 
xom To Övu is Öododokias ormhin xadeornxe) und der die Worte: &veoyel 
A007 era Ts Vardpov xowwrias Öreo lölov Foynxe ausdrüdlid citiert 
(#25 D), fi —* berief, daß Yen eben doch die ÖVo Erepyera nicht gelehrt babe 
(628 4). Es iſt aber doch nicht zu verkennen, daß der Ausgangspunkt der monener— 
giſtiſchen Betrachtung keineswegs unortbodor war (vgl. vornehmlich Theodors von Pharan so 


— 


0 


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2 0AB), fo w * Joann. 1b, " MSG — — — 
auf Ye 8,54 von e: za | pen mlich das 
ietende Wort um die ——— Br Sc — mw veoyear (val. 
10 Bor in Der 4; Met [M. 10, 752B] MSG 91, 344B und des Marımus Gegen: 
mus, * se. Theol. ibid. 124 CD), vor allem aber die jo be- 


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und Betbätigungen Ebrifti XS — ih —* Orte 
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Ai Ri | En zen 
* die — Wille —* dieſer göttlich. In der —— 
ergius (M. 536A) auf den auch in ber Efthefis wieder 
» S. 405, u) Sat als einen vechtgläubigen ſich berufen, daß das sc Die al d des 
—— green — — ke kan She —— beberrjcht werde, 
‚um ; 0 
IA y * a der ganze Komplex feiner menjchlichen Natur immerdar von der Bott- 
30 Die Boventen ı en die war der Zreoyera (vgl. außer Marimus — *— 
Presb. 195ff,; befte, mitt dr Mat N mın darauf, daß das ſpezifiſch 
Menjchliche der eben aus ber Sgentimbtst de Kg unse. Wirkſamkei 
oben werde, wenn nur eine (weſen —— 
an 


aufgeh werde, 
3 d liche Natu toten \ = eelt oder 
Hi "Er ga pl han — mac r “om — fon 


p.372 die Monotbeleten) gedacht werden —5 (oder aber, daß, wenn die eine 
— als zuſammengeſetzte dedacht werde, dieſes auf jeverianifebe Roritellungen von der 
einen En Natur zurückgehe, denen freilich die ägyptiſchen Unionsfäge (ſ. o. 
©. 403,33) in der Entwidelung der Naturenlebre febr nabe kommen. Indem infolge des 

40 Widerſpruches es Sergius und die Seinen den Streit a die Energie fallen laſſen wollen 
und bie Wield eit des Ausdrucks (Mirkungstraft, mEeit, Wirkung) benußend 
jtatt von einer oder zwei von jedweder göttlichen oder — lichen Energie reden (jo u 
Ektheſis 993 D: näca Bea zal ärdowriven Bvkoyeıa und ebenjo bie — 
Maximus 49 0, ähnlich Honorius M. 11, 541D: noAvroörwns Eyvouer abröw dveg- 
 yobrea unter Berufung auf 1 Ro 12, N) ziehen fie 16 auf bie. Verfönliche Einheit De des 

irfenden zurüd, und als ei entlicher Kt tern des von ihnen Beabfichtigten 
mebr die vorausgejehte E —8 des Willens, da zwei Willen im Unterfchiebe bon 
bloßen Trieben oder natürlichen Bervegungsrichtungen zwei wollende S 
würden. Menn dabei die Monotbeleten, denen ja namentlich Stellen wie Mt 26, 39 mit 

ihrer Entgegenjesung des menschlichen und des göttlichen Willens a 
fofort vorausfegen, dak zwei Willen notivendig im Gegenfab zu einander ei 

ander widerſt en mühen und wenn fie deshalb aus der Unjündlichteit der 

Natur gegen die Zweiwillenlebre argumentieren (jo z. B. —— oben ©. 101... 

liegt dem ein ganz richtiges Gefühl davon zu Grunde, Aneignu 
menſchlichen Natur durch den perſönlichen Logos ein in ——— Subjet ie 

Gottmenſchen im Unterjchiede von feinem göttlichen Willen jich bemerkbar machender 

Wille nur auf eme —— Richtung in der angenommenen Ratur zurüdgefi 

werden fünne. In diejer Beziebung berief man ah 1 —— p. 316C) auf Gregors 

von Nyſſa (Orat. 2 de filio) Wort: 76 ydo Fxel older Öneranrior 
de, Deuder Skov. Aber die Monotbeleten neben pe weiter und behaupten auch bie 





















| 
| 




















Monotheleten 413 


Unmöglichkeit zweier nur von einander verjebiedener, wenn auch inhaltlich gleicher Willen 
(jo ſchon Sergius M. p. 534E, noch deutlicher Makarius p. 353 D: ddımarov yap TW 
bi xai vo adıd Xoro to de Tubv 6Vo Aa xal xara radıöv Evarria 1) xai 
Öuota Ögıoravaı Seirnnaro) In der That zeigt Die Art, wie die älteren Väter jich 
mit Stellen wie Mt 26, 39 abfanden, indem fie den Gottmenjchen in ſeinem beilsöfo- 
nomifchen Wirken gewiflermagen fich felbft zu einem menfchlihen Wollen, wie zur Über: 
nahme einer Rolle, beitimmen ließen, wie fern ibnen noch die Theje von den zwei Willen 
lag. Nicht ohne Grund geben die Mionotbeleten die Meinung der Väter dabin an, der 
Herr habe xar’ olxeiwow einen menjchlichen Willen. Dabei wollen fie eine menschliche 
Bewegung nicht leugnen, fie aber als ganz durch den göttlichen Willen hervorgerufen ı0 
anjeben. m Verhältnis zur göttlichen Energie wird die menschliche zum zddos (jo 
Pyrrhus p. 349C; M. 10, 756D), und wenn der Nyſſener (Orat. 1 de resurr. MSG 
46, 616 D) von Ehriftus jagt, die Seele wolle, jo fei feine Meinung, daß das Wollen 
der Seele eben durch den göttlihen Willen der ihr perfönlich geeinten Gottheit gefchehe, 
alfo göttliches Wollen in menjchlicher Form jet (Pyrrhus 317 A; M.732D; val. dien 
bezeichnenden Worte des Paulus von Konftantinopel M. 10, 1024 DE). Es läßt ji 
nicht leugnen, daß die monotheletifche Auffaſſung der ganzen firchlihen Anſchauung vom 
Gottmenſchen ſehr nabe lag; jeheint doch felbft Maximus anfangs gegen die von Sergius 
ausgegebene Parole, nachdem nur der Vionenergismus nicht mehr gefordert wurde, nichte 
weientliches einzumwenden gehabt zu baben (vgl. feinen, von überfchwänglichen Lobeserhe- 20 
bungen triefenden Brief an Pyrrhus MSG 91, 589 ff.). 

Dennoh jiegte nun, und nicht zum wenigften durch Marimus’ Bemühungen, die 
Gegentheſe kraft der Folgerichtigkeit der in den chalcedonenfischen Beltimmungen ein: 
gefehlagenen Richtung, freilih um den Preis unerträglicer Zufpigung des in der kirch— 
lihen Zmeinaturenlehre liegenden Widerſpruchs. Das Wollen, wird nun gejagt, fei der 2 
menschlichen Natur, als geiftigvernünftiger, weſentlich; wie der Pflanze das Wachien, 
der empfindenden Kreatur das Begehren, jo fer dem denkenden Geſchöpfe das Wollen 
natureigen, ſei Sache der Natur. Wer den menfchlichen Willen in Chriſto leugne, leugne 
die menjchliche Seele in ihm. Hat Chriftus nicht einen menfchlichen Willen angenommen, 
en nur durch (Aneignung) olxeiwoıs ſich in das Verhältnis (oy&ors) eines menfchlich so 

ollenden verjegt, und iſt Wille beim Menſchen von Natur twefentlich, jo wird auch Die 
Annahme alles anderen Menjchlihen zu einer bloß uneigentlichen Aneignung und die 
ganze Menſchwerdung dofetifch. Aber — muß nun doch das der formalen Folge— 
richtigkeit und dem religiöſen Intereſſe an der wahren Menſchheit Chriſti zuliebe Be- 
hauptete wieder umgebogen werden; man muß leugnen, daß Chriſtus einen „gnomiſchen“ 35 
Willen (ſ. dazu Dorner 241ff.) in dem Sinne diefes Ausdrucks gebabt babe, wonach er 
eine auf Wahl rubende, durch Erwägung von für und wider berbeigeführte Entſcheidung 
für das Gute bezeichnet: denn feine menſchliche Natur darf nicht wandelbar erfcheinen, 
feinem menſchlichen Willen fehlt das aure£odorov, er iſt vermöge der Einigung mit und 
Aneignung und Ausprägung durch den Logos vom Augenblid der Menfchiwerdung an 10 
vergottet, mithin mit Notivendigleit auf das Gute gerichtet; ja Maximus fcheut den 
Ausdrud nicht, der Gottmenfch babe einen der Natur nach menjchlichen, dem Weſen nad 
göttlihen Willen (p. 80C: örı Yeinın xara go elyev dvdocnıvor Gonegodr 
xal xar' ovolav Belov adrös Erudeinviraı nooönions 6 Aöyos |nämlih Wit 16, 39)). 
Wie wenig fich dies deckt mit den für die Zweiheit des Willens berangezogenen Schrift: 45 
ftellen (menjchlicher Wille: So 1,43. 17,24 19,285 Mt 27,34 u. a.; göttlicher: Le 
13, 24; Io 5, 21), und wie nahe es andererjeits jachlihb an die obigen monotheletiſchen 
Crörterungen ftreift, liegt auf der Hand. 

Auf Grund der Entſcheidung der jechiten allgemeinen Synode und unter Benützung 
befonders der Scharffinnigen Erörterungen des Marimus bat dann im 8. Jahrhundert 50 
Johannes von Damaskus (ſ. d. U. Bd IX S. 286—300) die dyotheletiſche Lehre als 
die Vollendung der chalcevonenfifchen forgfältig entwidelt und dialektiſch verteidigt. Er 
bat die jchon feit Athanajius vorbereitete, ſeit Cyrill zur Herrſchaft gelangte Grund: 
anfhauung von der Aufnahıne des Menfchlichen dur den Yogos in der Lehre von ber 
Enhnpoftafie (in der ihm übrigens Yeontius vorangegangen war, vol. Loofs 657.) der 55 
menihlichen Natur im Logos zu charakteriftifcher Ausprägung gebracht, ohne darum be: 
*— gemacht zu haben, wie menſchliches Denken und Wollen ohne menſchliche 


Ci 


- 


Önlichkeit, wahrhaft mienjchlihes Weſen ohne eigene Subfiftenz an einer fremden 
jönlichkeit wirkliche Exiſtenz haben fünne. 
(8. Möller F) G. Krüger. w 


414 Monftranz 
C. Weil, Die gotiſche Monſtranze dev Domli —— 
FEB —— 
— Kun Runftrchüologie D ae s eufcn ee r Ban 1 kei 883, ©. 240 fi. — 
Bungen an ig: —F des ia — in * 
——— —— "Sein gl Bad, Das. 4 In, Seipaig 1800; 
und Münjter, Trier 1869, 


7 Wh == bemorsseiende Me "bei pesjelhen * d. A. 





— go in de 
— EN ver — —— 


— —— isſtattung en 
einem oder mehreren Türmche — —— 
ns or und wertvollen Steinen rg die Exemplare Sr 9 
t. Engel⸗ und ——— —* Ber Den Abi , bildet eine 
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lume, ein ein h d 
— (ein m et: Wr — in Wort —— 





30 hundert einſetzen — ne da Gepräge bes — Stile. In dem — Mufban 
efindet Fr in * u durch zwei — mi —— eine halbmondförmige ae nd 
nula) zur Aufnahme der * Ein meiſtens aufrechter G 
cylinder umſchließt beide; doch —— —* werden, daß die Sn mi 
dem Glaſe nicht in Berührun s tomnt. In der Spätgotik tritt eine Verwilderung der 
35 Formen * ‚(Ottel, ©.241 Fig. 88). Die —— a er — — 
durch ihre eigenen und te eine bejondere Vorliebe für Schmud, Zugleich 
wurde Test hatt des Gylinders eine Sonnenjcheibe zum Träger en ‚Hoftie gemacht mit 
oft —— —— in die das Rococco gern Wolken, —* Gott Vater, die 
Taube u. j. m. einſetzte, ein 5 ebenſo der überſchwenglichen Verehrung der Hoſtie 
40 wie kunfileriſcher Geſchmackloſigkeit. 
Als erſtrebenswertes Material galten Gold und Silber, ee für die —— 
Doch begnügte man ſich in der Regel mit vergoldetem Kupfer oder Meffing, ja ı —— 
kommt vor. Die Größe wechſelt. Während man in Italien im Ba. Ho 
jtrangen (0,30 0,35 m) vorzog und in Deutſchland cin mittleres Maß liebte, hatte man 
45 in Frankreich und Spanien eine Neigung zu koloſſalen Formen Kane Dame in Paris 
185 mm; Valladolid 2 m; Toledo 4,50 m). Die Rieſenmonſtranzen wurden allerdings 
*— gar nicht in Progeffion getragen oder waren andernfalls mit Re 
berieben 
Mit dem fpäten Auftreten der Monſtranz bängt zufam 
50 Schriften über fie nur jpärlid vorhanden find. Im römischen Pan Be — Inden 


Benediktionsformel; die Kongregation der heiligen Riten hat als Krönung ein —* 
geſchrieben, im Caeremoniale Episcoporum wird auf edeles Metall, Gold oder i 
Wert gele Be 


Der Sreichtum einzelner Kirchen an Monftrangen war ein großer In 

55 hat bejonders der dreißigjährige Arien, in Frankreich die Nevolution damit 
nachdem vorher ſchon da, wo Die Reformation Fuß gefaßt, zablloje Eremplare aus: 
gefebieden waren. Denn in der Monftranz ſah man fozujagen verkörpert Die „oil %- 
götterei” (Luther) des Fronleihnamsfeites. 











Montalembert 415 


Montalembert, Charles: Forbes-Rene, Graf, geit. 1870. --- Ch. Foisset, Le 
Comte de Montalembert, Paris et Lyon 1877; Dourlens, M. de Montalembert, sa bio- 
graphie et extraits de ses ocuvres 1869; A. Perraud, Le Comte de Montalembert, Paris 
1870; Augustin Cochin, Le Comte de Montalembert, Paris 1870; Miss. Oliphant, Me- 
moires of count de Montalembert; Sainte-Beuve, Causeries du lundi B. 1; Léon Gautier, 6 
Portraits litt&raires, 1868; Duc d’Aumale, Discours de reception à l’Acad&mie francaise, 

3 Avril 1873; De Mazade, Portraits d’histoire morale et politique, 1875: Lecanuet, la 
Jeunesse de Montalembert, in dem Correspondant, 25 Dez. 1894; Anatole Leroy-Beaulieu, 
le Catholicisme liberal, 1885; D’Ibaussonville, Lacordaire, 1895; Olle-Laprune in la France 
chretienne, 1896. 10 

Montalembert, der hervorragendjte Vertreter der liberalen katholiſchen Partei in 
Frankreich, wurde in London geboren den 15. April 1810 und ftarb in Paris den 
12. März 1870. Sein Vater, Marc Nene, hatte unter Condé gegen die Revolution 
gefämpft, und war nad) Auflöfung deſſen Heeres in englische Dienite getreten, woſelbſt 
er ſich mit der einzigen Tochter des „james Forbes (von den iriſchen Grafen Granard 15 
abitammend) verehelichte. Yon James ‚Korbes erhielt er eine vortreffliche Erziebung; nad 
dejien Tod (1819) ließ ihn fein Vater, der unterdeilen Pair de France geworden, nach 
Paris fommen. Er hatte von Jugend auf ein frommes Gemüt. Bon feiner erjten Kom- 
munion fagt er: „Zum erjtenmale babe ich an diefem Tage begriffen, daß das Sterben 
lieblich fein könne”; und den Prieſter, der ihn zu derfelben zuließ, nannte er fpäter 20 
„feinen eriten Wohlthäter nach jenem Großvater”. Der Verkehr mit feinen Mitfchülern 
in dem College Sainte-Barbe hatte nichts anziehendes für ihn: „Sn der Unterhaltung 
diefer jungen Xeute, ſchrieb er, Die doch von den Vorzüglichjten find, herricht eine Gott: 
lofigfeit und eine Unzucht, die mich erfchreden”. Als im Jahre 1828 fein Vater zum 
franzöftihen Botichafter in Schweden ernannt wurde, folgte er ihm nad) Stodbolm und 25 
ſchrieb, kaum 20 Jahre alt, einen bemerkenswerten Artikel über Schweden für die Revue 
frangaise. Er begeijterte fih für den großen Iren O’Connel, welcher damals Katboli: 
cismus und Freiheit zu vereinigen jtrebte, und den er auf einer Reife nach Irland be: 
ſuchte; ſchon zu jener Zeit reifte in ihm der Gedanke, O'Connels Rolle in Frankreich zu 
fpielen. Im Sabre 1830 verband er ſich mit Lamennais, den er mit der größeiten “Ber: 30 
ebrung anhing, wurde jein Mitarbeiter am Avenir (ſ. d. A. „Lamennais“ Bd XI ©. 231) 
und eröffnete mit Yacordaire den Feldzug für die Yehrfreiheit, gegen das Monopol des 
Staates und der Univerfität (das Wort Univerfität wurde damals ın Frankreich in einem 
anderen Sinne ald in Deutfchland gebraucht. Die Universit& de France begriff das 
anze Unterrichtötwefen und hatte Afademien und Fakultäten). Yacordaire eröffnete eine 35 
Pie Schule, an welcher Montalembert und de Coux mit ibm den Unterricht erteilen 
follten. Tag und Stunde der Eröffnung wurden im voraus im Avenir angezeigt. Grit 
am zweiten Tage jchritt die Polizei ein. Lacordatre proteltierte im Namen der Eltern, 
und die Lehrer wie die Schüler wichen nur der Gewalt. Da durch den Tod feines Vaters 
Montalembert in die Pairskammer eingetreten war, mußte das gerichtliche Verfahren gegen 40 
Die drei Lehrer vor diefe Kammer gezogen werden; am 19. Sept. 1831 wurde die Sache 
verhandelt vor einer großen Zubörermenge in den Tribünen. Montalembert hatte am 
Morgen diefes Tages die Kommunion genommen. Auf die übliche Frage nah Stand 
und Alter antwortete er: „Charles, Graf v. Miontalembert, 21 Jahre alt, Schulmeifter 
und Pair de France“; er bielt jodann eine glübende Berteidigungsrede, wo er ſich, als as 
Bertreter der fatholifchen Partei, gegen den Unglauben und die anftedende Zweifelſucht 
erbob, die in der Univerfität berrichten; leßtere nannte er: „une cr&ature de la Con- 
vention et de l’Empire". Nachdem noch Yacordaire gefprochen, wurden fie zur gelin- 
deiten Strafe (100 Franken Geldbuße) verurteilt; es mar dies eher ein Sieg als cine 
Niederlage. In demjelben Jahre hatte er die Belanntichaft von Kr. von Swetſchine ge= so 
macht, die er oft zu Nat zug und die ſpäter nicht ohne Einfluß auf ihn war. Er lernte 
auch den Polen Adam Midiewig kennen, deilen „Polnische Pilger“, zu welchen er eine 
Vorrede jchrieb, er ing Franzöſiſche überfegte. Als die Enchklifa des 15. Auguft 1832 
Lamennais und feine Freunde verurteilte, konnte Montalembert nur mit Mühe, durch den 
Einflug von Lacordaire und Fr. v. Swetichine dazu gebracht werden, daß er fi von ss 
demjelben losjagte; den 8. Dez. 18:34 ſchickte er endlich ein kategoriſches Unterwerfunge- 
Khreiben an den Kardinal Pacca ab. 

Montalembert brachte jodann einige Jahre auf Reifen zu, namentlih in Italien und 

m Deutichland, hielt fi längere Zeit m München auf, wo ibn Schelling, Görres und 
er anzogen; er trat in Verkehr mit Heß, Schnorr, Cornelius u. a.; ferner mit den co 

Brüdern Grimm, Otfr. Müller, Heeren, Schloffer, Greußer, Mittermeyer, Raumer, Wolf: 


— 


1 


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n 


416 Montalembert 


gang Menzel u.a. Er ftudierte vornehmlich die rel. Kunſt und die Legenden der Vorzeit 

und zeigte eine bejondere Vorliebe für die Kunſt des Mittelalters: „Bor allem, — 
er, iſt ſie eine katholiſche; ſie iſt die impoſanteſte Offenbarung der Kirche, deren Kind ich 
bin, die glänzendſte Schöpfung des Glaubens, den mir meine Väter binteriaf en haben. 
Ich betrachte die alten Denkmäler des Katholicismus mit ebenſoviel Liebe als die Leute, 
welche ihr Leben und ihr Geld hingaben, um ſie zu gründen; für mich vertreten ſie nicht 
bloß eine Idee, eine Epoche, einen Glauben, die längſt erloſchen; es ſind im Gegenteil 
die Symbole deſſen, was am meiſten Leben bat in meiner Seele.” (Du Vandalisme et 
du Catholieisme dans l’Art.) „Man muß, jchreibt er ferner, die Zeiten des Glau: 
bens, Die man jo verleumderiſch Zeiten der Finſternis genannt bat, wieder zu Ehren 
bringen . . . Daß man die Gefchichte der katholiſchen Jahrhunderte fo fehr vergeſſen und 
verachtet bat, Das iſt Die Haupturſache des Zieges der Häreſie und ber Gottloſigkeit in 
den legten Zeiten . .. Wir müſſen das, was Die Seele der katholiſchen Geſellſchaft mar, 
wiederum würdigen lernen, glauben, was ſie glaubte, lieben, was ſie liebte, fühlen, was 


> fie fühlte. Man muß audh ibre Überlieferungen und ihre Legenden, den blühendſten 


Zweig der Traditionen, wiederum würdigen lemen . .“ Die Frucht dieſer Reifen und 
Ztudien war Die vebenabejchreibung der bi. Eliſabeth von Ungarn, die 1836 erfdien. 
„In Montalemberts Geiſt, jchreibt deſſen Biograpb und Freund Foiſſet, der ihn mobl 
am bejten gekannt bat, war nicht die geringjte Spur von Nationalismus; der Glaub 
war ibm angeboren. Tie \ Yebensgeichichten der Heiligen des Mittelalters bezauberten jeine 
Phantaſie und feuerten ſeine Frömmigkeit an; er ſtellte keine weitere Prüfungen an, er 
war unter dem Zauber. Diefes jo berzliche und unbedingte Sichgebenlaffen (laisser 
aller) iſt es gerade, was jener Geſchichte der bl. Elijabetb ihren eigentümlichen Reiz 
verleiht.“ Danach fünnen wir aber auch ermejjen, was wir von feinem hiſtoriſchen Sim 
zu balten und zu erwarten haben. — Im Sabre 1836 vernäblte fich Montalembert mit 
einer Tochter Des Grafen Felix de Mérode, welder das Haupt der katholiſchen Partei 
in Belgien war. Im Monat Chtober 1812 mußte er ſich, wegen der Geſundheit der 
(Srafın, nach der Inſel Madeira begeben, wojelbit er nabe an zmet Jahre blieb, mährend 
welcher Zeit er jedoch jeine politische Thätigkeit Fortjegte, inden er mebrere Broſchüren 
über Die brennenden Tagesfragen ſchrieb. 

In der Pairskammer war er der Vorkämpfer Des Katholicismus; Doch trennte er 
ſich von Der legitimiſtiſchen Partei und werbeblte nicht jeine Sympathie für Die aus der 
Fulirevolution bervorgegangene Monardie. Sein Streben war, für die katholiſche Kirche 
tie verlorene geiftige Macht wieder zu gewinnen. Lacordaire predigte damals mit großem 
Erſolg und zog alle Gebildeten an, ſodaß Montalembert die beiten Hoffnungen hegte, 
tus Yand wieder umter den Einfluß der Religion zu bringen. Er wollte eine feſtorgani— 
ſierte katholiſche Partei gründen, fand jedoch wenig Anklang bei den Biſchöfen, die vor 
rar Einmiſchung Der Laien in kirchliche und religiöſe ‚Kragen große Furcht begten. In 
a Puirskammer verteidigte er in leidenjchaftliben Reden Die Jeſuiten, Polen, Griechen: 
land, Die Chriſten Syriens, \rland, den Sonderbund; immer trat die religiöje Frage in 
aa) Rordergrund: „Wir find Die Söbne der Nreusfabrer, rief er einmal aus, und werden 
vor Den Zöbnen Voltaires nicht zurüdweichen!” — Als Pius IX. den Stubl Petri 
bejtwg, boffte Montalembert zuwerfichtlich den Sieg Des liberalen Katholicismus; und als 
[ur ee Papft einige Reformen gewährte, nannte er ıbn „den Abgott Europas“ (jpäter 
uber, als er Die Unfehlbarkeit beanſpruchte, „den Gögen des Vatikan“); auch der Papfſt 
ſprach mit großer Achtung von Montalembert: „Sein Name allein iſt ein Lob; dies iſt 
wu vero eampione.“ Die Februarrevolution von 1848 erfreute zuerſt Montalembert, 
welcher boffte, Day fie zu Gunſten der Kirche ausfallen würde Er wurde von dem 
icubspepartement zum Wolfsvertreter (repr6sentant du peuple) in die National 
uerſammlung gewählt, und vertrat aucd bier die Sache der Kirche; er befämpfte das all: 
gemeine Stiminrecht, trug viel zum römiſchen Feldzug bei, und verteidigte ben “Prinzen 
“uns Napoleon, der ſich Nom günjtig zeigte. Zum Yobn für ihren Beiſtand erbielt die 
bubelifihe Partei 1850 ein neues Unterrichtsacieß (Loi Falloux), durch welches die 
-Znlen in Die Bände des Mlerus geliefert wurden. Der Ztaateftreih vom 2 . Dezember 
lad überraſchte wohl Montalembert, doch trat er ibm bei, wurde Mitglied der 'Com- 
mission eonsultative, und von 1852 —1857 des Corps 16gislatif. Er mußte aber 
hier wie in jenen fatboliichen Beitrebungen erfennen, daß er nur ein Werkzeug in ben 
Häantten Anderer geweſen und eigentlih für die Gegner der ‚yreibeit und für die der 
Meligiem arbeitet batte. Tiefe Zeit nannte er jelbjt die betrübtelte und verdienſwollſte 


his Lebens: „Ich allein verteidigte Die Ebre und die Freiheit Frankreichs, ohne Daß 


Montalembert Montanismns 417 


mir jemand dafür Dank mußte, ja ohne daß nur irgend jemand im Bolfe darauf zu 
achten ſchien. Ich kämpfte als ein Verzweifelter, wie in einem Keller ohne Luft nod) 
Licht.“ So jehr er die Freiheit liebte, hatte er ihr doch fchlechte Dienjte geleiftet, da er 
fie nie gegen die Angriffe Roms offen zu verteidigen wagte. Als er fich von aller öffent: 
lichen Thätigkeit zurüdigezogen hatte, vertrat er den liberalen Katholicismus nur noch in 6 
der Zeitſchrift le Correspondant. Er erfannte bald, daß die Faiferliche Politik die melt- 
lihe Macht des Bapftes bedrohte, und ahnte die verhängnisvollen Folgen des italienischen 
Feldzug; jeinen Befürchtungen gab er in der Schrift: Pie IX et la France en 1848 
et en 1859 Ausdrud. Als im Jahre 1863 der liberale Katholizismus noch einmal auf 
dem Kongreß von Malines fich zu erheben verfuchte, hielt Montalembert eine begeifterte 
Rede: „Ich erlläre es alfo, ich habe einen unüberwindlichen Abſcheu gegen alle Ver: 
folgungen und Gewaltthaten (supplices) die, unter den Vorwand der Neligion, an der 
Menfchheit verübt werden. Die von Tatholifcher Hand angezündeten Scheiterhaufen find 
mir ebenjo fehr ein Greuel ald die Echaffote, auf welchen die Proteſtanten jo viele Mär: 
tyrer bingejchlachtet haben. Den Knebel im Munde eines Mannes, der mit reinem Herzen 16 
feinen Glauben predigen will, fühle ich zwiſchen meinen eigenen Zähnen und er erfüllt 
mich mit fchmerzlihem Entfegen.” Als eine Antwort darauf erjchien im folgenden Jahre 
der Syllabus mit der Erklärung, „daß der Papſt ji) unmöglich mit dem Fortſchritt, dem 
Liberalismus und der modernen Kultur verftändigen könne“. Eine fehmerzliche und lang: 
wierige Krankheit ertrug Montalembert mit der edeljten Geduld, und ſuchte Troft in den 20 
Studien feiner Jugend, daraus feine Histoire des Moines d’Oceident (unvollendet 
geblieben) hervorging; es meht darin eine große Liebe für Chriftentum und Freiheit, 
edoch vermißt man allzufehr den Fritifchen Sinn, den jedes Geſchichtswerk erfordert. Sein 
ebensende wurde durch die Verherrlichung der perjünlichen Unfehlbarfeit des Papſtes 
getrübt, welche Zacordaire „la plus grande insolence qui se soit encore autorisee 25 
du nom de Jesus Christ“ nannte. Er ftarb, ehe fie orlgogen wurde. Was hätte 
ec getban, wenn er das Ende des vatifanischen Konzild erlebt hätte! Das Tann man 
vielleicht aus folgendem Briefe jchliegen, den er am 9. Dftober 1869 an Lady Herbert 


ee 
© 


digften und zugleich die am ſchwerſten zu erringenden find. Mehr als je bat fie, und 
fie allein, den Schlüffel der zwei größeiten Geheimniſſe des Menichenlebens, des Schmerzes 
und der Sünde. Auch bin ıch für fie mit einer immer machjenden Liebe und Ehrfurcht s5 
erfüllt ... .“ Foiſſet berichtet, er habe fich drei Wochen vor feinem Tode folgendermaßen 
über dieſe Frage ausgejprochen: „Was mid) anmwidert, das it nicht die Unfehlbarkeit des 
Bapftes in Glaubensſachen, fondern feine Omnipotenz in den politifchen Fragen, welche 
mar als olgerung der Unfehlbarfeit zum Dogma erheben würde.” Derſelbe behauptet, 
er fogar ausdrüdlich erklärt hätte, daß er, wenn die Unfehlbarkeit proflamiert würde, 40 
unterwerfen würde, und zwar nicht bloß äußerlih: „Je n’arrangerai rien du 
tout. Je soumettrai ma volont€ comme on la soumet en matiöre de foi. Le 
bon Dieu ne me demandera pas de combiner quoi que ce soit; il me de- 
mandera de soumettre mon intelligence et ma volonte, et je les soumettrai“. 
Do darf man diefem Berichte nicht unbedingtes Vertrauen fchenfen. Die liberalen Ka— 45 
tholiken, Foiſſet, Montalembert, Gratiy, Dupanloup u. a. übten allezeit gegenjeitige Be: 
wunderung und jtellten die Ihrigen als die edeljten Ideale dar; darum muß man aud 
bie Bi u Montalembert3 mit großer VBorficht lefen; er mar keineswegs eine jo 
engelhafte, eblerloje Perfönlichteit, mie ihn feine Biographen und Lobredner Foiſſet, 
gerraub und Codin daritellen; er war vielmehr eine äußerſt heftige und gewaltſame so 
, ertrug jchwer den Widerſpruch und mar oft ſehr wenig liebenswürdig int Um— 
gang; es fehlte ihm an Einjicht, ſodaß alles, mas er unternahm, fehlgejchlagen 
oder zu Gunſten feiner Gegner ausgefallen ift. Er teilte das Schidjal des franzd- 
Gallicanismus, dem das vatikaniſche Konzil den Todesftoß brachte, Bfend 
. Pfender. 66 


Montanismus. — Duellen: Die Ausſprüche der montaniſtiſchen Propheten ſ. bei Bon- 
wetih (f. u.) S.197 ff. und N. Hilgenfeld, Kebergeiichte des Urchriitentums S.560 ff. Zerner: 
Zertullians montaniftifhe Schriften, bei. De pudicitia, De ieiunio, De monogamia; feine 

ft ecstasi (7 BB.) ijt verloren. Martyr. Carpietc. Pass. Perpet. ©. 13 ff. 61 ff. ed. 

Heni-Gnchllopäbdie für Theologie und Kirche. 3. A. XIIT. 297 


| | . B6; 
vgl. — sr ® u 3 _ Sarstveheeı . Neander, 


1850, 33 115 ar — athol. Kirche*, 

una Aa L. umd Bad en 1584 ©. 1008 x ihdet H&R 
to m apoftol. un r, . 460 F.; fäder 3 

16 Is, er Taf matt u x, N G. Salmon, Fine ‚ 935 fi.; 

ho, 2 Die * "erfude 4 wahren Chriſtent. in e. Gem. v. 

— u. Nachr. f. d ev. Kirche in Bull 188 So: W. Beld, Gejd. d. Mont., 

. 1882 (zumeift unfeibftänbiger Auszug aus Bometid, gl. Ga 1884, Be 

2. Lotte, Das nie ee —— a, 

—J SBA 1898, % re Die Miſſion 


ee Kanons, Erl.]: Te. Se Pe ‚ronolo ie deö Mont., in Forſch. z. Geſch 
d. neutejtamentl. Kanons, V, Iff.; 8 G. Voigt, Eine verfchollene Urkunde des antim, Kampje 
Leipz. 1891; €, Rolfis, Das x enzedift des römiſchen 5 ts en Ur nden aus 


25 dem antimont. Kampf, TU ‚ta: R. mus 
Ueber die Genones 4a DRontantfien bei Hieronymus Re a 


, Neperfatalog ($ aan 
Ber —— NE 









Ein gall, Bifchofsichreiben des 6. Jahrh. als 3 enge für die Berfaftimg — 
ERS 1896 (Bd 16) ©. 664-671; Weinel, Die e Birtungen. des. Gel und ber @eifter.im 
nachapojtol. Zeitalter bis auf Irenäus, Freib. 1899; E. €. Selmyn, Christian Prophets 


30 and the Prophetic. Apocalypse, London 1900, 


1. Chronologie, Als Ausgangspunkt für die Aigen Som ontaniftifcher 
Bewegung hat zu dienen die Bemerkung des antimontani — bei 6: ae 
17, 4 daß feit'bem Tob der montaniſtiſchen Prophetin Ba 
Mi. get verfloſſen ſeien. An die Jahre vor an de in m. es ) ft mi 








oo ligers ame fi — u lejen (anders "Ha ad Bee 1,3721. 
ul iBlagung, v b. aber 


Here en Tl des A 
toninus Pius BER gl Jahn, Bor 1 e a69T II, 292). En —— hier ver 
muten find * ‚ denn das 19. Jahr Mari Aurels, 179, anne. virklich 
Todesjahr der — auf das haer. 48, 2 hinweiſt. Epiphanius bat-k nn 48, 
oo das einzige ibm —* die zeit des — en Jahr chronologiſchen? 
tierung des Aufir etens ans verivertet ( TheBl. 1895, En. 21 218 gegen Za 
Forſch. V, 31 * Fir dieſes ſelbſt liegt ni nei ein Datum nicht: vor | 














Montanismus 419 


nymus des Eufebius V, 16, 7 nennt allerdings den Prokonſulat des Gratus. Es liegt 
nahe, das xara T'oärov für aus xara Kodopärov entitanden zu balten (m. Geſch. d. 
M. u. Zahn, Ford. V, 32). Ein Duabratus war 155, ein anderer 166 kleinaſia— 
tiicher Prokonſul, in eines der beiden Jahre wäre dann der Beginn der montanijtifchen 
Bewegung anzufegen. Die Märtyrer zu Lyon 177 batten Anlaß ſich für den kirchlichen 6 
Frieden Ktleinafiend zu verivenden. Die montaniſtiſche Bewegung muß damals fchon eine 
ängere Entwidelung binter fich gebabt haben und ftand feinenfall® in ihren eriten An- 
fängen (jo Euf. V, 3, 4 dot töre nowror). Schon in dem von Serapion (Euf. V, 
19, 3. 4) beigelegten Schreiben des Apollinaris icheinen Verwerfungsurteile über den 
Montanismus beigegeben gewejen zu fein (Zahn V, 5ff.), mit Mitteilungen fogar über 10 
das Vorgehen bereits geitorbener Bilchöfe. Ferner iſt Marimilla nicht unmefentlich fpäter 
geftorben als Montan und Priska (der Anonymus bei Euf. V, 16, 13 „nicht gleichzeitig, 
jondern ein jeder zur Zeit feines Todes“); es iſt auch zu beachten, daß die über Ber: 
folgungen von jeiten der Kirche klagenden Prophetenausſprüche nur der Marimilla an- 
gehören. Somit kann das in der Chronif des Eufebius angegebene Jahr 172 nicht die ı6 
Zeit des Auftretend Montans bezeichnen (jo Voigt S. 31ff.; auch Loofs, ThY3 1893, 
S. 301f.); mwahrjcheinlich beruht es darauf, daß Eufebius den in feiner Vorftellung mit 
der Anfangszeit des Montanismus verbundenen Apollinaris von Hierapolis dem J. 171 
zumeifen zu jollen glaubte (Zahn V, 1ff.; Harnad, Yitt. Geſch. II, 1, 374). Einer ver: 
geblich verfuchten Überführung der Marimilla hat (wie der Anonymus Euf. V, 16, 17f., fo) 20 
der Antimontanift Apollonius Eu. V, 18, 13 im Zuſammenhang mit dem etiva gleich- 
jeitigen Martyrium des Thrafens gedacht. Diefen Thraſeas nennt Polykrates in jeiner 
ufzählung nicht geographiſch, ſondern chronologifh geordneter kleinaſiatiſcher Leuchten 
Wiſchen Polykarp und Sagaris, deſſen Martyrium nach dem griechiſchen und ſyriſchen 
ext unter Servilius Paulus (Euſ. IV, 26, 3), richtiger (gegen Voigt ©. 84ff.) nach 26 
Rufin unter jenen Sergius Paulus fällt, der wahricheinlih um 166:167 Profonful in 
Kleinafien war (m. Geſch. d. Mont. ©. 142 und bei. Zahn V, 25 ff.; anders Harnad 
II, 1, 371 9.5). Dies führt mindejtens in die Anfänge der fechziger Jahre. Dazu 
fommt, daß die Gegnerfchaft der jpäter fogenannten Aloger gegen die jobanncifchen 
Schriften wahrfcheinlih durd die Berufung der Montaniiten auf diefelben bervorgerufen so 
worden iſt (vgl. Iren. III, 11, 9 und Epiph. haer. 51, 33); aber ſchon Melito hat die 
Berteidigung der johanneifchen Schriften geführt. Haben ferner die montaniftifchen Pro: 
pheten behauptet, die Prophetenangabe von Duadratus und der Ammia empfangen zu 
haben, jo fonnten dieje zeitlich nicht zu weit zurüdliegen. Ten Luabratus aber nennt 
Eufebius III, 37,1 gleih nach Ignatius und noch vor Papias (vgl. dazu auch Harnad 85 
II, 368f.). Endlich aber zeigt der Bericht über das Martyrium Polykarps, daß zur 
eit desfelben in Phrygien Neigungen vorhanden waren, die den montaniftifchen ent: 
ben; denn jener Duintug, der fich felbft als Ghrift angegeben batte, wird mit Nadı- 
druck als Phrygier und eben aus Phrygien gelommen bezeichnet, und die energijche Er: 
Härung des Berichts gegen das freiwillige Martyrium fannı nicht unveranlaßt fein (Geſch. 19 
d. Mont. ©. 143}. Zahn V, 33). Gerade über Phrygien erging damals die Verfolgung 
(die vor Polykarp Märtyrer Gewordenen waren alle oder zum Teil aus Philadelphia, 
Mart. Polyc. 19, 1), Eomit muß die montaniftische Bewegung bald nach der Mitte 
des 2. Jahrh. ihren Anfang genommen baben. Unbeitimmt fagt Didymus, De Trin. 
DI, 41, 3 MSG 39 Sp. 989, Montan fei mehr als 100 Jahre nach Chrifti Himmel- s5 
fahrt aufgetreten. SKeinerlei feiten Anbalt zur chronologifchen Datierung bietet die An— 
gabe bei Epiphanius haer. 51, 33, daß 93 Jahre nah der Himmelfahrt Jeſu die Kirche 
durch die phrygiſche Härefie jet verwirrt worden, und daß nun nah 112 Jahren die da— 
mals ganz bäretiiche Gemeinde zu Thyatira katholiſch fei (dazu Zahn V, 35ff.; Harnack 
I, 1, 376 ff.; andere G. Salmon, Hermathena VIII [1892] S. 189); aber auch nicht so 
des Apollonius Bemerkung, vor 40 Jahren ſei Montan bervorgetreten (Euf. V, 18, 12), 
und in dem durch deſſen Ausdrucksweiſe erweckten irrigen Schein, als ob zur Zeit feiner 
Schrift noch eine der Bropbetinnen lebe (vgl. Zahn V, 21ff.; Samad IL, 1, S. 370). 
2. Befhichte und Weſen des Montanismus. Um die Mitte des 2. chriſt— 
lichen Jahrhunderts begann fich eine Wandlung im Leben der Kirche zu vollzieben. Noch 55 
fottete man heidnifcherfeits zivar darüber, daß die Chriften fih nur aus Ungebildeten, 
Aaven und rauen refrutierten (vgl. 3. B. Orig, C. Cels. III, 18. 44. VIII, 79). 
Aber die Apologeten find ein Beweis dafür, daß jest auch tweltliche Bildung in Die Kirche 
war. Hatten ferner zuvor, wie AG 13, 1ff. und die Didache zeigen, Propheten 
die erfte Autorität in den Gemeinden gebildet, fo find cs jeßt die Inhaber ‚des geord⸗ 6o 
27* 


420 Montanismms 







neten Gemeinbeamtes, auf 
Bone 5, 2. 12, 3. 16, 2. 
ya * 4 ‚(ebr. 16, 2 * — 





at: 
"Die Alt venge if Areas werd 
und man 21 






itung en. Hier herrſchte in ber Ni das Ä 
15 li en und — er 

* Vi — — ie ne 
Andererjeits batte Kirche prop sa aufzuweiſen al. € 
Y.1.49.8,9); Wis bar habe kempere die prophetiſche 
— drohte, um ſo energiſcher eigen 3 
een ar ern Gran I 
— en, den en ur, “ verjchä — — —— 
und A Erſcheinu —— — 


—— Hi 
EHE aisifchen — 
it ie er nit, aus nt —* 


eben und ein gi ie 
ie Miffton u. ſ. w. ©. 479) 





ontan wird berichtet, ha er ichtlich in einen des Nichtwiſſens 
verſetzt habe, der dann in einen "ol un ey 5* i Euſ. 
17, 2). * * — gerade ü in wer —— 










zeug — 3 — — 
che, der u m Dee ee 


J * erſten P — auch durch die — in Mastulinf inform, in ——— 
ägen, ein en bes ——— aus ber Tiefe bes —— 


nn: gegen ve kirchliche Sitte erblidte man in biefer Weiſe —— 
es auch vor Montan an ähnlichen —— im chriſtlichen Nnicht ge— 
fehlt — (vgl. —— bet Orig, O. Cels. VII, 9). Die * —* Rp. 11 —— 
Deus auf mandes an ihrem Verhalten ae — 
so Auch machte ie Br der Inſpiration den Propbeten zum 

Suppl. 7.9; Hipp., De ant.2; — Cohort. 8). Aber was wir von p 

Rede in den neuteftamentlichen Sch riften, bei Hermas, ——— ki 
trägt keinerlei Züge eines —85 
— weile ſetzte nicht nur voraus, daß 
hängig von ei ener —5 — gef 6 * Philad. 









hen Kirche nur noch Laubte — zu I, 1, 127; Rei, HL 8 
ſondern das elſtatiſche St ındersartig geweſen 
so jein als das im der Kirche fbliche (vgl. Harnad, DE" I, 392 „ba chriftl, Propb. 





Montanismus 421 


geiprochen haben wie Montan ... ift fchiverlich das Gewöhnliche geweſen“; gegen Weinel 
S. 91). Die Montaniften beriefen ſich für die Meife ihrer Prophetie auf die in der 
Schrift bezeugten Beispiele von Ekſtaſe (Epiph., haer.48,4.7; Tert., Adv. Marc. IV, 22; 
De an. 45. 21. 11; in feiner verlorenen Schrift De ecstasi). Zugleich aber ward ihnen 
die Weiſe ihrer ‘Brophetie zum Beweis für die Größe diejer neuen Offenbarung: „Nicht 5 
find die eriten Charismen den leßten gleich” (Epiph., haer. 48, 8). Sie ift nicht nur 
eine neutejtamentliche gegenüber der altteftamentlichen, fondern auch die Vollendung bes 
Geſetzes Chriſti. In ihr ift der verheißene „Paraklet“ erfchienen, der in alle Wa eheit 
leiten fol. Wegen der menfchlihen Schwachheit (So 16, 12) fei erſt jet dem kindlichen 
Zuftand 1 Ko 13, 11 die volle Mannesreife gefolgt (Didym., De trin. III, 41, 2). Der ı 
Zheolog des Montanigmus, Tertullian, bat im Anſchluß an die übliche Lehre won ber 
allmählich offenbar werdenden Gerechtigkeit (vgl. z. B. Iren. IV, 13. 9, 3, fpäter ge 
Sympoſ. 1, 2ff. 10, 1ff.) darauf hingewieſen, daß mie in der Natur der Keim fidy zu 
Stamın, Baum, — Blättern, Knospe, Blüte entwickelt, jo die anfänglich natürliche 
Gerechtigkeit durdy Gejeg und Propheten, dann durch das Evangelium zunehme, bis fie 15 
durch den Parakleten zur Reife gelange. Die „neue Prophetie” beveutet daher nicht nur 
die Behauptung der Prophetie gegen ihre Unterbrüdung, fondern den Anfpruch, weil dag 
unmittelbar nahe Ende vworbereitend, das Leben in der Kirche zu bejtimmen. 

An eine Weitererfchließung der Heilsmahrheit denkt diefe Prophetie fo wenig wie die 
eined Hermas oder der Propheten der Didache. Wo prophetiiche Ausfprüche dDogmatifche 20 
ragen berühren, da war dies durch Auseinanderfegungen darüber in der Kirche veranlagt 
und follte nur die firchliche Überlieferung befräftigen. Bon den Gnoftikern erflärie die 
Prophetin Priska: „Sie haflen das Fleisch und find doch Fleisch”. Die Verhandlungen 
über die Logoschrijtologie twerden die Ausiprüce veranlaßt haben, Gott habe den Logos 
bervorgebracht wie die Wurzel den Stamm, die Duelle den Bach, die Sonne den Strahl, >; 
Ausfagen, die von einem Tertullian trinitarifch gedeutet werden (Adv. Prax. 2. 8. 30), 
aber jedenfalls auf feinen dem Montanismus eigentümlichen Intereſſe beruhen, daher 
gerade aud) der Monarchianismus von feinen Anhängern vertreten wurde (Hipp., Philoſ. 
VIII, 19; Pfeudotert. 21; Did., Detrin. III, 41,1). Worte des Geiſtes durch Montan 
wie: „sch bin der Vater, das Wort und der Paraklet“ (Did., De trin. III, 41, 1) over a0 
„Ich, Gott der Herr, der Allmächtige, mweilend in einem Menschen” und „Weder ein Engel 
noch ein Gefandter, fondern ich Gott der Herr der Vater bin gelommen” (Epipb. 48, 11) 
follen der Größe der neuen Offenbarung Ausdrud verleihen. Unklar bleibt, wie die in 
der Patrum doctrina de verbi incarnatione (Mai, Nova coll. VII, 69) mitgeteilten 
Worte aus den „Liedern Montans” von der Einen Natur und Wirkungsweiſe vor und 35 
nach der Menſchwerdung zu verfteben find. Nur das praktische Anliegen der montaniftt- 
ſchen Zulunftserwartung führte zur Betätigung der Auferftebungshoffnung (Tert. De 
resurr. 63) und reicheren Ausgeſtaltung der Eschatologie. So follte das neue Jeruſalem 
vor feiner Herablunft in den Wollen gejchaut werden (Tert., Adv. Mare. III, 24), 

za der Ort derjelben fein (Epipb. 48, 14; 49,1; Philaſtr. 49). Große Verheißungen 10 

der Paraklet den Seinen (vgl. Euf. V, 16, 9); fo in Verftärtung von Mt 13, 43: 
„Der Gerechte wird leuchten hundertmal mehr denn die Sonne, die geringen Geretteten 
unter Euch werden leuchten bundertmal mehr denn der Mond“ (Epiph. 48, 10). Kriege 
und Unruhen follten dem naben Ende vorangeben (Euf. V, 16, 18). — Die ganze Auf: 

der neuen Prophetie aber galt der Vorbereitung für das nahe Ende Durch feine 45 

ng jolte das ganze Leben des Chriſten beitimmt fein und deshalb durch ent- 
—* e Weltverleugnung feine Gerechtigkeit vollkommen werden. Nicht neue Formen 
ilich führte die neue Prophetie zumeiſt ein, aber mas bis dahin Sache der Freiheit 
geweſen, ſollte nun Pflicht fein (Euf. V, 18,2 6 vnoreias vouodernoas, Tert., De iei. 
2. 10). Befürmortete die Kirche die nur einmalige Ehe und die Pirginität (Juſtin, Apol. so 
1, 29; 4 „ Suppl. 33; Theoph., Ad Autol. III, 15; Gpiph. 48, 9), fo beurteilte 
die neue Prophetie die zweite Ehe als Unzucht (Euf. V, 18, 2), ichloß daher zweimal 
VBerheiratete aus (Epiph. 48, 9; Tert., De pud. 1), und empfahl energiſch die Virginität (Tert., 
De exh. cast. 1. 3. 4. 9. De mon. 3). Gejchlechtlihe Reinheit galt ald Vorausſetzung 
für den Empfang von Dffenbarungen (Priska bei Tert, De exh. cast. 10). Die auf 
retwilligteit berubenden alten an den fog. Stationstagen wurden zumeilt bis 6 (Statt 
is 3) Ubr nachmittags ausgedehnt und verpflichtend gemacht (Tert., De iei. 2. 10 sta- 
ones nostras ut indietas, quasdam vero et in serum constitutas). Dazu famen 
aften, die jog. Kerophagien, beſtehend in Gnthaltung von Fleiſch, Brühe und faftigeren 
‚ieiunia propria, wie es jcheint, gleichzeitig niit den den Montaniſten eigentümlichen oo 


422 Montanismus 


gemeinſamen Feſten Eviph. IS, 145 VPhilaſtr. 19 publice mysteria celebrant; Tert., De 
iei. 135. Wo in der Rirche ein Wenentag zwiſchen larerer und jtrengerer Zitte, erklärte 
der Montanismus nur die letztere fur zulaſſig (Tert, De virg. vel 1; De cor.). 
Zab audı Die Kirche Die vobtommenite Berrahrung des Chritten im Martorium, fo ver: 


„wart Der Varaklet die Flucht in der Verfolgung und begeitterte dazu zum Martorium 


ſich herzuzudrangen. Welle: nich:? in Betten, noch in Nindesnöten und in weichlichen 
Fiebern zu fterben wunisben, tondern in Marwrien, damit verberrlicht werde, der für 
Euch gelitzen ı Terz, De fura : Dean.’ „Wirt Du Geaenjtand öffentlicher Schmad, 
aut iſt es dir; denn wer nicht bei den Menſchen ſo veroifentlicht wird, wirb bei Gott 
ie vereffentliht. Was icamit Du Dich vob davon maıınd Wacht erweiſt fich, wenn 
du geichaut wirit ven den Menſchen“ «cbB.r. Die Yaurbonike ſchließt jich freiwillig dem 
Marrium des Ramus an -Mart. Carp. 22ñ. 2. 16, 221. ed. v. Gebb.). Gerade 
um Marwrtum erweit Sb die Nat Dee Geller, ar Mc Ih Der Wontanismus berief 


Eu. V. is, 17: mei in Der Terr, De fops .- 


Alle ne Jorderanagen aber itelte de Ymnalızn rer ws daos Ende bevorſtebt (gegen 
Weiiacer. Ir osuf De mm Bepaebun nn dem 2m, 2. 76, richtig v. Engelb. 
zZ. hir Die je der Ere it sep werire Ur hir. Marc. I,29 connubiü res ... 
matura defungi. ut ipsi sanetitat: reerrwiz,. Ycrt die legte Verfolgung drobt mit 
teren beiſenderen Zendmiier, os mr ww vm Ärdemn nicht freiend übereilen laflen 
darf - Terz. Deexhort. cast - Te mm °: ar => Ihon Ad uxor. I, 51. Wegen 
We Fetrictat NT Sur dlempen zer wiseddore) Sınn Der Paraklet Me Rachficht 


eines mus zsiwun vu o are Se 8 te tes (Terz, De mon. 141 In Beug 
auf die Yan mer ———————— Sn, NR das eigentliche Mon dafr nıdt 
Asteie Sehe Bereser a 8 eg Dip 't (De iei. 12 ad praemuniendam 


;; per nVSERÜDSOS I viasumeree Mpuctt sondicionem). Tas Warwrum iſt 


cher Siassr ses BUNT er ee num > ser 4 rät IT, weil jetzt der Antidritr vor der 
Isız non Ar Se an erst non dem Blut der Chriſten Pirka (Let, 
Ve > m “= Sms uber reicht der Paraklet Die Kraft dar 


It. Zurhr Tr gen Tea Der Stiche nicht zu dulden, meil bie 
Ni "TON 70T, Des, Dee art vl, den Bräutigam zu empfangen. 


Hera In um en u zer Nr Montaniemus auch cine weitere Konſe⸗ 
ee IS ae = viaubigen, ſich aus ihrer Firchlichen Gemeinihaft 


cr LT. en nd a in Pepuza in Phrygien zu ſammeln Hier 
ren en u eridenen Offenbarung das obere Jeruſalem berab: 
oe ums \. sn. eier 19). Montan bat cs offenbar als jene 
DI nun“ um en u 2 16 Die Semeinde der Endzeit geflüchter werden 
men gu mus als eines nunmehr „mülten” Urtes (Eyipb. 
ne N Kst 78 A.3; Stud. z. Hipp. TU NF I,2 S. 76) 
STOLZ N nn vxRNaudigen aus Der verderbten Welt und Weltkirche 
N Name Marl u rare. Non verwandten Gricheinungen berichtet 
zn Te Sa Deren veranlaßte ein Biſchof viele Chriften mit Frau 
IA re Sogn 4 Ne Wuſte zu geben; in den Bergen umberirrend bütten 
ER af. Ein anderer eifrig asfetifcher Biſchof bat in 
Ren SZSaumgeſichte Das Ende als binnen Jabresfriſt bevor⸗ 
N — sang mekundiat und dadurch Vernachläſſigung der Arbeit, 
u — RVriterlaſſung vom Eheſchließungen veranlaßt. — In 
— enge set, eine Gemeinde der Heiligen zu verwirklichen. Richt 
DEE rt bisberigen Beziebungen entnommenen Heiligen zu 
T. vudern Die Erwartung der Paruſie; aber von ſelbſt ward 

\ N We Dunaenvation, die er ſeinen Gläubigen zu geben verſtand. 
SED u end N RPropaganda Männer, die von feinen Anhängern 

Du, VS, 2 6 Toaxtijoas xataoınoas, . . . 6 En’ 











—R 

— nn arm Sureyrwueros; vgl. 18,7), welche zur Beſoldung 
* a pain dienten ſebd. 6 oaldgıa Kwony@v Tois ger 
— Ns WPreophetinnen ſtanden ibm zur Seite Priska (oder Arie 
a) Ah u Ayers tele Div Mentans wurden bon ihren Anhängern 
—E8 gg Na ovanaelien, in Die man ſie \egte, zeigt ſich ſchon darin, 
re aa aa m teogzreia) zara "Aornorov Odoßavdv bezeichnet 


nr "mr 17. Eine Zammlung entbielt Montans eigene 


Wo (ig he rip Er TH Larrod Aeronern gogpnteig);, zablveicher 


4 


Montanismus 423 


waren offenbar die der Meisfagungen der Prophetinnen, da über foldie vornehmlich ge- 
Hagt wird, Cajus bei Euf. VI, 20; Hipp., Philoſ. VIII, 19; Epiph. 49, 2; Theodoret, 
Fab. haer. III, 2; Maruthas ©. 12; Nicepb. IV, 22; bef. aber Did. De trin. III, 
41, 3. Eine foldhe Kodifizierung war doch ſchon ein Weichen von dem Grundgedanten 
des Montanismus. Kräftige Unterftügung muß die Sache Montans an einem Mltı 6 
biades (Miltiades?) und Theodotus gefunden haben, da fie in den Augen der Zeit: 
genofien in Parallele mit ihm traten, ja geradezu als die Leiter der Bewegung er: 
jcheinen (vgl. Euf. V, 3,4 @v dupi röv Morravor xal ’Alxıßıdönv nal Gesddoror. 
V, 16, 3 xara Murdönv),; Theodot ward fpöttifch als eriter Sachwalter der neuen 
Prophetie bezeichnet (Euf. V, 16, 14). Eine ähnliche Stellung hatte wohl etwas fpäter 
Themiſon inne (Euf. V, 16, 17 ol neol Oeulowva; dazu Harnad, Litt. Gefch. II, 366). 
Die von ihm „in Nachahmung des Apoſtels“ verfaßte xadodırn EruoroAn (Euf. V, 18,5) 
fügte zur zo eia auch einen dndorolos (vgl. Geſch. d. Mont. ©. 18 und Zahn, 
Geſch. d. Kan. I, 9f.). In langjähriger naher Verbindung (Euf. V, 18, 6 6 ovre- 
orıdrar) mit einer Prophetin — wahrſcheinlich Marimilla — lebte ein Märtyrer Alexander, 
der hohe Verehrung bei den Montaniſten genoß (ebd.). Nachfolger der Gefährten der 
ropheten waren die Genonen oder xowwvrol, die in der ausgebildeten montaniftischen 
ganifation die nächte Stellung nad) den „Patriarchen“, noch über den Biſchöfen ein- 
nabmen. Zu diejer Deutung der „Cenonen“ des Hieronymus ep. 41 hat mich (Geſch. 
d. Mont. ©. 165 4.3. 211) Cod. Iust. I, 5, 20 beitimmt; fpäter ift befonders Hilgen- 20 
feld wiederholt (Kebergeih. ©. 578. 598; Z3wTh 26, 107. 38, 635 ff.) für jene als Ge- 
fährten des Patriarchen eingetreten. Unzutreffend ift Friedrichs auf ein fpäteres Schreiben 
geuiioer Biſchöfe fich gründende Vermutung, daß es fih um sociae handele, d. h. um 
achfolgerinnen der Propheten, die am Altar fommuniziert hätten. 

Nur ein Bruchteil der Anhänger Montans Tonnte natürlich) die Löſung von allen 25 
bisherigen Verbältnifjen vollzieben — wandten fich Doch ganze Gemeinden, wie die zu Thya— 
tira, Epiph. 51, 33, der neuen Prophetie zu, aber alle ſtanden auch noch jpäterhin in 
lebendiger Beziehung zu Pepuza. Am Feſt des Parakleten, alfo doch wohl zu Pfingiten, 
fanden ſich ihre Abgejandten bier ein (Epiph. 48, 14 Zxel dneoydusvor uvorjoud tıva 
Enıtelovow Ev 1 10nw xal Ayıdlovow, Philaſtr. 49 publice mysteria celebrant), 
während jie felbit Durch gemeinfames Faſten wenigſtens im Geiſt teilnahmen (Tert., De iei. 13 
ista solemnia . . . nos quoque in diversis provinciis fungimur in spiritu in- 
vicem repraesentati). Trauer und Freude famen bei diefer Feier zum Ausdrud (Tert. 
l. c. dolere cum dolentibus et... congaudere gaudentibus) ; weisſagende weiß⸗ 
gekleidete Jungfrauen führten zu einem Klagen der Buße (Epiph. l.c.), aber cine Abend- 35 
Fr ſchloß fih an, von der Saben den zeritreuten Glaubensgenofjen gefandt wurden 

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Wie und warın fich diefe Vereinigung zu einer felbititändigen Gemeinschaft der wahren 
Chriſten vollzog, bleibt unſicher. Ebenſo läßt fih die Annahme Meizfäders S. 75 f., 
daß erft feit 177 die Bewegung nad) nur beichränttem Anfang größere Bedeutung ge: 40 
wonnen babe, nicht begründen. Keinenfalls mollten die der neuen Propbetie Gläubigen 

ören Glieder der Großkirche zu fein; zu einer Ausscheidung ift eg wider ihren Willen 
gelommen. Yange bat die Kirche geſchwankt, ebe jte ſich definitiv gegen die neue Prophetie 
entfchied. Unbegründete Ablehnung von Prophetie galt ihr ja ale Sünde wider den heiligen 
Geiſt (Didache 11, 7; Iren. III, 11,9). Dazu entſprach ihrem eigenen fittlihen Ideal, 5 
was die Propheten lehrten in Hinficht des ehelichen Lebens, Faſtens, des Martyriung, 
der geipannten Erwartung des Endes. Euſebius, der das Ringen der Kirche nach Klar: 
beit und Einftimmigfeit des Urteild (Zahn, Forſch. V, 44) zu verſchleiern fucht, muß 
wider Millen auf Grund feiner Quellen bezeugen, daß zunächſt viele geneigt tvaren, Die 
neue Propbetie als echte anzuertennen (RG V,3). Dennoch bat fih auch fehr bald ein w 
ſcharfer Miderfpruch gegen die neue Prophetie erhoben. Als Hauptlämpfer gegen fie in 
ihren Anfängen, d. b. noch bei ebzeiten der Propheten (Zahn, Forſch. V, 8), nennt 

febius den Apollinaris. In einen Brief des Serapion bat er ein Sendſchreiben des 
Apollinaris mitgeteilt gefunden, dem auch Gutachten anderer Bifchöfe gegen den Monta- 
niemus beigefügt waren (Euf. V, 19, 2). In einem ſolchen konnte bereits von dem 55 
Berfuch eines, nunmehr bereitö verftorbenen (Zahn, Forſch. V, A. 2), thraciſchen Biſchofs 
berichtet werben, die Priska zu erorzifteren (Euf. V, 19, 3), wie Dies fpäter gegenüber 
Rarimilla verfuht worden iſt (Euf. V, 16, 175 18, 13). Auf verſchiedenen Synoden 
Aeinaſiens (Euf. V, 16, 10) ward über diefe Wropbetie viel bin und her verhandelt. 
Mehr inftinktiv empfand man die drohende Gefahr, und doch bejaß man feine ‘Formel, en 


421 Montauismus 


mit der man die Erfcheinung als eine fremde kennzeichnen Tonnte. Ihre enthufiaftiiche 
Art Scheint zunächſt Anſtoß gegeben zu haben. Gegen fie wandte ſich die Schrift des 
Miltiaded zepi Tod um deiv noopnnv 2v Exordosı Aaleiv (Euf. V, 17). Eine Ipefent 
liche Verſchärfung des Gegenfates ftellen die fpäter fogenannten Aloger (.d. A. I 

sund Zahn, Geſch. d. Kan. J, 240 ff.) dar, die wegen der montaniſtiſchen Berufung je 
die Verheißung des Parakleien im 4. Evangelium und auf die Apofalupfe alle johan⸗ 
neifchen Schriften ablehnten und fie dem von Johannes befämpften Kerinth zuwieſen 
(Sren. III, 11; Epiph. 51). Aber aud Gegner der I teren wie der ſelbſt als Prophet 
gefeierte Melito (vgl. feine Schrift neol od diaßölov |I. edayyellov] xai rijc dnoxa- 

10 Avyews ‘Iwdyvov) müſſen fi) gegen die neue rophetie ablehnend verhalten haben; dies 
wohl die Stellungnahme feiner Schrift zeol noAırelas xai npopntav (Euf. IV, 26, 2). 
Die Anhänger der neuen Prophetie aber forderten den Geift auf, nur um fo fühner zu 
zeugen (Euf. V, 16, 8. 9); und diefer urteilte nun mit ſcharfem Tadel über das Per: 
derben der Kirche, während er zugleich an feinen Gläubigen des Amtes des Troftes wie 

15 der Rüge waltete (ebd. 16, 9). In den ſiebziger Jahren des 2. Jahrh. muß bie gegen 
die neue Prophetie feindfelige Haltung zur berrichenden geivorben fein. Jetzt Hagen bie 
Ausfprüche der offenbar allein noch Iebenden Prophetin Marimilla bitter über Verfolgung. 
Der Geift beſchwert ſich durch fie, daf er mie ein Wolf aus der Herde vertrieben werde 
obwohl nicht Wolf, fondern Wort und Geiſt und Straft (ebd. 16, 17), Der Her babe 

20 ihn gejandt mit der Aufgabe, wollend oder nicht mollend diefen neuen Bund und dieſe 
neue Verheißung zu offenbaren (Epiph. 48, 13). Er berief fi) darauf, daß Chriftus ihn 
ja angefündigt: „Nicht mich böret, Sondern Ghriftus höret“ (ebd. 48, 12)! Die Monta- 
niften jaben den "prophetifchen Geiſt aus der Kirche vertrieben Epiph. 51, 35), den von 
Chriſtus Jo 16, 12ff. verheißenen Parakleten verſchmäht (Did. De trin. III, 41, 2), 

26 die Meisfagung Sefu Mt 23, 34 von der feinen Propheten beborſtehenden Verfo [gung 
erfüllt (ebd. 41,3). Die Ciftafe ber Propheten belegten fie mit Gen.2,7 ff.; Pf 116,11; 
AG 10, 10 (Epipb. 48, 4. 7; vgl. Tert., Adv. Mare. IV, 22; V,8; Dean. 11.21.45 
und Voigt S. BER), und fie wieſen bin auf die Beifpiele neuteftamentlicher Prophetie 
in AUG 15, 32; 21, 11; 180 12,28 und auf Johannes, die Töchter des PVhilippus, die 

so Ammia und Duabratus: das Recht von Prophetinnen ſahen fie durch Mirjam und De 
bora begründet (Euſ. V, 17, 3. 4; Epiph. 49, 2; 48, 8; Did. J oc. III, 41, 8; Hier. 
ep. 41, 2; Orig. in Gramers Cat. zu Co. ©. 27) Ihre Gegner aber erflärten — in 
welchem Umfang diefe Auseinanderfegungen ſchon jeßt ſtatt hatten, läßt ſich nicht feft- 
ftellen — die Zeit der Prophetie für mit dem Täufer prinzipiell abgeſchloſſen —* 78; 

36 Tert., De iei. 2. 11) und durch Chrifti Leiden befiegelt (Hier. ep. 41, 2). e Reit 
fagung des Herrn Mt 7, 15 und der Apoftel 2 Th 2, 9; 1 50 4, 1—3 von. "Faltchen 
Wbropheten. befonders 1 Ti 4, 1ff. von foldhen, die hindern, ehelich zu werden und Ent 
haltung von Speifen fordern, erfülle jich bier (Epipb. 48, 8; Tert., De iei. 2. 15; De 
mon. 15). Bielleicht ſchon jeßt jtellte man das Dilemma’ auf (Tert., De iei. 1: 11), 

10 diefe neue Prophetie fei, wenn geiſtgewirkt, teufliiche Pfeudoprophetie, wenn menſchlich, 
jo eine Erfindung des Antichriſten und Häreſie. Die Lehre, jetzt erſt ſei der Parallet 
gekommen, fei eine Echmähung der Apoftel, die dann der vollen Erkenntnis  euibent 
hätten (Hipp., Pbilof. VIII, 19; Did. 1. ec. III, 41, 2; Hier. ep. +1, 1; Tert., De 
mon.?). Die gefeglichen Vvorſchriften dieſer Prophetie aber zerftörten die dritte ——* 

s (Euſ. V, 18,2; Epiph. 48, 9, Hier. ep. 41, 3; Tert. De iei. 2; De mon. 11f.), göſſen 
den neuen Wein in alte Schlaͤuche und galatifierten (Philaſtr. 75; Tert., De iei. 14), ſeien, 
in Widerſpruch zu 1 Ro 7,39 (Tert,, De mon. 11), von unleiblicher Härte (Epiph. 48,9; 
Tert., De ‚mon. 2, 15; De pud. 1) und verleugneten, Jeſ 58, 4f.; € 18, 23; je 
8, di: 3,225; BI 51, 185 Me 7, 15; Mt 11, 19 tuiderftreitend, den Gott, 

50 Buße deg Sünder ni (bier ep. 411, 3). Das Chriftentum beftehe im * ab 
in der giebe und nicht in leeren Eingeweiden (Tert. De iei. 2). Vgl. Geſch. d. Mont. 
S. 162 

Um 177 jahen ſich die Konfefloren und die Gemeinde zu Lyon veranlaßt, durch 
Schreiben an die kleinaſiatiſchen Gemeinden wie an den Bilchof G Eleutherus zu Rom ein 
55 zugreifen. Ohne die Anjchauungen der Montaniften zu teilen, müflen fie doch ein ge 
” milfes Sewährenlajien der Gharismen befürtvortet und eine friedliche Verftändigung an 
geitrebt haben (Euf. V, 3, 4ff.; vol. Zahn, Ford. V, 43 ff). Eleutherus fcheint dennoch 
fich gegen den Montanismus erklärt zu baben; denn nach Tertullian, Adv. Prax. 1 bat 
Praxeas einen römischen Biſchof daran gebindert, durch Anerkennung der neuen Prophetie 

vo den Frieden in der kleinaſiatiſchen Kirche wiederherzuftellen, indem er ihm die 


Montanisuns 425 


— ſeiner Vorgänger entgegenhielt. Nach Voigt S. 71 und Zahn V, 49 war jener 
Biſchof Viktor (vgl. Pſeudotert, Adv. omn. haer. 25); für Eleutherus m. Geſch. d. Mont. 
S. 140. 174 und im ganzen auch Harnack, Litt. Geſch. II, 1, 375f. Dagegen iſt die 
Angabe des ſog. Prädeſtinatus ce. 26. 86 über Soter als bereits Gegner des Monta— 
nismus wertlos (gegen Voigt ©. 71ff., Zahn V, 51ff. und Harmad II, 1, 369 f.), wie 5 
faft alle eigentümlichen Mitteilungen diefes Schriftiteller8 über ältere Vorgänge. — Nur 
allmählich bat fich die vollftändige Ausjcheidung des Montanigmus aus der Firchlichen 
Gemeinschaft vollzogen. Noch um 1921193 fand der Anonymus Euf. V, 16, 4 die Kirche 
zu Ancyra von der neuen Propbetie ganz übertäubt, Apollonius hatte fie noch 40 Jahre 
nad) Montans Auftreten zu befämpfen, und Serapion von Antiochien um 200 mußte 10 
von ihrer Vertverflichkeit zu überzeugen ſuchen. Origenes (In Tit. IV, 696 de la Rue) 
und Dionyjius (bei Baftl. ep. II, 183 ad Amph. MSG 32 Sp. 664 f.) ſchwanken noch, 
ob die Montaniften als Schismatiter oder Häretiker anzufehen ſeien. Die Synode zu 
Ikonium um 230 verfagte ihnen dagegen die Anertennung ihrer Taufe (Cypr.ep. 75,19). — 
Namentlich in Phrygien und Galatien behaupteten ſich jedoch die montaniftifchen Ge: 15 
meinden, zum Teil vielleiht in einem gewiſſen Zuſammenhang mit dem Novatianismus. 

en fie ſich ſchon früher ala Pneumatiker gegenüber den Pſychikern beurteilt, fo fahen 

jegt um fo mehr ſtolz auf diefe herab (Orig. 1. c. „Ne accedas ad me quia 
mundus sum; non enim accepi uxorem, nec est sepulcrum patens ttur 
meum, sed sum Nazarenus Dei non bibens vinum sicut illi). Wie fte felbft 20 
erllärten, daß von ihnen der chriftliche Glaube feinen Ausgang genommen (Athan., De 
syn. MSG. 26, 688), fo galten fie auch in den Augen der draußen Stehenven als die 
Chriſten religionis antiquae (Acta Achat. 4,8). Eie bewahrten von denen der Grof- 
firche abweichende Ordnungen. So berechneten fie Oftern nur nach der Sonne und feierten 
e8 am 8. vor den den bes April oder am darauffolgenden Sonntag (Sozom. VII, 18 u. a.; 25 
ſ. Geſch. d. M. 166 ff). Frauen follen bei ihnen ſelbſt Presbyter und Biſchöfe geworben 
fein, unter Berufung auf Ga 3, 28 (Epiph. 49, 2); weibliche Diafonen begründeten fie 
mit 1 Ti 3, 11 (Ambr. zu d. St.). Nach Hieronymus ep. 41 hielten fie 3, nah Ma- 
ruthas (j. Bd XII, 392) 4 Faftenzeiten (TU NZ. IV, 1b ©. 12). Was der Patriarch 
Germanus MSG 98, 44 von ihrer Lehre von 8 Himmeln und den Dualen der Ver: 80 
dammten berichtet, weiſt auf den Gebrauh von Apokalypſen. Die früher gegen die 
Chriften überhaupt erhobenen Berleumdungen wurden jegt gegen die Montaniften vorgebradht. 
Nach Maruthas 1. c. follten fie auch die Maria Sökin nennen und fagen, ein Archon 
babe fich mit ihr verbunden. Schon ſeit Konftantin ergingen gegen jie faiferliche Erlaſſe, 
aber wenigitens in Phrygien und feiner Umgebung waren diejelben zunächit nicht durch— 35 
pıfüheen (Sozom. II, 32). Schließlich konnte der Montanismus fein Dafein doch nur 
im Berborgenen friften. Um 861 wurden auch die Gebeine Montans ausgegraben (Aſſem., 
Bibl. or. II, 11 ©. 58). 

Eine Erſcheinung zunächſt der Fleinafiatifchen Kirche, it der Montanismus doc) auch 
bald ind Abendland verpflanzt worden, aber in feiner bereits mobifizierten Geftalt unter 40 
gurüdbrängung des Enthuſiasmus und Hervorkehrung feiner fittlichen Forderungen. In 

bat er dur Proflus (Tert., Adv. Val. 5; Pacian ep. I, 2) eine hervorragende 
Vertretung gefunden, defien Dialog mit Cajus um 200--215 (Euf. II, 25, 6; III, 28. 
31, 4; VI, 20, 3) itatt hatte, und der im Unterjchied von dem Montaniften Äſchines 
die Logoslehre verfocht (Pfeudotert. 21), Auch in In Dan. IV, 20, 3 fieht Hippolyt 4 
Wo veranlaßt, gegen die montaniftifchen Faſtenordnungen zu polemifieren. — Der große 

ontanift aber des Abendlandes ift Tertullian (f. d. A.). Der fittliche Ernft des Mon: 
tanismus hat es ihm offenbar angethan. Schon zuvor durch den Kampf gegen alle Welt: 
förmigfeit beitimmt (De spect., De idolol., De cultu fem.), bat Tertullian in der 
neuen Prophetie das göttliche Siegel auf feine Beitrebungen erblidt. Ihre Anerkennung so 
Kheint noch nicht fofort einen Bruch mit der Kirche in ſich gefchloffen zu haben; fie zählte 

Anhänger unter den Sliedern der ftrengeren Partei (Tert, De virg. vel. 1). Die 

wahrichemlih von Tertullian verfaßte Pass. Perpet. läßt montaniftiihe Stimmungen 
en und gibt zugleih Kunde von Kämpfen innerhalb ber karthagiſchen Ge— 
mende (cp. 13). Bereitö De corona 1 erklärt Tertullian, der Anwalt der neuen Pro: 55 
phetie (Adv. Prax. 1), es fehle nur noch, daß man aud die Martyrien verwerfe, mie 
Men die Prophetien desſelben Geiftes, und redet von den Bifchöfen der Kirche als Löwen 
m Frieden, Hirichen im Streit; ebenſo geißelt er De fuga 11 das lieben der Kleriker. 
? war doch vornehmlich ala Montanift der Vorkämpfer der Kirche gegen die Gnoſis, 
kiner Überzeugung nad) dazu jetzt erft recht befähigt (De res. 63. De an. 58. Adv, w 


& 


426 Montanismus Monte Caſſino 


Prax. 30). Aus dem Gottesdienſt der geſonderten Montaniſtengemeinde berichtet Ter: 
tullian De an. 9, wie während der Feier von einer Vifionärin gejchaute Gefichte, in 
denen fie mit Engeln, ja nit dem Seren verkehrte, Gebeimnifje vernahm, die Herzen 
durchichaute und Heilmittel anwies, nachher von den Gemeindeleitern geprüft wurden. In 
5 De ecstasi bat Tertullian die montaniftifche Offenbarung, zum Teil fpeziell gegen Apol- 
loniug, vertreten (Hier., De vir. ill. 40). Seine meitere Yussinanderfegung mit der Kirche 
ift Dann wie es fcheint wefentlich im Gegenſatz gegen Kalliſt von Rom erfolgt (Harnad, 
3ThK LI 114 ff; Rolffs 1. c.). So namentlih (do ſ. auch Bd III 641,14 ff.) in De 
pudieitia jeine entrüftete Abweiſung der Erklärung des römifchen Bifchofs über die 
10 Wiederannabme in Unzuchtfünden Gefallener. Nur der Geiſt in dem Pneumatiker foll 
in der Zuchtfrage entfcheiden, nicht die Menge der Bilchöfe (ep. 21). Gegen fcheinbar 
echt evangelifche Ausführungen (Harnack 1. c.) befämpft er in dem Esch De 
monogamia und De ieiunio nicht minder fchroff die Katholifchen als die Pſhychiker, 
deren Eſausſinn mipfällt, was des Geiſtes ift (De iei. 1. 17. De mon. 2). Wie wenig 
15 niit der Verwerfung des Montanismus alle Cffenbarungen fchon unterdrüdt waren, zeigt 
das Beifpiel Cyprians (vgl. Harnack, Z3ntlW III, 177 ff). Den Reft der Tertulliantften 
bewog Auguftin zur Rückkehr in die Fatholifche Kirche (Aug., De haer. 86). Bon bem 
Verfuch der Begründung einer Tertullianiftengemeinde in Rom erzäblt Prädeſt. —— 
Bonwetſch. 


20 Monte Caſſino. — Leo v. Oſtia (geft. nad) 1115), Chronicon Casinense (in MG 
Ser. VII, 5818q.); Petrus Diakonus (geit. ca. 1188), De viris illustribus Casinensibus — 
fpäter fortgefeßt dur Placidus Romanus (bis ca. 1600) und durd) Angelus de Nuce in 
jeinen Chronica s. monasterii Casinensis, Paris 1668. gl. Alfani Versus de situ, con- 
structione et renovatione monasterii Casinensis (bei Ozanam, Documents inédits, Par.1750, 

25 p. 261—268), fowie das Bullarium Casinense v. Cornel. Margarini, 2 tomi (t. I Venet. 
1650; t. II Tuderti 1670). 

Zufammenfajiende Darjtellungen aus den beiden legten Jahrhunderten: Erasmus Gattula, 
Historia Abbatiae Casinensis per saeculorum seriem distributa, Pars I et II, Venet. 1733 
(nebjt 2 Teilen Accessiones, ibid. 1734). — Luigi Tojti, Storia della Badia di Monte-Cas- 

% eino, 3 voll., Napoli 1841ff. (neue Ausgabe in t. 14—16 feiner Opp. omnia, Rom 1888.) 
Andrea Garavita (Prefatto del Archivio Casinense), I codici e le arti a Monte-Cassino, 
2 voll., Napoli 1870. — Bol. ®. Giefebredht, De litterarum studiis apud Italos, Berlin 
1844. Ferd. Hirſch, Dejiderius v. M. Caſſino, in den Forſchungen 3b Geſch. VII, 1—18. 
W. Wattenbady), Deutſchlands Gefchichtsquellen ꝛc. 6. Aufl. I, 167. 306f. 417; II, 2347. 48. 

35 G. Krätzinger, Der Benediltinerorden und die Kultur, Heidelberg 1876. J. Peter, Le cen- 
tenaire de St. Benoit au Mont-Cassino, in der Revue Chretienne, Juillet 1781. Riden- 
bad, Monte Caſſino von feiner Grüdung bis zu feiner höchſten Blüte unter Abt Defiderius 
(geit. 1087), Einfiedeln 18845. G. Grützmacher, Die Bedeutung Benedift3 von Nurfta x., 
Berlin 1892, S. 51 ff. Guſtave Glaujie, Les origines benedictines: Subiaco, Monte Cassino, 

40 Monte Oliveto, Paris 1899 (p. 8I—110 wichtig bei. in baugeihichtliher Hinfiht); D. Kaem- 
mel, Herbitbilder aus Italien u. Sizilien, Leipz. 1900 (bei. S. 135—183 die Beſchreibung bes 
Gebäudekomplexes, wie er gegenwärtig iit). 

Val. nod) Neher, Art M. Caſſino im KRR® VII, 1842 ff, fowie 3. Teil die von uns 
im Art. „Benediktinerorden“ (Bd II ©. 584, 14--36) angef. Kitteratur. 

66 Die Gründungsgeſchichte des Benediktiner-Mutterkloſters hat im Art. „Benedikt von 
Nurſia“ Bd II S. 579, 13---58 bereits ihre Darſtellung erfahren. Hier gilt es die be 
fonderen Schickſale des Kloſters jeit Benedikt, feine Stellung inmitten der zahlreichen 
Tochterflöfter und namentlich feine Einwirkung auf Kunſt und Wiſſenſchaft der Kirche in 
älterer wie neuerer Zeit zu betrachten. — Wie fon im römifchen Altertum die Berg 

50 jtabt der Gafinaten (Casinum, Liv. IX, 28, 8; XXII, 13; XXVI, 9; vel. Sil. I, 
IV, 227; Cie. Phil. II, I ete.) jamt ihren Umgebungen Schauplag mancher Triege 
riſchen Ereigniſſe geweſen war, fo batte die auf ibren Trümmern errichtete, im G 
gebtete zwifchen Mittel- und Unteritalien gelegene Abtei das ganze Mittelalter bi 
wiederholte ‚seindfeligkeiten und Zerjtörungen zu beſtehen. Unter den drei nächſten 

55 nach Benedikt (get. 543): Konſtantinus, Simplicius und Vitali$ fanden zwar twieberbolte 
Beunrubigungen durch barbarifche Horden ftatt, aber die Gebeine des Heiligen und feiner 
Schweſter Scholaſtika, beigefegt an der Stätte des einft von jenem umgeftürgten Apollo 
Altars und frühzeitig als wundertbätig verehrt, erwieſen fih fürs Erfte noch als hin 
reichender Schutz für die heilige Anſiedelung. Unter dem vierten Abte Bonitus fand durch 

so die Yongobarden eine erſte Zerſtörung des Kloſters ftatt (589). Die Mönche entlamen 
jäntlib nad Nom, wohin fie auch (angeblich) die Original-Handſchrift ihrer Ordensregel 


Monte Caſſino 427 


famt den vom Stifter eingeführten Maßen für ihre täglichen Brot: und Weinrationen, 
die berühmte libra und hemina, retteten. Papſt Velagius II. geftattete ihnen unmittel- 
bar neben dem lateranenfiihen Palaſt ein Klofter zu errichten, wo fte, beſonders durch 
Gregor den Großen ausgezeichnet und mit teitreichendem Einfluſſe ausgeitattet, faft 
11, Sahrhunderte hindurch ihren Sib behielten (vgl. Bd IT ©. 582,322—50). In diefe 5 
Zeit einer längeren Verödung Monte:Caffinos, in defien Trümmern nur zeitiveilig, wie 
es fcheint, einzelne Anachoreten hauſten, fällt die angebliche Entführung der Gebeine Bene: 
dikts und Scholaftilas durh den fränkiſchen Mönch Aigulf nach deſſen Klofter Fleury 
a. d. Loire (von wo die der Scholaitila fpäter nah Worms gekommen fein follen.. An 
diefe etwa ins Jahr 653 zu fetende Translation der Neliquien Benedikts, um deren 10 
willen Fleury fih fortan den ftolgen Namen St. Benoit sur Loire bailegte knüpften 
ſich langwierige Streitigkeiten zwiſchen den Mönchen des wiederhergeſtellten Monte-Caſſino 
und den Floriacenſern. Erſtere behaupteten nach wie vor im Beſitze der echten Reliquien 
des Ordensſtifters und ſeiner Schweſter zu ſein, wofür eine Bulle des Papſtes Zacharias 
angeführt werden kann, welche, wie es ſcheint, ihr thatſächliches Vorhandenſein an der 15 
urſprünglichen Begräbnisſtätte um das Jahr 742 vorausſetzt. Der Streit wird gewöhnlich 
durch die Annahme, daß Aigulf und ſeine Gefährten lediglich einige Partikeln der beiden 
heiligen Leichname entführt haben, zu ſchlichten verſucht (vgl. den Neobollandiſten Yan 
der Hecke in ſ. Vita S. Berarii, Acta SS. 17. Oct., p. 152sq., ſowie die in Anal. 
Boll. I, p. 75—84 edierte Translatio S. Benedieti [angeblih) vom Jahre 830, in» 
ern jeboch erft aus dem 9. Jahrhundert; ſ. Holder-Eager im NA. XII, 1886, 
S. 131f.)). 

Die erjte MWiederherftellung des cajinenfichen Kloſters erfolgte gegen 720 unter Papſt 
Gregor IL, und zwar durch den Abt Vetronar aus Brescia, der von da an noch mehrere 
Jahrzehnte, bis zu jeinem 750 erfolgten Tode, der Abter vorftand und diefelbe zu neuer 25 
Blüte erhob. Unter ihm ging Willibald, eriter Bifchof von Eichitädt (feit 741), aus dem 
Klofter hervor und verbrachte Pippins Bruder Karlmann, der einstige oftfränfische Haus— 
meier, bier feine letzten Lebensjahre, der Cage nah Gänſe und Lämmer hütend, ja einſt 
in ftillee Demut eine Züchtigung ind Angeſicht ohne Verſuch zur Race hinnehmend. 

acharias fol 748 jenes bis dahin in Rom gebliebene Autograpbon der Regel so 
Benedikts, welches übrigens fpäter (896) zu Teanum, angeblich bi3 auf ein das Ichte 
Kapitel enthaltende Blatt, durch eine Feuersbrunſt zu Grunde ging, dem Kloſter zurüd- 
erftattet, dasfelbe auch mit Privilegien verjchiedener Art ausgeftattet und feine Bibliothef 
mit etlichen Bibelbandichriften, namentlich einem ſchönen Evangelienfoder „mit Miniatur: 
malerei und Vergoldung” (con figure miniate e dorature) beichenft haben (ivegen 35 
der mehrfach dunklen Veranmiſ der Textgeſchichte der Benediktusregel ſ. überhaupt 
Traube SMA 1898 und E. C. Butler im IthSt 1901, p. 458— 468). Jedenfalls beginnt 
feit des Petronax' Vertvaltung ein allmähbliches Eingreifen Monte-Caſſinos in die Yitte- 
ratur: und Kunftentwidelung, wodurch es den auf diefem Gebiete teilmeife ibm voraus: 
geeilten Tochterklöjtern wie St. Gallen, Reichenau, Corvey 20. ziemlich bald es gleich ao 
Paul Warnefried, der einitige Kanzler des lebten Longobardenkönigs Deſiderius, 
war teild vor, teild nach feinem Aufentbalte am Hofe Karl d. Gr. Inſaſſe unferes 
Kloſters, wo er feine Historia Longobardorum ſowie feine Expositio in regulam 
8. Benedicti fchrieb. Kurz nad) dieſes berühmten Gelehrten Tode, der (mie Dahn nad): 
gewielen bat) wohl fchon 795 zu jegen ift, wurde Gifolfus aus dem Gefchlechte der Her: 15 
e von Benevent Abt von Monte-Caſſino (797---817), deſſen Kirche und fonitige Ge: 
äude damals weſentlich vergrößert und verfchönert twvurden. In die nächitfolgende Zeit 
fallen bedeutende Bereicherungen des Grundeigentums oder Patrimoniums der Abtei durch 
ürftlihe Schenkungen. Als nicht unbedeutender Gelehrter galt Abt Bertbarius (856 bis 
884), der Auslegungen zu bibliihen Büchern des Alten und Neuen Teitantentes, aber 50 
auch Schriften über Grammatif und Medizin binterlich (leßtere teils pathologifchen In— 
balts, wie De innumeris morbis, teils pharmafologiichen, wie De innumeris reme- 
diorum utilitatibus). An feinen Namen als erjten gejchichtlichen Anhaltspunkt knüpft 
fh, was über Monte⸗Caſſinos Verdienfte um die Förderung der medizinischen Wiſſenſchaft 
iens, vor Entitehung der Hochichule von Zalerno als deren fpäterem Hauptſitze, über: 55 
* wird. Irrig iſt jedenfalls, daß eine förmliche Ärzteſchule auf dem Monte-Caſſino 
den babe (ſ. dagegen Meyer, Geſch. der Bot. III, 135f.; Haeſer, Geſchichte der 
‚3. Bearb. 1875, I, 615). Aber eine gute Krankenpflege: und Heilanſtalt muß 
das Klofter zeitweilig gehabt haben. Es gebt dies daraus bervor, daß daſelbſt Kaifer 
Seinrich II. einft gegen ein Steinleiven dort Hilfe fuchte und — angeblich durch perfönliches ww 


Montanismus Monte Eaffino 





durchſchaute und $ —— Meng der 
ö De Mus, ve bat ‘ ertullian die montamiftifche —— —— * — 








Monte Caſſino. v. Oftia (geft- nach 1115), Qurontoon Ossinense in MG 
pi VI, 581sq Band Biachus Mon (geit. ee unten u ara Uns = ı * 
* bt us — ——— Nuce 

nee monasterii Casinensis, Paris 1668. Bgl. Alfani Versus de Sim, in con· 
„rating et — monasterii Casinensis (bei a Documents i ba 
337 ſowie um) Bullarium Casinense v. Cornel. Margarini, 2 tomi t. Er 
t rti 1670). 

Zufammenfafiend Darftellungen aus den beiden feh age D Erasmus — 
Historia Abbatiae ar RL a a en aueh I et II, Venet. 1733 
(nebjt 2 Teilen Accessiones, ibid. 1734). — Luigi Tofti, Storia dena Badia di Monte-Oas- 

30 sino, 3 voll, Napoli 1841 ff. jew Ausgabe in t. 14—16 jeiner O — Rem —— 
Andrea Caravita (Prefatto Archivio Csasinense), I codiei e 
2 voll. Napoli 1870. — ®Bal. W. Giefebredht, De litterarum urn 


1544. Ferd. Hirſch, Defiderius v. M. Laffino, in ben Ta BT Seid) hen 
Peter, 





W. Wattenbach, Deutichlands Geſchichtsquellen ꝛc. 6. Au j. 417; 
5 &. Kräßinger, Der Venediktinerorden und die ———— jeibelberg 1876. a ren 
tenaire de St. Benoit au Mont-Cassino, in der Revue Chrötienne, J . Nie 
—* Monte Caſſino von ſeiner bis zu feiner 1 hiten Blüte unter 8 Deſideriu 
(geſt. 1087), Einſiedeln 18847. tzmacher, Die Bedeutung Benedikts von Nurfia ıc, 
lin 1892, ©. 51 ff. Guftave Gene, Les origines ben@dietines: Subiaco, Monte Cassino, 

0 Monte Oliveto, Ba 31899 (p- 81—110 wichtig er. in baugeichichtliher Hinfiht); D. Niaem: 
mel, Herbftbilder aus Jtalien u. Si 5 — Leipz. 1900 (beſ. S. 135—183 die Bejchreibung bes 
Sebäubetomplexes, wie er gegenwärtig ift). 

Bol. noch Neber, Art „Galli im KRL.* VIII, 1842 ff., fowie z. Zeil die von uns 
im Art, „Benediktinerorben“ (8b II S. 584, 14—36) angef. Litteratur. 

15 Die Gründungsgeihichte des Benediktiner-Mutterflofters im Art. „Benebitt von 
Nurfin“ Bo TI ©. 579, 13—58 bereits ihre Daritellung erf ‚Hier gilt es die bes 
jonderen Schidjale des Kloſters ſeit Benedikt, feine Stellung inmitten Na zahlreich 
Tochterlloſter und namentlich ſeine Einwirung auf Kunſt und Wiſ ürch 
älterer wie neuerer Zeit zu betrachten. — Wie ſchon im —— die Berg 

50 ſtadt der Caſinaten (Casinum, Liv. IX, 28, 8; XXII, 13; KR. 9: a 


IV, 227; Cie. Phil. II, 4 ete.) ſamt ihren Umgebungen Schaupla 
wieberholte Feindſeligkeiten und Zerjtörungen zu beſtehen. Un ö 
en 
Schweſter Scholaftifa, beigefegt an der Stätte des einft von jenem umgeſtürzten 
0 die Longobarden eine erfte ar des Klofters ftatt (589). Die — 










riſchen Erei niſſe geweſen war, io hatte die auf ihren Trümmern et im Öreng 
geb hen Auiichen Dittel- und Unteritalien gelegene Abtei * ganze binp dur rd 
55 nach Benebikt (geit. 543): Konjtantinus, Simplicius und —5 —— | 
Beunrubigungen durch barbariſche Horden ftatt, aber die Gebeine des H 
Altars und frübzeitig als wunderthätig verehrt, erwieſen ſich fürs — 
reichender Schutz für die heilige Anſiedelung. Unter dem  bierten Abte B 
fämtlich nad Nom, wohin ie auch (angeblich) die Original-Handſchrift ihrer Oxrbensregel 
































(von wo die der Scolaftite —— nadı — getommen Fein ee J 
86 Translation der Reliquien Benedifts, am 


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regor II., und zwar durch den Abt ar aus Brescia, von da an noch mehrere 
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Jacha oll 7iS jenes bis dahin in Mom gebliebene Autographen der Rep 0 

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dunklen Wert Bulk der Tertgejehichte der Benebiktus . upt 
Traube SM | ne 1901, p. 458—468). falls beginnt 
es — ein allmäbliches Ein nos im die Yittes 
Be R * atwickelung, wodurch es den auf dieſem Gebiete —— — * voraus⸗ 


sterflöftern wie St. Gallen, Reichenau, Co x. —— es gleich ao 
Bauhrieb der einftige jler des legten Longobard os Deine 
ils nad) Ben ———— am Hofe Rar sd. Gr. Inſaſſe unferes 
0 —— ren ir —* Expositio in 
Bi vis beehben en Tode, der (wie Dahn nad): 
iefen bi at) * en 7 u u jeßen ups vr 84 8 * dem Geſchlechte — 
onte⸗Caſſino (79 7 817), deſſen Kirche und ſonſtige 
tlich neigt * verſchönert Ian In die nächſtfolgende Zeit 
——— en des EEE ms oder Tatrimoniums ber Abtei durch 
chenkungen. Als nicht —* Gelehrter galt Abt Bertharius (856 bis 
gen zu bibliſchen Büchern des Alten und Neuen Teſtamentes, aber d 
ten übe: z Grammatit und Medizin —* (letztere teils patbologifchen ine 
e innumeris morbis, teils pharmafologifchen, wie De innumeris reme- 
* E— ſeinen Namen als erſten geſchichtlichen Anhaltspunkt knüpft 
08 Verdienſte um die Förderung der mediziniſchen Wiſſenſchaft 
er. von Salerno als deren fpäterem Hauptfige, über: 55 
ar In 8, daß eine fürmliche Ärzteſchule auf dem Monte-Gaffino 
en Mever, Geſch. der Bot. III, 435f.; Haeſer, Gejchichte der 
— 615). Aber eine gute Krentkenpflege⸗ und Heilanſtalt muß 
abt haben. Es geht dies daraus hervor, daß daſelbſt Kaiſer 
rein Steinleiden dort Hilfe ſuchte und — angeblich durch perſönliches w 


428 Monte Gaifiuo 


Erſcheinen des hl. Benedikt, um ihm den Stein auszufdmeiden — fie auch fand. Auch bat 
Konftantin der Afrikaner, der berühmte Arzt und Naturforfcher aus Salerno (geft. 1087), 
im Klofter des bi. Benedikt längere Zeit gervohnt und eine Sammlung von Medilamenten, 
das Vorbild für die Hlöfterlichen Apotheken der Folgezeit dafelbit eingerichtet. Salerno 
5 hatte nachweislih ſchon feit 694 ein benebiktinisches Klofter mit gutem Hofpital; die 
Annahme, daß ſowohl diefe wohlthätige Anftalt mie meiterhin das Entſtehen der Aerzte 
jchule ebendaſelbſt fih auf Einflüffe von Monte-Caffino ber zurüdführen, ſcheint nabe 
genug au liegen (vol. Zaurie in d. „Universitas" 1886, ſowie Acad. 1887, 22. Syarı.). 
Eine neue Epoche der Verödung des Kloſters und des Exils feiner Mönche, diesmal von 
ın faft 70jähriger Dauer, hob an mit einer Plünderung und Zerftörung durch die an ber Lirie: 
Mündung angefiedelten Earacenen, wobei jener Abt Bertharius am Altar der Kirche ge 
tötet wurde (884). Die überlebenden Mönche flohen nach Teano, unter Mitnahme einiger 
ihrer Heiligtümer und Dofumente, u. a. jenes Ur-Manuffripts der Regel, das aber fünf 
Sabre fpäter in Flammen aufging (f. o.). Nach 30jährigem Verweilen in Teano unter 
15 dem Schuße des dortigen Grafen, der freilich gleichzeitig einen beträchtlihen Teil der lie 
genden Güter des Klofterd an ſich riß, verlegten die Mönche ihren Sitz nad) Capua, 
eſtimmt durch ihren Abt Johannes J., einen Better des capuanifchen Fürſten und 
bauer einer jchönen St. Benebiltusfirche nebft daran ftoßenden Kloftergebäuden ebenda⸗ 
jelbft (915). Allein fie fanden bier, teil3 unter dem genannten Abte, teils unter befien 
0 Nachfolgern feit 934, auch in moralifchem Sinne ihr Capua. Die arg in Verfall ge 
ratene Zucht unternahm Abt Aligernus (949—985) wieder berzujtellen, ein Neapolitaner, 
der wieder auf den Monte-Caſſino feinen Sit nahm, in Anlehnung an Odos v. Clugny 
Grundſätze auf eine ftrengere Haltung feiner Mönche binwirkte, einen Teil der geraubten 
Hüter ans Klofter zurüdbrachte, fie mit Kolonijten befegte und mit neuen Ki bauten 
35 verſah, auch einiges zur Miedereinführung wiſſenſchaftlicher und künſtleriſcher Beftrebungen 
that (3. B. codicem evangeliorum auro et gemmis optimis adornavit, Chron. 
Casin. I, 33). Unter feinem Nachfolger Manfo, der zum Verbruß und Abfcheu des hl 
Nilus von Gadta eine üppige Hofhaltung einrichtete und viel mit berumfahrenden Sä 
und verweltlichten Mönchen verkehrte (985— 996), gingen Zucht und Ordnung des 
30 wieder ziemlich zurüd. Tesgleihen fpäter unter Atenulf (1011— 1022), bis nach deſſen 
Flucht der deutfch gefinnte Theobald (1022— 35), unterftüßt von dem damals Italien 
bereifenden Odilo v. Clugny, ‚die ſtrengeren Grundſätze wieder beritellte. Nach ihnen re 
gierten dann die folgenden Abte, namentlid Richer (10:38-—55), der vertraute eber 
und Freund 2eos IX., dem diefer Papft die Kirche St. Croce in Gerufalemme zu m 
35 ſchenkte, ſowie der lotbringifche Prinz Friedrich (1056—57), der fpäter ald Stepban IX 
Papſt wurde, aber ſchon im folgenden Jahre ftarb. Die von Bapit Viktor II. bollzogene 
Urkunde der Beftätigung diefes Abts Nriedrih (eigenhändig gefchrieben vom Kardinal 
Humbert ſowie von diefem und von Hildebrand unterzeichnet, ift jüngft wieder aufgefunden 
worden (f. Kehr in den Gött. Nachrichten 1900, S. 104f., und vgl. Haud, KG Deutkh- 
40 lands III, 669 ff.; auch Mirbt, Art. „Humbert“ in Bd VIII, 146, 0 ff.). 

Unter dieſes Friedrih Nachfolger Dejiderius (1059—87), der letztlich ebenfalld den 
päpftlichen Stuhl beftieg (ald Viktor IIL, 1087, |. den A), erlebte Monte-Cafjind feine 
eigentliche Glanzepoche, eine fait 30jährige Zeit gleich mächtigen Einfluffes nach außen, 
wie wohlgeordneter innerer Verhältniſſen und guter Disziplin (f. Gerd. Hirich, Defiderius 

50. M.-Caff., Forſchungen VII, 1ff. jowie ©. Clauſſe 1. c. p. 125—137). Defiderius 
war ein Fürſtenſohn aus dem Haufe der Grafen von Marfi und Herren von Benevent, 
zugleich aber auch römischer Rardinalpriefter vom Titel der bl. Cäctlia, in melches Amt 
Nikolaus II. ihn gleichzeitig mit feiner Erhebung zum Abte von M.:Caffino einfeßte 
Seinem Kloſter fam dieſe feine Doppelte Machtitellung in nicht geringem Maße zu gut. 

50 Er bob dasjelbe auf alle Weiſe, brachte Die Zahl der Mönche auf 200, reftaurierte bie 
Gebäude und baute insbefondere die Klofterbafilifa mit großer Pracht, unter Herbeizi 
von Künftlern aus Oberitalien, Amalfı und Konftantinopel. Auf den in Konftanti 
gegofienen ehernen Thüren dieſes Gebäudes ließ er die Namen der zahlreichen, damals 
im Befi der Abtei befindlichen Ortfchaften eingraben; bei der Gintweihung, zu Anfang 

55 Oftober 1071, wurde ein achttägiges glänzendes Kirchenfeit im Beifein Aleranders IL, 
Damianis und vieler anderer Kardinäle gefeiert (Clauffe, a. a. O.). Auch zur Bflege 
der Wiffenfchaften trug Deſiderius manches bei, wie er denn koſtbar ausgeltattete litur⸗ 
giſche Bücher für den Gottesdienft berftellen ließ, den Chroniften Amatus (Verf. einer 
Historia Normannorum) ſowie jenen Afrikaner Konftantin im Klofter beherbergte, 

su felber ein die medizinischen Studien berührendes Werk: „Über die Heilmunder des 


Monte Caifino 429 


Benebikt”, verfaßte, vor allem aber das Krankenhaus des Klofterd vergrößerte und reich 
auöftattete. Über das hohe Anjehen, welches die Abtei damals fowie zum Teil fchon 
unter Defiderius Vorgängern bei der gefamten mittel- und unteritalifchen Bevölkerung 
genoß, bemerkt Gregorovius (Gefchichte Noms im MA IV, 157): „Die frechen Eroberer 
(Normannen) fcheuten fich vielleicht weniger vor dem Fluche des Lateran, als fie vor 5 
dem Bannftrahl zurüdbebten, den der Abt auf feinem wolkenhohen Berge wie ein Heiner 
Jupiter in Händen bielt und dann und wann auf ihre „nicht zufagenden“ Häupter 
berunterwarf”. M.:Caffino — „der Sinai des Abendlands”, wie man es Öfterd genannt 
bat — mar zugleih „das Mekka ſowohl der fühlichen Langobarden als der Normannen“. 
„Sie plünderten, aber fie verehrten inbrünftig St. Benedikt und wallfahrteten pfalmen= 10 
fingend zu feiner Gruft” (Gregoravius a. a. D.). 
us unter Oderiſius I. (1087— 1105), dem Kortführer und Vollender mehrerer 
Bauten feines Vorgängers, namentlich jenes Krankenhauſes, hielt das Klofter fih noch 
weſentlich auf der erftiegenen Höhe, ſowohl in Kirchlich-politifcher, wie in litterarijcher Hin- 
ficht ; desgleichen unter Abt Bruno, der zugleid Biſchof von Segni war (1107—1123; 15 
vgl. B. Gigalski, Bruno, Biſchof v. Segni, Münfter 1898). Unter ihnen ſchrieb ber 
berühmte Hiſtoriker Leo v. Oftia fein Chronicon Casinense (j. oben und vgl. Hurter, 
Nomenbclat. lit. IV, 40sq.). — Weiterhin im 12. Jahrhundert und noch mehr im 13. 
trat zunächſt ein Sinken der äußeren Macht ein, infolge vieler Übergriffe der unrubigen 
(herren, ſowie öfterer Anfeindungen durch die hohenſtaufiſchen Kaifer, gegen melde 20 
es die munizipalen Freiheiten zu verteidigen galt. Einzelne tüchtige Schriftiteller zierten 
dennoch aud in diefen Zeiten die Abtei, namentlich der Litteraturhiftorifer Petrus Dia- 
fonus, geft. um 1188, Fortjeger jener Chronit und Verfaſſer des mertvollen Schrift- 
fteller-Stataloga De viris illustribus Casinensibus, den fpäter Placidus Romanus bis 
gegen Ende des 16. Jahrhunderts fortführte (ſ. Wattenbach, Deutichlands Geſchichtsquelln 
im MA, II, 236f.). Auch blühten in dem Klofter einige Kunſtzweige, befonders die 
Glasmalerei. — Kaifer Friedrich 1I. vertrieb 1240 die Mönche aus dem Klofter, bejeßte 
dasfelbe mit feinen Soldaten und machte viele der fojtbaren Schäge zu Geld. Die Re—⸗ 
organifationsverfuhe des Eugen und gelehrten Abtes Bernardus Ayglerius aus Lyon 
(1263—82), Verfaflers einer neuen Auslegung der Ordenöregel, ſowie eines Speculum 30 
monachorum (morüber Hilarius Walter O.S.B. in d. StEMBCO. 1900, S. 411ff. zu 
leichen), erwieſen fich ebenjomenig zu dauerhafter Wiederheritellung der immer mehr 
allenden Disziplin im ftande, ala Göleftins V. Verſuch, die Benediktiner M.Caſſinos 
in Eöleftiner umzuwandeln (1294), oder als Johanns XXII. Erhebung der Abtei zu 
einem Bistum und ihrer Mönche zu Kathebralgeiftlichen (mittelft Bulle vom Jahre 1331). 36 
Ein Erbbeben im Sabre 1349 yerftörte die ftolzen Bauten des Stifts faſt gänzlich, fo 
daß die wenigen übrig gebliebenen Mönche über ein Jahrzehnt in elenden Hütten auf 
mmern wohnen mußten. Unter Urban V. nahm der von diefem Papfte ein- 
geſetzte Abt Andreas de Faenza, vorher Gamaldulenjermönd, die notwendig gewordene 
äußere und innere Reorganifation ſeit 1370 in feine kräftige Hand, freilich ohne bleibende «0 
erfolg zu erzielen (Clauſſe, p. 143f.). 
egen der reichen Einkünfte der Abtei geriet fie feit Mitte des 15. Jahrhunderts 
für längere Zeit in die Hände von weltlichen Kommendataräbten, die fie ſchonungslos 
ausraubten und die Disziplin aufs äußerte in Verfall brachten. Julius II. zivang 1504 
dad Klofter, die fchon etwa 90 Jahre zuvor in Padua (durch Ludovico Barbo im Klofter 15 
der bi. Juſtina um 1414) begründete Reform der bi. Juſtina anzunehmen, welche feit- 
dem den Namen der „Kongregation von Monte-Caſſino“ erhielt (Helyot, Ordres mona- 
stiques, VI, 239sq.)., So wurde der eingerifjenen Verweltlichung wenigſtens in etwas 
gefteuent; doch blieb diejelbe in vieler Hinficht immer noch groß genug. Eine prachtvolle 
iche Renovation wurde 1515 unter Abt Squarcialupi begonnen, nad) einem von Bra= so 
mante enttvorfenen Blan (Clauſſe 147 ff.). 

Ungeheure Reichtümer beſaß das Stift noch während des ganzen 16. Jahrhunderte: 
fin Abt verfügte, über 4 Bistümer, 2 Yürftentümer, 20 Grafſchaſten, 350 Schlöffer, 
440 Dörfer und Villen, 336 Bachthöfe, 23 Seebäfen, 33 Inſeln, 200 Mühlen, 1662 Kirchen; 
fein Einkommen wurde auf eine halbe Million Dufaten geſchätzt (vgl. Häften, Com- 65 
mentar. in vit. S. Benedicti, p. 105). Wichtiger als diefe materiellen Schäge erjcheint, 
mad Monte-Eaffino bis herab auf unfere Zeit an Geiſtesſchätzen und litterariichen Samm- 
lungen bewahrt bat. Es ift in gewiſſem Sinne doch richtig, was einer feiner jüngiten 
Geſchichtſchreiber, der Archivpräfeft Caravita rühmt: mährend der 1300jährigen Eriftenz 
feiner Abtei feien in ihr die Studien und die Liebe zu den Künften niemals untergegangen. 60 


88 
or 


430 Monte Gaffino Montenegro 


Derfelbe giebt den Beitand ihres Archive — das Schon Mabillon bei feinem Beſuch des 
Klofters im Jahre 1645 (Iter Italicum, p. 125; vgl. Broglie, Mabillon II, p. 12 bi 
17) als das bedeutendfte von Italien und als eines der wertvollften in ganz Europa 
rühmen durfte - - an auf „über 1000 Urkunden von Fürſten, Königen, Staifern und 
 Väpften, über 800 Handfchriften teils auf Pergament, teild auf Papier aus der Zeit vor 
dem 14. Jahrhundert, ſowie zahlloſe Papierbandichriften aus der fpäteren Zeit“. Eine 
Verwertung diefes reichen Yitteraturjchages für die mwiflenjchaftliche Arbeit meiterer Kreiſe 
baben erjt die letzten Jahrzehnte gebradt. Seiner einjtigen Bedeutung als Gentralfike 
des mächtigſten aller Fatbolifchen Orden iſt Monte-Gaffino feit 1866 — mo e3 zum 
10 Nationaldentmal des Königreichs Jtalien erklärt und in eine geiltliche Erziebungsanlil 
(mit etwa 40 Mönchen als Lehrern und 200 Zöglingen) verwandelt wurde — 
gegangen; aber es hat feit cbendiefer Zeit durch Mitteilung feiner reichen litterarif 
Schätze und Kunſtdenkmäler an weiteſte Kreife um jo fruchtbringender zu wirken begonnen. 
Gegen die Zeit der 14. Gentenarfeier der Geburt des Ordensſtifters wurde ein Gefamt 
15 verzeichnis der Gafjinenfer Handfchriften in mehreren Bänden Folio zu veröffentlichen be 
gonnen (Bibliotheca Casinensis, s. codicum mss. qui in tabulario Casinensi 
asservantur series, per paginas singillatim enucleata, 5 voll. 1873—1894). Als 
Ergänzung der Hauptbibliothef und Mittel zu deren bequemeren Benugung wurde 1899, 
bei der 1100jährigen Gedenkfeier des Paulus Diakonus (geit. 799), eine Handbibliothel 
20 für die Archiv: und Bibliothefbenuger, unter dem Namen Bibliotheca Paulina (genauer: 
Bibl. Consultationis a Paulo Diacono nuncupata) errichtet. Zwei größere Publi- 
fationgferten bringen periodifch erfcheinende Berichte über die Schätze der Bibliothek: das 
Spieilegium Casinense (mit mehr oder weniger belangreichen Tertveröffentlichungen 
teils klaſſiſchen teils kirchlichen Inhalts - 4 Bde bis 1896) und die feit 1897 erſchei⸗ 
25 nende Zeitſchrift Miscellanea Cassinese mit abhandelnden Beiträgen und Urkunden zur 
Geſchichte, Yitteraturgefchichte und Kunftgeichichte Monte-Caſſinos und des Benediltiner- 
ordeng überhaupt. Auch die zur Illuſtration der Schriftarten der Gafinenfer Codices 
dienenden Yarbendrudtafeln, welche 1876— 84 unter dem Titel Paleografia artistica 
di Montecassino erſchienen, ſowie das die Miniaturen derfelben Handfchriften beban- 
30 deinde Prachtwerk: Le Miniature nei codici Cassinesi; documenti per la storia 
della miniatura in Italia (2 Serien, 1888- 1896) gebören zu diefen den litterarifchen 
Ruhm des Ordens in neuem Glanze erjtrablen machenden Sublifationen des Mutter: 
flofters. Auf Behauptung des alten Ehrennamens ihres Sites als eines vor anderen 
einflußreihen Hauptberds und Brennpunkts der abenbländifchschriftlihen Kulturentwicke 
35 fung find alfo auch die dermaligen Inſaſſen der ehrwürdigen Erzabtei mit rüftigem Eifer 
und nicht ohne guten Erfolg bedadıt. ädler. 


Montenegro. — KLitteratur: Gopcevid, Montenegro; P. Coquelle, Histoire du 
Montenegro; N. Chef, Allgenı. Geſetzbuch 2c. für Montenegro. 
Montenegro erbielt feine Grenzen und allfeitig anerfannte ftaatliche Selbſtſtändigkeit 
49 durch den Berlmer Kongreß von 1878, fo daß es heute 9030 qkm umfaßt, von 
252000 Seelen bewohnt. Zum jerbifchen Volke gehörig, find die Montenegriner faft 
durchweg Mitglieder der ortbodoren Kirche, alfo dem orientalischchriftlichen Bekenntnis 
zugetban. Yange Zeit, von 1516-—1851 (1852), unteritand das Ländchen geiftlichen 
‚Kürten. Aus Sorge nämlich, es würden die Häuptlinge durch Zwietracht Montenegros 
+ Selbſtſtändigkeit zu Grunde richten, ließ der im Jahre 1516 geftorbene Yürft Georg 
durch Diefelben ſchwören, nach feinem Tode dem damaligen Metropoliten oder Biſchof die 
Fürſtenwürde zu übertragen. Dieſe Einrichtung wurde beibehalten, während von vorm» 
berein cin weltlicher Statthalter für die Angelegenbeiten der Bewaffnung und Krieg⸗ 
führung beitellt war. Die mit der Bezeichnung Wladika einander folgenden geiftlichen 
0 YXandesberren wurden von der verjammelten Volksgemeinde gewählt, bi8 der kriegen 
Wladika Daniel I. (1697-- -1737) feiner Familie, nad dem großen Dorfe Niegofch durch 
ihn benannt, die Nachfolge ficherte ; nur mangels eines zuläffigen männlichen Mitgliedes 
könne die Mahl auf ein ſolches aus anderer vornehmer Familie fallen. Aber die An: 
erfennung der geiftlichen Würde durch den ferbifchen Patriarchen früher zu Ipek, fpäter zu 
55 Karlowitz (oder auch jenen von Belgrad, 1750), ward für unerläßlich angefehen, 
ſchon Peter der Große als politifcher Protektor feiner Erklärung gemäß anerfannt ward. 
Erit 1852 wurde das Fürſtentum gleichfam fäfularifiert, da Danilo, der Neffe des leiten 
Wladika, fih durch eine neue Verfaſſung als weltlichen Fürften anertennen ließ, wovon 
nur dem Zaren dur befondere Geſandtſchaft Mitteilung zu geben beftimmt wurde. — 


Montenegro Montfaucon 431 


Die kirchliche Verwaltung des Landes unterfteht nur dem Metropoliten von Getinje, 
welcher eine größere Anzahl von Klöjtern (13), ſowie die von Popen bejegten Parochien, 
gegen 90, unter ſich hat; deren Sprengel richtet ſich größtenteild nach den Grenzen der 
83 Kapetandiſtrikte des Staates. 

Hinfichtlich des Schulweſens befteht der fürſtlichen Verordnung gemäß allgemeine 5 
Schulpflicht (auf 4 Jahre); fie mird natürlich infolge der Landesbeichaffenheit und der 
verbreiteten großen Armut nicht ſtrenge durchgeführt. Se eine Mittelſchule in Cetinje, 
desgl. in Dulcigno und Podgoritza giebt von der Sorge für etwas höhere Bildung 
Zeugnis, eine höbere Töchterjchule mit Penſionat beftehbt mit Erfolg fchon feit bald 
30 Jahren in Cetinje. — Außer der ortbodoren Stirche ift nur noch die römifch-Tatho= 10 
liiche nennenswert vertreten, namentlich im Südoſten des Landes; fie zählt im ganzen 
etwa 7000 Belenner, melche den Biſchöfen von Antivari und von Cattaro unterſtehen. 
Die Seelforge üben jedoch faſt nur Konventualen aus, namentlich des Franzisfanerordeng. 
Erit feit 1886 ift die katholiſche Kirche durch das mit der Kurie in Rom abgejchlofjene 
Konkordat unter die „ſtaatlich anerkannten hriftlichen Religionsgefellfchaften” aufgenonmen 15 
und genießt die betr. Vorteile des neuen bürgerlichen Gefegbuches von 1888. — Die 
Muhammedaner der i. %. 1878 getvonnenen Zandesteile find mindeſtens zur Hälfte aus- 
gewandert, fo daß ihre Zahl kaum mehr 3000 erreicht. Am meiften hielten ſie ſich in 
Dulcigno, woſelbſt etliche Dſchamjen (Bethäufer) noch baulich in ſtand gehalten erden. 
— Für Glaubensgenofjen evangelischer Kirchen fehlt es an aller Baltorierung, zumal auch 20 
faft nirgends proteftantifche Familien auf längere Dauer jich niedergelaflen been. ; 

. 808 


Montes pietatis. — ®. Endemann, Die nationalötonom. Grundfäge der canoniftifchen 
Lehre, Ihrbb. j. Nationalökonomie, I, 1863, ©. 324ff.; derſ., Studien in der romaniſch-kano⸗ 
nijtifchen Wirthſchafts- u. Nechtslehre, I, 1874, S.460ff.; Uhlhorn, Kiebesthätigteit, II, S. 446; 25 
Rasinger, Geſchichte der kirchlichen Armenpflege, 2. Aufl. S. 402. 

Montes pietatis (Monte de Pietä, Table de Prät) find urfprünglidh milde Stif- 
tungen zur Unterftügung Armer geweſen, die gegen ein zureichendes Pfand Geldvorjchüfle 
obne Zinszahlung empfingen, mit der Bebingung, die Vorfchüffe zu einer beitimmten Zeit 
wieder zurüdzugeben, im Unterlafjungsfalle aber fich dem Berfaufe des Bfandes zu unter: 30 
werfen, um den Kapitalftod unverlebt zu erhalten, von deſſen Zinfen die Vorſchüſſe ge: 
währt wurden. Dieſe Montes pietatis hat man daher als Zeihanftalten oder Leihhäuſer 

betrachten; fie follten die Armen namentlid audy davor fchügen, den Wucherern an: 

imzufallen, gegen die ſelbſt auf mehreren Konzilien Disziplinarbeitimmungen erlafjen 
worden waren. Zur Beitreitung der Verwaltungskoften fügte man dann eine Zinszahlung 36 
für die Geldvorſchüſſe hinzu, doch beitanden auch Anjtalten fort, bei denen die Borgenden 
nur die Pfänder einfetten, weil beſtimmte Summen zur Dedung der Unfojten geitiftet 
waren. Die Montes pietatis find Später rein weltliche Anftalten geworden; fie ent 
fanden in Italien, mo der Kardinal von Ditia 1463 in Orvieto ein derartiges Leihhaus 
errichtete; Pius II. bat es beftätigt. Seinen Beifpiel folgte der Minorit Barnabas, der 40 
das Leihhaus zu Perugia 1467 in das Leben rief, es erbielt von Paul II. die Beſtäti— 
gung. Irrig iſt es, wenn Leo X. als derjenige Papft genannt wird, welcher die Montes 
pietatis zuerit (1515) bejtätigt habe. Aber er hat dadurd das Unternehmen gefördert, 
dab er in der 10. Sigung der 5. Lateranſynode, d. Mai 1515, die Konjtitution Inter 
multiplices vorlegte, welche die Montes pietatis im allgemeinen billigte und ihre Gegner 5 
für erfommunigiert erflärte, Bullar. Rom. V, S. 621ff. Ihre Einführung verbreitete 
fih bald nad) der Lombardei und der venetianifchen Terra ferma (nad) Babua 1491), 
denn auch nad) anderen Ländern, wie nach Frankreich, Holland, England ꝛc. In Deutfch- 
land Hat Nürnberg 1498 ihre Einführung zuerſt gejehen. Nendeder + (Hand). 


Mentfaucon, Bernard, geft. 1741. — Litteratur: Zajjin, Hist. litter. de la 50 
. de Saint-Maur p. 585—616 (deutjche Ausgabe II, 292—343); Vanel, Les Béné- 
dieins (Zitel |. s. v. Martianay) p. 199—204; Emmanuel de Broglie, La sociéêté de l'ab- 
baye de Saint-Germain des Pres au 18. sitcle: Bernard de Montfaucon ct les Bernar- 
dins, 2 Bde, Barid 1891 (II, 311—323 eine interejjante Autobiographie und »biblivgraphie 
R.3); H. Omont, B. de Montf. sa famille et scs premitres annees (Annales du midi 55 
—2 84—90), andere intereſſante Beiträge Omonts zu Montf. führt Tamizey (ſ. u.) 


an. 
Bernard de Montfaucon, Int. Montefalconius, geb. ben 16. (oder 17.,nidht 13.) Jan. 
1655 zu Soulatge (Dorf in Südfranfreih, Dep. Aude), 1719 Mitglied der Acad&mie 


des zur "wand et belles lettres, geit. 21. Degen bei hier zu Baris, wo er in ber 


Aus ltadeli lecht entſpro So — ns v Dontfaucon,, Herrn 

N —— —* ———— der Familie), 

Er heben flg en eigenen abın Seine dm Aug Markhalis —————— 

—— aber infolar einer Aranfhet — 
Studien rüd und trat 1675 in Das zu Kongregation des bl. Maurus 

Here a Be en ee ——— end Abteien * * wo er 

e. a | 

u“, Studium des — den begann sh die — organ in Klofter- 








nad) Saint-Ce ‚ denn wiffenfchaftli 
wo er vorzüglich der Bearbeitung der gri | Sı 

15 im n Jahre erichienen die Analeeta graeca sive varia opuscula graeca hactenus 

non edita, tomus — (et —— Paris 1688, 2) bon ne DET — 





20 vollendet ce Sn * —* 1693 geſtorben), bis —F die beite Necenfion — 
— welche ugleich eine umfangreiche hie desſelben und iuſche 

en zu feinen Werfen bietet (Athanasii archie Alexandrini opera omnia, 

— 1698, —* 2 Fe in 3 voll; enendatiora et At volumine aucta cur. 

SG * 228 ‚Da aber 







30 mit Studien on eff "und überall I chf —— 
Generalpro aude Eſtiennot (1699) war er eine Zeit lan 
Kong len ge dieſe Zeit balbamtlicher ———— —* * von J Orc 
die Angriffe der Jeſuiten re und perjönlih dem Pa x. i 

Yin — — — a Benet 


halt ko n Bent epunft ja im den Studien —* der von da an jejan 
* Alter a nur in feiner Litteratur, jondern auch in einen monumentalen. Erſchei⸗ 
nungen umfaßte: auf der einen Seite find es die r jamt den Hilfsmittel⸗ 
toeldhe e Paläograpbie und die Schäte der Bibliothelen ibm boten, auf der anderen 
die Antiken befonders von Italien, Griechenland und eich, die fein Intereſſe im 
5 Anfpruch nehmen. Zeuge deſſen ift fein Diarium italieum, sive monumentorum 
veterum, bibliothecarum, musaeorum etfe. notitiae — in itinerario ita- 
lico collectae (Paris 1702, 4°), worin er einen ausführlichen N a 
wohl des ——* als des chriſtlichen Altertums und des 
Bibliothekfataloge u. |. w. veröffentlicht. Wenige Jahre fpäter folge bie Pr grap 
5 graeca, sive de ortu et progressu literarum graecarum, et de varlis om 
saeculorum scriptionis graecae generibus (Paris 1708, ol.) ein Meifteriver 
fommen muftergiltig für m. - und jedem, der fid) mit diefen Stubien beichäftigt, u 
entbehrlich, eine Leitung, durd welche eine neue Disziplin nicht nur begründet, ſond 
at on —* und en fhaffen hat (gl al Fr gar feine Vorgi 
65 hatte, ſondern alles aus Nichts ge en 1: 8 ttenbach, Schriftweſen im MU, 
. 37, 38 und Gardthauſen, Griech. Paläogr., Leipzig 1879, ©. * F | 
Der ok gr. entwidelten Grundſätze wandte M. praktiſch an in ber nicht minder 
ausgezeichneten Bibliotheca Coisliniana olim Segueriana (Paris 1718, dem 
Verzeichnis von vierhundert, jetzt einen Beſtandteil der Pariſer Nationalbibliothet bilden⸗ 
so den griechiſchen Handſchriften, welche nicht nur ausführlich beſchrieben, — zum Teil 



















— —M— — 











Montfaucon 433 


auch verglichen find, felbitverjtändlich mit anecdota bene multa ex eadem bibl. 
desumta. Hier reihen wir, um bdiefe, ich möchte jagen biblivthelarifche Seite von M.s 
Thätigkeit abzufchließen, fogleich ein anderes wichtiges, noch jeßt nicht entbehrlich getvordenes 
Wert an, die Bibliotheca bibliothecarum manuscriptorum nova: ubi, quae in- 
numeris pene mstorum bibliothecis continentur, ad quodvis literaturae genus 5 
spectantia et notatu digna, describuntur et indicantur (Paris 1739, 2 voll. fol.). 
Unebdierte Texte veröffentlichte er in der Collectio nova patrum et scriptorum graecorum 
(Paris 1706, Fol., 2 Bde, enthaltend des Eufeb. Cäfar. Kommentare zu den Palmen und 
zu Jeſaias, neuentdedte Lleinere Schriften des Athanafius und die chriftliche Ortskunde des 
„Indienfahrers“ Kosmas, |. Bardenbewer, Batrol. 2.4. ©. 219 und 490). 1713 folgte 10 
die Sammlung der Fragmente der Herapla des Origenes (Hexaplorum Origenis quae 
supersunt, zivei $oliobände), welche 160 Jahre lang zu den wertvollſten exegetiſchen 
Hilfsmitteln gehörte und erſt jeßt durch die neue, 1875 in zwei Duartbänden vollendete, 
felbftverjtändlich viel vollftändigere Ausgabe von Fr. Field abgelöft ift, welcher praef. 
. IV feinen Vorgänger in der rühmenditen Weife anerfennt. 1718—1738 erſchien bie 15 
usgabe des fruchtbarften griechiichen Kirchenvaters (Joannis Chrysostomi opera 
omnia, Paris, 13 Foliobände, wiederholt Venet. 1734—1741, ed. Parisina altera emen- 
data et aucta, 1835— 1840, beforgt von 2. Sinner und Th. Fir, abgedrudt bet MSG 
Bd 47—64) ſ. Bardenhewer 1. 1. 3025. — Der oben angebeutete Plan eines großen, 
das ganze Altertum in feiner fichtbaren Erſcheinung umfpannenden Werkes gelangte zur 20 
Ausführung in der für die damalige Zeit bewunderungswürdigen KRiefenpublitation 
L’Antiquit& expliqu6e et repr&sentee en figures (Paris 1719), 10 Foliobände mit 
nahezu 1200 Kupfertafeln und faſt 40000 gezeichneten Figuren. Binnen zwei Monaten 
waren die 1800 Eremplare vergriffen, eine zweite Auflage erjchien 1722: tm engen An: 
ſchluß an die Gliederung des Hauptwerkes noch fünf Supplementbände (Parts 1724). 35 
eitlich ſchloß M. mit der Mitte des 5. Jahrhunderts, dagegen werden in den einzelnen 
iteln weder griechifches und römiſches Leben von einander geichieden, noch Epochen in 
einem der beiden bezeichnet ; das ganze Staatöiwefen des Altertums iſt ausgefchloffen, 
onſt aber die Mythologie, das Neligionsweien, das ganze Privat: und Verkehrsleben 
belt: Griechen und Römer find als Mittelpunft des Ganzen feitgebalten, aber 30 
daneben in einem befonderen Bande (II, 2) die religiöfen Denkmäler der Agpypter, 
Araber, Syrer, Berfer, Skythen, Germanen, Gallier, Spanier, Karthager behandelt, 
dagegen die der Juden ausdrüdlih ausgeſchloſſen (Detaild und Ausftellungen über 
ungenaue Zeichnungen, mangelnde Kritik u. |. w. fiehe bet C. B. Stark, Archäologie 
der Kunit (1880), ©. 1413 — 146 u. 6.) Cine Fortſetzung des Ganzen, aber mit 35 
Beichräntung auf Frantreih, find Les Monumens de la monarchie frangoise 
(bi8 auf Heinrih IV.), von denen aber nur die erfte, die dynaſtiſchen Denkmäler 
umfaflende Abteilung, in fünf Yoliobänden (Paris 1729—1733) erfchienen ijt. Bon 
anderen Schriften M.s, der mit feinen Studien befrucdhtenb auf die verſchiedenen theo- 
tichen Hilfswillenichaften einmwirkte, ift zu nennen (wegen der von ihm mit gewaltigem 40 
erial, aber anonym verfochtenen, ſchon von Eufebius ausgeiprochenen Hypotheſe, daß 
bie Therapeuten Chrilten waren) Le livre de Philon, de la vie contemplative, 
traduit sur l’original grec. Avec des observations, oü l’on fait voir que les 
Therapeutes dont il parle &toient Chretiens (Paris 1709, 8°), die zu dem Beiten 
rt, was in alter Zeit über de vita contempl. und über die jtrittige Frage ge: «6 
en worden tft (Lucius, Die Therapeuten, Straßb. 1879, bat diefe Hypotheſe, jedoch mit 
neuer Wendung, wieder aufgenommen; gegen biejelbe Wendland, Jahrbb. f. Ela, Philol. 
Suppl. Bd XXII (1896), 693 - 770; Zeller, Geſch. d. Phil. III, 2%, 377 -389: die 
über den Gegenſtand mit Bouhier gewechſelten Schriften find vereinigt in den Lettres 
pour et contre sur la fameuse question, si les Solitaires, appellez Théra- w 
peutes ... Etoient Chrötiens (Paris 1712, 8%). Die verfchievenen Abhandlungen, 
weiche M. für die M&moires de l’acad. des inser. fchrieb, finden ſich aufgezählt in 
der Nouvelle Biographie generale XXXVI, 228f. Seine umfangreiche Rorreiponbenz 
legt in der Nationalbibliotbef zu Paris; einzelne Partien davon find herausgegeben von 
Balery, Correspondance inedite de Mabillon et de Montf. avec l’Italie (Paris 1846, 55 
3 Bde), von Ulyſſe Gapitaine, Correspondance de B. de M. avec le baron 
G. de Crassier (Yiege 1855), von U. Dantier in ven Archives des missions seientif. 
VI (1857), p. 308—353. 500-502, von Broglie in feiner oben genannten ausführ- 
lichen Biographie. Aus der kgl. Bibliotbef in Kopenhagen (Brieffammlung Bölling) 
publizierte Em. Gigas viele Briefe von und an M. in den Lettres in&dites de divers w 
RealsEncullopädie für Theologie und Stirhe. 3. A. XIII. 98 





Moody 435 


tage erſchien er mit achtzehn auf der Straße aufgelefenen Knaben, Schubpuger:, Straßen: 
febrer-, und Zeitungsjungen im Eonntagsjchulzimmer. Durch feine anhaltende Bemühung 
wuchs die kleine Sonntagsſchule fo ſehr, daß ihr Raum nicht mehr ausreichte. Im 
Herbſt 1858 beſchloß M. die Gründung einer eigenen Sonntagsſchule. Er mietete zu 
dieſem Zwecke den über der nördlichen Markthalle gelegenen Saal, den er übrigens jeden 5 
Sonntag Morgen von dem Unrate reinigen mußte, den ein deuticher Verein am Abend 
vorher durch Bier: und Tanzbeluftigung verurfacht hatte. Mit diefer Sonntagsfchule hatte 
er ungebeuren Erfolg; in furzer Zeit war die Schülerzahl auf 1500 angewachſen. Durch 
die Schüler ſuchte M. dann auch auf die Eltern zu wirken. Er bielt an den Sonn: 
tagsabenden, jpäter auch an Werktagsabenden Evangelifationsverfammlungen; in diefen 10 
ließ er von Pfarrern und Studenten Predigten balten; bald fing er auch an, ſelbſt al? 
Redner aufzutreten. Kritifch gerichtete Leute mahnten ab; er mache zu viel grammatikaliſche 
Echniger. Einem, der ihm dies vorbielt, entgegnete Moody: „Sie fennen die Gram⸗ 
matif, was tbun Sie damit für den Herrn?” Bald wuchs M.s Arbeit im Evangeli- 
ſationswerke jo, daß er fih vor die Frage geitellt ſah, entweder dieſes oder feinen Be⸗ 15 
ruf aufzugeben; er entjchied fich für das Letztere. Von da an mar er unermüdlidy thätig 
im perjönlichen SHerbeiholen von Alten und Jungen zu feinen Verfammlungen und 
Sonntagsſchulen. Während des Sezeſſionskrieges beſuchte er mehrere Schlachtfelber, 
unmittelbar nachdem große Schlachten gejchlagen waren, und leiftete den Verwundeten 
leiblichen und geiftlihen Beiltand. Nach dem Kriege errichtete er ein für feine Sonn: 20 
tagsichul: und Evangelifationsziwede geeignetes Gebäude, die jogenannte „Farwell-Hall“, 
und als dieſes unverſehens niederbrannte, ein zweites unter dem gleichen Namen. Aber 
auch dieſes zweite Haus wurde im Sahre 1871 bei dem großen Brande von Chicago in 
Aſche gelegt. Hierauf wurde ein probiforifchesg Gebäude errichtet, befannt unter dem 
Namen North Side Tabernacle, |päter wurde dasfelbe durch eine großartige Kirche 25 

Einen Mendepuntt in M.s Leben bedeutete feine Reife nach England, die er ın 
Gemeinfhaft mit dem Zänger und Komponiften zahlreicher Evangeliumslieder Ira 
D. Sankey unternahm. Dort hielt er in zahlreichen bedeutenden Städten Erweckungs⸗ 
verſammlungen, deren Erfolg, wie von vielen kompetenten Männern (unter denen Henry so 
Trummond) anerfannt wird, ein ungeheurer geweſen fein fol. Während dieſer Reife wurde 
die Herausgabe des nunmehr überall befannten Xiederbuches, genannt GospelHymns, geplant 
und beierlitelligt. Durch die Berichte, welche von England nach Amerifa über M. famen, 
wurde er in feinem eigenen Vaterlande erſt meiteren Kreifen befannt. Als er nad) zwei⸗ 
jähriger Abweſenheit zurüdfehrte und in feiner alten Heimat in Nortbfield Wohnung 35 
nabm, erhielt er aus mehreren großen Städten Einladungen, „Belehrungsfeldzüge” zu 
unternehmen. Die eriten folden Kampagnen wurden in Brooklyn, Newyork und Phila⸗ 
delphia veranitaltet und waren alle von koloſſalem Erfolge. Tauſende laufchten den 
Worten des erniten Mahners zur Umkehr und des freundlichen Rufers zum Heile in 
Chriſto. Seitdem und bis an fein Xebensende hat M. jede bedeutende Stadt der Ber: 40 
anigten Staaten befucht und überall gleichen Erfolg geerntet. 

Aber er beichränfte feine Arbeit nicht auf diefes Augenblickswerk. Das reiche Ein: 
fommen aus den „Gospel Hymns“, das er für ſich zu verwenden ablehnte, feste ihn 
in den Stand, mehrere Anftalten zu gründen, in welchen feite chrijtliche Charaktere ber: 
angebildet werden jollten. Er gründete ein Seminar für Jünglinge und eines für Jung: #5 
frauen, beide in Northfield. In diefen Anſtalten wird ein großer Teil der Zeit auf 
förperliche Arbeit verwandt. Tazu kam noch die Bibel, Koch- und Nähfchule, die in dem 
ehemaligen Nortbfielder Hotel eingerichtet wurde, und das Bibelinftitut in Chicago, in 
welchem Alt und Jung in der Kenntnis der Bibel gefördert werden follen. 

M. war verheiratet mit Emma C. Revel aus Chicago. Sein samilienleben fol ein wo 
außerordentlich liebliches geweſen ſein. Seinen Sohn Willtam betraute er mit der Ab- 
faftung feiner Biographie. Im November 1899 befand fih M. in Kanfas City, mo er 
in der für die demofratifche Nationalfonvention für 1900 errichteten Halle VBerfanm: 
lungen abbielt. Die Zahl jeiner Zuhörer betrug dort in der Regel 10 000—15 000. 

ier war es, wo M. feine lebte Anſprache hielt, und zwar am 16. November 1899. 56 
m andern Tage mußte man ibn Strankheitsbalber mitteljt Extrazuges in feine Heimat 
fhaffen. Dort ftarb er am 22. Dezember infolge von Herzſchwäche. 

M. war eine durchaus lautere und aufrichtige Verfünlichfett. Ein Theologe war er 
nicht; die einzige Ausbildung, die er jemals genoifen bat, gab ihm die Yandichule in 
Rortbfield. Er war aber immer bereit, zu lernen; traf er mit Vfarrern zufammen, fo co 

28* 


& 


Moody Mornliften, englifche 


| b dem is dunller Bibel 
— als ame in m ie Hide a ih, an als ein Mann —— 
land im Herzen trägt und deshalb den Wunſch bat, andere mit gleichem Heile zu 


. löſ re eine Gabe Gottes, die * en Yagenblid I "wir ke Bei 









— 5 —— — Pe 

e m ‚wie z. B. 283, 

— er fich fortwährend Santen auf, He ibm ee Jh, Kann, 
ober gefejen: dieſe Aufzei | i 


tete er dann in das bezügli e Roubent, unb ken er ‚eihe redia zu 

er eines der Kouverte vor, ſichtete die. „Punkte“ und machte ſich mit 

= m ee tigen. u M. —— völlig interbenomationell war, bedarf wohl 

der un litterariſch war er einigermaßen tbätig; zu nennen wären: 

16 Second Co ng of Christ“, 1887; „The Way and the Word“, 1877 ; „The 
—— of Power or The Seeret of Success in Christian Life and Work 

1881; „The Way to God and How to Find it“, 1884; „Glad —— * 
„Arrows and Anecdotes“, 1877; „Best Thoughts and Discou —— 


iften, engtifde. — Gelby-Bigge, British Moraliste, R Orfor 1807 (Texte u. Aus- 
"wi lin, Geſch. d. hrijtl.Woral, Göttingen 1808; | — 
* —* '®. Gaß Geh. d. reift, Ethit, Berlin 1881187: Se 


ES ar Tübi —— 1855; * * ee: — 55* in der — * — I, —— 


2 — h 1874; "ale —2 — Histo try of Eng tho t in ie 16 a th. Bi! 
— Geſch. d —— Er Ri — von J 
Abbey u. — The English church th. cent.?, London 1896 
phiiche Le von —— Staat u. Sitte (et Mitte bes 18. Jahrh.s — Sa ein, 
eipzig 1 Garve, —— der vornehmſten —— der ——— 
so 17  Remufat,. Hi istoire de en Angleterre depuis | 
Far 1 BR. V. rg Cours Fr istoire de * ilosophie morale au — ne ce, Yan Barie 
MB. net, Histoire de la science politique dans ses la morale *, 
1 187" . Bender, a und Aafetit, ag ie „D. ghilof. VI 1809; 
Troeltſch, —5— probleme d. € j. Th. u. 8. 1902 morale 
35 temporaine, Pa A; rin n —* Io Sabth., aber A ae: ER Is DR: gefomien 
engl * Sidgwick, Art. „Ethies“ der Encyel. Britannica®, B 


engliichen Moraliften des 17. und 18. Jahrhunderts leijten für bie Geil, was die 
engli —* Deiften der gleichen Zeit für bie —— enſchaft geleiſtet haben. Wie dieſe 
— mit den ber katholiſchen und proteſtantiſchen ee Be 
bilojopbijchen Vorausfegungen vollzogen und von einem pfochologif 
* ealbegriff der Religion aus Grund einer pf den Helgionsee —— 
analyſe ſowie einer univerſal-hiſtoriſchen, vergleichenden Rel Hru 
lage der Religionstheorie des 18. —— und damit der De ee ER 
philoſophie überhaupt gelegt haben, jo haben jene den Bruch mit den begrifflichen Wor-- 
46 vn han der bisherigen dogmatifch begründeten, Staat, Kirche und Privatleben regeln: 
oral vollzogen und das Begriffsichema geichaffen, innerbalb deſſen Die moderne 
Hr thik entitand, und von dem aus auch die bisherige chriftliche Eth 
baftlibe Stellung ſuchen mußte. Beide find —— das Ergebnis des 
—* engliſchen Revolution gegebenen Anſtoßes, das | 
6 felbe bedeutet, was die Neformation und Nenaiffance für das 16. und 17. und fvas die 
Ah san für das 19. bedeutet. Beide zeigen den gemeinfamen 7 
rafter d unktes von den firchlich- cholafti Begriffen und ber 
ber bis babin — rängten Rengiſſance-Elemente; beide aber vereinigen 
triebe nicht etiwa eklektiſch, ſondern mit der vorwärtsdringenden Kraft heorien. 
65 Sie find getragen von der ſich mächtig hebenden kulturellen und politiſchen Stell 
Englands und infofen nur Beftandteile der dort fich bildenden umfafjenben gefigen 
Arbeit, welche alle Probleme der — in dem neuen Geiſte der Beobachtung | 
Erfabrun bearbeitete und nd pegialifierung der Einzelwifjenichaft begründe 
die für Natur und Geiſteswiſſenſ daft ned bedeutfam wurde. So find hier Neligions 
 wifienichaft und Ethil (em enſchaften von bejonderen Metboden und Prol 





ILL ii ⸗ 






















Moraliften, englifdhe 437 


geworden in relativer Selbſtſtändigkeit gegeneinander, ebenſo wie die in Erfenntnistheorie 
und Pſychologie fih auflöfende Metaphyfif, die Aſthetik, Politit, Volkswirtſchaftslehre 
u Eingelmwiffenfchaften mit neuen Grundlagen geworden find. Darin äußert fih der 
eobachtende und analpfierende Geift der Engländer. Dem Kontinent blieb es überlaffen, 
von diefem neuen Boden aus wieder abjchließende allgemeine Begriffe zu fuchen. Aber 
die Baſis diejer neuen Begrifföbildung ift überall und befonderd in der Ethik von den 
Engländern geichaffen worden, und fie haben daher der fontinentalen Arbeit den Stoff 
und die wichtigften Antriebe zu feiner Bearbeitung zugeführt. 

Das Weſen der Arbeit der englifchen Moraliften befteht darin: 1. daß fie den von 
der chriftlichen Ethik endgiltig praftifch berausgearbeiteten Begriff der Autonomie des Sitt: 
lichen wiſſenſchaftlich zu faflen und auf alle ethifche Urteile zu übertragen fuchten, ſowie daß 
fie neben die Zwecke der chriftlihen Ethik teild feindfelig und auflöfend, teild ergänzend, 
teils vermittelnd die in ihrer Selbſtſtändigkeit ſich praktiſch offenbarenden weltlichen Zwecke 
— 2. daß ſie an Stelle der bisherigen Ableitung des Sittlichen aus dogmatiſchen 

utoritätslehren und aus der ſupranatural⸗-dualiſtiſchen Erlöſungs- und Gnadenlehre die 15 
Methode einer immanent:pfochologifchen Analyſe ihren Unterſuchungen zu Grunde legten. 
Daraus ergiebt fi die Aufgabe, zu zeigen 1. die Herausarbeitung der Autonomie und 
der Ergänzungsbedürftigfeit des chriftlich-religiöjen Zivedes aus der dhrijtlich-pogmatiich- 
ethifhen Gntwidelung; 2. die Einführung der pſychologiſch-analyſierenden Methode; 
3. die Theorien der englifchen Ethiker; 4. Bedeutung und hiſtoriſche Wirkung dieſer m 


Theorien. 

I. 1. Maßgebend für die neue Grundlegung der Ethik ift zunächft immer noch die 
von den eriten Jahrhunderten der chriftlichen Zeitrechnung an N bildende Formation 
der ethiſchen Ideen im Katbolicismus. Aus den bier zufammengefaßten Kräften und 
ihren Entwidelungen ift alles mweitere entitanden. Das Charakteriftifche dieſes Syſtems ift, 25 
daß es die uriprünglidy weſentlich transcendente, rein religiös auf das Weltende und 
volllommen gottinnige Leben gerichtete chriftliche Ethik ſeit dem Zurüdtreten der Eöchatologie 
und feit dem Eintritt pofitiver Auseinanderfeßungen mit der Kulturmwelt in Verbindung 
mit der antiken Kultur und vor allen mit ihren philoſoph⸗-ethiſchen Theorien fegen lernte. 
Dabei verichmolzen fich die religiöjen Elemente des Chriftentums mit den religiöfen der 30 
myſtiſchen Spekulation und die allmählich herbortretenden fulturellen Elemente des 
Chriftentums mit der antiken Kulturetbif. Die Sicherſtellung der chriftlichen Elemente 
in diefem großen Amalgamierungsprozeß erfolgte im Zufammenbang mit der ganzen 
fupranatural=firchlichen Obieftivierung des Chriftentumg durch die Idee des übernatürlichen 
Kirchen: und Gnabdeninftituts, das, auf befonderer einzigartiger göttliher That berubend, 
dem Handeln fomwohl ein übernatürliches Ziel ftedte ald ihm übernatürliche, der erb- 
fündigen Schwäche entgegengefette Kräfte verlieh. In Bibel und Kirche auf übernatür: 
liche Weiſe geoffenbart, war das Ziel auch inhaltlich übernatürlich, injofern die Gnaben- 
ethit dem freatürlichemenfchlichen Weſen in der Anteilnahme an der göttlichen Weſens— 
fubftanz ein das Mejen der Sreatürlichkeit durch befonderen göttlichen Gnadenentſchluß 10 
überfchreitendes Ziel gewährt. Hierfür wurden die myſtiſchen neuplatonifchen Theorien 
zur begrifflichen Begründung herangezogen, injofern die Teilnahme am göttlichen esse 
als ein Ausnahmefall von der allgemein Ffreatürlihen Ordnung fonftruiert und dieſes 
myſtiſche summum bonum nur durd befondere übernatürliche und ſakramentale Gnabden- 
wunder d. h. durch eine nicht dem freatürlichen und obendrein jündigen Willen, fondern 45 
nur dem pfochologifchen Wunder der Gnade entipringende Kraft realifierbar gedacht wurde. 
Darın hat der Wechjel der fatholifchen Ethik zwifchen prinzipieller MWeltflucht der Seelen 
und prinzipieller Meltherrichaft des Kircheninitituts feinen Sand, Auf der anderen Seite 
aber die Geltung einer normalen natürlichen Sphäre neben der Gnadenethik anerkannt 
und deshalb eine auf der Idee kreatürlicher Zivede und Treatürlicher Kräfte berubende, wo 
an fich ebenfalle auf Gott, aber eben nur auf gewöhnlich Treatürlihe Weiſe, zurüdzu: 
führende natürliche Ethif anerkannt, die es als Unterbau und Vorftufe, ſowie ale Objekt 
der Gnadenethik zu würdigen und nach Tirchlichen Geſichtspunkten zu leiten galt, um da⸗ 
mit eine gewiſſe Übereinitimmung dieſer beiden entgegengefegten Ethiken herbeizuführen. 
Darin hat der Ausbau des Katholicismus zu einem grandiofen, irdifche und bimmlifche Ziele, 55 
natürliche und übernatürliche Kräfte, Staat und Kirche umfaſſenden Kulturſyſtem ſowie 
die unaufbeblihe Spannung zwiſchen mönchiſch-klerikaler und laienbaft:bürgerlicher Moral 
ihren Grund. Diele natürlihe Ethik wurde begrifflic Tonftruiert durch die Heranziehung 
der bereits von der Antike breit ausgearbeiteten Kategorie der lex naturae, die aus der 
natürlihen Welt: und Seelenbeſchaffenheit und der diefer Beichaffenbeit zu Grunde qo 


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lm Mordu Moraliften, engliſche 


e ee pe beie on tag wer Dino nnd Den Veritandnis ibm dunkler Bibelſtellen. Er 
ans one Yon „aytinper Zum nänn, nur als ein Mann, der feinen 


oh. tr nad ya der Wuarich ber andere nit gleichen: Seile zu 
wo gnavwtbispder Der on zg® !yrferzae Bechrung, inden er fagte, Er: 
“one ran tal enteo gene der Shaun In Fnrprang nehmen fönne. Be 
Nana 2er ld erupro.n rie 2. Trommend erzüblt, jo, Daß er 
EN erben emane up d puibuig mi DUUCMUT SU EN 8. Gnade, 1 23, 
on Norm. yo yeiweppnp Sudan z;° Ne ihm teils ſelbſt kamen, 
an vr. owerne un α tele Zeitungsausichnitte, 
W a. pm Tas Mani allanme zer werm er eine Predigt zu 
W Mm ro gyperzm ü )  Korke" und machte ſich mit 
> oh, man mo muersenrmzurmel mar, bedarf mohl 

x i mm 2 


tn Duo num 2 (7 amaermsEıT me: u nennen waren: 
onen meln a. nm. 887, „The Way and ıı: Word“, 1877; „The 


x Sec Ne erer >? Success in Chrisczı Life and Work“, 
ehe seu iind How to Find it“, Ins4; „Gad Tidings“, 1876; 
ou siaumen" 8, „Best Thoughts and Irau:urses“, 1877. 
8. Brendel. 
—99 mia. Zeiim-Bigge, British Moralists. Zr? 2337 (Zerte u. Aus: 
. wm mer ikoral, Göttingen 1808: ——— Geſch. d. chriſtl. 
sc im me, Seide d. chriſtl. Ethik, Berlin 1551 87: Muuerlein, Sittenlebre 
a N. Jodl, Geſch. d. Ethik in der neueren :: „tıgbie I, Stuttgart 


u nie ophy and christian philosophy in Enz’sssi during the 1: th. 

Sr \vrite Stephen, History of Englieh thought := ıhe 18 th. cent., 

un wen > Civiliſation in England, deutfh ver Kıx L Seipzig 1864; 

" tıglısh church in 18th. cent.?, London Is: X ©. Fichte, Bhilo: 

went, Zwar u. Zitte jeit Mitte des 18. Jabry.3 Zr’em der Ethil D), 

>. tan, leberſicht der bornehmiteiı Prinzipien ter S:exlehre, Breslau 

"inte Je Ja philosophie en Angleterre depuis Bacıo zusqu’& Locke, 

“2.0, A'ours d'histoire de la philosophie morale au i*:xme sißele, Paris 

“oo. FHisteire de la science politique dan» ses rapperts avec la morale ?, 

ad, Metaphyſit und Asketik, Archiv f. Geſch. d. Esılat. VI, 1893; 

sie EZ. Th. u. K. 1902 ; M. Sımau, La morale anglaise COD- 

"2 "an betrifft das 10. Jahrh., aber giebt ſyſtematiſche Krri! der geſamten 
2. Sidgwick, Art. „Ethies“ der Encyel. Britannica*. A> VIII 


gi Moraliſten Des 17. und 18. Jahrhunderts leiſten fur die Ethik, was bie 

tea der aleichen Zeit für Die Religionswiſſenſchaft geleifter haben. Wie Dieje den 

art katholiſchen und proteſtantiſchen Dogmatik gemeiniamen religions⸗ 
Veorauvjebungen vollzogen und von einem pinchologijch: -metanbriiich begründeten 

U Nrtinten aus auf Grund einer pinchologiich:phänomenoloxiichen Keligions- 
het univerſal biſtoriſchen, vergleichenden Religionsberrachtung die Grund: 

iu. aestlbrorie des IN. „sabrbunderts und damit der modernen Religions- 
“abanpt gelegt babe, jo baben jene den Bruch mit Den bearifflichen Vor⸗ 
IAbieherigen Dogmatii begründeten, Ztaat, Kirche und Privatleben regeln: 

N. itgepit UND Das Begriffejchenma geſchaffen, innerbalb deſſen Die moderne 
2 tin Elbik entſtand, und von dem aus auch Die bisherige chriſtliche Etbik eine neue 
3 ty Ziellung ſuchen mußte. Beide find gemeinfam Das Ergebnis Des großen 
: "ben Revolution gegebenen Anſtoßes, Der für das 18. Jabrbundert das 
tete Die Meformation und Menamlance für Das 16. und 17. und was die 
evolution für Das 19, bedeute. Beide eigen den gemeinjamen Doppel: 

a  Mpiiigeprutktes von Den Eirdhlich- ſcholaſtiſchen Begriffen und der Nufnahme 
Ze aa iiruckgedrangten Renaiſſance-Elemente; beide aber vereinigen Diefe An: 
er ches eklektiſch, ſondern mit Der vorwärtsdringenden Kraft originaler Theorien. 

J Anhen von der ſich machtig hebenden kulturellen und politiſchen Stellung 
ae ulſofern nur Beſtandteile Der Dort ſich bildenden umfaſſenden geiſtigen 
abs ulle Probleme der Wüſenſchaft in dem neuen Geiſte Der Beobachtung und 

sry hrarbellelte und Dabei jene Spezialiſierung der Einzelwiſſenſchaft begründete, 
Wu und Weiſteowiſſenſchaft gleich bedeutſain wurde So find bier Religions: 
niet und Wit Emzelwiſſenſchaften von beionderen Methoden und Problemen 


Moraliften, englifche 437 


geworden in relativer Selbſtſtändigkeit gegeneinander, ebenfo wie die in Erfenntnistheorie 
und Pfochologie ſich auflöfende Metaphyſik, die Äſthetik, Politik, Wolkswirtfchaftslehre 
gu Ginzeltviflenihaften mit neuen Grundlagen geworden find. Darin äußert fih ber 

bachtende und analyfierende Geiſt der Engländer. Dem Kontinent blieb es überlaffen, 
von diefem neuen Boden aus wieder abjchliegende allgemeine Begriffe zu fuchen. Aber - 
die Baſis diefer neuen Begrifföbildung iſt überall und befonderd in der Ethik von den 
Engländern geichaffen worden, und — haben daher der kontinentalen Arbeit den Stoff 
und die wichtigſten Antriebe zu ſeiner Bearbeitung zugeführt. 

Das Weſen der Arbeit der engliſchen Moraliſten beſteht darin: 1. daß ſie den von 
der chriſtlichen Ethik endgiltig praktiſch herausgearbeiteten Begriff der Autonomie des Sitt⸗ 
lichen wiſſenſchaftlich zu 954 und auf alle ethiſche Urteile zu übertragen ſuchten, ſowie daß 
ſie neben die Zwecke der chriſtlichen Ethik teils feindſelig und auflöſend, teils ergänzend, 
teils vermittelnd die in ihrer Selbſtſtändigkeit ſich praktiſch offenbarenden weltlichen Zwecke 
ſetzten; 2. daß ſie an Stelle der bisherigen Ableitung des Sittlichen aus dogmatiſchen 
Autoritätslehren und aus der ſupranatural⸗-dualiſtiſchen Erlöſungs- und Gnadenlehre die 
Methode einer immanent:pfochologifchen Analyfe ihren Unterfuchungen zu Grunde legten. 
Daraus ergiebt fih die Aufgabe, zu zeigen 1. die Herausarbeitung der Autonomie und 
der Ergänzungsbedürftigleit des chriftlichereligiöfen Zweckes aus der dhrijtlich-dogmatifch- 
ethifhen Entwidelung; 2. die Einführung der pfychologifch-analyjierenden Methode; 
3. die Theorien der englifchen Ethiker; 4. Bedeutung und biftoriihe Wirkung dieſer 0 

heorien. 

I. 1. Maßgebend für die neue Grundlegung der Ethik iſt zunächſt immer noch die 
von den erjten Jahrhunderten der chriftlichen Zeitrehnung an fi bildende Formation 
der etbifchen Seen im KRatholicismus. Aus den hier zufammengefaßten Kräften und 
ihren Entwidelungen ift alles weitere entitanden. Das Charakterijtifche dieſes Syſtems ift, 25 
daß es die urſprünglich weſentlich transcendente, rein religiös auf das Meltende und 
vollfommen gottinnige Leben gerichtete chriftliche Ethik feit dem Zurüdtreten der Eschatologie 
und feit dem Eintritt pofitiver Auseinanderfegungen mit der Kulturwelt in Verbindung 
mit der antifen Kultur und vor allem mit ibren philoſoph⸗ethiſchen Theorien feten lernte. 
Dabei verjchmolzen fich die religiöfen Elemente des Chriftentums mit den religiöfen der 0 
müftiichen Spekulation und die allmählich berbortretenden fulturellen Elemente des 
Chriftentums mit der antifen Kulturetbif. Die Sicherſtellung der chriftlichen Elemente 
in dieſem großen Amalgamierungsprozeß erfolgte im Zufammenbang mit der ganzen 
fupranaturalzfirchlichen Objektivierung des Chriftentums durch Die Idee des übernatürlichen 
Kirchen: und Gnabeninftituts, das, auf bejonderer einzigartiger göttlicher That berubend, 35 
dem Handeln fowohl ein übernatürliches Ziel ſteckte als ihm übernatürliche, der erb: 
fündigen Schwäche entgegengejegte Kräfte verlieh. In Bibel und Kirche auf übernatür- 
liche Weife geoffenbart, war das Ziel auch inhaltlich übernatürlich, infofern die Gnabden- 
etbit dem freatürlich-menfchlichen Weſen in der Anteilnahme an der göttlichen Weſens⸗ 
fubftanz ein das Weſen der Streatürlichkeit durch befonderen göttlichen Gnabenentjchluß 40 
überfchreitendes Ziel gewährt. Hierfür wurden die myſtiſchen neuplatonifchen Theorien 
zur begrifflichen Begründung herangezogen, infofern die Teilnahme am göttlichen esse 
ala ein Ausnahmefall von der allgemein freatürlihen Ordnung Tonftruiert und dieſes 
muftiiche summum bonum nur durch befondere übernatürliche und fahramentale Gnaden— 
wunder d. b. durch eine nicht dem freatürlichen und obendrein fündigen Willen, fondern 35 
nur dem pſychologiſchen Wunder der Gnade entipringende Kraft realifierbar gedacht wurde. 
Darin hat der Wechſel der katholiſchen Ethik zwischen prinzipieller Meltflucht der Seelen 
und prinzipielle Weltherrichaft des Kircheninitituts feinen Grund. Auf der anderen Seite 
aber die Geltung einer normalen natürlichen Sphäre neben der Gnadenethik anerkannt 
und deshalb eine auf der Idee Freatürlicher Zwecke und fTreatürlicher Kräfte beruhende, co 
an fich ebenfalld auf Gott, aber eben nur auf gewöhnlich kreatürliche Weife, zurüdzu- 
führende natürliche Ethik anerkannt, die e8 als Unterbau und Vorſtufe, ſowie ale Objekt 
der Gnadenethik zu würdigen und nach kirchlichen Geſichtspunkten zu leiten galt, um da— 
mit eine gewiſſe Übereinitimmung diefer beiden entgegengejeßten Ethiken herbeizuführen. 
Darın hat der Ausbau des Katholicismus zu einen grandiofen, trdifche und himmlische Ziele, 
natürliche und übernatürliche Kräfte, Staat und Kirche umfaſſenden Kulturſyſtem ſowie 
die unaufbebliche Spannung zwiſchen mönchiſch-klerikaler und laienbaft-bürgerlicher Moral 
ihren Grund. Dieje natürliche Etbif wurde begrifflich fonftruiert durch die Heranziehung 
der bereits von der Antike breit ausgearbeiteten Kategorie der lex naturae, die aus der 
natürlichen Welt: und Seclenbeichaffenbeit und der dieſer Belchaffenbeit zu Grunde 60 


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440 Moraliften, engliſche 
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Galvins Zurüdbaltung gegenüber den natürlichen It binauögingen en, au: 
enrbeiet —* auch fe cin Gans ber Kultur und Geſittun pr =t in dem ge: 
| Charakter der Konfeffionsftanten barftellt. Aber cs liege auf p, baf 

Ethik die —*— immer noch wie ieis — 










eingeichränft — und dafı Be ini 


zwecke, BORN iche —— 
jach dem eiſtlichen Ziel duldet "erg ala Ni thatfächlic c 
gegebenen Spielraum Fin un eins, unb die er eben be Ib —— — Ne Sunfter 


jegeben bat, je — * — —— —* = 
ch manches ſchwere —— at erungen 
beginnt das —— übe wine dann freilich Zuthertum und 
15 immer berfchiebenere Anfichten ausbilden, bei dem aber beide in ber * 
bleiben, dah hamnlich Staat und Kultur fein fittlidher Zwec um feiner willen i 
ondern nur eine durch natürliche Orbnung rn eführte Form des Lebens, —— 
el des Dekalo * als göttli ee gebeiligt und en 


ulden uns legt ft MRitſchl, an —— 


et. I; —— 
arung bei Joh. und — tigen 01, Boni, 
4 —* en Ethit, Berlin 1902; &, Sittliche Trich — 
denburg, Luthers Anfchauung von Staat und der Gef 
Schulze, Meditatio futurae vitae im —32 Galvins, der in Deu 1901; 
"der — Ferm — Anfichten, Jablonotväfiihe Mecis 
zeit ation enden omiſchen onowskiſche Preis: 
— 18613 Lo "Eh eigen Lebensideal > feiner r 
u en Ausprägung, © ie 9. J. Holgmann, Tübingen 1908, 


N) 3. Sind hiermit die vom — ängten Forderungen ber ae 
Idee auf Annerlichkeit und Mutonomie des Eich en zu hoher Entividelung 
und ift ebenfo die vom Katholicismus DEN ran a lex —— 
volleren, ihrem weltlich-antiken —— 8, gelangt, jo ift d 
die Autonomie vollendet und nod) —— die An ndigtei we —— 
36 an —* — Me bebeutet wohl — u des S —* 
er errſchaft, die volle —— es Ein tes u ie rer 
Thätigfeit im Staat als igiös gebilligten und anerfannten, die bem wahrhaft 
yeiflihen deln nicht Unser ift. Aber fie enthält mit alledem weder eine 
Fertigenbe bl leitung des Staates und der Kultur aus der chriftlichen Do, pn Die 
m en ng des Staates in das Recht eines jelbitjtändigen, an ſich notwendigen ſittlichen 
‚ jondern je e duldet ihm nur als jchlechtiveg anzuerfenmende Orbr 
ie fat ihn mit dem allein geltenden fittlichen Zwed, dem religiöfen, Sanzbe 
Kultur und eines Staatslebens zufammen, in dem die Obrigkeit bie Herrid 
lifchen Wahrheiten und Sittengebote durchſetzt und fomit der Staat einerfeits 





* 







| Deu 
15 an, —— und 4 u duldende Form des Yebens, anbererfeits die von Gott 
utzmacht und Exekutive der re — Gebote it, Da nun aber ber 2 für bie 
prot iſche Ethik mit feinen zei ejtimmungen und feiner Betreibung ber 
lichen Wohlfahrt der Träger der fie allein intereffierenden en Aalen iſt, ſo 
zieht ſich die Säkularifation ber fittlichben Kulturzwecke in erſter Linie in der 
des Staates von ber auch in der reformatorifchen Etbif — 





Unterordnung unter ben allein geltenden religiöfen Zweck. Der 

Sälularifierung und Emanzipation Des Staates zun aber die 5 

von den Neformatoren wie bon den 

DEP FRND« —— ein un. ber tes nature ee 
i 


“ — — fähig, wie er eine RR bereite im 


bereitungen mit bödhiter Energie don neuem ausübte (Hirzel, "4 yoagos — —* 
oo Bbil.: hit Klafie, Leipzig 1900 S. 28), Der Begriff konnte fonjeruativ geivertet Inerben, 


a Ms 





Moraliften, engliſche 441 


ſofern er den Herborgang der berrfchenden und darum als berechtigt angefebenen poli- 
tifchen Ordnungen und der darin zufammengefaßten rechtlichen und ethifchen Beſtim⸗ 
mungen aus der natürlichen göttlihen Schöpfungsorvnung hinnahm und fie als Voraus: 
jegung für alles Xeben binftellte, und fo haben die reformatorifche Ethik und die auf ihr 
aufgebaute Staatslehre und philofophifche Ethik ihn gewertet. Er Tonnte aber aud) 
fritifch und als Prinzip einer neuen vernunftgemäßen Gejtaltung der Dinge behandelt erden, 
wofür dann freilich die Vorausfegung iſt, daß Staat und Necht felbititändige fittliche 
Ideen und ihren Zweck in ihrer Sphäre völlig frei auswirkende rationale Kräfte find. 
Das letere hat Grotius gethan, indem er die alte Hategorie der lex naturae von ihrer 
Bleihung mit dem Dekalog und damit von ihrer theologischen Sanktion und theolo= 10 
gifchen Orientierung befreite. Sie gilt lediglich kraft der Vernunft, auch wenn es feinen 
Gott gäbe, und gebt auf Gott nur infofern zurüd als diefer die Duelle der in menschlicher 
Arbeit und Überlegung ſich auswirkenden Vernunftideen ift, womit die Anerkennung der 
tbeologifchen und religiöjen Zwecke in ihrer Sphäre mohl vereinbar, aber die bisherige 
Deckung und Verwachſung beider auögeichloffen und die freie Entwidelung der ethiſchen 
ee des Staates und des Rechtes eröffnet ıjt. Grotius' Motiv ijt dabei auch ausdrück— 
ih das Beftreben, für die fittlichen Güter deg Staats eine feite, den Religions: und 
Konfeſſionskämpfen und theologiſchen Eubtilitäten entrüdte Grundlage zu gewinnen, und 
beshalb hat er auch bei feiner der ftreng fupranaturalen Konfeffionen, fondern bei den 
die Sphäre des Natürlichen erweiternden Arminianern feinen Platz gefunden. Die ethifche 20 
Idee des WVölkerrechtes foll dem Konfeſſionalismus und feinen Kriegen entgegentreten. So 
wird die lex naturae im dieſer neuen Faſſung die wiſſenſchaftliche Form und etbifche 
Theorie, in die der reife Eriverb der Jahrhunderte langen Emanzipation des Staates von 
der Tirchlichen Kultur ſowie der Ertrag der bisherigen weltlichen Jurisprudenz zu freier 
Bewegung eingeht, teils mit der Abficht rationeller Konſtruktion der Staatseinheit und Staats: : 
fouveränität ſowie einer dabei zu bebauptenden etbifchsrechtlichen Selbftftändigkeit der In— 
divibuen, teil® mit der Abficht einer rationellen Ableitung der Staats: und Kulturzivede, 
die bald mehr utilitarifsch in der Forderung der ohltahrt, bald mehr ideell in der 
Durchführung der Geltung der Nechtsidee als des höchiten weltlichen fittlichen Gutes be⸗ 
Es iſt immer noch der Staat, dem die Kirche die innerlichen etbifchen Aufgaben so 
abnimmt und der zu den Kulturzweden im weiteren Sinne noch fein Verbältnis ge: 
wonnen hat, der daher Selbititändigfeit, Einheit, Nechtögeltung und Wohlfahrt allein als 
feine Ziele und damit als die Ziele der außerkirchlichen Zittlichfeit anficht. Aber der fo 
veritandene Staat wird zum felbitjtändigen etbifehen Prinzip, das in immer freierer Ab- 
ftreifung der alten ftoifchen und arijtoteliichen Elemente (Gierke 300, 107) die lex naturae 35 
zur fittlichen Idee des modernen, nuancenreichen, aber gemeinfame etbijche Borausfegungen 
enthaltenden Naturrechtes entividelt und mit dem Naturrecht einen der grundlegenden und 
unveräußerlichen ethiſchen Selbſtzwecke der modernen Rultur bervorbringt (Gierfe 318). 
Die Anerkennung jelbftftändiger innerweltlicher fittliher Werte und die pſychologiſch⸗ 
biftorifche Ableitung der berrfchenden fittlihen Ideen bat an dem Naturrecht den mich: ww 
tigſten Träger und Anreger, und die einjeitige Richtung des Naturredhtes und der bier: 
mit zufammenbängenden Ethik auf Probleme der Souveränität, der Individualrechte und 
der Kohlfahrt bat wiederum ibren Grund in der Ablöfung des Naturrechtes von der den 
Staat und die weltliche Kultur auf dieje Fragen einſchränkenden funfeffionellen Ethik und 
Aultur. Die thatfächlihe und vom Proteſtantismus innerhalb gemiffer Grenzen legiti: 45 
mierte Emanzipation des Staates führt fcehlieglih zu einer völligen Befreiung des Staates 
und der Rechtsideen zu einem felbititändigen etbifchen Prinzip. Der Gedanke der Sou— 
veranität des Staates, der freilihb immer noch in unflarer Vermifchung mit dem Nach: 
weis der Souveränität beitimmter Ztaatsorgane bleibt, enthält die Erkenntnis des Staates 
als eines lebten Selbſtzweckes, und das Naturrecht, das bei aller VBerquidung mit dieſen 50 
Konftruftionen der Organ-Zouveränität doch immer einen natürlichen Anteil des Indivi— 
duums an dieſer Souveränität lehren muß, giebt jedem Individuum Recht und Pflicht 
der Beteiligung an diefem legten Zweck weltlichen Lebens. Freilich bleibt zunächit noch 
viel unklare Berbindung mit der theologischen Ethik. Aber die utopische Verbindung der 
chriſtlichen Freiheit mit dem Naturrecht, die in der großen englischen Revolution verfucht wurde, 55 
Sat dann AM einer definitiven Trennung geführt, Das Naturrecht, die politische Freiheit 
und den Staatszweck von jeder Beziebung zur Theologie gelöft und im englijchen Staate , 
wie in der engliichen Ethik jenes Vorbild rein politiicher Freiheit und rein rationaler 
Staatsorganifation geichaffen, das dann dem Montinent praftifche Ideale und politifche 
Theorien gab (Mohl, Geſch. u. Yitt. der Staatswiſſenſchaften; Janet, II, Kaltenborn, vo 


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5: ni un ut des Lebens tu —— ieden 
und gärendſten — Beſtrebungen in die neuplatoniſ 
des über die Welt herrſchenden Allgemeinen ausmündet. In bad 
freilich prinzipiell neue und pofitive ethijche Kräfte enthalten, a 
bunden mit der Zügellofigfeit der Nenaifjance und treten no —— 
4 — der Epoche, als daß ſie in die Bildung der ethi af 
n fünnen. Das wird erit viel jpäter nad) Erledigung * dauptfragen 
— politiſcher und religiöſer Freiheit möglich. So geht daher auch die neue Ethi 
weder von dem Mutterland der Renaiſſance, von Italien, aus, das der € Hegenreforma 
und ber de Bas mie Fremdherrſchaft feinen Widerfland — —— bermochte 
15 Franfrei 8 mit feiner hugenottijchen Theologie und einen rößeren 
übte als mit feiner Nenaifjance, die ja aud) bier in bie ben ga überging 
England aber ift nicht bie Nenaifance des 16. Sabrhunderts der geweſen, 
das große durch die ee des 17. Nabrbunderts —— ‚aiös-etbiich-politi 
— (3. Burckhardt, Kultur d. N. im Italien; Dilthen, Auffaſſung und Analpi 
enfchen im 15, und. 16. Jahrhundert; Archiv für u d oſ. 1891/92 
—* natürliche hei. tem ber Gei teswifienichaften im 17. 39219: 
, Die Autonomie bes Denkens, der Fonftruftive Nationalismus und ber. pa theiſtiſch 
Mm 6; — —— — — itte: er eg | 
I u D 83 — eumann, Nembran tig 1902). 
65 5. Für bie ung dieſes entſcheidenden —* angspuntles kommt nun be 
brotef Antifche Moral in ibrer befonderen ormierten Geftalt in Be 
das Leben und die Durchjegu on Proteſtantismus —— A er 
eat Völker entſcheidend find. Dieſe Bejonderbeit —— daß die for rt 
Ethik bei gleicher begriffliher Grundlage wie die lutheriſche doch i infolge der befonderen 
u geidhichtlichen rhältniffe SGenfs, Frankreichs, Hollands und Englands und unter der 


















Mia 














Moraliften, englifche 443 


immer ftärfer berbortretenden Herrſchaft des calvinifchen Prädeftinationsgedanfens Die 
Idee einer dhriftlichen Kultur immer ftrenger, einbeitlicher und willensftärfer berausarbeitete. 
Unter Stultur veriteht freilich auch fie nur die politifchen, fozialen und wirtjchaftlichen 
Beziehungen des Daſeins; die Wiſſenſchaft fällt ihr mit der Theologie und deren Vorftufen 
oder mit den rationellen “Theorien des status eivilis zujammen, und die Kunſt fpielt 6 
bei ihr als Träger ethifcher Zebenswertung und Weltanfchauung überhaupt feine Nolle ; 
ber einzige, bei dem das der Fall ift, Nembrandt, bielt fih zu den Collegianten und den 
Myſtikern (Neumann, Rembrandt, S. 523-- 581). Aber in Diefen Grenzen verfucht fie cine 
wirkliche Kulturethik, ftrebt fie nach dem chritlicben, den gottgeordneten status eivilis mit 
den religiöfen Zwecken vereinigenden, Staat. Sie bat mit der Iutberifchen Ethik Die 
Begründung auf Zündenvergebung und die Folgerung des fittlihen Handelns aus dem 
mit Gott verfühnten (Gemüt innerhalb des Spielraums des ordnungsmäßigen Berufes 
gemein, und ebenjo teilt jie mit ihr die Abſteckung diefes Spielraumes durch die Heran— 
iehung der mit beiden Tafeln des DOffenbarungsgefeges identischen lex naturae, Die 
ihre natürlichen Folgerungen fämtlih entwideln fann und foll und eben damit dem 15 
Evangelium dient. Ebendeshalb teilen fie auch die Formeln, die das Verhältnis der 
Kirche als der Trägerin des Evangeliums zu dem Staat als dem in Defalog und lex 
naturae berufenen Träger und Wächter des natürlichen Kulturlebens regeln: fie ver: 
langen von ihm die unbedingte Durchfegung der reinen Lehre und eine wenigſtens Außer: 
lich den chriſtlichen Idealen entfprechende Vebensorbnung, die diseiplina externa, ver: 20 
möge deren Anftoß vermieden wird und der robe Widerftand gebrochen mird, ſowie die 
eustodia utriusque tabulae, vermöge deren nicht bloß die justitia eivilis fondern auch 
die Reinheit der Lehre, der Sakramente und der Lebensführung von ibm aufrecht er: 
halten wird. Es ijt die proteitantifche Kultur mit ihrer Staat und Kirche, lex naturae 
und SHeilöverfündigung gemeinfam beberrfchenden und zum Ganzen fügenden autonomen 25 
Bibliofratie an Stelle der katholiſchen Kultur mit ihrer Staat und Kirche, lex naturae und 
übernatürliche Gnadenleiſtungen getrennt haltenden und in diefer Trennung die erfteren überall 
berabmertenden und meifternden bierarchtichen Iheofratte. Aber während das Yutbertum 
in den Verhältniſſen des deutſchen Territorialftantes und bei der unpolitifchen Anlage 
Luthers ſich mit einigen dhriftlihen Modifikationen im bisherigen Staatsbetrieb begnügt, 30 
im übrigen den Staat völlig feiner eigenen Geſetzmäßigkeit und natürliden Funktion 
überläßt und bei der Schwäche feiner eigenen kirchlichen Organiſation der Obrigkeit als 
den membrum praecipuum gar die Negelung wichtiger Firchlicher Funktionen direkt 
überläßt, geitaltet der Calvinismus die Kirche kräftiger als erefutionsträftigen Träger der 
chriſtlichen Forderungen und betrachtet er den Staat zuverſichtlicher als durch feine natürliche 35 
Urgantjation für den Dienst des Heile nicht bloß beftimmt, jondern auch fähig. Er verlangt 
vom Staat neben dem Schuß der kirchlichen Alleinwabrbeit auch die vollendete Anpaflung 
der Forderungen und Formen des bürgerlich-politifchen Lebens an die chrijtlicheethifchen Forde⸗ 
zungen, wie jie von einer ſtark und jelbftitändig organifierten Kirche aus der Bibel vorgelegt 
werden und wie jie dem Weſen des Staates nad der lex naturae entiprechen. Gr 
geftalter eine wirkliche einbeitliche chrijtliche Etbif und Kultur, die nicht in theologiſche und 
politiiche Ethik zerfällt und die Zufammenftimmung beider Gott und der Gunft der 
mftände überläßt, fondern die Das geſamte Yeben aus der dee eines einheitlichen chrift- 
lichen Zicles in theologifcher und natürlicher Ethik, in Staat und Siehe zuſammen ge: 
ftaltet. Befähigt hierzu it der Calvinismus durch die allmäblich die lutheriſchen Gedanten # 
ganz in fich auffaugende Prädeftinationslehre, die über Zündenvergebung, Erlöfung und 
Heiligung den oberiten Gefichtspunft aufrichtet in dem Ziel einer das jenfeitige Yeben 
anbahnenden, Gottes Ehre verberrlichenden, von der erwählenden Gnade gewirkten ein: 
beitlichen ſittlichen Yeiftung. Hierin erbält das proteftantifche Dogma nidt bloß erſt 
einen feiten Grund: und Endbegriff, jondern aucd die müchtigften aftiven Antriebe Des 50 
Handelns, injofern nicht bloß Sündentroſt, fondern Perſeveranz der Gnade das Ziel ift, 
und injofern die zufammenbängende fittliche Leiſtung nicht bloß elendes Stüdwerf, fondern 
Beweis und Kundmachung des Erwähltſeins it. Zuſammenſchluß der theologiſchen 
Gedankenwelt und höchſte Energie Des Handelns gebt auf dieſe Weiſe von dem Prä— 
deitinationsdogma aus. Mit diefer Faſſung Des Dogmas find dann aber noch zwei weitere, 65 
im die gleiche Nichtung treibende Kräfte verbunden: erjtlich der urfprünglich ariitofra- 
tiich gedachte reforinierte Kirchenbegriff, Der nicht wie der der Yutberaner ſich auf Wort und 
Saframent beſchränkt und die immer unfontrollierbare Wirkung Gott anbeinitellt, jondern 
De Kirche ale Genoſſenſchaft und Heiligungsanſtalt der Prädeſtinierten denkt und daber 
den in ihnen herrſchenden Chriſtus auch tbatfächlich zum Herrn über den ganzen Umfang so 


u 
= 


44 Moraliften, englifche 


des Lebens macht, und zweitens der reformierte Bibliciomus, der Die Schrift nicht bloß 
als Bupmittel und Gnadentroſt, jondern in allen Stüden ale wirkliche pofitive Norm 
und Mittel der Erwählung faßt und daher den Begriff des biblifhen Sittengejepes viel 
itärfer betont als die Yutberaner. Die Reformierten lehnen Die Beichräntung des Geſetzes 
„auf den bloßen usus elenchticus und usus politicus ab und fordern vielmehr aud 
eine Bedeutung des die lex naturae in ſich fafjenden biblifchen Sittengefees gerade 
für das Yeben der miedergeborenen Chriſten, indem gerade Durch die Forderung dieſes 
Geſetzes die Prädeſtinationsgnade Weg und Kraft zur dauernden Heiligung zeigt. Tas 
ergiebt nicht eine neue katholiſche Gejeglichkeit, fondern einen der Gefchloffenheit des Dogmas 
„» entiprechenden gejchloffenen Gedanken der chriftlihen Kultur, den die Zerfloffenbeit ber 
Lutheraner immer nur balb zu faffen wagte. Aus allen diefen Gründen ift denn aud 
Die reformierte Ethik nicht in den privaten, Heinbürgerlichen Beziehungen feitgehalten wie 
Die lutherifche, fondern arbeitet zugleich auf die Gejamtgeftaltung eines öffentlichen chrift- 
lichen Xebens im Staate und damit auf eine andere Regelung des Verhältnifjes zum 
s ztaate bin. Sie lehnen die Auslieferung der wichtigften kirchlichen Funktionen an die 
I brigfeit als membrum praeeipuum heftig ab und bauen dafür um fo fonfequenter die 
Zbeorie von der eustodia utriusque tabulae aus, vermögen deren der Staat als göttlid 
anerlannter Träger der Rechts: und Gejellichaftsordnung kraft natürlichen und göttlichen 
Rechtes zur Aufrechterhaltung der biblifhen Wahrheit und zur Durchführung der 
u biblifchen Ordnungen in feinem Bezirk verbunden ift. Der von Calvin durchaus ariſto⸗ 
fratiich gedachte Staat bat in der Ephorie Organe, durch die er fich ſelbſt auf die Nic: 
tigkeit feiner Yeiftungen fontrolliert. Für den Fall der Verfeblung diefer Leiftungen aber 
iſt um ſtärkſten Gegenſatz gegen die Lutheraner ein zunächſt eingeſchränktes und verklau⸗ 
ſuliertes, dann aber immer freier und mächtiger entfaltetes Widerſtandsrecht vorgeſehen, 
>> dag den Staat zur Einhaltung und Verwirklichung der chriſtlichen Forderungen zwingt. 
Dieſes Widerſtandsrecht, das in den bugenottiſchen und a Kriegen m 
feinen Ronfequenzen entwidelt wurde, iſt nicht bloß die Scele der heroiſchen Kä 
des Galvinismus, jondern auch der Ausgangspunkt feiner eigentümlichen politij 
Theorien, die ſchließlich dabei anlangten, die Souveränität des chriftlichen Volles als die 
x) eigentliche Kontrollinitanz zu proflamieren und damit die chriftliche Demokratie zu verfechten. 
Haben die Yutberaner die Ableitung des Staates aus der lex naturae in cinem un 
ficheren Zwielicht zwiſchen tbeofratiicher Betrauung des Staates mit der diseiplina 
externa ımd eustodia utriusque tabulae und einer pſychologiſchen Ableitung biefer 
Betrauung vermittelit menjchlicher Zweckmäßigkeitreflexrionen erfcbeinen lajjen und unter 
5 allen Umſtänden dieſer Ztaatestheorie durchaus den fonferbativen Charakter Des An- 
ſpruchs auf leidenden Gehorſam gegeben, jo bat der kämpfende Galvinismus aus dem 
Ephorat Calvins das Kontrolrecht des chrijtlihen Volles entividelt und zu deſſen Be 
gründung die im Staatsvertrag wirfende Volfsfouveränität in radifaler Meife als Aus 
fluß natürlichen und göttlichen Nechtes betont. Sein Biblicismus fand in ber alt 
iv teitamentlichen Bundesidee dann auch den Schriftbewei® für den Staatsvertrag. Co 
entjteht das ‚Ideal der in Staat und Kirche zuſammenwirkenden und in beiden von 
der Bibel geleiteten Kirchenfultur. In dieſem Zinne ift die durdaus reformiert 
gedachte Politik des Altbufius und der Tyrannenhaß des Hubert Yanguet zu verſtehen 
Auf dieſe Weiſe ift die reformierte Ethik, Volitit, Kultur und Staatsbildung der große 
5 Anotenpunft der modernen geiftigen Gntwidelung geworden. Tazu trägt aber noch be 
fonders ein leßter Umftand bei, der in den Verhältniſſen der weſtlichen Kultur und in ber 
Perſönlichkeit Galvins jeinen Grund bat. Galvin gebört den gelehrten Ständen an und 
die calviniſtiſchen Yänder der fortgejchrittenen politijchen und merkantilen Entwickelung. So 
berricht bier nicht bloß eine fretere Neflerton über die dem Staatszweck am beiten dienende 
„ politifche Organifatton, ſondern auch eine freiere Stellung zum wirtfchaftlihen Verkehr und 
dem ihn befördernden Kapital. Im Gegenſatz zu dem Patriarchalismus und naturalwirt⸗ 
Schaftlichen Konſervatismus der Yutberaner buldigen die Reformierten einem politifchen und 
wirtfchaftlichen Utilttartsmus, der den Staat auf die Höhe feiner natürlichen Leiftungd 
fäbigfeit bringen und damit ihn auch leiſtungsfähiger für feine chriftliche Beftimmung 
5 maden will; und dieſen Utilitarismus unterftügen die chrijtlichen Forderungen der Mäßig⸗ 
feit, Nechtlichfeit und Arbeitjamfeit, in denen fich das Evangelium als auch dem materiellen 
Gedeihen fürderlidh erweiſt. So werden die reformierten Yänder Träger der Kapital: 
wirtſchaft, Des Handels, der Induſtrie und eines chriftlich temperierten Utilitarismus, ber 
ihre Kulturtheorien wie ihre tbatjächliche Kraft bedeutſam beeinflußt hat. Neben ver 
so modernen politifchen Entividelung iſt auch die wirtfchaftliche von ihr mächtig gefördert 


Moraliften, englijche 415 


worden. Wer in der Präbdeitination feines Zieles und des Senfeits fo unbedingt ficher 
ift, der kann die natürlichen Kräfte um jo freier auf den natürlichen Zweck, den Erwerb, 
wenden und braucht feine übermäßige Liebe zum irdischen Gut dabei zu fürchten. Mit 
der reformierten Ethik konnten daher die rein profanen Theorien fich verbinden, die im 
Politik und Wirtichaft ſich ausgebildet hatten, und aus der reformierten Ethik fonnten 5 
fulturelle Beitandteile fich zu rein weltlichem Betrieb verjelbititändigen. Vor allem aber 
enthielt jie, wenn auch unvollitändig, jo doch eindrudsvoll und folgenreich, das Problem 
einer chriftlichen Kultur überhaupt, der Zufammenfaflung religiöfer und weltlicher Zivede, 
aus welchem Problem die tiefjten Spannungen hervorgehen mußten, jobald mit ihm einmal 
radifaler praktischer Ernſt gemacht wurde. Dazu aber fam es erſt durch die großen 
englifhen Revolutionskämpfe (Xobjtein; Scheibe, Calvins Prädeftinationslehre, Halle 1897 ; 
Rampienulte, Calvin 1869/1899; Schnedenburger, Vergleichende Daritellung des luth. und 
ref. Lehrbegriffes, Stuttgart 1855; Hundeshagen, Beiträge zur Stirchenverfaffungsgeichichte 
Wiesbaden 1864; Rieder, Grundſätze reformierter Kirchenverfaflung, Leipzig 1899 ; Eliter, 
Calvin ald Staatsmann, Gefebgeber und Nationalölonom, Jahrbb. für Nationalötonomie 15 
und Statiftil 1878; Schmoller, Zur Geſch. d. nationalöfonomifhen Anfichten in Deutic- 
land mährend der reform. Periode, Tübinger 3. f. Staatswifjenjchaften 1860; Mards, 
Coligny I 256—346; Nofcher, Geſch. d. Nationalöfonomit in Deutjchland). 
6. N England trat die Verwirklichung diejes reformierten Ideals unter befondere, 
die radilale Durchführung ermöglichende Bedingungen, wobei es jedoch zugleich ſelbſt 20 
folgenreiche Modifilationen erlitt, an die die moderne Entwickelung pofitiv und negativ 
anfnüpfte. Hier war die große politifche und religiöfe Frage des Zeitalter noch ungelöft, 
injoferne ein die Souveränität im feitländifchen Sinne anjtrebendes Königtum und eine 
an der Staatöregierung mitbeteiligte, formell fatholifierende Kirche den parlamentarifch- 
ftändifchen Vollsrechten und der Idee eines unabhängigen und rein geiftlichen Kirchentums 25 
gegenüberftand. Aus diefem Konflikt entitand Schritt für Schritt die völlige Auflöfung 
der bisherigen politiichen und kirchlichen Ordnung und die Aufgabe eines politifch-firdh 
lihen Neubaus, die in Ermangelung anderer georbneter und rechtmäßiger Gewalten 
fhließlih dem Heere und Cromwell zufiel, in welchen fich die religiös-politiſche Oppoſi— 
tion und ihr deal verkörpert hatte. Co fielen die Kompromifje mit dem bisherigen po= 30 
litiſchen und kulturellen Zuftande weg, zu denen alle fejtländifchen reformierten Staaten 
gezwungen geivejen waren, und fonnte der Berfuch eines rein chriftlichen Staates auf dem 
tevolutionär eingeebneten Boden gemacht werden. Und zwar bat fich diefer Vorgang 
Schritt für Schritt aus dem mit den PBarlamentsrechten verbündeten Calvinismus ergeben, 
der jeinerfeitö unter ſchottiſchem und feitländifchen Einfluß das calviniftifche Kirchen und 35 
Aulturideal und zur Sicherftellung besfelben die Kontrolle der Regierung durch das ſou— 
veräne Voll im hugenottifchen Sinne forderte, beide Forderungen aber zugleich mit den 
alten Vollsrechten und naturrechtlichen Theorien in Verbindung brachte. So faßt Barter 
die Motive des Puritanismus zufammen: „because the law of nature and charity 
requireth the defence of ourselves, posterity and country and because Scrip- 40 
ture requireth the same (Weingarten S. 52). Der fo berbeigeführte Bruch mit den 
bittorifchen Gewalten trieb durch feine Unmiderruflichfeit immer meiter, und, indem er 
ald aftionsfähige Gewalt allein das Heer übrig ließ, wurde vom Heer aus bie Nefon- 
ſtruktion des Staates verfuht. Das Heer aber, das die religiösspolitische Revolution vor 
allem vollzogen hatte, war der Sit der fortjchreitenden radifalsreligiöfen Ideen, von denen 45 
aus auch die politifchen beitimmt iverden follten. Im Heere nämlich berrichte eine indi— 
vidualiſtiſche und ſpiritualiſtiſche Kortbildung des Calvinismus, die den chrijtlichen Gedanken 
der Autonomie bis zur Forderung der Toleranz verjchiedener chriftlicher Gemeinichaften, 
der vollen Trennung des Staates von den organifierten Kirchen fteigerte und dementiprechend 
auch die politifche Autonomie demokratiſcher Selbftregierung forderte, die aber mit alledem so 
gerade den chriitlichen Staat vertwirflichen wollte und von der Staatsregierung eine ftreng 
ea Kontrolle und Leitung des bürgerlichen Lebens verlangte. Hierin iſt 
tlich der Einfluß Läuferijeher Ideen nicht zu verkennen, die von Holland herüberwirkten 
und durch die nad) Amerika überfievelnden |ndependenten auf das Mutterland wirkſam 
blieben. Aber die Führer der Bewegung jind ſich mit vollem Bewußtſein darüber klar, 65 
daß fie damit nur die weſentliche Grundtendenz der Reformation zur Geltung bringen, 
und daß fie nur Alfommodationen der älteren Neformatoren an äußere Verhältniſſe und 
biitorifche Überlieferungen abſtoßen. Andererſeits ift der Zug zur Aufrichtung eines chrift- 
lihen Gemeinweſens nichts anderes ala der weſentlich reformierte Grundgedanke, der nicht 
bon ben ruhigen, leidfamen holländischen Täufern und nicht aus hiftorifchen Reminiscenzen eo 


er 


0 


446 Moraliften, englifcdhe 


an Thomas Münzer, fondern geradewegs aus dem Geiſte des in Franfreih und Schott 
land radifalifierten Neformiertentums ſtammt (Gooch 74ff., 128f.) Der Prädeſtina⸗ 
tionsglaube bildet überall in reformierter Meife die Spanntraft diefer Ethik, wie ſich aus 
ihm ja auch der Independentismus der ganz perjönlicen Heils- und Gnadengetoißhet 
5 leicht ableiten ließ. Viſionen, Eingebungen und Erleucdtungen find die naturgemäf 
Begnleiterfcheinungen einer ſolchen ſtarken religiöfen Beivegung und eines ſolchen Zubjet: 
tivismus, Die fich zudem auf das Vorbild der Urchrijtenbeit berufen durften und die An- 
regungen bierzu direft aus dem Neuen Teitament fchöpften. Nicht minder ift der escha⸗ 
tologiſche Enthuſiasmus aus dem Gefühl des radikalen Gegenfages gegen die bisberige 
10 Welt und der radikalen Neuheit des zu vertwirflichenden Ideals begreiflich und auch feiner: 
jeits von dem Neuen Teitament genährt, deſſen Apokalyptik nun nicht mehr von einer offi⸗ 
zielen Theologie vertufcht wird. Die Freigebung der Kirchenbildung und der dogmatiſchen 
Ueberzeugung Steht eben doch unter der Vorausfegung, daß dabei die chriftliche Wahrheit erft 
recht fiegen werde, und daß in allen ſittlichen Forderungen die ſtrengſte Uebereinſtimmung 
15 beiteben bleibt. Der Herr wird fein Volt nicht aus der Wahrheit fallen laſſen, und bie 
Erzwingung der fittlichen Korreltbeit bat er in die Hand ber Volföregterung gelegt. Nur 
Togma und Kultus find in gewiſſen Grenzen freigegeben, das fittlihe Ideal ſoll in 
jeiner Seltung Itreng behauptet werden, und auch die Freigebung der erfteren ijt nur bie 
Folge der ſpezifiſch-chriſtlichen Zittlichfeit. Staat und Kirche bleiben eben auf den ge 
=; meinjamen Zwed der chriftlidhen Kultur bezogen, und diefe foll, wie Milton (Stern II 
447) und Cromwell (Carlyle III 587.) gemeinfam bezeugen, bier zum erften Male in 
der Welt reſtlos aufgerichtet worden. Natürlich bleibt auch fo immer noch Rückſicht auf 
konkrete politifche Verhältniſſe und hiſtoriſch gewordene Situationen genug. Aber die Idee 
bleibt doch die Aufrichtung eines chriſtlichen Gemeinweſens, dag von der frommen Mine 
25 rität der laxen Majorität aufgezwungen wird und deren Zuftimmung gewinnen foll, das 
in Glaubensfreiheit und Sittenftrenge den chriftlichen Geilt verwirklihen und in feiner 
inneren wie äußeren Politik die religiöfen Maßftäbe anwenden fol. Auch iſt der be 
mofratifche Charakter dieſes Staates ſpezifiſch chriftlich gedacht und von chriftlichen Ge 
danken abgeleitet, injofern alle Wahlen an die Lualififation des zu Wäbhlenden, d. B. 
Han deſſen purtitanische Geſinnung und deſſen Anerkennung der neuen Ordnung gebunden 
bleiben. Das tft durchaus nicht bloß Schuß gegen royaliftifhe Wahlen, ſondern Forde 
rung der Idee, wie ja auch der Umſtand, daß die Demofratie nie wirklich zu ſtande kam, 
ſondern Milttärdiftatur und Protektorat immer wieder in fie eingreifen mußte, nur als 
Folge noch ungenügender Heiligung des Volkes und als Konzeffion des Ideals an die 
35 Wirklichkeit betrachtet wurde. 

Republik und Protektorat baben in der That nad) Möglichkeit den chriſtlichen Staat 
aufgerichtet, reformierte und indepenbentiftifche Ideen vereinigend, völlig zweifelsfrei in 
Bezug auf die Möglichkeit einer chriftlichen Kultur und das chriftliche Net von Staat 
und Krieg. In dieſer letzterer Hinſicht iſt ihr Charakter ſpezifiſch proteſtantiſch und ge 

40 währt die beſondere reformierte Anlehnung an die Bibel die Möglichkeit von Anleihen 
bei dem Alten Tejtamente, die Bedenken über Recht, Staat und Krieg innerbalb des 
chriſtlichen deals nicht auflommen ließen. Das zeigt deutlich, wie wenig man es 
bier mit einer Erneuerung des Täufertums zu tbun bat. Es tft eine durch die befon- 
deren engliſchen Berbältniffe ermöglichte und gefärbte Fortenttvidelung der proteſtan⸗ 

15 tiichereformierten Frömmigkeit und Ethik, und es wird ald Million des englifchen 
Volkes empfinden, in der Geltendmachung altenglifcher Nechte dem chriftlichen Staat 
zugleih Die Bahn zu brecben. Innerhalb dieſer die chriſtliche Idee bereits mit Staat 
und Stirche verbindenden Worausjegungen aber follte das chriftliche Ideal zur vollen Ber: 
wirklihung kommen. Religiös-kirchliche Autonomie, politiſch-demokratiſche Selbitregierung 

50 des Volkes, puritaniſche Zittenftrenge, antitatboliiche und proteftantenfammelnde Kontinen: 
tulpolitif, Popularifiwrung und Verchriſtlichung von Recht und Prozeß, moralifchereligiöfe 
Uberwachung durd Die General Majore, chriftliche Ordnung in Miltär und Verwaltung, 
Wiſſenſchaft und Schule, Erwerbsleben und Privatleben Tennzeichnen dieſe Staatsbildung. 
Zugleich zeigt ſich die eigentümliche Verbindung refornierter Gläubigfeit mit nüchternem 

55 Erwerbsfinn in der innigen Verbindung der religiös begründeten äußeren Politit mit 
Rückſichten der Handelspolitif. Handel und Erwerb nah Möglichkeit zu fördern, gebört 
mit zu den Aufgaben einer chrüjtlichen Negierung, und bier bat Crommell den Sram 
gelegt für Die großartige materielle Entwidelung Englands (Gardiner, C., S. 178). Und 
auch die Weihe der chriſtlichen Kunſt feblt dieſem Staatsideal nicht, infofen Milton, der 

so Feind der ſinnlichen bildenden Kunſt, aber der Meijter der Mufil und des Nerjes, in 


- mu — ⸗— — - 


Moraliften, engliſche 447 


feinen Sonetten diefen Staat befingt und in feinem „Paradies“ die reformierte Gläubig- 
feit independentiftifcher Färbung poctifch verkörpert. Er iſt der Dante dieſes proteftan- 
tifeh-reformierten Kulturiveals, der nicht nur die der beibnifchen Formenſchönheit entgegen- 
gefegte Spiritualiftiiche Innerlichkeit der chriftlichen SKunftempfindung, fondern bei der 
jchrofferen und engeren Ehriftlichleit des Proteſtantismus auch die Unterordnung der Kunſt 
unter lehrhafte und moraliſche Zwecke typiſch verkörpert. 

Nenn diefer Staat fo kurze Zeit fih zu behaupten vermochte, jo liegt der Grund 
nicht bloß in der Unficherheit feiner politischen Fundamente und in der religiöfen In— 
differenz der Maſſe, fondern in den inneren Schtwierigfeiten der Aufgabe ſelbſt. Formell 
erwies ſich die radikal durchgeführte enthufinftifche Autonomie, obwohl fie die Konfequenz 
der chrütlichen Idee bildete, als völlig undurchführbar, inſofern fie nicht bloß die kirch— 
lihen Organifationen zerrüttete, fondern vor allen auch die politifche Idee individueller 
Rechte und Eelbitftändigfeiten unfontrollierbar und regellos machte. An der Anarchie, 
die von diefer Verbindung der politischen Idee mit der religiöfen ausging, hat fich der 
Staat Cromwells verblutet, und die Folgezeit hat die Errungenschaften diefer Kämpfe nur 15 
in der Weile feftzubalten vermoct, daß fie den religiöfen Autonomie-Gedanken von der 
dee der politifchen Freiheiten völlig trennte und die firchliche und politifche Sphäre als 
getrennte Sphären der Gejittung vorjichtig auseinanderhielt. Noch jchiverer aber waren die 
aus dem inhalt des fittlichen deals entitebenden Brobleme. Der proteftantiiche Geiſt 
der puritaniichen Ethik batte Staat und Net, Krieg und Bolitif, Cigentumsordnung 20 
und Handelspolitit für chriftlich gefordert und berechtigt erachtet, fofern es fich dabei um 
die salus publica eines Gott dienenden Volkes handelt, und hatte nur alle diefe Thätig- 
feiten aus dem Begriff der chriftlichen Kultur zu begrenzen und zu regulieren gejtrebt, 
daneben das Privatleben den forderungen eines Rigorismus unterivorfen, der überall 
Sinnlichleit und Selbftfucht nah Möglichkeit befämpfte. Aber die Führer mußten dabei 25 
zunehmend erfahren, daß nicht bloß eine derartige Strenge die naiven Inſtinkte der Maife 
nicht bewältigen fann (Gardiner, G., ©. 210), fondern daß vor allem auch die einzelnen 
weltlichen Zwecke und Funktionen von Staat und Gefellichaft eine innere Logik haben, 
die eine felbitftändige, durch die Natur dieſer Gebiete bedingte Entfaltung verlangt und 
nicht einfach durch chriſtliche Maßſtäbe vergewaltigt werden kann. Die weltlichen Zivede 30 
zeigten ihre Selbitjtändigfeit und die Unmöglichkeit einer einfachen Regulierung aus dem 
hriftlihen deal. Cromwell hat bier Stüd für Stüd nachgeben und die geiftlichen Maß— 
ftäbe mit weltlichen vertauſchen müfjen; er bat feinen religiöfen Enthufiasmus zum Op: 
portunismus ftimmen, feine Liebe und Freiheit erjtrebende innere Politik in Diktatur 
und feine idealiftifche religiöfe Meltpolitif in ſehr realiftiiche Handelspolitit verwandeln 5 
müfjen (Gardiner, C. a.P. II 295, 479. III 47). Milton bat bei aller Begeifterung 
für den in England gefchaffenen chriftlihen Staat zu der Diktatur Cromwells ſchweigen 
und der Notwendigkeit jich fügen gelernt, daß die wahre chrijtliche Sittlichkeit nicht von 
einem ganzen Volke, fondern nur von wenigen Erwählten verwirklicht werden fönne, und 
er bat jelbit in jeinem großen Werke die Grenzen einer allzu Tonfequent ſpiritualiſtiſchen 40 
und reflektierenden chrijtlichen Kunft enthüllt (Stern III 238). 

Noch ganz anders und hoffnungslofer traten aber dieje Probleme in der Maſſe neben 
diefen beiden größten und klarſten Führern hervor. Hier wurde die Gewiſſensfreiheit 
unmittelbar zur Seltenbildung und ließ die mangelnde Kenntnis der großen Welt die 
radikalſten Folgerungen aus der chrijtlichen Ethik entiteben. Die populären Enthufiaften, vor 46 
allem die independenten Soldaten, verwandelten die große Idee der chriftlichen Kultur bei der 
Schwierigkeit ihrer Durchführung in ein Prinzip der Anarchie, das jeden zur Yoslöfung von 
den bisherigen Offenbarungen und zum Gehorfan gegen Eingebung und Gewiſſen anweift, 
bis Die große Auflöfung kommt, die Wiederfunft Chriſti und die Aufrichtung des taufend- 
jährigen Reiches. Sie halten die Aufrichtung der chriftlichen Kultur überbaupt für fein so 
menſchenmögliches Werk. Umgekehrt überwinden Quäker und Baptiften die entbufiaftifche 
Anſteckung und ziehen fih auf das alte chrijtliche Prinzip der leidenden Duldung aller 
weltlichen Ordnungen zurüd, das nur die religiöfe Geſinnung fich vorbebält und dieſe in 
der Sphäre der religiöfen Gemeinjchaft und des Privatlcbens ausübt. Andere haben die 
driitliche Geftaltung der Wirklichkeit direft in Angriff nehmen wollen und mit radifaler 55 
Austilgung des hiftorischen Ntechtes den Kommunismus und Sozialismus als chriftliche 
Forderung entividelt, während wieder andere aus dem chriftlichen Prinzip lediglich die 
radikale Demokratie mit allgemeinem Stimmrecht und Mehrheitsvertretung folgerten und 
damit die urjprünglich chrijtlichen (Hedanken fäkularifierten. Und in all dem Wirrivarr 
bat es ſchließlich auch an ſolchen nicht gefehlt, die an allen ibealen Maßſtäben irre wurden co 


or 


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und nur bas ——— 


—— — 
— — 








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loſen Reftauration bei —5 — die — Selbſibeſinnung, die 
* hd | der Gewiffensfreibeit und Autonomie zu , vein objeftiv- 
. A 11 7 1 —* ron * bereiten, | ui 1 










‚ Milton und. feine Zeit, 1877—99; 
ichtigfte Mittel dieſer wi — 
» anal Bivhele ie, bie * metaphi 
und über d —8 Göttlichen au ſowie 
— | maß beftinmte Ofele des Handelns. aus ven 
— die Geſetze feines Handelns und die ſein 
fu mit erfolgt. die grundlegende Mbtvenbung don der biöherige 
35 der —* fan Ethik, die überhaupt piychologifcher Anal 


Drähte den nieht un rül ichen Beurteilung und — ſitt⸗ 
des prafti Lebens di Analyfe als den einigen 
— —— —358 * * Yen . = * der 


* und en ihr a ea, = ge — ſowie der für ihre Auf— 
Bamir aber dem ——— en Syſtem uns - 1 ja 


36 in ibrem fen und —8 abe —— zu tief eye 


Mittelpun des Intereſſes geftelkt wird. Die bisherige 9 id do 
ber naiven antiken Boltepfycho logie und ber naiven Aiym Es ber r Bibel — 











und —— — 
der Seele und 


lee durch Die fie rt die ——— — als das ethiſche und 
50 veligiöfe kin dieſer Offenbarungen an den Seelen auf ein pſychologiſches 
den bejonderen Offenbarungsveranftaltungen und mit Kirche und Saframent verfnüpftes, 
Munder zurücdführte, Daneben hat fie aber zur Unterftütung ihrer Metapbofik ber Seele 
die antite Pſychologie in allen * brauchbaren Elementen herangezogen und 
für die Sphäre des natürlichen Handelns auch in der Weiſe der Antike eine 
55 pipchologiiche Erklärung zugelafjen und ausgebildet. Der — — r fie 
immerdar in der —S E der Seele, und die analytiſche Zergliederung war teog der 
bedeutenden auguftinischen Gedanken dabei immer Nebenfache. Sofern fie um —— | 
ſich kümmerte, bezog diefe ji immer nur auf_die Ableitung des natürlichen Handelns um 
Erfennens in feiner Spbäre. Daneben piegte fie freilid die Analyje t 
w Empfindung in ibrer babei vorausgejegten Wunderſphäre, wobei aber yerabe bie ] 


u — Mi 








Moraliften, englifche 449 


lichkeit der Übertragung der Vorausfegungen und Methoden der erfteren auf die der 
weiten das Hauptintereſſe war. Höchftens daß man vermittelnde Übergänge zwifchen Die 
natürlich-piuchologishen Vorgänge und Die Wunder der Gnadenverfittlihung einfchob. 
Unter diejen Umjtänden bat denn aud die pivchologifche Analyje für fatbolifche und 
protejtantijche Ethik feinerlei grundlegende Bedeutung, fondern alle Hauptbegriffe der 
Ethik hängen an den aller inmanent:pfuchologifchen Analyſe entzogenen metaphyſiſch- 
jupranaturalen Yehren von der Heilsgeſchichte, der Uffenbarung und der verfittlichenden, 
prüdeftinierenden Gnadenkraft. 

Dagegen erhob fich aber feit dem Beginn der modernen Welt im 13. Jahrhundert eine 
immer jtärfer und immer prinzipieller werdende Oppoſition. Aus der Verftärfung der 10 
aub vom Mittelalter nach antifem Muſter geübten immanentspfochologifchen Analyſe, vor 
allem aus der Durchführung der ſtoiſchen Affekten: und Charakterlehre, dann aus der 
mächtigen Herausbildung einer freien Dichterischen und fünjtlerifchen Analyje des Menſchen, 
wie jte die Renaiſſance-Litteratur und -Kunſt erfüllt, jchließlih aus der religiöfen Gewöh— 
nung der Selbitzergliederung und Selbjtbetrachtung felbit erbob fih das Prinzip einer 
univerjalen pſychologiſchen Analyſe, die Das Ganze des Menfchen und des Cha— 
rakters, ja jeine Gefchichte und jeine großen hiſtoriſchen Bildungen aus induktiv gewonne— 
nen und verallgemeinerten Beobachtungen zu erklären unternahm, und die in dieſem Be- 
ftreben durch die glänzenden Erfolge der analogen analvfierenden Naturbetrachtung lebhaft 
ermutigt wurde. So baben Montaigne und Charron bereits bewußt die ethische Analyſe vo 
angewendet, indem ſie konſtante Elemente der MWillensregungen und Affelte nach An: 
leitung der Stoa fefttellten und aus ihnen Gejege und Ziele des Handelns ableiteten. 
Tas gleiche Progranım hatte Bacon in feiner andeutenden Weiſe ausgeiprochen und dabei 
auf die von Tichtern und Hiftorikern längft vollzogenen Analpfen als Muſter hingewieſen. 
Tie gleichen Wege gingen die Begründer des Naturrechtes, die Staat und Recht aus 
immanenten pſychologiſchen Trieben und entſprechenden Vorjtellungen abzuleiten fuchten, 
während Macchiavelli, dem Hobbes und Zpinoza folgten, die Pſychologie des durch den 
Staat zu bändigenden Kampfes aller gegen alle entwidelte. Bahnbrechend iſt insbeſon— 
dere Macchiavelli mit jeiner pſychologiſchen Analyſe, feinen hiſtoriſchen Vergleihungen 
und feinen durch Empirie gefundenen Generalifationen. Überbaupt ift auf die ganze, 30 
nach ſtoiſchem Vorgang die Affektenlehre bebandelnde Yitteratur zu verweilen, in der 
Gaflendi, Descartes, Malebrandıe und Bayle bejonders bervorragen (Jodl I, 428). Ya, 
bie bierbei immer mit euer gewillen Zurückhaltung bebandelte theologische Etbik kam 
ihrerſeits dieſen Beitrebungen entgegen, indem Arminianer und Yatitudinarter die Sphäre 
des pſychologiſchen Wunders und der Prädeſtination zu Gunſten einer von der Gnade as 
nur unterjtügten, rational verftändlichen Willensbewegung einjchräntten. Ten ent: 
ſcheidenden Schritt nach dieſen Anläufen aber that Hobbes, der, durch die englischen 
Wirren zur Neubegründung der Etbif gedrängt, fie entfchlojfen auf eine rein immanent 
piochologiiche Analyje begründete. Bon Hobbes angeregt baben dann die mweiteren eng: 
lichen Ethiker auf dem gleichen Boden gearbeitet, auch wenn jie zu inhaltlich ganz anderen —. 
Auffaffungen des Zittlichen binjtrebten. Zeine Gegner baben ebenfalls ihren chriftlichen 
Standpunkt nunmehr auf der gleichen Worausjegung pſychologiſcher Analyſe begründen 
müſſen. Neben Hobbes bat in der gleiden Richtung Spinoza babnbrechend gewirkt, der 
jene Ethik geradezu als Yehre von der Mechanik der Affefte aufbaute und feinen theo— 
logifeh-politifchen Traktat zu einer pſychologiſchen Ableitung der religiöfen Cffenbarungen 5 
und Inſtitutionen gejtaltete. Die Führung aber verblieb den engliichen Denkern, Die 
m Nachfolge und Bekämpfung des Hobbes den Pſychologismus Des 18. Jabrhunderts 
als Grundwijlenichaft und Urientierungsmittel für alle Probleme der geiſtigen, ſittlichen 
und biftorifchen Welt aufgerichtet baben, und die hierin von der ganzen englischen Litte— 
tatur in den „moraliicden Wochenſchriften“ und im pſychologiſchen Zitten:Roman unter: 5 
ftügt wurden. 

Wird aber jo die zergliedernde Pſychologie Der Hebel der wiſſenſchaftlichen Metbode, 
jo tritt mit ihr auch eine völlige Weränderung der Anſchauung von der Gefchichte und 
von den ſichtichen Normen ein, vor allem eine andere Begründung der ethiſchen 
Normen ſelbſt. Die theologiſierende Ethik Des Ratbolictemus und Proteſtantismus batte 5 
die Geſchichte zwar zu einem Ganzen zuſammengefaßt, das in Urſprung und giel em: 
beitlih iſt und in jeinem Werlauf einer einbeitliden Macht unterftebt, das alfo durch 
allgemeine Begriffe beherrfcht wird. Aber Diefe Begriffe entnahm fie aus Ideen, Die 
durch die Offenbarung der Kirche und Bibel und durch unterftügende metapbofiiche De: 
dultionen über Weſen und Ziel der Melt feitgelegt waren, und Die zu Dem wirklichen co 

Real:Encntlopädie für Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 29 


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.*. rlich teleologiſchen Gruppic— 
>. theologiſch metaphyſiſchen 
zn dieſen Rahmen hat ſie Be 

— und moderner 
.zuften des kauſalen Zuſammen- 
... Meter teleologiſchen, die Normen 
2 um aber mit Der zergliedernden 
-—..rflärung, Die, wie der indivr 
.2..„ırd, ſo aud Das univerſelle Ge— 
Lerknüpfungen und Schiebungen 
> wo man ſich nicht bis zur wirt 
2 Sfenbarungefittlichteit vorwagt, da 
„> als möglich, um Das pſfpchologiſche 
sat ein Minimum zu reduzieren oder 
-:h Möglichkeit anzunäbern. Mit der 
2 Sand Die Notwendigkeit einer 
die uberdiea durch Die Konkurrenz der 
: ’npte durch die Analogien der Zittlic: 
zdlegt wurde. Man mußte auch Die 
„zz. rung zu gewinnen ftreben, inden man 
“zz und als Beweis der Allgemeingiltigkeit 
. „member anfab, Der von der tbheologi— 
men consensus gentium bedurfte nur 
Zus” Zr um den fejten Grundſtock aller 
Normen ließen ſich dazu immer noch i 
|... n ihnen befondere göttliche Zuſammen. 
- nn Sittlichkeit erweiſen konnte, womit dann 
::2 durchbrochen, aber doch jedenfalls in den 
2:2 So entſtand aus der pſychologiſchen Grund— 
7 Scriteswißienidaften, das Das IN. Jabr⸗ 
-zeetzuftion der Ethik und Der anderen Weiftes: 
“macht bat, wie Das 17. Jahrhundert Durch 
rn naturwiſſenſchaftlichen Jahrbundert und 
..22 geworden War. 
STBON der Ethik, Die auf der zeraliedernden 
2252 U und damit von vorneberem Die ſämtlichen 
on —* Soraustegung gleichartiger Erforſchung stellt, 
mus dieſer Analyſe aus einen Unterſchied I 
rsange feititellt, und Die Die ganze Geſchichte 
Arteile ſuchend behandeln muß, auch wenn . 
> 2,'ndere Offenbarungen hinzufügt. Die Sittlichkeit 
rn als Offenbarungsgeſetz verliert Die Selbſwer— 
»damit verſinken alle Die früheren mit der Erweiſung 
.npzsndet dogmatiſchen Zchulprobleme, während Die 
. ner oshlen und allein feſten Ausgangspunkt gewährt 
Sion nre tm den Vordergrund treten. 
‚Ne pöpchöogenetiſchen Probleme, ob die fitt 
d szerfitiliden abzuleiten find, wie Der Utilitartsmus 
“gr oder ob ſie eine jelbieftändige Duelle haben, 
oo. Zeichfalls Sehr verſchiedener Formen behauptet. Tas 
>. und chriſtlichen Zittlichkett überbaupt, und darüber 


n.r. 


os fzrsnanieben, jonergiftifchen und arminianiſchen Nontre: 


nie »angt nun an demjenigen, was früher als jelbitwer: 
rien Sittlichkeit galt und hinter der Gnadenſittlichkeit 


“sn 


. rien Urſprung der fittlichen Idee, von deſſen Er 
so Ideen Selbit Leicht als Gnade und ihre Zuſammenfaſſung 
sz werden konnte. Cine andere Hauptgruppe von Pro⸗ 


vn 


No Zaun nach pipchologiſchen Geſetzen, deſſen naturgemaße 


os Km muß und gegen Das der Gedanke eines eigenen un: 
2 Diebote inimer wieder also Theorie des Indeterminismus 


Moraliften, englifche 451 


reagiert. In barakteriftifcher Verſchiebung wird nun das chriftliche Intereffe die Behauptung 
des Indeterminismus, während der Taufale Teterminismus naturaliftifch den Wert des 
Sittlihen überhaupt zu begraben fcheint und mit den Intereſſen der alten Präbeitina- 
tionslehre gar nichts zu thun hat. Dieſe legtere verjchwindet völlig, und der Indetermi— 
nismus jcheint ſich mit der Gnade leicht einigen zu laffen, während er mit dem Kaufa- 
litätsbegriff beitändige Nöte bat. Unter diefen Umſtänden tritt nun auch dad Prinzip 
der Autonomie das bisher vielfach unter dem Schatten der Offenbarungögejeße und 
der Kirchenautorität geitanden batte und feine radifale Ausprägung erft durch den in- 
dependenten Enthuſiasmus gefunden batte, in den MWordergrund, wobei es freilich eine 
völlig neue Geitalt gewinnt. Die protejtantifche direkte Unterftellung des Gewiſſens unter 10 
Gott wird zur Unteritellung des Handelnd unter die innere Notivendigfett rationaler 
Einfiht oder pſychologiſcher Motivation. Aus der Gleichheit aller vor Gott und dem 
allgemeinen Priejtertum wird die pſychologiſch Fonftatierbare Gleichartigkeit und Gleich: 
wertigfeit der Individuen, Die fih in der Forderung der Einbeziehung der individuellen 
Freiheit in den Staatdorganismus, der firchlichen Toleranz und religiöfen Denffreibeit aus- 15 
wirkt. Aus der inneren Notiwendigfett des heiligen Triebes des Miedergeborenen wird 
die Vernunftnotwendigfeit und aus der unantajtbaren Souveränität de Glaubens werden 
die dem Eingriff des Staates entzogenen, in der Natur des Menfchen begründeten 
Menſchenrechte. Mit alledem aber taucht jest ein Problem auf, das die theologifche 
Ethik überhaupt gar nicht gefannt bat und gar nicht Tennen Tonnte, das des Per: 
bältniffes von Sittlichkeit und Religion. Kür die alte Etbif war wahre 
Sittlichfeit und Religion identisch; es gab feine wahre Sittlichleit ohne den wahren 
Glauben und die mit ibm verbundene Gnadenfraft; die Sittlichfeit ohne den Glauben 
und der Gnadenfraft war bloße justitia eivilis. Die moralifche Analyfe aber zeigte die 
etbifhen Norgänge als jelbftjtändige typiſche Erjcheinungen und war genötigt, die Be: 
ziebungen zur Religion erft nachträglich als bejondere Modififattion zu unterfuchen. Dann 
aber mußte fie auch die Religion in gleicher Weiſe pſychologiſch unterjuchen, und, wenn 
fie dabei die Religion auch voreilig in Abhängigkeit von der viel entwidelteren ethischen Ana: 
e betrachtete, jo bat ſie doch immer die befonderen Beziehungen erſt feititellen müſſen. 
Ste find ihr in den Begriffen der göttlichen Offenbarungsfanfktion, der göttlichen Belob- 
nungen und Beitrafungen, der göttlich bewirften oder angefündigten Sündenvergebung 
und der jtärkenden Gnadenbilfen gelegen. So entjpinnt fich als eine der neuen Haupt: 
fontroverjen die Trage nach den Beziehungen des Religiöſen und Eittlichen, der Notwen⸗ 
digkeit oder Entbehrlichkeit göttlicher Sanktionen und jenjeitiger Nevindifationen, der 
Bedeutung göttlicber Vergebung und Hilfe im Verhältnis zu dem jelbftftändigen und aus fich 3; 
verftändlichen fittlichen Streben und Wollen. Sollte aber fchließlich das fachliche Verhältnis 
beftimmt werden, jo bedurfte e8 unter diefen neuen Verbältniffen einer Feſtſtellung deſſen, 
was das dhriftliche Sittengefeß fordert, von ivo aus dann das Verhältnis zu dem allgemein 
ologiſch⸗anthropologiſch begründeten Begriff des Sittengefeßes ſachlich beitimmt werden 
So entitebt die Notwendigfeit, den Inhalt des Sittengejeges als pſy-40 
bologijches Prinzip mit der Möglichfeit der Ableitung aller Forde— 
zungen aus dem Grundgedanken zu formulieren, und diefe Notwendigkeit 
zieht das Problem nach fich, analog auch das driftliche Sittengeje zu formulieren und 
an beiden ;sormulierungen dann die Beziehungen und Vergleichungen vorzunehmen. So 
muß ſowohl der alte lutheriiche Standpunkt, die Ethik lediglihb auf das Gnadenwunder 45 
und die von ibm auögebenden freien Triebe ohne jede Ableitung der fonfreten Regeln 
beichränten, ala auch der alte reformierte Standpunft, aus den rein pofitiven biblischen 
 utoritäten die Sittengebote zufammenzufuchen, aufgegeben iverden. Die chriftliche Ethik 
muß ſich als ein inhaltliches Jittliches Prinzip erfaffen, um zu der allgemeinen etbifchen 
e ein Verhältnis zu finden, und umgefehrt auch die allgemeine Analvfe muß die oo 
driftliche Ethik als formuliertes Zittengefeg erkennen, um ihrerſeits freundlich, feindlich 
oder vermittelnd Stellung zu nehmen. Indem die neue Ethif aus der tbeologijch-jcho- 
laftiichen herauswuchs, war vor allem am Anfang eine derartige Verhältnisbeſtimmung 
daB einzige Drientierungsmittel, bis ſchließlich die wiſſenſchaftliche ethiſche Analyſe fo felbft: 
Händige Grundbegriffe gefunden hatte, daß ſie der Orientierung an dem chriftlichen 5; 
Sittengeſetze nicht mehr bedurfte und nad kurz entjchiedener Verhältnisbeſtimmung die 
Behandlung des chriftlichen Sittengefeges der Theologie überließ. So fommt es zu neuen 
ierungen der inhaltlichen Prinzipien, die zunächſt auf Beeinflußung des allgemeinen 
iffes Durch dhriftliche Ideen und andererfeits der chriftlichen Ideen durch angeblich 
mitonale binausliefen und zu allerhand bloßen Ziwitterbildungen führten, die aber doch co 


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30 


In) Moraliften, englifche 


lyalannıpe io Problem der begrifflichen Formulierung der ethiſchen Inhalte ftellten und 
Yan Unklarbeit ber alten icholaſtiichen. Die Idee Dos Sittlichen immer ſelbſtverſtändlich als 
land Han beirachtenden und vorgausſetzenden. Beſtimmungen aufhoben. 
Mail dieen Rreblemen ietz: dader auch Die engliſche Ethik ein, die in den Wirren 
8 KLEE ad Reitauranen SEI mNT Eributterung der chriſtlichen Ethik ſelbſt 
ame ver; Mein Abindiı BINZ sus Rorruna ichaffen und von ibm aus auch 
Kay Winiapisässipe Sr Kr onzsuseäzöze, aber auf verichiedenen Gebieten ver: 
—B —B Susan. an:; m: uns > Zelbiritandigfeit der weltlichen Zwecke 
aan N — d Sri zer Zu oz ozıns Srinaen wili. Dabei war der Verlauf 
N wel kalt, O2 Do 2 or it ri AzornsmieTrobleme erſt Durch den beftigen 


et SER No: News nam Li Mormicms 35 emilter wiſſenſchaftlicher Die: 
on pen bed I, ZIEL is mein niden Bezüge der Ethik und bie 


ea Na Mr. our and Waren web I * zus Der Revolution ſich ergeben⸗ 
an“ Nernärte I Sehen und anderer anfnüpfen 
men Nenn. Dorgap Sram immun: sen Wuel, nungen des Geiſtes 
ad Ne Seins 5 Zeumudo szızz Ser Sönzeenmt I 1880/84; Mar Deſſoir, 


"edehe Nonnen Nynäu Son@ilnze ]° 78-7 24%: Tiltben, Einleitung ın Die 
Sniieetteltasphtttt . Dos Hat), J 2 X . Auffaflung und Analyſe 
Ne Ste m .h NEE Arch. ? Ines, r IV 1891 und V 1892; 


Nie Nustteehmä Isle Nu Jportaam Memicaren um * — ebd. V 1892 und VI 
we Ne Perg dos Zieniens, Ionitruftiver Koıomsiiemus und pantbeiftifcher 
Porn gm — « v1 It; derſ., Ideen 1 cAne beſchreibende und zer⸗ 
sin stinpnonze, OD. Er bit. Kl. 1844: Wemac. 286 - 320; Gooch, 118 
he ar an pn, 2950; 8 Yancı, Les pnassions et les charactöres 
du ho MWeergiam du Ir siöcle,’ Raris ISss: Soëcter, Pirchologie in Kants 
ea Denn, NO zZ. 1- 192 
So nzsseibenden Anitoß gab Der an der manssriben und italientfchen Re: 
hen in — RS 1679), Der in gleicher Wevt son den ſozial auflöſenden 
Voren Nont niert independentiſchen deals wie von dem serittiichen Spiritualismus 
E BER gerriebenen Chriſtlichkeit fih abgeſtoßen fudite. Dem religiös-beun: 
ser Ideal ſetzt er Das ber ſtrengſten politich-insizien Autorität entgegen und 
seo sa immer bervorbringenden Spiritualismus ismebl ganz weltlich-politiiche 
J as eine völlig ſenſualiſtiſche Begrundung Des Zinlichen. Für das erfte 
av volitiſche Anſchauung vom Staatsideal und ven dem durch es zu bän- 
— wie es Macchiavelli entwickelt hat, für Das zweite auf die materia⸗ 
nad damit Durcheinander fliegenden ſenſualiſtiſchen Ideen. mie fie Gajjendi ent: 
waren Das Ganze iſt auf eine pſychologiſche Analvie begrimdet, die im Gegenſatze 
nenbarungen und Grleuctungen auf das Allerficerite, Die ſinnlichen Emphn- 
a nd Gefühle, zurückgeht. Indem er von bier aus einen religiös-uniformen, 
nen tat im feheinbar konſervativſten S Zinne fonitruiert, vollzieht er doch die radi⸗ 
ih huvelution ber Ethik: er orientiert jeine ethiſchen Begriffe rein an Der weltlichen 
a und macht Diele Begriffe jelbit völlig nominaliſtiſch zu pſochologiſch⸗ kauſal ableit⸗ 
u menſchlichen Willkürbildungen. Trotz alles Gegenſatzes vielfach noch im Banne 
ten ſcholaſtiſch-theologiſchen Begriffswelt und der alten Deckung von Staat und 
ereligion entwickelt er Die bisber „grundlegenden Ideen der lex naturae und ber lex 
u a in einem völlig neuen Sinne. Tie lex naturae, unterjchieden von dem den Urftand 
saohhenden jus naturale, d.b. dem Recht den eigenen Bedürfniſſen und Begierden unbe: 
* u jolgen, iſt nichts anderes als der aus der Einſicht in die böjen Folgen dieſes 
Nana aller gegen alle naturgemäß bervorgebende Entſchluß, durch Übertragun der bie 
einen natürlichen Rechte an eine abjolut berrichende Regierung Friede und Woblfabrt 
gi ahiähgent, In dieſem Entſchluß iſt der eigentlich bindende, aber aus dem Kampf 
14 Iutereſſen völlig „perjtänblidke Hauptgedanke der ſo entftebenden lex naturae entbalten, 
vun Berpflichtung, Verträge um, Des eigenen Intereſſes millen unbedingt einzubalten. 
a jo au ſtande kommende völlig abjolute Staat bat ın feiner unbedingten Kompetag 
IM te Aufrichtung einer ichlechtbin verbindlichen Staatsreligion. Dieſe Staatöreligion 
umehl ſich Da, wo fie die wahre Neligion enthält, auf die lex divina, welche mit der 
u.a anlurae infofern in Übereinſtimmung ſteht, als fie die aus dem natürlichen Pat 
ac Unerwerfungsvertrag folgenden, dem Geſamtwohl dienenden Gefege zugleich mit ber 
Aabenlat Der göttlichen Sanktion und mit den Folgen für jenjeitiges dhchl ausſtattet. 
1 dan ft per Sinn der richtig gedeuteten Bibel, und inſoferne I ber klüglich aus der Idee 















"Se vg | 
— ——— 


Eee, ann, reiht ben euteren Oevanen mu, a hr 
yore bei teil ——— t, Gef ind Wohlfa 
San: Se — 


eines großen mod ernen 

va le, Freiburg 1897.) 

men enſatz gegen —— und gegen den Subjektivismus 35 
auch die "ion der ber —— ioieben | in bie alten 





fie die Ktonf am ee der — Data 9 ———— auftweift 
eje Eivig un —— 3 und begriffliche Notwendigteit 
chen Ween metapf Niich begrün m Geg 
iſtotelismus, mit denen bie 34 Ethik die Auf —— 
Je Renaiflance belebten erg beran un 
aus Klarheit und Schärfe das Problem. Es tit das Be he 
—* Ele, die bi8 auf Lockes Überragende Cinichung bin die englif 
Ste und eine moderne Umbildung ber bisberigen theologifh ven Ethil darſ t 50 
ıneri ee Men Bean aber doch vor allem von dem Wunſch nad einem 
dadurch mit der rationalen Richtung der Anglifaner und 
brend, verlafien fie bewußt und prinzipiell die Grundlage der bis- 
tierten Theologie und Ethik, indem fie ein rationales Aritertum des Wahren 
* rofl m calvin iſtiſchen Pofitivismus und Nigorismus entgegenftellen und 55 
3 erjt politifche und religiö 7 Ethik gemeinfam fonftruieren, beide 
f einander beziehen. Ku ie fuchen damit formell nur eine neue 
x natura, die ja mit ber lex divina identiſch ift und durch die 
Fl voll wirkungskräftig wird, aber rt sa inhaltlich im diefer 
des Notivendigfeitscharafters im Sittliben und die Unmöglich- w 


feit einer bloß, „elsrelogifchen Begründung ſcharf hervor und formulieren damit eines der 





dieſem Zweck geht Cudworth (1617— 1688), bas 

"Eule aus von — der ſittlichen Gebote 
ne 
Aprioriſch endigen zum blo er⸗ 

ler Schärfe den g 3 des ems mit dem m Grund⸗ 
Geiſt als die Duelle 5 das Pius: dd Die finnlühe 






sur Ä 
Sto Geiſtes des us bilde oder ob umgekehrt das 
=. — * — — —— 





——— und. das A Leinen 
damit die Begründung der Geltung auf die Glü olgen gef —— 
25 das lediglich eine im göttlichen Weltplan b dete Koinei Dami Por 
———— zu = PR Schritt weiter gefördert, wenn aud ) freilich die br eu- 


elegt. Diefem Abweg nähert fich bedenklich Gumberland 
Lose 1718), ve en wahren und dauernden Glückes als —— Kenn⸗ 
chen des Sittlichen betont und das mit dem aprioriſch-rationalen Charakter des 

30 en nur durch ftärkfte Hervorhebung der von Gott gewollten und bewirkten Koin— 


eben vereinigen kann. Auch wird mit diefer Betonung bes teleologiihen Elementes des 
Sitlihen fen jeine ar Orbit hm er, © al iu Wohlvoen und \ 
B\ rittlichen Tat um vollfonnmenes der 
aha Mo Das —— hat C. don je * a der Hob⸗ 
— Lehre vom Urſtand gewandt, gegen den er — daß H hilderung 
enſchen zwar den fündig Pe Menſchen richtig darftelle, aber ; gerade 





te tiftung di ündigen Menſchen nur d die auch in vorhandene 
Einficht in ã le 3 ebote möglich werde, und — daß 
N Det cu, Des lc ac a ie Gl a 
1 ftelle. Die een o feine willfür ungen der 
ae aan sen Aa no SF 
au u ote vom en, jondern auf der me iſchen 
Glückes und bes Sittliben. So * Not und Elend, = —— 
fühle das Hervortreten der ſittlichen Ideen, aber ſie find Aare bie —— 
45 deren — ſie hervortreten, nicht ihr Urſprung 
Den Lehren der Cambridger nahe ſteht Samuel Clarke (1675 - 1729). Er betont 
* allen poſitiven Geſetzen vorangehende Idee eines abſoluten Maßſtabes, an dem un: 
kürlich alles Handeln gemeſſen wird und aus deſſen "Die Auen Unerfeibunge —— allein die 
ga an olitiſche ar geoffenbarte, möglid find. Die 
F — iges und bloß ———— ſondern ine uf ee 
* der Seelen liegenden weſentlichen Unterſchied —*8 einem dem 





—— notwendigen entſprechenden und einem ihm wi 
a. ger felbit, der ſich in den top gr jittlichen * der Güte, Gerechtig 
chaftigkeit daritellt, Das jtttliche Urteil des plain man, verba | 
56 b iche went den an ſich und notwendig — den Beftandteilen. bi der A [ 
ri tebenden Relationen, die ibrerjeits wie die mathematischen Verbältniffe aus ders 
des Ganzen folgen. Die Idee des Ganzen ſelbſt aber beruht auf Gottes Fallen „= 
Die notwendigen und normalen Berbältniffe erweiſen ſich dieſe — gar iltn 


mungen dann freilich noch dadurch, daß auf ihnen Wobl und E — 
co beruht, und fo tritt auch bier die Idee ber Woblfahrtsfolgen in bie 







"DIE 














Moraliften, engliſche 455 


lihen Begriffe ein. Auf diefe lex naturae wird dann in der üblichen Weife das po- 
fitive menschliche Gefeß und das pofitive göttliche Geſetz begründet, welches letztere zugleich 
in der Uniterblichfeitöidee die Vollendung des durch fittlihes Handeln zu ermerbenden 
Glüdes bringt und durch feine Sanktion das natürliche Geſetz veritärft. 

Noch jtärfer betont Hartley (1705-—1757), einer der jüngjten Schüler der Cam: 5 
bridger, das teleologijche oder Luſtmoment im Sittlichen, will aber aus der urfprünglichen 
Selbjtliebe das interejlelofe, objektive fittliche Urteil ald Ergebnis einer bejtändigen, von 
der unmittelbaren Beziebung auf das Ich ablöjenden Objeltivierung der Güter hervor: 
geben lajjen, jo daß die diefen Gütern entfprechenden Gebote die Selbitverftändlichkeit 
eined Inſtinktes oder angeborener Gefege gewinnen. In der That find auch die fo ver: 
itandenen Produkte des pſychologiſchen — nichts anderes als die von Gott durch 
dieſe Mittel gewirkten Einſichten in die ewigen Weſenszwecke der Menſchen. Ein deter⸗ 
miniſtiſcher Panentheismus, gekrönt von der Apokataſtaſis, giebt den Gütern und damit 
den auf ihre Verwirklichung gerichteten Geboten einen objektiven, göttlich-notwendigen 
Charafter. 15 

Enger an Cumberland und Clarke ſchließt fih ein Nachzügler der Cambridger an, 
der Nonkonformift Brice (1723— 1791). Gegenüber dem baltlofen Subjektivismus der 
Schotten, der pofitiven Autoritäts- und Geſetzesmoral der Lodefhen Schule und den 
pſychologiſchen Ableitungseifer der Senſualiſten behauptet er den objektiven, innerlih und 
rational notwendigen, ſchließlich den intuitioniftifchen Charakter der fittlichen Billigungs- 
und Mipbilligungsurteile. Sie werden erft vermorren vom Inſtinkt bejaht und dann vom 
Denken klar ald notwendig und objektiv begründet erfannt. Site beziehen ſich auf die 
gejinnungsmäßige, autonome Beivertung von herzuftellenven Thatbeitänden, deren Gedanke 
durch piychologiich nicht weiter ableitbare Intuition oder durch die produftive Kraft der 
Vernunft entitebt, die um ihrer felbit willen ohne Rückſicht auf das Intereſſe verwirklicht 25 
werden, und deren Verwirklichung mit einem vom Ienjuelen Luſtgefühl ganz verſchiedenen 
idealen Befriedigungsgefühl verbunden iſt. Ihr objektiver Wert beruht letztlich auf der 
gottgeſetzten Ordnung und Beziehung der Geiſter, auf einem objektiven, in Gottes Weſen 
begründeten Syſtem der Werte. Auf dieſer Weltordnung beruht ſchließlich auch die 
Koincidenz der ſittlichen Werte mit äußerem Glück. Es iſt die Idee objektiver, in: 30 
tuitioniſtiſch erfaßter, ſittlicher Werte, die ſich in den Gütern der Selbſtbeherrſchung und 
der univerſalen Liebesgemeinſchaft darſtellen. 

Alles in allem iſt es rationaliſtiſch-chriſtliche Ethik, die wenigſtens theoretiſch und in 
Bezug auf den allgemeinſten ſittlichen Gedanken mit dem Prinzip der Autonomie vollſten 
Ernſt macht und die ewige Geltung der individuellen und ſocialen ſittlichen Ideale aus 85 
der Gegenwart Gottes in den menschlichen Seelen ableitet, fofern diefe Gegenwart im 
Gedanken des Notwendigen fih vollzieht. Sie weiß nichts mehr von dem Gegenjab 
religiöfer und tweltliher Zwecke und auch nichts mehr von dem Enthufiasmug der Ge: 
wilfenserleuchtungen, reduziert das religiöfe Element des Sittlihen auf die Gegenwart 
des göttlichen Geiftes und die Idee abjolut verbindlicher Gebote. Sie bat nur ein un: w 
fiheres Verhältnis zur Erbfünden- und Gnadenlehre, während die Offenbarungs-Sanltion 
und die im Jenſeits endgiltig bewirkte Koincidenz von fittlicher Würdigkeit und Glüd in 
den Vordergrund treten. Aber Autonomie und Göttlichkeit des Zittlichen werden nur in 
einer über Staat, Kirche und Gefellfchaft gleichmäßig ſchwebenden Abjtraftheit gelehrt. 
Meder die wirkliche Aufrichtung des chriftlichen Staates auf Grund diefer Autonomie, 45 
noch die Trennung religiöjer und politifcherechtlicher Sittlichkeit, nody die wirklich autonome 
Geitaltung jeder diefer Sphären liegt im Gedankenkreiſe diefer Männer. Ste begründen 
nur von der neuen pſychologiſch-⸗metaphyſiſchen Theorie des Sittlihen aus das alte Ton: 
fervative Verhältnis von lex divina und lex naturae, von Staat und Kirche auf 
neue Weile, wonach der Chriſt dem aus dem göttlichen und natürlichen Geſetz folgenden 50 
Staat zum Gehorſam fo verbunden ıft, wie ibn Gott nun einmal hat werden laſſen. 
(Tullod: Hertling, Locke und die Schule von Cambridge, Freiburg 1892). 

3. Im Widerfpruh gegen ſolche aprioriſch-idealiſtiſche Theorien entwidelte Zode 
1623— 1704) eine apoftertorisch-jenjualiftiiche Theorie, die im Zufammenbang mit feinem 

rinzip der Erfahrungspbilofopbie alle angeborenen Ideen, alle platonifchen Antuitionen 55 
und alle rationalen Deduktionen verwarf und den allein möglichen wiffenschaftlichen Weg 
für die Konjtruftion der Erkenntnis wie der Ethik in dem Ausgang von den einfachiten 
Erfahrungselementen, den damit verbundenen Gefühlen von Luſt und Unluft und dem 
Bermögen der Neflerion erkennen wollte. Der entjcheidende Beleg für die Nichtigkeit 
dieſes Prinzips ijt ihm der Mangel jedes ſicheren Kriteriums intuitiver Erkenntniſſe und co 


er 


0 


se) 


v 


Ali) Moraliften, englifche 


allen die biſtoriſche und ethnographiſche Verſchiedenbeit der ſittlichen Ideen. So 
NO * y aus den einiachſten Elementen des Bewußtſeins, aus Perceptionen und be 
— (Sehublen, die ammengeſetzten ſeecliichen Gebilde und unter dieſen auch hie 
at N x Handelno. die in nichts anderem gegeben find als in einer möglichſt rubigen 
— nen Eincht in die Wiinderolaen dos Handelns. Mus Diefer Einficht ergeben ſich 
un — sie Hauvbrregern und mir ibnen Wohlfahrt und Frieden der Ge— 
N FR 9 Sword Menichen sur Erseibung Des Glückszieles Durch die göttliche 
Sen anunt Seas al Sm fz mas man bie der Erreichung dieſes Zieles 
ST ya ae Den snanashın Flsen sbitrabierten Negeln lex naturae nennen. 
a Nele lex nature zrzz Narr Sec Sim dauernden Wohl fürderlichen Hand: 
N Tansier grins o snzfz, 228 sub volfswirtichaftliche Regeln. Zu ſin— 
Nee os Tann DEI ®uzun one >urch Die Beziebung auf einen poſitiven 
. nee Sl ra», α Sene Regeln dur die Vorhaltung und 
Non see wer or 2 Zur 2 serie Durch Jufügung von Luft oder Unluft, 

na Rp, . ro 20mm: zsztlidhe Geſetz, Das durch die Auto: 
men .-y girl Bao HT am mF geitlichee mie jenſeitiges Wohl oder 
"log Mormwröekoh sum n Damen ter das Staats- und Rechtsgeſetz, das 
.55. Zatmuius mr rinmeirend anerfannten Beitimmungen 
nn 7F-nseiurmpronron Strafen feine Motivationskraft ausübt. 


Nu Nae > Fre —x en. vas weder Durch Offenbarung noch durch 
> hen 2 one m en Verkehr und Urteil der Geſellſchaft 
SINE 2——a wen Meinung und feine Mortivation in dem 
ln 2 os se Le, genmer veringſchaͤtzung bat. Alle dieſe fittlichen 


NIT In =. 8 onegn Bluckswirkungen hängen. Aber ihre inbalt- 
“ N unse ee een Narenalität und Nowendigkeit dadurch, daß fie 
ET T ea nr aa moulichiten Glück fubrenden Neaein des Han: 


Iueuimuo. I Deewwsiikiteleg iſt eine bon Gott vorgenemmene Ju: 
DE Ser: an Tech auch durch Erfahrung und Beobachtung 
1 u = 07. wens zu durch Socialvertrag fejtgefegte Sanktion der 
N » 0. whrrutcher Wohlfabrt und Das Gejeh Per öffentlichen 
\ ” >.» oslarbeit verſchiedene individuelle Beurteilung ber 

nn on... etdisbalb in der Hauptſache mit den ‚forderungen des 
._ .. EEE Teibſtbeherrſchung und Woblmollen jind Die Haupt: 
TFT se Zismpntileg ſich zur Hauptaufgabe dic Nereinigung der 
> open inDividuellen Autonomie mit der für Das Wohl 

u x. rsvshtzion der Negierungsgetvalt macht. 

” ne nette Wendung Des Tenfens übereinjtinmende Wendung 

. _ aa ud empiriſtiſchen und daher auch zu biftorijtifch-pofitiven 

en sur der Nie naturgemäße Notwendigkeit noch die Chriftlichteit 

m Ad die Dabei vor allem den baltbaren Erwerb der ine 

> — Saiareode Gewiſſensautonomie und Die mit ihr zuſammenbangende 

FR doriler politiſcher Nechte, firieren will. Freilich ſteht bier nun 

oe sunben neben der politiſchen Sittlichkeit und neben dem fttt: 

ns Giemeinſchaft, jo daß Die bier feſtgehaltene Chrijtlichfet 

” “ .yalen Vetonung der formalen Offenbarung doch in Mabrbeit 

aussen wet beeinflußt und dieſe einer ganz freien und beweglichen 

\ ” ses dtng ireizugeben ſind. Die wirklich aus der chriitlicen 

ie . . »riten. die Toleranz und NMirchenfreibeit und die der religisien 

"san wetttihbe Avetheit des Individuums, baben nur mebr ſchwachen 

” x. ntluben Idee und tragen, indem fie von ihr immer mehr fi 

nasuttg aller Grenzen und Vorausſetzungen der bisberigen etbi: 

ges ine dieſe letztere Wirkung weder bei den englifchen ned 

no u \onanın Lalıy hervor, Die vielmehr gerade die fo konſervierte Chrift- 
won 


oo ahnt bald mehr in rationaliſtiſcher, bald mehr in ſupranatural⸗ 
' —8 vl Aoaland iſt ſo die Ethik Lockes einerſeits der Ausgangspunkt 
N Senn aut Moral reduzierenden Religionsphiloſophie, des Deismus, 
N ara prannturaliſtiſchen Utilitäts und Geſetzesetbik des Antibeiämus 
‘ N yon hat ſeinen Schwerpunkt in der Kritik ber Wabrheits- und Tffen: 
Na se ettiuen eligivnen und hängt mit der Ethik nur inſoferne zu: 
RI 


wi‘ 


Moraliften, englifche 457 


fammen, als er das bei diefer Kritil übrig bleibende Allgemeine in Abbängigfeit von der 
Lodeichen Moral: und Religionsphilofophie in dem Begriff eines natürlich-göttlichen Sitten- 
geſetzes erkannte, das er aber näher auszuführen fein Intereſſe befaß. Der Antiveismus, 
von Warburton (1698—1779) geführt und von Jaler (1743— 1805) Ethik kodifiziert, 
ſtellt in gleicher Weiſe keinen Fortſchritt der ethiſchen Analyſe dar, ſondern nur die ge 
waltſame Feſthaltung der ethiſchen Analyſe bei dem von Locke ausgeführten Kompromiß 
zwiſchen dem natürlie-rationelfen Eudämonismus und dem übernatürlichen, auf Offenbarung, 
Erlöfungebilfen, Himmel und Hölle begründeten Eudämonismus. Er hat ihn mit ber 
Maffivität einer die Ansprüche der Klugheit wie das Glaubensbedürfnis gleich befriedigenden, 
äußerft jelbftzufriedenen Theologie noch ſtark vergröbert und den gedankenreichen Theo: 10 
rien der Cambridger ein Ende bereitet. In beiden Richtungen liegt die große Kontro- 
verje über das Verhältnis von Religion und Sittlichkeit vor, wie ſie fih bei den einmal 
eingenommenen, total verengten Vorausſetzungen geftalten mußte. 

Eo ftellt die Ethif Lockes das große Problem der Geltung fittlicher Normen bet 
Leugnung angeborner Ideen und der Befeitigung fittlicher Normen angefichts der hiſto⸗ 15 
riihen Dannigfaltigkeit des Sittlihen. Sie ertweitert den Umkreis der zu beachtenden 
fittliben Mächte, indem fie neben der Religion die felbititändige politische und die jociale 
Sittlichleit geltend macht, und fie nimmt in ihren gulammenbang die Betonung der fitt- 
lichen Autonomie als eined modernen Grundgedankens auf, der fi in Freigebung der 
firchlichen Gemeinjchaftsbilbung und in Reſpektierung der unveräußerlichen individuellen 20 
Rechte dur den Staat praftiich darſtellt. Dadurch iſt fie reiher an Problemen und 

icher an tbatjächlichem Inhalt als die Ethik der Cambridger, obwohl fie die charafteri- 
ftifchen Grundzüge des Sittlichen weniger würdigt als jene. Zugleich bat fie den Kom: 
promiß mit der Theologie nüchterner, mafjiver und zurüdhaltender geſchloſſen, als die 
fpiritualiftiiche Theorie der Cambridger. Das erftere bat fie zu den mächtigſten Wirkungen 25 
auf den Kontinent befähigt, das lestere hat fie den Engländern empfohlen (Tagart, 
Lockes writings and philosophy, London 1855; Artifel Deismus BoIVGS. 532; Yezius, 
Toleranzbegriff Lockes und Pufendorfs, Leipzig 1900). 

4. it diefe Verbindung theologifcher Elemente, eines jenjualiftifch-empiriftifchen Eu: 
dãmonismus und eines pofitiviftifchen Geſetzeszzwanges vom Geiſte ſcholaſtiſcher und chrijtlicher so 
Ethif bereits weit abgerüdt und bat fie ſowohl die pfnchologijche Unterfuchung als die in- 
baltliche Gharakterifierung der fittlihen Mächte zur freien Diskuſſion gejtellt, fo iſt das 
noch mehr der all bei Shaftesbury (1671— 1713), der völlig als ein Philoſoph für 
die Melt die Ethik als eine Arithmetil der Affelte behandelt und in feinen ſchwer faß- 

ven Theorien jedenfalls die Autonomie, Aprivrität, allgemeine Gleichartigkeit und durch 85 
ſelbſt beglüdende oder ſtrafende Macht des Sittlichen behauptet, obne diefe Gedanten 
ell oder inhaltlich irgend an die chriftliche Ethik anzulehnen. Es iſt der äfthetifterende 

Geift der Antike und der Renaiffance, der in ibm zur Geltung fommt und bei ihm mo: 
derne weltmänniſche Formen annimmt. Seine Definition des Sittlichen erneuert die von 
chriſtlichen Angleihungen befreite Definition de honestum bei Cicero (Zielinsky, Cicero 40 
1896 S. 52), und der allgemeine Hintergrund ift wie bei Gicero die theiſtiſch mobifizierte 
ftoifhe Lehre vom Weltorganismus (Dilthey, Archiv, 1891, 613—620). Der Horizont 
dieſer Idee des Sittlichen aber tt der moderne Staat und die moderne Gefellfchaft. Nur 
m der wunderlichen Definition der altruiitifchen Affefte als der natürlichen und in der 
Betonung ihres Zufammenhangs mit der organifchen Aufeinanderbeziehung der Dinge 6 
wirft die alte Idee der lex naturae nah, während die chriftlichen Einwirkungen ſich auf 
eine gewiſſe Gefühlsweichbeit und auf die Betonung der Majeftät des Eittlichen be: 
hränken. Bon diejen Vorausfegungen aus fonjtruiert er das Sittliche im Gegenjage 
gegen die ihm fonjt nahe verwandten Gambridger, die die fittlihen Werte durch Meſſung 
an einem rationalen Maßſtab gewonnen batten, und noch mehr im Gegenſatz gegen so 
Lockes Berflüchtigung der Selbititändigfeit des Sittlihen aus inſtinktiven gefühlemäßigen 
Werturteilen, die bei der Neflerion über die in uns wirkenden Triebe und Affelte ent: 
fieben und jo jelbit als Affelte böberer Ordnung zu wirken vermögen. Das Lodefche 
Aeflerionsvermögen wird ihm aus der bloßen Fähigkeit, die Natureindrüde zu fombinieren 
und die Yultempfindungen auf die Größe und Dauer der Yuft bin zu beurteilen und zu 55 
—— J einer produktiven Kraft des Bewußtſeins, die in der Reflexion auf die 
A 
bringt 


inftinktive und intuitive, Weſen und Art der Werte unterjcheidende, Urteile hervor— 

. Wir billigen die auf die Harmonie der Geſellſchaft in Staat und freien Verfebr, 

in Familie und Menfchheit abzielenden altruiftifhen Affekte und Triebe; wir billigen 
ferner die Affekte der Selbitliebe, wenn fie in den durch dieſe Nichtung geftedten und eu 






nah Darm werden, und wir 
te Harmonie unfereäeigenen 


, bie bie Har- 
eei alſo 


one a ich er * * * öge der 

er — ts, u — 
— der Baus die fittli He ganz von felbft die Mittel zur 
irflihung des Glüdes 


u er Es en Vermögens der auf die een 


die Obietie F bie o da bie au — — des eigenen. € : 
Bin begi Bene I i J — 
rch Die Idenftn bjefte — —— mit bewußler Schädigu 
find zumächit ſämtlich —— 
en unter ihnen. Sittli — entftehen erſt, wenn die auf fe —— ih 


ltnis zu einander und zu der Ökonomie und Konftitution des Menſchen beftimmt. 
* e an dem —— völliger —— inſtinktiv alle Affekte meſſenden ſittlichen Ge— 
en ſind die all — Autorität, aus der das Gewiſſen ‚und bie in bas 


35 Ar der I elnd eingreift. Als ihre Zentralivee erwei die alle Um: 
sp Verbältni pn ana —— oder das Er — der 
Geſellſchaft, in die auch die harmoniſche Einfügung und damit das Glück des eigenen 
S eingejchloffen iſt. Inſoferne als diefe Harmonie auf das Urbild der Liebe hinweiſt, 

in das iktliche auch die —— einge lofien, — der dann der Übergang 

40 — dieſer ſittlichen Kraft du Die nd Erlöfung im Chriftentum ge 


Pi weitere Einwirkung hat esbury in England ehabt. Seine Lehre 
vom makrokosmiſchen und u Organismus hat —— eutſchen gewirkt, 
u. piychologif —— der Gefühlsmoral auf die Schotten. An England behaupt 

e ar auf weiteres das —* und Shaftesbury bleibt nur Ki Aubatung ver te her 

bisherigen Ghrijtlichteit am ſchärfſten entgegentretenden ethijchen Idee, der dee 

Ausbildur des geiftleiblichen Menſchen in allen Beziehungen feines Daſeins, —— 

Sittliche nur die Sail He der Harmonie oder Die dee der Humanität iſt. Wenn 

aber De englifche diejen Bat der Humanität nie wirflid erreicht rk Io fo bat ſie 

so noch weniger die in ihm eingejchlofjenen Probleme der Maßſtäbe —— Beurteilung 

= er Harmonie und Humanität unterſucht. Für die engliſche Ethit wird der alte + 
von ftaatlicher und licher Moral zwar erſetzt durch den der humanity, aber 

Si umanität bleibt Menſchenliebe mit Einfluß * — en Selbitliebe und wo: 


mit Einfluß jen — er Belohnungen. (v. Gizyckh v Shaftesburus, 
Beben 1876; I, ji tudies ur: to the —— er Butler, Oxford 


2 Die Schotten jehen die von Lode und Shaftesburh eröffnete — des 
Reflexionsvermögens fort, gan aus ibm die Geneſis der fittlichen Idee zu q 
gelangen dabei zu einer die Engländer noch weit hinter ſich laſſenden Unabhängig 

co gegenüber der jcholaftiichen und theologifchen Moral. Statt an ihr —— K 


==. 












peu mer 
E — 


Moraliften, englifche 459 


vor allım an Shaftesbury und kommen fo zu einer völlig modernen und unab— 
bängigen Bebandlungsweife, in der fie zu den Klaſſikern der pfychologiftifchen Ethik ge: 
worden find. An der Spige fteht Hutch efon (1694- -1746), dem die fehottifche Common: 
Senfe-Schule folgte. H. mendet ſich gegen den Senjualismus und feinen nur ein 
Brinzip, das der Selbitliebe, verivendenden Aufbau des Geelenlebend. Diefer einfeitige 5 
Gegenjat und Ausgangspunkt bringt es mit ſich, Daß die von 9. gelehrte prinzipielle 
Unterſcheidung eines fittliben Prinzips von den jenfualen Gefühlen ausfchlieglih am 
Wohlwollen oder am Altruismus hängen bleibt. Das Nefleriondvermögen enthält einen 
Inſtinkt oder gefühlsmäßigen Sinn, der überall das Moblwollen affeftvoll bewundert 
und durch diejen Bewunderungsaffekt unfer Handeln motiviert. So enthält das Refle— 
rionsvermögen einen gefühlsmäßigen Intuitionismus, der durch Gefühle der Liebe und 
Bervunderung alle altruiftiichen Handlungen billigt, der aber nicht die Einſicht in Die 
etwaige rationale Notwendigkeit des fittlihen Handelns, fondern nur das einfache, un: 
beirrbare, inftinktive Gefühl für alle wohlwollende Gefinnung enthält. Die weitere Re: 
flerion zeigt dann, daß dieſes Mohlivollen die berechtigte Selbitliebe nicht aus- fondern 15 
einfchließt, und daß aus ibm Harmonie und Glück der menschlichen Gefellfchaft entiteht. 
So wird die ethifche Theorie zu einem intuitiontftifch begründeten Socialeudämonismus, 
aus deſſen Grundgedanfen die Reflexion alle fittlihen Urteile kaſuiſtiſch und in matbe- 
matifcher Formulierung abzuleiten im jtande ift, und der den religiöfen Hintergrund 
eines rattonaliftifch-optimiftiichen Chriftentums fordert. Aus ihm regeln fich die Normen 20 
des Familienlebens, Privatlebens, der Gejellfhaft und des Staates, der Volkswirtſchaft 
und der Arbeit in einem optimiftifch liberalen Einne, infofern das richtige Gleichgetvicht 
von Wohlmollen und Selbitliebe alle Verhältniſſe befriedigend ordnet, die Nüdficht 
auf die Gefellihaft und die unveräußerlihen Gewiſſensrechte, den Cigentumstrieb und 
die Nächitenliebe harmonisch verſöhnt. Die bijtorische Verſchiedenheit des Sittlichen iſt: 
nur eine Verfchiedenheit der verjtandesmäßigen Neflerion auf das Gefühl und feine An: 
wendung oder ijt in der Übermältigung des Moralfinnes durch die jelbftifchen Leiden: 
fchaften begründet, nicht aber in Differenzen des Gefühls felbft, das an ſich vollig einfach 
und unziveideutig. ift. 

Hume (1711—1776) vertwirft als prinzipieller Empirift oder befjer Poſitiviſt den 30 
imaginären \ntuitionismus eines moral sense, der nad) angebomen Ideen und pfucho- 
logiſchen Myſterien jchmedt, und ſucht ohne Herbeiziehung eines folchen zweiten Prinzips 
lediglich aus den Senfationen und ihrem Luft: und Unlujtgefühl die fittlichen Prinzipien 

gewinnen, wenn er auch im Unterjchied von Hobbes und Locke hierbei den fpezififchen 
—** derſelben feſthalten will. Er erreicht das durch die Einführung des Begriffes der 35 
Bhantafic und Sympathie, zu denen ſich Aifociation und Gewöhnung gefellen. Durch 
ſympathiſche Verfegung in fremdes Handeln, und zwar in ein möglichft fremdes, ung 
perfönlich gar nicht berührendes Handeln, und in den von diefem Handeln Betroffenen 
empfinden wir alles die natürlichen Triebe und Bedürfniffe fördernde und vollendende Han: 
deln mit. Daraus entftebt bei Vergleichung vieler "folder Fälle ein Durchſchnittsbegriff 10 
des fürdernden und vollendenden, Individuum und Gemeinſchaft beglüdenden Handelns, 
der von der Beteiligung der Selbitliche des Betrachters ganz unabhängig ift. Er ge 
winnt den Charakter eines objektiven Ideals, das wir bei eigenem und bei ung betreffen: 
dem Handeln anderer dann unwillfürlid als Maßſtab des Handelns anlegen. Co entfteht 
auf dem Umiveg über die Sympathie, aus der bald mit dem Handelnden bald mit dem 45 
Betroffenen fühlenven Zelbitliebe, die nicht direkt perfünlich intereflierte Schägung eines 
deals, das über den eigenen und über den fremden Intereſſen ale gemeinfame Norm 

t. Durch Erziebung, Bildung, Tradition und Geſetz wird dieſes deal zu einer 
ſcheinbar völlig objektiven Macht, die bald ale Geſetz bald als Gewiffensinitinft betrachtet 
wird und feinen Gedanken an ihren Urſprung mebr enthält. Das jo zu jtande kommende 50 
Ideal felbft aber ijt nach feinem Inhalt das Ideal einer gefund entfalteten Berfönlichkeit 
und barmonischen Geſellſchaft, die ſich gegenseitig durch Entfaltung aller Anlagen das 
deg te Glücksgefühl ſichern. Denn die mitempfindende Sympathie erſtreckt ſich nicht auf 
die iedigung der gemeinen Selbſtliebe als ſolcher, ſondern, wie Butler richtig geſehen hat, 
auf die Herſtellung der dem Menſchen um ihrer ſelbſt willen wertvollen Zuſtände und 55 
Sachverhalte, jo daß alſo die Sympathie die Förderung und Verwirklichung des menjch- 
lichen Weſens in feinen natürlichen Trieben und Bedürfniſſen mitempfindet. So gelangt 
Hume als umfafjender Denker, Menſchen- und Gefchichtsfenner zu der Shaftesbury ver: 
wandten Idee der Humanität, die nur freilih auch bei ihm im einer weltmänniſchen 
Utilitãtsmoral ſtecken bleibt. Eines religiöfen Hintergrundes bedarf diefe Moral nicht. en 


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ne jehr ſcharfſinnige Fortbildung findet diejes von e 
10 — Adam € org ot (1723-1700), dem > Beprinde SE 





mit nimmt die Cihif 


pl die Richtung auf die opbie und unterfucht erhalb 
⸗ eben ſpezi hiſchen — — und Bedeutung und u ing, er 


7% —* arte ei —— —* sit dur Bu Se mas ratio- 
i —— she die Thatf 





ton ber Notwen Sittlichen verfucht urn ache 
* die bie Theoretifer der Selbitliebe borausgejett un überehen batten, 


aber auch von Humes utilitarifcher Behan nd zu entfernen —— 
F nämlich, ſo fern ſie für das Sittliche in B kommt, nicht Mgerüb! mit ben 
25 Folgen des Handelns umd Verſetzung in den Genuß biefer Folgen für 
und den Betroffenen, fondern Mi dung mit den Motiven des Handelnden und mit ben 
von den Betroffenen auf diefe Motive gerichteten Gefühlsreaftionen. Dre fittlichen Soeen 
aus der Gemeinjchaft und durch die Gemeinfchaft; fie beruhen auf einer 
fonderen Gemeinfchaftlichleit des Gefühls gegenüber dem mit- und | 
so Motiv und der ſeeliſchen Wirkung des Sandens, Aus einzelnen foldyen hrung 
anderen und aus der Reflektierung der Urteile der anderen in die eigenen Empfindung 
entſteht die Idee eines —— = uns empfindenden Zufchauers, mit he ch mir 
empfinden, der das verlörperte menschliche Gemeinbewußtjein und * in Erziehung, öffent: 
licher Meinung und Anititutionen | te Niederfchlag der er wen) nen fittlichen iſt. 
s Sp kommt aus dieſer Wurzelung im ige Men ber digfeitscharafter 
— zu ſtande, der noch vermehrt wird durch die —S daß dieſe Regel 
ns zugleich Die Reg eln für Bewirtung von Harmonie und Glüd der Gefellfe 
—— "Das etztere — —* freilich die —* Geltung durchaus nicht, aber en —— 
fie durch ihre Eingliederung in die harmoniſche vn nifation ber ge S 












10 Inſtinkten und Gefühlen uns mit den Regeln zur Grreicjung Des lite —* 
gerüftet hat. nt ift der Begriff der Sympathie in den des Gemei eins und 
die Individualp —* in die Socialpſychologie — die freilich twirk: 
lichen Grund Ne gemeingiltigfeit der jittlihen Urteile nicht angegeben bat, bie 


aber bie gen anze ——— Unterſuchung von den nunmehr erichöpften i individualpſyche 
45 logiſchen zu anderen Quellen der Allgemeingiltigkeit hinweiſt. Materiel 
dieſe optimiſtiſche, Altruismus und Egoismus vereinigende und dieſe Vereinigung * ei 
eh Dietapbont jtügende Aulturpbilofopbie als mit den Grundideen des 
betrachtet, wobei aber der chriſtliche Altruismus erjt mit — 
ie kihaft —— Egoismus zuſammen die Prinzipien des 
(EP ——* —— und ehe 8 * = ge — u a wege 
etzung der enntnisle oral und Religionswiſſen in 1874 
H A. Onden, 9. Sin un Kant, Yeipzig 1877.) 
IV. Damit ift der Grunpftod der Begriffe der modernen a a en ern Erbit 
geſchaffen. Malebranche und Bafcal haben dann tiefe Einfichten in das W — 
55 Ethil hinzug gt, die aber für die nächſte Zeit ohne Wirkung blieben, fer 
Thema des Verbältniffes von Sittlichfeit und Religion unter den Gefihtehn 
Santtion und der übernatürlihen Hilfen einfchneidender behandelt, Spinoza — — 
Bedeutung des Denkens und der Wiſſenſchaft zum Zentrum der E 1 gemacht. 
Franoſen haben die ſenſualiſtiſche Ethik der Selbftliebe in ihre Konfequenzen ve Re t. 
oo Leibniz bat die Idee der Individualität und der Entwidelung des Selbft in die Eibi 





Moraliften, englifche Morata 461 


eingeführt, und Roufleau die Gefühlsmoral belebt, indem er zugleich das folgenreiche 
Problem des Wertes der Kultur im Verhältnis zu den einfachlten ethiſchen Gefühlen 
aufrollt. Die vor allem an die Schotten fid) anſchließende Genfer und Berliner Auf: 
Härung hat die pſychologiſtiſche Analyfe feinfinnig Inrigefeht und meiophrfiſc fruktiſiziert. 
Aber weſentlich Neues iſt mit alledem nicht geſchaffen. Erſt Kant ſtellt die Frage der 5 
Allgemeingiltigkeit des Sittlichen auf einen neuen Boden und löſt die Analyfe von den 
Methoden des Piychologismus ab, indem er fie in die transcendentale Analyje des Be: 
mwußtfeins verwandelt. Andererfeits hat Schleiermacher die inhaltlichen Begriffe des Sitt- 
lichen, die Humanitätsfittlichfeit und die Rulturidee, etbifch ald Syſtem der Güter ordnen 
und bearbeiten gelehrt, womit die Veränderung und Ausweitung der ethifchen Mächte erft 10 
ihre begriffliche Bearbeitung findet. Moderne Soctalpfychologie und Entmwidelungslebre 
haben dann noch neue Momente hinzugefügt, in deren Zufammenfaflung mit den ge 
nannten fich die moderne Ethik darstellt. Die Grundzüge der Gedanfen aber entitammen 
der englifchen Ethik, mit deren Nachwirfungen Kant Fi auseinanderjegte und deren Gin- 
flüfle in Herders Humanitätsidee unverkennbar find. So haben fi die unter dem Anſtoß ı5 
der großen englifchen Krifis ausgearbeiteten Ideen der pfychologifch-hiftorifchen Analyfe, der 
Abgrenzung verjchiedener jelbititändiger Sphären fittliher Zwecke, der Auflöfung des 
alten dogmatijchen Verhältniſſes von Religion und Moral, der Autonomie und des Gegen- 
ſatzes gegen den augujtinifchen Dualismus in der philofophifchen Ethik durchgeſetzt. Die 
Wirlung auf die Theologie beitand einerfeits in der Schöpfung einer an die 20 
Moralpſychologie angelehnten Religionspbilofophie, die von den feiten mora- 
lichen Daten aus die Probleme der pofitiven Religionen aufzulöjen im ſtande fein follte, 
andererjeitö in der Herborbringung einer neuen Disziplin der theologiſchen Ethik. 
Die bisherige theologiſche Ethik war, ob jebieftännig bearbeitet oder nicht, eine Depen- 
den; der Dogmatik, die von der Dogmatit die Geltung der Offenbarung und damit der 25 
fittlichen Vorfchriften entlehnte und ebenfo aus der Dogmatif die Idee der Wiedergeburt 
und der Gnadenkräfte empfing, der daher bloß die befonderen Brobleme des Verhältnifles 
von Gnade und Freiheit, Glaube und Werken und die Kaſuiſtik verblieben. Dabei flocht 
fie Entlebnungen aus der philofophifchen Ethik ein, deren Verhältnis zu der Offenbarungs⸗ 
und Gnadenethik vermöge der vorausgefegten prinzipiellen Spentität von lex naturae so 
und lex divina fein Problem war. Im Gegenjage hierzu wird nun unter der Ein- 
wirfung der neuen ethifchen Analyfe und der von ihr beleuchteten Veränderung der fitt- 
lichen Werte die theologifche Ethik zu einer jelbititändigen Disziplin, die den von den 
Reformatoren zurüdgefchobenen Begriff eines chriftlichen Sittengefeges ausbilden muß und 
mit diefem wie mit der Anwendung dieſes Gefetes auf das Leben eine neue Aufgabe 35 
gewinnt. Sie per von der allgemeinen ethischen Analyfe aus Begriff und Geltung der 
hriftlichen Ethik feitzuftellen, vermittelt die Gnade pſychologiſch, d. h. verfucht ſie im 
Bocoloeich verftändliche immanente Vorgänge aufzulöfen ohne Preisgabe übernatürlicher 
ntriebe und ftrebt bie übermeltliche chriftliche Beurteilung der ethifchen Werte mit einer 
innerweltlich-Humanen zu vereinigen. So wächſt die theologiſche Ethik an Wichtigkeit 40 
eine Zeit lang der Dogmatif über den Kopf und läßt diefe zu einer Dependenz der 
Ethik herabjinten. Die Wiedererhebung der Dogmatif und die erneuerte Selbititändigfeit 
des religiöjen Elementes, die fi) auf Die theologifche Neftauration und auf Schleier: 
macher zurüdführten, haben zwar die Dogmatik der Ethik gegenüber wieder verjelbit- 
ftändigt, dafür aber die Probleme der theologischen Ethik in um fo größerer Unordnung 4 
urüdgelaflen. Hier bat erſt Nihard Rothe, auf Fichte und Schleiermacher geſtützt, den 
eubau vorgenommen, der durch die Sefamtlage gefordert wurde. (Gap; Luthardt; 
Stäudlin, Neues Lehrbuch der Moral, Göttingen 1825, bier ältere Litteratur; de Wette, 
ht über Ausbildung der tbeol. Sittenlebre in d. luth. Kirche feit Calixtus, Schleier: 
machers Theol. Zeitfchr. I 247—314, II 1—82, Berlin 1819/20; Stäudlin; Artitel so 
„Ethik“ Bd V ©. 556.) E. Tröltid. 


Moralitäten |. Spiele, geiitliche. 


Morata, Dlimpia (eigentl. Olimpia PBellegrini), geb. 1526, geit. 1555. — Ihre 
Opera, beitehend aus teilweife verjifizierten Stilübungen in lateinischer und griechiſcher Sprache 
und aus Briefen, bat Celio Secondo Curione in Bajel herausgegeben: fie erſchienen zuerjt 65 
1558, dann 1562, 1570 und 1580, die beiden lepten Ausgg. nicht unweſentlich vervollijtändigt 
und gefolgt von Briefen von und an Guriv ſowie fonitigen Produkten feiner Feder (val. 
8b IV ©. 353,16). Wir citieren nad) der Ausgabe v. 1570. Ihr Titel lautet: Olympiae 


462 Morata 


ae, ge. eng re ‚ Basileae apud Potrum 
‘ Pornam. 
Allg. Litteratur: ZTivaboschi, Storia della Lett, ital. t, IV, p. 160 (Mailand 1833); 
Peregrini Morati Carmina quaedam latina, Venet. 1533 | fan, mir Aut nainaDi Giu⸗ 
pp —* vo. legrino Morato (Atti e Mem. R, Deputaz, di Stor tria... 
vol. 3. A. Noltenii ae er i i i ul 


ten t. hist. crit. de Olympiae Moratae Vita, 
‚ rec, t ete. J. G. W. Hefe, Francof. ad Viadrum 
3 Praefatio editoris —— 50 &.); ; , Smetfhte, De —— Fulvia Morata, Zittau 1808 





Ba „ Bofton 1 337 
a Das zuerft in der ital, „dann in ber bentichen (von Dr. — — 


er —— de * East des go amanift ulsio ſtand 
NER Da Be a bierziger abren der Hum 
dem Beinamen Moretto oder In dem Briefwechjel —— Anden zwei 
nicht datierte Schreiben —— Yin dieſen, deren eines tiefgefühlten * — 
25 Ausdruck bringt, daß Curio dem Freunde in religibſen Fragen den rechten Weg 
babe Ol. Moratae Opera, 1570, p. 315—317), während dieſer in bem — 
von ne („optimum organum ac vas eleetum ad Dei gloriam“ nennt er ibn 
verabfehiebet und ihn hr fpäterem Befuche dringend einladet (ebd. ©. 8137). Es gebt 
aus —— Briefen, welche wohl in die Zeit kurz vor oder nach ⸗ 
so nad Lucca (vgl. oben Bd IV ©. 354,51) fallen, hervor, daß er es geweſen, der dem 
Haufe Pellegrinis den Stempel evangelifcher Frömmigkeit aufgedrückt Bat, welchen auch 
die herrlichſte Blüte dieſes Haufes, die liebliche Olimpia, trägt. 
Pellegrini war als Lehrer der Prinzen Ippolito und Alfonjo in Beziehungen zum 
Hofe in Ferrara getreten; er hat ſp —* auch ein öffentliches amt an der dortigen 
Hohen Schule bekleidet. Im eigenen Hauſe leitete er mit größter Sorgfallt die Erziehung 
einer Kinder, vor allem der hochbegabten 1526 in Ferrara geborenen Olimpig. Ein 
(ler Lichtftrahl Fällt auf diefe in der Zeit, als fie ihr 15. Behensjahe erreichte. Damals 
(1540) war Gurione in Ferrara. Olimpia entivarf und bielt vor. einer er 
hörerſchaft einen Vortrag, ei mena in Ciceronis — — fall. a 
40 teilungen gejchieden find dieſe Prolegomena an die Spige ber „ — 
noch jetzt in der Baſeler Bi er aufberwabrte ion Mich * Curione 
geſchrieben: Haec Olympia suopte ingenio invenit, suo stylo et artificio elocuta 
est, sua manu exaravit, sua voce pronuneiavit, me audiente cum multis ie alle 
Ferrariae, annos nata XV, anno salutis MDXXXX, III Idus Junii. Haee egc 
4 Caelius S. C. testor. (vgl. Rivista Cristiana, Florenz ————— S. 5). Pi Jellegrimi 
— Bananen tolz Ar eriten — 9 * im di Y 
ter im humaniſtiſchen Geiſte gereift jab, jo iſt er mi iger $ Fer gie 
weſen: fie elbjt bezeugt in einem griech en Schreiben an den | —— itweiſe in 
Ferrara wirkenden Humaniſten Kilian Sinapius (Senf), den Bruder 
so der Medizin dort angeſtellten Johann Sinapius, daß jener fie in die Kenninia des 
chiſchen eingeführt babe (Opera, p. 73ff.). Nicht unwahrſcheinlich ift es, daß ber er- 
wähnte Vortrag Dlimpias die Aufmerkfamteit aud am Hofe der Herzogin Renata bon 
Ferrara (j. d. A) auf fie gelenkt bat. Wenigſtens iſt fie vermutlich 1 1540 als Beſel 
E und Studiengenoſſin der 5 Jahre jüngeren Prinzeſſin Anna, Der, Altea Tocht 
Renatas, an den Hof gezogen worden. Dort glänzte fie troß ibret — 
— bald als „ein Stern in dem um Renata verſammelten jung — 
wie Lelio Siralbi jagt und wie Galcagninit und andere es bejtätigen. 
fonnte nun Olimpia ſich den geliebten Studien bingeben an einem — an ‚dem 
Pflege der Wifjenjchaften Tradition war. Als ein Höhepunkt ber dort gepflegten El 
3 Beſchäftigungen und Liebhabereien erſcheint vet tafältig vorbereitete, bei einem 
uche Bapit Bauls IV. in Ferrara 1543 dargebotene Aufführung der Adelphi — 


20 n PETER —— zu Celio Secondo Curione, einem der ar 
i mit 












KR 








Morata 463 


bei welcher die Hauptrollen in den Händen der Prinzen und Prinzeffinnen des Haufes 
Efte lagen (Muratori, Antichitä Est. II, p. :368). 

Wenn jo die Keime humaniftischer Erziehung, wie Olimpia fie aus dem Elternbaufe 
mitbrachte, in günjtigen Boden verpflanzt, meiter wuchſen und Früchte trugen, fo mar 
der Aufenthalte am Hofe auch nach anderer Seite für Olimpia von Bedeutung. Zu Anna 5 
von Efte trat fie in eine fehr innige Beziehung: dieje ſowohl wie die Mutter haben fie 
Sabre lang nicht wie eine Dienende, jondern wie eine liebe Freundin und Schutzbefoh— 
lene betrachtet und behandelt. Wenn fie vom Elternhaufe religiöfe Grundanfchauungen 
mitbrachte, welche der Reformation entiprangen, fo iſt ihr am Hofe auch darin fein Hin- 
dernis in den Weg gelegt worden, obwohl aus ihren eigenen jpäteren Außerungen ber: 10 
vorgeht, daß eine fürdernde Pflege derſelben nicht ftattgefunden hat (ſ. unten und vol. 
d. Art. Renata von Ferrara). Alles in allem wird man äußerlich betrachtet die Zeit 
ihres Aufenthaltes am Hofe als die glüdlichjte ihres Lebens bezeichnen können. Einen 
jäben Abbruch follte diefelbe um Jahre 1548 finden, in deſſen Verlauf mehrere ſchwere 
Schläge hintereinander fte trafen. Zunächſt verließ die Prinzeſſin Anna den Hof; fie ıs 
heiratete den Herzog Franz von Lothringen (Guife) und zug nad) Frankreich; es folgte 
der Austritt der nächititebenden Freundin Lavinia della Hovera, welche ſich mit den 
Fürſten Orfini vermählte. Dann traf Olimpia der Tod ihres Vaters, und als fie aus 
dem Elternhaufe in tiefer Trauer an den Hof zurüdfebrte, hatte fi) dort die Stimmung 
in fo entjchiedener Weiſe gegen fie geitaltet, daß fie erkannte, ihres Bleibens könne nicht 20 
länger, fein. Was den Umſchwung hervorgerufen, bleibt ungewiß: weder Olimpias Briefe, 
noch Außerungen von Renata oder fonft Nächftbeteiligten geben Aufſchluß. Der jüngft 
durch Fontana (Renata di Francia, II [1893] S. 297) angebeutete Weg, durch Sta- 
tuierung eines Konfliktes von Olimpias angeblich ſpezifiſch „Iutherifcher” Richtung und Neigung 
mit den „calvinischen” Traditionen des Hofes das Nätjel zu löfen, ift völlig verfehlt, 25 
zumal da Fontana lediglich auf das Verhältnis zwifchen ihr und dem jungen ſich eben 

medizinischen Promotion vorbereitenden, aus Schweinfurt ſtammenden Grünthler re: 

tert — eine Beziehung, melde thatjächlich erit nad Olimpias Sturz und MWeggang 
vom Hofe begonnen hat. Sedenfalld liegt eine Hofintrigue hier vor, an der nadı Bonnet 
wohl der damals in der Nähe der Herzogin lebende Bolfec (ſ. d. X. Bd III, 281) beteiligt war 30 
— vielleicht bat der Herzog jelber, der jchon früher eingegriffen hatte, wo ihm gewiſſe 
Vorgänge in Renatas Nähe unbequem twurden, zur Entfernung der Tochter des veritor: 
benen Ketzers den Anjtoß gegeben. Für Olimpia felbjt iſt die bittere Erfahrung ein 
Meg zu innerer Feftigung geworden. Sie ſpricht fih ın einem Briefe an Curio (Oft. 
1551) folgendermaßen darüber aus: „Bald nad dem Tode meines Vaters haben die: 35 
jenigen, von denen ich e8 am menigften verdiente, mich verlaffen und mich unmürdig be- 
bandelt; und meine Schmweitern (fie hatte deren drei) haben &leiches ertragen müſſen — 
Haft für Hingabe und Dienfte. Keiner nahm NRüdfiht auf ung, und Schwierigkeiten 
drängten von allen Seiten auf uns ein. Aber der gütige Vater der Waifen hat nicht 
gewollt, daß ich länger als zwei Jahre unter ſolchen Übeln bleiben ſollte. .. Jetzt ift so 
es mir lieb, daß ich das alles durchgemacht babe: wäre ich länger am Hofe geblieben, 
fo wäre es mit mir und mit meinem Heile jchlecht beftellt geiwefen — babe ich doch, ſo— 
lange ich dort lebte, in den höchſten Dingen feine Förderung erhalten und bin nicht zur 
Lektüre der heiligen Schrift gefonnen. Nachdem aber diejenige, welche ung bätte fchügen 
müfjen, durch Übelmollen und Verleumdungen fchlechter Menſchen unferer Familie abge: 45 
neigt wurde, haben alle die furzlebenden, flüchtigen und vergänglichen Dinge ihren Wert 
für mich verloren” ... .. (Opera, p. 94, 95). 

So trat Dlimpia, innerlich gereift, gegen Ende 1550, in die Ehe. Daß ſie ihrem 
Gatten, dem im Vaterlande gute Ausfichten winkten, bortbin folgen werde, ftand ihr von 
vornberein feit, wie ſchwer au der Entſchluß ihr fallen mußte Im Frühjahr 1551 00 
reifte jie, den achtjährigen Bruder Emilio mitnebmend, über die Alpen; zunächſt für 
mehrere Monate nad) Augsburg, wo Grüntbler jeine Kunft an den ſchwerkranken 
faiferlihen Rate Georg Hermann beivies, und von wo fie zum Beſuche des nunmehr in 
Bürzburg als Profefior an der Hochſchule wirkenden Johann Sinapius reiften, um endlich 
in Schweinfurt, der Baterjtadt Grüntblers, im Oftober 1551 daS eigene Heim zu gründen. 55 
Außerlich gefichert führten fie über cin Jahr lang in diefer Eleinen freien Reichöftabt 
ein ftilles beicheivenes Leben —, Olimpia zwar von den Anregungen, wie die Heimat fie 
bot, getrennt, aber glüdlih in der Liebe ihres Mannes, den fortgefesten Studien, der 
Heranbildung ihres Bruders und der Führung ihres kleinen Haushalts. Übertragungen 
von Pſalmen in griechifche gebundene Rede, auch einzelne Überbleibfel ihres Briefwechſels 60 


ee 


464 Morata Moris von Sachſen 


ber alten Liebe zu de enfchaften und dauernden Anbängl 
It an die Soc, Seen 


ins Itali 
ah 1553 über den Zu 
bon 





Da im n fie gefunden, ein tbarer 
— Der wilde | * Pe 
vi; gegen den Kaifer gefehloffenen Für ve nicht angehörend, erſchien mit 

10 Tru ranken Ye jeine Bläne gegen die B Damberg und aus: 
Bidet 


Darf fich in bie Stadt. me t- ber 
die ein di Peit brach aus, die Lebenshaltung ward in | 
en Bunt eine Liſt Rede ——— 


in das Schloß des Grafen von Erbach, der fie in edelſter e auf 
im Mai 1554 nach Heidelberg ziehen läßt, wo durch feine 


Srünthler Profeffur der Medizin erbalten hatte. di dati 
* Olimpias —* ee * 5* hatte ne * 
— en nicht Widerſtand = fönnen ; har 2 —— hatte O 
— hrte er en en — 
der ER ie mei an Eurione iſt doll € Su — voll — 


— eraubt bis auf das Lehte, gefangen, dann wieder 
e 





3 et ———— ab ea obita divino quoque eonfirmavit —— Obiit mut 
solo A. salut. D. L. V. supra milles(imum), s. aetatis XXIX. Hie cum ma- 
—— et Aemilio fratre sepulta. Guilelmus Rascalonus, M(ed.) D(oetor) BB. 

Auch die Stabt Schweinfurt bat das Andenken biefer edlen Frau, die —— 

10 Zeit im ihr weilte, geehrt; man bat das Haus, in welchem Grüntbler wobnte, wieder 

ergeftellt und eine Tafel anbringen laffen mit der Muffchrift: 


Vilis et exilis domus haec quamvis, habitatrix 
Clara tamen claram sat facit et celebrem. 


Zahlreiche verfifizierte „Elogien“ find der Sitte der Zeit prechend der —— 
nen von gelehrten Freunden ne worden — fie finden ſich Ale hang 
S. 245—265. 


Mord bei den Hebr, ſ. d. A. Gericht u. Recht Bo VI ©. 579. 
Morgan, Thomas, geit. 1743 |. d. A. Deismus Bob IV ©. 544, ff. 
Morganatifdye Ehe S. dv. A, Mißheirat, oben ©. 89, w. 
MM Moria ſ. d. U, Jeruſalem Bb VIII ©. 677, m. 
Moris von Heflen j. d. A. Verbejjerungspuntte 
Moris von Sadjjen j. d. A. Interim Bd IX ©, 210, p 


Mormonismus 465 


Mormonismus. — The Book of Mormon: an actount written by the hand of Mormon, 
upon plates taken from the plates of Nephi. By Joseph Smith, junior, author and proprietor, 
Balmyra 1830 (in allen fpäteren Auflagen ift Smith nicht mehr al® Autor, fondern nur als UÜber— 
jeßer bezeichnet). Erſte europäifhe Ausgabe, Liverp. 1841. Beite Ausgabe „with division into 
chapters and verses by Orson Pratt sen.“, Salt Lake City 1879 (wiederholt neu gedrudt). 5 
Das Bud ift in 13 verfchiedenen Sprachen überſetzt. — Book of Doctrine and Covenants of 
the Church of Latter-day Saints, campiled by Joseph Smith, jun., Kirtland 1835 (282 Seiten). 
Third edition (444 Seiten), Nauvoo 1845. Dasf., „divided into verses“, Salt Lake City 1883. — 
The Pearl of Great Price: being a choice selection from the revelations etc. of Joseph 
Smith, First Prophet etc., Liverpool 1851 (Salt Lake City 1891). Dieje drei Werte, welche 10 
die Mormonen als beilige Schriften betrachten, find nebſt anderer offizieller mormonifcher 
Litteratur, in deuticher Ueberjegung und dem englifchen Text in dem Miffionsbureau Frant- 
furter Allee 126 Berlin zu erhalten. The Times and Seasons, Nauvoo 1839—45 (6 voll.). 
The Millennial Star, Liverpool, gegründet 1840, offizielleg Organ der europäifchen Miffion. 
Deseret News, gegründet 1852. Salt Lake City (Offizielles Organ ber Mormonen). The 15 
Saints’ Herald, gegründet 1860 (Offizielles Organ der „Reorganized“ Church) Lamoni, 
Iowa. — %. Jaques, Catechism for Öhildren, alt Lake City 1870. — Sacred Hymns 
and Spiritual Songs for the Church, Salt Lake City (several editions)., — Parley 
®. Pratt, A Voice of Warning to all Nations, 1838 u. ö. (hat eine fehr wichtige Rolle 
in der mormonifhen Propaganda geſpielt). Bon demjelben Verfaſſer: Key to Theology, 20 
Kiverpool 1858, neue Ausgaben Salt Lake City. — Journal of Discourses by Brigham 
Young and others, Liverpool, 1854—76. — Joseph 3. [sic!) Smith and Heman C. Smith. 
History of the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1891 fol. (bis jet 4Bde; vom 
Standpuntt der „Reorganized‘“ Church). Lucy Smith [des Propheten Wutter), Biographical 
Sketches of Joseph Smith and his Progenitors for many Generations, Liverp. 1853 (unterbrüdt 25 
von Bräjident Brigham Young, neugedrudt 1880 von der „BReorganized‘“ Church). 3. €. Tal: 
mage (gegenwärtig die erite mwiffenjchaftliche Autorität unter den Mormonen) Articles of Faith, 

Lake City 1899. Ein Bild des gegenwärtigen Mormonismus gewähren die Schriften 
von B. H. Roberts, The Gospel; Ontlines of Eccles. History; New Witness for God ıı. a. Salt 
Lake City. Ferris, Utah and the Mormons, 1854; Stenhoufe (ein abgefallener Mormone), 30 
The Rocky Mountain Saints, 1873. H. H. Bancroft, History of Utah, 1890; Zinn, The Story 
of the Mormons, 1902 pas beite und vollftändigite Wert); Riley, The Founder of Mor- 
monism, a psychological study etc. 1902 (lehrreih). Schlagintweit, Die Mormonen u. ſ. w., 
2. Aufl., Köln 1878. Fotſch, Zur Kenntnis der Mormonen (in Dentwürdigleiten der Neuen 
Belt, Bd 2, ©. 126-251), [18912]. 35 

Mormonismus ift die gewöhnliche Bezeichnung einer religiöfen Sekte, die von Joſeph 
Smith in Mandeiter N. 9. im Sabre 1830 gegründet, und 1847 nad) Utah mit der 
Hauptniederlafjung in Salt Late City verlegt wurde. Die Sekte felbft erkennt diefen, 
vom Titel ihrer eriten bl. Schrift entnommenen Namen nicht an, fie nennt fich offiziell 
„Die Kirche Jeſu Chrifti der Heiligen der lebten Tage”. Das Wort Mormon ift so 
wahrfcheinlich eine reine Erfindung (es ift ſehr menig Grund zu der Annahme eines 
Julammenhangs mit dem griechiichen uooumv) Zmith erklärt die Ableitung des 

orte im ex cathedra Stil wie folgt: Wir, die Englifchiprechenden, fagen nad) dem 
ſächſiſchen good; die Dänen god; die Goten goda; die Deutichen gut; ‚die Holländer 
good : die Zateiner bonus; die Griechen kalos; die Hebräer tob ; die Ägypter mon. 45 
Daber haben wir unter Hinzufügung von more, oder verfürzt mor, das Wort Mormon, 
welches wörtlich bedeutet mehr gut, more good. 
Smith wurde geboren in Sharon, Vermont am 23. Dezember 1805; er war das 
: vierte unter zehn Kindern. Sein Bater war ein Mann von zmeifelhaftem Rufe und 
von unbeftändiger, ruhelofer Gemütsart. Er trieb ſich ohne feiten Beruf und ohne Aus- co 
dauer bei irgend welcher Arbeit haufierend umber, wahrſagte, verlaufte Segensſprüche u. dgl. 
Des Propheten Mutter war dem Vater an Intelligenz und Willenskraft überlegen; aber 
war ebenfo ungebildet und glaubte wie diejer an Vifionen, Erfcheinungen, Träume u. dgl. 

dem die Familie ihren Wohnort nicht weniger als achtmal verändert hatte, 308 

fie 1815 nad Palmyra, in Wayne (damals ein Teil von Ontario) County N.-I). Hier ss 
eröffnete der Bater eine Kuchen- und Bierhandlung Nebenbei verrichtete er und 
feine Söhne alle Arten niedriger Arbeiten, tie fie diefelben befommen fonnten. Nach 
efähr vier Kr in Palmyra bezog die Familie eine Farm in der Nähe des be: 
en Dorfes Mancheſter. Sie ſtand dort in feinem befjeren Rufe. 3 fehlte ihr 
an Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe. Die Knaben waren arbeitsicheu und Landftreicher, so 
einige von ihnen fonnten nicht Iefen. Joſeph war nicht beffer als feine Brüder; er lief 
ungelämmt umber, war unmäßig träge, und Spinnſtubenmärchen und ungereimten Ge: 
ſchichten überaus ergeben; leſen konnte er, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit; außer: 
Real-Encyklopädie für Theologie und Stirhe. 3. A. XII. 30 


I un U UL U 5 ee 


466 Mormonismnd 


dent fchrieb er eine ſehr unvolllonmene Hand und batte eine fehr beſchränkte Kenntnis 
von den Elementarregeln der Arithmetik. Das waren feine höchften und einzigen Fort⸗ 
jchritte (DO. Pratt, Remarkable Visions ete.). Als Jünglıng wurde der zufünftige Propber 
vielleicht noch weniger geachtet als feine Brüder. Doc galt er nicht eigentlich als bos⸗ 
5 haft. — Die Entwidelung eines foldhen Knaben zum Propheten und Begründer einer 
neuen Religion ift ein böchft interefjantes pfuchologifches Problem. Die Löfung liegt in 
der Kenntnis der Vorfahren, feiner eigenen Gemütsbeſchaffenheit und feiner Umgebung 
während feiner Knaben: und Jugendzett. J. Smith batte Träume, ſah Erjcheinungen 
und vollzog Heilungen durch Glauben; dasjelbe hatte fein Water, feine Mutter und jem 
10 Großvater von mütterlicher Seite getban (Riley p. 11). Sieben wunderbare Träume 
feines Waters find überliefert. Beſonders das Neben feiner Mutter war erfüllt von 
Träumen, Vifionen und Wunderkuren. Sie batte in Rutland County, Vermont gelebt, 
wo 1801 Yeute ihr Weſen trieben, welche behaupteten, den „St. Johannis-Stab“ zu 
befigen, dur den Gold und Silber in Überfluß, aud Wurzeln und Kräuter gefunden 
16 werden fünnten, die alle Arten Krankheiten beilen würden. Sie behaupteten, das wären 
die Stäbe, welche (ſchon) Jeſaias erwähnt babe, unter denen Gott fein Volt am jünglten 
Tage durchgeben laſſen würde, wenn die Herrlichleit der neuen Welt geoffenbart werden 
follte. Durch fie würden die verlorenen Stämme Israels aus allen Völkern wieder ge 
ſammelt werden. Sie hätten Macht über alle Zauberei; viel Gold und Silber Liege in 
20 der Erde verborgen, durch Zauberfraft feitgebalten; aber dieje Stäbe Tönnten den Zauber 
brechen und die Schätze unter der Erde fortbeivegen und in einem Felde jammeln, 
wo fie die Heiligen der legten Tage finden und zur Erbauung des neuen Jerufalem ver: 
wenden würden (Torcheiter, Christianity in the United States, ©. 538). Tiefe 
gorpiegelungen machten offenbar einen bleibenden Eindrud auf Frau Smith und ibren 
ar Gatten. Schon in Vermont war der lebtere als Schatgräber befannt. In Palmyra 
jeßte .er diefe Arbeit fort. Sein Sohn Joſeph übertraf ihn bald im Rufe ald Wabr- 
lager. Ebe er 18 Jahre alt war, begann er die Aufmerkſamkeit auf fih zu lenken. 
Als fein Medium benüßte er nicht einen Stab, fondern hauptſächlich einen Wunderſtein 
(„peep stone“ oder gazing crystal). Im Jahre 1825 finden wir ihn in einer 
30 Geſellſchaft von Schaggräbern in Pennſylvanien. Dort fand er en Mä ‚das er 
heiraten wollte; da der Vater feine Einwilligung nicht gab, fo entlief das Paar und 
wurde im Staate New-NYork 1827 getraut. 
So war J. Smith der Erbe der krankhaften Anlage feiner Vorfahren; fein Leben 
und Treiben reizte feine franthafte Einbildungstraft. Zu Heimlichkeiten geneigt, fantaftifch 
35 und empfänglich für Einnlichleit, geriet er ın einen Zuſtand feelifcher Aufregungen, der 
zu epileptifchen Anfällen führte (vgl. Riley); dieje kehrten jedoch nicht zurüd, nachdem er 
völlige Neife erlangt batte. In feinem 15. Xebensjahre fing er feinem eigenen Berichte 
nah an, Erfcheinungen zu feben. Es war — im weſtlichen New-York und durch das ganze 
Yand — eine religiös und firchlich erregte Zeit. Man batte wenig Bücher; neben einigen 
ao Reifebefchreibungen und Schilderungen von Abenteuern hauptſächlich religiöfe Werte, 
darunter rationaliftifche, die meiſten kirchliche Streitichriften. Unter den firchlichen Ge 
meinfchaften waren einige gründlich fanatisch, auch bei den achtbareren fehlte es nicht an 
manchen Werjchrobenbeiten. Joſephs Jugend fiel in die Zeit der „großen " 
wie Yauffeuer fegte fie durch das Yand und an vielen Orten führte fie zu epibemifd 
45 franfbaften Erſcheinungen. Von diefem Geifte wurde Joſeph ergriffen: unter dem Ein: 
fluß religiöfer Erregung batte er feine erfte Bifion. Er ging in einen hein um zu beten. 
Raum hatte er zu ſprechen begonnen, als er von einer Macht, die ihn völlig überwäl⸗ 
tigte, ergriffen wurde. „Dichte Dunfelbeit umbüllte mich, und es fchien mir eine Zeit 
lang als ob ich plößlich vernichtet werden würde. Aber im Yugenblid der größten 
so ftürzung, fab ich eine Yichtjäule gerade über meinem Kopfe, den Glanz der Sonne über: 
jtrablend, fie neigte fich allmählich herab, bis fie auf mich fiel. Sobald fie erfchien, 
fühlte ich mich befreit von dem Feinde, der mich gefangen hielt. Als das Licht auf mir 
rubte, jab ich zwei Perjonen, deren Glanz und Herrlichkeit jeder Beſchreibung fpotteten, 
über mir in der Yuft fteben.” Cine von ıbnen fprach zu ihm, verficherte ihm die Ber: 
55 gebung feiner Zünden und befahl ibm, feiner der beſtehenden Selten fih anzufchließen, 
fie feien alle im Irrtum, aber ihm folle eines Tages die wahre Lehre geoffenbart werben. 
. Seine zweite Viſion batte er am 21. Scpteniber abendd. Der Engel Moroni erichien 
ihm dreimal in großer Herrlichkeit und nachdem er ihm die Vergebung feiner Sünden 
verfichert batte, erzählte er ihm jedesmal von goldenen Tafeln, melde unter einem 
wo großen ‚yelfen auf einem Berge in der Nähe von Manchefter verborgen wären; auf ihnen 


Mormonisnnd 467 


ſei Die Geſchichte des weftlichen Kontinents gefchrießen, die Ergänzung zu der hl. Schrift 
des A und NTs. Nady mancher weiteren Belehrung ſchloß der Engel damit, daß er 
ihm empfahl, wenn er in Zukunft zum Beſitz der Tafeln gelangen follte, fie niemand zu 
zeigen, ausgenommen wenn er dazu angewieſen wäre, damit er nicht vernichtet werde. 
Gerade vier Jahre nach diefer Erjcheinung mollte er zu der Stelle, die ihm der Engel 5 
angegeben hatte, gelommen fein, um von ihm die goldenen Tafeln zu empfangen. Sie 
ivaren mit Heinen und fchön eingrabierten Buchſtaben bedeckt in „neuformiertem Ägyptiſch“. 
Außerdem empfing er ein Paar in Silberringe gefaßte Kryftalle, angeblich das mwahrhaf- 
tige Urim und Thummim der altteftament. Hohenpriefter, eine Art „übernatürliche Brille“, 
ohne welche die geheimnisvolle Schrift nicht überfeßt werden konnte. 1 

Die erite Perfon, die thätiges Intereſſe an der Entdedung der goldenen Bibel nahm, 
war ein Farmer, Martin Harrid. Er war ein Quätker geweſen, dann Univerfalift, 
Baptift und Presbyterianer, vom Anfang bis zum Ende ein Träumer und Schwärmer, 
der feſt an Träume, Viſionen und Geifter glaubte und betätigen fonnte, daß er den 
Vorzug genoffen habe, den Mond zu befuchen. Smith hatte finanzielle Hilfe nötig, um ı5 
fein Bud) herauszugeben; Harris mar bereit fie zu gewähren, wenn er nur völlig über: 
zeugt werden konnte, daß das Buch von Gott war. Er mar begierig, die goldenen Tafeln 
u feben, aber Smith war mit der Hilfe einer bejonderen Offenbarung im ftande, ihn zu- 
Frieden zu Stellen, jo daß er glaubte, ohne zu fjehen. Nun aber machte ihm Smith eine Abfchrift 
von einigen der Buchitaben, die jener dem ausgezeichneten Philologen Prof. Charles Anthon 20 
m Nem-Nork zeigte; obgleich ihn diefer vor Betrug marnte, wurde fein Vertrauen nicht 

hüttert. Er wurde nun Smiths erfter Amanuenfis bei der Überfegung der goldenen 

Bibel. Als er 116 Seiten gejchrieben hatte, törte feine ungläubige und entrüftete 
Ehefrau diefelben. Smith zmeifelte, ob fie wirt verrichtet wären und befand fich des- 
balb eine Zeit lang in Verlegenheit; aber er wurde durch eine Offenbarung belehrt, daß >; 
die Überjegung in die Hände gottlofer Menfchen gelalien jet, denen der Satan eingegeben 
babe, die Worte zu ändern, es wäre ihm daher befoblen, das Verlorene nicht wieder zu 
überſetzen; er solle jtatt deilen von den Tafeln des Nephi überfeten, die einen 
genaueren Bericht enthielten, ald das Buch Lehi, nach dem die erfte Überfegung gemacht 
worden fe. Emith ftellte nun feine Frau als Amanuenfis an, bi der Dann, telcher so 
fein erſter Schriftführer wurde, Oliver Cowdery, erfchien. Cowdery war Grobfchmied ge: 
wefen, und nachdem er fich ein geringes Maß von Wiflen angeeignet hatte, ulmeifter 
geworden. Die Überfegung ging auf folgende Weife vor fih: quer über das Zimmer 
war ein Vorhang gezogen, um das heilige Dokument vor profanen Augen zu behüten ; 
dahinter fitend la8 Smith mit Hilfe des Urim und Thummim von den goldenen Tafeln as 
dem Cowdery vor, der Sag für Sat, wie er überjegt wurde, nieberjchrieb. Che das 
Wert vollendet war, wurden Smitb und Cowdery durch bimmlifche Boten für das 
anronitifhe und melchifebefianische Prieftertum gemeiht, für das erjtere durch Johannes 
den Täufer, für das letztere durch die Apoftel Betrus, Jakobus und Johannes. Das aaro- 
nitifche Prieftertum gab ihnen die Macht Buße und Glauben zu verfündigen und durd 40 
Untertauchen im Wafler zu taufen auf die Vergebung der Sünden. Das melchefedetia- 
nifche Prieftertum verlieh ihnen die Befugnis, den Getauften die Hände aufzulegen und 
ihnen den hl. Geift zu verleihen. Diefe Macht, jagen die Mormonen, konnte damals nur 
durch ee Boten vermittelt werden. Die wahre Kirche hatte völlig aufgehört, auf 
Erden zu eriltieren; es gab niemand, der den bl. Geilt hatte. 45 

Mit Harris’ Hilfe gelang es Smith das Buch im Jahre 1830 in einer Auflage 
von 5000 Eremplaren druden zu laſſen. Da der Verlauf lange dauerte, büßte Harris 
fein Vermögen ein. Dem Bude wurde die eidliche Ausfage von Compdery, Wbitmer 
und Harris beigegeben, daß jie die Tafeln gejeben hätten; überdies das Zeugnis von 
acht anderen Diännern, daß fie diefelben ſowohl geſehen, als mit der Hand berührt hätten. ww 
Ein höchſt ehrenwerter Geiſtlicher legte einmal Harris die Frage vor: Haben Sie die 
Tafeln mit Ihren natürlichen Mugen gejeben, gerade fo wie Sie den Federkaſten in 
meiner en jepen! — Harris entgegnete: Nun, ich fah fie nicht wie ich den Feder—⸗ 
kaſten ſehe, aber ich fah fie mit dem Auge des Glaubens. ch fab fie fo deutlich mie 
xh irgend etwas um mich herum ſehe, obgleich fie zu der Zeit mit einem Tuche bededt 55 
waren (Clark, Gleanings by the Way 1842). Ginige Jahre fpäter fielen alle drei 
Zeugen vom Mormonismus ab und erflärten ihr früheres Be als falſch. 

Das Bub Mormon enthält ungefähr halb fo viel Stoff wie dag AT. In Bezug 
auf den Stil iſt es eine grobe Nachahmung der hiſtoriſchen und prophetiſchen Bücher des 
letzteren. Ungefähr ein Achtzehntel der Arbeit iſt direkt aus der Bibel entnommen, un: eo 


30” 


0 


458 Moraliften, englifche 


wahre Förderung des Selbſt erſt ermöglichenden Grenzen gehalten werden, und mir 
billigen insbeſondere die in Erziebung und Abwägung bergeitellte Harmonie unferes eigenen 
Anneren, das zriigen diefen Affekten richtig abzumägen und fo den reichen und vollen 
gefunden Menfchen zu gewinnen bat. Dagegen mißbilligen wir alle Affekte, die die Har- 

5 monie der Geſellſchaft oder die Harmonie unferes Inneren aufzuheben geeignet find, alfo 
jedes Übermaß irgend einer diefer Klaffen von Affekten, und vor allem die zu feiner ge 
börenden unnatürliben und zweckloſen Affekte tyrannifcher Grauſamkeit und äbnliches. 
Zur Vorausfegung bat diefe ganze Ethik der Beförderung der Harmonie nad innen und 
nach außen die Harmonie des MWeltorganismus, in dem die Natur alles auf einander 

10 bezogen bat und zum Gleichmaß erziebt. Was die Natur den untermenjchlichen Weſen 
im blinden Triebe fchenkt, foll der Menſch in bewußter Reflexion über feine Triebe ge: 
innen. Zu der pofitiven Religion bat diefe Ethik und Metaphyſik Teinerlei Beziehung, 
womit Shaftesbury von den Deiften ſich bewußt entfernt; der Atheismus als foldyer hebt 
ihm die Sittlichkeit nicht auf; dagegen die pofitive Religion gefährdet fie leicht durch hetero: 

15 nome und jenfeitige Superftitionen und Fanatismus. Won Sünde und Erlöfung weiß 
diefer Optimismus gar nichts, und ebenfowenig vom Jenſeits, da ihm vermöge der orga- 
nischen Einrichtung der Natur die ſittlichen Inſtinkte ganz von felbjt die Mittel zur Ver: 
wirklichung des Glüdes find. 

Diefe Korrektur des LXodefchen Vermögens der Neflerion auf die Bervußtjeinsinbalte 

20 wird noch klarer und energifcher zu einer intuitioniftifchen Theorie umgebildet von 
Butler (1692— 1752). Er fondert von dem Urteil über ihren ethifchen Wert die natürlichen 
Triebe noch fchärfer ala Shaftesbury. Diefe Affekte in Affekte der Selbitliebe und des Mobl- 
wollens einzuteilen und gar die lehteren aus den erjteren abzuleiten ijt eine völlige Ber: 
fennung des unklaren und verwidelten Begriffes der Selbitliebe. Die Affelte find zwar 

25 ſämtlich durdy Wert: und Xuftgefüble bejtimmt und enthalten infoferne eine Beziehung 
auf das Selbft, aber ihren unterfcheidenden und tweientlichen Charakter erhalten fie durch 
die Objekte, auf die fie fich beziehen, fo daß die auf die Förderung des eigenen Selbit 
direkt fich beziebenden Affekte im Sittlihen nur einen geringen Raum einnehmen, während bie 
durch die verfchiedenften Objekte beitimmten Affekte 9 mit bewußter Schädigung des Selbſt 

% die Hauptmaſſe ausmachen. Aber dieſe Affekte find zunächſt ſämtlich Naturtriebe, auch die 
ſocialen unter ihnen. Sittliche Urteile entſtehen erſt, wenn die auf ſie gerichtete Reflexion ihr 
Verhältnis zu einander und zu der Okonomie und Konſtitution des Menſchen beſtimmt 
Diefe an dem Ideal völliger Harmonie inftinktiv alle Affefte mefjenden fittlichen Ge: 
danken find die allgemeingiltige Autorität, aus der dag Gewiſſen beſteht, und Die in das 

35 Kräfteſpiel der Affekte regelnd eingreift. Als ihre Zentralidee erweiſt fich die alle Um: 
jtände und Verhältniſſe berüdfichtigende Nächitenliebe oder das deal der Harmonie der 
Sefellichaft, in die auch die harmonische Einfügung und damit das Glück des eigenen 
Selbſt eingejchloffen ift. Inſoferne als dieſe Harmonie auf das Urbild der Liebe hinweiſt, 
it in dag Sittliche auch die Gottesidee eingeichloffen, von der dann der Übergang zur 

40 a diefer fittlichen Kraft dur Offenbarung und Erlöfung im Ghriftentum ge 
macht wird. 

Fine weitere Einwirkung bat Shaftesburp in England nicht gehabt. Seine Lehre 
vom mafrofosmifchen und mikrokosmiſchen Organismus bat auf die Deutfchen gewirkt, 
feine pſychologiſche Theorie der Gefühlsmoral auf die Schotten. In England behauptete 

#5 Yode bis auf weiteres das Feld, und Shaftesburp bleibt nur eine Andeutung der ber 
bisherigen Cbriftlichfeit am fchärfften entgegentretenden ethifchen Idee, der Idee der vollen 
Ausbildung des geiftleiblihen Menſchen in allen Beziehungen feines Dafeins, wobei das 
Sittlihe nur die Herftellung der Harmonie oder die dee der Humanität if. Wenn 
aber die englifche Ethik diefen Begriff der Humanität nie wirklich erreicht bat, fo bat fe 

zo noch weniger die in ibm eingefchloffenen ‘Probleme der Maßſtäbe für die Beurteilung 
folder Harmonie und Humanität unterfuct. Für die engliiche Ethik wird der alte Be 
griff von ſtaatlicher und Eirchlicher Moral zwar erfeßt durch den der humanity, abe 
die Humanität bleibt Menfchenliebe mit Einſchluß der berechtigten Selbitliebe und mo 
möglid mit Einſchluß jenfeitiger Belohnungen. (v. Gizycky, Mhilofopbie Shaftesburys, 

55 Heidelberg 1876; Gladſtone, Studies subsidiary to the works of Butler, Otford 
1896.) 

9. Die Schotten jegen die von Lode und Shaftesbury eröffnete Unterfuchung de 
Reflerionsvermögens fort, um aus ihm die Geneſis der fittlichen Idee zu gewinnen und 
gelangen dabei zu einer die Engländer noch weit binter ſich laflenden Unabhängigkeit 

so gegenüber der fchulaftifchen und theologiſchen Moral. Statt an ihr orientieren fie ſich 


Moraliften, englifche 459 


vor allem an Shaftesbury und kommen fo zu einer völlig modernen und unab- 
hängigen ehanblungätveiie, in der fie zu den Klaſſikern der pſychologiſtiſchen Ethik ge: 

worden find. An der Spitze fteht Hutch efon (1694— 1746), dem die fchottifche Common: 
Senje-Schule folgte. H. wendet ſich gegen den Senſualismus und feinen nur ein 
Prinzip, das der Selbitliebe, vertvendenden Aufbau des Seelenlebene. Diejer einfeitige 5 
Gegenſatz und Ausgangspunkt bringt e8 mit fich, daß die von 9. gelehrte prinzipielle 
—— eines ſittlichen Prinzips von den ſenſualen Gefüh en ausſchließlich am 
Wohlwollen oder am Altruismus hängen bleibt. Das Reflexionsvermögen enthält einen 
Inſtinkt oder gefühlsmäßigen Sinn, der überall das Wohlwollen affektvoll bewundert 
und durch dieſen Bervunderungsaffett unfer Handeln motiviert. So enthält das Nefle: 10 
rionsvermögen einen gefühlsmäßigen Intuitionismus, der durch Gefühle der Liebe und 
Bewunderung alle altruiftiichen Handlungen billigt, der aber nicht die Einfiht in bie 
etwaige rationale Notimenbigtei des fittlihen Handelns, ſondern nur das einfache, un: 
beirrbare, inftinttive Gefühl für alle mohlmollende Gefinnung enthält. Die weitere Re: 
flerion zeigt dann, daß diefes Wohlwollen die berechtigte Selbitliebe nicht aus- jondern 16 
einſchli t, und daß aus ihm Harmonie und Glück der menſchlichen Geſellſchaft entſteht. 
So wird die ethiſche “Theorie zu einem intuitioniſtiſch begründeten Socialeudämonismus, 
aus deſſen —* en die Reflexion alle ſittlichen Urteile kaſuiſtiſch und in mathe: 
matifcher Formulierung abzuleiten im ftande ift, und der ben religiöfen Hintergrund 

eines rationaliftifch-optimiftiichen Chriftentums fordert. Aus ihm regeln fich die Normen 20 
bes Veen Privatleben, der Gejellfchaft und des Staates, der Volkswirtſchaft 
und der Arbeit in einem optimiſtiſch liberalen Sinne, infofern das richtige Gleichgewicht 
von Wohlwollen und Selbitliebe alle Berbältniffe befriedigend ordnet, die Rückſicht 
auf die Gefe joa und die unveräußerlichen Gewifjensrechte, den Eigentumstrieb und 
die Nächitenliebe harmoniſch verfühnt. Die biftorifche Verſchiedenheit des Sittlichen ift 25 
nur eine Verſchiedenheit der veritandesmäßigen Neflerion auf das Gefühl und feine An- 
wendung oder ift in der Übertwältigung des Moralfinnes durch die felbitifchen Leiden: 
ichaften begründet, nicht aber in Differenzen des Gefühls felbit, das an fich völlig einfach 
und unzweideutig ift. 

Hume (1711—1776) verwirft als prinzipieller Empirift oder beſſer Pofittoit den 30 
imaginären Intuitionismus eine® moral sense, der nad) angebornen Ideen und pſycho— 
logischen Myſterien fchmedt, und fucht ohne Herbeiziehung eines folchen zweiten Prinzips 
lediglib aus den Senjationen und ihrem Luft: und Unluftgefühl die fittlihen Prinzipien 
zu geivinnen, wenn er auch im Unterfchied von Hobbes und Lode hierbei den ſpezifiſchen 
Charakter derſelben feſthalten will. Er erreicht das durch die Einführung des Begriffes der ss 
Vhantafie und Sympathie, zu denen ſich Aſſociation und Gewöhnung gejellen. Durch 
Me Verfegung in fremdes Handeln, und zwar in ein möglichſt fremdes, ung 
perfönlich gar nicht berührendes Handeln, und in ben von biefem Handeln Betroffenen 
empfinden wir alles die natürlichen Triebe und Bebürfniffe fürdernde und vollendende Han: 
dein mit. Daraus entfteht bei Vergleihung vieler ſolcher Fälle ein Durchfchnittsbegriff 0 
des fürdernden und vollendenden, Individuum und Gemeinjchaft beglüdenden Handelns, 
der von ber Beteiligung ber Selbitliebe des Betrachters ganz unabhängig iſt. Er ge— 
winnt den Charakter eines objektiven Ideals, Das wir bei eigenem und bei uns betreffen: 
dem Handeln anderer dann unwillkürlich als Maßſtab des Handelns anlegen. Co entitebt 
auf dem Umweg über die Sympathie, aus der bald mit dem Handelnden bald mit dem 45 
Betroffenen enden Selbftliebe, die nicht direkt perſönlich intereffierte Schätzung eines 
deals, dag über den eigenen und über den fremden Intereſſen als gemeinjame Norm 
5*8 —* Erziehung, Bildung, Tradition und Geſetz wird dieſes Ideal zu einer 

bar völlig objektiven Macht, die bald als Geſetz bald als Gewifſensinftintkt betrachtet 
wird und keinen Gedanken an ihren Urſprung mehr enthält. Das fo zu ſtande kommende so 
Ideal felbft aber ift nach feinem Inhalt das Ideal einer geſund entfalteten Berfünlichkeit 
u —— Geſellſchaft, die ſich gegenſeitig durch Entfaltung aller Anlagen das 

lichſte Glücksgefühl ſichern. Denn die mitempfindende Sympathie erſtreckt ſich nicht auf 

iedigung der gemeinen Selbſtliebe als ſolcher, ſondern, wie Butler richtig geſehen hat, 
auf die Herftellung der dem Menfchen um ihrer jelbft willen wertvollen Zujtände und 55 
Sachverhalte, jo daß alfo die Sympathie die Förderung und Verwirklichung des menjch: 
lihen Weſens in feinen natürlichen Trieben und Bedürfniſſen mitenpfindet. So gelangt 
Hume als umfafjender Denker, Menschen: und Geichichtöfenner zu der Shaftesburg ver: 
wandten Idee der Humanität, die nur freilich auch bei ihm in einer weltmänniſchen 
Utilitätsmoral ſtecken bleibt. Eines religiöfen Hintergrundes bedarf dieſe Moral nicht. 60 


460 Moraliften, engliſche 


An fih würde ihr ein optimiftifcheteleologifcher Theismus oder Pantheismus am beiten 
entfprechen; aber gerade davon wiſſen die pofitiven Religionen nichts, die vielmehr um: 
gefehrt überall die Moral durch Euperftitionen verderben. Insbeſondere das Chriftentum 
iſt mit feinem fchroffen Spiritualismus und feinem daraus entfpringenden asfetifchen 

5 Tualismus der wirkliben Moral des handelnden und vollen Menſchen gefährlib. Den 
Staat leitet Hume nicht aus diefen ethifchen Ideen ab, fondern aus der bewußten Dr: 
ganifation ſocialer Mohlfahrt, deren Regeln aber durch Aflociation und Gemöhnung mit 
den fittlichen Regeln verichmelzen. 

Eine ſehr Scharffinnige Fortbildung findet diefes von Hume eingeführte Prinzip der 

10 Sympathie bei Adam Smith (1723—1790), dem Begründer der klaſſiſchen National: 
öfonomie, der in der theory of moral sentiments die Prinzipien des Altruismus als 
Die Grundlage von Gefellichaft, Staat und Menfchheitsgemeinfchaft entwidelt, wie er im 
wealth of nations den berechtigten, wohlverſtandenen Egoismus als die Grundlage der 
wirtfchaftlichen Arbeit darftellt, und der beide Prinzipien vermöge der Harmonie des 

15 menſchlichen Wejens und der teleologifchen Aufeinanderbeziehung der Affelte ſich zum 
Ganzen der menfchlihen Gefittung zufammenfcliegen läßt. Damit nimmt die Ethik 
endgiltig die Richtung auf die allgemeine Kulturpbilofophie und unterfucht erft innerhalb 
derjelben die fpezififch ethifchen Beurteilungen und deren Bedeutung und Wirkung_ für 
das Ganze des Öemeinlebens, Dieſe Unterfuhung ſelbſt verläuft in einer Vertiefung 

20 des Bent ffes der Sympathie, der leiftet, was die Cambridger vergeblich durch ihre ratio- 

nale Konftruftion der Notwendigkeit des Sittlichen verfucht hatten, und der die Thatfache 
auftveift, die die Theoretiker der Eelbftliebe zugleich vorausgefeßt und überſehen batten, 
der aber auch von Humes utilitariicher Behandlung ſich zu entfernen bat. Die Stmpatbie 
ift nämlich, fo fern fie für das Eittliche in Betracht kommt, nicht Mitgefühl mit den 
Folgen de Handelns und PVerfegung in den Genuß dieſer Folgen für den Hanbelnden 
und den Betroffenen, ſondern Mitempfindung mit den Motiven des Handelnden und mit den 
von den Betroffenen auf diefe Motive gerichteten Gefühlsreaktionen. Die fittlichen Ideen 
entſtehen aus der Gemeinſchaft und durch die Gemeinſchaft; ſie beruhen auf einer 
befonderen Gemeinfchaftlichkeit des Gefühle gegenüber dem mit: und nachempfundenen 

Motiv und der ſeeliſchen Wirfung des Handelns. Aus einzelnen folden Erfahrungen an 
anderen und aus der Reflektierung der Urteile der anderen in Die eigenen Empfindung 
entfteht die Idee eines unbeteiligten mit ung empfindenden Zufchauers, mit dem auc mir 
empfinden, der das verförperte menfchliche Gemeinbewußtfein und der in Erziehung, öffent: 
licher Meinung und Inftitutionen befeftigte Niederſchlag der einzelnen fittlihen Urteile iſt 

35 So fommt aus diefer Rurzelung im Gemeinbewußtſein der Notwendigkeitscharafter des 

Sittlichen zu ftande, der noch vermehrt wird durch die Einficht, daß diefe Regeln des 

Handelns zugleih die Negeln für Bewirkung von Harmonie und Glüd der Gejellichaft 

find. Das letztere begründet freilich Die fittliche Geltung durchaus nicht, aber es verftärkt 
fie durch ihre Eingliederung in die harmonische Organifation der ge nzen Natur, die in 

Inſtinkten und Gefühlen uns mit den Regeln zur Erreichung des enſchheitsgluckes aus⸗ 

gerüſtet hat. Damit iſt der Begriff der Sympathie in den des Gemeinbewußtſeins und 
die Individualpſychologie in die Socialpſychologie übergeführt, die freilich einen wirt: 
lichen Grund für die Allgemeingiltigfeit der fittlichen Urteile nicht angegeben bat, die 
aber Die ganze pfuchologifche Unterfuchung von den nunmehr erfchöpften individualpficho: 
5 logischen Reflerionen zu anderen Quellen der Allgemeingiltigfeit hinweiſt. Materiell wird 
dieſe optimiftifche, Altruismus und Egoismus vereinigende und diefe Vereinigung auf eine 
theiſtiſche Metaphyſik jtügende Hulturpbilojopbie ale mit den Grundideen des Chriftentums 
übereinjtimmend betrachtet, wober aber der chrijtliche Altruismus erjt mit dem Etaat und 
Wirtſchaft erzeugenden Egoismus zufammen die Prinzipien des Handelns barftellt. 
so (E. Pfleiderer, Empirismus und Skepſis in D. Humes Vhilofopbie als abjchließende Zer⸗ 
jegung der englifchen Erfenntnislchre, Moral und Religionswillenichaft, Berlin 1874; 
A. Unden, A. Smith und Kant, Yeipzig 1877.) 

IV. Tamit ift der Srunditod der Begriffe der modernen wiſſenſchaftlichen Ethik 
geſchaffen. Malebranche und Paſcal haben dann tiefe Einſichten in das Weſen der religiöſen 
55 Ethik hinzugefügt, die aber für die nächſte Zeit ohne Wirkung blieben. Bayle hat das 
Thema des Verbältniffes von Sittlichkeit und Religion unter den Gefichtsp untten der 
Sanktion und der übernatürlichen Hilfen einfchneidender behandelt. Spinoga hat die etbifche 
Bedeutung des Tenfens und der Wiſſenſchaft zum Zentrum ber Ethik gemacht. Die 
‚sranzofen baben die ſenſualiſtiſche Ethik der Zelbitliebe in ihre Konſequenzen — 

co Leibniz hat die Idee der Individualität und der Entwickelung des Selbſt in die 


Is 
er 


* 
, 


& 


Moraliften, englifche Morata 461 


eingeführt, und Roufleau die Gefühlemoral belebt, indem er zugleich das folgenreiche 
Problem des Wertes der Kultur im Verhältnis zu den einfachiten ethischen Gefühlen 
aufrollt. Die vor allem an die Schotten fi) anfchließende Genfer und Berliner Auf: 
Märung bat die elysologiitiice Analyſe feinfinnig fortgejeßt und metaphyſiſch fruktiſiziert. 
Aber weſentlich Neues iſt mit alledem nicht geichaffen. Erſt Kant ftellt die Trage der 
Allgemeingiltigfeit des Sittlichen auf einen neuen Boden und löft die Analyfe von den 
Methoden des Pſychologismus ab, indem er fie in die transcendentale Analyfe des Be: 
wußtſeins verwandelt. Andererjeits hat Schleiermacher die inhaltlichen Begriffe des Sitt- 
lichen, die Humanitätsfittlichleit und die Kulturidee, ethiſch als Syftem der Güter ordnen 
und bearbeiten gelehrt, womit die Veränderung und Ausweitung der ethifchen Mächte erjt 10 
ihre begrifflihe Bearbeitung findet. Moderne Socialpfychologie und Entiwidelungslehre 
haben dann noch neue Momente hinzugefügt, in deren Zufammenfaflung mit den ge 
nannten fich die moderne Ethik darftellt. Die Grundzüge der Gedanken aber entftammen 
der englifchen Ethil, mit deren Nachwirkungen Kant Ya auseinanderjegte und deren Ein⸗ 
flüſſe in Herders Humanitätsidee unverkennbar find. So haben ſich die unter dem Anitoß 15 
der großen englifchen Krifis ausgearbeiteten Ideen der pſychologiſch-hiſtoriſchen Analyfe, der 
Abgrenzung verjchtedener felbititändiger Sphären fittlicher Zwecke, der Auflöfung des 
alten dogmatifchen Verhältniffes von Religion und Moral, der Autonomie und des Gegen: 
ſatzes gegen den auguftinifchen Dualismus in der philofophifchen Ethik durchgefegt. Die 
Wirkung auf die Theologie beitand einerfeitS in der Schöpfung einer an die 20 
Moralpſychologie angelehbnten Religionspbilofophie, die von den feiten mora- 
liſchen Daten aus die Probleme der pofitiven Religionen aufzulöfen im ftande fein follte, 
andererjeitö in der Hervorbringung einer neuen Disziplin der theologiſchen Ethik. 
Die bisherige theologifche Ethik war, ob jebieftänig bearbeitet oder nicht, eine Depen⸗ 
benz der Dogmatil, die von der Dogmatik die Geltung der Offenbarung und damit der 25 
fittlichen Vorfchriften entlehnte und ebenjo aus der Dogmatik die Idee der Wiedergeburt 
und der Gnadenträfte empfing, der daher bloß die bejonderen Probleme des Verhältnifjes 
von Gnade und Freiheit, Glaube und Werfen und die Kaſuiſtik verblieben. Dabei flocht 
fie Entlehnungen aus der philoſophiſchen Ethik ein, deren Verhältnis zu der Offenbarungs- 
und Gnadenethil vermöge der vorausgeſetzten prinzipiellen Spdentität von lex naturae »0 
und lex divina fein Problem war. Im Gegenjage bierzu wird nun unter der Ein: 
wirfung der neuen ethifchen Analyje und der von ihr beleuchteten Veränderung der Jitt- 
lichen Werte die theologische Ethik zu einer felbititändigen Disziplin, die den von den 
Reformatoren zurüdgefchobenen Begriff eines chriftlichen Sittengefeßes ausbilden muß und 
mit diefem wie mit der Antvendung diejes Geſetzes auf das Leben eine neue Aufgabe ss 
gewinnt. Sie pt von der allgemeinen etbifchen Analyje aus Begriff und Geltung der 
hriftlichen Ethi tft tellen, vermittelt die Gnade pſychologiſch, d. h. versucht fie in 
einhelbeitch verftändliche immanente Vorgänge aufzulöfen ohne Preisgabe übernatürlicher 
ntriebe und ftrebt die überweltliche chriftliche Beurteilung der etbifchen Werte mit einer 
innerweltlich-humanen zu vereinigen. So wächſt die theologiſche Ethif an Wichtigkeit 40 
eine Zeit lang der Dogmatit über den Kopf und läßt diefe zu einer Dependenz der 
Ethik herabfinfen. Die Wiedererhebung der Dogmatik und die erneuerte Selbititändigfeit 
des religiöjen Elementes, die fi) auf die theologifche Neftauration und auf Schleier: 
macher zurüdführten, haben zwar die Dogmatik der Ethik gegenüber wieder verjelbit- 
ftändigt, dafür aber die Probleme der theologischen Ethif in um fo größerer Unordnung 45 
urüdgelafjen. Hier hat erſt Richard Rothe, auf Fichte und Schleiermacher geftütt, den 
Neubau vorgenommen, der durch die Gefamtlage gefordert wurde. (Gap; Luthardt; 
Stäudlin, Neues Lehrbud der Moral, Göttingen 1825, bier ältere Xitteratur; de Wette, 
Überficht über Ausbildung der theol. Sittenlehre in d. luth. Kirche jeit Calirtus, Echleier: 
machers Theol. Zeitichr. I 247— 314, II 1—82, Berlin 1819/20, Stäudlin; Artikel co 
„Ethik“ Bd V ©. 556.) E. Tröltſch. 


oO 


Moralitäten |. Spiele, geistliche. 


Morata, Dlimpia (eigentl. Olimpia PBellegrini), geb. 1526, geit. 1555. — Ihre 
Opera, beitehend aus teilweije verjifizierten Stilübungen in lateiniſcher und griechiſcher Sprache 
und aus Briefen, hat Celio Seconde Curivne in Bajel herausgegeben; fie erſchienen zuerjt 55 
1558, dann 1562, 1570 und 1580, die beiden legten Ausgg. nicht unweſentlich vervolljtändigt 
und gefolgt von Briefen von und an Curio ſowie jonftigen Produkten feiner Feder (vgl. 
8b IV ©. 353,16). Wir citieren nad) der Ausgabe v. 1570. Ihr Titel lautet: Olympiae 


460 


An Ti: 


en: 


% 


:orata 
°. Opera. . Basileae apud Petruni 


„u Lett. ital. t. IV. p. 160 (Mailand 18551: 

«t. 1535 war mir nicht yugenglid!: Gm 

: Mem. della R. Deputaz. di Storia patria... 

nennt. hist, erit. de Olympiac Moratae Vita. 

it ote J. G. W. Delle, Francof. ad Viadrum 

vweribfe, De Olympia Fulvia Morata, gZittau 1898 

and writlings of O.M.. Voſton 1846 idesgl.: 

zit I850 u. ö., auch in ital., deutſcher und engl. 

.:t zn der deutſchen (von Dr. Merſchmann, Hamburg 

a iſt frei erfunden trog der Angabe „tratto da 

cret eine Darjtellung auf der Rückſeite des lebten 

er Opera von 1570, wo Tlimpia dem thronenden 
2 der Herſtellung eines zuverläſſigeren Porträts. 

aa II. p. 28351 (Roma 1503: Rodecanachi, Renee 

. ai, J Burlamacchi e di ale. doce. intorno a Renata 

 Fules don Ferrara (MEN 1578, D; Zendrini, Ol. M. 

1.1. Z3tg. 1900, 153). 


. when zu Cello Secondo Curione, einem Der Hauptver— 
ARu Italienern Des 16. Jahrhunderts, ſtand (val. Bd IV 
„LE vierziger Jahren Der Humaniſt Fulvio Pellegrini m 
Korte. In dem Briefwechſel Curiones finden ſich zwei 
les am dieſen, Deren eines tiefgefühlten Dank dafür zum 
Run Freunde in religiöſen Fragen Den rechten Weg gezeigt 
54, p. 515-517), während dieſer im dem anderen ſich 
roanum ac vas eleetum ad Dei gloriam"” nennt er ibm 
enrem Veſuche dringend einladet (ebd. .S. 313 f.). Es acht 
oehl in Die Zeit kurz dor oder nad der Überſiedelung Curiones 
sd IV 2.551,50 fallen, hervor, daß er es geweſen, Der Dem 
were evangeliſcher Froömmigkeit aufgedrüdt bat, welchen aud 

oe vauſes, Die liebliche Olimpia, trägt. 
went Der Prinzen \ppoltto und Alfonſo in Beziebungen zum 
an, er bat Ipaterbin auch ein öffentliches Yebramt an Der Dertigen 
“Sm eigenen Hauſe leitete er mit größter Zorgfallt Die Erziebung 
a MU hochbegabten 1526 in Ferrara geborenen Olimpia. Ein 
ar Miele in Der jet, als ſie ihr 19. Yebensjabr erreichte. Damals 
mFerrara. Olimpia entwarf und bielt vor einer zablreichen Zu— 
tl „Prolegomena in Ciceronis Paradoxa“ -- in drei Ab: 
_. iid dieſe Prolegomena an Die Zpige der „Opera“ geitellt. Auf die 
wre Bibliothek aufbewahrte Original-Niederſchrift bat Curione ſelbit 
‚.  'yımpia suopfe ingenio invenit, suo stylo et artificio elocuta 
-saravit, Sua voce pronuneiavit, me audiente cum multis aliis 
wata AV, anno salutis MDXXXX, III Idus Junii. Haec ego 
voten ugl. Rivista Cristiana, Florenz 1878, S. 5). Wenn Bellegrint 
nt Holz die erſten Früchte dev von ihm geleiteten Erziebung ſeiner 
riſchen Geiſte gereift ſah, to iſt er doch nicht ihr einziger Yebrer au: 
er geil in einem griechiſchen Schreiben an Den deutſchen zeitweiſe in 
nn uümaniſten Kilian Sinapius (Zend, Den Bruder des als Projieſſor 
angeiſtellten Jobhann Sinapius, daß jener fie in Die Kenntnis Des Grie— 
a laihe Opera, p. Tat). Nicht unwahrſcheinlich iſt es, daß der er— 
or hun Die Aufmerkſamkeit auch am Hofe Der Herzogin Renata von 
Ya) ſie gelenkt hat. Wenigſtens iſt ſie vermutlich 1510 als Geſell— 
luriengeneſſin der 5 Sabre jungeren Prinzeſſin Anna, Der älteſten Tochter 
a Dei gedient worden. Dort glänzte Ste trotz ihrer Jugend und Re: 
taub „ein Zum in Dem um Renata verſammelten jungfräulicen Chore“, 
ht Ja und wie Calcagnini und andere 05 beſtätigen. Nach Herzensluſt 
imndpla Mb Den geliebten Studien hingeben an einem Hofe, an dem DW 
Biſſenſchaften Tradition war. Als ent Höbepunkt der Dort gepflegten Elafil- 


Arnzunnen und Liebhabereien erſcheint Die ſorgfältig vorbereitete, bei einem Be 
ehe feet IV ut Ferrara 1515 Dargebotene Aufführung der Adelphi des Terenz, 





Morata | 463 


bei welcher die Hauptrollen in den Händen der Prinzen und Prinzeffinnen des Haufes 
Efte lagen (Muratori, Antichitä Est. II, p. 368). 

Wenn fo die Keime humaniftifcher Erziehung, wie Olunpia fie aus dem Elternhaufe 
mitbrachte, in günftigen Boden verpflanzt, weiter wuchſen und Früchte trugen, jo tar 
der Aufenthalte am Hofe auch nach anderer Seite für Olimpia von Bedeutung. Zu Anna 5 
von Eite trat fie in eine ſehr innige Beziehung: diefe ſowohl wie die Mutter haben fie 
Sabre lang nicht wie eine Dienende, fondern tvie eine liebe Freundin und Schutbefoh: 
lene betrachtet und behandelt. Wenn fie vom Elternhaufe religiöfe Grundanfchauungen 
mitbrachte, welche der Reformation entiprangen, fo tft ihr am Hofe auch darin fein Hin- 
bernis in den Meg gelegt worden, obwohl aus ihren eigenen fpäteren Außerungen ber: 
vorgeht, daß eine fürdernde Pflege derjelben nicht ftattgefunden bat (ſ. unten und vgl. 
d. Art. Renata von Ferrara). Alles in allem wird man äußerlich betrachtet die Zeit 
ihres Aufenthaltes am Hofe als die glüdlichite ihres Lebens bezeichnen können. Einen 
jäben Abbruch follte diejelbe im Tahre 1548 finden, in deflen Verlauf mehrere ſchwere 
Schläge hintereinander fie trafen. Zunächſt verließ die Prinzeſſin Anna den Hof; ſie ıs 
heiratete den Herzog Franz von Lothringen (Guife) und zug nad Frankreich; es folgte 
der Austritt der nächititehenden Freundin Lavinia della Hovera, melche fih mit dem 
Fürſten Urfini vermählte. Dann traf Dlimpia der Tod ihres Vaters, und als fie aus 
dem Glternhaufe in tiefer Trauer an den Hof zurüdfehrte, hatte fich dort die Stimmung 
in fo entjchiedener Weife gegen fie geftaltet, daß fie erfannte, ihres Bleibens könne nicht 20 
länger, fein. Was den Umfchmung hervorgerufen, bleibt ungemwiß: weder Olimpias Briefe, 
noch Außerungen von Renata oder font Nächitbeteiligten geben Aufſchluß. Der jüngſt 
durch Fontana (Renata di Francia, II [1893] ©. 297) angebeutete Weg, durch Sta- 
tuterung eines Konfliktes von Olimpiag angeblich ſpezifiſch „Lutherifcher” Richtung und Neigung 
mit den „calvinifchen” Traditionen des Hofes das Nätjel zu löfen, iſt völlig verfehlt, 25 
zumal da Fontana lediglich auf das Verhältnis zwiſchen ihr und dem jungen ſich eben 
jur medizinischen Promotion vorbereitenden, aus Schweinfurt ſtammenden Grünthler re: 

rriert — eine Beziehung, welche thatfächlih erft nad Dlimpias Sturz und Weggang 
vom Hofe begonnen hat. Jedenfalls liegt eine Hofintrigue bier vor, an der nach Bonnet 
wohl der damals in der Nähe der Herzogin lebende Boljec (j. d. A. Bd III, 281) beteiligt mar 30 
— vielleiht hat der Herzog felber, der fehon früher eingegriffen hatte, wo ihm gemiffe 
Vorgänge in Nenatas Nähe unbequem murden, zur Entfernung der Tochter des verftor- 
benen Ketzers den Anſtoß gegeben. Für Dlimpia felbjt iſt die bittere Erfahrung ein 
Weg zu innerer Feftigung geworden. Sie ſpricht ſich in einem Briefe an Curio (Oft. 
1551) folgendermaßen darüber aus: „Bald nad) dem Tode meines Vaters haben die: 35 
jmigen, von denen ich es am menigiten verdiente, mich verlaſſen und mich) unwürdig be: 
bandelt; und meine Schmweitern (jie hatte deren drei) haben Gleiches ertragen müſſen — 
Haft für Hingabe und Dienfte. Keiner nahm Rüdfiht auf unge, und Schwierigkeiten 
drängten von allen Seiten auf ung ein. Aber der gütige Vater der Waifen hat nicht 
gewollt, daß ich länger ale zwei Jahre unter foldhen Übeln bleiben follte... Jetzt ift ao 
e& mir lieb, daß ich das alles durchgemacht habe: wäre ich länger am Hofe geblieben, 

jo wäre es mit mir und mit meinem Heile fchlecht beftellt getuefen — habe ich doch, fo: 
lange ich dort lebte, in den höchſten Dingen feine Förderung erhalten und bin nicht zur 
Lektüre der heiligen Schrift gefonmen. Nachdem aber diejenige, welche ung hätte ſchützen 
müflen, durch Übelwollen und Verleumdungen fchlechter Menſchen unferer Familie abge 45 
neigt wurde, haben alle die £urzlebenden, flüchtigen und vergänglichen Dinge ihren Wert 

mich verloren” ... (Opera, p. 94, 95). 

So trat Dlimpia, innerlich gereift, gegen Ende 1550, in die Ehe Daß fie ihrem 
en, dem im Baterlande gute Ausfichten winkten, dortbin folgen werde, ftand ihr von 
bomberein feit, wie ſchwer auch der Entſchluß ihr fallen mußte Im Frühjahr 1551 v0 
tmte fie, den achtjährigen Bruder Emilio mitnebmend, über die Alpen; zunächft für 
örere Monate nah Augsburg, wo Grüntbler feine Kunft an dem ſchwerkranken 
iferlihen Nate Georg Hermann bewies, und von wo fie zum Bejuche des nunmehr in 
Virburg als Profeſſor an der Hochfchule wirkenden Johann Sinapius reiften, un endlich 
N Schweinfurt, der Vaterjtadt Grünthlers, im Oftober 1551 das eigene Heim zu gründen. 55 
Außerlich gefichert führten fie über ein Jahr lang in diefer fleinen freien Reichsſtadt 
in ſtilles bejcheidenes Leben —, Olimpia zwar von den Anregungen, mie die Heimat fie 
dot, getrennt, aber alüdlih in der Liebe ihres Mannes, den fortgefegten Studien, der 
Seranbildung ihres Bruders und der Führung ihres Kleinen Haushalts. Übertragungen 
von Palmen im griechifche gebundene Rede, auch einzelne Überbleibfel ihres Briefwechſel⸗ 


fe} 


0 


464 Morata Morig von Sachſen 


zeugen von der alten Liebe zu den Wilfenichaften und von ihrer dauernden Anbänglid- 
feit an die Xhrigen. Zwei ihrer Schweitern waren inzwiſchen auch in die Ehe getreten, 
und die Mutter bei der jüngften geborgen. Für den Fortgang der Reformation in 
Italien zeigt ſich Olimpia eifrig bemüht; fie regt ihre Landsleute wie Vergerio (f. d. 4.) 

b und Flacius Illyricus (ſ. d. A.) an, litterarifch nach diefer Seite bin zu arbeiten, insbe 
ſonders geeignete Schriften Luthers ing Stalienifche zu überjegen. 

Da brach im Jahre 1553 über den Zufluchtsort, den fie gefunden, ein furdhtbarer 
Sturm berein. Der wilde Markgraf Albrecht von Brandenburg, obwohl dem vom Sur- 
fürften Mori gegen den Kaifer gefchloffenen Fürftenbunde nicht angehörend, erſchien mit 

10 Truppen in Franken, um jeine Pläne gegen die Bistümer Bamberg und Würzburg aus- 
uführen, und warf fih in die Stadt. Monate lang belagerten dann die Scharen der 
—** die Stadt; die Peſt brach aus, die Lebenshaltung warb in ſteigendem Maße 
erfchtwert — endlich drangen durch eine Liſt die Bifchöflichen ein, mordeten und plün- 

derten, und nur tie durch ein Wunder gelang es Grünthler, mit den Seinen zu flüchten. 

15 Dlimpia giebt in Briefen (vgl. bei. den an ihre Schweiter Vittoria, jegt im italienifchen 
Driginal veröffentlicht in Riv. Crist. 1878, S. 5—7) genaue Auskunft über ihre aben- 
teuerliche Flucht: ausgeraubt bis auf das Yebte, gefangen, dann wieder freigegeben, 
fommen ſie in das Schloß des Grafen von Erbach, der fie in edeliter Weile aufnimmt 
und endlih im Mai 1554 nach Heidelberg ziehen läßt, wo burdı feine Vermittelung 

20 Grünthler eine Profeſſur der Medizin erhalten hatte. Aus diefem lebten Afyl datieren 
Olimpias letzte Briefe. — Der zarte Körper hatte den furchtbaren Entbehrungen unt 
Erregungen nicht Miderftand leiften können; eine tötliche Krankheit hatte DO. ſchon in 
Schweinfurt ergriffen, und unaufbaltjam verzehrte das Fieber ihre ſchwachen Kräfte — 
der Abſchiedsbrief an Curione iſt voll Glaubensfreudigkeit, voll Dank gegen Gott für 

2; alles, was ihr gewährt worden (Opera S. 185ff.) und bezeugt ihre erhebende Tobes- 
freudigfeit ebenjo twie der Bericht des troftlojen Gatten an denfelben über ihr Hinfcheiden 
(ebd. S. 187 ff.), welches am 26. Oktober 1555 erfolgte. Kurz nachher raffte auch die 
beiden Überlebenden der Tod dahin — in gemeinfamem Grabe in der Peterskirche hat 
man fie beftattet; Freunde festen eine Inſchrift auf den Grabftein, die folgendermaßen 

30 lautet: „DEO IMM. S. et virtuti ac memoriae Olympiae Moratae Fulvij Mo- 
rati Ferrariensis philosophi filiae, Andreae Grütleri conjugis, lectissimae femi- 
nae, cuius ingenium ac singularis utriusque linguae cognitio, in moribus 
autem probitas summumque pietatis studium supra communem modum söper 
existimata sunt. Quod de ejus vita hominum iudicium beata mors sanctissime 

» et pacatissime ab ea obita divino quoque confirmavit testimonio. Obiit mutato 
solo A. salut. D. L. V. supra milles(imum), s. aetatis XXIX. Hic cum ma- 
rito et Aemilio fratre sepulta. Guilelmus Rascalonus, Mi(ed.) D(octor) BB. 
MM. PP. ' 

Auch die Stadt Schweinfurt hat das Andenken diefer edlen Frau, die ald Gaft kurze 

40 Zeit in ibr weilte, geehrt; man hat das Haus, in welchem Grüntbler wohnte, toteder 
bergeftellt und eine Tafel anbringen laffen mit der Auffchrift: 

Vilis et exilis domus haec quamvis, habitatrix 
Clara tamen claram sat facit et celebrem. 


Zahlreiche verfifizierte „Elogien“ find der Sitte der Zeit entfprechend der Verſtorbe 


15 nen von gelebrten Freunden gewidmet worden — fie finden fich als Anhang der „Opera"= 
Z. 215-265. Benrath. 


Mord bei den Hebr. ſ. d. A. Gericht u. Recht Bd VI ©. 579. 
Morgan, Thomas, geit. 1743 |. d. A. Deismus Br IV S. 544, ff. 
Morganatifhe Ehe ſ. d. U. Mipbeirat, oben S. 89, m. 

zu Moria f. d. U. Jerufalem Br VIII S. 677, w. 
Moris von Heſſen ſ. d. A. Verbeijerungspunfte. 


Moris von Sachſen j. d. A. Interim Bd IX S. 210. 


Mormonismus 465 


Mormonismus. — The Book of Mormon: an ac&ount written by the hand of Mormon, 
upon plates taken from the plates of Nephi. By Joseph Smith, junior, author and proprietor, 
Balmyra 1830 (in allen fpäteren Auflagen ift Smith nicht mehr als Autor, fondern nur als Über— 
jeßer bezeichnet). Srfe europäifche Ausgabe, Liverp. 1841. Beſte Ausgabe „with division into 
chapters and verses by Orson Pratt sen.“, Salt Lake City 1879 (miederholt neu gedrudt). 5 
Das Bud) ift in 13 verfchiedenen Sprachen überſetzt. — Book of Doctrine and Covenants of 
the Church of Latter-day Saints, campiled by Joseph Smith, jun., Kirtland 1835 (282 Geiten). 
Third edition (444 Seiten), Nauvoo 1845. Dasſ., „divided into verses“, Salt Lake City 1883. — 
The Pearl of Great Price: being a choice selection from the revelations etc. of Joseph 
Smith, First Frophet etc., Ziverpool 1851 (Salt Lake City 1891). Dieje drei Werke, welche 10 
die Mormonen als heilige Schriften betrachten, find nebſt anderer offizieller mormonifcher 
Litteratur, in deuticher Ueberjegung und dem englifhen Tert in dem Miffionsbureau Frank⸗ 
furter Allee 126 Berlin zu erhalten. The Times and Seasons, Nauvoo 1839—45 (6 voll.). 
The Millennial Star, Liverpool, gegründet 1840, offizielled® Organ der europäifhen Mijlion. 
Deseret News, gegründet 1852. lt Lake City (Offizielle Organ der Mormonen). The 15 
Saints’ Herald, gegründet 1860 (Offizielles Organ der „Reorganized“ Church) Lamoni, 
Iowa. — 3. Xaque?, Catechism for Children, Salt Lake City 1870. — Sacred Hymns 
and Spiritual Songs for the Church, Salt Iake City (several editions). — Parley 
®. Pratt, A Voice of Warning to all Nations, 1838 u. ö. (hat eine jehr wichtige Rolle 
in der mormonifhen Propaganda geſpielt). Bon demfelben Berfafler: Key to Theology, 20 
Liverpool 1858, neue Ausgaben Salt Lake City. — Journal of Discoursees by Brigham 
Young and others, Liverpool, 1854—76. — Joseph 3. [sic!] Smith and Heman C. Smith. 
History of theChurch of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1891 fol. (bi® jetzt 4 Bde; vom 
Standpuntt der „Reorganized“ Church). Lucy Smith [des Propheten Wutter], Biographical 
Sketches of Joseph Smith and his Progenitors for many Generations, Liverp. 1853 (unterdrüdt 25 
von PBräjident Brigham Young, neugedrudt 1880 von der „Reorganized“ Ohurch). J. E. Tal: 
mage (gegenwärtig die erſte wiſſenſchaftliche Autorität unter den Mormonen) Articles of Faith, 
Salt Lake City 1899. Ein Bild des gegenwärtigen Mormonismus gewähren die Schriften 
von B. H. Roberts, The Gospel; Ontlines of Eceles. History; New Witness for God u. a. Salt 
Lake City. Ferris, Utah and the Mormons, 1854; Stenhoufe (ein abgefallener Mormone), 30 
The Rocky Mountain Saints, 1873. H. H. Bancroft, History of Utah, 1890; Zinn, The Story 
of the Mormons, 1902 (das befte und vollftändigfte Wert); Wiley, The Founder of Mor- 
monism, a Prolog study etc. 1902 (lehrreih). Schlagintweit, Die Mormonen u. |. w., 
2. Aufl., Köln 1878. Fotſch, Zur Kenntnis der Mormonen (in Dentwürdigteiten der Neuen 
Belt, Bd 2, ©. 126—251), [1891?). 35 

Mormonismus ift die gewöhnliche Bezeichnung einer religiöfen Zelte, die von Joſeph 
Smith in Mandjeiter N. Y. im Jahre 1830 gegründet, und 1847 nach Utah mit der 
Hauptniederlaffung in Salt Lafe City verlegt wurde. Die Sclte felbft erkennt diefen, 
vom Titel ihrer eriten bl. Schrift entnommenen Namen nicht an, fie nennt fich offiziell 
„Die Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen ver legten Tage‘. Das Wort Mornon ift so 
wahrjcheinlich eine reine Erfindung (es ift ſehr wenig Grund zu der Annahme eines 
Julammenhange mit dem griechifchen uooumr). Smith erklärt die Ableitung des 

orte im ex cathedra Stil wie folgt: Kir, die Englifchiprechenden, jagen nad dem . 
ſächſiſchen good; die Dänen god; die Goten goda; die Deutichen gut; ‚die Holländer 

gocd; die Lateiner bonus; die Griechen kalos; die Hebräer tob; die Agypter mon. 4 
Daher haben wir unter Hinzufügung von more, oder verfürzt mor, das Wort Mormon, 
welches wörtlich bedeutet mehr gut, more good. ' 

. Smith wurde geboren in Sharon, Vermont am 23. Dezember 1805; er mar das 
Dierte unter zehn Kindern. Sein Bater war ein Mann von zweifelhaften Rufe und 
Con unbeftändiger, ruhelojer Gemütsart. Er trieb fih ohne feiten Beruf und ohne Aus: so 

er bei irgend welcher Arbeit haufierend umber, wahrjagte, verkaufte Segensſprüche u. dgl. 
Des Propheten Mutter war dem Vater an Intelligenz und Willenskraft überlegen; aber 

Te war ebenfo ungebildet und glaubte wie diefer an Viſionen, Erjcheinungen, Träume u. dgl. 
Nachdem die Familie ihren Wohnort nicht weniger ald achtmal verändert hatte, zog 
fre 1815 nad myra, in Wayne (damals ein Teil von Ontario) County NN). Hier cs 
Cröfmete der Bater eine Kuchen: und Bierhandlung. Nebenbei verrichtete er und 
feine Söhne alle Arten niedriger Arbeiten, wie fie diefelben befommen fonnten. Nach 
Ungefähr vier Jahren in Palnıyra bezog die Familie eine Farm in der Nähe des be- 
nachbarten Dorfes Manchefter. Sie jtand dort in feinem beſſeren Rufe. E83 fehlte ihr 
an Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe. Die Knaben waren arbeitsicheu und Landftreicher, 

einige von ihnen konnten nicht leſen. Joſeph war nicht beffer als feine Brüder; er lief 

ungefämmt umher, war unmäßig träge, und Spinnftubenmärdhen und ungereimten Ge: 
ſchichten überaus ergeben; leſen fonnte er, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit; außer: 
RealsEncyklopädie für Theologie und Nirde. 3. A. XI. 30 


0 


— ⸗ 


466 | Mormonisund 


dent fchrieb er eine jehr unvollkommene Hand und hatte eine fehr beichränkte Kenntnis 
von den Clenentarregeln der Arithmetil. Das waren jeine höchſten und einzigen Fort⸗ 
Schritte (O. Vratt, Remarkable Visions ete.). Als Süngling wurde der zufünftige Propbet 
vielleicht nocd weniger geachtet ale feine Brüder. Doch galt er nicht eigentlich als bos- 

5 haft. — Die Entwidelung eines ſolchen Knaben zum Propheten und Begründer einer 
neuen Religion ift ein höchſt intereflantes pfochologifches Problem. Die Löfung liegt in 
der Kenntnis der Worfahren, feiner eigenen Gemütöbefchaffenheit und feiner Umgebung 
während feiner Knaben: und Jugendzeit. J. Smith batte Träume, ſah Erfjcheinungen 
und vollzog Heilungen durdy Glauben; dasjelbe hatte fein Water, feine Mutter und fen 

ı Großvater von mütterlicher Seite gethban (Riley p. 11). Sieben wunderbare Träume 
feines Vaters find überliefert. Beſonders das Yeben feiner Mutter war erfüllt von 
Träumen, Bifionen und Wunderfuren. Sie batte in NRutland County, Vermont gelebt, 
wo 1801 Leute ihr Weſen trieben, welche behaupteten, den „St. Jobannie-Stab“ zu 
befigen, durch den Gold und Eilber in Überfluß, auh Wurzeln und Kräuter gefunden 

15 werden fünnten, die alle Arten Krankheiten heilen würden. Sie behaupteten, das wären 
die Stäbe, welche (ſchon) Jeſaias erwähnt babe, unter denen Gott fein Bolt am jüngiten 
Tage durchgehen laſſen würde, wenn die Herrlichkeit der neuen Welt geoffenbart werden 
follte. Durch fie würden die verlorenen Stämme Israels aus allen Völkern wieder ge 
jammelt werden. Sie hätten Macht über alle Zauberei; viel Gold und Silber liege in 

» der Erde verborgen, durch Zauberfraft feitgebalten; aber diefe Stäbe könnten den Zauber 
bredben und die Echäge unter der Erde fortbewegen und in einem Felde fammeln, 
wo fie die Heiligen der letten Tage finden und zur Erbauung des neuen Jeruſalem ver: 
wenden würden (Torcheiter, Christianity in the United States, ©. 538). Tide 
Vorſpiegelungen machten offenbar einen bleibenden Eindrud auf Frau Smith und ihren 

25 Gatten. Schon in Vermont war der lebtere ale Schaßgräber befannt. In Palmyra 
ſetzte er dieſe Arbeit fort. Sein Sohn Joſeph übertraf ihn bald im Rufe ala Wabr- 
Inger Ehe er 18 Jahre alt war, begann er die Aufmerkjamfeit auf fih zu lenken. 
Als fein Medium benüßte er nicht einen Stab, jondern hauptfählid einen Wunderftein 
(„peep stone“ oder gazing crystal). Im Jahre 1825 finden wir ihn in einer 

30 Geſellſchaft von Schaggräbern in Pennfylvanıen. Dort fand er ein Mädchen, das er 
heiraten wollte; da der Vater feine Einwilligung nicht gab, fo entlief das Paar und 
wurde im Staate New-NYork 1827 getraut. 

So war %. Smith der Erbe der krankhaften Anlage feiner Vorfahren; fein Leben 
und Treiben reizte feine krankhafte Einbildungstraft. Zu Heimlichleiten geneigt, fantaftifch 

3 und enpfänglich für Sinnlichkeit, geriet er in einen Zuftand feelifcher Aufregungen, der 
zu epileptifchen Anfällen führte (vgl. Riley); dieſe fehrten jedoch nicht zurüd, nachdem er 
völlige Reife erlangt hatte. In feinem 15. Xebensjahre fing er feinem eigenen Berichte 
nach an, Erfcheinungen zu ſehen. Es war — im weitlichen New-York und dur das ganze 
Yand --- eine religiös und Firchlich erregte Zeit. Man hatte wenig Bücher; neben einigen 

40 Neijebefchreibungen und Schilderungen von Abenteuern hauptſächlich religiöfe Werke, 
darunter rationaliftifche, die meiften kirchliche Streitichriften. Unter den kirchlichen Ge 
meinjchaften waren einige gründlich fanatisch, auch bei den acıtbareren fehlte es nicht an 
manchen Berfchrobenheiten. Joſephs Jugend fiel in die Zeit der „großen Erwedung” ; 
wie Yauffeuer fegte fie durch das Land und an vielen Orten führte fie zu epibemifchen 

45 krankhaften Erjcheinungen. Bon diefem Geijte wurde Jofeph ergriffen: unter dem Ein— 
fluß religiöfer Erregung batte er feine erjte Bifion. Er ging in einen Hain, um zu beten. 
Kaum batte er zu fprechen begonnen, als er von einer Macht, die ihn völlig überwäl- 
tigte, ergriffen wurde. „Dichte Dunkelheit umbüllte mich, und es fchien mir eine Ve 
lang als ob ich plößlich vernichtet werden würde. Aber im Augenblid der größten Be 

;o ftürzung, ſah ich eine Yichtfäule gerade über meinem Kopfe, den Glanz der Sonne über- 
jtrablend, fie neigte ſich allmäblich herab, bis fie auf mich fiel. Sobald fie erſchier — 
fühlte ich mich befreit von dem Feinde, der mich gefangen bielt. Als das Licht uf m 
rubte, ſah ih zwei Perjonen, deren Glanz und Herrlichkeit jeder Beichreibung fpottetemez, 
über mir in der Luft fteben.” Eine von ihnen Sprach zu ihm, verficherte ihm die Be 

5: gebung feiner Zünden und befahl ibm, feiner der beitebenden Sekten fih anzufchließewz, 
jte ſeien alle im Irrtum, aber ibm folle eines Tages die wahre Lehre geoffenbart werden. 
Seine zweite Viſion hatte er am 21. September abends. Der Engel Moroni eridien 
ihm dreimal in großer Herrlichteitt und nachdem er ihm die Vergebung feiner Sünden 
verfichert hatte, erzählte er ibm jedesmal von goldenen Tafeln, melde unter einem 

wor großen Felſen auf einem Berge in der Näbe von Manchefter verborgen wären; auf ibnen 


Mormonisumsd 467 


jei die Geſchichte des meftlichen Kontinents gefchrieben, die Ergänzung zu der hl. Schrift 
des A und NTs. Nach mancher weiteren Belehrung jchloß der Engel damit, daß er 
ihm empfahl, wenn er in Zukunft zum Befig der Tafeln gelangen follte, fie niemand zu 
zeigen, ausgenommen wenn er dazu angewieſen wäre, damit er nicht vernichtet werde. 
Gerade vier Jahre nach diefer Erjcheinung mollte er zu der Stelle, die ihm der Engel 
angegeben hatte, gekommen fein, um von ihm die goldenen Tafeln zu eınpfangen. Sie 
waren mit Heinen und Schön eingravierten Buchftaben bebedt in „neuformiertem Agyptiſch“. 
Außerdem empfing er ein Paar in Silberringe gefaßte Kryftalle, angeblid das mahrhaf: 
tige Urim und Thummim der altteftament. Hohenpriefter, eine Art „übernatürliche Brille”, 
obne welche die geheimnisvolle Schrift nicht überſetzt werden fonnte. 1 

Die erfte Perſon, die thätiges Intereſſe an der Entdeckung der goldenen Bibel nahm, 
war ein Farmer, Martin Harrid. Er mar ein Quätker geweſen, dann Univerfalift, 
Baptift und Presbyterianer, vom Anfang bis zum Ende ein Träumer und Schwärmer, 
der feit an Träume, Bifionen und Geifter glaubte und beftätigen fonnte, daß er ben 
Vorzug genoffen habe, den Mond zu beſuchen. Smith hatte finanzielle Hilfe nötig, um 
jein Buch herauszugeben; Harris war bereit fie zu gewähren, wenn er nur völlig über- 
zeugt werden konnte, da das Buch von Gott war. Er war begierig, die goldenen Tafeln 
u feben, aber Smith war mit der Hilfe einer befonderen Offenbarung im ftande, ihn zu: 

ieden zu Stellen, fo daß er glaubte, ohne zu ſehen. Nun aber machte ihm Smith eine Abſchrift 
von einigen der Buchſiaben, die jener dem ausgezeichneten Philologen Prof. Charles Anthon 20 
in Neim:Nork zeigte; obgleich ihn diefer vor Betrug warnte, wurde fein Vertrauen nicht 
erfchüttert. Er wurde nun Smiths erfter Amanuenfis bei der Überjegung der goldenen 
Bibel. Als er 116 Seiten gefchrieben hatte, törte feine ungläubige und entrüjtete 
Ehefrau diefelben. Smith zmeifelte, ob fie wirklich vernichtet wären und befand fich des⸗ 
balb eine Zeit lang in Verlegenheit; aber er wurde durch eine Offenbarung belehrt, daß >; 
die Überfegung in die Hände gottlofer Menfchen gelallen jet, denen der Satan eingegeben 
babe, die Worte zu ändern, es wäre ihm daher befohlen, das Verlorene nicht wieder zu 
überfegen; er folle ftatt deflen von den Tafeln des Nephi überfegen, die einen 
genaueren Bericht enthielten, ala das Buch Lehi, nach dem die erfte Überjegung gemacht 
worden fei. Smith ftellte nun feine rau als Amanuenfis an, bis der Dann, welcher ao 
fein erfter Schriftführer wurde, Oliver Cowdery, erfchien. Cowdery war Grobfchmieb ge: 
weien, und nachdem er fich ein geringes Maß von Willen angeeignet hatte, Schulmeifter 
getvorden. Die Überfegung ging auf folgende Weile vor fih: quer über das Zimmer 
war ein Borbang gezogen, um das heilige Dokument vor profanen Augen zu behüten ; 
dahinter figend las Smith mit Hilfe des Urim und Thummim von den goldenen Tafeln 3 
dem Cowdery vor, der Sab für Sat, wie er überfegt wurde, nieberjchrieb. Che das 
Wert vollendet war, wurden Smitb und Cowdery durch himmlische Boten für das 
aaronitifche und melchifedefianifche Prieftertum geweiht, für das eritere durch Johannes 
den Täufer, für das lebtere durch die Apoftel Petrus, Jakobus und Johannes. Das aaro- 
nitifche PVrieftertum gab ihnen die Macht Buße und Glauben zu verfündigen und durch 40 
Untertauchen im Waffer zu taufen auf die Vergebung der Sünden. Das melcheſedekia⸗ 
nifhe Prieftertum verlieh ihnen die Befugnis, den Getauften die Hände aufzulegen und 
ihnen den bl. Geiſt zu verleihen. Diefe Macht, jagen die Mormonen, konnte Damals nur 
durch ee Boten vermittelt werden. Die wahre Kirche hatte völlig aufgebört, auf 
Erden zu exiſtieren; es gab niemand, der den hl. Geift hatte. # 

Mit Harris’ Hilfe gelang es Smith das Bud im Jahre 1830 in einer Auflage 
von 5000 Exemplaren druden zu laſſen. Da der Verkauf lange dauerte, büßte Harris 
fein Vermögen ein. Dem Buche murde die eidliche Ausfage von Cowdery, Whitmer 
und Harris beigegeben, daß jie die Tafeln gejehen hätten; überdies das Zeugnis von 
acht anderen Dlännern, daß fie diefelben ſowohl gejehen, als mit der Hand berührt hätten. so 
Ein höchſt ehrenmwerter Geiltliher legte einmal Harris die Frage vor: Haben Sie bie 
Tofeln mit Ihren natürlichen Augen gejeben, gerade fo wie Sie den Federkaſten in 
meiner en jeen! — Harris entgegnete: Nun, ich fah fie nicht wie ich den Feder—⸗ 
foften febe, aber ich fah fie mit dem Auge des Glaubens. Ich jah fie jo deutlich mie 
ich irgend etwas um mich herum ſehe, obgleich fie zu der Zeit mit einem Tuche bededt 55 
waren (Clark, Gleanings by the Way 1842). Ginige Jahre fpäter fielen alle brei 
Zeugen vom Mormonismus ab und erklärten ihr früheres Zeugnis als falſch. 

Das Buch Mormon enthält ungefähr halb fo viel Stoff wie das AT. In Bezug 
auf den Stil ift es eine grobe Nachahmung der hiltorikhen und prophetiſchen Bücher des 
leßteren. Ungefähr ein Achtzehntel der Arbeit ift direlt aus der Bibel entnommen, un: eo 

30" 


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— ⸗ 
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468 Mormonisund 


gefähr 300 Stellen ganz und gar, nämlidy große Teile von Jeſaias, die ganze Berg: 
predigt (in Mt) und einige Verfe von Paulus. Das Werk ift in fünfzehn Bücher ein- 
geteilt, die nach ihrem Inhalt von Nepbi, Jakob (feinem Bruder), Enos, Sarom, 
Dmni, Mofiab, Zeniff, Alma, Helaman, Nephi (Enkel von Helaman), Nepbt (Sohn 
s von Nephi, ein Jünger Jeſu Chrifti), Mormon, Ether, Moroni gefchrieben ſein follen. 
Die Geſchichte ift jo unzufammenhängend und mit mahnenden und belehrenden Abfchnitten 
vermiſcht, daß es nicht fo leicht ift, fie zu entwirren. Der Prophet ſelbſt (in Rupp, 
He Pasa Ekklesia, 1841) hat fie wie folgt kurz zufammengefaßt: „Wir werben dur 
diefe Aufzeichnungen belehrt, daß Amerika vor alten Zeiten von zwei verjchiedenen 
10 Menfchenraffen bewohnt war. Die erjten hießen Jarediten und kamen direft von dem 
QTurme zu Babel. Die zmeite Raſſe kam direkt von Serufalem ungefähr 600 Jahre vor 
Chrifti Geburt. Es waren hauptſächlich Ieraeliten, von der Nachkommenſchaft Joſephs. 
Die Jarediten wurden, feitdem die JIsraeliten [Lehi, feine Frau und vier Söhne] von 
erufalem kamen, verdrängt und dieſe folgten ihnen als Befiter des Landes. [Bet dem 
15 Tode Lehis bejtimmte Gott Nephi den jüngften Eohn zum Führer; da die anderen ihm 
widerſtanden, beitrafte fie Gott dadurch, daß er ihnen dunkle Haut gab u. ſ. w. — d. h. 
er verwandelte fie in Indianer. Zwiſchen den Nephiten und diefen rebelliichen „Lamiten“ 
wüteten beftändig Kriege]. Die Hauptnation der zweiten Raſſe, die Nephiten, fielen in 
einer Schlacht gegen das Ende de 4. Jahrhunderts [384 A. D.. Nur eine Handvoll 
20 entlam, unter ihnen Mormon und fein Sohn Moroni; aber die Linie erlojch bald. Die 
übrigen find die Indianer, Die jet diefes Yand bewohnen. Weiter gäbe das Bud, 
daß der Herr nach feiner Auferftebung in Amerika erfchien, und dort das Evangelium 
in all feinem Reichtum, jeiner Macht und Gnade pflanzte; die dortigen Gläubigen hätten 
Apoftel, Propheten, Hirten, Yehrer, und Evangeliften, diefelben Ordnungen, diefelbe Priefter- 
26 fchaft, diefelben Rangftufen, Gaben, Kräfte und Segnungen gehabt wie auf dem öftlichen 
Kontinent; aber infolge feiner Miffethaten ſei diefes Volk vernichtet worden; ber letzte 
der Propheten, welcher unter ihnen wirkte, habe den Auftrag erhalten, einen Auszug 
ihrer MWeisfagungen, ihrer Gefchichte u. f. mw. aufzuzeichnen und ihn in die Erde zu ver 
bergen. In den legten Tagen werde er zum Vorſchein fommen und mit der Bibel ver- 
30 einigt der Vollendung der Gedanken Gottes dienen.” Mormon mar demgemäß der 
Sammler und Bearbeiter der Bücher; fein Sohn Moroni brachte das Werk zum urn 
und ungefähr im Jahre 420 A. D., verbarg er die Tafeln unter dem Felfen auf bem 
Berge Cumora bei Manchefter. 
Als litterariſches Merk beurteilt ıft das Buch Mormon unerträglich Tangmweilig. Es 
36 hat feine Spur von Geichmad, poetifchen Reiz oder Gedanfentiefe, ebenfowenig von 
religiöfer Begeilterung oder moralifhem Ernft. Es ift voll grammatischer Fehler und 
trogt von Albernheiten und Anachronismen. Bon den fprachlichen und anderen Fehlern 
der eriten Auflage find einige 3000 in den fpäteren Auflagen verbeflert worden; doch 
bleiben noch einige Tauſende. Was die Lehre anlangt, fo enthält das Buch, verglichen 
40 mit den fpäteren DOffenbarungen, wenig Grwähnenswertes. Es fagt die Berufung Joſeph 
Smiths zum Propbeten der Herrlichkeit des jüngiten Tages voraus; es ift ftreng chiliaftiich 
und erflärt, daß alle Gaben, Kräfte und Amter der apoftolifchen Kirche in der wahren 
Kirche zu finden feien; es ſchließt ſich an die firchlicdhe Lehre von der Dreieinigfeit an, 
verwirft Die Rindertaufe und gebietet die Taufe durch Untertauchen zur Vergebung der 
46 Eünden; es bebauptet, daß die Bibel von Gott ift, aber auch, daß dieje Thatfache weitere 
Dffenbarungen nicht ausjchließt ; endlich enthält es drei Stellen, welche nach richtiger Er- 
Härung als Verurteilung der Polygamie verftanden erden müffen. 
Die Frage nah den Quellen des Buches Mormon ift für unſern Zweck wichtig. 
— Um das Jahr 1809 wohnte in Gonneaut, Ohio, ein Mann namens Salomon Spaul- 
so ding. Gr hatte im Dartmouth College, in New:Hampfhire ftudiert, und danach 4 Jahre 
lang als presbyterianischer Prediger Dienjte getban. Hierauf ergriff er einen weltlichen 
Beruf und widmete einen Teil feiner Zeit litterarifchen Studien.. Er gemann Int an 
indianischen Altertümern in der Nähe von Conneaut, und das fcheint ihm den Gedanken 
eingegeben zu haben, einen Roman über die Sindianer vor Entvedung Amerilas durch 
65 Columbus zu fchreiben. Das Buch, das er verfaßte, wurde ungefähr 1812 vollendet; es 
erbielt den Titel: „Das gefundene Manuftript”. Spaulding fnüpfte an die befannte 
Fabel an, daß die amerifanifchen Indianer Nachkommen der verlorenen Stämme Jsraels 
jeien. Um feine Schrift pifant zu machen, gab er ihr die Form einer Überfegung einer 
Handjchrift, Die von einen Gliede des alten Stammes geichrieben und neuerdings in 
60 einem indianiſchen Grabbügel entdeckt worden fei. Spaulding zog nach Pittsburg und 


Mormonismus 469 


gedachte fein Manuſkript dort drucken zu laſſen. Es lag eine geraume Zeit in der 
Druderei, wurde aber nie gedrudt; endlich wurde es dem Berfafler zurüdigegeben, der 
damals in Amity, Pennfylvania, lebte, wo er 1816 ftarb. Als nun das Bud Mor: 
mon erichien, erflärten Spauldingg Witwe und viele andere, die ihn aus feinem 
Manuffript hatten vorlefen hören, das Bud) Ik zum großen Teil dem nicht veröffent- 
lihten Roman entnommen, mit zahlreichen theologiſchen Einfchaltungen. Spauldinge 
Handichrift konnte jedoch nie gefunden werben, die Der leihung mit dem Buche Mormon 
. war aljo unmöglid. (Ein in Honolulu 1885 entbedttes Manufkript, welches ſich als 
Spauldings Indianer-Roman vorgab und Feine Ahnlichleit mit dem Buche Mormon 
hatte, ijt mahrjcheinlich eine Fälſchung). Es murde fpäter behauptet, daß ein gewiſſer 10 
Sidney Rigdon, der mit Smith 1829 in Berbindung ftand und fich früh zu dem neuen 
Glauben befehrte, während er als Buchdruder in Pittsburg ungefähr im Jahre 1812 
beichäftigt war, in den Beſitz der Handichrift Tam, fie abichrieb und Smith zur Verfügun 
ftellte. Es find Gründe genug vorhanden, welche diefe Behauptung als fehr twahrfcheinlich 
ericheinen laflen, aber fie ift noch nicht bewiefen. Rigdon war der bei weitem fähigjte 15 
und gebildetite der erften Mormonen. Er war Baptiften und fpäter Campelliten-Pre- 
Diger geweſen und hatte viel Einfluß auf die Bildung der Lehre und der and der 
Mormonen. Bis ungefähr 1843 ftand fein hen dem Smiths wenig nad; dod) 
wurde er nach des Propheten Tode in den Kirchenbann gethban. Wie gejagt, ift es 
wahrfcheinlich, daß er das Spaulding-Manuffript gelejen hatte und es ift möglich, daß 20 
er Smith eine Abfchrift zur Verfügung ftellte; aber ein zmeifellofer Beweis dafür iſt 
nicht vorhanden. Riley beftreitet in Icharffinniger Weile, daß die äußeren Beweiſe für 
dieſe Anficht mangelhaft feien, während andererfeit? der Stil und Inhalt des Buches 
Mormon derartig find, wie man es von einem Manne von Smith Eigentümlichkeit und 
Umgebung erwarten muß. Er bejaß eine fräftige, wenngleich profaifche Einbildungsfraft 25 
und em treues Gedächtnis, aber fein Willen mar gering und fein Urteil ſchwach. Das 
Bud) zeigt von Anfang bis zum Ende diefe Züge. Der Berfaffer entnahm, mas er fagte 
— vielleicht unbemupt — aus verjchiedenen und zum Teil einander miderfprechenden 
Quellen. Daber die Vertvorrenheit feiner Theologie; es fehlt ihr gänzlich an innerem 
Qufanmenbang; Lehren des verichtedenften Urſprungs find unlogiſch zufammengehäuft. 30 
wird — natürlich nicht unter ihrem Namen — von Galvinismus, Univerfalismus, Me: 
thodismus, Chiltagmus, Katholicismus, Deismus und Freimaurerei gehandelt, und dies in 
einer Weife, die Smiths Beziehungen zu diejen Lehrſyſtemen merkwürdig entfpricht. Gegen 
den Katholicismus und die Freimaurerei ftreitet er heftig. Das Bud ift einigermaßen 
ein Spiegel für feine Ei aber in noch höherem Maße eine Art (unbewußte) Selbit- 5 
biographie Smiths. Man könnte einwenden, diejer fer zu unwiſſend gemweien, um ein 
ſolches Buch verfaflen zu können; aber e8 liegt am Tage, daß er alsbald im ftande war, 
eine Menge plaufibler ffenbarungen zu produzieren und daß er als Redner nicht geringe 
Gewandtheit bewies. , 

War nun Joſeph Smith ein überlegter Fälfcher und beivußter Betrüger? Die meiften 40 
nihtmormonifchen Schriftfteller bejahen dieſe Frage. Aber einige der forgfältigiten Forſcher, 
befonders Stenhoufe und Riley, glauben, daß er vielmehr durch feine eigenen Halluci- 
nationen betrogen wurde. Er reizte und ftachelte feine krankhafte Phantaſie, bis er jede 
Albernheit glaubte. Stenhoufe führt die „Überfegung” des Buches von Abraham ale Beweis 
an. Smith mar nämlid) in den Befit einiger ägyptifcher Bapyrusrollen gelangt, von welchen 45 
er behauptete, fie feien eine Schrift Abrahams. Mit Hilfe des Urim und Thummim über: 
fegte er die Hieroglyphen. Ägyptologen haben eine getreue Nachahmung der Papyrus: 
tollen geprüft und gefunden, daß fie die „Auferftehung des Dfiris” und dergleichen 
enthalten. Nun fchließt Stenhoufe, daß Smith die Unterfuchung der Bapyri durch wiſſen— 
Kaftliche Männer nicht geduldet haben würde, wenn er nicht Vertrauen zu feiner eignen so 

nipirattion gehabt hätte. Es würde freilich ſchwierig fein, alle Einzelbeiten feines Ver: 

tens zu erllären, ohne die Annahme von beiwußtem Betrug bi zu einen gewiſſen 
Grad. Aber wenn er ein reiner Betrüger geivefen wäre, fo wäre es ebenjo ſchwer, 
die wunderbare Zähigfeit, mit der er feinen Zweck verfolgte, zu erklären, fowie feinen er: 

ihen Einfluß auf andere. Ein reiner Betrüger mußte zufammenbrecen unter dem 55 
Sturm der Verfolgung, der über ihn kam. 

„Joſeph hatte Erfolg mit feinen A eisjanungen, weil der Boden bereitet war”. Non 
Anfang an bis jet beruht die Anziehungskraft des Mormonismus auf feinem Anspruch, 
die Gabe der Prophetie zu befigen. Smith fing feine Laufbahn als „Peepstone Joe" 
(Budftein:Jofeph) an und entiwidelte fh zum „Propheten, Seher und Offenbarer”. Die co 


or 


470 Mormonismns 


befchwerlihen Urim und Thunmim verabfchiedete er nach der Überfegung des Buches 
Abraham. Bon nun an kündigte er einfach, wenn er Hilfe nötig hatte, eine Offenbarung 
an, welche fich auf den vorliegenden Fall bezog. Dabei übte er jedoch bis zu einem ge 
willen Maſſe Selbitbeichräntung: „Wir juchen an der Hand Gottes nur dann nad, einer 

5 befonderen Offenbarung, wenn es feine vorhergegangene Offenbarung giebt, melde fich 
auf den Fall anwenden ließe” (Times and Seasons V, 753). Offenbarungen Tnüpften 
fih an beinahe jeden denkbaren Anlaß, nur nicht an die Religion im eigentlichen Sinn. 
Mit feinem PBrophetenamte verband Smith die Ausübung des Erorzismus und der Sranten- . 
beilung durch den Glauben. 

10 Die formelle Gründung der neuen Sekte fand am 6. April 1830 in Fayette, N-Y., 
ftatt. Damals zählte fie einige 70 Anhänger. Ihr offizieller Name (f. oben) wurde 
etwas fpäter beitimmt. Dur Offenbarung nahm Smith den Titel: „Seber, Ueberſetzer, 
Prophet, Apoftel Jeſu Chrifti und Ältefter der Kirche“ an. Er begann nun eifrig Propa- 
anda zu machen. Jeder, der fih ihm anfchloß, wurde getauft — feine vorhergehende 

15 Taufe wurde anerfannt. Der erite namhafte Belehrte war Parley PB. Pratt (Berfafler 
von The Voice of Warning). Bald folgte der einflußreichere Sivney Rigdon. Smith er: 
kannte ihn als Genoſſen in der Prophetie an; ald aber Rigdon fpäter Ni borzudrängen 
fuchte und feine Offenbarungen Smith MWünfchen entgegen waren, tadelte und demütigte 
ihn der letere fcharf und entzog ihm zeitweife fein Amt. Smith war ftet8 bereit S 

20 zu hören und jedem fähigen Mann ein Amt zuzuweiſen: aber im Prophezeihen mußten 
ich ihm alle anderen unbedingt unterwerfen. 

Da er in der Umgegend feiner Heimat zu wenig Glauben fand, zog Smith mit 
vielen feiner Heiligen 1831 nach Kirtland, Ddio, Nun machten fie die größten rt: 
fchritte. Ihre Miſſionare beiviefen ungeheuren Eifer, in Ohio, Pennſylvanien, New⸗-York, 

25 Indiana, Illinois 2c. wurden Kirchen gegründet. Der gänzliche Mangel jeglicher religiöfer 
ildung bei der Maſſe des Volks machte fie leicht zur Beute der Künfte Smiths und 
feiner Prediger. Eine Menge wunderbarer Erfahrungen der frühelten Belehrten wurden 
erzäblt; freilich waren fie nicht fonderbarer als die, welche viele Belehrte bei den Er: 
wedungen und Lager:Verfammlungen der evangeliihen Denominationen zu erzählen 
30 hatten. innerhalb einiger Monate nad) dein Umzug nad) Kirtland wuchs die Zahl ber 
ormonen auf menigitend 1200 Seelen. Jedoch der Widerftreit der „Ungläubigen” um 
fie herum, veranlaßte Smith die Augen nach dem Welten zu wenden, nach den Grenzen 
der Eivilifation, um dort einen Plat zu finden, wo er feine Anfchauungen ungehindert 
und völlig durchführen könnte. Im Herbſt 1831 gründete er eine Kolonie in Jackſon 
35 County, Miſſouri, mo jetzt die Stadt Independence liegt. Eine Offenbarung batte 
ausgefprochen, daß bier das Verheißungsland und der ak für die Stadt Zion je 
Große Landitreden wurden angekauft; eine monatliche und eine wöchentliche Zeitſchrift 
zur Verbreitung des neuen Glaubend wurden gegründet. Die induftriellen Unterneb- 
mungen der „Heiligen“ waren im ganzen beiwundernswürdig. Doch wurde zulegt be 
40 vuß Kirtland auf unbeſtimmte Zeit zum — der Heiligen zu machen. Smith 
kehrte 1832 dorthin zurück und nahm ſeine propagandiſtiſche Arbeit kräftig wieder auf. 
Außerdem ſtürzte er die Gemeinſchaft in wilde finanzielle Spekulationen, alles unter 
Kontrolle der Kirche. Das führte zu einem Tumult. Zum Teil infolge religiöſer Feind⸗ 
ſeligkeiten, zum Teil aus Entrüſtung über Smiths Herrſchaft in finanziellen Angelegen⸗ 
15 heiten brach ein Volkshaufen in der Nacht des 22. Mat 1832 in des Propheten Haus 
ein, trieb ihn auf ein angrenzendes Feld und teerte und feberte ihn. Rigdon wiberfuhr 
dasfelbe Unglück. Aber nichts fchredte fie ab. Smith predigte am folgenden Tage mit 
gefteigerter Jnbrunft und taufte 3 Befehrte. Er führte feine verfchiedenen Unternehmungen 
energifch teiter. Im Jahre 1833 wurde eine Verbefferung in der Organifation 
so Kirche getroffen, indem ein Triumvirat, beitebend aus Smith, Rigdon und Williams, an 
die Spibe trat; der Prophet aber war ganz entjchieden die Hauptperfon. Diefes Triumpirat 
wurde die „Erſte Präfidentichaft” (Hauptpräftibium) genannt. Im Jahre 1835 wurde ein 
zweiter wichtiger Schritt in der Entiwidelung der Hierarchie unternommen, die Begrün- 
dung der Körperfchaft der zwölf Apoftel. Einer von diefen war der fpäter berühmte 
55 Brigham Noung. Er war gegen Ende 1832 Mormone geworden und hatte dank feinem 
Scharfſinn und feiner Charakterjtärfe viel getban, um die Streitigkeiten zu unterbrüden, 
welche in der Gefellfhaft entitanden waren. Ihr Hauptgrund war die zunehmende Ber: 
worfenbeit des Propheten. Im Nabre 1837 twurden Orfon Hyde und H. C. Kimball 
als Nifftonare nach England gejchidt, wo fie mit merfwürdigem Erfolg arbeiteten, bejon- 
60 ders unter den Arbeiterklajfen in den Fabrik- und Handelsſtädten, Mancheiter, Liverpool, 


Mormonismns 471 


Leeds, Birminghan, Glasgow und im Minendiftritt von Süd-Wales. Nach dreijähriger 
Arbeit Tonnten fie 4019 Mormonen in England allein verzeichnen. Der Bericht für Juni 
1851 ergab eine Gejamtzahl von 30747 ın dem vereinigten Königreihe und erflärte 
ferner: „Innerhalb der lebten 14 Jahre find mehr als 50 000 in England getauft worden, 
von denen beinabe 17 000 nad) Zion auswanderten.” — Im Jahre 1833 ließ Smith einen 5 
Tempelbau in Kirtland beginnen; er wurde 1836 eingeweiht und koſtete 40000 Dollars. 
Sm Gehorfam gegen eine Offenbarung wurde 1836 eine Bank gegründet. Sie über: 
flutete das Land mit Banknoten, welche ſich als unficher erwieſen. Ungefähr am An- 
fange des Jahres 1838 ftellte fie die Zahlungen ein; nun wurde ein Gerichtsverfahren 
gegen den Propheten und andere wegen Schwindel eingeleitet. In diefem Augenblid 
jedoch reiften Smith und Rigdon wieder einer Offenbarung Toigenb nah Miſſouri ab. 
Nah der Begründung diejer Kolonie hatte Smith 1834 die Miſſouri-Heiligen befucht. 
Es war ihm damals gelungen, einige innere Uneinigfeiten zu beruhigen und die Organi:- 
jation weſentlich zu verbefjern. Seit jener Zeit jedoch hatten die Heiligen von feiten 
der „Ungläubigen” viel zu leiden. Sie hatten ſich mancher Vergeben ſchuldig gemacht, 
man beargwöhnte und klagte fie auch wegen Dinge an, die fie nicht begangen hatten. 
Infolge deflen waren fie aus Jackſon- und Clay-Counties vertrieben worden. Zum größten 
Teil hatten fie fih in Caldwell-County niedergelaflen. Nun machte ſich Smith an die 
Arbeit, um die inneren Unordnungen, welche er in der Kolonie fand, zu befeitigen. Er 
batte dabei ziemlich guten Erfolg. Aber andere und größere Schwierigkeiten entitanden. au 
Aus verjchiedenen Urfachen war die Feindfeligkeit der Nicht-Mormonen gegen die „Hei: 
ligen” immer heftiger geworden. Es kam zu ernten Streitigkeiten, welche fchließlich die 
Geftalt eined Bürgerkrieges annahmen. Nun murde die Staatsmiliz aufgeboten und der 
Prophet und Rigdon ing Gefängnis geworfen. Die Klage lautete auf Mord und andere 
Verbrechen. Es gelang ihnen aber auf dem Wege zum Berhör zu entlommen — wahr: 25 
ſcheinlich durch Beſtechung. 

Sie ritten nach Quincy, Illinois. Nach dieſem Staat waren ſchon vorher die 
meiſten Mormonen, ungefähr 15000, geflohen. Wiederum [?] kauften der Prophet 
und ſeine Begleiter große Landſtrecken, in Hancock-County und jenſeits des Miſſiſſippi in 
Jowa. Am öſtlichen Ufer des Stroms fingen fie an, eine Stadt zu bauen. Durch eine ww 

ffenbarung erhielt fie den Namen Nauvoo. Der Bau ging vorwärts mit wunderbarer 
Schnelligkeit. Smith brachte es zumege, daß die Staatliche Legislation ihm einen Frei: 
brief für die Stadt gewährte, der ungewöhnliche VBorrechte ſicherte. Sie wurde faſt ganz 
unabhängig von der Staatsaufliht. Fest organifierte der Prophet eine militärische 
Körperichaft unter dem Namen der „Nauvoo Legion”; er ernannte ſich felbit zu ihrem Be: 36 
ſehlshaber und nahm den Titel „General“ an, zugleih war er Kirchenpräfident und 
Bürgermeilter der Stadt. Am 6. April 1841 wurde der Grund zu einem neuen 
Tempel gelegt; am 1. Mai 1846 wurde er eingeweiht. Durch die Einwanderung euro: 
päifcher Bekehrter wurden Stadt und Kirche in diefen Jahren fehr gefräftig. Man 
ſchätzt die Zahl der fremden Belehrten, die fihb in und um Nauvoo herum niederließen «0 
in den Jahren 1840—43 auf 3758. In feiner Würde ala Prophet und militärifcher 
Befehlshaber begann Smith nun an Staats: und Bundespolitit Interefje zu nehmen. 
In dem Organ der Mormonen fündigte er ſich als Kanditaten für die Präſidentſchaft der 
Rereinigten Staaten an. Aber in demfelben Maße, in dem feine Macht zunahm, wuchs 
auch jeine Zügellofigkeit — denn es Steht außer Frage, daß er feiner Sinnlichkeit die 4* 
Bügel hatte fchießen laſſen. in Nauvoo waren feine Ausfchweifungen jtabtbefannt. Um 
die Empörung feiner Frau zu beruhigen, veranftaltete der Prophet im Jahre 1843 eine 
Offenbarung, welche ihm und anderen, wenn er es erlaubte, gejtattete, eine Mehrzahl von 
tbern zu haben. Dieje Offenbarung wurde Jahre lang geheim gebalten und nur 
—5 userwählten mitgeteilt. Erſt 1852 wurde die Lehre von der Polygamie durch vo 
drigham Young offen verfündigt. Der Verſuch der „Reorganized church“ (nicht 
vielehig), We bon dem Vorwurf zu reinigen, daß er der Verfafler des Schriftitüdes 
fei, fcheint mißlungen (vgl. Linn). Doch ift zuzugeben, daß Smith nicht in derjelben be: 
fimmten Weite Bolygamijt war, wie die fpäteren Mormonen — d. b. fo, daß er mehr 
ald ein richtig angetrautes Weib hatte. Die Folge waren neue Schwierigfeiten für die 66 
Gemeinde. Bon außen regte ſich die allgemeine ;Feindfeligfeit gegen die Mormonen von 
neuem und in der Stadt fand die Entrüftung über die polygamiitiihen und andern Ab- 
fihten Smith Ausdrud, befonders in dem „Expositor“, einer Zeitung, welche von einem 
Dr. Foſter herausgegeben tvurde. Auf Smiths Befehl wurde die Druderet des Expositor 
zeitört, und Dr. Foſter aus der Stadt getrieben. Der letztere veranlaßte einen Verhafts- co 


pa 
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pt 
or 


472 Mormonismus 


befehl gegen den Propheten, ſeinen Bruder Hyrum und 16 andere. Smith leiſtete Wider⸗ 
ſtand; nun beriefen die Grafſchaftsbeamten die Miliz und wandten ſich an den Gouverneur 
um Beiltand. Der letztere kam nad) Carthage, der Bezirkäftadt, und nachdem er die Miliz ver- 
pflichtet hatte, fich aller Gewaltthaten zu enthalten, eröffnete er Smith und den anderen, daß 

5 wenn fie ſich nicht freiwillig ftellten, fie mit Gewalt in Haft genommen würden. Der 
Prophet fügte fi, er und fein Bruder Hyrum murden in Carthage ind Gefängnis ger 
bracht (27. Juni 1844). Troß der der des Gouverneurs, der das Gefängni 
wachen ließ, brach in der folgenden Nacht ein Haufe von ungefähr 200 rohen Gefellen 
in das Gefängnis ein und erjchoß die beiden Gefangenen. 

10 Das tragische Ende des Propheten war in Wirklichkeit ein Glüd für die Sache der 
Mormonen, „es umgab den ermordeten Präfidenten mit dem Heiligenjchein des Mär: 
tyrertums“. — jedoch verurſachte ſein Tod große Verwirrung unter feinen An- 
hängern. Rigdon und mehrere andere ſtrebten nach ſeiner Nachfolge, aber die Wahl fiel 
auf Brigham Young (geb. in Vermont 1801). Obwohl urſprünglich nur ein einfacher 

15 en war er doch ein Mann von großen praktischen Fähigkeiten. Es gelang 
ihm Rigdon und einige andere Mißvergnügte auszufchließen. Zu denen, die ſich Young 
nicht untertvarfen, gehörte Smiths eigene Familie. Die Opponenten behaupteten, der 
Mantel des Propheten habe fich rechtmäßig auf feinen Sohn berabgelafien. Ohne als 
Gemeinde organifiert zu fein, beitand die Sppofition fort bi8 1860. In diefem Jahr 

20 reorganifierte fie auf einer Konferenz die Kirche; an die Spige trat der gleichnamige Sohn 
Sofeph Smiths. Er nimmt diefe Stellung noch jebt ein. Diefe „Neorganifierte Kirche“, 
die Teine Beziehung zu den Utah-Mormonen unterhält, ift von den amerikani Ge 
richtshöfen zweimal als die von dem Propheten gegründete anerlannt worden. Ihre Lehre 
ift frei von den Dogmen, welche unter Youngs Verwaltung angenommen wurden. Sie 

25 behauptet, die Polygamie ſei dem Geſetze Gottes zumider, und läugnet, daß die jo 
genannte Offenbarung von Smith ftamme. Mit ihrer „heibnifchen“ Umgebung bat fie 
nie Streit gehabt. Ihr Gentral:Bureau befindet fih in Bamoni, Koma. Obre Mitglieder: 
zahl — nur getaufte Gläubige merden gezählt — betrug im Januar 1903 ungefähr 
50000, davon etwa 7000 im Auslande (Kanada, Europa und Auftralien ꝛc.). Heuer: 

30 dings entfaltet fie eine eifrige propagandiftiiche Thätigfeit. 

Im Sahre 1845 widerrief die Legislation von Illinois den Freibrief der Stabt 
Nauvoo, und da die Feindichaft der Nichtmormonen nicht im geringiten nachgelafjen hatte, 
bejchloffen die „Heiligen“ auszumandern meit hinaus über die Grenzen der Civilifation. 
Im Sahre 1846 gingen die erften Auswanderer bis Council Bluffd, Soma, um dort die 

35 Nachrichten der vorausgefandten Kundfchafter zu erwarten. Der in Nauvoo zurüdgeblie 
bene Reſt wurde im September 1846 von den „Heiden“ gewaltſam vertrieben. Er folgte 
nun der vorausgegangenen Genoſſen nad) dem Welten. Die Auswanderung der Dr 
ligen” nad) Utah iſt ein wahrhaft wunderbares Stüd Geſchichte — der Mut, die Aus: 
dauer und die Begeifterung der Leute war einfach erſtaunlich. Doch ift für ihre Gefchichte 

40 bier nicht der Platz. Der von den Kundichaftern gewählte Ort für die Nieberlaffung 
war das große Salzfee-Baffin zwifchen den ur Bun und Nevada-Bergen. Brigham 
Young fam am 24. Juli 1847 dort an, und fofort wurde mit der Begründung der 
Salzfee-Stadt begonnen. Die Hauptmafje der Auswanderer traf im Herbſte des folgen: 
den Jahres ein, bis zu feinem Schluß zählte die Kolonie ungefähr 4000 Seelen. Viele 

45 andere famen fpäter noch aus den verfchiedenen Anfieblungen der Mormonen. 
einen „Emigrationsfond” zur Unterftügung der Zuzügler gegründet und fchidte Emmiſſäre 
aus um Auswanderer anzuloden, bald fing der Zuzug derfelben an, zumeiit aus Groß: 
Britannıen, Schweden und Norwegen und in geringerem Maße aus Deutfchland, der 
Schweiz und Frankreich, auch aus verjchiedenen Teilen der Wereinigten Staaten. Die 

so Auswanderung der Mormonen aus Europa in den Jahren 1848—51 belief fich auf 
6331 Seelen, und in den Jahren 1852—55 aus Groß-Britannien allein auf 9925. 

Die Gegend, in welcher fich die Mormonen niederließen, gehörte bis dahin zu Mexilo 
Im Jahre 1848 kam fie in den Beſitz der Vereinigten Staaten. Mit Rüdfiht darauf, 
daß die Bundesregierung nicht fofort die Herrſchaft in allen Teilen diejer entfernten Land: 

65 ichaften in die Hand nehmen konnte, errichteten die Mormonen 1849 eine Regierung, 
welche der Regierung in Wafbington als „proviforifch” vorgeftellt wurde. Es ift jedoch 
gewiß, daß fie hofften, einen unabbängigen Staat gründen zu können. Ihrem Staate 
gaben fie den Namen „Deferet“ und jtedten ibm fehr weite Grenzen. Der Flächenraum, 
den ſie beanfpruchten, fam der Hälfte Europas gleich. Alsbald wurde eine geſetz⸗ 

so gebende Verfanmlung gewählt, die eine Konjtitution ausarbeitete. Dieſe wurde in Wa—⸗ 


Mormenismnd 473 


ſhington mit der Bitte vorgelegt als Staat zugelajlen zu werden. Der —A ver⸗ 
weigerte jedoch die Anerkennung des neuen Staats und ignorierte den Namen Deſeret. 
Er organiſierte im. Jahre 1850 für die engere von den Mormonen bewohnte Gegend 
eine Territorialregierung unter den Bundesgejegen und gab dem neuen Territorium den 
Namen „Utah“. Der Präſident ernannte Brigham Young zum erften Gouverneur; auch 5 
Diftriktsrichter wurden von der Bundesregierung ernannt. Allein Youngs Taktik war fo 
aggreifiv, daß die Bundesbeamten bald gezwungen waren, fich zurüdzuziehen. Infolge 
diejer fühnen Herausforderung der Bundesregierung wurde Young jeiner Stellung ent: 
ſetzt, und der Kolonel Steptve zum Gouverneur ernannt. Der neue Statthalter kam, 
begleitet von einem Bataillon Soldaten, 1854 in Utah an. Aber der Widerftand, dem 10 
er begegnete, war fo ſtark, daß er nicht wagte jein Amt anzutreten. Im Jahre 1856 
mußten verfchiedene Diftriktzrichter der Bundesregierung ihr Amt niederlegen. Diefe That- 
ſachen beftimmten den Präfidenten Buchanan einen neuen Gouverneur für das Terri- 
torium zu ernennen. Derſelbe begab fih 1857 mit einer Streitmadht von 2500 Sol: 
daten nad Utah. Nun rief Moung die Heiligen zu den Waffen. Diefe mußten die 
Bundestruppen dadurch zu lähmen, daß fie ihnen die Zufuhr abfchnitten. Sie mußten 
fih in die Winterquartiere zurüdziehen. Dasfelbe Jahr mar geuoe der fchredlichiten Ge⸗ 
waltthat in der Gefchichte der Mormonen. Ein Haufen von Mormonen und Indianern, 
angejtachelt und geführt von dem Mormonenbifchof J. D. Lee, überfiel einen Zug von 
150 nidhtmormonifcher Auswanderer in Mountain Meadows in der Nähe von Utah und 20 
ost fie alle nieder. Erft nach einem Zeitraum von 20 Jahren konnte man Lee wegen 
dieſes Verbrechens vor Gericht ftellen; er wurde jet deshalb hingerichtet. Im Beginn bes 
Jahres 1858 fchidte der Präfivent den General Th. L. Kane aus Pennfylvanten nad) 
Utah, um mit Noung über eine friedliche Unterwerfung zu verhandeln. Kane hatte 
Erfolg, es wurde den Bunbestruppen die Errichtung eines Heinen Forts, 40 Meilen 25 
weitlih von Salt-Lafe-City zugeſtanden; fie wurden erſt 1860 aurüdgeaogen. Nach 
Beendigung des amerikaniſchen Bürgerkrieges wurde wieder ein Gouverneur ernannt. 
Jahre 1871 wurde vom Kongreß der Vereinigten Staaten die Polygamie als 
riminalverbrechen in allen Territorien erklärt. (Dabei darf nicht vergeſſen werden, daß 
die Staaten eigene Geſetze haben, wogegen die „Territorien“ in jeder Hinſicht unter 30 
ben Bundeögejegen ftehen; fein Staat bat jemals Polygamie erlaubt.) Nun wurde zwar 
vung wegen Polygamie verhaftet; aber das führte zu nichts. Überhaupt hatte die 
undesregierung bei ihren Bemühungen, die Polygamie zu unterbrüden, bis nach dem 
Tode dieſes merfwürdigen Defpoten einen Erfolg. Er ftarb 1877 und hintertich ein 
Bermögen von 2000000 Dollars. Es follte unter feine 17 Frauen und 56 Kinder 6 
verteilt werden. Er hatte im ganzen 25 Frauen. Nah dem Tode B. Youngs über: 
nahmen die zwölf Apoftel mit Kohn Taylor als Haupt die Leitung der Kirche. Doch 
war die „Hauptpräfidentichaft zu dreien” noch nicht wieder [?] organifiert, als am 10. Oft. 
1880 J. lor auf der Generalverfammlung ale Präfivent der Kirche zugelaflen wurde 
mit George D. Cannon und Sofeph F. Emith als erftem und zweitem Beirat Nach 40 
Taylor Tod 1887 hatten die zwölf Apoftel die oberſte Autorität bis 1889. Damals 
wurde Wilford Woodruff Präfident der Kirche. Als er 1898 ftarb, folgte ihm Lorenzo 
Snow. Sie alle waren erklärte Bolngamiften, Taylor und MWoodruff hatten in der 
früheren Zeit der mormonifchen Gefchichte in der europätfchen Miffton wichtige Dienfte 
geleifte. Der Nachfolger Snows, geit. 1901 ift of. %. Smith, ein Sohn des Märtyrer: 45 

i Hyrum Smiths, des Bruders des Propheten. 

Der Kongreß der Vereinigten Staaten hatte den Kampf gegen die Polygamie ſchon 
1862 aufgenommen. Damals ging das erſte ziemlich unangemeſſene Geſetz dagegen durch. 
Es war jedoch beinahe unmöglich, vor einem mormoniſchen Schwurgericht das Schuldig 
über einen Polygamiſten zu erreichen. Die Präſidenten empfahlen einer nad) dem andern so 
dem Kongreß ein energifcheres Cinjchreiten gegen die Mormonen: „Die VBolygamie fann 
nur dadurch unterdrüdt werden, daß der Sekte die politiiche Macht, welche fte ermutigt 
und aufrecht erhält, genommen wird” (Botichaft des Präſidenten Hayes [Dezember 1874)). 
Der erite wirklich ernite Schlag, der vom Kongreß gegen die Polygamie geführt wurde, 
war das „Edmunds⸗Law“ 1882, verbeſſert 1887 („Edmunde-Tuder:Lam”). In die Einzel: 56 
heiten einzugeben tft unnötig; es mag bemerkt werden, daß das Geſetz fo eingreifend zu 
wirken verfpradh, daß die Mormonen ihm den heftigften Widerftand entgegenjeßten. Die 
Stimmung, in der fie fich befanden, fieht man aus den folgenden Auszügen eines Briefe, 
den das Haupt ihrer Kirche an die Beamten und Mitglieder derjelben richtete, Oftober 
1885. „Der Krieg wird offen und unverhüllt gegen unfere Religion geführt. Ter Wider: eo 


- 
oO 


474 Mormonismns 


ftand dagegen muß auf jede Meife wachgerufen iverden. Nicht wir haben die binmlifche 
Ehe [die Rolygamie] entvedt. Wir können fie nicht zurüdnehmen, noch auf fie ichten. 
Gott offenbarte ſie, und er hat verſprochen, ſie aufrecht zu erhalten, und die zu ſegnen, 
welche fie anerkennen... Mer hätte angenommen, daß in dieſem Lande religiöſer Freihei 

5 irgend jemand fich vermefien würde feinem Mitmenschen zu fagen, er babe fein Recht zu 
thun, was er für notwendig hält, um der Verdbammnis zu entgehen?“ Die Strafein- 
ichreitungen gemäß dem Edmunde-Lam begannen im Jahre 1884, Berurteilungen megen 
Polygamie und ungefeglicher Beiwohnung (meiftens das letztere) zählte man 3 im Jahre 
1884, 39 1885, 112 1886, 214 1887 und 100 1888 (vgl. Linn 5.599). Zu den Be 

10 ftimmungen des Edmunds-Tucker-Geſetzes gehörte eine ſolche, die verfügte, daß den Berei- 
nigten Staaten zum Zwecke der Benutung für öffentliche Schulen gewiſſe Befigtümer von Kor- 
porationen, die unter Verlegung beſtehender Vorſchriften erworben werden, anbeimfallen, und 
eine andere, welche die Korporation für aufgelöft erklärte, die unter dem Namen „bie 
Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen der lebten Tage” befannt ift. Im Jahre 1890 fchienen 

15 noch ftrengere Maßregeln bevorzuftehen. Am 19. Mai beftätigte das Obergericht der 
Vereinigten Staaten das Urteil eines Untergerichtes, welches gewiſſe Beftgtümer ber Kirche der 
Mormonen einzog und dieje Kirchengemeinfchaft für eine organifierte Auflehnung erklärte. 
Nun erlannten die Führer der Mormonen, daß die Unteriverfung unvermeidlich fei. Dem⸗ 
gemäß erließ der Präfident Moodruff am 25. September 1890 eine Proflamation, 

»0 welche fein Volt von der Berpflihtung der Polpgamie entband und fchloß mie Diet 
„Und nun erkläre ich öffentlich, daß mein Nat für die Heiligen der legten Tage ift, ſich 
zu enthalten, eine Ehe zu fchließen, melde von dem Gefege des Landes verboten ift.” 
Diefe Kundgebung wurde von der Generalfonferenz der Kirche als bindend angenommen. 
Der „Rat“ iſt ziemlich allgemein befolgt worden, obgleich Beweife vorhanden find, daß 

25 die heimliche Ausübung der himmlifchen Ehe ſelbſt jegt noch nicht ungewöhnlich ift. 
Mormonen, die „ihre Religion leben“ (live their religion) — das ift der bezeichnende 
Ausdruck — werden noch ziemlich allgemein deswegen gelobt. Niemand, melcher den 
Mormonismus Tennt, fann annehmen, daß die Vielweiberei prinzipiell verworfen fei; fie 
ift einfach mit göttlicher Erlaubnis zeitweilig außer Gebraud. 

30 Die oft wiederholte Eingabe Utah um Zulaſſung als Staat der Union konnte 
nun endlich gewährt werden. Durch die im November 1895 angenommene Konftitution 
find polygamifche oder Vieleben für immer verboten. Am 4. Januar 1896 erließ ber 
Präfident Cleveland die Proklamation, welche die Zulaflung des Staates Utah verfün- 
digte. Im Jahre 1898 erwählte Utab Brigham H. Roberts, einen offenbaren Polyga- 

35 miften, zum Vertreter im Kongreß, aber das Haus verweigerte ihm den Sig. Die ge 
jeßgebende Verfammlung von Utah hat im Januar 1903 den Mormonenapoftel Smoot 
zum Senator der Vereinigten Staaten erwäblt; er ift der Polygamie nicht angeklagt. 

Vom wirtſchaftlichen Standpunkte aus betrachtet ift die Entividelung von Salt Yale 
City und Utah jehr bemerfenswert. Das Yand bat ein angenehmes und gejundes Klima, 

so und das Erdreich ift, wo die Bewäflerung durchgeführt it, fruchtbar. Auch ift Utah reich 
an Mineralſchätzen. Die Hauptſtadt iſt reinlih und anziehend. Die Heiligen haben in 
ihr zivei nicht gewöhnliche Gebäude errichtet, das Tabernakle (Bethaus) und den Temple. 
Der letztere iſt das koſtbarſte Gebäude für religiöfe Zwecke in Amerika. Für Erziehung 
und Bildung iſt nur ziemlich gut geſorgt. Freilich giebts ſelbſt eine „Univerſität“, aber 

45 fie ift mit den richtigen Socculen faum zu vergleichen. 

Tas foztale Leben ijt in vieler Hinficht der Achtung nicht unmert, obgleich die Lehre 
und Ausübung der Vielweiberei unberechenbaren Schaden verurfacht haben. Verderblich 
wirft auch die Moral einer Hierarchie, die Offenheit und Mahrhaftigfeit zu ſchätzen nicht 
wußte. Daß das Unternehmen in Utab großartigen Erfolg batte, verdankt es bauptfächlid 

5. dem ganz außerordentlichen organifatorischen Talent Brigbam Young. Er war en ım: 
umjchränfter Herr, der mit eijerner Rute regierte; aber feine Unterthbanen hingen merl- 
würdig an ibm. Er gebörte zweifellos in die erfte Reihe der mächtigen Perfönlichkeiten 
feiner Zeit. Obwohl rob und ungebildet, hatte er doch ungebeuere förperliche und geifti 
Energie und alle Fähigkeiten, ein großer Volksführer zu fein. Ihm noch mehr 

55 J. Smith verdankt das Mormonentum feinen Zufammenbang und feine Beharrlichkeit. Offen- 
barungen erbielt er, wenn er es nötig hatte, doch war er mehr Organifator, als Prophet. 
Auch feinen Nachfolgern fehlte es nicht an Talent. 

Die Mifftonsthätgfeit der Kirche, jtets eine wichtige Arbeit, ift in der jüngften Seit 
reger als jemals feit Beginn der fünfziger Sabre. Damals war die erfte Bela 

bo der Lehre von der Polygamie ein unerwartetes Hindernis für die Ausbreitung in Europa 


Mormonismns 475 


und Amerila. est, nachdem die Miffionare dieje Lehre nicht mehr zu lehren brauchen, 
fönnen fie mit verboppeltem Eifer vorgehen. Die Kirche fendet ungefähr 2000 Miffionare 
aus, indem fie alle zwei oder drei Jahre mit dem Perſonal wechſelt. Die Miffionare 

dern ftets in Kleinen Gruppen von zwei oder mehreren; bei ihrer Propaganda machen 
fie reichlich Gebrauch von Traktaten und anderen Schriften. Bei ihrem Vorgehen find fie 
ſehr Hug; feine der abftoßenden Geiten des Syſtems wird berührt. Dagegen werden in 
ihren Predigten zwei Dinge ſtets befonders hervorgehoben: Der beitridende Gedanke einer 
ununterbrochenen, befonderen Offenbarung und die Berheißung großer Vorrechte und Ehren 
im taufendjährigen Reich, das alles natürlih in höchſt finnliher Weife gedacht. An das 
Gewiſſen wird jo gut wie niemald appelliert. In allen an Utah angrenzenden Staaten ı 
und Territorien, beſonders in Idaho und Arizona haben die Mormonen feiten Fuß gefaßt; 
ihre politiihe Macht beginnt in allem fich fühlbar { machen. Einer ihrer Glaubens- 
artikel ift, daß ihre Kirche die Nation, ja endlich die ganze Welt beherrichen wird; 
das babe Gott jo verordnet. Doc; in Utah felbit hat die Ausbreitung der Mormonen⸗ 
lehre den geringiten Erfolg; ie fommen Nichtmormonen in fo großer Zahl, daß fie ıs 
die fogenannten Heiligen ziemlich gewiß bald an Zahl übertreffen werden. Die Übertritte 
aus dem Mormonigmus zu den evangelischen Kirchen — die hauptſächlichen find in 
Utah vertreten — find rtdauernd keineswegs unbedeutend, während die Mormonen 
Anbänger bei den Evangeliichen faum mehr gewinnen. 

In den Vereinigten Staaten wird gegenwärtig die Zahl der (getauften gläubigen) zu 
Mormonen (das Ergebnis der amtlichen Volkszählung vom Jahre 1900 ift noch nicht 
zu beichaffen) auf 300000 geſchätzt. Sie überfteigt diefe Ziffer jedenfalls beträchtlich. Die 
meiften wohnen in den Stales of Zion, fünfzig an der Zahl, die, abgejehen von denen 
in Utab, von Kanada bis Mexiko berjteut find. €3 mag bier bemerkt werben, daß die 
Stakes of Zion fo heißen im Unterfchieb von dem eigentlihen Zion, das für die Mor: 26 
monen immer noch Sadfon County, Miffouri, ift. Dorthin werden dereinft die Heiligen 
fih jammeln um fich für die Ankunft des Meſſias vorzubereiten. Bon den Mormonen lebt 
etwas mehr als die Hälfte in Utah. Die Mitgliederzahl außerhalb Amerifas betrug nach 
„Millennial Star” am 31. Dezember 1899 in Großbritannien 4588; Schweden und 
Norwegen 5438; Deutichland 1198 (jet 2000); die Schweiz 1078; Holland und Bel: zu 
gien 1556. 

Nachſtehend geben wir im Umriß ein Bild von den innern Zuftänden des Mormo- 
nismus der Gegenwart. 

Negierungsform. — Der Mormonismus ift eine reine Theofratie, gegründet auf 
das Prophetentum und vermittelt durch eine Hierardıie. 35 

In feinen Anfängen berrichte im mefentlichen das freie am robbetentum aber da man 
ertannte, welche Verwirrung entſtehen würde, wenn jeder Menſch fein eigener Prophet 
wäre, entwidelte man, um dem vorzubeugen, nad) und nad ein großes bierarchifches 
Syſtem; es wurde der ausſchließliche Wermittler des prophetiichen Worted und aller Gnabde. 

Das Prieftertum ift in zwei Hauptllaflen eingeteilt, in die Melchiſedek- und die 0 
Aaronpriefterfchaft. Jedes erwachſene männliche Mitglied hat, fofern es deſſen würdig 

den ift, irgend einen Plab in der einen oder andern PBriefterflaffe. Ungefähr einer 
von fünfen hat ein Amt oder irgend eine autoritative Stellung. Bon allen mirb erwartet, 
daß fie predigen oder ſonſt dem Evangelium dienen, ohne Bezahlung — die Kirche trägt 
nur bie notwendigen Ausgaben - - zu Haus oder draußen, wenn fie dazu berufen werden. 45 
Die Melchiſedelprieſterſchaft hat die geiftlihen, die Aaronpriefterjchaft die weltlichen An- 

mr AR. führen, doch befigt die erftere auch in den weltlichen Angelegenheiten die 
ri pn. 

Die Grade der Melchifedekprieiterfchaft find folgende: a) Das „Hauptpräfidium“ 
„Ihe council of the First Presidency“, aus drei Männern beftehend, durch Amt und sw 
Anſehen Petrus, Jakobus und Yobannes gleichitebend. Ciner von dieſen ift primus 
inter pares und Kirchenpräfident, die andern find feine Räte. Er wird in einer General: 
verfammlung gewählt. Er hat unumſchränkte Gewalt. Seine Räte können ihm bei Be: 
tatungen egen fein, jedoch nie bei endgiltigen Entſcheidungen. Für die ganze Kirche 
ift er „Prophet, Seher und Offenbarer”. Viele andere können an der prophetifchen Gabe 55 
tet ‚ doch nur in geringerer, untergeorbnieter Weiſe; unabhängige — geſchweige 
denn widerſprechende Weisjagungen - - tverden nicht geduldet. b) Die zwölf Apoftel oder 
außerordentlidhe Zeugen von Chrijti Namen in der ganzen Melt. In ihren Händen liegt 
befonderd die Einfegung aller andern Beamten und die Verwaltung der Saframente. 
Bern das Hauptpräfivium durch den Tod des Präfidenten aufgelöſt ift, jo leiten die co 


a 


oO 


il) Mormonismus 


1 pie div unbe bie zur Bildung eines neuen Hauptpräfibiuns. Die Glieder dieſer 
a Mate ſind ſamtlich Rropbeten: jedoch bat nur einer von ihnen, der Präſident, das 
tu yirkenbinunaen von bleibender Wichtiafeit zu empfangen, neue Lehren zu verfün: 
fan oder Agenzeme Ammerfunsen fur Die Fubrung und Yeitung der Kirche zu geben. 
w !anaade der „Quorums“ Nr Zichiis. Dies find Räte für Die verſchiedenen Kirchen⸗ 
Battaettv A Yamanien: 2 zo m Ne Rinde einen Sauptpatriardhen und eine Anzabl 
SNunde Yamtayıı ee Ssaurmz Tec wermdeen in Abweſenheit böberer Perjonen 
aiy Rente meter sub Ne Trüfidenten der verfchiedenen „stakes“ 
NN. AN Du om d Nirdn, era entiprechend einer Tiözefe 
ade m zer Seorduf uiammentallend — ift geleitet von 
wur Ro, wet eo ymeeoer Wan becidne ibn ul Statepräfidentichaft (Stake 
Dogg), .z rzeese Ne Aumzrräfibentichaft über Die zunze Kirche. Unmittelbar 
exeoisn feier I Suszretz >c den hoben Wat (High Council) des Stake bilden. 
Sa ya tn ind Du Smülböfe der Kirche. Ihre Emicheidungen find enbgiltig, 
ANNO RT UM \upmräfidiun revidiert merden. fi Alteften. Diefe haben 
Ma am Bidune Ne Saummeeltums, Taufen, Handauflegen für Die Gabe des beiligen 
weite Bu abamene Homen werden von der Generalverrammlung der ganzen 
endet aan ey Asronpriefterfchaft bat folgende Amter: a) Bifchöfe; fie baben 
Su ma ne % Drmmauna des Jebnten, Die Armenverjorgung x. Jeder „stake“ 
N vwr ta os Ir Beiböfen Steht ein Hauptbiſchof „general presiding bishop“. 
wene or Unterbeamten unterjtüßt. b) Prieſter. e) „Zebrer.” d) Dia⸗ 
on SS. Dart a Üflegen (wards) eingeteilt. Jeder Pflege präfidiert ein Biſchof 
8 8 Nm Din drei bilden eine Unterbebörde (common court), von beren 
N une Ne wort Nat appelliert werden kann. Die fchwerite Strafe — nad 
So ... . ann 8 nicht anders fein - - ijt die Erfommunilation. 
So cw stasie durchgeführte Urganifation ermöglicht die genaueite und wirf: 
en Miapken Noung erflärte, er habe das Recht alles vorzuſchreiben und zu 
u wei den zu ben Bändern, Die cine ‚rau tragen folle”. Jedes Unter: 
Attiene, Vildung von Niederlaflungen ꝛc. — erfolgt auf befonderen Befehl 
Snung. Go tft nur ein Zugeltindnis, Das ſich nicht vertverten läßt, 
ven einen Unterſchied zwiſchen Kirche und Staat zulafien. 
yes vad erbulten durch die Zehnten ihrer Mitglieder, außerdem burd be 
re ad Vpfer. Die Woblfabrtseinrichtungen der Kirche umfaſſen Unter: 
en entttagpfchulen, Bildungs: und religiöfe Vereinigungen. Die Unter: 
a Beiten bejonders den Armen und Kranken, fie baben über 30 000 ftändige 
rein titel, Die Deseret Sunday School Union zählt ungefähr 120000 
x Suter, Ein Mormonenjcriftiteller jagt: „Bon Anfang an baben die Mor: 
are Zelte, jondern als eine (Sejellichaft beftanden. Zie haben das fo: 
x wlutiofe Element der Urganifation vereint. Nett find fie eine neue foziale 
sa Welt und im fich ſelbſt ein einbeitliches Ganzes.” (Tullidge, Gefchichte von 
—WVBV Ru, INS). 
oe, Der erfte und beherrſchende Grundfag des Mormonismus tft der Lebrſah 
.. aanutisrbrochenen und fortjchreitenden Offenbarung. Sie ift myſtiſch-apokalyp⸗ 
du Hie Vorftellung einer hiſtor iſchen, perfünlichen Offenbarung feheint den 
aa zn abzugeben. Blindes Vertrauen in den Propheten, der an der Spike 
ni Uehl, iſt das Weſen des Mormonenglaubeng. 
tb in Der Natur der Sache, daß eine Lehre, die aus einem Prophetismus em⸗ 
vn bin anderes Geſetz, feine andere Grenze kennt, als die mancherlei praktiſchen 
“oh anb Intereſſen der Theokratie, feine innerliche Übereinftimmung baben fann. 
jan gasfelt Sind in der Diormonenlebre bemerkenswerte Veränderungen vorgenommen 
many künnen jederzeit eintreten. Sie iſt jo voll von Verwirrung und inneren 
Zin eſpeuchen, Daß niemand mit voller Gewißheit angeben Tann, was die Mormonen zu 
or gegebenen Zeit wirklich lehren und niemand weiß, was der nächſte Tag 
partie Tiefe vollkommene Ungewißbeit it Das einzig Gewille im Mormonismus. 
u bupintnge Vehauptung der Mormonen, der Kirche Bekenntnis, Glaube, Ziele und 
dt ſeien immer dieſelben geblieben, will mir ale eine Selbfttäufcbung erfcheinen. 
N. Wette Wort erfennen die Mormonen an die Bibel „joweit fie richtig überjeht 
A da Auch Mlormon und die Cffenbarungen, Die in „Doctrine and Covenants“ 
ed allen Keröffentlichungen entbalten find. Was die Bibel betrifft, fo bereitete 
wiſeyn Snith wine „verbeſſerte“ Überfegung vor; fie ift erit lange nach feinem Tode er: 


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Mormonismus 477 


Schienen. Der Text war, feinen Abfichten entfprechend, verändert, auch waren einige lange 
Blake gemacht. Dieje Freiheit dem Texte gegenüber rechtfertigen die Mormonen ganz 
olgerihtig mit dem Gedanken: der unfehlbar infpirierte Prophet ift im ftande „ebenfo 
gute” Schriften hervorzubringen, als je vorher gejchrieben waren. Streng genommen it 
die Bibel für die Mormonen feine Autorität. Das Mormonbuch, das in gejchichtlicher 5 
Hinſicht außerordentlich wichtig ift, enthält fehr wenige von den unterfcheivenden Lehren 
der Sekte. Das Hauptlehrbuch ift da8 Book of doctrine and covenants. Aud) die 
Pearl of Great Price wird zu den beiligen Büchern gerechnet. Im Sahre 1842 gab 
Joſeph Smith einen Turzen Abriß des Mormonenglaubens heraus. Hier ift die Lehre 
von der Dreieinigfeit anerlannt, dagegen geleugnet, daß mir für Adams Fall beitraft ı0 
werden. Die Erlöfung iſt durch Chriſti Sühnopfer allen Menjchen möglich, unter Be- 
dingung des Gehorfams gegen die Verordnungen des Evangeliumd. Dieſe find: Glaube, 
Buße, Taufe zur Vergebung der Eünden; die Handauflegung zum Empfang des heiligen 
Geiſtes. Die wahre Kirche muß diefelben Einrichtungen und diejelben geiftlichen Gaben 
baben, wie die apoftolifche Kirche; weiter wird gelehrt die Sammlung des Volles Jerael ı; 
und die Wiederheritellung der zehn Stämme. Zion wird irgendwo auf dem amerila- 
nifchen Feitlande gebaut werden und Chriftus wird in Perfon auf der Erde berrichen, 
die zu paradiefifcher Herrlichkeit erneuert werden wird. Alle Menjchen follen im 8 
religiöfer Freiheit fein; den Königen und allen Macıthabern ſoll Gehorfam und Chr: 
furdht eriwiefen werden; ein reines, ehrenhaftes, keuſches, moblthuendes Leben iſt eine 20 
beilige Pflicht. — Doc alles diefes giebt nur einen geringen Begriff davon, was 
der Mormonismus damald mar, um von feinen fpätern Ericheinungen ganz abzu- 
ſehen. Eo ift 3. B. feine Lehre von Gott ganz verfchieven von dem, was bie 
hriftliche Kirche lehrt. Die Mormonengottheit iſt cher nach buddhiſtiſchen Grundfägen 
gedacht. Daneben bat fih ein Syſtem von Anthropomorphismen entwidelt, dem 25 
eine ketzeriſche chriitliche Sekte je gleichgeflommen if. Die Mormonen lehren, daß 
nichts „erichaffen“, aber alles „erzeugt“ if. In mundi primordiis Deo foemina 
erat. Der höchſte Gott (der, einigen Quellen nad, in irgend einer Weile hervorgebracht 
ift durch die Unendlichkeit der fich ſelbſtbewegenden und intelligenten Materie) wohnt in 
dem mitteljten „Planeten Kolob“. Andere Götter find von ihm gezeugt. Alle haben 30 
Körper, Teile und Leidenfchaften, denn „der Menſch ift nach dem Bilde Gottes gefchaffen”. 
Eine Hauptbeihäftigung diefer Götter ift, Seelen hervorzubringen für die Körper, 
m diefer und anderen Welten gezeugt werden. Der Gefchlechtögedante zieht jich 
die ganze Mormonenvorftellung vom Weltall hindurch. Jede Welt hat ihren eigenen 
Gott; der Gott unferd Planeten ift der Adam der Genefis (die mar eine von Noungs 3 
bauptfächlichiten Offenbarungen), der allmählich zu feiner gegenwärtigen Herrlichkeit gelangt 
it. „Er ift der einzige Gott, mit dem mir zu thun haben.” Alle Götter befinden br 
in einer fortfchreitenden Ontteidelung. In die Reihe der Götter treten die Heiligen dur 
ihren Tod ein; anfänglich it ihr Rang ſehr niedrig, aber alle fchreiten fort, bis jeder 
den Adam-Gott an Herrlichkeit und Macht übertrifft. Unfer Gott ift dem Körper nad) so 
im Raume, aber durch feinen heiligen Geift allgegenmwärtig. Diefer it „der feinfte unter 
den materiellen Subſtanzen, er ijt weithin verbreitet durch den Weltenraum“. | 
Adams Fall war ein Segen: „Adam fiel, auf daß Menſchen werben.” Was die 
Bedingungen der Erlöfung betrifft, fo betrachten die Mormonen den „fettiererifchen Lehrſatz“ 
bon ber Rechtfertigung durch den Glauben als eine „verberbliche Lehre”. Gehorfan gegen 46 
bie Gebote und Unterordnung unter die Autorität, das ift die Hauptfache bein Glauben. 
Die Taufe, durch die die Sünden abgewaſchen werden, it zum Heile unbedingt not= 
wendig. Die Kindertaufe iſt ein „feierlicber Spott”; denn kleine Kinder haben feine 
Sün ln bereuen und jtehen nicht unter dem Fluche Adams (Bk. Mormon., Mo- 
Eine dunkle aber entjegliche Lehre von der „Blutfühne” — daß nämlih zur Er- 
löfung der unbeugſam Abgefallenen und ähnlicher das Vergießen ihres Blutes nötig ſei — 
— einſt von Brigham Young gelehrt, iſt aber glücklicherweiſe jetzt nicht mehr hervor: 
8 
Der Text der Offenbarung, welche die Vielweiberei billigt (datiert vom 12. Juli 56 
1843) ift ein ziemlich langes Schreiben und iſt betitelt: „Himmliſche Che, eine Offen: 
barung von der patriarchaliichen Einrichtung des Eheſtandes oder der Vielweiberei“. In 
den eriteren Jahren war die Vielwveiberet nur wenigen erlaubt, in fpäteren Jahren wurde 
gerühmt als wünſchenswert für alle, daher als relativ obligatorifch betrachtet. Die 
flichtung dazu iſt jet juspendiert. Es wurde gelehrt, daß diejenigen ganz bejondere w 


— 
— 


50 


478 Mormonismns Morone 


welche Bielweiberei treiben. de zufünftigen Welt wird ſich d 
Heiligen nach —— ſeiner eiber — richten. Unter — 


Ev. — 811V. | Welweih etrieben. Stets Mor: 
5 —* die An Bons * ie V E — age be. 
da fie Die ausfchlieht. er Präfident % 


erflären, bie er — hat, während ſolche, 2 ehe fein jene Emmoiligune sich 
ipso facto, in foro conscientiae nichtig fi 

tg Gebote und Gotteobienf. Die Taufe geſchieht nur —— —* 

10 tauchen unter acht Jahren kann getauft werden. Die Taufe für | 

. im Gebrauch, damit diejenigen, welche sn Taufe geftorben find, 

Wohlthaten ngen, wenn fie ber 56 der — im Habes 

on diefem 1 au a Bing großen Anza Abe gas * Pro ig ne 

madht worden N, bie see Auen n —— Taufe olg 





ee ER | 
Traub Sant: wird 
En u Da Ga San Se Be 


ag jtatt; und Waſſer werd 
gä net —— * ren — ſitzen. Die Mormonen haben 

20 wiſſe, ebeime Gebräuche, ähnlich den Myſterien d er Freimaurer und der Oddfellows die 

davon find die, weldye mit ber — * zuſamm die My⸗ 
—— des „Öründungsbauf “ (Endowment House). Wahrſcheinlich find dieſe Ge 
—— von weniger Bedeutung, als die Uneingeweihten Vu vorausjegen. 
oviel aber iſt von I fie, man läßt die Leute —* eidlich verpflichten, dem Propheten 

35 und der Hierarchie unbedingt und auf immer unterworfen zu fein. Jetzt werden alle 
geheimen Gebräuche im Tempel vollzogen. Kein — * hat Zutritt zum Tempel, 
dagegen ſteht der Zutritt zum Tabernakle jedermann frei. 

Der —— Gottesdienſt beſteht in Geſang, Gebet, Predigt, —— — — 
Abendmahls und zuweilen am durch den „Batric die An dem Taber: 

so nakle in Salzjee-City re er a; ang Sejonbers gut; . Öefang * von * 
ge —— fung_toerben &ieber gefüngen. 9 
gleitet. Auch von ganzen V mlung wer Meiſte 
digen zwei Perſonen in einem Gottesdienſte. Die —5— nd — bloße 
gewöhnlich ohne einen Text, eine eigentümliche Miſchung von Religiöfen und Belt 

36 . ae ift ber behandelnde Gegenjtand eine valide, Streitfrage 

es ba ſich um Die Anlage einer neuen Niederlaffung oder bie Anlage —* 
eines induftreffen Unternehmens. Es werden Berichte erteilt über Gefichte, über wunder: 
bare Heilungen ꝛc. Hin umd wieder werden die Leute ermahnt ihre Zehnten pünktlich 
In. u zahlen oder daß fie ibre Kühe micht frei umberlaufen laſſen und mebr. 

0 Wird über „Religion“ geiprochen, jo gefchieht das nur, um den Eifer ber Für Die 
Mormonenfache anzufeuern, nicht aber um den perjönlichen Glauben an den I ) 
Gott zu eriweden. Das Ganze bat einen erjtaunlich weltlichen U ‚ die Gemeinde 
zeigt wenig Ehrfurcht, im Gegenteil Leichtfertigfeit und Luſtigkeit. " alles entipricht 
augenjceinlich dem Endzweck. 

46 Ueberblidt man bas Ganze, fo muß man urteilen, daß der Mormonismus in wirt: 
ſchaftlicher Hinficht Großes geleiftet und im feiner jo ialen Organifation eine wunderbare 
Kraft entfaltet hat. Die Wirkung für das individuelle Leben ift nur zum Zeil beilfam 
geivefen: Fleiß und Bebarrlichteit wurben geübt, manche öffentliche Laſter zum 

ber auf der anderen Seite hat die Vielmeiberei dem Vollkscharakter tief ge und Die 

50 —— uung iſt derartig, daß Wahrheitsliebe, ar een Menfeher reundlichlei 

zaterlandsliebe und überhaupt ein tiefer moraliſcher ft als überflüſſig erſt 
as eine chriftliche Sekte fann der Mormonismus ſchwerlich betrachtet werden; 
erkennung Chriſti, dem Namen nach, will nicht viel ſagen. In der That erheben 
Mormonen den Anſpruch nicht ein Teil der biftorifhen. Risk Chriſti zu ſein. 
55 I. R. van Belt. 


Morone, Biovannı, Kardinal, geb. 1509, get. 1580. — Als von ihm ver: 
faßt bezm. herausgegeben erwähnt ride bei Scyelhorn, Amoenit. lit. XIT, &.558f.: „Oon- 
stitutiones Episcopatus Novarienais ad divinum cultum, curam animarum et vitam 
corum pertinentes“, item „Mutinensis Synodi Acta“ (val. Yabricius Bibl, graee. vol. XT, 



















Morone 479 


303) vom Jahre 1565; „Oratio in Concilio Tridentino habita“ (bei Labbé , Conc. tom. 
kıv. p. 15998q.; bei Harduin, Conc. t. X, p. 375); „Leges pro Concordia Genuensium; 
Epistolae plures ad Principes viros et alios* (finden fid) hier und da in verfh. Samnı- 
lungen); daß er „D. Hieronymi scripta ab Erasımo Roterod. edita erroribus castigavit“ hat 

ide jelber (vgl. ebd. S. 559) nicht fonftatieren fünnen — es beruht diefe Angabe wohl auf 

erweh3lung mit den Bemühungen der in Trient niedergefegten Kommilfion zur Revilion 
beziv. Ergänzung der fchon vorhandenen Berzeichnifie verbotener Bücher (vgl. Reuſch, Inder 
I, 320, 347 ff. „Erasmus im Inder”). Depeſchen Morones aus feinen Legationen in Deutich- 
land find zugänglich in beijhräntter Auswahl bei Lämmer, Monumenta Vaticana (Freiburg 
1861) cf. Index; die aus Worms bei Rante, D. Geſch. VI, 165—185; die der Legation von 
1541 bei Dittrih (JGG 1883; vollftändiger Abdrud in den „Nuntiaturberihten aus Deutſch— 
fand“ I. Abt. herausg. durch d. kgl. preuß. Snftitut in Rom 2c., Gotha 1892ff.) und zwar: 
Nuntiatur des Morone 1536—38, bearb. v. Friedensburg (2. Bd), deögl. 1539 (3. Bd); desgl. 
1540—42 (5. Bd, jteht nod) aus). — Zum Prozeh vgl. (Vergerio) Articuli contra Card. 
M. de Luteranismo accusatum et in carcerem conjectum ... 1558 (j. Hubert, Bergerios 15 
publizift. Thätigfeit (1893), ©. 309. Neudrud in: Schelhorn, Amoenit. lit. XII ©. 537 fl. 
durdy Yride; die im Verlauf des Prozefied eingereichte „Confessio“ u.a. giebt Cantu, Gli 
Eretici d’Italia Il, Disc. 28; die gejamten Prozehatten liegen, wie Rei. in 93 NS 8d VIII, 
©. 460 ff. nachgewieſen hat, egperpient vor in dem „Compendium Inquisitorum‘“ (abgedrudt 
im Arch. della Soc. Rom. dı Storia patria voll. III, durd) Gorvifieri); in Abſchrift hat 20 
Santü fie in Mailand eingefehen. Den Vorſitz M.s beim Trient. Konzil betr. f. die 
Ausführungen bei Sarpi und Pallavicini, Hist. Conc. Trid. passim ... — Allgem. Litt.: 
Zancelloti, Cronaca Modenese in: Monum. ... delle prov. Modenesi ..., Barma 1862 ff.) ; 
Fricke (bei Schelhorn, Amoen. ſ. o.) De Joanne Morone Card. ... Observatio, p. 537—586; 
Münch, Dentwürbigteiten ..., ©. 213; derſ., Verm. Schriften IT, 111; Tirabosdji, Storia 
della Lett. Ital., t. VII, p. I, 476ff. (Milano 1824); Dittrid, Gasparo Contarini (Braun®: 
berg), passim.; Friedensburg, Einleitung zum 2. Bde der Nuntiaturberr. aus Deutichland, 
I. Abt. (Gotha 1892), ©. 7 ff.; Eantü, Eretici, f. o.; derf., Il Card. Giov. Morone in Memorie 
dell’Ist. Lombardo 1866; GSclopis, Le Card. Morone in Compte-Rendu de l’Acad. des 
Sciences morales .. ., Barig 1869/70 (XC, XCI); Bernabei, Vita del Card. Giov. Morone, 3% 
Modena 1885. — Briefe von Cochläus und Ed an Morone aus der Zeit feiner Nuntiaturen 
in Deutichland Hat Friedensburg in der ZAG, Bd XVI—XX veröffentliht unter den „Bei: 
trägen 3. Briefw. d. katholiſchen Gelehrten ...“ Einen an Contarini, defien Bita von Becca: 
ei dene pie Kard. Poles Briefwechſel (ed. Quirini) zu vergleichen iſt, druckt Selopis a. a. O. 
„S. 35 


Geboren am 25. Januar 1509 in Mailand verlebte Giovanni Morone die Jahre 
ber Kindheit in Modena, ſtudierte Rechtswiſſenſchaft in Padua, trat aber alsbald in die 
firchliche Laufbahn, in der ihn Papſt Clemens XII. ſchon 1529 durch die Übertragung 
des Bistums Modena für die Dienite belohnte, welche fein Vater Girolamo fich um die 
a an von Kaifer und Papſt erworben hatte. Freilid‘ wurde ihm das Bistum go 

den Mailänder Erzbiſchof Ippolito von Eſte ftreitig gemacht auf Grund angeblich 
früher erhaltener Zuficherung, und erjt 1532 wurde ein Abkommen getroffen dahin 
gehend, daß Sppolito eine jährliche Zahlung von 400 Dukaten aus den Einkünften er- 
bielt, worauf denn Morone im gleichen Jahre fein Bistum antrat. Schon 1529 ſoll er 
im Auftrage Clemens’ VII. eine diplomatifhe Miffion nach Frankreich erhalten und aus: 
geführt haben. Kaum war Paul III. auf den päpftlichen Stuhl geitiegen, als er den 
jungen Biihof 1535 zuerit an den Herzog Sforza von Mailand jandte, dann im folgen: 
den „Jahre ihm die wichtige Nuntiatiur übertrug, welche bis dahin Vergerio in Deutfch- 
land bekleidet hatte. Morone war anfänglich zur Übernahme des jchwierigen Voftens 
nicht geneigt; jedoch erfchien er im Oktober in Rom beim Papſt, um jeine Abfertigung 
entgegen zu nehmen. Als Hauptgegenitand feiner Aufgabe diesſeits der Alpen erſcheint 
in der Inſtruktion (gebrudt bei Naynaldus ad a. 1537, $ 6, 7) die bei König Ferdinand 
te in Ungarn und Böhmen zu betreibende Angelegenheit des Konzils, wie es auf das 
Igende Jahr nach Mantua angefagt war; u. a. foll er durch Ferdinands Vermittelung 
bom Kaiſer freies Geleit für die Befucher der VBerfammlung (auch die Proteſtanten je 
nad Bedarf) erwirken, etwaigen Widerjpruch gegen die Wahl des italienischen Drtes be: 
ſchwichtigen, dann aber auch über alle Vorkommniſſe in Deutichland, die mit feinem Auf: 
trage in Beziehung Steben, berichten. In der Konzilsfrage lag ſchon eine Denkſchrift des 
Wiener Bifhofe Johann Faber vor (Praeparatoria futuri univers. ... Coneili, 
gerudt bei Raynald ad a. 1536 $ 37). Eine Begutachtung derfelben durch Alexander go 
(ebenfalls bei Raynaldus gedrudt, $ 38), ließ man M. zugeben, und dieſer wurde beauf- 
tragt, ſich mit Faber ins Einvernehmen zu jegen. Außerdem wurde ihm nicht nur die 
üblichen Breven mitgegeben für den König, die Königin u. a., ſondern auch die gewöhn— 


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lichen Vorſchriften erteilt, wie er ſich auf der Reiſe zu verhalten habe in allen äußeren 
Dingen, mit welchen Leuten er zu verkehren habe u. ſ. w. Ende November gelangte M. 
nach Wien; von da ab bis zum Schluß der Nuntiatur begleitet er den Hof nach —2* 
Zap, Steiermarl, Krems, Prag, Schlefien, Mähren, Dresden zu Herzog Georg von 
> Sachſen, Linz, von wo ihm im September 1538 auf feinen dringenden Wunſch die Rüd- 
kehr geitattet wurde. M. hatte fchon in den erſten Wochen jchwere Enttäufchungen e: 
lebt, da fein Einfluß gering war und blieb, obwohl cr perfünlich Anfehen genoß; dazu 
famen peluniäre Verlegenheiten, von denen mehrere dringlihe Schreiben reden. Als im 
Herbit 1537 fein Bruder ftarb, der dag zerrüttete väterliche Vermögen verwaltete, bat er 
um Erlaubnis zurüdzulehren, aber er hat noch ein Jahr warten müflen, bis er „Urlaub“ 
erhielt. An feine Stelle trat Fabio Mignaneli. Wenn M. mit dem Grfolge jeiner 
Miſſion weniger zufrieden war, jo werden wir doch von jeinen Berichten mit großem 
Intereſſe Kenntnis nehmen, da fie inftruftive Schlaglidhter auf Perſonen und Verhält⸗ 
nifje werfen, ihn auch felbft als einen vorfichtigen Beurtetler von klarem Blid und diplo- 
15 matifcher Gewandtheit zeigen — übrigens durch eine angenehme Beſcheidenheit ſich auch 
vorteilhaft von denen feines mittelbaren Vorgängers Alcander abheben. Die reichlichen 
Ausführuugen Friedensburgs in der „Einleitung“ zu Bd 2 (S. 1856) geben da ein 
deutliches Bild. Von Belang für die Beurteilung des Nuntius M. ijt ein Brief an 
Sadoleto (ſ. d. A.), deſſen Mitteilung Ref. der Freundlichkeit Prof. Friedensburgs ver- 
» danft, undatiert, aber aus dem lebten jahre diefer eriten deutfchen Legation herrührend. 
M. fpricht fich darın über das befannte, im CR (19. Juni 1537) gedrudte entgegen- 
fommende Schreiben Saboletos an Melanchthon aus, an welchem die Eiferer großen 
ſtoß genommen hatten. „Sie meinen”, fagt M., „unfere Religion beftehe darın, daß wir 
die Zutberaner baflen und dies durch Beleidigungen und immer neue Streitfchriften be 
25 weifen ...“. Saboleto folle fie reden laffen und ihnen durch Schweigen antivorten ... 
Er fer überzeugt, daß man vielleicht jet eine minder ſchwere Arbeit der Wiedereinigung 
der Slirche haben würde, wenn von Anfang an in milder Weife mit jenen verfabren 
worden wäre... 
Man Stand damals furz vor dem lebten umfafjenden Berfuch einer friedlichen Aus 
so gleichung. M. kehrte im Juli 1539 in feine Nuntiatur zurüd. Sofort berichtet er: der 
Vizekanzler Held hat offenbar im Auftrage des Kaifers einen Plan vorgelegt, daß Ge 
lehrte bei den Religionsparteien mit Vertretern des Papſtes, des Kaifers, des römiſchen 
und des franzöfiichen Könige zufammentreten follen, um die Konlordia vorzubereiten 
(Nuntiaturberihte IV [1893] ©. 127; auch bei Yämmer, Mon. Vatic. p. 242 ff.). Bor: 
36 läufig legte man in Rom diejes Projekt beifeite.e Aber dasfelbe gewann body fchlieklich 
Gejtalt und veranlaßte 1540 M.s Anweſenheit in Speier (bezw. Hagenau) beim Religions: 
gefpräch und dann in Morms, wo ein nennenswertes Refultat nicht erzielt wurde. Um jo 
dringlicher machte fich der Wunfch des Kaiferd geltend, g" gleihem Zweck einen befonderen 
Legaten — und zwar den Kardinal Gontarini (f. d. A. Bd IV ©. 278, 10) — für den 
40 bevorftehenden Reichstag zu erhalten, und es entſprach auch der Fürfpradde und dem 
aufrichtigen Wunſche N als jener im Januar 1541 für Negensburg beitimmt wurde 
(vgl. Dittrich, Contarini S. 547). Da M. von Rom aus angemwiefen wurde, am Hofe 
weiterhin die päpftlichen Intereſſen zu vertreten, jo beginnt nun (mit dem Januar 1541) 
der dritte und wichtigite Teil feiner deutſchen Nuntiatur, über den vorläufig nur vor: 
35 liegt, was Schulge (386 III), Yämmer (Mon. Vat.), Tittrih (H36 IV) u. a. ver 
öffentlicht haben, twährend die „Nuntiaturberichte” noch nicht bis zu diefer Periode g 
find. Ueber das Regensburger Gefpräh vgl. d. U. und die Ausführungen Dittri 
(HNO IV, 399 f.). Eine maßgebende Rolle bat M. dort nicht gefpielt. Trotzdem haben 
die Eiferer in der Kurie ſpäter mit Contarint auch ihn zu fompromittieren * bemüht. 
so Während M. noch in Deutjchland war — er folgte dem Hofe nad) Speier — wurde 
er Kardinal 1542. 

M. kehrte im Kaufe des Jahres 1542 nad Modena in feinen Bifchofsftg zurüd, um 
endlich dort Nefivenz zu halten, nachdem ihn die diplomatischen Verhandlungen jahrelang 
fern gehalten batten. Er fand dort Kenereien, deren Spuren fich fchon feit 1537 sage! 

65 hatten (vgl. Benrath, Die Summa der bl. Schrift [1880], ©. IVf.), in Hichem 
fichgreifen.. Der Chroniſt Yancelotti (vgl. Cronaca Modenese ad a. 1543) giebt bie 
Namen der bervorragenditen Mitglieder der „Akademie der Grillenzoni”, in deren Schoße 
eine freiere Stellung zu firchlihen Lehren und Bräucen bervortrat: neben jenen ber 
Grieche Francesco da Porto aus Candia, Filippo Valentino, der Arzt Machella u. a. 

co Der Kardinal Gontarini fchrieb auf Wunsch Morones ein Glaubensbelenntnis in Kate 


Morone Morus, Sam. Friedr. Nath. 481 


hismusforn (41 Fragen und Antivorten ; vgl. Dittrich, Contarini ©. 807 ff.), welches 
von den Bürgern der Stadt unterzeichnet iverden ſollte. Zugleih mahnte (11. Juni 
1502) Sabdoleto in einem Schreiben an Ludovico Gajtelvetro (dieſes und die ausweichende 
Antwort bei Dittrich, Regeſten Contarinis [1881], S. 389— 391) diefen und die Aka— 
demiler, von Neuerungen a zutallen, während Baul III. unter dem 23. Juni den Kardinal 5 
zum Borgeben dagegen direlt beauftragte. Weiteres |. b. Dittrich, Regeſten Contarinig, 
S.391—399 und bei Cantü, Eretici, II, 198. Nach längeren Berhandlungen zwiſchen 
M. und den Akademikern wurden die Artikel unterfchrieben. Modena blieb vorläufig 
von weiterem Vorgehen verfchont; 1556 aber ordnete Paul IV. eine neue Durchſuchung 
der Stadt nad Ketzern an: da werden ber Dompropft Bonifazio Balentio und ber 10 
Buchhändler Gadaldıno nad) Rom abgeführt, Filippo Valentino und Gajtelvetro ent: 
famen; der letztere hat noch MWechfelfälle mit der Inquifition gehabt, bis er in das Grau— 
bündener Land floh, wo er auch 1571 geitorben iſt. Wie nabe M. felbjt den reforma- 
torifchen Grundgedanken von der Rechtfertigung durch den Glauben ftand, zeigt feine 
Hochſchätzung des „Benefizio di Cristo“, welches er auf feine Kojten verbreitete (vgl. 15 
Art. 18 bei ride in Schelhorns Amoenit. XII, p. 576); von feinen Gegnern wurde 
es aus den mäßigenden Einfluß, den er in der kirchlichen Frage übte, gefolgert. 

Noch ehe das Jahr 1542 zu Ende ging, fandte Paul III. M. nad Trient zu dem 
angelagten Konzil, das doch erſt 1545 begann — jodann abermals zu Karl V., endlich nad 
Bologna zur Übernahme der Legatenitelle, die feit Contarinis Tode unbeſetzt war. Gleich- 20 
zeitig vertauſchte M. fein Bistum Modena gegen Novara. 1549 ftarb Paul III. Bei 
den ſich rafch folgenden Konklaven, aus welchen Marcellus II. und Julius III. hervor: 
gingen, wirkte M. mit. Der lebtere jandte ihn abermals über die Alpen, um ſich bei 
dem Augsburger Reichstage 1555 einzufinden — die Nachricht vom Tode des Papftes rief 
ihn nah Rom zurüd. Und nun fam der fanatiiche Paul IV. auf den Thron, der noch 
ein altes Konto mit M. wegen der Modenefer Keberei zu begleichen hatte: ihn nebjt 
mei anderen Bilchöfen, nämlich Sanfelice von Ya Cava und Foscarari von Modena (ſ. d. A. 

d VI,134) ließ er einkerkern und Pole (f. d. X.) unter Prozeß ſetzen. Aus den Alten des 
‚Brogeiles gegen M., der am 12. Juni 1557 mit feiner Einferferung im Kajtel St. Angelo 
in Rom begann und der ihn bis zum Tode des Papſtes dort fejthielt, hat Cantü fo= so 
wohl im den Eretici d’Italia (II) als in der fpeziellen Daritellung Il Card. Giov. 
M., Commentario (Rendic. |Memorie] dell’ Istituto Lombardo 1866) reichlich ge— 
Ihöpft und Mitteilungen gemadt. Die 20 Artilel der Anklage gegen M. find ſchon 
1558 durch Vergerio mit „Scholien” veröffentlicht worden (Hubert, Vergerios publicift. 
Thät. ©. 309, n. 128); danach haben Wolf (Leet. memor. II, 655ff.) und Fricke 35 
(a. a. O. ©. 568, doch ohne die „Scholien“) u. a. fie gebrudt. Pius IV., an deſſen 
Wahl M. teilgenommen hatte, erflärte ihn unjchuldig und annullierte den Prozeß (Die 
Erklärung bei Gantü, II, S. 190 ff). Er ging foweit im Gegenjat zu feinem %or- 
gänger, daß er ihn zum Konzilslegaten und 1563 jogar zu einem der Vorfigenden des 

tenter Konzild emannte (über |. Thätigfeit dort vgl. A. „Trienter Konzil”). Noch so 
börte die Verwendung des erfahrenen Diplomaten nicht auf: Gregor XIII. fandte ihn 
nach) Genua, dann 1576 nochmals nach Regensburg zu Marimiltan II, beidemale in 
ſehr verwidelten Angelegenheiten, über deren Thatbeitand, Bedeutung und Grledigung 
man Sclopi® a. a. O. XCI (SE. 55— 73) vergleihen möge. Längſt zum Delan des 
Kardinalskollegiums ernannt, brachte M. die legten Jahre in Rom zu. Am 1. Dezember as 
1580 ftarb er — in der Stiche Sta.Maria sopra Minerva errichteten feine Neffen ihm 
ein beicheidenes Grabmal. Benrath. 


Mortuarium |. d. U. Abgaben BIS. 95,7 ff. 


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Morns, Samuel Friedrich Natbanael, angefebener ſächſiſcher Vhilolog und 
Theolog aus der Schule Erneitis, get. 1792. — Quellen: Morus’ Selbftbiographie in 50 
Beyer? Magazin für Prediger, Bd5, St.2; Tan. Bed, Recitatio de Moro, summo theo- 
fe 1792, Boigt, ©. Fr. N. Morus, ein Beitrag zur Charakteriftit des unſterb— 
fi annes, Leipzig 1792; %.N. Martyni Zaguna, Elegia ad manes Mori; J. ©. Chr. 
Höpfner, Lieber das Leben und die Verdienfte des verewigten Morus, Leipzig 1793; Weihe, 
Rufeum für ſächſiſche Geſchichte, Bdl, S. 26ff.; Schlihtegroll, Netrolog der Deutichen 1792, 65 
1, S. 304 ff.; G. Lechler in der AdB 22, Leipzig 1885, ©. 342—344; S—r in Biographie 
universelle (Michaud) ancienne et moderne, Nouvelle edition, Tome XXIX, Raris 
p. 3832—383; J. D. Schulze, Abriß einer Gefhichte der Leipziger Univerfität im Laufe des 
18. Jahrhunderts nebſt Rückblicken auf die früheren Zeiten, Leipzig 1802, S. 11. 12. 20. 25. 

Reals@nchklopädle für Theologie und Stirhe. 3. A. XIII. 331 


482 Morns, Sam. Friedr. Nath. 


44. 53. 243. 350. 375; J. Chr. Dolz, D. Johann Georg Rofenmüllers Yeben und Wirken, 
Leipzig 1816, S. 25; Burſian, Geſchichte der Philologie in Deutſchland von den Anfängen bis 
zur Gegenwart, Münden u. Yeipzig 1883, ©. 419. 425; F. A. Edftein, Lateinifher u. griedi: 
iher Unterridt. Mit einem Vorwort von W. Schrader. Herausgegeben von H. Heyden, 

5 Leipzig 1887, S. 111; W. Gaß, Geſchichte der proteftantiichen Dogmatik in ihrem Zuſammen⸗ 
bange mit der Theologie iiberhaupt, Berlin 1862, Bd 4, ©. 128ff.; Dorner, Geſchichte der 
proteftantifhen Theologie in Deutfchland, ©. 701; Fr. Blandmeijter, Sächſiſche Kirchengeichichte, 
Dresden 1899, ©. 339; Goethes ſämtliche Werte. VBolftändige Ausgabe in 44 Bänden. Mit 
Einleitung von Ludwig Geiger, 22. Bd, Yeipzig, Seile, ©. 22. 33. 34; THRE Bd VII®, 

10 ©. 738, 3.20; Bd X?, ©. 196, 3. 47; Bd XII?, S. 534. — Seine zahlreiden philolo 
He und theologifhen Schriften finden ſich vollftändig bei Meujel, Das gelehrte Deutichland, 
verzeichnet. 


Samuel Friedrich Nathanacl Morus twurde den 30. November 1736 zu Lauban in 
der Oberlaufig_ geboren. Bis zu feinem 19. Jahre bildete er ſich im elterlichen Haufe 
15 unter der jorgfältigften Yeitung feines Waters, des vierten Lehrers an Der lateintfchen 
Schule zu Yauban, zu einem gelehrten Berufe vor. Dann bezog er im Sabre 1754 die 
Univerfität Leipzig, un ſich nach den Beifpiel feines Vaters für den Schuldienft vorzu⸗ 
bereiten. Zu dem Ende hörte er mit großem Eifer theologische, philofophbifche und philo- 
logische Vorlefungen; von allen feinen Lehrern gewann jedoch bald Ernefti, der Refor: 
30 mator der Exegeſe, einen überwiegenden Cinfluß auf den talentvollen Jüngling. Denn 
das Prinzip der grammatifch-biftorifchen Methode der Auslegung der Bibel und die für 
die Anwendung diefer Methode unbedingt notwendige Forderung der Unabhängigteit der 
Eregeje von dem dogmatischen Syſtem — dieje beiden Grundgedanten Ermeftis, von 
denen die in der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnende Neugeftaltung der Theologie 
25 getragen wurde, eignete fih Morus vollftändig an. Damit hatte er aber eine Errungen: 
ſchaft für feine geijtige Entwidelung gewonnen, die ihn bei feinem religiöfen Sinn, bei 
feiner philologifchen Tüchtigfeit und bei feiner gründlichen biftorifchen, fprachlichen und 
philofophifchen Bildung befäbigte, einmal felbitftändig an dem Ausbau der wiflenfchaft- 
lihen Theologie mitzuarbeiten. Auch die Führungen feines äußeren Lebens wieſen ibn auf 
30 diefen Beruf. Nach abfolviertem Trienntum übernahm er nämlih für einige Zeit die 
Erziehung des fpäteren Magifterd Auftel, darauf die der Kinder des erſten Profeflors der 
Medizin Dr. Ludwig, in deſſen gaftlibem Haufe er auch Goethe fennen lernte, der 
fih feiner freundlih annahm. Ludwig ſowohl ald Ernefti, mit dem Morus fchon von 
feinen Studienjahren ber in innigen perjünlidyen Beziehungen ftand, ermunterten den 
36 Jüngling, der fi in dem bildenden Verkehr des Ludwigſchen Haufes immer vielver: 
Iprechender entwidelte, von einem Schulamt abzufehen und fih der akademiſchen Lehr: 
thätigleit zu widmen. Morus folgte diefen Nat und habilitierte fich, nachdem er 1760 
die Magifterwürde erlangt hatte, im Sabre 1761 bei der philofophifchen Fakultät. Er 
begann feine Thätigkeit damit, daß er lateinische und griechiiche Schriftſteller, namentlid 
40 den Longin, mit vielem Beifall erklärte. 1769 gab er deflen Schrift vom Erhabenen, 
1773 den Libellus animadversionum ad Longinum mit der vielgerühmten Ein 
leitung De variata sublimitatis notione in commentario Longiniano, 1766 dm 
Panegyrikus des Sokrates (3. Aufl. 1804), 1778 Xenophons ’Avydßaoıs Kvpiov, 118 
deflen Cyropädie, 1775 anonym bie Commentarii des Kaiſers Markus Antonımus, 1781 
40 Philos Liber de virtutibus, 1780 die Werke Julius Cäſars, 1776 die Vita J. J. 
Reiskii heraus. Ter von ihm vermehrte und verbeflerte Abdruck der Euripidesausgabe 
des Samuel Musgravius (Leipzig 1778—88) wurde von Daniel Bed vollendet. 
Die öffentliche Anerkennung feiner Yeiftungen hieß nicht lange auf ſich warten; 
1763 erbielt er eine Kollegiatur im Fürftenfollegium; 1768 wurde er außerordentlicer 
co Profeſſor, 1771 ordentlicher Profefjor der griechifhen und lateinifhen Sprache, 1780 
Ephorus der Stipendiaten. Von da an beichäftigte er fich eifrigft mit der Exegeſe des 
NIS und erklärte in fenen Vorlefungen alle Bücher desſelben außer der Apokalypfe, 
für deren kühne, bilderreihe Poefie dem mehr nüchternen Interpreten das Intereſſe und 
wohl auch das Verftändnis abgeben mochte. Auf Grund diefer theologischen Vorlefungen wurde 
655 Morus 1782 beim Tode feines Meifters Ernefti als deſſen anerkannt beiter Schüler als wierter 
ordentlicher Profeffor in die theologische Fakultät verfegt, in der er 1785 zur dritten md 
ſchon im folgenden Jahre zur zweiten Profeſſur aufrüdte 1774 u. 1785 befleidete er bei 
Rektorat, viermal das Dekanat der tbeologijchen Fakultät. Die Verleihung einer Praͤbende 
des Domſtiftes Meißen an Morus 1786 und feine im Jahre 1787 erfolgende Ernennung 
60 zum Mitglied des Konſiſtoriums fchloffen endlich die Neihe der öffentlichen Anertennungen, 
die dem um die Blüte des theologiſchen Studiums in Leipzig und um den Ruhm der 


Morns, Sam. Friede. Nath. Moschus 483 


ſächſiſchen Gelehrſamkeit hochverdienten Manne zu Teil wurden. Denn ſchon den 
11. November 1792, kurz vor Vollendung ſeines 56. Lebensjahres, ſtarb Morus, be— 
trauert von ſeinen Schülern und Kollegen, bis an ſein Ende trotz ſeines ſchwächlichen 
Körpers in ſeltenem Maße treu in ſeinem Berufe, ſein ganzes Leben hindurch aus— 
eichnet durch ungeſchminkte Frömmigkeit, Demut und Liebe zum Frieden. Wiewohl 5 
der fchlichte und beſcheidene Mann noch genaue Beitimmungen zur Vermeidung von Pom 
und Gepränge bei feiner Beerdigung getroffen hatte, zeigte fich doch eine allgemeine Teil- 
nahme, wie fe in Leipzig jeit Gellerts Leichenbegängnis nicht wieder hervorgetreten war. 
Harnptſachtic bat ſich Morus um die Exegeſe des NT verdient gemacht, indem er 
nicht bloß in feinen Borlefungen den Fußftapfen Erneitig folgte, fondern auch namentlid) 
die Theorie der Hermeneutik im Geifte feines Lehrers weiter bildete. Seine hierher ge: 
börenden Abhandlungen: De discrimine sensus et significationis in interpre- 
tando, Decausis, quibus nititur interpretatio allegoriarum und endlich De nexu 
significationum eiusdem verbi (in Mori Dissertat. Theol. et Philol. Vol. I, 
Lips. 1787, Vol. II, nah Morus Tode herausgegeben von Keil, Leipzig 1794) können ı5 
einen bleibenden Wert in Be nehmen, wenn auch feine Praelectiones über die 
meiften Bücher des NTs, nad feinem Tode von dankbaren Schülern aus Kollegienbeften 
herausgegeben, unter fich felbit von ungleichem Wert, jetzt nur noch für die Geſchichte 
der Wiſſenſchaft Bedeutung haben. Großes Anfehen genoß feine Überfegung des Hebräer- 
briefes. Gerade vermöge feiner exegetifchen Tüchtigkeit nahm Morug aber auch in der 20 
ef ematiſchen Theologie eine jelbititändige und nicht unbedeutende Stellung ein. 
an tann feiner Epitome Theologiae Christianae, einem weit verbreiteten dogmatiſchen 
Kompendium, das aus feinen Borlefungen hervorging und das zuerſt Leipzig 1789, in 
zweiter Auflage 1791 erfchien, immerhin Mangel an Konfequenz und ſyſtematiſcher Schärfe 
vorwerfen, das Verdienft bleibt ihr, daß fie von der Scholaftif der damaligen ortbodoren 2; 
Dogmatik frei ift, und dennoch den pofitiven Inhalt des chriftlichen Dogmas troß einzelner 
Abſchwächungen desfelben, namentlid) in der Verfühnungslehre, nicht neologiſch verflüc- 
tigt; denn fie madıt den Verſuch, rein den exegetifch ermittelten und am Konſenſus der 
Schrift geprüften Lehrinhalt der Bibel in foftematifcher Form darzuftellen, eine Arbeit, 
die um jo danfenswerter war, je ſchroffer ſich ſchon damals die alte Orthodorie und eine 30 
neue kritiſche, aber nur allzu An unbiftorifche Richtung zu fcheiden begannen, zu der in- 
defien nur ein fo gemiegter Ereget, wie Morus, fähig war, der eben aus Nejpeft vor 
den Refultaten der Exegeſe eine Mitteljtellung zwiſchen den ftreitenden Barteien einnahm. 
Auch Morus’ VBorlefungen über die hriftlihe Moral, in denen er ſich an Cruſius anjchloß, 
wurden von feinen Schülern gepriefen, wie auch feine Predigten gerühmt wurden. ss 
Eine Sammlung von diejen leßteren, die 1786 in Yeipzig gedrudt ift, zeigt, daß dieſes 
Lob nicht ungerechtfertigt ift; meiſt behandeln diefe Predigten in biblifcher Haltung der 
Gedanken und in erniter, fchlichter Sprache Fragen aus der Moral; ganz frei von einer 
gewiſſen nüchternen Trodenbeit ijt freilich feine derſelben; aber ein ſchönes Denkmal von 
Morus’ Pietät, das bier nicht unerwähnt bleiben foll, findet fih in diefer Sammlung, 40 
feine Leichenrede auf feinen Lehrer Ernefti, deſſen würdigſter Schüler unjer Morus war. 
Mangoldt T (Georg Müller). 


0 


Morus, Thomas f. am Ende des Wertes. 


Moschus. — Handfchriften: Cod. Venet. Marc. cl. II, 21 s. X; Cod. Paris. gr. 
916. 1596. Coisl. 257. 369 alle aus dem 11. Jahrhundert, Baris 1599. 1605 beide aus dem 45 
12. Jahrhundert. Die meiiten diefer Hij. find im Anfang verftümmelt: ein Zeugnis für ihre 
eifrige Benutzung. Ferner Venet. Nanian. 142. Florent. Laur. III, 4. Athos. Dion. 1-40. 
224. Xeropot. 277. Panteleem. 122. Chiliant. 10, die legteren alle jünger und, wie es fcheint, 
teilweife auf eine Quelle zurüdgehend. 

Ausgaben: Eine halbwegs brauchbare Ausgabe fehlt nod), obwohl jie_beidem Reichtum co 
an Sandfoiriften verhältnigmäßtg leicht herzujtellen wäre. Der griehiiche Text wurde zuerſt 
lüdenhaft gedrudt von Fronto du Duc (Ducaeus) im Auctarium biblioth. patrum II (Paris 
1624), p. 1057 sqq. (danach wiederholt in der Bibl. maxima, Paris. 1644. 1654, t. XIII). 
Ergänzungen zu diefem Drud lieferte %. 8. Cotelier, Ecclesiae Graecae Monumenta II 
(Baris 1681), p. 34180q. Aus diefen beiden Druden ijt der Abdrud beiMSG LXXXVII, 3, 65 
—— hergeſtellt, der vorläufig die einzig brauchbare Ausgabe bildet. Der Text wie 
ie litterariſche Kritik liegen noch völlig im Argen. Eine von Chr. C. Woog (Lips. 1758, 4°), 
nah einem Cod. Bodi. herausgegebene historiola de Synesio episcopo et Evagrio philo- 
sopho entfpricht c. 195 das Prat. spirit. 


vem 


484 Moschus 


Ueberſetzungen: Die alten italieniſchen, franzöſiſchen und lateiniſchen Ueberſetzungen 

ählt Fabricius-Harles, Biblioth. Graeca X, p. 126 (abgedrudt bei MSG LXXXVII, 3, 
2815/16) auf. Die ältefte gedrudte ift eine italienische, die 1479 in Bicenza erſchien. Sie 
it nach der von Ambrofius Camaldulenſis herrührenden lateinifcyen angefertigt, die zuerit 
bin den Vitae Sanctorum des Lipomanus (t. VII) gedrudt erjhien und die in mehrere 
Eammelwerte übergegangen ijt (fo in die Vitae patrum von H. Rosweyd, wo fie Buch X, 


einnimmt). 
Litteratur: Bibliographie bei U. Chevalier, REpertoire des sources histor. du Moyen-Age 
I, p- 12128q. Durd) die patriftiichen Werte ſchleppen ſich im mefentlichen diefelben Notizen fort. 
10 Vgl. G. J. Voſſius, De histor. Graec. II, p. 220. W. Cave, Histor. litter. I, 581sq. E. bu®in, 
Nouv. biblioth. XI, p. 5758q. R. Ceillier, Hist. gener. des auteurs eccle. XX VII, p. 610g. 
Hamberger, Zuverläff. Nachrichten III, ©. 469 ff. Yabriciuß-Harles, Bibl. Graeca X, 1242qgq. 
Barbenhewer, bei Weper-Welte KR VIII (1893), ©. 1942f. 9. Gelzer in d. H3 1889, ©. 3ff. 
und in f. Ausgabe Leontius’ v. Neapoliß Leben des hl. Johannes d. Barmderzigen S. XVIIL 
16 Ehrhardt, bei Krumbadyer, Byz. Litteraturgeidh.?, S. 187f. eine Vita jteht bei Ducäus, 
Auctarium II, p. 1054—1057. 


Der Name des Mannes war nad) dem übereinftimmenden Zeugnis der Hand- 
ichriften Johannes; er trägt in den Handſchriften meift noch den Titel 6 eüxpatäs „der 
Enthaltfame” (vgl. Cotelier, Ecel. Graec. Mon. II, p. 655B), oder er wird 6 

»o genannt. Photius (Bibl. c. 199; I, p. 162, 327. ed. Bekker) giebt ihm den Beinamen 
ö roũõ Mooxou „Sohn des Moschus”, woher man ibn dann berlömmlicher, aber un- 
‚richtigertveife Johannes Moschus oder auch wohl nur Moschus zu nennen pflegt. 
ein Leben beftgen wir nur jpärliche Notizen, die auch durch feine in m . 
chriften feinem Werke vorausgefchidte, bereits von Photius benußte, Biographie nicht 

a0 tvefentlich vermebrt werben. Über feinen Geburtsort wiſſen wir nichts. Photius erzählt 
von ibm (a. a. DO.) nad der Vita, daß er in dem Klofter des hl. Theodoſius (in Jeru⸗ 
ſalem) ale Mönch eingetreten fer; darauf habe er ſich unter den Einfieblern im Jordan⸗ 
thale aufgebalten, deren Be noch beute fichtbar find (Baedeker, Paläftına und 
Syrien®, ©. 154), dann jet er zu den Mönchen in dem neuen Klofter des großen Sabas 
so (nahe beim toten Deere, füpöftl. von Bethlehem) eingetreten. Hierauf babe er eine größere 
Meife unternommen, die ibn bis nach Agypten und zwar bis zu der großen Oaſe führte. 
Iſt eine Notiz in feinem Werke (ec. 112) zuverläffig, fo fand die eite nad) ten 
unter der Regierung des Kaiſers Tiberius II. (578—587) ftatt (&v rais doyais Tıße- 
or Tod Aactkkws xal UOTOTdTov xaloapos ünnAdouev eis Mlaoıv). Des Johannes 
ha enleiter war Sopbrontus, den er einen Sophiiten nennt (c. 69 rapeßdlouer Er 
llr&avdoeia Bo xal d xroıs Zwgoörıos 6 copıoıns no0 Tod Anordfacdaı adıör) 
und den man mit dem fpäteren Batriarchen von Jeruſalem (geit. 638 ſ. d. A.) zu 
identiſizieren pflegt, obwohl Pbotius nichts von dieſer Identität zu willen fcheint. Wie 
lange der Aufenthalt in Agypten gedauert bat, läßt fi) aus den Notizen, die Johannes 
ao. in feinem Werke (e. IE u. 8.) Darüber macht, nicht mehr berechnen. Nach der Bio 
yrapbie foll er Später nach Cypern und von da nad Nom gegangen fein, mo er um 619 
tarb. Diefe zweite Reife kennt auch Photius (da nv adıny alılav [d. b. um berühmte 
Aoleten kennen zu lernen] al vijoouç lorognodusvos &v 1jj noös mw Poaunv äd- 
nA, Exeloe Te Ta nagankıjora Öiegevvnoduevos xal —828 Seine iographie 

4 berichtet noch, daß feine Schüler feinen Leichnam in einem hölzernen Sarge nach Jeru⸗ 
ſalem gebracht und dert in dem Kloſter des bl. Theodofius beigefegt hätten. Den Wunſch 
ihres Meiſtero, feinen Yeichnam auf dem Sinat zu begraben, hätten fie wegen ber durch 
die Araber drobenden Gefabr nicht zur Ausführung bringen können. 

Sein Name tft berübmt durch eine Arbeit, die von ihm, wie feine Biographie andeutet, 

win Nom verfaßt worden tft. Sie führt in den Handfchriften den Titel Asımcor „Wiele‘. 
In der Borrede erläutert er den Titel jelbft in folgender Weile: „Daher babe ich auch 
diefe vorliegende Arbeit „Wieſe“ genannt, weil in ihr Frohſinn und Duft und 
erfcheint für die Leſer.“ Gewidmet ift das Buch einem gewiſſen Sophronius, wohl dem: 
jelben, der Johannes auf feiner Reife begleitete. Die Identifizierung dieſes — 

66 mit dem Patriarchen von Jeruſalem wird dadurch nabegelegt, daß Nicephorus iſthi 
(h. e. VIII, 41) und außer ibm noch andere (Johannes von Damaskus, pro imsg. 
I, p. 328; II, p. 344; III, p. 352 und das zweite nicänische Konzil von 787 [Labbe, 
Coneil. Coll. VII, 759 sq.] ſ. d. Stellen bei Yabricius-Harles, Bibl. Gr. X, p. 127 = 
MSG LXXXXI, 3, 2846 8q.) Eophronius von Serufalem zum Verfaſſer der Ehrift 

ww machen. Doc wird man nicht vergeffen dürfen, daß nad Photius der Name dei 
Adrefjaten und damit auch des Neifebegleiters nicht ficher überliefert war (xal 000- 


Moschus 485 


pavei Sovꝙvœoovic N Zwpporä, toñ olxeim nad; a. a. O. p. 162b 2) und daß 
eine Verwechſelung der Namen gerade in diefem alle außerordentlich nahe lag. 

Über die urfprüngliche Kompofition des Werkes zu Sprechen, Scheint eine unmögliche 
Aufgabe, folange noch fein Verſuch gemacht ift, die Widerfprüche und Rätſel der hand: 
ichriftlichen Überlieferung zu löfen. Wie die Schrift jetzt vorliegt, ift fie eine form= und 5 
zuſammenhangloſe Maſſe von Einzelerzäblungen. Daß ſich Johannes an ältere Duellen 
angelehnt hat, gebt aus der ganzen Art feiner Erzählung bervor und man müßte es 
auch ohne feine eigenen Andeutungen aus dem Charakter der Schrift fchließen. Er 
cittert aber c. 212 (p. 3104 C Migne) ſelbſt eine Schrift unter dem Titel Ilaodöeıoos, 
in der Väterfprüche fanden und c. 55 begegnet uns ein vielleicht damit identiſches Buß- 10 
Alov yepovundv. Das war wohl eine der Apophthegmenjammlungen, deren wir in den 
verjchtedenften Recenfionen noch eine ganze Anzahl befiten. Doc ift eine folche fchwerlich 
fein Borbild geweſen. Gemwährt die von GCotelier veröffentlichte Recenfton feines Werkes 
einen zuperläfligeren Einblid in die urfprüngliche Kompofition der Arbeit, ald die Form, 
die du Duc herausgegeben bat, jo hat Johannes ein Werk geben wollen etwa im Stil 15 
der Kollationen Caſſians (ſ. d. A. oben Bd III, 746ff.) oder der historia monachorum 
Aufins, indem er perjönliche Erlebniſſe mit berühmten Asketen oder von diejen erzählte 
erbauliche Gejchichten mitteilte. Die zahlreihen Geſchichten im Stile unferer Traktätchen- 
litteratur find wohl erjt fpäter in die Schrift eingefügt worden. Als Zweck der Schrift 
bezeichnet Photius, weſenilich in Übereinftinmung mit dem Prooemium, daß der Ber: 
Faller einen Beitrag zum asketiſchen Leben habe liefern wollen, indem er die Werfe ber: 
vorragender Männer und ihre nachahmungswürdigen Thaten bejchrieb (noös 79 doxn- 
tuenv Ta udhora ovvıelovv Eouı nolıelav ... ninv Öt Tov uerayeveoriowv 
ävöoaw Eoya re xal ngdkeıs dfıoönAwrovs dvaygdpa a. a. O. p. 162a, 20800.). 
In der von Gotelier benutten Handichrift waren die einzelnen Kapitel mit Überfchriften 
verſehen, die, wie es fcheint, eine gewiſſe fachliche Orbnung andeuten follten. Wahrfcheinlich iſt 
Dies das Urfprüngliche. Doch war es in der Natur derartiger Sammelwerke begründet, daß 
Wi eine ftrenge jachlihe Ordnung nicht durchführen ließ. Der Umfang der Schrift läßt 

jet nicht mehr bejtimmen. Photius kannte verfchievene Handjchriften verſchiedenen 
Umfangs ; die eine, die er durchlas und ercerpierte, enthielt 304 Abjchnitte (dimyrruara ; 30 
a. a. O. p. 162a, 23); andere enthielten 342, in denen einzelne Erzählungen in mehrere 
zerlegt, andere auch neu hinzugefügt morden waren. Über die Art der Darftellung 
macht Photius die nicht unbegründete Bemerkung, daß fein Stil im Verhältnis zu den 
älteren Darftellungen, deren er eine c. 198 beiprochen bat, vulgärer und ungebildeter ſei 
(eis TO taneıydteoov xal Auad£orepov Anoxilva a. a. O. p. 126 b, 680.). 85 

Gerade darum aber entbehrt diefe Anekdotenſammlung nicht des Intereſſes. Ein- 
mal fann man aus ihr die Verbreitung der Klöjter namentlih in Paläſtina aber aud) 
in den anderen von Johannes befuchten Gegenden vortrefflih Tennen lernen. Sodann 
führt er uns, ähnlich wie Palladius und die Apophtbegmen, in die Gnadenwelt jener 
Mönchskreiſe ein. Wunder, efftatiiche Viſionen u. ä. find dabei etwas alltägliche. Und 40 
jiwar geichehen ſolche Wunder und Zeichen, wie einer der Alten bemerkte, wegen der in 

Kirche auffprießenven Ketzereien und Spaltungen, damit die Schwachen geſtärkt und von dem 
Anſchluß an jene Ketzer bewahrt werden (c. 213 col. 3105). Auch jonjt hat Johannes 
vielfach bei feinen Darlegungen die Härelien feiner Zeit im Auge und darum iſt feine 
Schrift dogmengefhichtlic nicht unwichtig. Wie der Kultus geübt wurde und melde 45 
Borftellungen den Handlungen zu Grunde lagen oder mit ihnen verbunden wurden, 
fönnen wir aus ihm erjehen. So über die Taufe (ec. 3), Anapbora (25), Sonntagsfeier 
(e. 27), Kommunion (c. 29sq.) u. a. Die Kenntnis der politifchen Verhältniſſe jener 
Reit, Die durch die Einfälle der Perfer und Araber verurfachten Bewegung läßt fich eben: 
talls aus den Schilderungen des Johannes bereihern. Für die NRulturgefchichte, 3. B. 50 
die Gefchichte der Marienverehrung (ec. 45. 47. 81), Tann ebenfalld mancherlei aus den 
naiven, mit jichtlicher Freude an allem Wunderbaren vorgetragenen Erzählungen entnommen 
werd 


en 

Das Werk hat nicht bloß durch ſeinen Titel, ſondern auch durch ſeinen Inhalt die 
fpätere Litteratur befruchtet (vgl. über ſpätere Nachahmungen M. Hoferer, Joannis mo- 55 
nachi Liber de Miraculis Pr. Würzburg 1884, ©. 48ff.). Nur daß die ſpäteren 
Erzeugniffe meift weniger naiv, dafür um jo grobförniger ausgefallen find. In den 
Klöftern bat man Johannes offenbar nody lange gerne gelefen, wie die Handichriften aus⸗ 
weiten. Dabei mag dann manches Hiftörchen im Gefchmad der fpäteren eingefchoben 
und die Wieſe des Johannes um Kräuter und Pflanzen bereichert worden fein, die ein co 


8 


102 
a 


186 Moschns Mofe 


fünftlicheres und weniger anmutiges Parfum ausjtrömen, als die Gewächſe, die er ge 
pflanzt bat; und jene Wieſe von diefem Unkraut zu fäubern märe eine dankbare Auf: 
gabe für jemand, der die Gejchichte des orientalifchen Mönchtums vor dem großen 
Arabereinbrudy aufbellen wollte. Erwin Breufden. 


5 Mofe. — Siehe die Ritteratur zur Geſchichte Israels Bd IX, ©. 458 f. Außerdem 
Niemeyer, Charakteriftit der Bibel (IN. Halle 1775) III, 25 ff.; Bertholdt, De rebus a Mose 
in Aegypto gestis, Erl. 1795, ©. N. Schumann, Vita Mosis I, 1826; 3. 8. Friedreich, Zur 
Bibel, 1848, 19 ff. (zu den ägypt. Plagen), Stidel in THStKr 1850 ©. 328 ff. und Schleiden, 
Die Landenge von Sues 1858 zum Durchzug durchs Sciljmeer; €. H. Palmer, Der Schau⸗ 

10 plak der vierzigjährigen Wüftenwanderung Israels, deutfch 1876; H. Brugſch Bey, L’Exode 
et les Monuments Egyptiens 1875; E. Hoffmeijter, Moſes und Joſua, eine kriegshiſtoriſche 
Studie 1878; F. 3. Lauth, Moſes, der Ebräer 1868; derjelbe in ZUm® XXV, 142 ff. 1871; 
derjelbe, Mose Hosarsyphos 1879; derjelbe, Aus Agyptens Vorzeit, 1881; Ed. Naville, The 
Store City of Pithom and the Route of the Exodus 1885; derjelbe, Goshen 1887 ; derjelbe, 

15 The Route of the Exodus 1891. — Fr. Giefebrecht, Die Gefchichtlichkeit des Sinaibundes 
1900; J. W. Rothftein, Moſe ald Menfch und Prophet (Bilder aus der Geichichte des Alten 
Bundes I) 101. 

Weber die litterarifche Bedeutung Mofes fiehe die Litt. zum Pentateuh, 3. B. Driver, 
Einleitung in die Titteratur des UT, deutſch 1896, S. 164 ff. Ueber die theologiiche Bedeutung 
20 Moſes und des Moſaismus fiehe die Darftellungen der altteitament!. Theologie von Dehler, 
2 Schule, Smend, Dillmann (S. 101ff.), auch Klojtermann, Geſch. d. V. Zsrael 18% 
. 698. u.f.w. — Vgl. die Artt. Mofe in den biblifhen Wörterbüchern von Winer, Echentel, 
Riehm, Guthe u. a. Aur jüdifchen Auffaffung Moſes ſowie über die fpäteren Legenden von 
feiner Perſon fiehe Eifenmenger, Entdedtes Judentum (Königsberg 1711) I, 96255. II, 1078; 

25 J. Hamburger, Nealencytlopädie ded Judentums I, ©. 768 ff. Ueber pfeudepigraphifce 
Schriften unter Mofed Namen |. Kautzſch, Apotryphen und Pjeudepigraphen II, €. 311f.; 
Schürer, Geſch. des jüd. Volles? III, ©. 213 fr. 


Der Befreier Israels aus der ägyptiſchen Anechtichaft, auf melchen die Überlieferung 
sin timmig, die geiltige Geftaltung des israelitiſchen Volkstums zurüdführt, trägt in ber 
30 Bibel den Namen Möscheh (722), der Er2,10 als Erinnerungszeihen an feine wunder 
bare Errettung in frübelter Kindheit gefnüpft wird. Die ägyptiſche Königstochter legte 
dem Findelkind den Namen bei; denn fie ſprach: aus dem Wafler babe ich ihn gezogen 
(FTNWER) Diefe Deutung drüdt jedenfalld das aus, was das hebräifche Sprachbewußt⸗ 
fein aus dem an fich ägyptiichen Namen heraushörte, und es Tann bei einer folchen volle- 
35 tümlichen Interpretation eines Eigennamens nicht ftören, daß man nach derjelben jtatt 
der aftiven vielmehr die paffive Partizipialform erwarten müßte. Die nabeliegende aktive 
Deutung: der Herausziehende, Befreier, ift dagegen biblifch erft Jeſ 63, 11 bezeugt, wo 
es übrigens auch niht — 7”, fondern den Heraugzieher aus der Flut bezeichnet. Daß 
der Name nicht durchlichtiger it und in der ganzen Bibel von feinem andern getragen 
40 wird, macht feinen ägyptiſchen Urfprung mwahrfcheinlich, welcher auch durch Die bibliſche 
Erzählung gefordert wird. Won alters her beliebt war die Ableitung vom ägyptiſch⸗ 
foptischen mo (Waſſer) und udsche (gerettet) oder au von mou (Waſſer) und ahi 
(nehmen). Aus einer ſolchen Zufammenfegung entitanden dachten fi das Wort chen 
die LXX, melde deshalb konſtant Mwüons ſchreiben, ebenfo Joſephus, Ant. 2, 6, 9, 
s5 contra Ap. 1, 31, + (vgl. J. ©. Müller zu der Stelle ©. 202f.) und manche jpäter 
nach Jablonski (Opuse. I, 152 sqq.). Dagegen haben ſich alle neueren AÄgyptologen 
gegen eine ſolche Kompofition, wobei umgelehrte Wortftellung erforderlich märe (Zom® 
XXV, 141), erflärt und ſich dahin geeinigt, im hebr. Moscheh das ägyptiſche mes, mesu, 
Kind (nad Brugih Wörterbuh S. 698 allerdings eigentlich extractus, aber ex utero) 
so zu erkennen, das zwar gewöhnlich an Götternamen gehängt, Verfonennamen bildet, ; 2. 
Tautmes, bei den (riechen Tuthmoſis —, aber auch alleintebend als Eigenname vor 
kommt (Ebers, Durch Gofen, 2. A., S. 540), jo daß die immerhin nicht un 
liche Annabme, der vorgefegte ägyptiſche Gottesname fei von Mofe fpäter fallen gelaſſen 
worden (Ewald u.a.), nicht gerade notwenig ift. Der bebraifierte Name mochte im Sinne 
55 von Jeſ 63, 11 oder Er 2, 10 gedeutet werden. 

As Moſes Eltern werden Er 6, 20; Nu 26, 59 Amram und Sochebed erwähnt, 
beide aus dem Stamm Levi. Nach Er.2, 1; Nu 26, 59 wäre fogar diefe Jochebed eine 
leibliche Tochter Levis, demselben in AÄgypten geboren. Man bat wohl den Ausdrud 
Bath Levi dabei mißverſtanden, wobei fih dann ergab, daß dieſes Weib Amrams, eine 

0 Enkels Levis, zugleich feine Vaterſchweſter geweſen ſei, was mit dem moſaiſchen Ehegeſeh 


Mofe 487 


Le 18, 12 nicht ſtimmen würde. Am meiſten aber widerſpricht jener ſtreng genealogiſchen 
Faſſung die Dauer des Aufenthalts in Agypten (430 Jahre nach Er 12, 40). Ebenſo 
it Amram nah Nu 3, 27f. ſchwerlich der eigentliche Vater Mofes. Alter als Moſe 
waren nad Er 7, 7 fein Bruder Aaron (|. d. X. Bd I, ©. 13) und nah Er 2,4 eine 
Schweſter, vielleicht die Nu 26,59 neben diefem Brüderpaar genannte Mirjam. Geboren 6 
wurde ber künftige Befreier des Volle zur Zeit der härteſten Bebrüdung. Eben hatte 
der Pharao, beforgt wegen des Überhandnehmens femitischer Bevölkerung im Norboften 
feines Reiches, befohlen, die neugeborenen Israelitenknaben in den Nil zu werfen. Drei 
Monate lang wagte zwar die Mutter, diefem jtrengen Befehle trogend, das durch fein 
liebliches Ausſehen viel verfprechende Kind (vgl. AG 7, 20) im Haufe zu behalten; dann 10 
gab fie es hin, auf die Hilfe des Höchiten vertrauend, aber fo, daß fie in erfinderifcher 
Weiſe für die Erhaltung feines Lebens eine Möglichkeit offen ließ. Daß diefe Mutter: 
liebe durch Gottvertrauen getragen war, werden wir vom Verfaſſer des Hebräerbriefes 
(11, 23) gerne annehmen; entbehrlich tft dagegen die Ausfchmüdung bei Sofephus (Ant. 
2,9,3), Amram fer durdy eine göttliche Offenbarung über die Miffion des Kındes belehrt 16 
worden. Das in einem Schilffäftchen am Flußufer ausgefegte, immerhin von feiner 
Schweſter beachte Knäblein wurde von der Tochter des Pharao entvedt, welche ſich im 
Fluſſe baden wollte. Demnad iſt Mofe in einer Reſidenz dieſes Herrichers am untern 
Fl zur Welt gelommen. Manche denken an Tanis (hebr. Zoan); näher liegt das Gofen 
unmittelbar benachbarte Bubaſtis, wo ſchon die Hykſosherrſcher oft rejidiert hatten. “Der 20 
betreffende Pharao iſt nicht Ramſes II, jondern ein Herrſcher der XVIII. Dynaftie. Die 
Retterin Mofis wird von einer Tradition (bei Eufeb., Praep. evang. 9, 27) Me&ööıs 
genannt, bei den Nabbinen gewöhnlich Bitjah, was aus 1 Chr 4, 18 entlebnt tft; da⸗ 
gegen von Joſephus (Ant. 2, 9, 5) ouovdıs. Daß die hohe Dame im Nil babe, 
hat man mit Unrecht befremdlicdy gefunden; diefer Zug it, wie die gefamte Erzählung, 25 
den ägyptiſchen Verhältniſſen ganz angemeffen. Vgl. Ebers, Durch Gofen, 2 A., S. 81f. 
Adoption fremder Kinder war am königlichen Hof von jeher nicht felten. Vgl. Brugſch, 
Geſch. Ag., ©. 84f. Die mehr oder weniger ähnlichen Legenden, die aus der Kindheit 
anderer berühmter Leute Rettung vor drohendem Untergang erzählen (Semiramis nad) 
Diod. 2, 4; Perſeus nad Apollod. 2, 4, 1; Cyrus nad) Herodot 1, 113; Romulus nad) 0 
Livius 1, 4; Sargon I) beweisen nichts gegen die Gefchichtlichleit der vorliegenden Er- 
Kung, Nur die unzweifelhaft ältere von Sargon I (vgl. Maspero, Geſch. der morgenl. 
öller S. 194; Alfr. Jeremias, Im Kampfe um Babel und Bibel, 1903, S.23) könnte 
als Vorbild in Betracht kommen. 
ür die Entwickelung des jungen Moje mar die Art feiner Errettung von hoher 85 
Wichtigkeit, indem fie ihn dahın führte, wo er die formale Vorbildung zu feinen jpäteren 
Leiftungen auf dem vieljeitigen Gebiet der Volfsführung und Gefetgebung erhielt. Nach: 
dem die Prinzeffin den Findling durch deſſen Mutter hatte fäugen und zum ftattlichen 
Knaben aufziehen lafjen, nahm fie ihn an Sohnes Statt, an und ließ ihn an ihrem Hofe 
erziehen, wobei er ohne Zmeifel „in aller Weisheit der Agypter unterrichtet wurde” (AUG 0 
7, 22), wenn aud) Philo des Guten zu viel tbut, indem er ihn (Vita Mos. 1,5) in der 
ganzen hellenifchen und orientalischen Weisheit, wie fie ſpäter in Alerandrien zufammenfloß, 
geichult werden läßt. Daß er fo mit der ägyptiſchen Prieſterſchaft in nähere Sejiehung 
trat, welche die Pflegerin aller Wiſſenſchaft und Bildung war, ift durchaus wahrſcheinlich. 
Manetho (bei Joſephus contra Ap. 1, 26, 9 und 28, 12) behauptet fogar, er ſei ur= 4 
ſprünglich ein Prieſter des Ofiris in Heliopolis geweſen, namens Dfarfif, und babe fich 
erit fpäter den Namen Mofe beigelegt. Noch weniger weiß die Bibel etwas davon, daß 
der junge Mofe im ägyptifchen Staat fogleih eine bedeutende, und zwar militärische Rolle 
gefpielt habe, mie Joſephus felber meint Ant. 2, 10: Er habe die fiegreich bis Memphis 
borgedrungenen Athiopen auf die Bitte des Pharao an der Spitze des ägyptiſchen Heeres so 
beſiegt und in ihrer Hauptftadt Saba, jpäter Meroe genannt, belagert. Die äthiopifche 
Königstochter Tharbis hätte fih in ihn verliebt und ihm ihre Hand angetragen, was er 
fh unter der Bedingung gefallen ließ, daß fie die Stadt verrate. So wurde diefe erobert 
und der Sieger Mofe führte die Tharbis heim. Der Agyptologe Lauth (Moſes der He- 
bräer, 1868; ZdmG 1871, S. 139 ff.) glaubt jogar, einen urkundlichen Beleg für dieſe 56 
romantiſche Epiſode entdedt zu haben, indem er den Mobar des Papyrus Anaftafi I. mit 
Mofe identifiziert — eine unverläßliche Hypotheſe. Die ganze Kabel mag durch Wer: 
lung mit einem zu Ramſes II. Zeit lebenden Meift „Prinz von Kuſch“ (vgl. Ebers 
a. a. O. ©. 540) —28 und durch Nu 12, 1 mitveranlaßt ſein, wo es von Moſe 
heißt, er habe ein „kuſchitiſches“ Weib genommen. Letztere Stelle mag auch der rabbi— co 


488 Mofe 
nifchen Tradition zu Grunde liegen, wonach Mofe vielmebr ala Feldherr des äthiopiichen 


Königs Kyknus Krieg geführt hätte. 
Die Bibel weiß aus Mofes Jugend nur eine That zu erzählen, eine bedeutfame 
allerdings, welche beweift, daß er troß feiner hoben Stellung und feinen Erziebung am 
5 ägyptiſchen Hofe feiner Herkunft fich nicht jchämte und ein warmes Herz für feine Brüder 
bewahrte (Hbr 11,24). Der gemalttbätige Streich, durch welchen er einen unmenfchlichen 
Fronvogt aus der Welt fchaffte (Er 2, 11 ff.), verrät den fünftigen Volksbefreier, freilich 
nod) nicht den gottberufenen Propheten. Daß er unberufen jei, mußte er ſich beim erften 
Verſuch, feinen Gerechtigkeitsſinn auch jeinen Vollsgenofien gegenüber a betbätigen, von 
10 diefen jelber jagen laffen, welche, undankbar genug, ihm jene That zum Vorwurfe machten, 
für die fie ihn hätten preifen follen. Um mit diefem launigen Volle (AG 7, 25) fertig 
zu werden, mußte er erft von einem höberen Willen ergriffen werben; die ob aud eben 
Negungen des eigenen Herzens genügten bier nicht. Zunächſt war feines Bleibens in 
Agypten nicht. Er floh vor Pharaos Zorn ins Land Midian, d. h. hier nach dem füd- 
15 öftlihen Teil der Sinathalbinfel, wie daraus hervorgeht, daß von jenem Wohnort er 
nachher ſeine Schafe nach dein Berg Horeb bin weidete, und daß der Weg von dort nad 
Agypten an eben diefem Berg vorüberführte Er 4, 27. Es handelt fih alfo nur um 
einen Zweig des Midianiterftammes. Diejer felbjt hatte ſonſt feinen Sit öſtlich vom 
Golf von Alaba bis nad) Moab bin, weshalb Neuere jenen Berg dort fuchen. Siehe unten. 
» Ein ritterliher Dienſt am Brunnen, ähnlich dem von Jakob Gen 29,10 erzählten, führte 
ihn ing Haus des midianitischen Prieſters, der ihn bleibend in feinen Dienjt nahm und 
ihm ſeine Tochter Zippora zum Weibe gab. Diefer „Priefter Midians“, d. 5. der in 
jener Gegend anfäffigen Midianiter, wäre nad) Öhler zugleich als Stammhaupt (TT77 83” 
Onk. zu &r2,16; 3,1), ald Imam und Scheich des Stammes zu denten, wobei immerhin 
25 die rüdfichtslofe Behandlung feiner Töchter durch die Hirten 2,17 auffiele. Er ve 2,18 
Reguel; dagegen 3, 1 Sithro, ebenfo 4, 18 (mo das erfte Mal Jether Schreibfebler ſein 
mag) und 18, 1ff. Aus Nu 10, 29 kann man fogar noch einen dritten Namen des 
Schwiegervaters Miofes gewinnen: Chobab, Sohn Reguels, fofern man hier nad Ri 4, 11 
erflärt und für nr die Bedeutung Schwager nicht will gelten laſſen. Allein beutli 
3 vertritt dieſer Chobab eine jüngere Generation und fteht nirgends in einem väterlichen 
Verhältnis zu Mofe; er iſt daber weder zu Jithro noch zu Reguel ein Doppelgänger. 
Diefe beiden dagegen laffen ſich nicht jo auseinanderhbalten, daß etwa Reguel der Groß: 
vater (IR in ungenauem Sinn), Jithro der Vater jener fieben Töchter wäre. Vielmehr 
baben wir anzuerkennen, daß die Überlieferung mit beiderlei Namen den Schwiegervater 
35 Moſes bezeichnete. So gewiß aber zwei verſchiedene Erzähler 2, 18 (J) und 3, 1 (E) 
reden, bat der Redaktor feinen Widerſpruch in diefer doppelten Benennung gefunden. Es 
it denn auch wohl möglich, daß jener angefehene Nomadenprieiter beide Namen tbat- 
fächlich getragen bat, indem etwa der eine von beiden ehrender Beiname war. Si 
(JJIr an, Vorzug, Erzellenz), könnte wie das arabiſche Imam den Borftand, Vor: 
10 fteher der Gemeinde bedeuten. So ſchon Joſephus, Ant. 2, 12, 1. Die verfjchiedenen 
Tertänderungen dagegen, welche Ewald (Geſch. II, 38) und Dillmann vornehmen, find 
abzuweifen. Bei den Arabern beißt der Schwiegervater Mufas: Scho eib (aus Chobab 
verderbt? Ewald). Zippora, die Gattin Mofes, tft jchwerlih mit dem Nu 12,1 genannten 
„kuſchitiſchen Weibe“ identiſch. Zwar könnte fie böswilligerweiſe jo bezeichnet worden 
15 fein, wenn die Midianiter ſich mit Kuſchitern vermiſcht hätten, allein Nu 12 ſcheint ein 
ipäteres Faktum vor Augen zu baben. Zwei Söhne wurden ihm in diefem mibianitifchen 
Exil geboren, deren Namen an diefe Verbannung (Gerſon Er 2, 22) und Gottes Durch⸗ 
hilfe (Eliefer 18, H erinnern. 
Wie der Aufenthalt am ägyptiſchen Hofe für die Entwidelung der Fähigkeiten Mofes, 
fo war fein notgedrungenes Verweilen in der Wüfteneinfamfeit für die Bildung feine 
propbetifchen Charakters von größter Wichtigkeit. Non feinem Volle ganz abgejchnitten, 
mußte er die eigene Ohnmacht, ibm zu belfen, recht inne erden, und dieſes Gefühl tritt 
denn auch, in ftarfem Abftand von jenem jelbftberwußten Auftreten in der Jugend, de: 
vafteriftifch bervor bei der Berufung Moſes (Er Kap. 3; 4), die an ihn von Gott erging 
55 zu einer Zeit, wo er friedlich Die ihn anvertraute Herde weidend, nicht? weniger ald unte: 
nehmungsluftig war. Gin beträchtlicher Zeitraum (Er 2, 23) liegt zwiſchen der Flucht 
nad) Midian und diefer Offenbarung Gottes. Nach der Rechnung des P (Er 7,7) wäre 
Moſe erſt als 80jähriger vor Pharao getreten, während er noch als junger Mann ge 
floben fein muß. Die Überlieferung AG 7,30 giebt ihm bei der Flucht immerhin ſchon 
w40 Jahre. Das Geficht, in welchem er mit feinem Amte betraut wurde, Tchaute er an 


Moje 489 


dem fpäter durch die dem ganzen Volke geltende Offenbarung Gottes ausgezeichneten Berg 
Horeb oder Sinai (f. d. A.). Dort erfchien ihm unverſehens der Engel des Herrn oder 
nach der weiteren E hung der Herr jeröft Someit nämlich Gott in die Sinnmwahr: 
nehmung eintritt, ift Feine anifeftation feine abjolute, fondern eine angelifch vermittelte. 
Der Engel fommt aber dabei nicht nach einer felbititändigen Bedeutung in Betracht, ſon- 5 
dern lediglich als Organ des erfcheinenden Gottes; es iſt der Herr felbit, der jich in ihm 
offenbart und aus ihm fpridt. Die Form der Erſcheinung mar aber hier nicht eine 
menfchliche, ſondern eine elementare: eine Feuerflamme bot ſich dem Blicke dar, welche 
aus einem Dornſtrauch aufitieg, aber diejen nicht verzehrt und ſich ſo als übernatürliche 
8 erkennen gab. Das göttliche Feuer iſt nicht auf die Drangſal zu deuten, welche das 10 
Volk in Agypten zu beſtehen hatte, ohne davon verzehrt zu werden (Keil, Köhler), ſondern 
es iſt das theophaniſche Element (vgl. Gen 15, 17 bejonderg geeignet, Die verzehrende 
Heiligkeit Gottes darzuftellen. Wenn es aber den dürren Strauch, der gemählt ıft, meil 
er der Flamme am wenigſten widerſtehen Tann, nicht verfengt, jo bildet fi) darin ab, 
daß der hl. Gott ſich erbarmungsvoll herniederlafle, in der Kreatur zu wohnen, die fonft 15 
eine Gegenwart nicht ertragen kann. Es it alfo ein Symbol, welches das Wunder des 
undes daritellt, der durch Moſe foll vermittelt werden: der heilige Gott mohnend in 
feinem fündigen Volke, ohne es durch feine Heiligkeit zu verzehren (jo Hofmann, Kurs, 
% P. Lange). Die göttlihe Stimme, welche Mofe vernimmt, kündet fi) als die des 
Gottes der bereits in den Bund aufgenommenen Väter an und jendet Moſe zum Werk 20 
der Befreiung des in Ägypten fchmachtenden Volkes und feiner Ausführung nah Kanaan 
im Namen dieſes abfoluten Gottes Jahveh (vgl. 3, 14 mit 6, 3). Siehe über diejen 
Öottesnamen Bd VIII, ©.529 ff. Borläufig fol Mofe im Namen dieſes Gottes fordern, 
daß der Pharao Israel, welches ihm in Agypten nicht ungeftört dienen fonnte, zu einem 
Feſte feines Gottes drei Tagereifen in die Wüſte sieben lafie (3, 18). Ein Betrug des 26 
ägyptiſchen Herrichers ift dabei nicht beabfichtigt, da Gott, wie 3, 19 ausbrüdlich hervor- 
gehoben wird, wußte, er werde nicht einmal diefe geringfte Forderung bewilligen und jo 
fein Recht über dieſes Volk, wenn er überhaupt eines bejaß, völlig verlieren. Auch follten 
die Israeliten nicht als gewöhnliche Flüchtlinge, fondern in allen Ehren, mit reichem 
Lohn, mit Siegesbeute ausziehen, nachdem die Ägypter die Übermacht ihres Gottes gefpürt ao 
ätten. Don bloßem Entlehnen von KRojtbarkeiten iſt 3, 21f.; 11, 2; 12, 35 nicht die 
ede. Hätten doch die Agypter fih nimmer der von Israeliten getragenen Kleider oder 
foldyer Geräte bedient, welche für den von ihnen verabfcheuten femitifchen Opferdienft 
waren verwendet worden. Mit großer pſychologiſcher Wahrheit wird der MWiderjtand 
Mofes gegen diefe Berufung dargeitelt. Er madıt allerlei Bedenken und Gegengründe 35 
geltend, und nachdem ihm der Herr fie der Reihe nach aus der Hand gewunden, tritt 
endlich 4, 13 die innere Unluft zu einer ſolchen Miſſion offen zu Tage. Aber es hilft 
ihm alles nichts. Er muß gehen, und eben darin, daß eine höhere Macht jein eigenes 
geh und Blut, feines Herzens eigene Gedanken befiegt bat, liegt fünftig ſeine Kraft. 
iejes echt prophetiiche Werhalten zur göttlichen Berufung wird von Smend verfannt, 40 
der dem wirklichen Moſe foldhe Mattherzigkeit und Zagbaftigfeit nicht zutrauen will. Die 
Beglaubigungszeichen Kap. 4 (val. 7) haben felbjtverftändlich eine finnbildliche Bedeutung. 

n der Vertvandlung des Stabes zur Schlange liegt hauptfächlih, daß dem Moſe die 
tbindung und Bindung der verberblichen Macht übertragen wird. Der Stab, womit 
er fein Bolt weidet, wird zur gefährlichen Schlange für Ngypten. Auch das zweite Zeichen 45 

befteht in Herbeiführung und Bejeitigung des Übele. Es ift aber diesmal nicht die an 
Agyptens Künſte erinnernde Schlange, fondern der die Schmach Israels verfinnbildende 
Ausfag, womit übereinftimmt, daß das Zeichen an Mofes eigenem Leib vollzogen und 
nur vor den Kindern Israels, nicht vor dem Pharao fcheint ausgeführt worden zu fein. 
Das dritte Zeichen ftellt die Verwandlung der ägyptiſchen Lebensquelle in Fäulnis des so 
Todes dar. Dasfelbe wurde in großem Maßſtab zur Yandplage, welche allem Volke die 
Übermacht des Gottes der Hebräer über den ägyptiſchen darthat. — Das lebte Bedenken 
Mofes, daß ihm die fcheinbar zu ſolchem Unternehmen unerläßliche Beredſamkeit abgebe, 
beihwichtigt der Herr (4, 11. 14 ff.; vgl. 6, 12.30; 7, 1) mit der Verordnung, daß fern 
Bruder Aaron das Wort für ibn führen foll. . 65 
Sp mußte denn Mofe dem Andringen Gottes ſich fügen und nach Agypten auf: 
brechen. Auf dem Rüdiveg während einer Naft trug fih ein Vorfall zu, der (4, 24—26) 
etwas dunkel erzählt wird. Den Gebrauch der Bejchneidung, der jchon dem Abraham 
für alle feine Nachkommen zum Geſetze gemacht worden ivar, batte er an feinem Sohne 
— diefer Erzähler (I) ſcheint nur von einem zu willen — zu vollziehen unterlafjen, co 


— ü 


490 Mofe 


San ya BEE ERS SEIRENE 







ham id zubiel og ze Ten 6 
Rolt und fein Is Hei für die Gedanken nee. —* er A es 





In 9 vie Rogungen 
* Freiheit * Müpiggan I re ——— Polit.5, 9,4; Beder 8, 11,8.224]; 
Livius, Hist. 1, 56, 59), da Hlagten fie Moje und Naron als Friedensſidrer an (5, 11; 
vol. 6, Age wie fie — oft die ganze Bewegung, die ſchließlich zum —— führte, ihnen 
rwurfevoll in die Schuhe ſchoben. Nicht im Volk, ſondern im ne 
0 Gottes nabm diefe Erhebung ibren Urſprung. — Gr 6, 2 ff. wird nur P eine | 
redung Gottes mit Mofe berichtet, welche manche der bereits 3, 1—6, 1 enthaltenen 
Momente (Einführung des Namens Jahveh, Auftra =. Ausführung ee ii ter 
Kanaan, Ernennung Aarons zum Wortführer Mofes u. a.), fotvie eine 
eingefchaltete Stammgenealogie zur Beleuchtung der nee diefes Brüderpr 
15 Dagegen fm 1—6, 1 die Quellen E und J ab, Daß aber die Kritiker 
bie Differenz Berichte an diefer Stelle zu hoch anfchlagen, dünft uns; 
machen gr nach P jei Moſe gar nicht am Horeb-Sinat, —— in — 
worden; ferner wiſſe dieſe Quelle nur von einer ungünſtigen Aufnahme nn 
Roltsgenofien und rede von Anfang an von völliger FFreigebung, nirgends —— 
» laubung des Volle. Wir überſehen die Quellen nicht — genug, um genau am: 
zugeben, wie ſtark fie differierten. Allen nicht nur hat der Schl feinen 
liden Widerfpruch zwißchen ihnen gefunden, fondern es führen auch gewiſſe Andeutungen 
darauf, daß —*— auseinander zu ergänzen haben. gi Unterſchied 3. B. —— 
und völliger Entlaſſung it, wie wir oben faben, auch nad) der | 
55 bloß formaler, und 4, 23; 7, 16 drüdt fi JE nicht anders ans, als P in der fumme. 
rijchen Forderung 6, 11. "Auch nach JE bat ferner die anfängliche Fr an 
bald einer verjagten Stimmung Platz gemadt, während anderjeits aub P 2, — 
——— zu einer beſſern Aufnabme des Befreiers mitteilt. Val. Ewald, ( ‘ 
855 Mofes Berufung am Sinai endlich war gewiß jo allgemeine 
co jein Aufentbalt in Midian, Sollte P davon nichts erzählt haben, jo it —— in 




















Mofe 491 


der Kürze feiner Erzählung zu fuchen, indem er die großen, dem Mofe gewordenen Offen: 
barungen ohne die lofalen Nebenumftände mitteilte. 

Che die eigentlichen Blagen über Ägypten hereinbrechen, gefchieht vor Pharaos Augen 
die Verwandlung des Stabes zur Schlange, ein Vorſpiel der Gerichtöiwunder, das noch 
nicht fchädlich wirken, aber das fommende Gericht verjinnbilden fol und jenen Stab zum 5 
Gegenftand bat, der dasfelbe vermitteln wird. Schon diejes Zeichen lehnt fih an ägyp- 
tifche Gebräuche, wie nachher die Plagen an die dortigen Landesverhältniſſe. Agypten 
ollte auf feinem eigeniten Gebiet, wo feine Götter malteten, überwunden und jo über: 
ührt werden, daß Jahveh Herr fei inmitten des Landes 8, 18. Jene Metamorphoje 
nämlich war eine Herausforderung an die mit joldhen Dingen ſich abgebenden ägyptiichen 
Saubere (fiehe zu den verſchiedenen Klaſſen derjelben 7,11 Eberd, Agypten und die BB. 

ofed, S. 341 ff), welche denn auch ſich mit, den Boten des Hebräergottes darin zu 
meflen bereit zeisten, aber den kürzeren zogen. Über die von ber Tradition ihnen bei- 
gelegten Namen Jannes und Jambres Hehe den Art. Bd VIII, 587 f. Komnten fie auch 
„durch ihre Beſchwörungen“ denſelben Effekt fünftlich erzielen, jo twurbden doch ihre Tiere 
bedeutſamerweiſe von dem des Moje-Aaron verfchlungen. Zu vergleichen ift, wie Schlangen: 
fünftler in Agypten noch heute dieje Tiere auf erftaunliche, ihnen ſelbſt unerklärliche Weiſe 
bebandeln und unter anderem völlig jtarr, einem Steden gleih zu machen willen. Da 
jene Künfte dem Pharao willkommenen Vorwand zur Abfertigung der gottgefendeten 
Propheten gaben, ſo folgten nun die eigentlichen Plagen, zehn an der Zahl, durch 20 
welche Agypten nach und nach die volle Gewalt des Herrn zu ſpüren befam. Diejelben 
find meift nach JE, teilmeife auch nach P oder nach beiden Hauptquellen berichtet. Die 
dabei mwaltende Differenz, daß nach erjterer Moſe, nach leßterer Aaron den wunderbaren 
Stab handhabt, iſt wiederum eine formale, indem mit dem Wort aud der Stab Mofes 
auf Aaron übergegangen zu fein fcheint. Die zehn Plagen folgten fich gewiß in furzen 25 
Zwiſchenräumen, wahrjcheinlich innerhalb weniger Monate, immerhin * daß dem Pharao 
zwiſcheninne Fo zur Belinnung gelajjen war. Zuerſt verwandelte ſich auf des Propheten 
Geheiß das Nilwaſſer in Blut, wobei jo wenig als 2Kg 3, 12f. an wirkliches Blut zu 
denken ift (vgl. auch Joel 3, 4), wohl aber an eine vötliche, mit Fäulnis des Waſſers 
pulammenhängende Färbung desfelben — ein furctbarer Schlag für die Agypter bei der au 
jtbarkeit diefes Elements des Oſiris. An die im Juni regelmäßig ftattfindende Fär⸗ 
bung des Nil (vgl. Maspero, Geh. S. 4) ift dabei wohl nicht zu denken, da biejelbe 
en gutes gehen des baldigen Steigens diefes Stromes iſt. Fäulnis des Maflers jtellt 
fh bisweilen ein, zumal bei niedrigem Wafferftand. ebenfalls zeugte augenfcheinlich für 
die Urheberſchaft Jahvehs, daß diefe Heimfuchung in außerordentlihem Maß auf Moſes 35 
Ankündigung fich einftellte. Dasfelbe gilt von den folgenden Blagen. Schon fieben Tage 
nach der eriten (7,25 mit 26 zu verbinden) erfolgte die zweite, eine Invaſion von Fröfchen, 
die fich bei jener Stagnation des Waſſers befonders üppig entmwidelt haben mögen. Ge: 
meint find die kleine rana Nilotica und Mosaica, welche in Agypten ſtets beimifch, 
durch ihre ungewohnte Vermehrung und Zudringlichkeit zur wahren Landplage wurden, wo 
wie ähnliches auch von Klaſſikern berichtet wird. Stehe Bochart, Hierozoicon II,p.brösqg. 
Die Zauberer verfuchten ſich auch in SHerbeiführung diejer beiden Plagen und brachten 
fie zuwege, vermochten fie aber nicht zu bannen, jo daß der König ſich genötigt ſah, 
Mole darum zu bitten. Da dieſe Beugung jedoch nur eine vorübergehende war, erfolgte 
die dritte Plage durch die Eleinen, Menjchen und Vieh empfindlich heimfuchenden Stech- 45 
müden, eine ftändige Unannehmlichkeit Ugnptens, die ſich aber — vielleicht im Zufammen: 
bang mit dem Abtrodinen des faul gewordenen Waſſers — zur Kalamität fteigerte. Den 
Beſchwörern, die über das niedrige Schlangen: und Froſchgezücht noch Macht hatten, ver: 
ie ier ihre Kunft, fo daß fie befannten: das iſt Gottes Finger, d. h. es tft eine gött— 
| achtoffenbarung bier im Spiel im Gegenſatz zu bloß menjchlicher Künſtelei. Da 50 
der Herrfcher jedoch noch nicht nachgab, kam als vierte Plage die Hundäsfliege, 2 LXX 
via), wobei zum erjtenmal eine auffällige Verfehonung des von Israel bewohnten 
Bofen gemeldet wird. Tiefes Infekt muß läftig genug empfunden worden fein, um ben 
Pharao zu der Erlaubnis zu bringen, Israel möge im Lande felbjt feinen Gott opfern, 
was Voſe weislich ablehnt. Tas in der Not von jenem gegebene Verſprechen, Israel 5 
drei Tagereifen meit in die Wüſte ziehen zu laffen, wurde aber nicht gebalten, fobald die 
Plage weggenommen war, und fo kam als fünfte eine große Viehſeuche. Die Pferde 
fiehen dabei voran, die auch heute noch in Ägypten nicht jelten von Seuchen beimgefucht 
werden. Die fechfte beftand in Geſchwüren (ſchwarzen Beulen), wovon jogar die Zauberer 
perſönlich befallen wurden. Obwohl fo oft fchen das Eintreten des Gerichts auf Moſes vo 


un 
So 


un 
Sı 


492 Mofe 


Geheiß und fein Aufbören auf feine Fürbitte bin Zeugnis von der Macht feines Gottes 
abgelegt hatte, verbarrte der König „igtpteng infolge einer eremplarifchen Berftodung auf 
feinem Widerftand, und jo mußte das Land die ganze Macht des Armes Jahvehs (9,14) 
foften. Macht ſich ſchon in den bisher aufgezählten Schlägen eine Steigerung be 
5 merklich, jo folgen nun drei befonders fchwere und ſchreckhafte, zuerit an fiebenter Stelle 
ein entjeglicher, fogar mörderiſcher Hagelichlag, der nad) 9, 31 Anfang Februar oder 
gegen Ende des Januars ftattfand. Die vorbergehbenden Plagen mögen bejonders im 
Dezember und Januar eingetreten fein, vielleicht fchon in den Herbitmonaten, aber ſchwerlich 
früher. Ein Einfall von Heufchreden (achte Plage) machte das Unglüd voll, und zwar 
1 erfuhr man diefen Schreden des Morgenlandes (ſ. Bd VIII, €. 28ff.) nad 10, 14 in 
unerhörten Maße. Davor bangend, batte der König den Erwachſenen die Wallfahrt ge: 
ftatten wollen, während die Rinder und das Vieh zurüdbleiben müßten, allein bier galt 
fein Markten. Als neunte Plage fchredte eine dreitägige Finsternis das Land, wozu der 
Chamſin, der zumeilen (meilt im März) Staub und Sand aus der MWüfte b , 
15 die Eonne verdunfelt und die Atmoſphäre unerträglidb macht, das natürlidie Subſtrat 
bilden mochte. Um aber die Beitürzung, welche diefe Plage erzeugte, recht zu mürbigen, 
muß man fich erinnern, wie göttlih das Sonnenlicht bei den Agnptern angejeben wurde 
est war der Herrſcher bereit, auch die Kinder zieben zu lafien, und wollte nur das Vieh 
zum Pfand behalten. Aber da ihm dies verweigert wurde, feste er feinen Millen aufs 
zo neue dem göttlichen entgegen. So mußte die Zehnzabl voll werden und das furdhtbarfte 
(Sericht eintreten, welches endlich den trobigen Wideritand brad. Wollte man Syahvebs 
Vaterrecht über Jsrael, fein eritgeborenes Wolf, nicht anerkennen, fo rächte er fich, indem 
er den Ägyptern ihre Erſtgeburi, worauf fie befondern Wert legten, raubte. Warnend 
batte Mofe dem Herrſcher Dies in Ausjicht geitellt; da er aber veritodt blieb, wurden 
», Anftalten zur Verſchonung Israels mit diefer Plage und zu rafchem Auszug getroffen. 
Der Herr überfiel nächtlicher Weile die Häufer der Agypter — offenbar durch eine fchnell 
binvaffende Belt, und als alle Wohnungen von der Totenflage widerballten, weil vom 
Pharao auf dem Thron bis zum geringften Untertbanen jeder feinen Erftgeborenen durd 
den Würgeengel verloren batte, zogen die Israeliten eilig aus, von den erfchrodenen 
w Ägyptern getrieben und fogar mit Geſchenken überbäuft, die man gerne gab, um fie nur 
los zu werden. al. zu den ägbptiichen ‘lagen Wet 16, 15 ff.; Pbilo, Vita Mosis 1, 
In 24 
An die Bewahrung vor dem Würgengel und den ciligen Auszug erinnerte fortan 
das Paſſahfeſt, deſſen Einfegung dabei berichtet wird und deſſen einzelne Momente damit 
+ zufammenbängen (j.den A. Paſſah). Ebenſo wird die Heiligung der Erftgeburt (ſ. BoV, 
719f.) auf die Verfchonung der israelitifchen Erftgeburt in Agypten zurüdgeführt Er 13, 2. 
11 16. Der Auszug felbft fand (nah P) am 15. Tage des Monats Abib Statt, der 
fortan als der erſte gezählt werden follte (Nu 33, 3; Er 12, 2). Die Stabt Ramſes 
wird als Ausgangsort genannt, obne Zweifel diefelbe, die nah Er1,11 von den ame 
43 liten gebaut werden mußte. Diefe Stadt Ramſes, wo der Pharao damals refibiert a 
baben fcheint (vgl. Er 12, 31) ift noch nicht ficher feſtgeſtellt (vgl. die Anfichten bei Til 
mann zu Gr 1,11). Joſephus denkt an Heliopolis (Ant. 2, 15, 1); Neuere an Zoan = 
Tanis (Brugſch, Köhler u. a.), fo wohl aub Pf 78, 12. 43, mo das Gefilde Zoans als 
der Zchauplag der Wunderthaten Mofes genannt if. Doc dürfte es eher eine Stadt 
1, in Goſen fein, nicht zu weit weſtlich oder nördlich von der erften Station, dem jetzt feſt 
geſtellten Sukkoth — ägypt. Thufet oder Thufu, was urfprünglid Name eines Gaues, 
dann feiner Hauptitadt, die nadı Ed. Navilles Entdeckung — Pithom — Heroopolis, dad 
heutige Tel Mafchuta. Vgl. Ed. Naville, The Store City ete. So durchzog man ben 
beutigen Wadi Tumilat, zuerft das eigentliche Gofen, mo bie israelitifchen Scharen fih 
anſchloſſen. Über die Zahl der Ausziebenden vgl. Bd IX, ©. 465,18. Daß der feine 
‚seit eingeivanderte Stamm in dem auch in diejer Hinfiht als beſonders fruchtbar be: 
rubmten Agypten (Ariſtoteles, Hist. animal. 7, 4, 5; Columella, De re rustica 3, 8; 
j!inius, Hist. nat. 7,3) fi während eined Zeitraums von 400 Jahren ſehr ſtark ver 
mebren fonnte, ift nicht zu beftreiten. Es kommt aber dazu, daß dieſe feit zuſammen⸗ 
z, baltende Zippe fchon während jenes Aufentbalts ohne Zweifel zahlreiche ſtamm 
Elemente als Yeibeigene u. dgl. in ſich aufnahm, wie denn auch beim Auöguge ſelbſt nad 
12, 3% mande fih ihnen freiwillig anjchloffen, die mit der Zeit im Volle aufgegangen 
fe Tie zweite Station war Etbam, ägypt. khetem, Befeftigung, bier eine Ummallung 
zum -Schutz gegen Ginfälle von Oſten. Es lag „am Saum der Wüſte.“ Hier fand eine 
, Arı Umkehr, Äbſchwenkung des Zuges von der natürlichen Route ftatt, wohl in ſüdweſt⸗ 


Mofe ’ 493 


licher, dann füdlicher und füdöftlicher Richtung, jo daß nun der Meerbufen zwifchen dem 
Volk und der Wüfte lag. Diefer nachher durchfchrittene Bufen, dag „Schilfmeer”, tft der 
um Roten Dieer gehörige Golf von Sue, vgl. BP XII, S. 497. Brugſch (L’Exode etc.) 
allerdings die Anficht Schleivens aufgenommen und durch ägyptiſche Ortsnamen zu 
ftügen gejucht, wonach der berühmte Durchzug an die Küfte des Mittelmeer zu verlegen 5 
wäre, als hätte Mofe beim Berge Kaſios (Baal Zephon?) die Sümpfe des Sirbonisjees 
durchkreuzt. Allein der durchgängige Sprachgebrauch verlangt, bei jenem „Schilfmeer“ 
ans Rote Meer zu denken. Auch widerſpricht der biblifche Tert jener — da nach 
dieſer die Israeliten auf dem geraden Wege nach dem Philiſterland ſich befunden hätten, 
als der Pharao ihnen nachſetzen ließ. Erſt als die Agypter ſie erreichten, hätten ſie nach 10 
Süden abgeſchwenkt, während Ex 14, 2ff.; Nu 33, 7 beſtimmt bezeugen, daß ſie ſchon 
bei Etham von der gegebenen Route abwichen und dies den Pharao zur Verfolgung 
ermunterte. Vgl. auch Er 13, 17f. Über die mutmaßliche Lage von Baal Son, Bi 
Hachiroth, Migdol u. a. vgl. außer den Kommentaren Eberd, Naville u. ſ.f. Der Golf 
von Suez paßt in mancher Hinficht trefflich zu dem Berichteten, indem bier der Wechfel 15 
von Ebbe und Flut ein Starter und plößlicher ift, namentlich wenn der Wind denjelben 
ſteigert, was beſonders um die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche oft in hohem Maße der 
Fall iſt. Auch Napoleon, welcher zur Abkürzung des Weges die Furt von Suez pajfieren 
wollte, fam, von der Flut überrafcht, in große Lebensgefahr. Der Bufen eritredte fich 
übrigens zur Zeit Moſes ohne Zweifel weiter landeinmwärts, jo daß die Scenerie nicht 20 
mehr völlig unverändert vorliegt. Den Übergang der Seraeliten dachte man ſich meift 
in der Nähe des heutigen Suez, ſei es etwas nördlich davon, wo vier Inſeln den Meer- 
Phi Iperren, oder etwas ſüdlich von der Stadt, wo gleichfalld Untiefen liegen. Bewegte 
fi) der Zug, mie aus obigem erhellt, durd) den Wadi Tumilat, und reichte der Bufen 
dame weiter nach Norden, fo iſt eher an die Bitterſeen ſüdlich vom heutigen Ismailije 25 
enken. 
Auf ungewohntem Wege durch Gottes Feuer: und Wolkenſäule (ſ. d. X. Bo VI 
©. 60ff.) geleitet, waren die Israeliten von Etham aus nach Süden, fogar Südweſten 
ezogen. Dies wurde dem Pharao befannt, der ja in diefer Gegend an militärifchen 
Bolten feinen Mangel hatte. Cinerfeits erſah er aus dieſer Fortfehung des Marfches, so 
daß feine Hoffnung auf Wiederkehr des Volkes fei; andererfeitö ließ ihn die eingefchlagene 
Richtung vermuten, die Führer ferien ihres Weges und Zieles nicht gewiß, und die in der 
unwegſamen Wüfte eingefchloffene VBolfsmenge ließe fich leicht einholen und zum Rückzuge 
giwingen. Schon reute ihn wieder die abgenötigte Freilafjung Israels, er Tonnte der 
enden Ausficht nicht miderjtehen und jagte mit feinen Kriegswagen nad). Er erreichte 35 
den Zug noch am Meere, und zwar weftlih vom Meerbujen gelagert. Die Lage Israels 
(nie verzweifelt, ſchon verlor das Volk allen Mut und machte Mofe bittere Vorwürfe. 
ein diefer wußte, weſſen Führung er fich überlafien hatte und vertraute unerfchütterlich 
auf dieje höhere Hand. Auf fein Gebet zeigte ihm Gott einen wunderſamen Ausweg 
mitten durchs Meer, das fich teilte, fo daß Israel trodenen Fußes hindurchzog. Die 40 
Ägypter voll Gier, die Beute fich nicht entwifchen zu laſſen (15,9), jagten noch in felber 
Racht ihnen nach, durch die Leidenjchaft blind gemacht gegen die Gefahr, die ihnen drohte. 
Beim Durchzug des Wagentrofjes entftand eine Banik, verurfacht durch einen erfchreden- 
den Feuerblick (Blig? Joſeph. Ant. 2, 16, 3) aus jener Gotteswolke. Die Nofje wurden 
ſcheu, die en ftiegen aneinander. Und um das Verhängnis voll zu machen, wogten 46 
jet, gegen Morgen, die zurüdgebaltenen Waſſer wieder heran und bereiteten fo ber 
macht des Pharao ein naſſes Grab. Als natürliche Vermittelung jener zwiefachen 
ewegung des Waſſers wird 14, 21 ein Starker Oftwind (genauer wohl Nordoſtwind) 
genannt, der die Furt troden legte, indem er fehr wahrſcheinlich die Ebbe verſtärkte und 
ungewöhnlich lange andauern ließ, dann aber in entgegengefegte Richtung umfchlug und so 
dad Hereinbrechen der Flut beichleunigte. Durch diefe phyſiſche Veranichaulichung, wozu 
die mehrftündige Trodenlegung des Nhonebettes am Ausfluß des Genferjees in den Jahren 
1495 und 1645 eine treffliche Parallele bietet (Ed. Naville, The Route, p. 17), wird 
dad Wunder um nichts Meiner. Denn welches Walten der Hand Gottes, die alle Ele: 
mente beftimmt, offenbarte jic) bier, mo Wind und Wogen warten mußten, bis der un 55 
beholfene Wanderzug eben Zeit hatte, hindurchzuziehen, dem burtigen reifigen Kriegsheer 
dagegen augenblidlih den Untergang brachten! In ſolichem Augenblid und unter foldyen 
Umftänden erlebt, mußte ein derartiges Naturereignis unauslöfchlid den Eindrud der 
Gottesthat machen. Die dazu etwa angeführten gefchichtlichen Parallelen von Be—⸗ 
rügung außerordentlich niedrigen Wafleritandes oder kühnem Durchzug einer Armee durchs co 


— 


494 Moſe 


Waſſer bleiben weit dahinter zurück. So die von Tabari, Arabiſche Annalen, J, S. 196 
unten. 198. 200, 6, und Livius 26, 45f. erzählten Fälle, oder der aus Alexanders 
Leben Arrianos 1, 26 (vgl. Strabo 14, 3) berichtete, den ſchon Joſephus mit dem mo: 
Iaticen verglihen hat Ant. 2, 16, 5. Das getreueite Denkmal dieſer Gottestbat bat 

5 Mofe ſelbſt gefeßt in dem berrlichen „Lied am Meer“ Er 15, 1ff., an deflen Yutbentie 
mit feinerlet Hecht zu zweifeln ift, mag dasfelbe auch in fpäter erweiterter Geftalt vor- 
liegen. Ewald fieht den (Srundftod des Liedes in V. 1—3. 18. Aber auch das übrige 
jei frühe, etwa in der Zeit Joſuas binzugelommen. Eher wird V. 1—10. 19 Mofe zu 
belaffen und nur V. 11—18 als fpätere Dorologie der Gemeinde auszufcheiden fein. Die 

10 Einzigartigkeit des Erlebniffes, welche in dieſem Gefang ſtark bervortritt, beftebt darin, daß 
der Herr allein bier gehandelt bat mit feinem gewaltigen Arm. Die Meinung, es babe 
zwiſchen Ssraeliten und Agnptern ein Kampf ftattgefunden (MWellhaufen, Kittel, Geſch. I, 
205) wird durch nichts im Text begünftigt und it an ſich höchſt unwabrfcheinlih. Die 
jouveräne Gottesthat verleiht auch dem Xiede feine unerreichte Majeftät, welche man nicht 

15 bejier inne werden Tann, als ivenn man damit vergleicht, was Juſti, Nationalgefänge der 
Hebräer, 1803, S. 34ff., zu einzelnen Partien als angebliche Parallelen aus der pro- 
fanen Xitteratur berbeigetragen bat. Vgl. dazu auch R. Lowth, De sacra poesi He- 
braeorum, p. 209sq. 3608q. jene GErrettung des Volle am Schilfmeer bezeichnet 
die Geburtsftunde des Volkes Jahvehs. Auf die ganze Befreiung des Volks aus Agupten, 

20 welche mit diefem größten Akte abjchloß, blidt dern auch die ganze prophetifche und poe 
tiiche Zitteratur als auf die That zurüd, durch welche Gott fein Eigentumsrecht auf dieſes 
Volt für immer begründet habe (vol. Er 15, 13; Dt 9, 26) und die für künftige Er- 
löfung gie (Zei 11, 15f.; Mi 7,155 Jeſ 63, 11.5; Pi 77. 78. 105. 106. 
135. 136 u. ſ. f.). 

% Wenn es fih nun darum handelt, in der äghptifchen Gefchichte, foweit mir fie aus 
ägyptifchen Duellen kennen, die Spuren diefer Epiſode des Auszugs unter Mofe zu 
finden, fo find es hauptfächlich zwei verfchiedene Berichte, in denen man diefe Auswan⸗ 
derung zu erkennen glaubte. Der eine erzählt von der Austreibung der Hylfos, melde 
Joſephus (gegen Apion 1, 14—16) mit den Israeliten identisch fett. Nach Manetbo, 

3 dein Joſephus diefen Bericht entnimmt, hätten diefe Hyffos (= Hirtenkönige, Nomaden: 
fürften,; nach einer andern minder beglaubigten Deutung, die freilich Joſephus vorziebt: 
gefangene Hirten) 511 Jahre lang über Agypten geherrſcht. Dann aber fei (a. a. O. I, 
14, 12}. nad %. G. Müllers Ausg. 1877) eine Erhebung der Thebais und des übrigen 
Agyptens wider diefe Hirten erfolgt und ein gewaltiger, lange dauernder Krieg mit ihnen 

35 entbrannt. Unter dem König Miephragmutonie (andere %.:X. Altsfragm.) feien die ge 
ſchlagenen Hirten, vom übrigen Agypten verjagt, auf Einen Pla eingefchloffen worben, 
defien Umfang 10000 Morgen betrug. Avaris hieß der Ort. Denfelben bätten bie 
Hirten mit einer großen und feſten Mauer umgeben, fo daß ſie ihre Güter und Beute in 
Sicherheit hatten. Thummoſis aber, der Sohn des Misphragmutofis, habe mit einem 

so Herr von 480000 Wann die Mauern belagert, und als er fie nicht einnehmen Tonnte, 
mit den Hirten ein Abkommen getroffen, wonach fie Agypten verlafien und ohne alle 
Benachteiligung zieben follten, wohin fie wollten. Sie feien alſo mit ihren Familien und 
allem Eigentum aus Agypten durch die MWüfte nach Syrien gewandert, nicht weniger 
ald 240000 an der Zabl. Da fie fidh aber vor der Herrſchaft der Aſſyrer fürchteten, 

45 die damals Aſien innebatten, bätten fte in dem jet Judäa gegannten Lande eine Stabt 
gebaut, die ebenfoviele taufend Menſchen faſſe und Jeruſalem heiße. Soweit Manetbo. 
Joſephus zweifelt nicht daran, daß bier vom Auszuge feines Wolle die Rede ſei und 
noch Neuere haben fih für die Jdentität der Israeliten mit den Hykſos erllärt, Co 
Hengitenberg, Zeyffartb, v. Hofmann, Uhlemann. Auf den erjten Blick fpricht ja einiges 

50 dafür. Der Name „Hirtenkünige” würde trefflich zu Gen 46, 34; 47, 6 ftimmen, mo 

‚ die Israeliten 22 woR beißen und 73 = werden. Die Suffostteht Avaris ober 

“ Abaris erinnert an den Namen ar-2r (Gen 10, 15). Der Name des erſten Hykjosfürften 

 Zädarıs (1, 14, 5) erinnert an Joſephs Titel Gen 12,6 — Die Nennung Jeru⸗ 
ruſalems ift gleichfalls fehr überrajchend, Tann freilich ſelbſt auf Verwechslung der Jorae⸗ 

65 liten mit den Hykſos beruhen. Allein der ganzen Kombination ſtehen zu g 
Gründe gegenüber. Die Joraeliten erſcheinen in der Bibel durchaus nicht ala Eroberer 
und langjährige Beherricher Agyptens. Die ägnptifhen Monumente und Schriften be 
ftätigen vollauf die Hykſosinvaſion, zeigen aber klar, daß es fich dabei zwar um Semiten, 
aber nicht um die Israeliten bandelte. Nach denfelben zu fchließen, ift vielmehr Jakobs | 

0 Familie während der Dauer der Hykſosherrſchaft nach Agnpten gelommen. Bel. Bo IX | 


Moſe 495 


S. 358f. — Mit mehr Grund wird eine ſpätere Epiſode der ägyptiſchen Geſchichte, 
welche ebenfalls aus Manetho bei Joſephus erhalten iſt, mit dem Auszug Israels in 
Beziehung geſetzt und zwar ſchon von Manetho ſelbſt, während ſich —5— energiſch 
dagegen wehrt, nämlich die Vertreibung der Ausſätzigen. Gegen Apion 1, 26, öff. wird 
nämlich erzählt, der König Amenophis babe gewünſcht, die Götter zu jehen. Ein Seher 6 
gleichen Namens habe ihm dies verheißen, wenn er das Land von den Ausfätigen und 
anderen Unreinen reinige. Gr babe daher alle körperlich mit Makel Behafteten, 80000 
an der Zahl, zufammenbringen und in die Steinbrüdhe öftlih vom Nil führen laflen, 
wo fie arbeiten mußten. Unter ihnen hätten fih aud) gelehrte Prieſter befunden, die 
vom Ausfag befallen waren. Bald aber fürchtete der Seher den Zorn der Götter wegen 10 
diefer Gewaltthätigfeit, die dem Yande eine dreizehnjährige Sremdherrichaft zuzieben werde. 
Deshalb überließ ihnen der König die jett verlafjene, einjt von den Hykſos bewohnte 
Stadt Avaris. Dort festen fie fich einen Briefter von Heliopolis, namens Ofarfiph, zum 
Anführer und fchwuren ihm Gehorfam in allen Stüden. Diefer erließ vor allem ein 
Gejetz, fie follten weder die Götter verehren noch ſich der beiligften Tiere der Ägypter 15 
entbalten, fondern alle töten, im übrigen nur mit den Miwerſchworenen Gemeinfchaft 
pflegen. Nachdem er dieſe und viele andere Geſetze, welche den Gebräucen der Agypter 
möglichjt entgegengefet waren, gegeben batte, befahl er, die Stadt zu befeftigen und fich 
zum Krieg gegen Amenophis zu rüften. Auch fette er fich mit den vertriebenen Hirten 
(Hykſos) in Jeruſalem in Verbindung, welche bereitwillig 200000 Mann Verſtärkung 20 
fandten. Amenophis erfchrat und brachte erit feinen Sohn Sethos, auch Rameſſes ge: 
nannt, in Sicherheit; dann z0g er ſich mit feinem Heer bis nach Athiopien zurüd, fo 
Daß Agypten 13 Jahre lang den Ausfähigen preisgegeben war, welche die Dörfer und 
Städte verbrannten, die heiligen Tiere fchlachteten und fogar die Priefter und Propheten 
zwangen, dies zu thun. Oſarſiph babe den Namen Moſe angenommen. Nach 13 Jahren 25 
aber fehrten Amenophis und jein Sohn mit großer Heeresmacht zurüd, jchlugen die ver: 
einigten Hirten und Ausfägigen und verfolgten fie bi8 an die ſyriſche Grenze (1, 27,1). 
Ähnliche Erzählungen wie bier bei Manetho finden ſich auch bei Chäremon, Sn fimachus u.a. 
(gegen Apion 1, 32 und 34; vgl. auch Tacitus, Hist. 5, 3—5). „ Helatäus von Abdera 
bat die Verfion, daß eine Veit Agypten beimfuchte, woraus die Agypter erfannten, daß 30 
die Götter ihnen wegen des Verfall des Kultus zürnten; daber vertrieben fie alle Aus— 
länder. Ein Teil derjelben zog unter Mojes Anführung nad Judäa und gründete dort 
die Stadt Serufalem (bei Divdorus Sic. 40, 3; vgl. 34, 1). Dieſe Verſion fommt der 
bibliichen Erzählung jehr nahe, indem auch nach diejer die Veit Urfache des Auszuges 
ift, nur mit dem Unterjchted, daß nad) der Bibel ſie die Agypter zur Entlaflung nötigte, s5 
nach Helatäus Ei Bertreibung betvog. Der Bericht Manethos meicht freilid) von der 
Bibel noch ſtark ab. Nach ihm mären die Jeraeliten aus einer berrichenden Stellung 
binausgemworfen, nicht aus der Knechtichaft erlöjt worden. Doch handelt fich® hier (ganz 
anders als bei den Hykſos) nur um eine 13jäbrige Gemwaltherrfchaft, welcher harte Fron— 
arbeiten vorausgingen. Daß die Erzählung Manethos, die er nach Joſephus (1,26, 1f.) 40 
nicht den bl. Büchern, fondern dem Gerede des Volks entnommen bat, nicht jtreng biftorifch 
veritanden fein will, leuchtet ein. Die „Ausjägigen” find offenbar nicht kranke Aegypter, 
ondern eine ſemitiſche Bevölkerung, wie auch die Hykſos Papyr. Sallier I, 1 Aatu, 
enichen heißen (Chabas, M&langes Egyptol., I, 1862, p. 36sq.; Ebers, Durch 
Gojen 562), welche Inſaſſen den Agnptern als eine Befledung des Landes erjichienen. 45 
Weniger würden wir mit Ewald darauf Gewicht legen, daß jene Krankheit unter den 
Seraeliten in jener Zeit verbreitet war, wiewohl merkwürdig it, daß von Moſe Geſetze 
über den Ausſatz herrühren, von welchem auch Mirjam befallen wurde, und daß dieſes 
Übel auch unter den mofaischen Beglaubigungszeichen (ſ. oben) eine Rolle fpielt. An 
obige Erzählung erinnert in gewilfen Zügen der große Papyrus Harris (A. Eifenlobr, so 
Der große Papyrus Harris 1872), den man damit fombiniert bat. Auch nach demfelben 
hätte ein fyrifcher Häuptling Chal (= Mofe?) über Agypten geberrfcht und die Heilig: 
tümer geplündert. Es it aber jchmwerlich die Differenz mit Emald fo auszugleichen, daß 
man annimmt, die biblifchen Berichte bejcheiden ſich, weniger von dem äußeren Ruhm 
Axexaela zu jagen, als fie fünnten. Wir können aber auch nicht diefe Differenzen be- 
deutend genug finden, um mit J. G. Müller (Die Semiten, 1872, ©. 202 ff.); Köhler 
(Gejchichte, I, 229ff.); Dieftel (in Riehms Hwb.) jede Verbindung diefer Austreibung der 
Ausfägigen mit dem Auszug der Ieraeliten abzulehnen. Vielmehr fcheint jene die legen: 
denhaft ausgemalte und mit Momenten aus der Hykſos-Geſchichte verfegte populäre Ber: 
fion der Agypter von diefem Ereignis zu fein. So ſchon Schiller (Die Sendung Moſes, 60 


⸗ 


& 


496 Mofe 


1790), Lepſius, Bunfen, Etvald, Chabas, Ebers, Dunder, Maspero, Delisich. S nbens 
Kloftermann, der eine Rüdftrömung jüdiſcher Kunde auf Maneiho annimmt, Geſch. des 
V. Isr. S. 37ff. — Was nun die ägyptiſchen Denkmäler und Papyrusrollen betrifft, 
ſo geben ſie zwar den Boden und die Scenerie zu den aus Moſes Zeit erzählten Vor: 
s gängen, auch manche Illuſtration im einzelnen. Sie laſſen z. B. das vom Verhalten 
der Ägypter gegen bie Israeliten Gemeldete durchaus glaubhaft ericheinen, zeigen, wie 
die femitifchen Inſaſſen des Yandes zu ſchwerer Arbeit bei Bauten gezwungen murden 
u.f.w.; allein mit voller Bertimmthet läßt ſich das Judenvolk als von anderen Semiten 
unlerſchiedener Stamm nirgends nachweiſen. Der Name “Apriu, welchen Fronarbeiter 
ıo unter der XIX. Dynaſtie tragen, iſt zwar ſprachlich vielleicht mit Hebräer identiſch, dann 
Aber jedenfalls allgemeineren Sinnes als Jeraeliten. Vol. Bd IX ©. 358,2. ° weniger 
un; die Perfon des Mofe in monumentaler ägyptifcher Oeftalt fiher nachgewieſen obwohl 
Lauth ſich deſſen rühmte. Auch der Pharao dieſer Periode läßt ſich nicht mit S Sicherheit 
beſtimmen. Man hat beſonders an Merneptah gedacht, den Sohn jenes Ramſes IL, 
15 den man faft allgemein als den Pharao der Berrüdung anſah. Doch fprechen verſchie⸗ 
dene Anzeichen vielmehr für einen Herricher der XVIII. als der XIX. Dynaftie. S. Bd IX 
©. 464. 3. B. könnte Amenhotep III. (reg. biß gegen 1400) der Pharao des Au 
aus oe ir (c. 1500-—1450) der König der Bedrückung fein. Daß bie —— 
Denkmãler von dem ſchimpflichen Unglück, das die Ägypter am Schilſmeer traf, Me- 
soldung thun jollten, ift bei ihrem offiziellen Charakter, wonach fie nur den Ruhm der Dy- 
naſtie verewigen follten, gar nicht zu erivarten, wie Brugich, Geſch. S. 583 herborhebt. 
Daß, mie leßterer annimmt, der harao jelber den Tod bei jener Kataftrophe g 
ıhabe, ift zwar in dem fpäten Pi 136, 15 vorausgeſetzt, vielleiht aud) & 14 10. 18 
Angenommen, dagegen in der ältelten Duelle, dem Lied Er 15, mit feinem Worte geſagt. 
26 Das Ziel der weiteren Wanderung Israeis bildete zunachft der „ Gottes“. 
Diefer Berg wird neuerdings von einzelnen im Edomiterland oder an ber Weſtküſte Ara- 
biend gejucht. Die Gründe Hr erjtereg giebt am beiten Sayce, Monuments*® ©.263ff.). 
Dadurch erbielte der MWanderzug natürlich eine ganz andere Richtung, ald wenn man 
die Rage des Berges auf dem füdlichen Teil der „Sinaihalbinfel” feithält. Siehe den A. 
so Sinai. Die Jeraeliten hätten dann nad) dem Durchgang durchs Wafler den geraden 
Peg nah Dften eingefchlagen und wären bald am Golf von A angefommen. Allen 
durchichlagend ſcheinen ung die Gründe für diefe Verjegung nicht, ber BL Berg läßt ng 
weder in Edom noch auf der Weitfeite Arabiens mit ahrſcheinlichkeit nachweiſen, und 
die erſten verzeichneten Stationen laſſen ſich eher bei der traditionellen als bei der neu 
36 vorgeichlagenen Route mwiedererfennen. Zwiſchen dem Durchzug durchs Meer und dem 
Sinai werden verfchiedene ſolche Stationen genannt, worunter nicht einfache Nachtquar: 
tiere zu verſtehen find, jo daß zwiſchen denjelben jedesmal eine Tagereife era —* 
Raſtorte, wie fie die ungleich verteilten Dafen boten, wo für längere oder 
Halt gemacht wurde, während man zwifchen denfelben oft Tag und Nacht note 
Den Triumph Er 15 verlegte die Tradition nah Ajun Mufa, von mo aus man drei 
Tage lang die Wüfte Schur durchzogen haben mag (welchen Namen Palmer von dem 
langen maueräbnlichen Gebirg ableitet, das jenen Teil der Wüſte charakterifiere), bis man 
nadı Mara fam, wo das Waſſer ungenießbar war, vielleicht Hawara, 16’), Wegftunden 
füblich von Yun Muſa. Der Boden iſt hier start mit Natron geſchwängert, das Wafler 
s der Duelle oft übelſchmeckend. Elim it dann etwa ım Wadi Öbarandel 21), Stunden 
weiter füdlich zu fuchen, nach Brugſch dagegen wäre es erft Ajun Muſa. Nach dem alten 
Stationenverzeichnig Nu 33 lagerten die Israeliten zwiſchen Elim und der Wüſte Sin 
noch einmal am Schilfmeer (von Sayce auf den Sol! von Akaba bezogen), vermutlich in 
den ſchönen Wadi Tajibe. Tie auf jene Wüfte folgenden Orte find wie dieſe felbft un- 
co fiher: Dophla (— el Tabaka? nad) Ebers vielmehr ein Maflat im Wadi Meghara) 
und — Rephidim ſieht man gewöhnlich in dem fruchtbaren Wadi Feiran am Fuße 
des Berges Serbal. Da die Israeliten von da aus unmittelbar in die Wüſte Sinai 
famen, macht man jene Gleihjegung für die Anſprüche des Serbal auf diefen Namen 
geltend, inden der Dichebel Mufa noch ettva 11 Stunden weit von jenem Wadi liegt, 
65 wobei freilich die ungleiche Yänge der Märfche zu bevenfen. Der Schwierigkeit, daß ge 
rade bier, wo ein meilenmweit ſich eritredender Palmenwald das Vorbandenjein von 
befunbet, der Maffermangel bejonders empfindlich geweſen Iein fol, begegnet man burd 
die Annahme, die fruchtbare Oaſe mit Duelle babe fih in den Händen der Amaleliter 
befunden, mit welchen fich die Israeliten erft meflen mußten. Übrigens halten auch 
cn folche, die den Wadi Zeiran für Rephidim erklären, am Dichebel Mufa als dem Berg 


Mofe | 497 


der Offenbarung feſt. Schon auf diejer erften Strede des Zuges durch die Wüſte zeigte 
ſich, wie geeignet dieſer Aufenthalt für die göttliche Erziehung des Volkes war. Hier 
war es ganz auf feinen Gott angewiefen. Er mußte ibm den Weg zeigen, Brot und 
Waſſer —38 Dabei kam freilich auf Schritt und Tritt der Kleinglaube, die Ungeduld, 
das Mißtrauen der Menge zum Vorſchein. Nur durch überwältigende Zeichen feiner All-5 
macht und väterlihen Fürſorge konnte ihr Widerwille niedergehalten werden. Solche 
Zeichen waren die Wolfenfäule, die Spendung des Manna, des Waflers aus dem Felfen, 
der Wachteln, dann die Befiegung der eriten Feinde (Amalek) durch die Gebetsmacht des 
Mofe (vgl. die patriftiiche Deutung Juſtinus Dart. dial. c. Tryph. ce. 90. 111), endlich 
die großartige Ericheinung Gottes am Sinai. Wie bei den in Agypten verrichteten 10 
Wundern und beim Durchzug durchs Schilfmeer laſſen fih auch bier meilt in den Iofalen 
Erjcheinungen die natürlichen Anhaltspunkte diefer Zeichen nachweiſen. Das Manna ift 
ein bejonders auf der meitlichen Seite der Sinaihalbinjel häufiges vegetabilifches Produkt, 
Wachtelſchwärme laſſen fih bier im Frühjahr häufig, von ihrer Wanderung ermübdet, 
nieder. Der Sinai, ob man nun Serbal oder Dichebel Mufa dafür halte, macht einen 15 
übermwältigenden Eindrud, zumal im Hochgemitter. Diefe Anhaltspunfte, ſowie die wohl 
bezeugte Nachricht von der Amalekiterfchlacht unweit des Sinat und die Bezugnahme auf 
uralte Zieder, die aus diejer Zeit ftammen müſſen, erwecken Vertrauen zur Geſchichtlichkeit 
der erzählten Begebenheiten. Vgl. Kittel, Geſch. I, 201 ff. Stade freilih nennt den 
anzen Wültenzug „einen mit geichichtlichem und geographiichem Detail ausjtaffterten 20 
dythus“. Dagegen zeigt auch die Darftellung Kloftermanns (Geſch. des V. Isr. ©. 46 ff.), 
wie man bei aller Anerkennung verjchiedener Quellen und einer Ichrhaften Abficht der 
Erzähler der Realität der Überlieferung doch Gerechtigkeit mwiderfahren laſſen kann. 

Am Einai, wo der Herr alles Volk feine Glorie fchauen und feine Stimme bören 
ließ, wurde ein längerer Aufenthalt gemadt. Hier fand durch Mofed Vermittelung der 25 
Bundesichluß zwiſchen Jahveh und Israel ftatt. Das Geſetz (ſiehe unten) wurde gegeben. 
Es kam aber auch fchon hier zu einem jchlimmen Abfall des Volkes zum Bilderdienft, 
wobei Mofe fich in feiner ganzen Seelengröße zeigte, indem er für fein Volk rüdhaltlog 
in den Riß trat, und Statt die Sünder zu Gunften feiner eigenen Berfon dem Gericht 
preigjugeben, vielmehr fich felbit zum Sühnopfer für fie anbot (Er 32, 30ff.; vgl. Rö so 
9, 3), und nicht ruhte, bis der Herr wieder die Zufage gab, daß er felbit, beziehungs- 
weife der Engel feines Angelihts (Er 33, 15; Jeſ 63, 9), das Volt weiterhin anführen 
werde, worin eben das Vorrecht des Bundesvolfes lag. Nadı fait einjährigem Aufenthalt 
am Sinai (vgl Nu 10, 11 mit Er 19, 1) brach das Volk von dort Ai geleitet von 
Chobab, dem Schwager Mofes (Nu 10, 29 ff.) und zog nordmwärts in die Wüfte Paran. 35 
Auf dem weitern Zuge wiederholten ſich die Auflehnungen des Volkes, welche nun aber 
durdy empfindliche Gerichte beftraft wurden. Und als der trogige Kleinglaube zulett fo 
weit ging, das es fich weigerte, nordwärts in der Richtung auf Kanaan zu ziehen, da 
die Berichte der dorthin borausgejandten Kundſchafter ihm allen Mut benommen hatten, 
jo vermochte ſelbſt Moſes inftändige Berufung auf Gottes Barmherzigkeit das Urteil des «0 
Herrn nicht zu hindern, daß diefe Generation das Yand der Verheißung nicht jehen dürfe, 
jondern erit in der Schule der Wüſte eine neue heranwachſen müſſe. Ein eigenwilliger 
Verſuch, nun doch den Einzug in Ranaan zu erzwingen, fchlug fehl, und fo mußte das 
Bolt wieder nad) Süden umkehren zum Scilfmeer, morunter hier der Bufen von Afaba 
zu verfteben ift. Die 40jährige Wanderung Israels durch die Wüfte bleibt übrigens in «6 
manchem Stüd dunkel, da die Berichte verichieden gehalten und lüdenbaft, die angegebenen 
Stationen nur zum kleinſten Teil noch nachweisbar find. Natürlich befand ſich das Volt 
nur die kleinſte Zeit hindurch auf eigentliher Wanderſchaft. Ein längerer Aufentbalt ift 
namentlich zu Kadeſch bezeugt Dt 1, 46; Ni 11,17; vgl. Nu 20, 1. 14. Über die Lage 
des Orts fiehe Palmer ©. 269ff.: Clay Trumbull, Kadesh Barnea 18814, wozu zu so 
vergleichen Guthe, Zd PBV VIII, 1825. Nach der freilich dunteln Bemerkung Dt 1, 2 
läge e& nur 11 Tagereifen vom Sinai entfernt. Jedenfalls muß es nach wenigen Mo: 
naten vom Volk erreicht worden fein, da erft dort die Verurteilung zu 40jährigem Nüften- 
aufenthalt erfolgte. Allerdings ſteht Kadeſch im Stationenverzeihnis Nu 33 erit an 
21. Stelle, worauf noch 9 Haltorte folgen. Allein dies jchließt nicht aus, daß der größte 55 
Teil der 40 Jahre dort zugebracht wurde. Dabei mochte das Volk fih in den Um: 
gebungen zeritreuen, während das Heiligtum zu Kadeſch den Mittelpunkt der Necht: 
Iprechung und des Kultus bildete. Dort erfolgte wohl aud) am Ende der Lagerzeit der 
Tod Mirjams und bald darauf der Tod Aarons. Mach verbreiteter Annahme wäre es 
eine Eigentümlichkeit der Duelle P, daß fie Israel erft gegen Ende der Wanderzeit nach 60 

RealsEncyklopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 39 ' 


498 Mofe 


Kadeſch gelangen ließe. Siebe aber Dagegen Nittel, Gefch. I, 209. Gegen die Verkürzung 
des 10jährigen Zeitraums auf etwa 2 Jahre (jo ſchon Goethe im Meftöftl. Tivan, 
Werke II, 365ff., Gottajhe Ausgabe 1872) ſ. die Bemerkungen Bd IX S. 167, 36. 
Die unfruchtbaren Jahre des weiteren Umberziehens werden von der Erzäblung fait 
6 übergangen. Nur eine beionders gefährliche Empörung, welche Korabs Namen trägt, 
wird aus dieſer Zeit mitgeteilt Nu. 16. 17, 1. Bd XI, 36ff. Im eriten Monat des 
40. Jahres finden wir Nu 20, 1 die Rinder Josrael noch in Kadeſch. Jetzt war die Zeit 
bes Cinzugs ins verbeipene Yand berangefommen. Aber auch jegt ging der Weg nicht 
ftrads dortbin, weil die Edemiter und Moabiter, auf welche man Ridficht nebmen jollte, 
so den Durchzug weigerten, ſondern erſt in weiten Bogen nach Süden, nad dem älani- 
tiichen Golf, und dann öltlib vom Gebirge Seir nach dem Dftjordanland. Auch aus 
dieſer legten Zeit der Wanderung werden noch ernite Auflebnungen des Noltes und 
Gerichte über dasſelbe berichtet. Ta bei einem ſolchen Anlaß (Nu 20, 10f.) ſelbſt Mofe 
und Aaron den Slaubensmut verloren, \ellten ud tie den Einzug in Kanaan nicht 
15 erleben. Ein andermal wurde das Murren des Ins Durch gefährlihe Schlangen ke 
jtraft, gegen melde Moſe eine Abbilte the? rem = ne cherne Schlange auf einer 
Stange befeftigte. Dieſes Gebilde, Inte ze "ie arisz ı2 Mg 18,4), follte dies nad 
Moſes Abſicht nicht fein, auh nid: er Zrmen Nr Duden, fondern das feindliche Tier 
als überwundenes, unſchädlich amasıs „7 Siem daritellen und jo den Glaubensmut 
0 beleben. Am Arnon angelemmr mu Sr Istaeliten mit den Amoritern, dem 
mächtigiten Stamm der Geaend mm 27 remem telbit Die Moabiter batten weichen 
müſſen. Dies geſchab in me Zr.sszm Tori den eriten Sauptichlachten, die das 
Rolf zu beiteben batte — ar Zr 2 Zi mit Deren Übertvindung das Oſtjordan— 
land gewonnen war. Geder m Frredumm des Sieges über Sihon fiehe Kittel, 
5 eich. I, 207 ff. Die Maarez zınz mr $ettsaung ihrer Feinde durch ein ftamm: 
vervandtea Wolf Hieb Ser ram. smart Dec sehr mißtrauifch und übelwollend 
zu dieſem und iuczen & sen mm \empf Dem fie nicht wagten, zu verderben. Sie 
riefen den berüubmzer „ern m N. Be III 2.227 ff.) berbei, ber den fehl: 
ichlagenden Nerrug mac, a er ee Magie zu bezwingen. Beſſer gelang es 
ihnen und den zz oonz > Sit nnd Pidianitern, Die Lüſternheit der Israeliten 
durch ihren ur Ss ven, wedurch ſich dieſe letzteren ein ſchweres 
enencat: em 2 5.20% Der sm auch über dieſe Feinde, namentlich die Mi— 
> Irnmm cin de jahren ging auch Moſes Lebenäzeit zu 


dianiter, dit 20 8 Hu 
Ende une emn ın un, zarde ven ibm Den Stämmen Nuben, Gad und balb 


Das mann ne 

ya Mana zen 0 m Adımung, daß fie ihren Brüdern bei_der Einnahme des 
weittadn and. nt ones ST zenberbolte noch nad dem Deuteronomium im 
(es gs ve Ns hen, un α ihm -- mit den Modifikationen, welche dir 
u un ARD nochmals ans Herz zu legen. Er jagte ibm 
> oa Beae und Die Wege Gottes voraus — Mar er doc 
zen eirund aus (Dt 32) — und fegnete mit Seherhblid 


u. u * . Ir RN x. 
kir.znneD > 
.—n — ⁊ 


..,a mu 0 
has Sur. nn 1 - 


N 


Yen on . = > 
Wien ire zer ſeinem Ende (Dt 33); war er doch ber geiltige 


SU a a 5 be, sis er bereite in Joſuas Hände niedergelegt. Da durfte 
"70. ar fer er Xx gelobte Yand überjchauen, welches das Biel feiner 
” Bi 8 me. Nenn We Volles geweſen war. Dann ftarb er im Um: 
DE wo. nm sim. IN \abre alt (Dt 34,7 PL. Zen Grab wurde 
ET ga No wahr gennis beweinten ihren größten Volksgenoſſen dreißis 
Lese sn den didliichen Quellen Joſephus nacerzäblt Antiquit. 
mm ., Kromssane anderweitiger Überlieferungen (3. B. des angeblich 
wenn Vrwertänse DIN Thilo, De vita Mosis, betrachtet Dielen 

—* \ .warspuidr: ss Ronia. Geſetzgeber, SHoberpriefter, Prophet; er bält 
J nee, Ne Venr atcuch. malt aber die Erzählungen nach dem Gefchmad 


| ed Neu Ne auch allegorifh um. on der Legende find aber 
m nn nad De Kindbeit und Das Ende Moſes ausgefhmüdt worden 
tan. Sera bern Tod Mofes jpielt der Judasbrief V. 9 an, 
u we N tmäseeben Assumtio Mosis citierend, welche angebliche 
ET EN Nor den Jeing vor feinen Tod gegeben babe. Der Schluf 
ae Ne me diere Zerne enthielt Val. Schürer, Gef.” III, 213ff. 
net SUN ae Ne I SU ff. won Glemen). Ein ſpäteres rabbiniſches 
ra Nosete su veraummehbidter Erzählung des Lebens Moſes ed. 


Ss 


N 


Mofe 499 


Gilb. Gaulmyn 1627 und J. A. Fabricius 1714. Phantaſtiſch ausgeſchmückt erfcheint 
die Geſchichte Moſes im Koran und bei den Muhammedanern, wobei übrigens rabbi- 
nifche Meberlieferungen zu Grunde liegen. Vgl. U. Geiger, Was hat Muhammed aus 
dem Judentum aufgenommen? 1833; E. 5. Palmer, Schaupla ©. 420ff.; John Mühl: 
eifen a Der Islam, deutih 1878, ©. 99 ff.; vgl. überhaupt Ewald, Geſchichte 5 
II, 318 ff. 

Fallen mir noch feinen perfönlichen Charakter ind Auge, wie er uns aus den vielen 
Erzählungen der Bibel entgegentritt (vgl. die Charafteriftit of. Ant. 4, 8, 49), fo zeigt 
16 Mofe von Jugend auf von hohem Gerecdhtigfeitsfinn und glübender Xiebe zu feinem 

olfe befeelt, in der Schule Gottes aber bei urfprünglich beftigem Temperament zu 
einem „Knechte des Herrn” berangereift, wie jich fein zweiter im alten Bunde findet, 
der feinen Willen fo ganz dem göttlichen unterordnen gelernt hätte, wie er feinen perjön- 
lichen Vorteil und feine Ehre ganz hinter dem Wohl feines Volkes verſchwinden lie 
(vgl. z. B. Nu 14,11 ff). Je höher er feinen Beruf auffaßte als den eines Waters 
des ganzes Volles (Nu 11, 12), deito ſchwerer war die Bürde, die er zu tragen batte ıs 
an diefem undantbaren, halsſtarrigen Gejchlecht. Daß Mofe 40 Jahre lang diefes Volk hat 
anführen fünnen, ohne menfchliche Gewalt zu befigen, iſt nicht allein für die Geiſtesmacht, 
die in ihm wohnte, fordern auch für feine Geduld und Herzensgüte ein unfterbliches 
Zeugnis. Stets war er in echt prieiterlicher Gefinnung bereit, die Unarten und Fehl: 
tritte des Volks vor Gott auf ſich zu nehmen und dedte es durch feine Fürbitte und 20 
perjönliche Hingabe vor dem gerechten Zorne des Herrn. Und doch wurde ihm menig 
Dank und menichliche Hilfe bei diefem Werte. Gr, der, obwohl von Gott wunderbar 
erleuchtet, es nicht verjchmähte, den Rat feines midianitischen Schwiegerbaters anzunehmen 
(&x 18, 13ff.) und jo wenig auf feine Ehre eiferfüchtig war, daß er bochherzig münjchte, 
alles Bolt möchte den göttlichen Geift empfangen, der ihn auszeichnete (Nu 11, 29), fand 25 
für feine einfachiten Offenbarungen fo wenig Verſtändnis bet der Menge, fo wenig wirt: 
lichen Beiftand auch von feiten feiner Nächiten! Sein Bruder Aaron zeigte ſich unzu— 
verläffig (Er 32), feine Geſchwiſter intriguierten gegen ihn (Nu 12), und doch ließ er 
fih nie erbittern. Mit vollem Recht heißt er darum (Mu 12,3) „der janftmütigfte von 
allen Menichen” (Tas Wort 12 bezeichnet jene Sanftmut, die aus der Niedrigfeit, bier nicht 30 
der Niedrigfeit der äußeren Stellung, fondern der Herzensdemut, hervorgeht, nicht „geplagt“, 
Luther.) Dieje Demut und Sanftmut war aber nicht Schwäche. Wo die Ehre Gottes auf dem 
Spiele ftand, konnte Moſe unerbittlich ftrenge fein (Er 32, 27). Denn er war vor allem 
„„abvehs Knecht”, der unter einer höheren Gewalt ſtand. Weil ihm von diefer fein 
Amt war aufgedrungen worden, hatte er die Kraft, es in Demut und FFeftigfeit zu 35 
führen, ein Amt fo groß, mie es, abgefeben von Ghrifto, feinen Menſchen iſt auferlegt 
worden. Die edlen Regungen feines natürlichen Herzens bätten, wie er in der Jugend 
es erfubr, zu ſolchem Beruf nimmer ausgereiht. Moſe war Prophet (Ho 12, 14), ein 
Drgan des mahren lebendigen Gottes, das fich ihm ganz zu eigen gab. Die Hoheit des 
göttlichen Geiftes fpürt man aus all feinen Worten und Handlungen heraus. Dieje geiftige 40 
und fittliche Größe erhebt ihn weit über einen Muhanımed, mit welchem ihn der Ver: 
faffer der Schrift De tribus impostoribus ungerechterweife auf eine Linie ftellt. Vgl. 
Bd IX, 72. Sein Verhältnis zum Herrn bildet den Grund all feines Wirkens und 
Redens; er war vor allem Prophet. Bon ihm beißt e8 häufiger als von allen anderen 
Gottesmännern zufammengenonmen, Gott babe mit ihm geredet. Er trägt häufiger als 4 
irgend einer den Ehrennamen 177 727; er allein wird SrT2RT 727 genannt (Knobel, 
Bropbetismus I, S. 111). Er war der Prophet obne Gleichen nah Nu 12, 6ff.; Dt 
34,10; vgl. Er 33, 11 — gleih groß in Wort und That. Mit ihm verkehrte der Herr 
„Angeficht zu Angelicht”, was an eriterer Stelle ausgeführt wird: „Wenn ein Prophet 
Jahvehs unter euch fein wird, will ich im Gefichte mich ihm zu erfennen geben, im Traume zo 
mit ihm reden. Nicht alfo mein Knecht Moſe, der in meinem ganzen Haufe bewährt ift. 
Mund zu Mund rede ich mit ihm und in Erfcheinung, nicht in Rätfeln, und die Seftalt 
Jahvehs darf er fchauen”. Während alfo das prophetiiche Schauen mehr ein vifionäres, 
traumartiges ift, \chaut Moſe unverbüllter den Herren und vernimmt in voller Alarbeit 
feine Stimme. Strahlte doch von feinem Angefiht die Herrlichkeit Gottes wieder, fo daß 55 
er es verbüllen mußte nach Er 34,29. (777 von Vulg. verkehrt überſetzt cornuta 
tacies, was zu ungereimten Erklärungen und der firchlichen Abbildung Mofes mit Hörnern 
führte). Die volllommene Anſchauung Gottes mußte freilich wie jedem fündigen Sterblichen 
auch dem Mofe verjagt bleiben nach der tiefen Erzählung Er 33, 17 ff, und mit Recht 
weit Spinoza (Tractatus theol. polit. ed. Bruder 1846, p. 22) auf eine noch höhere & 

32 


vie 


0 


are Mofe 


ziup Div Wotteaimittetlung bin: Si Moses de facie ad faciem uf vir cum socio 
salut (h. oe. meulantibus duobus corporibus ?) loquebatur, Christus quidem de 
inonte ad mentem cum Deo communicavit. Der weſentliche Unterfchied iſt, daß 
dem Moſe Bott noch ale eine fremde Macht gegenüberjtebt, während fich Cbriftus mit 
db drin Kater Eino weik. Das fchliegt aber nicht aus, daß Mofe vor allen Propheten des 
alten Vundesd durch einen beftindigeren und vertrauteren Umgang mit Gott ausgezeichnet 
und einer Deutlicheren und zuſammenbängenderen Erkenntnis des göttlichen Willens ge 
wurdigt war. Dive entſprach feiner Aufgabe. Cr batte ja nicht bloß einzelne Lehren 
und Mabnungen nit Ausbliden in Die Zukunft jeinem Volle zu überbringen, jondern 

w dito Vollk ſtetig zu Leiten und cine ganze nationale Gejeßgebung zu entiverfen. Wir 
huden bier Den Propheten ferne von Dunkeln abnungsreichen Gefühlen mit bellitem, 
ſchariſtem Beritande vor Wort beratend und berechnend, was dem Herrn gefällig und dem 
Nolte heilam ſein wide, Aber nicht Die Staatsklugbeit batte bier das Wort zu führen, 
ſondern Dee Stimme von eben, Die alles weislich und unwiderſprechlich ordnete. 

id Die geſchibtliche Bedeutuna Motes für dein Volk kann nicht hoch genug angeſchlagen 
werden. Nicht nur bat cr Jsrael Die sereibeit gebracht und Damit zu einer nationalen 
Kyuteng verhelten. Er var mu Der cinitimmigen Überlieferung, welche feine Kritik um: 
toßsa dann, der menkbinbe Urdeber Der Gottesberrichaft in nationaler Geftalt, der 
,Ritidxomitiler weicher Dee Sentbeie zwiiſchen Jabveb und Israel vollzog und fo dem 

Urkunden Bollerir: Seinen theofratiichen Churakter für alle zeit aufgeprägt bat. 
Forlanu war Jorael \uberse Velk und Jabveb Israels Gert, Er6, 7. Es iſt ſelbſtwerſtänd⸗ 
lich, dak nicht Ds genze Volk mir einem Mal auf die geiſtige Höhe eines Moſe empor⸗ 
jebeben wurd und daß es ſich, ſjoweit eine allgemeine Erbebung der Gemüter bei den 
MORE Ereigniſſen jener Wanderzeit ſtattgefunden bat, nicht lange auf dieſer Höhe be- 

so luuupteie. Die beidniichen Unterſtrömungen machten ib mit der Zeit wieder ſtärker 

arliend und erbielzen leicht Therwaſſer. Aber Die ernitere und reinere Erfaflung Gottes 
blieb tertun u Israel Dofumentiert und wurde durch ipütere Zeugen immer wieder and 
vuhl gezogen und meiter entividelt. Ter „ethiſche Monotbeismus“ der fpäteren Propheten 
wurzelte nach ihrer eigenen Ausfage in der durd Moſe vermittelten Grundoffenbarung. 

Sul. Jameo Nobertion, Alte Rel. Joraels, deutſch 1846 S. 210f. 

In welchem Zinne die jegt im Pentateuch vorliegende Tbora moſaiſchen Urfprungs 

Yu, dieſe Frage läßt fich nicht mit derjelben Gewißbeit beantworten, mit welcher man 

Dorn ale den Stifter der in ihr miedergelegten göttlichen Lebensordnung in Israel be 

warum Darf. Daß Moſe wie fein anderer \eraclit Die Eigenichaften beſaß, welche zu 

lie organiſchen Geſetzgebung befäbigten, leuchtet cin. Am Hofe der Pharaonen gebildet, 
in ber Singaiwüſte nit Gottes Iffenbarungen betraut, mangelten ibm weder die hoben 

Weſublopunkte, durch welche ſich Israels Geſetz vor denen aller Völker auszeichnet, noch 

um Vorbild eines bis ins kleinſte geregelten Staatsweſens. Daß er von Anfang an 

ſeine als gottlich empfangenen Geſetze auch niederſchrieb, wenigſtens in ihren Hauptzügen, 
iſt bei einem ägyptiſch erzogenen Geſetzgeber ſelbſtverſtändlich. Das * noch vorliegende 

Eeſet zeigt ſich denn auch von Reminiscenzen aus dem Aufenthalt in Aegypten durchzogen 

(vul. ſchon Er 20,25 Dt 5, 6. 15; dann Ye 19,34; 25, 42; 26, 15; Nu 15,41), 

wenngleich ſeit Spencer der ägyptiſche Einfluß auf die Geſtaltung des israelitiſchen Gottes⸗ 

dicuſtes und Rechtes oft übertrieben worden iſt. Nirgends wird auf verwickeltere Lebens 
iu geſtaltungen, wie Die ſpätere Kultur fie mit ſich brachte, Rückſicht genommen. Es iſt ein 

einfüches, Viehzucht und Ackerbau treibendes Volk, das die Thora im Auge bat (vgl. z.B. 

Cu 21.0. 22), dazu ein noch ungeſchliffenes Wolf, deſſen Rohheit durch ſtrenges und ab: 

ſchrechendes Strafverfahren niedergehalten werden muß (vgl. Er 21, 24f.); der Glaube iſt 

aber noch ein kindlicher, vom Zweifel nicht angefochtener, daher auch die Gottesurteile 
nicht mangeln (vgl. Nu 5, 11 ff.). Das Geſetz enthält kühne Beſtimmungen, die nicht als 

Gewohnheitorecht aus praktiſchen Verhältniſſen erwachſen fein können, ſondern auf eine 

zzeit hoher idealer Begeiſterung und unbegrenzter Autorität des Geſetzgebers hinweiſen 

(vnl. Das Gebot völliger Ausrottung der Kanaaniter, Sabbath, Sabbathjahr, Jobeljahr). 

Andererſeits iſt die Thora, wie ſie vorliegt, nicht aus einem Guß entſtanden, ſo wenig 

ds ld Die pentateuchiſche Geſchichtſchreibung. Es fehlt nicht an Abänderungen und Novellen, 
bie zum Teil erjt in nachmoſaiſcher Zeit entitanden fein Tünnen. 3.3. das Königsgeſet 
Tul7, 1uff. war offenbar zur Zeit Samuels, 1 Sa 8, noch nicht vorhanden, ſondern 
ſcheint (1 Sa 10,25) von dieſem gejehrieben (vgl. P. Kleinert, Das Deuteronomium und 
dir Teuteronomifer 1872). Wir werden fo darauf geführt, daß nicht nur mündliche 

ww Überlieferung aus mofaifcher Zeit Später zur Aufzeichnung und jegigen Redaktion ge: 


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⸗ 


Mofe 501 


langte, fondern aud) —— Gottesmänner, die im Geiſte des Herrn Geſetze ver: 
fündeten, diefelben dem Geſetzbuch Moſes, da es fein anderes gab, einverleibten, jo daß 
fie fortan unter deſſen Namen figurierten. Allein der Grunditod der pentateuchifchen 
Thora ift nichtsdeſtoweniger moſaiſch. Wir rechnen dahin vor allem den Dekalog (f. d. 
A. Bd IV, 559) d. b. die zehn Hauptmworte in einfachiter Geftalt (Kittel, Gefch. I, 221). 
Der Dekalog ftebt aber an der Spite des „Bundesbuches“, welches in mander Hinficht 
befonders altertümlich und nad) bemtelben Zahlenfchema gebildet if. Vgl. über letzteres, 
was auf Moſes Anordnung, vielleiht auf ägyptiſche Gewohnheit zurüdmweist, Bertheau, 
Die fteben Gruppen moſaiſcher Gefeße in den mittleren Büchern des Pentateuchs, 1840; 
Rothitein, Das Bundesbuch, 1888; Kloftermann, Gefchichte, ©. 57 ff.; Bäntfch, Bundes: 10 
buch, 1892. Das Bundesbuch wird gegenwärtig ziemlich allgemein als der ältefte Teil 
der Thora anerkannt. Mit ihm ſtimmt in vielen Etüden das Deuteronomium näher 
überein als der Reit der in Exodus, Leviticus, Numeri enthaltenen Geſetze. Wir zweifeln 
nicht daran, daß die mofaische Überlieferung eine paränetifche Wiederholung des Geſetzes 
im Gefilde Moab3 erzählte, wenn wir auch das Deuteronomium, wie es jetzt vorliegt, 
aus jpäterer * ableiten müſſen. Im Geiſt und in den Gedanken geht auch dieſe 
ora über Moſe nicht hinaus. Die noch übrige elohiſtiſche Geſetzgebung, welche mehr 
prieſterlichen als prophetiſchen Charakter trägt, mag nach neuerer Annahme ſpät redigiert 
worden ſein, — ſie enthält doch ihrem Hauptbeſtande nach moſaiſches Recht. Gerade hier 
erſcheinen Beſtimmungen von höchſter Altertümlichkeit. Die Behauptung, in der den 20 
Propheten als moſaiſch bekannten Thora können keine Opferordnungen und kultiſchen Geſetze 
geſtanden haben, beruht auf irriger Auffaſſung der prophetiſchen Polemik. Selbſt Reuß (Geſch. 
I, 80) geſteht zu: „Ihm (Moſe) gehört zweifelsohne die Regel und Ordnung des Gottes- 
dienftes, wie fie nachmals in Israel beitand, wenigſtens ihren Grundzügen nach.“ Wir glauben, 
befonnene Kritit wird zu dem Ergebnis zurüdfehren, daß auch die Geftaltung des Kultus, 25 
mie fie in den mittleren Büchern des Pentateuchs gegeben wird, auf Moſe fich zurüd- 
Er hat die Bundeslade in ihrem heiligen Zelt geftiftet, den Stamm Levi als 
Priefterftamm eingejeßt, doc mit Auszeichnung einer Familie diefeg Stammes, nämlich) 
des Haufes Aaron, und die Art der Anbetung, beziehungsweiſe des Opfers im weſent— 
lichen feltgejegt, wobei ja manches durch mündliche und flüffige Überlieferung fortgepflanzt so 
werden fonnte. Siehe die A. „Bundeslade” Bd III, ©. 553, „Stiftshütte”, Levi“ 
— ©. 417 ff, „Opfer“. In Bezug auf die Quellenfrage verweiſen wir auf den A. 
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Aber auch ald Anfänger der israelitifchen Gejchichtsfchreibung wird Mofe von der 
Überlieferung gewiß nicht ohne Grund bezeichnet. Zwar kann die gefamte Erzählung 5 
feines Lebens und Wirken, mie fie im Pentateuch vorliegt, nicht von ihm jein. Au 
von der Geſetzgebung wird nur zum kleineren Teil ausdrüdlid gejagt, Moſe habe fie 
aufgezeichnet (fo vom Bundesbud Er 24, 3f.; fpeziell vom Dekalog Er 34, 27 und von 
ber Thora des Deuteronomiums 31,9, mo «8 cum grano salis zu verſtehen ilt); 
vollends als hiſtoriſche Aufzeichnungen Mofes werden nur die Amalekiterſchlacht Er 17,14 40 
und das Stafionenberjeihnis Nu 33, 2 ausbrüdlih nambaft gemacht. Allein gerade 
folche altertümlihe Stüde wie das letztere fprechen dafür, daß Dofe auch Gefchichtliches 
—— zumal wir außer dem Lied am Meer auch Nu 21 drei Lieder finden, deren 
Herkunft aus diefer Zeit fidy nicht beitreiten läßt. Die Vorftellung, daß fchriftliche Auf- 
zeichnungen in den Vorländern Agyptens überhaupt in diefer Zeit noch etwas fehr 43 
feitenes müßten geweſen fein, tft Durch die Tafeln von Tell el Amarna widerlegt. — 
Von der Kritit Hart angefochten, aber fchmwerlich ohne Grund dem Mofe zugeichrieben 
e des Segen? Mofes, Tt 33 (fiehe darüber K. H. Graf, Der Segen 
ſes, 1857, und Wilh. Vold, Der Segen Mofes, 1873), deilen Eingang V. 1—5 
(fiebe bei. V. 4) eine oma and zeigt, vor der auch die Sprüche zuſammengeordnet 50 
find ; ebenſo das Lied Mofes (Dt 32), den Schwanengefang des greifen Wolfsführers, 
worin er, der fein Volk fo gut fannte wie feinen Gott, dag prophetifche Programm der 
Geſchichte desjelben aufgeitellt hat. Dieſes Lied berührt fih auch ſprachlich und fachlich 
unvertennbat mit Pialnı 90, der nad der Tradition ala „Gebet Moſes, des Mannes 
Gofteg” bezeichnet ift und auch an Er 15 Anklänge aufweift. Del. zum Lied Moſes 55 
Guil. Volck, Mosis canticum cygneum, 1861; W. 9. 9. Kamphaufen, Das Lied 
Mofes; 1862; Delitzſchs Pſalmenkommentar zu Pfalm 90; Kloftermann, Der Pentateuch 
(1893), S. 223 ff. 
Als Mittler des alten Bundes nimmt Mofe auch im NT eine einzigartige Stellung 
ein, nicht nur als oberfte Autorität der Juden, zumal der gefegesitrengen Phariſäer (vgl. co 


502 Moſe a 


Geiſte; Ga 3,19 das dur enfchliche Wermittelung gegebene 
u nun © re ig J 





15 Mofes Choronenfis j. d. N. Armenien Bb II ©. 71,6ff. 


Mos N} ann $ Loren bon, 1755. — Litteratur: Berzeichnifie feiner 
Sarnen en rg bit Notitia , 8* t dissertationum a Moshemio auspieiis 
‚ Helmjtädt 1731. in ie —— feiner ———— 

—— ‚1764, von 3. 2 — und hieraus in J. M. 

20 ‚coll. et ed N. Eyring, praef. est Klotz, I, Halle 17 ———— 
in Nicerons Harder von Gelehrten Bd 23 ©. 476-496. Meufel, Leriton der 
1750—1800 geftorbenen Scriftiteller Bd 9 ©. 348— 364, vgl. ©. 179—183. — 
eines Lebens und Wirlens von Gesner und Jani 11. ce. bei. — von fr. Lücke, Narratio 

Moshemio, ®ött. 1837 (die von Lücke nach S. 7 beab en sführliche deutiche Schilde: 

36 rung Ms it nicht chiene en); vgl. b E —2 Ban la „Litt. —* 1837 &:420— 43. 

20. 3. Tan, 1 Bon ne Beit, Yassig LT et 
t ne Heit, Auszüge - 1 
——— nn Kim der a, 1851 &. 128 1; 
| Bi der Univerfität Göttingen, Bött. 1 S. 20. 27 x 
30 * uchter in Göttinger jan 1872, &.1 — — — han r nod 


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| n u: * ect) — win nd daielbnt @ oe 
— — Enden ©, det 622. 036, be * I Dale 
Pa — 















—8 ſelbfi. er In 
Icheint - Snterefie für di 


en bon einigen Vorurteilen in itſch u ; 
— Lübeck 1716. Bereits gefeiert hr en wich er 1718 Mi a | 
Aſſeſſor in der philoſophiſchen Fakultät. In lebendiger Fühlung mit den Bedürfnifie 
der Zeit zeigt ibn feine kirchenhiſtoriſche Arbeit: Vindiciae antiquae Christianorum 
65 linae gegen Tolands Nazarenus, Kiel 1720, Ebenſo find. bezeichnend 
mübungen um Beflerung des wifjenjchaftlichen Betriebs in der Abhandlung (1720) De 
eo quod iustum est circa sacrarum litterarum ex graeeis et latinis. scripto- 
ribus interpretationem et emendationem und in der ihrem Mieberabdrud in ben Ob- 
servationes sacrae et historico-eriticae (1721) I beigefügten De eo quod nimium 
so est in studiis linguarum et ceritices. Er polemifiert bier gegen ein das wirkliche 














Mosheim 503 


Berftändnig der Schrift nicht förderndes Heranziehen von überflüffigem gelehrtem philo- 
logiſchen Material und Erörtern von nebenfächlichen ragen. Ebenfo fordert er in feinen 
Cogitationes de studio litterario (Miscell. Lips. Bd VI, 63 ff.), daß die Litterärgeichichte 
nicht Notizen über Gelehrte und ihre Schriften biete, jondern eine Gefchichte der Willen: 
ſchaften ſei. Statt gelehrter Bielmifjerei mill er eindringende Erfenntnis. Andererſeits teilt 
er mit feinem großen Vorbild Leibnig die Allfeitigfeit des Intereſſes, und feine philo- 
logische Schulung befähigte ihn, allen Problemen in einem klaren und eleganten Latein 
erecht zu werden. Er tft gleichzeitig einer der beiten lateinifchen Stiliften und der ge- 
Feiertite beutfche Profaift feiner Zeit. Noch in Kiel war er beteiligt an der Übertragung 
eines Werkes über die Altertümer italifcher und ſiciliſcher Städte ins Lateinifche und über: 10 
jeßte er die drei Bücher des Ubertus Yolieta über den Nugen und die Vorzüge der la: 
teinischen Sprache. Vornehmlich feiner Beichäftigung mit der ausländischen Litteratur 
verdankt er jene Weite des Blickes, die ihn befäbigte, die theologiſche Willenfchaft, ins⸗ 
befondere die firchengefchichtliche Forſchung meiterzuführen. Er war „tein fchöpferifcher 
Geift, aber ein eminent receptives und produktives Talent”, und veritand es, die ver: 16 
jchtedenartigften Anregungen in fich aufzunehmen „und eben darum wieder nad allen 
Seiten fürdernd und anregend” zu wirken (Ragenmann ©.397). Eine Empfindung für 
dieſe jeine Bedeutung veranlaßte 1723 — feine beabfichtigte Beitätigung zum Trofeflor 
der Philoſophie in Kiel hatte fich verzögert, und eben wollte er die Stelle eınes dänischen 
Gejandtichaftsprevigers in Wien antreten — troß der Bedenken des hannoverfchen Hofes 20 
gegen M.s Jugend feine Berufung als Profeſſor der Theologie nach Helmftäbt. Anderer: 
ſeits verurfachte offenbar feine neue wiſſenſchaftliche Art jene Klagen feiner Helmjtädter 
Kollegen über feine „gar zu große und mit Verachtung aller Gelehrten verfnüpfte Prä- 
fumtion von jeiner Geihiklichteit” (Hall. Litt. Zeit. 1. c.). Aber die Gunit des braun: 
jchmweigifchen Hofes ward ihm im vollen Umfang. Schon 1726 wurde er Abt von Ma: 
rientbal, 1727 von Michaeljtein, ſeit 1729 überlam er die Leitung aller Schulfachen und 
enticheidenden Einfluß auf das ganze Kirchenmwejen. Dagegen mußte er 1726 einen Revers 
unterzeichnen, obne —— der Negierung Helmftädt nicht zu verlaflen. M. hat früher 
und }päter eine Reihe von Berufungen abgelehnt, befonders aber twurde jene Zufage von 
Bedeutung, ald er für das neu zu gründende Göttingen gewonnen werben ſollte. Bei so 
biefer Neugründung war ein Hauptanliegen, die anderen Fakultäten, namentlich die philo: 
fopbifche, der Beeinfluffung von jeiten der theologifchen zu entziehen. Da galt es an die 
Spige der theologischen Fakultät einen Mann zu ftellen nicht nur von millenjchaftlichem 
Auf, fondern aud von ausgeiprochener Friedfertigkeit und „Moderation“. Er jollte „weder 
em Pietift noch gar zu orthdodor” fein (M. bei Danzel ©. 178; vgl. auch Rößler S. 37), 36 
doch auch fein Wolfianer. Alles was man fuchte, traf vollftändig nur bei M. zu, der 
gelegentlich mit Necht von fich fagen fonnte: Ego ut in omnibus fere rebus.... 
auream mediocritatem sequor (an Gesner ©. 148). Seine Berufung mard daher 
bon vornherein erwartet (vgl. Gesner an M. ©. 108: man wiſſe ja, ubi M. sit, ibi 
esse academiam). ar jein Kommen dennoch durd jenen Revers zunächit unmöglich, 40 
da man ihn mit Recht für in Helmftädt unentbehrlich hielt, fo ward er dod Münch: 
ſens nicht nur theologifcher Berater. Er hat die Statuten der Göttinger theologifchen 
tät entworfen und an deren Beſetzung mitgewirkt, hat Denkichriften verfaßt über 
die zweckmäßige Einrichtung der Univerktät über eine Stipendiatenordnung, über eine 
„gelehrte Gejellichaft” d. h. eine Pflanzſchule von jungen Gelehrten, über die Gründung «s 
einer Akademie der Wiſſenſchaften (vgl. Rößler 1. c., Bonwetſch S.239 ff.) und über eine 
berauszugebenbe gelehrte Zeitſchrift Roethe ©. 668 ff). An feinem Plage vermochte er 
an der Helmjtädter Univerfität, von der er 1740 fchreibt: „Sie ftirbt nicht und lebet 
Auf nicht recht” (Danzel ©. 182), nicht mehr zu fühlen, aber erft 1747 konnte er dem 
Ruf nach Göttingen als erjter und einziger Kanzler diefer Univerfität folgen. Er war so 
es doch mehr nur dem Namen nach als in Wirklichkeit, und die Überordnung eines Kanzlers 
ward von der Univerjität bereits als Trud empfunden. Den Brofelloren erjchten das 
Verlangen der ftudierenden Grafen nach dem Vortritt vor ihm bei den akademiſchen 
Feierlichkeiten durchaus berechtigt. Münchhaufen vermittelte, und M. hielt ſich fortan von 
ſolchen z5eierlichleiten fen. Aber er mar doch mitunter geneigt, wieder in den „cifter= 55 
zienſiſchen Schmutz“ zurüdzufebhren, und faft wäre er gleich anfangs einem Ruf als Biſchof 
von Schleswig gefolgt. Seine Yiebenswürdigkeit gewann ihm jedoch auch in Göttingen 
bald die Sympathien, und im neelichaftlichen Verkehr ließ man ibm, dem nunmehr 
Schwerhörigen, der gut zu erzählen verftand, gern das Wort (Gesner ©. 13). Zu der 
neugegründeten gelehrten Gejellichaft der Wiſſenſchaften ftand er als Chrenmitglied nur @w 


& 


504 Mosheim 


in einem loferen Verhältnis. Wenn er in den von ihm mitbegründeten Relationes de 
novis libris nur am 1. Band mitarbeitete, jo mar dazu doch wohl nicht Verftimmung 
darüber der Grund, daß von ihrer „gloriola“ zu wenig Strahlen auf fein Haupt fielen, 
fondern wirklich Überlaitung mit anderer Arbeit, denn gerade in den letzten Lebensjahren 

5 Ms find zahlreiche Werke von ihm vollendet tvorden. Dazu zeigten fich die Folgen 
früherer Überanftrengungen. Nach fchmerzhafter Krankheit (die Schilderung feines Arztes 
bei Gesner S. 15ff.) iſt er am 9. September 1755 geftorben. 

M. bat fih einmal treffend jo charafterifiert: Equidem quaecunque literis con- 
signavi, eo unice exaravi consilio, ut pro viribus rem sacram iuvarem lite- 

10 rariam, nec superstitioni minus resisterem, quae veram una cum sana ra- 
tione solidaque eruditione pietatem extinguere cupit, quam impiis eorum 
studiis oceurrerem qui aut pietatem ab eruditione segregant, aut quod longe 
peius est religionem corruptae rationis imperio subiiciunt. Im Gegenſatz zur 
ftrengen Ortbodorie war er auf ein Zufammenmirken der Theologie und der Wiſſen⸗ 

15 Schaft der Zeit bedacht, bemüht um die Freiheit wiflenfchaftlicher Forfchung und allem 
theologischen Eifer tief abgeneigt. Schärfer wußte er fi) vom Pietismus gejchieden durch 
feine Welterfchlofjenbeit und feinen Sinn für ſchöne Form und allgemeine Intereſſen; 
daher denn auch vom pietiftiicher Seite an feiner aufrichtigen Belehrung gezmeifelt wurde 
(Beite S. 381). Den Wolftanern war er fchon infolge feiner gründlichen Kenntnis der 

alten Philoſophie abgeneigt. Gegen die Deiften und ıhre Inthroniſierung der Vernunft 
des natürlichen Menfchen ift er als einer der erjten in Deutichland aufgetreten. Partei: 
mann zu fein widerſprach feiner ganzen Art, indem er als optimiftifcher Hiftorifer erkannt 
batte, auf mie verichiedene Meile Nobeit überwunden und chriftliches Leben verwirklicht 
werden fünne Mit gelehrten Nichttbeologen hatte er engere Fühlung und genoß bei 

25 ihnen roh Fe Verehrung als bei feinen theologiſchen Fachgenoſſen (vgl. Henke in der 
1. und 2. Aufl.). 

Liegt M.s Bedeutung zum Teil in feiner Bielfeitigfeit, mit_ber er das ganze Gebiet 
der Theologie angebaut bat, fo zeigen doch feine biftorifchen Schriften am metften den 
Umfang feines Wiſſens und feinen Überblid im großen, wie die Feinheit der Beobach⸗ 

30 tung im einzelnen, und eine neben ber ae auch der Schönheit dienende Kunft ftets 
Inapp bemefjener Zeichnung, mit gewiſſenhafter Verteilung von Licht und Schatten, unter 
Vorliebe jedoch für das eritere. Er gilt mit Necht als der Vater der modernen Kirchen- 

efchichte Baur ©. 118F.; Bonw. ©. 243 ff). Seine früheren firchenhiftorifchen Ab- 
Panblungen bat er gefammelt in feinen Observationes sacrae et hist. criticae I, Am: 

35 fterdam 1721, und al® Dissertationes ad historiam ecelesiasticam pertinentes I, 
1. Aufl. 1732, 2. Aufl. 1743, Bd II 1743. Eingebende Unterfuchungen zur Religions: 
und Kirchengefchichte bat er auch niedergelegt in feiner Überfegung von Ralph Ludworths 
Systema intellectuale huius universi seu de veris naturae rerum originibus, 
Jena 1733, die der fich ſonſt jo vornehm befcheiden äußernde Mann mit Recht als ein 

4 opus incredibili labore elucubratum bezeichnen konnte (Notitia seript. S. 70). Zu: 
meist ragen aus der Gefchichte der alten Kirche (3.8. über die Abfafjungszeit der Apo- 
logien Tertullians und des Atbenagoras, den Einfluß des Blatonismus auf die Kirche u. ſ. w.), 
aber auch aus allen anderen Gebieten der Kirchengefchichte hat er bebandelt, wie u. a. 
die unter feiner Leitung verfaßte Historia Tartarorum ecelesiastica (Helmft. 1741) 

35 und feine „Erzählung der neueften chinefifchen Kirchengeſchichte“ (Noftod 1748) zeigen. Wei: 
teren Kreifen fuchte er die Kirchengeichichte näber zu bringen durch feine Überfegung ber 
acht Bücher des Urigenes gegen Celſus (Hamburg 1745) und in feiner Daritellung der 
Kegergejchichte in deutſcher Sprache, in der er die Opbiten, die Apoftelbrüber und Servet 
behandelt, je ein Beispiel aus den verjchiedenen Perioden der Kirchengefchichte („Verfuch 

50 einer unparteiiſchen Kegergefchichte”, Helmſt. 1746; „Anderweitiger Berhud einer voll- 
ftändigen und unparteitfchen Ketzergeſchichte“, ebd. 1748; „Neue Nachrichten von dem be 
rühmten fpanifchen Arzte Mich. Serveto, der zu Geneve tft verbrannt worden“, ebd. 1750). 
Erſt lange nach jeinem Tod erſchien fein böchft wertvoller De beghardis et beguinabus 
commentarius (1790). 

5. Schon 1726 batte aber M. au, zunächſt für feine Vorlefungen, eine zuſammen⸗ 
faflende Darftellung der Kirchengeſchichte ausgearbeitet: Institutiones historiae ecele- 
siasticae novi testaınenti; der Ausgabe von 1737 wurde 1741 von ihm auch die bie 
dabin noch fehlende Gejchichte der neueren Kirche beigefügt. eine Institutiones histo- 
riae christianae maiores I (Helmſt. 1739) follten ausfübrlicheres bieten, find aber 

so über das erjte Jahrhundert nicht hinausgekommen. Einen gewiſſen Erſatz gewähren die 


Mosheim 505 


Commentarii de rebus Christianorum ante Constantinum Magnum, Helmſt. 1753, 
die reifite Tirchenhiftorifche Leiftung M.s. Faſt unmittelbar vor feinem Tod erichien noch 
eine Auflage feiner Inſtitutionen in weſentlich neuer Geftalt (ebd. 1755). Nur durch 
den Nat anderer hat M. ſich abhalten laſſen, bei diefer Neubearbeitung die Sachordnung 
durch eine rein chronologifche, allein eine „lebendige Erzählung” ermöglichende zu erfegen. 5 

M.s Bedeutung als Kirchenhiftorifer beruht darauf, daß er der Kirchengejchichtichrei- 
bung eine höhere Aufgabe geftellt und ihre Löfung einftlich in Angriff genommen hat. 
Nicht in dogmatifchem und polemifchem Anterefje, aber auch nicht in dem des Polyhiſtors 
will er Kirchengeichichte treiben, fondern um ein Verſtändnis des von der Kirche Erlebten 
und dadurch der firchlihen Gegenwart zu gewinnen. Sammlungen und Unterfuchungen 10 
find ihm nur Vorausſetzungen der Gefcichtedarftellung als der aus den „Urkunden und 
Nachrichten“ entnommenen oder durch „vorfichtige Überlegung“ gewonnenen, jedem Ge⸗ 
bildeten verftänblichen Erzählung des Gefchehenen. Er fordert daher zwar zunächſt Quellen— 
mäßigteit d. h. forafältige Verwertung ber „älteften, beiten und beglaubteiten Zeugen“, 
womöglich der „Urquellen” felbit; daneben Unparteilichkeit, die fich von Boreingenommen= 15 
beit durch Autoritäten, eigene oder Zeitmeinungen freihält. Vor allem aber mwill er eine 
„pragmatifche” Gefchichtfchreibung, denn nicht um Bereicherung des Wiſſens, jondern der 
Erkenntnis handele es fih. Daher ſucht M. „das Einzelne immer wieder aus dem Zu: 
ſammenhang des Ganzen zu begreifen und auf die Grundanfchauung, aus welcher es 
bervorgegangen, ‚urüdauführen“ (Baur ©. 128). — Dies fommt gerade audy feiner Unter: zu 
ſuchung der häretifchen Anfchauungen zugute. Wenn er doch in die Behandlung der 
Dogmengefchichte nicht noch fürdernder eingegriffen bat, jo trägt daran die Schuld A 
latitudinarifcher dogmatifcher Standpunkt, ſowie die Eorge feine Streitigkeiten beraufzu- 
beſchwören“ (Harnad, Dogmengeſch. I, 27). Auc behandelt er die Gefchichte zu jehr 
wie die eines Staated. Doch liegt ihm daran, dag Werben der Kirche zu verjtehen, und 25 
mit fichtlihem Geftaltungsvermögen meiß er in fnapper Faſſung und fchlichter Sprade 
ihre Geſchichte darzuftellen. 

Vom AT abgefehen hat M. auch für die meiften übrigen theologischen Disziplinen 
Beiträge geliefert. Nur kurz vor feinem Tod hat er freilich einen neutejtamentlichen Kom: 
mentar verfaßt: zu den beiden Briefen an Timotheus (Hamb. 1755); denn der Kommentar zo 
zu 180 (1741) iſt aus Nachſchriften von Schülern entjtanden (ihm ward 1762, bei der 
2. Ausgabe, audy eine Erklärung des 2. Briefe beigefügt). Sonst behandelte M. mehr 
einzelne neutejtamentliche Stellen und Probleme (Sammlungen folcher Arbeiten find die 
Cogitationes in NT selectiores ll. ?2 (Hann. 1726. 1731). Er pflegte dabei mit Zu: 
rüdjtelung der Morteregefe mehr den Gedankenzufammenhang berauszuheben und, na= 35 
mentlich biftorifch, zu beleuchten. Aus feinem Nachlaß hat bejonders fein Schwiegerjohn 
von Windheim feine Borlefungen über theologische Encyklopädie, Dogmatik, Polemik, 
Kirchenrecht und Homiletif herausgegeben. Sein umfangreichites Werk überhaupt ift feine 
„Sitrenlehre der heil. Schrift”, 5 Quartbände (Helmit. 1735—53, 3. Aufl. 1742 ff.; 
Bd 6—9 von Joſ. P. Miller hinzugefügt): Bd 1--4 von der „inmwendigen Heiligkeit su 
der Seele, die ein Nachfolger Shit befigen muß, und mie das von Natur verborbene 
Herz gebeilert und in die Gemeinjchaft Gottes gezogen werden müſſe“ (Bd 1 das menjd)- 
5— erderben, 2. Buße, 3. 4. Gnadenſtand); der 2. Teil ſollte handeln von der „äußer: 
liben Heiligkeit des Wandels, die das Geſetz des Herrn von einem Ehriften fordert” (vgl. 
Sittenl. 1, 69), aber nur Bd 5 „von den Pflichten gegen Gott” iſt von M. felbit ediert. 5 
Über die Entftehungsmeife diefes Werks bemerkt er felbit: „Der Verleger muß... . mit 
der bloßen gulage fih begnügen, daß ich allgemählich ein Stud nad dem andern... 
in die Druderei jchiden wolle. ch made darauf einen Abrik in meinen Gedanken und 
ftelle die Dinge, die ich auszu übren gedenfe, in Ordnung ... Diefer Abriß bleibt un— 
beweglich in meinem Geilte bis zum Ende des Werkes ftehen. Mein Gedächtnis iſt mir 50 
in diefem Stüde fo getreu, daß es fich durch feine andere Vorftellungen etwas von dem: 
jenigen nehmen läßt, mas ich ihm einmal anvertraut babe.” Nur mit ſehr viel Unter: 
bredbungen durch andere Geſchäfte könne er aber feine Arbeit durchführen. Seine Ethik 
jollte nur auf die Ausſprüche der Schrift, unter Beleuchtung durch die Erfahrungen des 
genen Herzens, gegründet fein. Die Ausführung iſt etwas breit, in allen verftändlicher 55 
deutfcher Sprache, mit „strenger, faſt bomiletifcher Dispofition jedes Paragraphen” (Henke). 

Am gefeiertiten mar M. zu feiner Zeit wegen feiner Wohlredenheit als Prediger, 
dgl. die Sammlungen „Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jeſu Chriſti, 
Bd 1—6, Hamb. 1725 FF. Letzte Ausgabe 1757 ff. Bd 7 „Heilige Reden, die bei außer: 
ordentlichen Fällen und Gelegenbeiten gebalten worden find” 1743 (S. 291—372 die oo 


506 Mosheim Mühlenberg 


Rede bei der Trauung Friedrib d. Gr.) Auf Gründlichlett und Deutlichleit mar zu: 
nächſt fein Abjehen gerichtet. Sein Grundfag war durch den Berjtand auf den Willen 
zu wirken (vgl. „Anteifung erbaulich zu predigen”? ©. 115 ff.). Er ſuche die Gedanken 
aus den Schalen der Worte hervorzuziehen und in ihr völliges Licht zu jehen, füge dann 

5 Beweis⸗ und Bewegungsgründe hinzu und erläutere durch aus dem Sehen gegriffene Bilder, 
um fo alles recht begreiflih und embringlich zu machen (Borrede zu Seil, Ned, 6, 26 ff). 
Die gefünftelte Art der älteren ‘Prediger lehnte er ebenfo ab mie die debuzierende Weile 
der Wolfianer (S. 41f.). Durch praktiſche Auswahl des Stoffes feiner Predigten, weit 
durchgeführte Dispofition, Klarheit der Gedanken und Feinheit der Apologie mußte er 

10 die — ſoweit fie nicht pietiftiich beeinflußt waren — der Kirche fremd gewordenen Ge 
bildeten wieder heranzuziehen. Bei einem „Leinen Tribut an die Umjftändlichkeit feiner 
Zeit” redet er gerade in feinen Predigten „einen noch für die Gegenwart weſentlich 
muftergiltigen Stil” (v. Jatermip S. 365f.). Man nannte ihn den Bourbaloue und 
Tillotfon Deutſchlands. Auch er entbehrt das von ihm bei letterem vermißte „Feuer“, 

ıs aber feine Sorgfalt in rednerifcher Formbildung ließ ihn für die deutfche Kanzelbered 
ſamkeit epochemadend werden. Dazu kam die Babe eines ausgezeichneten Vortrages. Seine 
Predigten mie feine bomiletifchen Anmeifungen baben lange als Mufter fortgewirtt. 

Bonwetſch. 
Mozarabiſche Liturgie ſ. d. U. Meſſe Bd XII ES. 711,5. 


2 Mozarabifche Perikopen ſ. d. A. Perikopen. 
Mühlen bei den Hebräern ſ. d. A. Brot Bd III ©. 420,2 ff. 


Mühlenberg, Heinrih Melchior, geit. 1787. — Quellen: Nahrichten von den 
vereinigten deutſchen evangelifch-luth. Gemeinden in Nordamerika, abfonderli in Penniyl 
vanien, Halle, im Berlag des WVaifenhaufes, 1760 — 1787. Neue Ausgabe von Mann, Schmuder 

2» und Sermann, 1. Bd, 1886; Documentary History of the Ministerium of Pennsylvania, 
1748— 1821, Philadelphia 1898. Publication Board of the General Council; Gelbftbiogre: 
phie, 1711— 1743. Aus dem Miſſionsarchive der Franckeſchen Stiftungen zu Halle Mit Zw 
fügen und Erläuterungen von Dr. ®. Germann, Allentomn Ba. 1881; &. J. Mann, Li 
and Times of H. M. Mühlenberg, Philadelphia 1887; derf., H.M. Mühlenbergs Leben und 

y Wirken, Bhiladelphia 1891. 

Heinrich Melchior Mübhlenberg, Doktor der Theologie (University of Pennsyl- 
vania), „der Patriarch der Lutheriſchen Nirche in Nordamerika”, war geboren am 11. Se: 
tember 1711 zu Eimbeck, Hannover, und jtarb am 7. Cftober 1787 zu Nem-Provibence 
(Trappe), Pennſylvania, etwa 27 englifche Meilen von Philadelphia. Schon 1528 batte 

> fich feine Baterftadt der Reformation angejchloffen, und ihr Name findet fich 1580 unter 
der Konkordienformel. Sein Geburtshaus wurde im Jahre 1826 bei einem großen Brande 
zerftört. Seine Eltern waren Nikolaus Melchior M. und Anna M. Kleinfchmidt. Über 
die Familie ift wenig befannt. Möglich, daß fie aus Böhmen eingewandert war und 
einem vor dem breißigjäbrigen Kriege oft genannten altabeligen Gefchlechte entftammte. 

0 Der Bater Starb im Jahre 1723, die Mutter 1747. In den Lateinfchulen von Eimbed 
legte er den Grund zu feiner tüchtigen klaſſiſchen Bildung. Schon als Knabe zeigte er 
einen frommen Zinn, dem es mit dem Wahlſpruch „Ora et Labora“ ein rechter Emft 
war. Im Jahre 1735 bezog er die neu gegründete Univerfität Göttingen, mo er ım 
Umgang mit frommen Kommilitonen und durch die Freundfchaft mit feinem verehrten 

4 Yehrer, Dr. theol. Oporin, unter entſchieden religiöfem Einfluß ftand. In Gemeinſchaft 
mit anderen gottesfürchtigen Studenten beteiligte er ſich an der Armenſchule in Göttingen, 
aus der ſpäter das von der theologiſchen Fakultät verwaltete Waiſenhaus daſelbſt hervor⸗ 
gegangen iſt. Er trat in intimen Verkehr mit Gliedern frommer adeliger Familien, be 
ſonders Graf Reuß XI. von Greiz, und kam dadurch in Beziehung zu den pietiſtiſchen 

wo reifen in Halle und den dortigen Franckeſchen Stiftungen. Nachdem er im Frühjahr 
1738 in Göttingen abjolviert hatte, wirkte er ein Jahr lang als Lehrer in den Francke— 
fchen Anjtalten, wo bejonders Profeſſor Gotthilf Auguſt srande, der Sohn des Gründers, 
einen entſchiedenen Einfluß auf jeine perjönliche Entwidelung und auf den Gang jene 
jpäteren Xebens gewann. Die Väter in Halle batten die Abficht, ihn auf das indiſche 

6 Mifftonsfeld, nach Bengalen, zu fenden, aber ein durch den Grafen Reuß vermittelter 
Ruf brachte ihn im Sabre 1739, nachdem er in Leipzig ordiniert worden war, als Dia 
fonus nad) Großhennersdorf, wo Zinzendorfs Tante, die Baronin von Gersdorf, eine 


Mühlenberg 507 


Verwandte des Neußfchen Haufes, das Patronatsrecht beſaß. Auf einer Reife, die er im 
Jahr 1741 in Privatangelegenheiten unternahm, legte ihm Dr. Frande den Ruf an die 
drei pennſylvaniſchen Gemeinden (New⸗Providence, New-Hannover und Philadelphia) vor, 
der durch Dr. Ziegenhagen in London an ihn gefommen war. Es wurde ihm nicht 
leicht, ſich in Großhennersdorf loszureißen, aber auf das Drängen feines väterlichen 5 
Freundes Francke nahm er den Ruf vorläufig auf drei Jahre an. Im Dezember 1741 
nahm er feinen Abſchied. Am 17. April 1742 traf er in Xondon ein, mo ihm bon 
giegenbagen die förmliche Berufung jener pennſylvaniſchen Gemeinden eingehändigt wurde. 

ch neunmöchentlihem Aufenthalt in Xondon, wo ihm der tägliche Verkehr mit 
Dr. Ziegenhagen, und der Umgang mit dem gelehrten Dr. Michaelis, dem nachmaligen 10 
Drientaliften in Göttingen, reichlichen Gewinn brachte, jchiffte er fih am 11. Juni 1742 
nah Amerifa ein. Sein nächites Neifeziel war Georgia, wo er die in ber näbe von 
Savannah, unter den Paſtoren Bolzius und Gronau, angefiedelten Salzburger Koloniften 
befuchen ſollte. Die Seereife mar lange und beichwerlich, und die Neifegefellichaft, mit 
Ausnahme einer Salzburger Familie, feinestvege angenehm und ſympathiſch. Nach 102 15 
Tagen landete er in Charleston, Eüdlarolina, von wo ihm fein Kapitän mit einer Scha- 
luppe nad) Savannah meiter fandte. Dort traf er am Abend des zweiten Oktobers ein. 
Nach einer reich gejegneten Woche bei den frommen Salzburgern in Ebenezer und Um: 
gegend Tehrte er über Savannah nad) Charleston zurüd und fchiffte fich dort am 12.No- 
vernber auf einem offenen Einmafter nad) Philadelphia ein, mo er nad) einer äußerſt ge: zu 
fahrvollen Seereife am 25. November ankam. 

Ber feinem Eintritt in die neue Welt ſtand Mühlenberg im 32. Lebensjahr, in 
junger aber wohl gereifter Mannestraft. Er beſaß eine treffliche klaſſiſche Bildung, ſprach 
das Lateinische fließend und verftand aud in bollänbifcher und englicher Sprache zu 
predigen. Seine theologifchen Kenntnifie waren gründlich und feſt im Iutberifchen Be: 25 
fenntnis gemwurzelt. Die leicht=pietiftifche Tingierung, die er von Halle mitgebracht, that 
feinem Yutbertum feinen Eintrag, und erwies fich als heilfames Salz in feiner paftoralen 
Seelenpflege der Einzelnen. Er war eine magnetische, würdevolle Perfönlichkeit, nüchtern 
im Urteil, leutfelig und gewandt im Umgang mit Hoch und Nieder, mit tüchtiger Menfchen: 
kenntnis und trefflichem organifatorifchem Talent ausgeftattet. Alles zufammen höchit so 
nötige Gaben für feinen ſchweren Beruf, in die veriwabrloften, chaotiſchen Zuftände der 
Yutberaner in Amerika Ordnung zu bringen und für em gejundes entmwidelungsfähiges 
firchliches Leben feiten Grund und Boden zu legen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts 
bildete das deutiche Element die Hälfte der ftarf gemifchten weißen Bevölkerung der da- 
maligen Provinz Pennſylvania. Mennoniten, Inſpirierte, Schtwendfelder, Gichtelianer 35 
und andere Selten waren ſtark vertreten, ebenfo Die Neformirten. Aber weitaus die 
Mehrzahl der deutichen Einwanderer waren Zutheraner. Für ihre religiöfen Bebürfniffe 
war jo gut wie gar nicht geforgt. Ta und dort tauchten Bagabunden auf, die fich für 
Paſtoren ausgaben, oder auch frühere Paſtoren, die in ber alten Welt eine anrüdjige 
agangenheit binter jich hatten und fih nun als Hirten den Schafen aufdrängten, deren 40 
Wolle fie begehrten. Sp der alte Valentin Kraft, ein in Zmeibrüden feines Amtes ent: 
ſetzter Prediger, der im öftlichen Pennſylvanien einen großen Einfluß erlangt hatte. Schon 
im Jahre 1733 hatten fich die drei oben genannten Gemeinden, Neu-Hannover (Falkner, 
Schwamm), Neu: Brovidence (Trappe) und Philadelphia an Dr. Ziegenhagen in London 
und Dr. Stande in Halle gewendet mit der dringenden Bitte um treue lutherifche Pa— 45 
ftoren. Sahre lang hatten Sch die Verhandlungen bingezogen und die Geduld der ameri- 
kaniſchen Lutheraner war auf eine barte Probe geftellt. Da trat nun, gerade ein Jahr 
vor Mühlenbergs Ankunft, Ludwig Zinzendorf, unter dem Namen eines (Grafen von 
Thürnften in Pennſylvanien auf. Betblebem, das amerifanische Herrnbut, wurde im 
Jabre 1741 gegründet. Aber Zinzendorf begnügte ſich nicht damit, den beſtehenden reli= so 
giöfen Denominationen dur diefe Gründung eine neue hinzuzufügen. Mit feinem Nufe 
„Her zu mir, iver dem Herrn gehört” juchte er eine Art böherer Einigung aus allen 
chriſtlichen Benennungen berzuftellen, d. b. von allen Gemeinschaften den Rahm abzu— 
khöpfen. Beſonders aggreſſiv war er den Yutheranern gegenüber. Gr fpielte fih ale 
ihr wohlbeſtallter Superintendent auf und richtete durch perfünliche Cingriffe und os 
durch berrenhutifche Emiſſäre große Verwirrung in lutberifhen Gemeinden an. So ganz 
befonders in Philadelphia. Mühlenberg hatte denn die ſchwierige Aufgabe, nach beiben 
Seiten bin jeinen Beruf als ordentlicher lutberifcher Paltor zur Geltung zu bringen, — 
jenen unwürdigen Eindringlingen gegenüber, wie fie in Balentin Kraft repräfentiert waren, 
und diejem Großen im Reich Gottes gegenüber, dent natürlich in jener traurigen Zeit co 


508 Mühlenberg 
der 


V viele Meinung zu 
— Zn in Bu 





) ftellten. 

ung ging M. mun an feine Arbeit der „Eceelesia Plantanda“ 
——* ee Dr Die an den brei Gemeinden über — von 
nicht weniger als 36 englifchen Meilen (etwa 45 Kilometer), war äußerft 
Straßen gab es noch feine, ebenfo wenig Brüden über die re 

»o Flüſſe. Roß und Neiter waren nicht ſelten in — ana 
—— —— — widmete er ſich treu 





and Huch * 35 und die  Priher Gemeinden am i 
so und die ii er in New-York, denen er zwei Sommer 
Bajtor diente 


utheran als 
| ohl er ſich möglichſt innerhalb de —* eines Tofalen Be: 
rufs zu Dan Le vermochte er fich —— Umftän Eriveiterung 
* — eiſes nicht zu * der ſich ame über Tate (le Lutheraner der 
nordamerifani rov 
Anfang an — in ee Korrefponden; mit den Vätern in Halle darauf 
gedrungen, * ih m neue tüchtige er —— werden ſollten. Am 26. Janua 
1745 kamen zu fer großen 7 a eu — hen. Aal He Nübübl in Schleswig 
aus | 










1 


(geit. 1757) und die zivei Hat ur und J frid) Saum, 
von frommen —— Schulmeiftern. Sie teilten fic Sn in die Arbeit —“ 
ao neue Stationen und Filialgemeinden gründen. Schon im Juni 1745 übernahm Brumn- 
holz die Pbilavelphier Gemeinde, we end M. Providence umd NeusHannover mit den 
| en Filialen bediente. Dort gründete er fich jet auch pro eigenen Hausftand 
un * licher reich geſegneter Ehe mit Anna Weiſer, der Tochter des berühmten — 


er jun., der als Indianeragent und Dolmetſcher bei der Iregierung in 
45 id tem Anfehen ſtand, Den — —— Gehilfen folgten mit ber | * — andere 


weihung der a. 1743 —— St. Michaelistirche in N Whilabelgbin am 14. Auguf 
1748. Am folgenden Tage wurde ber Kandidat Kurz yore Predigtamte ordiniert — Di 
erſte ſynodale Ordination in der lutheriſchen Kirche Nordamerikas. Die Abgeordnete 

55 ber Gemeinden berichteten über den Zuſtand berfelbent. Die Parochialſchulen wurden 
rünblich beiprochen und die liturgiſche Gottesbienftordnung feftgeitellt mit dem Ber 
fänbnis, daß die Paftoren an diefelbe gebunden fein jollten. Bis zum Jahre 1786 war 
— aber nur im Manuſtript vorhanden. Die Schweden, die überhaupt M.s | 
auf alle Weife gefördert hatten, beteiligten fi an der Eröffnun — durch 

o Probſt Sandin. Und in ſpäteren Jahren hatte M. an dem trefflichen Fehtvedifchen Mrobft 






















Mühlenberg 509 


Karl Magnus Mrangel de Saga einen innigen perfönlichen Freund, und in allen kirch— 
lichen Fragen und Schwierigkeiten einen weiſen und zuverläffigen Ratgeber. 

m Herbit 1761 hielt es M. für feine Pflicht, nad) Philadelphia überzufiedeln, wo 
die fchwierigen Zustände der Gemeinde feine perfünliche Gegenwart nötig machten. Brunn: 
bolz war nämlich im Juni 1757 geftorben, und im November wurde Handſchuh, früher 5 
in Germantown, zu jenem Nachfolger beftellt, ein mohlmeinender, eifriger Mann, aber 
viel zu jehr —— und ohne die praktiſche Weisheit und Nüchternheit, Feſtigkeit 
und Selbſtſtändigkeit, wie ſie für den Paſtor der Gemeinde unumgänglich nötig waren. 
Die Oberleitung der Gemeinde, die bis dahin keine förmliche Konſtitution hatte, lag in 
den Händen des Kollegiums der Alteſten und Vorſteher, die auf Lebenszeit erwählt waren 10 
und ſich im Fall einer Stellenerledigung durch Kooptation ergänzten. Die Gemeinde 
ſelbſt war jo von der Leitung ihrer Angelegenheiten faſt ganz ausgeſchloſſen, mas viel: 
fachen Grund zur Unzufriedenheit gab, bejonders in Sacen der yinanzvermwaltung, 
Schulbau, Rirdenbau und Schuldenbelaftung. Handſchuh ftellte fi) in allen Fragen 
unbedingt auf feiten feiner Alteiten und verdarb es dadurch mit den übrigen Gemeinde- 
gliedern. Es trat allmählich eine Spannung ein zmifchen ihm und der Mehrzahl der 
Gemeindeglieder, und fchlieglich auch zwifchen ihm und M., defien Hat er nicht gelten 
ließ. Da eine beträchtliche Anzahl der Unzufriedenen aus Württembergern beitand, kam 
der Hannoveraner Mühlenberg damals zu den jeltjamen Epithet „der Schwabenpfarrer”. 

wiederholten Befuchen, die M. im März, April und Mai 1761 in Philadelphia 20 
machte, um die Eintracht in der Gemeinde wiederherzuftellen, gab er endlich, im Auguft 
1761, der einftimmigen Bitte der Gemeinde nad, als erjter Pfarrer wieder feinen Wohn- 

unter ihnen zu nehmen. Am 29. Oftober traf er mit Weib und Kind in Philadel- 
pbia ein. Ein Jahr nachher legte er der Gemeinde den in Gemeinſchaft mit Propjt 
Wrangel und Paltor Handſchuh ausgearbeiteten Entwurf einer Gemeindeordnung vor, die 236 
in er Zeit von etwa 500 Familienvätern unterzeichnet wurde. Sie fteht in allen 
mwefentlihen Punkten bis zum heutigen Tage in Kraft und bat vielen lutheriſchen Ge- 
menden in Penniylvanien und meiterhin als Mujter gedient. Der Kirchenrat, zu dein 
die Paſtoren ex officio gehören, hat nach diefer Ordnung die Leitung der Gemeinde: 
angelegenbeiten und tft vor dem Geſetz die „Korporation”, die die Gemeinde vertritt. so 
Aber die Glieder desfelben werden regelmäßig von der Gemeinde erwählt. Durh M.s 
Rückkehr und die Annahme diefer Gemeindeordnung wurde allmählig der Friede und das 
Vertrauen wieder hergeftellt, und die Gemeinde fühlte ſich frarf genug, a. 1766 zum Bau 
einer zweiten Kirche, ganz nahe bei der St. Michaelisfirche, zu fchreiten, der Zionskirche, 
die über 2000 Menſchen faßte und lange Zeit für das größte und fchönfte Gotteshaus 36 
- m Nordamerifa galt. In ihre wurde nad Waſhingtons Tode a. 1799 vom Kongreß der 
Bereinigten Staaten, deren Hauptſtadt PVhiladelphia damals war, die Gedächtnisfeier für 
den eriten Präfidenten der Republik gehalten. Leider geben in den fiebziger Jahren des 
19. Jahrhunderts die beiden hiftorischen Kirchen, St. Michaelis und Zions, dem mach: 
fenden Geichäftstrieb der Großſtadt weichen müſſen. Fabriken und hanbelöhäufer haben 40 
ihre Stelle eingenomntn. 15 Jahre verblieb nun M. inmitten der Philadelphiagemeinde. 

im Ausbruch des Unabhängigfeitsfrieges, a. 1776 zog er fich wieder nach Providence 
zurüd. Aber erft 1779 wurde feine fürmliche Nefignation von der Philadelphiagemeinde 
angenommen, mit dankbarer und ehrender Anerkennung feiner eminenten Verdienſte. 

Im Anfang der jiebziger Jahre hatte er noch einmal die weite und befchmwerliche 46 
Reiſe zu den Salzburger Koloniften in Ebenezer, Georgia, unternommen. Dort waren 
oifhen den Paſtoren Rabenhorſt und Triebner Schwierigkeiten ausgebrochen und Dr. ‘Job. 

ug. Urlöberger, der nach dem Tode feines Vaters Samuel Urleberger (1772) die Leitung 
der Salzburger Kolonien übernommen hatte, erfuchte und bevollmädtigte M. als Unpar- 
teiifcher Die Sache zu ſchlichten. Auch von Dr. Ziegenhagen in Yondon wurde dieſes 60 
Anfuchen unterftüst. Am 27. Auguft 1774 fchiffte ſich M. mit Frau und Tochter nad) 
Charlefton ein. In den Halleſchen Nachrichten bat er nur vorübergehend diefer Reife ge: 
dacht, wahrjcheinlich weil er die Freunde der Sache in Deutfchland nicht durch jene Mip- 
belligfeiten beunruhigen wollte. In feinen Tagebüchern bat er aber jchr ausführlich 
darüber berichtet. Am 8. September traf er in Charleston ein und war während feines 65 
Aufenthalts dafelbjt der Gemeinde in Charleston und den Yutberanern in Eüdlarolina 
mit Rat und That von großem Nuten und Segen. Am 26. Oftober wurde die Reife 
nah Savannah fortgefegt, wo er von dem Teformierten Paſtor Dr. Joachim Zübly 
freundlichft aufgenommen wurde. Bis zum Februar war er dann in Ebenezer und Um: 
gegend beichäftigt, die Streitpunkte zu unterfuchen, den Frieden berzuftellen und die Ge— 60 


fur 


6 


510 Mühlenberg 


minder sur Annabme einer Ronftitution zu beivegen, eine Arbeit, Die er felbit als em 
wabres Marwrium“ bejchreibt. Er mußte fidh überzeugen, daß Rabenhorſt Triebner 
gegenüber weſentlich im Rechte ſei. Letzterer wurde dann auch jpäter von der Gemeine 
jelbit abgeſezt. Am 17. Februar ſchifften ſich die Reiſenden wieder nach Philadelphia 
ein, as fie nach viner ſtürmiſchen Seereije am 6. März erreichten. 

Das legte Nabrzebnt feines vebens brachte M. in der Stille feiner Landgemeinden 
zu, Die er noch nach Kräften mit Wort und Saframent bediente, was ihm aber bei zu: 
nebnender Schtverbörigfeit immer befehmwerlicher wurde. In Diefer Zeit arbeitete er ben 
Entwurf au dent älteften Pennſylvaniſchen Geſangbuch (1786) aus, das beute noch das 

to Muplenbergſche heißt und das, obwohl etwas ſtark unter dem Einfluß des Hallenſiſchen 
Geiſteo Stebend, das beite Geſangbuch im Oſten Amerikas war, bis es (1877) durch das 
treffliche Kirchenbuch des Generalkonzils erſetzt wurde. 

„Mühlenberg bat die Laſt einer Ecclesia nicht plantata, ſondern plantanda unter 
den dructenditen Rerbältniffen getragen. Außer der Serfuhrenbeit der Juftände, der Ber: 

wilderung der Yeute, der Schtwierigfeit, Die verſchiedenen Elemente, aus allerlei Gegenden 
div Wuterlandes bier zufammengewwürfelt, einer ungewohnten Freiheit genießend, in kirch⸗ 
liche Sucht und Ordnung zu bringen, außer dem Mangel jeglicher Hilfe des Brachium 
naoeulare, war noch die Bosheit und der Widerftand fleifchlich geſinnter Paſtoren, die, 
wo ſie nur konnten der Arbeit M.s entgegenwirkten und beſonders anfangs der fünfziger 

vJahre in mehreren Gemeinden Rebellion gegen beijere Ordnung ftifteten, in aller Geduld 
und Weisheit zu überwinden. Und auch aus dem eigenen Lager erwuchs ibm, befonders 
in den erſten Jahrzehnten, durch die Taktlofigkeit einzelner Synodalen nicht wenig Ver: 
druß. Sie alle miteinander überragte er an Mannhaftigfeit, organifatorifchem Talent, 
paſtoraler Weisheit, eigentümlicher Predigtgabe, Hediegenheit des Charakters, Bedeutung 

1 Dev ganze Perfönlichkeit bei weitem . ... Bei aller religiöfen Märme und praftifcher 
Katholizität trug M. den Belenntnisjchriften und der ganzen Eigentümlichkeit des Lutber⸗ 
tun im Synodalweſen, in Gemeindeordnungen, in allen Tonftitutiven Alten ſtets gehörige 
Rechnung. Hervortretenden Anträgen, die lutheriſchen Gemeinden in näbere Verbindung 
mit der aͤngutaniſchen Kirche — Ecelesia lutherizans — bringen zu wollen, wich er 

nt gutem Bedachte aus, mie er überhaupt bei aller Weitherzigkeit im perfönlichen Um: 
Jung win entſchiedener Gegner eines erkünſtelten, innerlich unwahren Unionismus mar”. 
(Br. W.d. Mann, Lutheriſche Kirche in Nordamerika. Art. in der 2. Aufl. der PRE 
wm XVII S. 197 ff) 

Am Zonntag Morgen, den 7. Oktober 1788, ging er zur ewigen Nube ein, mit 

. Yin Werbardts Vers auf den Yippen „Mac End, o Herr, mach Ende an aller unfrer 
Rei ꝛc.“. Die Philadelphiagemeinde wollte feine Yeiche unter der Nanzel der Zione 
kirche beſtatiet haben, aber die Familie entſchied ſich für den Gottesacker bei der Auguſtus⸗ 
tuche in New— Hrovidence, die heute noch unverändert ſteht. Dort wurde er am 10.08 
tober beerdigt. Gedächtnisreden wurden in Philadelphia von Dr. Helmuth, in New-Vorl 

wovon Dr. Kunze gehalten, die beide im Druck erfchienen. Auf feinem Grabftein fteben 
tie trelfenden, propbetifden Worte: 

Qualis et quantus fuerit 
Non ignorabunt sine lapide 
Futura saecula. 

w Noch beute jtebt die Familie Mühlenberg, zahlreich verzweigt, in hoher Achtung und 
It ihre Wertreter in der Kirche, an bohen wiſſenſchaftlichen Anjtalten und in verſchie 
win Kreiſen des geſellſchaftlichen und gejchäftlichen Lebens. Yon Ms Söhnen fint 
beſonders drei hervorragend geworden, die er in Halle erzieben ließ und fürs Prebigtamt 
veſtimmt hatte. Joh. Peter Gabriel, geboren 17 16, orbintert im Jahr 1768, Paſtor in 

„Nero Jerſey, und jpäter in Woodftod, Virginia. Für den Dienft in Virginia mußte er 
Wil a. 1772 von dem Biſchof von Yondon die anglifanifche Weihe geben laſſen. Im 
uns 1776 vertauſchte er den Prieſterrock mit der Uniform, zog an der Spitze eines 
Neginento in den Kampf gegen England, ftteg zum General in der amerilanischen Arme 
uf, und erwarb ſich Waſhingtons bleibende Freundſchaft. Nach dem Krieg wurde er 

w Hl egnihbieriteut von Pennfplvanien, Kongregmitglied und Senator. Gr ftarb in Phila⸗ 
wipbia I. Cftober 1807. 

Feer zweite Sohn war Friedrich Auguſt Ronrad, geboren 1750, ordiniert a. 1770, 
Paſtor der Ghriftusfirche in New-York, Gründer des New⸗ Hork Miniſteriums Später 
al er in den Staatsdienjt über, wurde Kongreßmitglied, Präfident der Legislatur von 

. Pennſplvanien, Präſident der Konvention, die Die Konftitution der Vereinigten Staaten 


Mühlenberg Mühlhänfer 511 


ratifizierte. Auch dem erften und dritten Kongreß präfivierte er als Speaker. Gr ſtarb 
in Lancaſter a. 1801. 

Der jüngite Sohn, Gotthilf Heinrich Ernſt, geboren 1753, ift der einzige, der beim 
Predigtamte blieb. Er wurde a. 1770 ordiniert, affiftierte feinem Vater, wurde a. 1774 
dritter Baltor der Philadelphingemeinde Von 1780 bi8 1815 war er Paftor der Trini- 5 
tatisfirche zu Lancajter, Penna. In weiteren miflenjchaftlichen Kreiſen hat er ſich als 
hervorragender Botaniker einen Namen gemadt. Adolph Späth. 


Mählhäußer, D. Karl Auguft, geft. 1881. — Joh. Reinmuth, Karl Aug. Mühl: 
häußer, Heilbronn 1882 (Beitfragen des chriftl. Voltsleben® Bd VIII, 9. 1 u. 2). 

Geboren am 26. Februar 1825 zu Kleinfems in Baden, erhielt M. den eriten 10 
wiſſenſchaftlichen Unterricht von jeinem 1848 als Dekan in Bretten veritorbenen trefflichen 
Bater. Später befuchte er dad Gymnaſium und nad) deſſen Abfolvierung vom Herbſte 
1843 an die Unwerfität zu Heidelberg, wo bejonders Nich. Rothe auf ihn Einfluß ge- 
mann. Wenn M. im Jahre 1878 Rothes praftiihe Erklärung des erſten Johannes— 
briefes berausgab, jo mollte er damit, mie er erklärte, der Dankbarkeit gegen feinen 15 
bochverehrten Lehrer öffentlich Ausprud geben. Nachdem er im Frühjahre 1847 die 
theologifche Prüfung mit Auszeichnung bejtanden batte, war er zuerit als Vikar in Eppel- 
beim und dann als Stadtvikar in Karlsruhe thätig, wo er, feit 1851 unter dem Titel 
eines Hof: und Stadtdialonus, eine gejegnete Wirkſamkeit entfaltet. 1854 folgte M. 
einem Rufe ald Pfarrer nad Sulzfeld und gewann in bdiefer damals an zahlreichen 20 
echäben franfenden Landgemeinde durch treue Seelforge bald die Herzen feiner Pfarr: 


2 
w 


Schon als Student war M. in nähere Beziehungen zu Karl Ullmann getreten, 
welcher Tpäter auf der von ihm ins Leben gerufenen Durlacher Konferenz und von 1853 
an als Prälat Gelegenheit hatte, M.s hervorragende Begabung und reiche Arbeitskraft 3 
fennen und jchägen zu lernen. Ullmann war es auch, der im Februar 1857 die Be: 
rufung des jungen Pfarrers in den Oberfirchenrat, zunächſt ala Aſſeſſor, erwirkte. Raſch 
arbeitete ſich M. in jeine neue ausgedehnte Thätigfeit ein und führte namentlich das ihm 
übertragene Neferat über das Volfsichulmefen bis zum fahre 1862, in melchem deſſen 
Leitung an den Oberſchulrat überging, mit Serechtigteit Wohlwollen und aud von vielen 30 
Lehrern anerfannter Sachkenntnis. Bald nah M.s Eintritt in den Oberfirchenrat famen 
für Denfelben jchwere Zeiten. Die 1855 zum erftenmal feit zwölf Jahren berufene 
Generalfynode hatte den von Ullmann bearbeiteten neuen Rateciemus und eine neue 
biblifche Geſchichte einjtimmig angenommen und, wenn auch nicht ohne Widerfprucdh, ihre 
Zuftimmung zu einer neuen Formulierung des Belenntnisjtandes erteilt, durch welche die 35 
Augsburger Konfeflion, der lutherifche und der Heidelberger Katechismus „in ihrer über: 
einftimmenden Bezeugung der Grundlebren heiliger Schrift” als Befenntnifje der badifchen 
Landeskirche anerfannt wurden. Die ebenfall$ angenommene neue Gottesdienſtordnung 
war nur deshalb noch nicht eingeführt worden, weil die Synode in dem neuen Kirchen: 
buche auch die Neben: und Kafualgottesdienfte geregelt wiſſen mollte, welche in den 1855 40 
vorgelegten Entwurfe nicht berüdfichtigt worden waren. Die Diöceſanſynoden des Jahres 
1857 drängten auf baldige Ingebrauchnahme der vervollitändigten neuen Agende, welche 
dann 1858 genehmigt wurde. Mäbrend aber bis dahin eine Oppofition dagegen kaum 
laut geworden war, erbob ſich nunmehr ein mit allen Mitteln politifcher Agitation ge: 
leifteter Widerftand, der in Verbindung mit dem von denfelben Männern geleiteten Kampfe 45 
gegen das, allerdings jeden Evangelifchen zum Widerſpruch herausfordernde, Konkordat 
bon 1859 jchlieplich zum Eturze der badischen Regierung führte. Die neue Gottesdienft- 
ordnung ſelbſt wurde zwar nicht befeitigt, aber das Minifterium der „neuen Ara“ mit 
Dr. Lamey an der Spige, welches der Oppofition entgegenfommen mollte, begehrte mit 
Entſchiedenheit die Berufung eines gemäßigt liberalen Mannes, des fpäteren Vrälaten vo 
Doll, in das Kirchenregiment, aus dem dafür der pofitive Oberfirchenrat Seins ausfcheiden 
follte. Als es Ullmann nicht gelang, das zu verhindern, gaben er und Oberfirchenrat 
D. Bähr ihre Entlafjung, welde ihnen Ende 1860 auch bewilligt wurde. Ullmann wurde 
durch Holgmann, Bähr durch Doll erſetzt. M. aber, obwohl er im übrigen auf Ull: 
manns Seite ftand, bielt es für Pflicht, auf feinem Poſten auszubarren, jo lange das 55 
Bekenntnis der Kirche nicht angetaftet werde. Noch faft vier Jahre blieb er, feit Anfang 
1861 als Iberkirchenrat, ein angejebenes Mitglied der Kirchenbehörde, in welcher er noch 
manchen beiljamen Einfluß üben konnte. An der 1861 eingeführten neuen Kirchenver: 
faſſung erfannte er an, daß fie die Rirchenglieder zur Zelbftbeteiligung beranziehe, be: 


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ERTIEN Rebe in und auperbalb der Synode einen fo tiefen Eindrud, daß wie es 


Wüblbänker 


zer: one Zeibiritandiafeit der Nirche durch fte nur 
„meSon on. Wesndere mißbilligte er, daß die 
OS TAT” — —— 3 Zeiitlichen und die welilichen nur 
— rar mer um un begehrte Die Wabl beider durch 
on Orr wmmzirnode, su deren Mitglied er von dem 
8 or To Viden für ſeinen Zıianteunft ein und enthielt 
. S-2..z. zıpı Musmdrang, Ichließlih Der Abitimmung, weil er 
So. Neon, Seren, nicht aber wichtigen Errzselbeiten in berielben 
00a. Zen uns und parlamentarich cttdres Auftreten auf 
2 euer Anerfennung ab. 
=. ni nenn Ws Stellung in Dem Oberkirchezrate nicht baltbar. 
-, Ita me Anvelben ausjcbied, um das Amı vines Hofpredigers 
np Nut ungen Lie. Sausratb erjeßt werden ſollte, glaubte M. 
ad Zemerogen nicht in demſelben Kollegium ‚uiammentvirten zu 
un, ee Eutlaſſung aus Dem berfirchenrate su nehmen und in 
eo na Pifarrers zurückzutreten, mußte jedoch zunächit im Amte 
pi Sb sum Pfarrer in Wilferdingen, einer zwiſchen Karlörube 
rd ‚ufadden Landgemeinde, gewählt wurde. Einen inzmifchen durch 
own dr ergangenen Huf nach Südafrika, um dort Die von der 
rundreien, nun zur Zelbitftändigfeit reifen, Gemeinden zu organi: 
‚Im 22. November 1864 309 er ın Wilferdingen auf. Nang und 
Soretssiiine wurden ihm belaſſen. Bis dahin hatte er in der Mirchen: 


0.2 Tri Abalten und in manchen ragen jeiner von der Mebrbeit 


a uni „tichieden Ausdruck gegeben. Das geichab beſonders bei dem am 
20. einfangen Zißung des Überfirchenrats und des Generalſynodal⸗ 
nes ADEIENDEN Bejcheide auf den Proteft von 119 badiſchen Geilt- 
are obarakterbild Jeſu und deſſen Stellung ale Direftor des Heidel⸗ 
rt sehampfte denjelben als unverträglich mit dem Weſen der Kirche 
zw vadiſche Yandesfirdhe. Nach den in dem Beſcheide aufgeltellten 
Teornorm in Der Kirche überbaupt nicht mehr nötig und eine Kebr: 
ht, Die ganze geſchichtliche Entwidelung der Nirche werde bamit 
un Jemeinſame Baſis Des Glaubens ibr abgefprochen. (Vgl. M.s Votum 
vs Nemmutb 2.32. und fee Nede in der Durlacher Ronferenz am 

ln 
unsih wieder zum ſchlichten Yandpfarrer geivorden, erfüllte M. bis zu 


0 Namb fein Amt ihm auferlegten Brlichten mit gemiffenbafter Treue. 


suis Predigten an Sonn- und Feſttagen, die er alle niederichrieb, fondern 

a vin in der Woche gebaltenen Bibeljtunden bereitete er ſich forgfältig 
ad That Sand M. in allen Yebenslagen feinen Semeindegliebern zur 
buen bewieſene Yiebe durch dankbare Anhänglichkeit vergalten. Aber 
Wietanmteit in dem füllen Dorfe fonnte der arbeitsfreudige Mann nunmehr 


. wrebieten eine ausgebreitete und erfolgreiche Thätigkeit entfalten, von 


ey. elle wegen Mangels an Zeit, teile aus Rückſicht auf feine Stellung 


ren Dtte zurückhalten müſſen. In den kirchlichen Kämpfen der nächiten 


yo. der anuerkannte Führer der „pofitiven“ ‘Partei. In einen Vortrag 
ins uchliche Lage“ auf Der Turlacher Pfarrkonferenz, an der er jeit jenem 
oo Vberhirchenrat nicht mehr teilgenommen batte, rief er unter jcharfer Nenn: 


St entgegenſtehenden Nichtungen bereite am 2. Mat 1865 alle auf pot: 


RSiehenden zur Sammlung auf. Die nächlte Frucht dieſer Rede mar 
ARantſallon der „Pfarrkonferenz“, aus welcher jpäter die Geijtliche und 
ds, lahrlich zweimal in Durlach, Heidelberg oder Offenburg tagende, „evan⸗ 


teil, hervorging. In Die Generalſynode von 1867, in welcher ſich die 
Yale ſihroff entgegenſtanden, wurde er von den Geiſtlichen der Diöceſe 


dort Beiden Verhandlungen über den erwähnten kirchenregimentlichen 
IA centelſchen Streite vermochte er zwar mit feinen Anträgen nicht durch 
tag aber burch eine in dieſer Sache gebaltene, durch freimütige Entſchieden⸗ 
Zube ebenſo wie durch weitherziges Entgegenkommen gegen die Perſonen 


ee dieſer ANede dem Mebhrheitsbeſchluſſe der Synode, welcher jenen Erlaß 


| X "rent und den firchenrechtlichen Bejtimmungen der badifchen Yanbesfirche ent: 


Nühlhänfer 513 


ſprechend“ erklärte, die landesherrliche Sanktion ſtillſchweigend verjagt blieb. In der 
nächften Generalfynode, der „Friedensſynode“ von 1871, an welcher Di. wieder als eines 
der bervorragendften Mitglieder teilnahm, traten die prinzipiellen Gegenfäge mehr in ben 
Hintergrund, da die hier befchlojjene Konfirmationg: und Trauordnung ebenſowenig wie 
die neue theologifche Prüfungsordnung und die Einrichtung von Militärkirchengemeinden 5 
zu foldhen Erörterungen Anlaß bot. Dagegen brachte die Generaliynode von 1876, im 
welcher der Katechismus von 1855 wieder befeitigt twurde, neue Kämpfe, in denen es 
M. mit feinen Freunden gelang, bei den Verhandlungen über Barallelformulare bei Taufe 
und Konfirmation wenigſtens die Beibehaltung des apoftolifchen Glaubensbefenntnifjes in 
allen Irwulaen wenn auch nur mit einer referierenden Eingangsformel, durchzuſetzen. 
ie an den kirchlichen, ſo nahm M. auch an den politiſchen Kämpfen jener Zeit 
lebendigen Anteil. Als Mitglied des badiſchen Landtags, welchem er von 1867 bis 1871 
und dann wieder von 1879 bis zu ſeinem Tode angehörte, bewies er ſich als ebenſo 
ſachkundigen wie Heſgüigen und beredten Parlamentarier. Die Ausſchreitungen des 
Liberalismus im Kulturkampfe führten ihn dazu, ſich im Jahre 1876 an der Gründung ı; 
der deutfch-fonfervativen Partei zu beteiligen, deren damals aufgeftelltes Programm in 
wejentlichen Punkten auf ihn Arrüczuführen ft. Big au feinem Ende trat er durch 
Wort und That für die hier verfochtene Sache ein und ließ ſich auch durch mancherlei 
Enttäufchungen den Mut nicht rauben, wie er einmal fagte, durch die Liebe zu lee 
Volke immer wieder an die Arbeit getrieben. Bon dieſer Liebe zum Wolfe geleitet ſtellte u 
M. auch feine gewandte Feder gerne in den Dienjt der Prefle, deren hohe Bedeutung 
für die Geftaltung des Volkslebens feinem fcharfen Blide nicht entging. Schon vorher 
ein eifriger Mitarbeiter verfchievener kirchlicher und politifcher Zeitfchriften, beteiligte 
er fi) 1867 an der Gründung der „Warte“, einer babifchen konſervativen Zeitichrift, 
aus welcher jpäter (1876) die „Deutiche Reichspoſt“ hervorging. Im Jahre 1876 rief 2 
er mit Geffken die „Zeitfragen des chriltlichen Volkslebens“ ing Leben, in denen in ge- 
diegenen Flugſchriften die wichtigften Fragen der Gegenwart im Geilte des Evangeliums 
erörtert und die fih daraus für unfere Zeit ergebenden Aufgaben und Pflichten dar⸗ 
Ih werben follten. Gleich die erſte diefer Brofchüren mit dem Titel „Chriftentum und 
Preſſe“ ftammte aus M.s Feder und betonte unter eingehender Darftellung der bier be= 30 
ftehenden Verhältniffe und in meiterer Ausführung von Gedanken, die er ſchon 1874 in 
wei zu Heidelberg und Frankfurt gehaltenen Vorträgen ausgeiprochen hatte, energijch die 
flicht, im Geiftesfampfe der Gegenwart durch die Preſſe für die chrijtliche Weltanfchau: 
ung einzutreten. So fleißig aber M. an chriftlichen Zeitfchriften und der Tageslitteratur 
mitarbeitete, fo ift er doch zur Herausgabe eines größeren Werkes nicht gelommen. Die: 
bedeutendften der jehr zahlreichen von ibm verfaßten Brofehüren und größeren Artikel in 
Beitfchriften werden von Reinmuth (a. a. D. ©. 79) angeführt. 

Beiondere Berbienfte hat ſich M. um die Förderung der inneren Miffion in Süd— 
deutfchland erworben. An allen Werken derjelben an den Orten feines Wirkens und in 
gan Baden nahm er lebendigen Anteil, verfchievene regte er felbft an und ftellte bereit= 40 

illig feine Kraft in deren Dienft. Die heute noch mit Segen beſtehende „ſüdweſtdeutſche 


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Konferenz für innere Miffion” hat zwar nicht, wie Neinmuth (a. a. O. ©.53) annimmt, 
M. gegründet, fondern der geiftvolle und feine Delan Lynder von Speyer (geit. 1895), 
auf deſſen Einladung im Herbite 1864 eine Anzahl von Freunden der inneren Miſſion 
aus Baden, Heflen, Württemberg und der Pfalz in Heidelberg zufammentrat, um über s5 
einen engeren Zuſammenſchluß der Freunde der inneren Miffion in den genannten Ge: 
zu beraten. Aus diefer Zujammenfunft erwuchs dann Die ſüdweſtdeutſche Kon⸗ 
ferenz, welche zuerſt am 21. Juni 1865 unter Lynckers Vorſitz in Bruchſal tagte. Dagegen 
war M., der 1867 auch dem Centralausſchuſſe für innere Miſſion angehörte, eines 
der thätigſten Mitglieder, ja wie ſein Nachfolger im Vorſitze, der ſpätere Prälat Schmidt co 
1881 nicht ohne Berechtigung von ihm ſagte, die Seele der genannten Konferenz, welcher 
er auch von 1870 bis 1872 und dann wieder 1880 präſidierte. (Vgl. F. J. Krieg in den 
Monatsblättern für innere Miſſion, Karlsruhe 1902, Auguſtheft.) 

1879 von einem ernſten Nierenleiden befallen, blieb M., auch als er bereits ſchwer 
leidend war, in voller Thätigfeit in feinem Amte, in welchem eine zu Wilferdingen ge: 55 
zade berrichende Tuphusepidemie feine Kraft noch befonders in Anjpruh nahm. Am 
21. Januar 1881 verichied er janft, nachdem er noch an Meihnacten und Neujahr ge: 
predigt hatte. Eine für den 9. Januar niedergefchriebene Predigt hatte er nicht mehr zu 

vermocht. Seine dankbare Gemeinde feßte „dem treuen Seelforger“ den Grab: 
in. Seit 1851 hatte M. in glüdlicher Ehe mit Julie Wilhelmine Godel aus Karls- co 
Beal«Encpllopädie fiir Theologie und Kirche. 8.4. XIII. 33 


514 Mühlhänfer Müllenſiefen 


ruhe gelebt. Dieſelbe ſchenkte Dee eine Tochter und vier Söhne, von denen ihm ber ältefte 
1877 im Tode borausging. Die | 


| B 
— beein ei 





Düllenfieen, u ulius, geft. 1098;  Frut Müttenfifen, rediger D . EM, in 
„19. Ja 158; ©. M. in 
— 6 gehe von ber der Prebigt, 1.8.2 Ik ROTER TONER EEE 


üllenfiefen i 
nn in dem durch bi nd Bela Orte heründet Bat, 
— —— ja m —* vo * —* 


iſterung der en an, wurde auch d ſpäter a 
eu ger echenſchaft I Da er aber wegen feiner Jugend pr 
nicht in die innere nr Ba der Burſchenſchaft aufgenommen worden war, und 
[, General von Dieft, für ihn fich verbürgte, wurde die Ur 
gefehla In Halle wurbe für ihn, tie für viele, Tholuck (f. d. A), dem er nähe 
| treten durfte, ein geiftlicher Bater. In Berlin beendete er feine Studien in 
25 20. Sabre. "Söleiermader übte auf feine theologische Enttwidelung Einfluß 
— in dem je des genannten Generals und Chef des Generalſtabes 
in Bofen entfaltete feine hervorra Ef bäbagsgiiäe. igkeit. Nach der U 
hung des General von Dieft nach in trat er dem Oberhofprediger Strauß und ben 
vedigern Gouard und Arndt nahe. Den nadhaltigiten Einfluß aber übte Johannes 
— a n aus —— 1836 trat er das ihm angebotene Pfarramt in Cothen 


Bildof oh i — — der vor allem für Berlin gewonnen 
1: Be fine Veranlafr 19 bevarb iD. im — —— 
ie * 






2 


** 





den Befi bon * über Bingen. ei an Bemeinbegliebetn —— a aeg 
niederen, ja dem am tiefiten ſtehenden Proletariat an. M. bat ftetß en feinen ihm 


Müllenfiefen Müller, Georg 515 


zunächſt anvertrauten Gemeindegliedern in Treue gedient und war bei ihnen eine hoch— 
eachtete und geliebte, man kann fagen populäre PWerfünlichkeit. Seine Hauptarbeit er: 
echte .e aber weit über die Grenzen feiner eigenen Gemeinde hinaus. Kein anderer 
Geiftliher Berlin? hat wohl eine folche umfaflende Seelforge fowohl im perjünlichen 
Verkehr als audy in einer vielfeitigen täglichen Korreipondenz nach allen Gegenden ge: 
habt, wie M. Seine feeljorgerliche und pädagogifche Gabe Tam infonderheit im Sonfir- 
mandenunterricht zur Entfaltung. Aus ihm erwuchs die Seelforge in den Familien. 
Jahraus, jahren, Sommer wie Winter, gab er wöchentlich 16 Stunden, in den leßten 
Jahren 12 Stunden Konfirmandenunterricht, ohne daß ibm je diefe Arbeitslaft zu viel: 
wurde. — Auch feine Predigten trugen den feeljorgerlichen Charakter. Sie find that- 
fächlich, wie er fie im Titel nannte, „Zeugnifle von Chriſto“, „bejonders in dem Sinne, 
daß fie aus der Fülle einer reifen zur Stille und Sicherheit geflärten Erfahrung von 
dem reden, was das Menfchenleben in Ehrifto gewinnt; daß fie eunblid dem Suchenden 
die Hand reichen, um zum Frieden zu kommen; daß fie Die noch unficher und zweifelnd 
Taftenden ohne apologetifche Künfte und Beweisführungen an den inneren Bedürfniſſen 15 
und Erlebnifjfen über den Weg zur Wahrheit orientieren. Ein tiefer Gewiſſensernſt, eine 
feine fittliche —— bildet im Zuſammenhang mit dem Frieden und der Freiheit 
der Gotteskindſchaft den immer durchſcheinenden Hintergrund, ſo daß die Rede, ohne mit 
Erſchütterungen zu beſtürmen, doch innerlich anfaßt und gewinnt und fördert“ (Hering 
a. a. O.). Dazu kommt aber ein von aller künſtlichen Rhetorik freier, überaus flüſſiger, 20 
Horer Stil, der ſich in feinem natürlichen Wohllaut allein in den Dienft des Inhalts 
ftellt. Er felbjt berichtete, daß das Wort eines würdigen von ihm befonders hochgeachteten 
Lehrers nad) diefer Richtung für ihn von großem Segen getvejen fei, der bei Rückgabe. 
eined Aufſatzes ihm gefagt hatte: „Dir fehlt alle Phantaſie, und du mirft dir die Luft 
zum Studium vergeben lafjen müfjen; beſonders die Theologie ift gar nichts für dich, 
denn vie würden deine Predigten ausfallen?” Gerade diefe Demütigung trieb ihn an 
enauer auf die Sprache zu achten und durch lautes Leſen Haffischer Mufter den Sinn 
ür den Rythmus der Sprache und für die dem Anhalt genau entiprecdyende Form bes 
Ausdrudes zu pflegen. Der Vortrag der Predigt war bei M. vollftändig frei von jeber 
ik. Dem — genau entſprechend war feine Redeweiſe auch auf der Kanzel so 
durchaus natürlich, nicht von hinreißender Kraft, aber unmillfürlic das Herz und das 
— des Hörers feſſelnd. — Seiner Natur lag es fern auf kirchenpolitiſchem Gebiet 
elnd einzugreifen. Dennoch hat er von der außerordentlichen Berliner Generalſynode 
1846 an faſt jeder Provinzial- und Generalſynode angehört und hat ſtets mit Freimut 
und Entſchiedenheit feine Überzeugung vertreten. Er mar als Weſtfale ein Vertreter der 35 
Union. Bei den Beratungen über die General-Synodalordnung im Sabre 1875 ift er für 
die Annahme derſelben entſchieden eingetreten und hat fich der Partei der „pofitiven Union” 
unter Kögels Führung, |. BB X ©. 614, ı3 nie angelchloffen. Der Einfluß feiner Perfön- 
lichleit in dem durch Parteien zerflüfteten Berlin zeigte ſich vor allem bei den erjten 
Wahlen der firchlichen Gemeindevertretung. Während in allen Gemeinden Berlins der 40 
el, Kampf der Parteien entbrannte, vollzogen fi in der Martiengemeinde 
die blen ohne ſchroffe Gegenfäge. M. veritand es meilterhaft auch twiberttrebende 
Elemente in den Dienft der Kirche zu ftellen und die Herzen für die pofitiven Aufgaben 
u ernſter und freudiger Mitarbeit zu gewinnen. Die Mariengemeinde war ftet3 ein- 
orbild des vertrauensvollen Zuſammenwirkens von Amt und Gemeindevertretung. Wie 45 
fehr die allgemeine Liebe ihn trug, davon legten fein 25jähriges Berliner Amtsjubiläum 
und fein Scheiden aus dem Amt, ſowie acht Jahr fpäter fein Begräbnis beredte Zeug: 
nifje ab. Außer einzelnen Predigten find folgende Predigtſammlungen M.s erichienen 
und haben eine weite Verbreitung gefunden: „Zeugniſſe von Chrifto”, 4 Bde, fpäter als 
„en Jahrgang Predigten” in 1 Band erichienen, 15. Aufl. 1894; „Das Wort des co 
Lebens“, 4 Bode, 8. Aufl. 1888; „Der Weg des Friedens” 1 Bd, 1871. Am meiteften 
verbreitet find „Tägliche Andachten zur häuslichen Erbauung”, in mehreren Stereotyp- 
ne zulegt 17. Aufl. 1895 erfchienen. Zu nennen find noch „Das chriftliche Haus. 
Ein Beitrag zur focialen Frage‘ 1879, und (nad) feinem Tode erfchienen) „Abe für das: 
Griftliche Haus”, 1894. Alle Schriften find bei Stein-Halle im Verlag, Der Gefant- 55 
ertrag feiner Schriften floß und fließt noch den von ihm in feiner Gemeinde gegründeten 
Liebeswerken zu. Georg Rietſchel. 


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10 
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Mäller, Georg, zu Briftol, get. 1898. — Litteratur: Die widtigfte und: 
teihfte Quelle find Müllers Tagebücher: „A Narrative of some of the Lords Dealings with 
33” 


516 Muller, Georg 


Gg. M., written by himself“, 4 Bände. Außerdem engliſch u. deutſch: „Gg. M.; ein Glaubens⸗ 
apojtel unjerer Zeit“, von F. G. Warne; nur deutfih: „Leben und Wirken des Gg. M. in 
Brijtol“, von ®. Claus; „Sg. Müller, ein Abriß feines Lebend und eine Auswahl feiner 
Reden“, von DO. Steinede; „Georg Müllers Vermächtnis an und“, herauög. von der Miſſions⸗ 

5 buhhandlung in Neulirden. Zur Erkenntnis der M.ihen Gedankenwelt ift zu empfeblen: 
„Counsel to Christians“, von ihm felbjt, ſowie eine große Anzahl von Traftaten und Reben. 
— Meber Müller? Verhältnis zum Darbysmus: William Blair Neatby „A History of the 
Plymouth Brethren“ und die zum Artitel 3. N. Darby S. 483 Bd 4 angeführte Kitteratur. 
-— Nah M.s Tode erfhienen in faft allen kirchlichen Blättern Ueberſichten über fein Leben. 

ı Sehr initrufiv ift der Auffag in der Reform. Kztg. 1898 p. 148ff. von Baftor Krüsmann: 
„Beorg Müller in Briftol”. 

Zu den außerorbentlichen Männern, durd die Gott die evangeliſche Chriftenheit des 
vorigen Jahrhunderts geiegnet bat, gehört in erfter Linie Georg Müller. Von Geburt 
ein Deutfcher, hat er in England das Feld feiner weltumfaflenden Thätigkeit gefunden, 

15 aber feine Beſtan ragt nicht allein hervor in der Geſchichte der chriſtlichen Liebesarbeit ſeines 
Adoptivvaterlandes, ſondern ſie hat ökumeniſche Bedeutung, in Amerika wie auf dem 
europäiſchen Kontinent hat Georg Müllers Arbeit nachhaltige Spuren hinterlaſſen. — 
Er wurde geboren am 27. September 1805 zu Kroppenſtädt bei Halberſtadt, ſiedelte 
jedoch ſchon 1810 nach Heimersleben über, als ſein Vater dort den Poſten eines Steuer⸗ 

20 einnehmers bekam. Mit 10 Jahren wurde er en des Gymnaſiums zu , 
er follte Pfarrer werben, weil der Vater den Kirchendienit ald eine geeignete Verſorgung 
betrachtete. Geiftliche Eindrüde blieben dem Knaben fern, der Vater ftrafte feinen Sohn 
wohl gelegentlich grober Übertretungen, enthielt fi) aber jeder Einwirfung auf deſſen 
Sinnenleben. Müller bat jelbft in „A Narrative etc.“ das Bild feiner Jugendzeit ent- 

26 worfen: ein wildes, im ganzen unbeauffichtigtes Heranwachſen, ein Sichg in 
allerlei Sünden. Auch die Schule und der Stonfirmandenunterricht, felbit der Tod der 
Mutter änderten hierin nichts, Negungen der Neue und Zorfähe zur Beflerung maren 
immer wieder fchnell vergeſſen. Während der beiden legten in Norbhaufen verlebten Gym- 
naftaljahre hielt er je zwar äußerlich in den Schranten und gab fih eifrig feinen 

»0 Studien hin, innerlidy jedoch blieb er derjelbe, der, mo es möglich war, fogar vor 
und Trug nicht zurüdichraf. Oſtern 1825 bezog Müller mit ehrenden ulzeugnifien 
als Student der Theologie die Univerfität Halle. Im Kreife gleich leichtfinniger Kameraden 
wurde das alte Leben zunächſt fortgefett, weder in Verfönlichkeiten noch in der Predigt war 
ihm bisher der Ernft des Chriſtentums entgegengetreten. Sein Gewiſſen ftrafte ihn wohl, 

»5 aber zu einem Bruch mit feinen fündigen Neigungen kam es nit. Dieſe über feinen 
ganzen ferneren Weg entfcheidende Erfchütterung erfolgte erft im November 1825. Durch 
Vermittelung feines Studienfreundes Beta fand Müller Zugang zu einer kleinen Ge— 
meinfchaft von „Stillen im Lande”, einfacher Bürgersleute, die im Haufe eines Hand⸗ 
werlers, namens Wagner, zu gemeinfamem Gebet und Geſang und zum Xefen einer ge 

# drudten Predigt zujammenfamen. „Dieſe einfältigen, liebevollen, betenden Chriſten 
machten auf ihn einen folchen Eindruck, daß fih ihm eine ganz nme Welt auf: 
that, die ihn mit einer Glut von Glüdfeligkeit erfüllte.” Bon jenem Abend am batierte 
Müller felbjt den Anfang feines Ghriftenlebens; ohne Verzug und Rüdficht wurde ge 
brochen mit den ehemaligen Freunden und dem leichtfinnigen Wandel und ftatt defien 

dä der engfte Anſchluß gefucht an den ihm zu folhem Segen getwordenen Kreiß von Gläubigen. 
Schon in diefer erften Zeit feines Glaubenswandels zeigten fich an dem jungen Studenten 
manche der ihn immer mehr augzeichnenden Charakterzüge: durch Verteilung von Trak: 
tnten und perfünliche Benühungen um das Seelenheil der früheren Genoflen fuchte er 
zu wirken für den Herrn; immer ausfchließlicher beichäftigte er ſich mit der Bibel, Die 
ia ſtets in fortlaufender Neihenfolge durchlas; nicht „ſtudierte“ Predigten wollte er 
halten, fondern einfach dag Wort auslegen unter Gebet um den Beiltand des heiligen 
Geiſtes; er wünjchte, unmittelbare Erfolge feines Betens und Arbeitens zu fehen. Um 
kun nachherigen Wirkens willen fer auch erwähnt, daß M. eine Zeit lang in be 
Franckeſchen Stiftungen Wohnung nahm. Drei Sabre blieb er in Halle, von feinm 

«dh theologischen Lehrern gewann feiner auf ihn nennenswerten Einfluß, auch der bamald 
nach Halle nerufene Prof. Tholud, mit dem M. in freundfchaftlichen Verkehr trat, und 
den er bochverehrte, vermochte die durchaus jelbititändige Entwidelung des Jünglinge 
nicht zu leiten. Durch Tholud wurde ihm der Meg gebahnt zur Verbindung mit br 
london Missionary Society for promoting Christianity among the Jews, um 

in deren Seminar ſich zum Judenmiſſionar ausbilden zu laflen, nachdem ein ’ 
Heidenmiſſionar zu werden, am Widerſtand des Vaters gefcheitert war. Am 19. Kin 


Müller, Georg 517 


1829 landete er in London, und es begann eine arbeitsvolle Zeit. Infolge Überanftrengung 
bald erkrankt, war M. gezwungen, London zeitweiſe zu verlaffen und einen Landaufenthalt 
u nehmen in Teignmouth im ſüdlichen England. Diefe Mußezeit ijt nicht bloß des⸗ 
b beveutfam, weil damals die Erwägungen einfegten, die mit dem Entichluß endeten, 
1830 die Verbindung mit der London Society zu löfen, fondern vor allem, meil feit 5 
den Tagen von Teignmouth der in jener Zeit mit frifcher Kraft wieder aufwachende 
Glaube an die baldige Wiederkunft Shift auch fein Herz erfaßte. Die ihn nad) feinen 
eigenen Worten beivegende Yrage: „mas kann ich für den Herrn thun, bevor er wieder⸗ 
fommt, wenn er bald kommt?“ iſt für alle feine fpäteren Schritte durchſchlagend ge- 
worden. 10 

Um Ms Denken und Handeln in der Folgezeit zu würdigen, ſei daran erinnert, 
daß 1823 die fpäter im Darbysmus verfteinerte Bewegung der fog. Plymouth Brethren 
ihren Anfang genommen und auf die Gläubigen Englands in fteigendem Maße Einfluß 
gewonnen hatte. Open communion und open ministry waren die Loſungsworte der 
neuen Gemeinschaft, Abneigung gegen alle beſtehenden Kirchengemeinfchaften ihr Charakter⸗ 15 
178, Rückkehr zu den apoftolifchen Lebensgewohnheiten ihr deal. Eine nicht unbedeutende 

nzahl erniter, tüchtiger Männer hatte fich der in Dublin entfprungenen Bewegung an- 
geichloffen und ihre Gedanken in meite Kreife getragen. Mit der Gedankenwelt diefer 
Gemeinſchaft kam M. in Berührung, als er zu Teignmouth befreundet wurde mit dem 
jungen jchottifchen Prediger Henry Crail, dem Schüler und Freund des liebensmwürbigften 20 
unter den Begründern des Brethrenism, Anthony Norris Groves. E3 bedurfte Feiner 
befonderen Mühe, um M. zu einem begeifterten Adepten der Grundſätze der Brethren zu 
machen, feine bisherige Entwickelung hatte ihn genügend darauf vorbereitet. Wenn die 
„Brüder“ jede Leitung durch Menſchen in geiftlichen Dingen verwarfen und unmittelbar 
vom Geift Gottes geleitet zu fein glaubten, jo war M. fchon längft ähnlich geitimmt ; 25 
er war 4.8. äußert mißtrauiſch gegen jede mifjenfchaftliche Erklärung der Schrift, meil 
fie wohl den Kopf mit Kenntniſſen fülle aber das Herz leer lafle, der heilige Geift fei 
der einzige Erflärer, neben dem wir feines anderen bebürfen (vgl. A Narrative I, p.31). 
Ferner hatte ihn das Bild der noch in den Banden des Rationalismus fchlafenden 
evangelischen een mit tiefer Abneigung erfüllt gegen das Staatskirchentum; so 
fchon vor feiner Überfiedelung nad) England waren ihm die ſcharfen Urteile geläufig über 
das Belehrt: und Nichtbefehrtfein der Übrigen, die dem Eifer des Neulings entftammten 
und aufnahmefähig machten für die Saat feltiererifcher Gelüfte. Oder wenn Abwendung 
von den Freuden und Genüflen des Lebens und Streben nah „apoftolifcher Lebenshal⸗ 
tung” den urfprünglichen Brethrenism Tennzeichneten, fo mar bei M. damals fchon ein 85 
ähnlicher Zug zu beobachten, mit Trauer befannte er, daß er nach feiner Belehrung doch 
noch einmal erbenter und Konzert befucht habe. Ob er bereit3 vor Br Belanntichaft 
mit Craik von den Gedanken der „Brüder“ angeregt war, tft zweifelhaft, vielleicht ſtand 
er damals fchon unter dem Eindrud des von Norris 1825 herausgegebenen berühmten 
Traltatö: „Christian Devotedness“, jedenfalls hat der Verkehr mit Craik die vor: 40 
bandenen Anfäte zur Reife gebradht. Wir ſehen die8 an den Gründen, aus denen er 
die Miffionsgefellihaft um „eine Entlaffung bat: e8 war ihm unmöglich, ſich einer 
Ordination durch unbelehrte Männer zu unteriwerfen; fein Gewiſſen fträubte ſich dagegen, 
fih von einem Miſſionskomitee leiten zu laſſen, da ihm die unabhängige, nur durch den 
Seil: geleitete Thätigkeit ala die eines Knechtes Chriftt allein würdige erfchten, und er 4 
wollte nicht auf die Juden als Objekt feiner Mifftonsarbeit beſchränkt fein, vielmehr Frei⸗ 
beit haben, feine Arbeit auch auf die Namendhriften auszudehnen. Selbftverftändlich konnte 
die Sefellichaft auf folche Gedanken nicht eingeben und entließ M. im Januar 1830 mit 
einem freundlichen Schreiben aus ihrem Verband. 

Trog feiner Abneigung gegen eine feſte Arbeit an einem bejtimmten Ort ließ er ſich so 
von den Gläubigen in Teignmouth beivegen, Prediger der dortigen Gemeinichaft zu 
werden. Hier hatte er die befte Gelegenheit, die aufgenommenen Grundfäße zu verwirk— 
lichen und im den Überzeugungen zu wachſen, die für das in Briftol auf ihm tvartende 
Lebenswerk beitimmend murden. Die unverzüglich befchloffene jonntägliche Feier des 
Abendmahls, die bei den Blymoutb-Brüdern Sitte war, iſt zum Verftändnis des Mannes 55 
infomweit mwichtig, al3 fie einmal ein Beifpiel feines unbebingten Gehorſams iſt gegen eine 

mer Meinung nad in der Bibel enthaltene Vorfchrift, und dann weil fie und erfennen 

, wie ſehr M. Schon die Schrift durch die Brille der „Brüder“ zu lefen angefangen 

hatte. Im Gegenjat zu den aus Gläubigen und Ungläubigen gemifchten Denomina= 
ttonen follte feine Gemeinde Iediglih aus „Bekehrten“ beſtehen. Noch bezeichnender für so 


318 Müller, Georg 


Ms Mangel an biitertich-iecblichem Sinn iſt die Art und Weife, wie er dazu Fam, 
ih wiedertaufen su laffen: angeregt durch ein Geſpräch über die Berechtigung der 
Kindertaufe ſtudierte er Die Schrift, ob ſich aus ihr die Notwendigkeit derfelben ergäbe. 
Ta ır fein austrudlices Gebot der Kindertaufe fand, fondern nur Beilpiele von Groß: 
‚ taufen, unterzog vr ſich der Wiedertaufe. M. iſt in aller Welt dadurch befannt, daß er 
kein Deitinungs Gebalt annahm, nicht follektierte und Gott allein feine äußeren Bebürf- 
mie im Geber ans Herz legte. Schon bald nad feinem Amtsantritt und feiner kurz 
Juauf feigenden Wermäblung mit Maria Groves, der Schwefter des oben genannten 
A. N. Grobes, Tegte er die neugewwonnene Überzeugung in die That um und erklärte der 
Goenmreinde, Daß er fortbin von Treitoilfigen Gaben zu leben gedenke, ſowie jeder fie aus 
Antrieb Deo Geiſtes ihm darreiche. In der Epur der „Brüder“ bemegte er ſich aud, 
als er Div Anordnung traf, daß jedes Mitglied der Gemeinde zur öffentlichen Rede im 
Wertwoßienft berechtigt ſei, je nachdem ber Geiſt den Einzelnen aufweckte. Trot dieſer 
Veſonderheiten, denen ſich noch manche andere anreihen Iafien, war M. kein Seftierer ım 
gewohnlichen Sinne, es bandelte fi ihm nicht um Trennung, jondern die Einheit des 
Leibeb Chriſti mar fein immer wieder burchbrechendes deal. Grade gegenüber 5. N. 
Darby iſt ſein Verbalten Ichrreih und wohlthuend. Darby begann mit der Brüderſchaft 
aller Gläubigen und endete mit der VBerdammung aller, die nicht J. N. Darby unterthan 
waren, M. iſt den Spealen feiner Jugend treu geblieben. Die im Streit mit Darby auf- 
v iuuchende Hinwendung zu größerer Grklufivität war nur vorübergehend, mit den Jahren 
wurde jein Urteil milder, feine kirchliche Stellung meitheräiger. Bon 1849 an war ber 
Bruch zwiſchen beiden Männern vollftändig, und Darby hörte nicht auf, die Anhänger 
ſeined Gegners mit dem ingrimmigften Haß zu verfolgen. Manche Einzelheiten mögen 
uns bei dem Prediger von Teignmoutb jeltfam berühren: fein berbes Urteil über den 
v geiſtlichen Stand ganzer Kirchenkörper, fein genaues Aufrechnen der jährlich durch ihn 
Vekehrten, feine zeitweilige Verwechslung von Plymouth-Brüdern und Kindern Gottes, 
jene Unnatur in der Schätzung der fichtbaren Welt, — dennoch imponiert er als ber 
Mann voll Feuer und Energie, der überall fein Handeln Al einrichtet, wie ihm Über: 
wugung und Gewiſſen gebieten, und wie z. B. in der Gehaltsfrage feinen Tindlichen 
» Ölauben durch fein Bedenken der Vernunft hemmen läßt; er gewinnt unfere Liebe als 
der eifrige Prediger der einfachen, evangelifchen Wahrheit, der die Hauptſache, die Er: 
loſung durch Chriſti Werk, wohl von feinen Eonderanfidhten zu unterfcheiden wei 
Ungefähr zweieinhalb Jahre waltete M. in Teignmouth feines Dienstes in eig 
Poedigtarbeit in der eigenen Öemeinde und den benachbarten Ortſchaften. Seine Ver: 
— gchileiſtung auf feftes Gebalt hatte er jegt jo wenig wie ſpäter zu bedauern, er glaubte 
ſich von Wundern umgeben und begehrte unmer neue Wunder zu jehen, eine Neigung, 
die ebeuſo wie jein Überfeben der ſichtbaren Mittel in der verkehrten Anſchauung twurzelte, 
van der Glaube da anfängt, wo die natürlihen Kräfte und fichtbaren Mittel aufhören. 
Awb manche direkten Erfolge feiner Belehrungspredigt durfte M. erleben, befonders wenn 
word ſremden Orten predigte, drängten fich die Zuhörer um ihn. In der eigenen 
Gemeinde dagegen war ſchon bald weniger Hunger nach feiner Verkündigung zu fpüren, 
und er jelbjt brgeugte, daß er anderwärts mit mehr Freude und Kraft gepredigt als 
in Leimnimouth.“ Bei aller Kraft perfünlicher Überzeugung leiden die Predigten M.s an 
cintäniger Wiederholung verhältnismäßig weniger Gedanken und greifen über bie ele 
ao mentarſten Mahrheiten kaum hinaus, fo daß es ſchwer fein mochte, in ihnen dauernde 
Aeſriedigung au finden. Für M. war der erfaltende Eifer der Gemeinde ein Zeichen, 
un Bott ihm vinen anderen Poſten anmeifen wolle Als daher fein inzmwifchen nad) 
Yrsjtol ubergefiedelter Freund Craik ihn einlud, ihm auf das große Arbeitäfeld nachzu⸗ 
holen, konnte er mit Freudigkeit den Wanderſtab weiterfeten. Am 25. Mai 1832 
hie er in Briftel an. Die dortige Gemeinjchaft der „Brüder“, nach ihren beiben 
Kapellen Aethesda und Gideongemeinde genannt, war an dehl nur klein, hielt aber 
ru zuſammen und war von dem thatkräftigſten Eifer beſeelt. Die Arbeit der beiden 
Freunde war don wachſendem Erfolg begleitet, in jeder Jahresüberſicht konnte M. an: 
Icben, wie viele Durch ibn und „Bruder“ Craik befehrt worden feien. Die Kirchenorb- 
ht der ſich um DE ſammelnden Gemeinde bejtand ausdrüdlich darin, dag jede Orbmung 
lee. und daß alle fo zu handeln fuchten, wie ihnen der Herr durch fein Wort Licht gäbe 
Narr Ip 9. Mit der Zunahme der Gemeinde ftellte —* freilich auch das Bedürfnis 
de einer gewiſſen äußeren Ordnung ein und bewog die Führer der Gemeinde, auf 
wunubtung eueo Deutlich umfchriebenen Alteftenamtes Bedacht zu nehmen und für bie 
— Aula zum ſonntäglichen Abendmahl Kautelen bezüglich der Lehre zu fordern. Be 


Müller, Georg 519 


ſonders die Vehrftreitigfeiten des Darbysmus, in welche die Bethesdagemeinde tief verwickelt 
wurde, wirkten in leßterer Hinficht beitimmend auf die Entwidelung ein. 

Die Arbeit in der Anbuftrieftadt mar nicht leicht, aber M. erwarb ſich über ben 
engen Kreis der Gemeinde hinaus bald Liebe und Vertrauen durch treue Seelforge und 
fleißige Krankenbeſuche in der nicht lange nach jeiner Ankunft über Briftol bereinbrechenden 
Cholerazeit. Dem raftlofen, von Eifer für den Dienft de Herren brennenden Manne war 
es oft ſchwer, innerlich im rechten Gleichgetwicht zu bleiben. Häufig klagte er über feine 
geringe Liebe zum Herrn und wünſchte wohl, ab leben und bei Sefus zu fein; daß 
er jo wenig „wirkliche Gemeinschaft” mit Gott habe, drüdte ihn manchmal nieder, und 
die Verſuchung des Glaubens, die er fich jelbft durch den Verzicht auf ein beftimmtes 
Eintommen auferlegt hatte, bereitete ihm neben ber Freude, feine Gebete und Hoffnungen 
erfüllt zu ſehen, doch auch fchweren Kampf. Nicht daß er die Gewißheit feines Gnaden- 
ftandes abhängig gemadt hätte von der Intenſivität feiner Gefühle, dazu mar fein 
Glaube zu nüchtern und zu gejund, aber wie er überall mit Vorliebe nach unmittelbarem 
Erfolg jeines Betens und Predigens ausfchaute, fo konnte er es auch nicht laffen, immer 
wieder das Barometer jener Gefühle zu unterfuchen und fi in Schilderungen feines ihn 
bald befriedigenden bald betrübenven inneren Zuftandes zu ergehen. 

Wäre M. nur Prediger der open brethren von Briftol geblieben, würden die Alten 
ber Gemeinde ihren Kindern vielleicht heute noch mandherlei erzählen von dem durch den 
Schnee des Alters nie erftidten Jugendfeuer ihres einftigen Hirten, von feiner betenden 20 
Treue, von feiner Bibelfenntnis und Bibelverehrung, aber außerhalb feiner Gemeinde 
würde er vergeſſen fein mie unzählige andere Diener Chriſti. Die Bedeutung M.s für 
die Kirchengeichichte beruht auf der ihm von Gott zugeteilten Arbeit an den Armen und 
Waifen und an der Verbreitung des Evangeliums, neben der die Pflege der Gemeinde 
völlig in den Hintergrund trat. 25 

Im Anfang des Jahres 1834 ermachte zuerit in ihm der Gedanke, in größerem 
Mapftab etwas zu thun für die Ausbreitung des Evangeliums. Bon der göttlichen 
Eingebung dieſes Gedankens überzeugt fchritt er fehon im Frühling desfelben Jahres zur 
Ausfü Er entſchloß ſich, eine ſelbſtſtändige, mit allen ähnlichen Einrichtungen 
unverworrene Arbeit zu beginnen, weil feiner Anſicht nach Feine vorhandene Miſſions- 80 
efellichaft auf Schriftgemäßen Prinzipien aufgebaut war. Am meiften jtieß ihn das Zu- 
Kummenarbeiten von Belehrten und Unbekehrten. M. konnte es nicht ertragen, daß jeber 
Beitragzahler unbelümmert um feine getitlihe Stellung Mitglied einer Vereinigung zum 
Dienst Chriſti fein durfte; daß man Unbelehrte um Gaben anſprach; daß bei der Be 
rufung zu Vorſtandsmitgliedern in eriter Zinie der Neichtum und die wdifche Ehren: 35 
ftellung berüdfichtigt wurde ; und daß man gegen die Klare Vorſchrift des Wortes Gottes 
gegebenenfalld Schulden machte. Demgegenüber jollte das zu begründende Werk durch: 
aus als ein von Gläubigen geleitetes und getragenes Werk erjcheinen, fein Unbekehrter 
jollte zur Unterftügung aufgefordert oder gar zur Führung der Angelegenheiten heran- 
gezogen werben; nur ſoweit ging man nicht, daß man aud die von Unbefehrten frei= 40 
willig dargereichten Gaben zurückwies. Unter feinen Umjtänden wollte M. zum Betrieb 
der Arbeit Schulden machen, fondern war entjchloffen, niemals meiter zu gehen als Gott 
die Mittel ſchenkte. Die Anftalt war nicht gedacht als ein Hilfsmittel zur Belehrung der 
Welt, — eine auf M.s darboftiichem Standpunkt ganz unfchriftgemäße Hoffnung, — 
auch war 3.3. bei der Gründung des a un nicht Linderung der Not der Waifen s 
der —* ende Faktor, ſondern die Anſtalt ſollte dienen, die von Gott Auserwählten 
während der —* auf die Paruſie zu ſammeln, und der Chriſtenheit ein Zeichen zu 
ſein, daß Gott ein lebendiger Gott iſt und heute noch ebenſo mächtig wirkt wie in den 

en Abrahams. Der Zweck der Anſtalt war a) Wochenſchulen, Sonntagsſchulen und 

en für Erwachſene zu unterſtützen oder zu errichten, die auf bibliſcher Grundlage so 
berubten, d. 5. in denen der Weg zur Seligkeit nach der Schrift gelehrt wurde und alle 
Lehrer Gläubige waren; b) die Bibel und gute Traftate unentgeltlih oder möglichft 
wohlfeil zu verbreiten; c) die Miffion unter den Heiden und Namendhriften zu unter: 
fügen. Diefe Arbeit, genannt „The Scriptural Knowledge Institution for Home 

and Abroad“, wuchs aus den kleinſten Anfängen zu großartigem Umfang heran. Mit 55 
drei Schulen wurde der Anfang gemadıt, 1890 hatte M. 75 Schulen unter jeiner 
Direktion, 121683 Schüler waren bis 1897 laut feinem lebten Jahresbericht durch feine 
Schulen gegangen. Nicht nur England und feine Kolonien ſchuden M. Dank für dieſe 
Arbeit, ſondern auch Italien und beſonders Spanien hatten Teil an dem von Briſtol 
aus fich ergießenden Strom evangeliſcher Liebesthätigkeit. Die von M. ind Leben ge 


oa 


— 
— 


o 


520 Müller, Georg 
ichfiges und wirkſames Mittel auf dem Wege an 


Eiwa ; i Mil tionen Dart ivaren biß: 1897 
werben aaa Bel ver Sb rd Seokieigeeidung Imd ka Ak 











in äbn- 
li bis 1897 wurben im ganzen 111 Milienen Traktote 281 652 Bibeln, 
5 1448662 N ile i 2** 
breitet. | bern kulkıE tan onen 
* re —— — —— 
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Schalt und u 


| für — 
16 Das Berl, mit. ben Ay Name am = verbunden 


— die ung ; —* * 
ſich aus den — Fe läßt, bat das — Franckee 
Einfluß Ms Handeln a t. on im Februar 5 te 
——— von Franckes Leben, daß er beffen — im Glauben ——— 
„wenn der Herr uns Gnade gäbe, mebr diefem Gottes gleich zu leben, fünnten 
25 wir auch weit mehr als bisher aus der Bank unferes himmliſchen Kir armen 
nen Schweſtern beziehen.“ Kurz vor der Einweihung des Maifenhaufes fchri 
Ich age her e — in ähnlicher Weiſe nen, on —— wenn in 
* aber nicht um gi im Vertrauen fan 
* —* fühlte 73 rg h erg re —— ; 
ng, alfo n oß geiftig verivandt m 
—— ſich geradezu entzündet an dem a, ande 


Miffionam oe 
Entiidel des Wat uſes unerivartet | 
— ab ee u. — 
36 u geführt, vor d horen ber Ghht in Siblen Zion ein enes Haus für 
300 Ip: u fr 200 ar en dem „1 en nod) vier Sur" unm Mnoerona Hay 
r er mit dem dazu en 
—— e leitenden G erg blieben von Soyınn "an diee biefelben, analog 


weigen des Werts —— nur gläubige Lehrer und Pfleger wurden a 
ww den jollte um eine G * gebeten, keine Schulden gemacht, nie etwas —— 
nommen werden, ehe die nötigen Mittel durch Gebet h en on Gel, Die 
und Gewiſſenhaftigkeit MS, jeine Zartheit im Nehmen von die Pe » B. 
Gabe zurüdiveifen hieß, die ihm al⸗ Ertrag irgend eines Wohlthätigk 
mittelt wurde, ſein ftilles Warten, bis der Herr —* neue as öffnete, ift vorbildlich 
45 und aeg für jeden, der in äbnlidyer Arbeit 
Die legten 25 yabıe jeines Lebens 3 * Evangeliſationsreiſen 
die ihn in faſt alle Länder der Welt führten. Seine erſte Gattin war 1870 
langem, überaus glüdlihem Eheſtand geftorben; feine einzige Tochter batte dem voraus: 
* olger M.S in der Leitung der Anſtalten, James —* die Hand 
50 Ebebund gereicht, jo daf er die Yeitung in treuer Obbut mußte, Sygleung ine 
—— Gattin konnte er darum ohne Sorge die Welt —— 
Herrn“ 8 — zu geben. Schon vor dem Beginn dieſer —S Maren er 






zum Ben feines Vaters einige Male in Deutfcland geweſen. Dem weiteren Publikum 

wurde er zuerjt befannt durch eine im ‚Jahre 1843 als Apoftel des Darbysmus nad 
» Stuttgart ausgeführte Neife, wo durch feine Bemühungen die dortige Baptiftengemeink 

geipalten und eine Gemeinjchaft nad den Grundfägen der Plymouth-Brüder eingeric 


tourde. Die jpäteren Neifen zeigen uns M. nicht mehr als Darbyften, der jedem jedem % des 

kirchentum feind war; unbefangen verkehrte er mit Glide aller De 

freute fich, daf ihm auch bie — ihre Thore öffneten zur ——— 
oo Botſchaft, die in einfacher, nüchterner Weiſe den Heiland der Sün 





Müller, Georg Müller, Heinrich 521 


war weiter geimorden, feine Erſcheinung menfchlicher. In früheren Sahren hätte er es 
für Unrecht gehalten, z. B. die Schönheiten der fichtbaren Welt eines Wortes zu würdigen. 
So konftatierte er gelegentlich einer Nheinreife bloß, wie gefährlich das Reifen für die 
Seele fet und wie arm die Herrlichkeit der Erde gegenüber Jeſus. 1884 dagegen fchrieb 
er von feiner Reife zum Himalaya: „The amazing grandeur and magnificence of 5 
this mountain range will never be erased from the mind of any God fearing 
person, who has seen it.“ 

Als M. am 10. Mai 1898 ftarb, umgab nicht allein die Waifenhaus- und Miffions: 
gemeinde von Briftol trauernd feine Bahre, nicht nur die von ihm direft oder indirekt Durch 
fein Vorbild ins Leben gerufenen Anftalten, wie bei uns in Deutjchland die Mifftons- 10 
und Waifenanftalt in Neukirchen bet Moers, fchauten dankbar diefem hervorragenden 
Werkzeug der Gnade Gottes nach, überall in der Chriftenheit gedachte man gern bes 
Segens, der von Georg M. ausgegangen war. Wir brauchen nicht blindlings, von der 
Größe des Erfolgs bezwungen, M. in allen Stüden Beifall zu jchenten. Wenn er etwa 
für feine Anftalten allein das Prädikat der fchriftgemäßen Grundlage behauptete, als ob 15 
andere Anftalten, die folleftieren, oder die nicht den Anfprud) erheben, aus lauter Belehrten 
in beftehen, minderiertig wären; oder wenn M. in einer für unjer Empfinden unzarten 

eife erzählte, wie viele Stunden er im Gebet auf dem Boden gelegen habe, und fo 
die Wurzeln feines Lebens aufbedte; oder wenn er jährlich genau en Freunden mit- 
teilte, wie viel er von feinem perfünlichen Einkommen für chriftlihe Zwecke geſpendet 0 
babe; oder wenn er nicht müde wurde, zu rühmen, zu welchem Segen er anderen ge= 
worden fei, fo erfcheint uns dies als ein Mißverftand des Evangeliums. Auch brauchen 
wir nicht zurüdzuhalten mit der Bemerkung, daß er fich betreffs des Nichtkollektierens in 
einer Selbittäufchung befand, denn es giebt ein Kolleftieren ohne Worte, und das ift 
noch viel einbrüdlicher ala das offene Kollektieren. Wir braucen endlich ihm nicht zu⸗ 25 
paifimmen in feiner pietiftifchen Meltflucht, feinem Drängen auf unmittelbaren Erfolg in 
Belehrungsarbeit an den Waifentindern und feiner Syreude an ben jeivetlig erzielten 
Mafjenbelehrungen der Kinder, — und dennoch ehren wir ıhn als einen ausgezeichneten 
Diener Chrifti, defien Wandel in Glaube und Gebet für alle Chriften eine wirkſame 
Mahnung und Stärkung tft, und deſſen Leben den Sat befiegelt, mit dem er einft das so 
Chriftentum gelennzeichnet hat: Christianity is life and reality. Kolfhaus. 


Müller, Heinrich, Erbau ungsſchriftſteller, geit. 1675. — Witte, Memoriae, 
dec. XV, Francof. 1684, p. 189; Sein im Leriton, Bafel 1729 s. v. Müller; DO. Krabbe, 
9. M. und jeine Zeit, Roſt. 1866. — Populäre Bearbeitungen: Palmer, Lebensbilder von 
Erbauungsfchriftitellern der Iuth. Kirche, Stuttgart 1870, I. Bd, ©.147ff., in der evangel. 3 
Volksbibliothek von Klaiber, Stuttgart 1861—1868, 3. Bd, ©. 2255. — Als Erbauung?: 
ichriftfteller erwähnt von Cofad in feiner Difjertation: Literarum asceticarum ... historlae 
brevis adumbratio. Regim. Bor. 1862, p. 16; 9. Bed, Die relig. Volkslitt, Gotha 1891, 
S.134—139; Grofle, Die alten Tröfter, Hermannsb. 1900, ©. 236—252 verzeichnet die neueren 
Ausgaben feiner Werke. — Ueber M. als Prediger: Leonhardi in dem Sammelwert: Die 40 
grebigt der Kirche, Bd XIII. — Als Liederdichter Koch, Geſchichte d. Kirchenlieds, 4. Bd, 
tuttgart 1868, ©. 67 ff. 
einrih Müller, geb. am 18. Oktober 1631 zu Lübed, wohin ſich feine Eltern vor 
Wallenfteins Invaſion von Roſtock geflüchtet hatten, nimmt unter den Erbauungsfchrift- 
ftellern der ev. Kirche unftreitig eine der eriten Stellen ein. Sein äußerer Lebensgang #5 
bietet wenig Bemerkenswertes. Im 13. Lebensjahre ift er auf der Univerfität Roſtock, 
wohin feine Eltern zurüdgefehrt waren. In Greifswald jet er feine Studien fort, Tehrt 
1650 nach Roftod zurüd, promoviert im folgenden Jahre zum Magifter und beginnt 
nach Vollendung einer zu feiner Ausbildung unternoimmenen Reife in feiner Vaterſtadt 
unter großem Beifall zunächſt philofopbifche Borlefungen zu halten. In jeinem 21. Lebens 50 
jahre wird ihm das Archidiakonat zu St. Marien in Noftod übertragen. Won ber 
Helmftedter tät mit der theologischen Doktorwürde beehrt, wird er 1659 Profeſſor 
der griechiichen Sprache, 1662 ordentlicher Vrofeffor der Theologie und Paſtor an 
St. Marien, neun Jahre fpäter Superintendent. Mehrere ehrenvolle Berufungen ſchlug 
er aus Liebe zu feiner Vaterſtadt aus. Müller war feit feinem 22. Xebensjahre ver: öö 
heiratet; von feinen ſechs Kindern überlebten ihn drei. Der von Haus aus körperlich 
ſchwächliche Mann, der am Ende eines arbeitsreichen und mühevollen Yebens jagen mußte, 
daß er fich nicht eines einzigen fröhlichen Tages auf der Welt entjinnen fünne, ftarb 
noch vor erreichtem 44. Lebensjahre am 17. September 1675. 
Müllers Bedeutung für die ev. Kirche Liegt weniger auf dem Gebiete feiner then: 60 


522 Müller, Heinrich 


we —— als vielmehr rer Wirkſamkeit. 
Iogi üf i ragt er ‚er far m feine %« a — 6 — 


elfle * ied rk feiner een pi 
5 Mokb den Dei politicn ci ka u Sad im Kine veteris et —* 
(1668), u. — Narren re dem d R 
— v ovique histo einer au ee 
lage Orator ecelesiastieus (1659) und einer ER erer Ge —* 
zriften, Gutachten, Disputationen. Polemiſch iſt er der < Ye ne 
10x jharf entgegengetreten. Müller ftebt im Jentum ber — die ion —* 
55 Lebens üt; En —— iſt vn dan warmen % — 
tiefgründenden Glaubens durchweht. Unverftand und Schmäh mäbfucht twagten Bu 


(te 
— ——— 







lichen UÜbelſtände, 
rn kraftvoll Zeugnis 8 ine rain 
Und bierin liegt auch bie eigentliche Bedeutung Müllers für ſeine — en 
einer der hervorragenden Bertreter ee ——* auf der einen Seite 
* b Reibe ol 
er an on einer er G 
des | —— 





ich iſt 
das —— —* feiner gla | 
dem Worte der Schrift ie 
Thätigfeit mitzuarbeiten. ef Dieter Haifaah E 
ie wenige war Müller ung dieſer = e geeignet. usgeftattet mit 
30 gründlicher Gelehrjamteit nach * Art und dem Maße ſeiner Zeit und mit reicher 
er Begabung, entfaltet er eine oft überwältigende Beredſamkeit, die für ran 
er Gemeinde berechnet, im edelſten Sinne des Wortes volfstümlid) genannt werben 
muß. Müller gebt in feinen Predigten und Erbauu iften en von dem —— 
worte gus oder vielmehr in dasſelbe hinein; es — net 


55 tiefes Eindringen in den fachlichen Insel und der 2 
wird bis in bie kleinſten ee t, wobei ee bfonderi keiten mit unter: 
laufen. Selten wird Müller wirklich Ich und io er es wird, benimmt bie . 


und Überfichtlichkeit, die Frifche el ———— der Darftellung, die hfeit, 
Anmut und Vieblichkeit des Stils alles Drüdende und Ermübdende Es i 7*— 
40 geben — und das macht ihn jo volkstümlich und friſch bis re um — 
tiefſten Saiten des — Herzens, wie fe ſich im Volksleben oft äu 
und Damit au eg zu dem inneren Leben der Gemeinde zu finden. Das t 
Leben des Volkes wird mit tiefem Scharfblide aufgefaßt und klar und faßlich 
und zwar in * Sprache, welche, den Periodenbau faſt gänzlich vermeidend, in 
—— änigmatiſch klingenden Sätzen, in Antitheſen und —* 
körnigen Ausdrüden wie —* energiſch auf den Zuhörer oder Leſer 
innen heraus eine Umtvandlung berbeizuführen, Dabei iſt die Nebe von 
Allegorien durchzogen und trägt unverfennbar ein gewiſſes rhetoriſches Element an Me 
Sieht man von einzelnen Worten und Ausprüden, von Seltjam ab, wie fie jener 
50 Zeit eigen find, jo bat man ein Nedt, Müllers Sprache flaffifch zu nennen und —* 
der —* * der deutſchen Litteratur eine Stelle einzuräumen. 
dem Gebiete der Predigt- und Erbauungslitteratur war Müller ein äu 
iftſteller. — erſchien (1659): Der Bm. Liebeskuß oder Übung d — * 
—— fließend aus der Erfahrung der * öttlichen Liebe (überarbeitet von 
55 Leipzig 1831; abgedruckt Hamburg 1848). Die Kreuz, Buß- und — 661), 
unter ber ſchweren Laſt des verantwortungsvollen Amtes aus eigener innerer 
heraus gefehrieben, enthält 22 Betrachtungen über den 143. Pjalm; neue 
1853, Leipzig 1872. Eine an der Perikopen des Kirchenjahres 
bedeutendften — lers: die apoſtoliſche (1669) und ——— 
co Schlußlette und K ferner bie feſtevangeliſche Schlußfette, die erftere neu beraus- 


rs 







| 


Müller, Heinrich Müller, J. ©. 523 


gegeben von Bittcher, Halle 1853 u. 1855, die beiden letteren von Bandermann (2. Aufl. 
1881; 1855). Der häuslichen Erbauung dienen als Haus: und Tifchandachten die teit- 
verbreiteten gedanfenreichen geiſtlichen Erquiditunden (1664); neuere Ausgaben Leipzig 
1872, Hamburg 1889. Site wurden von Genoſſen des pegnefiichen Blumenordend in 
Reime gebracht (1673— 1691); aus neuerer Zeit: De Marées, Lieder nad H. Müllers 5 
geiftl. Erquiditunden, Cottbus 1893. Der geiftlihe Danfaltar enthält drei Predigten 
über Vi 68,20. 21, nad Müllers Wiedergenefung von einer ſchweren Krankheit im 
Winter 1668/69 gehalten; neue Ausg. Hermannsb. 1885. In das gleiche Jahr fällt 
die Schrift: Ungeratene Ehe (1668). Die Thränen: und Troftquelle oder der Heiland 
und der Sünder (1675; neue Ausg. Halle 1855) behandelt in 20 Abfchnitten die Ge- 
Ichichte der großen Sünderin Le 7. Auch die neun Paffionspredigten (neu herausgegeb. 
von Pafig 1856 und Hartmann 1862) feien hier genannt. Nach Müller Tod erjchien: 
der evangelifche Herzensfpiegel (1679), kürzere Predigten über die evangeliſchen Perikopen 
(neue Ausg. 2 Bde, Hamburg 1882. 1884), evangel. Präfervativ wider den Schaden 
Joſephs in allen dreien Ständen (1681), ebenfalld Evangelienpredigten, und die Leichen- 15 
reden: Gräber der Heiligen (1685). — Müller bat auch eine Anzahl geiftlicher Lieder 
gedichtet, von denen mehrere in die firchlichen Geſangbücher übergegangen find. Sie find 
vergeidmnen bei Fiſcher, Kirchenlieder-Lerifon, Gotha 1878, ©. 458. 

üllers Namen muß in der evangelifchen Kirche mit Dank genannt werben. Seine 
Schriften haben in der dürren Zeit des Nationalismus das väterliche Erbe des Bibel: 20 
glaubens bindurchretten helfen. Die zahlreichen Ausgaben feiner Schriften in der Gegen: 
wart fihern ihm auch fernerhin ein dankbares Gedächtnis und find ein Zeugnis dafür, 
daß das evangeliiche Volk an gefunder, heilfamer Speife, wie fie ihm bier geboten wird, 
noch Geichmad findet. Hermann Bel. 


|) 


0 


Müller, Johann Georg, geit. 1819. — Litteratur: Johann Georg Müller, 25 
drei Vorträge von Dr. J. Kirchhofer (in: der Unoth, Zeitichrift für Geichichte und Altertum 
des Standes Schaffhaufen, Schaffhauſen 1864, I, 65 ff.). Unterredungen mit der Groffürftin 
Katharina und dem Kaiſer Alexander I., aus 3. ©. Müllers Tagebudy (in: der Unotb, 1864, 
I, 167). Aus 9%. ©. Müllers GSelbitbiographie (in Gelzers Proteftant. Monatsblättern, 
1861, XVIIL, 35 ff.). Frau von Krüdener in der Schweiz, aus J. ©. Müller® Tagebuch (in 30 
Gelzers Prot. Mon. 1863, XXII, 195 ff). SGerder und Georg Müller, von H. Baumgarten 
(in den BX XXIX, 23ff.). Ueber 3. ©. Müllers Unterhaltungen mit Serena, von %. Zehen: 
der. Xitterarifhe Beigabe zum Programm der höhern Töchterfhule in Zürich 1881. Aus dem 
Herderſchen Haufe. Aufzeichnungen von Johann Georg Müller, herausgegeben von 3. Bäch— 
told, Berlin 1881. Joh. Gg. Müllers Lebenzbild, von K. Stokar, herausgegeben vom hiftor.= 35 
antiquar. Verein in Schaffzaufen, Bafel 1885. Der Briefmechjel der Brüder 3. Gg. Müller 
und oh. v. Müller 1789—1809, herausgegeben von Eduard Haug, Frauenfeld 1893. Aus 
dem Lavaterfchen Kreife, von Eduard Haug. I. Zoh. Georg Müller als Lavaterfhüler in 
dirg II. Joh. Georg Müller als Student in Göttingen und als Vermittler zwiſchen den 

ürichern und Herder. Beilage zum Jahresbericht des Gymnaſiums Schaffhauſen 1894 u. 1897. 40 

Der geſamte handſchriftliche Nachlaß J. G. Müllers, 581 Nummern umtfaffend (dabei 
Nr. 37—110 von und über Joh. v. Müller), befindet ſich auf ber Miniſterialbibliothek zu 
Schaffhaufen. 

Müller, Joh. Georg, Dr. theol., Profeflor und Oberfchulherr von Schaffhaufen, des 
Gejchichtichreibers 3. v. Müller Bruder, gehört nicht zu denjenigen Theologen, welche 15 

neue große Ideen und fräftiges Eingreifen in die Bewegungen der Zeit epoche: 
einwirken ; aber er ift der edlen Reihe derer beizuzählen, deren Leben in ftiller 
Thätigkeit, in anfpruchslojen Wirken duch Wort und Echrift dahin fließt, die aber den- 
noch durch ihre perfönliche Würde und gediegene fchriftitellerifche Thätigfeit im engeren 
und toeiteren Kreife fegensreich und nachhaltig wirken. Geboren den 3. September 1759, 50 
genoß er im Haufe feines Vaters, eines Geiftlichen, eine fromme Erziehung nad) altem 
Gepräge; jeine Mutter leitete ihn frühe zu Gottes Wort und zur Liebe der alten Kern: 
lieder der Kirche Hin, wodurch ein tief veligiöfer Grund und Boden in fein meiches, 
empfängliches Herz gelegt wurde. Bon Jugend auf hatte er eine entfchievene Neigung 
für die Wiſſenſchaften und einen lebendigen Durſt nad) Wahrheit, und als fein Gemüt 55 
die Lektüre von Youngs Nachtgedanken und Lavaters Ausfichten in die Emigfeit 
tig ergriffen worden, entjchied er ſich alsbald für das Studium der Theologie. Hierin 
hatte er aber viele Kämpfe durchzumachen, bis er zu einer gewiſſen Feſtigkeit gelangte. 
uerft begab er ſich in Zürich unter die Yeitung von J. Caſp. Häfeli (fpäter in Deflau, 
remen und Bernburg), der mit Pfenninger und Yavater damals eine Träftige Oppoſition er 
gegen den überhandnehmenven Nationalismus bildete. In dieſem Kreife wurde Müller 


— 


z 


w 


524 Müller, 3. ©. 


zwar von einem gewiſſen meichlich asketiſchen Zuge befreit, aber bei der in demſelben 
herrichenden Überſchwänglichkeit gelangte er doch nicht zu einem fichen Grunde. Das 
zeigte fih in Göttingen, wo er bald einfah, daß fein bisheriger Glaube dem U 

der dort vertretenen Neologie nicht gewachſen fei, weswegen er ſich bald mieber 
einem anderen Lehrer umfah, der ibm feine fchweren Zweifel löfen und dem gebrüdte 
(Jemüt Erleichterung darbieten ſollte. Damals mar eben Herder Stern aufgegangen, 
und dieſer z0g ihn nach Weimar, wohin er, mie einjt im Altertum Jünglinge zu großen 
Männern, wanderte, um Weisheit zu lernen. Server bebielt den Jüngling em halbes 
Jahr in feinen Haufe und geivann ihn fo lieb, daß er bis an fein Ende in 
Freundſchaft mit ihm lebte. In Herders Umgang wurde Müller freier, lebensfriſcher und 
zu weiterem Forſchen angetrieben, doc war fein Einfluß mehr negativ als pofitiv; im 
übrigen aber hatte er Gewinn von dem damals in bober Blüte ftebenden Mufenfit. 
Zurüdgelehrt in feine Vaterftabt fühlte er erſt, wie menig Feſtes er im Grunde hatte. 
„Viererlei Theologien”, fagt er felbit, „hatte ich nun in meinem Kopfe; nun war einmal 
die Zeit für mich da, mid) felbft zu formieren. So oft ich die Bibel las, drängten fih 
alle vorigen Ideen jo verwirrt hinzu, daß ib gar nie mit eigenen Augen leſen konnte 
und alles vor mir ſchwindelte“. Cr faßte daher den eigentümlichen Entſchluß, alle theo⸗ 
logifchen Bücher famt der Bibel zwei Jahre lang bei fette zu legen, während biefer Zeit 
ſich auf die Haffifche Yitteratur zu werfen, um dann wieder friſch und unbeirrt von an- 
nelernten Meinungen das Studium der Bibel vornehmen zu fönnen. Er führte den Ent 
ſchluß aus, begann bernac), gleihfam auf einer tabula rasa, das theologifche Studium 
mit neuem Eifer und eigentlihem CEntzüden, und fo vollzog ſich, begleitet won ftetem 
(Sebet und praktiſchen Erfahrungen, die innere Krife, und er gelangte zu einer gefunden, 
auf Die ewige Mabrbeit der göttlichen Offenbarung gebauten, felbit erlebten und fürs 


» Yeben fruchtbaren Überzeugung. Da Müller wegen Kränklichkeit feine Pfarrftelle, fondern 


nur ein Profeſſorat am Collegium humanitatis übernehmen fonnte, da er zugleich in 
einer zwar glüdlichen, aber finderlofen Ehe Iebte und in einer günftigen ökonomiſchen 
Yage fid) befand, fo fonnte er ganz den Wiffenfchaften und der Schriftitelleret Ieben. In 
feinen ziemlich zahlreichen Schriften, die er aus innerem Drange und zur Belehrung ber 
(GBGemeinde, namentlich ber ihm ehr teuren Jugend fchrieb, hatte er vorzugsweiſe ein ape- 
logetiſches Intereſſe; er wollte das damals verfannte Chriftentum in feiner Menfchen- 
freumblichleit wieder zugänglich, die Bibel in ihrer Herrlichleit und Humanität wieder 
brauchbar maden. Man erblidt zwar darin den Einfluß Herders, aber Müller ii pofi⸗ 
tiver. „Mein theologiſches Syſtem“, ſagt er, „iſt mehr in der Form als in der 
von Dem der Alten unterfchieden, und im Grunde die au gburgifche und belvetifche Kon 
fefflon immer noch auch die meinige. Nur möchte ich alles mehr fimplizieren, auf bie 
Menſchheit und die Bedürfniſſe des größten Teils berfelben, des Volks, anwenden, ben 
2chöolaſtleiomus und jede Schulphiloſophie daraus verbannen und die Lehre Jeſu und der 
Ypoftel entkleidet von dem jüdiſchen Gewand (das ich übrigens fehr liebe und pafiend 
inde) rein und anwendbar für unfere Sen darftellen, kurz die Theologie mehr humani⸗ 
innen. Da in unfern Tapen alle menſchlichen Mifjenfchaften ſowie alle politifchen und 
religioſen Inſtitute ſich zu einer neuen, hoffentlich zu einer jchöneren und reineren Form 
emporwinden, fo muſß es auch die Theologie thun; wenngleich ihr Grundftoff, die poft- 
tie L'iſſenbarung, immer berfelbe bleibt und bleiben muß“. — Man erfennt aus biefen 
Wuperungen Die Vorzüge und die Mängel feiner religiöfen und theologiſchen Schriften. 
\n den hiſtoriſchen und kirchengeſchichtlichen Schriften fuchte er eine beſſere Methode dieſer 
Roſſenſchaſten anzubabhnen, und er hat ſeinerzeit Dazu beigetragen, dieſe beſſere Methode 
u ſarbern. Seine gröſſeren Schriften find: 1. Philoſophiſche Aufſätze, Breslau 1789, 
ot tieſer, geiſtreicher Blicke in Philoſophie, Erdbeſchreibung, Politik, Religionsgeſchichte 
und vorzüglich altteſtamentliche Theologie. 2. Unterhaltungen mit Serena, moraliſchen 
Whaltä, Minterthur 17933 1803, 2 Teile (3. Aufl. 1834, ein dritter Teil nach feinem 

abe heranuogegeben von Profeſſor Kirchhofer 1835), entſtanden aus wöchentlichen Auf: 
ſaben für feine Uraut. 3. Bekennmiſſe merkwürdiger Männer von ſich ſelbſt, 3 Be, 
ut HA (drei andere Bände bat ein Freund von M. fortgeſetzt). 4. Briefe über das 
bin der Miffenfchaften, befonders der Gefchichte, Jünglingen feines Vaterlandes zu 
geſchrieben, 1798, 2. Aufl. 1817. Treffliche Winke für junge Mänmer, die fich dem 
Tienfte des Vaterlandes widmen wollen. 5. Theophil, Unterhaltungen über die chriftliche 
Melyyion mit Jünglingen von veiferem Alter, 1801. Es bandelt von Religion, Mytbo- 
logie, Offenbarung, Alten und Neuem Teftanent, Leſen und Auslegung der Schrift, und 
bat den z3weck, ein gutes Zeugnis abzulegen über die in Verachtung gekommene chrift- 


Müller, 3. ©. 625 


liche Religion. 6. Über ein Wort, das Franz I. von den Folgen der Reformation gejagt 
baben foll, 1800. 7. Reliquien alter Zeiten, Sitten und Meinungen. Für Jünglinge 
nah Bebürfnifien unferes Zeitalters. 4 Bde. Die zivei lebten Bände auch unter dem 
Titel: Dentwürdigfeiten aus der Gefichichte der Neformation. Auch ein Beitrag zum 
Denkmal Luthers und feiner Zeitgenofjen, 180.3—1806. Ein Schatz gebrudter und un= 5 
gedrudter Reliquien aller Zeiten voll feiner Bemerkungen und in echt pragmat. Geſchicht⸗ 
fchreibung. 8. Heinrich Boßhards, eines ſchweiz. Landmanns, Lebensgejchichte von ihm 
jelbft beichrieben, 1804. 9. Vom Glauben der Chriſten. Vorleſungen. 2 Bode, 1816, 
2. Aufl. 1823. Eine für die damalige Zeit treffliche, anregende Darftellung der chrift- 
lichen Religion, Fortſetzung des Theophil, der freilich noch Die tiefere Einficht in die 10 
Chriftologie fehlt, was er zum Teil ſelbſt noch erkannte. 10. Blide in die Bibel, mit 
Noten zur Bibel von $. von Müller. Nach feinem Tode ald Bruchitüde herausgegeben 
von Prof. Kirchhofer, 2 Bde, 1830. Auch diefes Werk follte dazu beitragen, dieſes gött- 
liche Buch in feiner Herrlichkeit bekannter zu machen. Seine Abſicht dabet war nad) 
feinen eigenen Worten: „DO, daß es doch meinem himmlischen Bater gefallen möchte — 15 
das ift oft mein inniger Seufzer —, daß ich den Reſt meiner Tage dazu verwenden 
fönne, etwas vecht Gutes zum Beiten der Gemeinde Jeſu und zur freundlichen Belehrung 
beſonders junger Leute thun oder fchreiben zu können! Gott erhöre die mein Gebet und 
kröne den Abend meines Lebens mit einer len Wohlthat“. Einige Eleinere Schriften 
find : Neujahrsgeſchenk für meine Freunde, 1785. — Andenfen an meine Mutter. — 2% 
Ueber den AZuftand des hiefigen Religionsweſens, 1803. — Über den Unterricht in der 
hriftlichen Religion. — Auswahl biblifcher Sprüche für den eriten Religionsunterrict. 
— Eumme des Evangeliums, 1814. — Ind Deutfche überfegt hat er: Mentellas ver: 
leichende Erbbeichreibung, 2 Bde, und Dalrymple's Geh. von Großbritannien und Ir—⸗ 
nd, 4 Bde, 1792—94. — Endlich gab er heraus: J. v. Müllers fämtliche Werke, 25 
27 Bde, und im Verein mit J. v. M. und Heyne: Drrbers Werte. 

Neben diefer Iitterarifchen Wirkfamteit, — die M. namentlich auf Jünglinge wohl: 
thätig wirkte, nützte er ſeinem Vaterlande in mehrfacher Weiſe auf ausgezeichnete Art. 
Anfangs Katechet, wurde er 1794 Profeſſor der griechiſchen und hebräiſchen Sprache am 
Colleg. humanitatis, ſpäter der Enchklopädie und Methodologie. Die Revolution riß so 
ihn aus dem geiftlihen Stande heraus, und er ließ es nur darum gejchehen, meil er 
überzeugt wurde, der Vaterftabt auf dieſe Weiſe am nüblichiten fein zu fünnen. Durch 
da3 Zutrauen feiner Mitbürger wurde er zuerſt Vollsrepräfentant, dann Mitglied der 
Berwaltungstammer, darauf Unterftatthalter, in welchen Stellen er ſtets vermittelnd ein- 
griff, Dad gute Neue mit dem bewährten Alten möglichft vereinigend. Während der Me: 36 
diation mußte er ſechs Jahre lang Mitglied des Kl. Rats fein, wo er als Oberjchulberr 
für Hebung der höheren und niederen Schulen vieles leiftete. Das Schulweſen, zumal 
das höhere, lag ihm fehr am Herzen, und feine fohönften Tage waren, wenn er in den 
Prüfungen aufgewedte, wohlgeartete, fleißige Knaben ſah. Dies erfegte ihm einigermaßen 

Gefühl der Leere in der politifchen Laufbahn, in der er fih oft unmutig über Die 40 
verlornen Stunden im Ratzfaal äußerte; Darum verließ er diefe, jobald es möglich war 
1809) und behielt bloß noch die Oberfchulherritelle mit dem Profeſſorat bis an fein 

de. Gerne fehrte er zu den ftillen Studien zurüd, namentlich zur Bibel; „denn“, 
—* er, „wenn ich darin nachlaſſe, ſo fängt nach und nach mein inneres Licht, das 
rinzip meiner Ruhe und meines ganzen Glücks an zu erlöſchen und die Freundſchaft 46 
mit Gott Fi erfalten”. In dem Jahre, wo er von der politifchen Bürde befreit wurde, 
ſtarb ſein Bruder, und das erſte Geſchäft war, deſſen geſammelte Schriften herauszugeben, 
was auch zum Ordnen der ſchwierigen ökonomiſchen Umſtände des Verſtorbenen nötig 
war. Selten lebten zwei Brüder ſo innig verbunden, wie ſie; von früher Jugend an 
liebten fie ji) zärtlich und blieben in dieſer Treue bis in den Tod; die gegenſeitigen co 
Briefe atmen die aufrichtigfte Anhänglichkeit und Achtung; fie unternahmen nichts, ohne 
es einander mitzuteilen, miteinander teilten fie Freud und Leid, und namentlid war es 
G. M., den die Schidjale feines Bruders oft fehr drüdten; er nennt ihn nur „feinen 
lieben Seligen”. Müller erhielt einigemale Vokationen ins Ausland, jo nad Kiel und 

t g, allein er zog es vor, feiner Vaterſtadt zu dienen; nur einmal madte er mit ss 
feinem Bruder eine größere Reife nach Wien, dagegen war feine Korrefpondenz mit aus- 
wärtigen Gelehrten eine jehr ausgedehnte, und die zahlreichen Beſuche, die er erhielt, 
feßten ihn jtet3 in lebendigen Verkehr mit der theologischen und politifchen Welt. Bei 
den Durchzügen der Alliierten 1813 und 1814 fam nicht leicht ein angejehener Fremder 
durch Schaffbaufen, der ihn nicht bejucht hätte; mit dem Prinzen von Preußen, dem 


B Müller, J. ©. 


nen ‚zeugen: rt Legterem berivendete er jich für Die Neutralität der 
> 00 Dresn ce ten vielfach von ibm über die chriftlihe Religion be: 

. m ms dem Schriftchen: Von der Zumme des Evangeliums. Auch 
oe zn. Mich. Sailer, Stand er in freundfchaftlichem Verkebr; 
22 same tediiche von beiden Seiten, es ſtehe einer Vereinigung 

a vi wor im Wege! Ebenſo batte er zu der Brübergemeinde 

= on..to ad men, er möchte wohl feine lebten Tage an einem ihrer 
- Zst nwaenseeich wirkte er durch feine Mäßigung, als Frau von 

‚sw, and als ſpäter Die bekannten religiöfen Bewegungen im 

2 wor ‚ve einereits Gewaltmaßregeln won Seite der Bebörben ab, 

. wenn Me Erweckten vor den ihnen nabe liegenden Fehlern (val. 
>... Deore, Suwi "SD, 2. 132. 137-147). Wie ſehr Deutfchland ferne 

. zum pen, Lewieſen Die Umiverfitäten Tübingen und Jena, Die ihn bei 
ve. zesnötbtums zum Doktor der Theologie freterten. Am Schweizer 

io. ra am wein Mal öffentlih auf, indem er eine Rebe über die 
nu a ndrndft murde Bald darauf ftarb feine Gattin, feine von Jugend 
x waren run run vollends zuſammen, und er entichlief im Frieden 
Zunenerr IS19. Die Kirche batte an ibm einen Mann, der im ebeliten 

se Sortesgelebrter, ein Schriftgelebrter, gefehidt zum Neiche Gottes 


see nid auf religiöfem Grund und Boden, der nur in den Überzeugungen 
> ur mlte den Zweck irdiſcher Exiſtenz gelöſt ſah. Sein Hauptverbienft 
unter ser ein kräftiger Zeuge war, ein heilſam vermittelndes Zwiſchen⸗ 


oa N en Irtbodorie, Durch die Zeit Des Nationalismus hindurch bis zum 

or ent Oiaubens: und Erkenntnisleben der Neuzeit; an ibn fchloffen fic 

Tu Neu und feiner Gemeinde wie er die Chrijten gerne nannte 

a ne ah Wir fünnen ibn bierin neben J. Jak. Heß, Antiftes von Zürich, 

N ind reniger auf dem (runde der objeftiv gewiſſen Kirchenlehre als der 

area Terwtiytung gewonnenen Glaubenserkenntnis. Müllers äußere Erfchei: 

snetshtd und Doch im höchſten Grade anziebend, eine bobe, edle Geftalt, 

ande Zittte, belle, blaue Mugen, woblgeformte gebogene Nafe, freundliches 
2 tod and Sanfte Stimme. 

Dr. 3. Kirchhofer F (G. Kirchhofer). 


anam. \ N. Georg, Profeſſor in Baſel, geſt. 1875, mar ein Freund des 
oe Nett Eneptlopädie und Mitarbeiter an der eriten Auflage derfelben, 
8a ad asline von Hagenbach und Stäbelin, neben denen er über 40 Jahre 
orten Neo gemeitlamen Waterjtadt gewirkt bat. Beſonders mit Ichterem eng 
S2 nom bene Tage mach ibm entjchlafen. Auch von Müller gilt, was 
he NV 2.0570 der 2. Auflage) gejagt wird: „Er war nidt en 
Era tyidtart aber ein gewiſſenhafter, forgfältiger Arbeiter; nicht ein durch 
NE enender, aber treuer, bingebender Yehrer“. Von jenen drei Man: 
802 ann wc Ber tbeologifchen Fakultät Baſels ihr Gepräge gaben, iſt Müller 

X rasee banber wobl in der wifjenfchaftlichen Welt am wenigſten von fib 
ce Na ne Arbeiten waren nicht jo jchriftitelleriich gewandt, wie Die 
ns tn, te rufen nicht einen jo im Vordergrund Des tbeologifchen Sn 
"Sande Mupriitund, wie Diejenigen Ztäbelins über den Pentateuch. Aber er 
are Nana Nat originellſten, am ſchärfſten ausgeprägten Charakter, was fid 
wa he und Bildungsgang erklärt. Während jene beiden aus den 

. Na Busse Sewworgingen, war Müller ein Sobn des bürgerlichen Mittel: 
Te Nana Wire stets behalten. Während jene raſch und früh auf Lehrſtüble 
| So. Nein Jiel erſt weit ſpäter erreicht, unter Beweifung von ebenjoviel 


san, a Nichämendes Vorbild für eine ungebuldige, nach hohen Zielen 
ann DEE . - . 0 
ID is Want geboren ben 8. Mai 1800 als das einzige am Leben ge 


ugeroleute und erſtarkte aus einem fchwächlichen Anaben erft 
a akt, Div er Dann auch zeitlebens behalten hat. Mit 15 Nabren 
su an Soabre lebte er von da an zulammen mit feiner tter, 
mg N Fagitt Det Vereinſamung und bes Alters. Gr erhielt „eine 

.. u Nr wi vrnebme Erziebung”, und mußte früh für feine Bebürfnifie 


x 
x au 


Müller, J. ©. 527 


jelbft forgen. Erſt 1847 war es ihm vergönnt, in den Eheitand zu treten mit Emilie 
Burdhardt, der Schweſter ziveier feiner Studiengenofjen und Tochter einer durch Gelehr- 
famkeit und Tüchtigfeit hervorragenden Familie Bafeld. Mit ihr bat er „eine unerwartet 
lange Reihe von Jahren in glüdlicher (wenn auch finderlofer) Ehe verbringen und 1872 
feine filberne Hochzeit feiern dürfen”. 6 
Unter den geichilderten Verhältniſſen feiner Jugendzeit war fein Bildungsgang fein 
vom Glüd begünitigter. Pahrend bei dem damaligen troſtloſen Zuſtande der Bildungs⸗ 
anftalten Bafels feine mohlhabenderen Altersgenoflen ‘Privatunterricht erhielten, mußte er 
elbft früh jolchen erteilen. Bon 1818 bis 1825 ftudterte er an der Hochichule Philo— 
opbie und Theologie. Während eritere Fakultät etwas beſſer bejegt mar, bot letztere ſo⸗ 10 
Anlegen nichts und war gänzlich in Verfall, bis 1822 de Wette fam, an den dann aud) 
üller fich anfchloß und dem er viel verdankte. Der Beſuch einer auswärtigen Hoch- 
fchule war ihm unmöglich; einigen Erfaß mußte er darin fuchen, daß er in feinen jpä- 
teren Semeitern bei Hagenbady und Stähelin, welche auswärts geweſen waren und nad) 
ihrer Rückkehr ſich als Docenten habilitierten, Borlefungen hörte. Einen anderen Erfat 16 
bot ihm das mit großem Fleiß betriebene PBrivatitudium, ſowie der Umgang mit ftreb: 
famen Studiengenofien. Er pflegte nach damaliger Sitte eifrig die Freundichaft und 
war in feiner langen Studienzeit mandem Mitjtudierenden ein zuverläſſiger Leiter und 
Führer in Arbeit und Genuß; man mußte: wo Müller dabei ift, gebt nicht? Unrechtes 
vor. Er war auch lange Präſes des damals neu gegründeten, als waterländiiche Ber: 20 
bindung auf allen ſchweizeriſchen Hochichulen noch blühenden Zofingervereind. Erſt 1825 
gelangte er bei der Gründlichkeit, womit er alles betrieb, zu Examen und Ordination, 
und fonnte nun mit einem Freunde, von einigen Gönnern unterjtüßt, eine 7monatliche 
Reiſe durch Deutichland antreten, die ihn mit den meiften Hochiehulen und vielen be- 
deutenden Gelehrten befannt machte. Nach feiner Rückkehr führte er fein früheres Leben 25 
noch Sabre lang fort, Privatitunden erteilend und aushilfsweiſe kirchliche Funktionen aus: 
übend, wurde aber immer mehr inne, daß er zum Predigtamt nicht gefchaffen fei. Erſt 
Oftern 1828 erhielt er eine bejcheivene öffentliche Anftellung als Lehrer der lateinischen 
Sprache an der eriten Klafje des damaligen Pädagogiums (der Unterſekunda entfprechend) 
mit acht wöchentlichen Stunden. Drei Jahre darauf wurde er zum „Lektor“ (eine Art so 
ilfslehrer) in der theologifchen —5*— ernannt, nachdem er das Licentiatenexamen be— 
den; 1835 zum ordentlichen Profeſſor; 1840 erhielt er von ſeinen Kollegen den Titel 
eines Dr. theol. und 1856 denjenigen eines Dr. philos. Wenn einem Theologen, ſo 
gebührte ihm der letztere bei ſeiner ungemein reichen ſprachlichen und hiſtoriſchen Bildung. 
Er bat denn auch als Profeſſor nach wie vor jene Stunden am Pädagogium erteilt und 36 
„38 Jahre lang unter dem empfänglichen Jugendalter mit viel Freude und Anerkennung” 
fortgeführt. In diefer ganzen Zeit hat er drei Stunden, zwei aus Anlaß feiner Hochzeit 
und eine ivegen Unwohlſein verfäumt. In der alten und neuen Gefchichte, wie in den 
Ereigniffen der Gegenwart war er gründlich bewandert und namentlid) ein großer Ver: 
ebrer der Schriften Sohanns von Müller. 40 
Das ihm als theologischem Lehrer angemiejene Gebiet war vor allem die neutefta- 
mentliche Erklärungs- und Einleitungswiſſenſchaft. Wie genau er zu Werke ging, zeigt 
el darin, daß er die dem NT zeitlih und ſprachlich am nächften ftehenden Schriften 
Philo, des Joſephus und der apoftoliichen Väter einläßlich ftudierte und zur Er: 
Härung des NTS berbeizog. Er hat mehrere derfelben jemeilen mit den Studierenden 45 
gelefen und 1841 Philos Weltihöpfung, 1869 den Brief des Barnabas mit Kommentar 
ausgegeben. Ebenſo erichien nach jenen Tode, drudfertig binterlajfen, das Buch des 
ofephus gegen Apion, 1877 herausgegeben nad) feiner Anoronung durch feine Kollegen 
iggenbacd und v. Drelli. Auch erichten 1870 von ihm ein Programm über Philos 
merkanifche Erwartungen. Belonders geichägt waren feine Vorlefungen über Einleitung so 
ins NZ, wo er ſich mit der ihm eigenen Gründlichfeit und Nüchternheit mit der Baur: 
Ir Kritik auseinanderfegte. Liber jein Verfahren hierbei fagt er: „Die neuere Tübinger: 
e Batte einerfeit3 manche Einſeitigkeiten der vorftraußifchen Vermittelungstheologie in 
der Prioritätsfrage mancher neuteit. Bücher bloßgelegt, andererjeits es klar gemadt, daß 
mit der prinzipiellen Leugnung des Wunders fonfequenteriveife auch das gejamte pofitive 
biftorifche enrientum an den Pantheismus müfje abgegeben werden, wofür den Beweis 
chlagender führte als D. F. Strauß jelber. Gegenüber einer ſich meit ver: 
breitenden Art und Weife, alle Ergebnifle der negativen Kritif der gedantenlofen Untillen. 
ai als Reſultate der freien Forſchung binzuftellen, fuchte ich meine Zuhörer zur wirklich 
ien Forſchung binzuleiten und fie zu gewöhnen, in kritiſchen Dingen mir fo wenig als vd 


& 


528 Müller, 3. ©. 
einem andern aufs Mort zu glauben, ſondern die Gründe für und iiber Bi ſtreng 


Das anbere Gebiet eudafe und chen Wirkja ne 
ber vergleichenden Neligi * Die Se au nd — kan, ——— 









— Naturreligionen b 
i dieſen und dem bibli l 


weiſe iebt, ab von der Natur feines eigenen Glaubens. to durchdrang 
nei org Die ini vo wie fich = *55 —* —* —* ff 


auch | 
0 Semiten und Chamiten, deſſen Yöfung er g- ganz selbftite iger we bat. Jr 
einem Programm wirft er 1860 die ‚Frage auf: Wer find denn die Semiten —— 
welchem Recht ſpricht — von —* hen Spraden? Ein veites von 1864 
von der Nationalität der Hyffjos und der Abilifter und 1872 erſchien das N Die 
Semiten in ihrem Verhältnis zu Japhetiten * Chamiten. In —— * er zu 
35 —— daß der Name Semiten wohl einer G verwandter Völker gebühre, aber 
kein richtiger Name ſei zur — einer Klaſſe von Sprachen. "es man als jemi- 
tiſche Sprachen bezeichne, jollte man vielmehr chamitische nennen. Wir fünnen und wollen 
bier über die Stihhaltin eit diefer Aufjtellung nicht urteilen, aber Fleiß und Geift wird 
„* der Gegner dem Werke nicht abſprechen. 
Müllers Arbeiten zeichnen ſich nicht aus durch ſ i 
—— allenthalben von ſorgfältiger und ſelbſtſtändiger 
Bi legte er * nur zu wenig darauf an, zu —— 


— a hatte Bu, A es — Gr = zei —— 
45 iſſen, t, aller Bequemlichkeit : 
RT. N 








an bie nötige. 
So bat er 
* Be N) m hu * er von 6—7 
tägli ‚ oft mit en orrigierten 
co ſchreiten, ein echtes Original, — * 

















Müller, 3. ©. Müller, Julius 529 


Im Sabre 1874 verfaßte er cine Skizze feines Lebenslaufes, welcher die Eitate in 
diefem Artilel entnommen find. Im Sommer 1875 erfrankte er an einem Geſchwür in 
der Speijeröhre. Erit auf ausdrüdlichen Befehl des Arztes ftellte er feine Vorleſungen 
ein, nach einem Ohnmadtanfall traf er feine lebten Anordnungen. Drei Tage darauf, 


am 31. Auguft 1875, iſt er fanft und ruhig entichlafen. 6 
Berfaßt nad) der erwähnten Skizze, einem Nekrolog von Prof. Riggenbah im 
„Kicchenfreund” 1875, Nr. 18, und perjönlicher Erinnerung. Jakob Kündig. 


Müller, Julius, get. 1878. — Quellen: Der handfchriftlihe Nachlaß. Die Le: 
bensſtizze ſeines Schwiegerjohnes: D. Julius Müller. Mitteilungen aus feinem Leben, auf: 
gezeichnet durch D. Leopold Schulte, General:Superintendent, Bremen 1879. 10 

Julius Müller, der Hallefhe Toogmatifer und theologiſche Vorkämpfer der evan— 
gelifchen Union, war geboren am 10. April 1801 zu Brieg als der zmeite Cohn des 
damaligen Tseldpredigers, ſpäteren Superintendenten in Oblau, Karl Daniel Müller. Oftern 
1813 folgte er feinem älteren, ihm zeitlebens durch die innigfte Freundichaft verbundenen 
Bruder Karl, der Welt unter dem Schriftitellernamen Otfried befannt, auf das Gym⸗- ı5 
naftum in Brieg, Oſtern 1819 auf die Univerjität Breslau, wo er zunädft auf Wunich 
der Eltern Jurisprudenz ſtudierte. So fleißig er aber auch das juriftiiche Fachſtudium 
betrieb, jo übten doch die hiftorifchen Vorlefungen bei Wachler und die philofopbijchen 
bei Steffens, dem väterlichen Freund der beiden Brüder, eine ungleich höhere Anziebungs- 
kraft. Eine Frucht feiner Studien war die Löſung der Preisaufgabe der philofophifchen > 
Fakultät: de relatione quae intercedit inter ius naturae et positivum. Im Herbft 
1820 nahm ihn Otfried, jet Profeflor der Archäologie an der Georgia Augusta mit 
nad Göttingen, two ſich ihm in der engften Gemeinschaft mit Otfried und deſſen yreundes- 
freis eine Fülle von Anregungen bot. Auch in der Jurisprudenz ſchien er bier tiefer 
zu mwurzeln, denn er erbielt für die Löſung der Preisaufgabe: Ratio et historia odii >; 
quo foenus habitum est, am 4. Juni 1821 den Preis und fie wurde, als ſie gebrudt 
vorlag, aud von Savigny günftig beurteilt. An feinem jpäten Lebensabend trug fie ihm 
die freundliche Aufmerkſamkeit der juriftifchen Fakultät in Halle ein, die ihn am 50. Sahrestag 
der Preisverteilung zum Doctor utriusque iuris honoris causa freierte. Und doch 
batte ſich jchon damals der innere Umſchwung vollzogen, der ihn der Theologie zufübrte. so 
Nach feinem eigenen Belenntniffe verzehrte fich Schon länger feine Seele in einer tiefen 
Sehnſucht nad) einem böberen Lebensideal, welche alle feine Studien und geiftigen Ge- 
nüſſe auch in diefer erjten jo reichen Göttinger Zeit nicht fättigen fonnten, bis er ſich 
endlid „von Evangelium mit deijen göttlicher Kraft im innerjten Gemüt ergriffen und 
mit dem Frieden befeligt fühlte, den allein Chriftus geben kann“. Er erfannte darin eine 35 
göttliche Berufung, der er nur zu folgen vermochte, indem er Ir der Theologie widmete. 

it aus Ungefhmad an der Jurisprudenz — „aber mein Beruf ift fie nicht. Ich bedarf 
jet eines Berufs, der immer in unmittelbarer Beziehung auf das Höchjte im Xeben und 
auf Gott felbit fteht”. Diefe innere Umwandlung war fein Werk perfönlicher Einflüſſe. 
Die eriten leifen Spuren führen auf die Gumnaftalzeit in Brieg zurück und damit auf 40 
den allgemeinen Herd der jchlefiichen Erweckung, die getvaltige Vertiefung des religiöfen 
Lebens infolge der Freiheitskriege. Cine gewiſſe Vermittelung übte ohne Zweifel fein 
durch den Bruder beitimmter Bildungsgang. Der reihe Strom einer erneuerten gejchicht- 
lichen Wiflenichaft, der aus der abgeflärten Romantik feinen Urſprung nah, wie fie in 
Otfried ſich ihm darftellte, gewährte ihm die Mittel, die Fadheit der rationaliſtiſchen Ver- 45 
flahung zu durchſchauen und das Evangelium in feiner Echtheit und Urjprünglichkeit 
aufzufafien. Als eine urfprüngliche Wirkung des göttlichen Worts auf den empfänglichen 
Geiſt des Jünglings und zwar auf die Tiefen feiner ſittlichen Natur und ihren hoch— 
gefpannten Idealismus --- jo ift die erfahrene Erwedung zugleih Ausgangspunft feiner 
eigentümlichen theologischen Entividelung. Zunächit freilicdd mußten bei der reinen Innerlich- 50 
keit des Erlebniſſes und der Iſolierung von allem lebendigen Chrijtentum noch ſchwere 
Anfechtungen überwunden werden, beionders als nun fein in der Schule des Bruders 
an fo ganz andere Koſt gewöhnter Geiſt die damalige Göttinger Theologie fennen lernte. 
Mit leivenfchaftliben Ungeftüm warf er fih auf die neueſte Philoſophie und die alte 
Mytbologie, ohne daß er bier die Mittel fand, die aufgetauchten Zweifel zu befebwichtigen. 65 
Der Sommer 1822 in Breslau fteigerte die Krifis zu ihrem Höhepunkte. Da war es 
Tholud, der berufen war, auf enticheidende Weife in das Leben J. M.s einzugreifen. In 
welhem Umfang er damals vermochte, in die Seele des Freundes das löfende Wort 
bineinzurufen, davon giebt der öffentlihbe Dank Zeugnis, den ihm J. M. 50 Jahre fpäter 

Real-Encyllopädie für Theologie und Stirche. 3. A. XIII. 34 


* 


530 Müller, Julius 


in der Widmung der 1870 erjchienenen dogmatifchen Abhandlungen abgeitattet bat. „Tu 
machteft mich damals auf den fittlichen Geift des Chriſtentums aufmerlfam und erweckteſt 
in mir wieder die Zuverficht, daß im evangelifchen Glauben die feligmachende Wabrbeit 
zu finden fei und außer ihm nirgends.“ Nach den gleichzeitigen Briefen war es nicht 

6 Tholuds Theologie, ſondern feine chriftlihe Perfönlichkeit, die ihm mit überzeugender 
Gewalt im lebendigen Glauben an den Herm den feiten Punkt gewinnen ließ, von wo 
er W der gerade ihm eigentümlichen Anfehtungen mit Erfolg ertwehren konnte. Dieſe 
Anfehtungen kamen ihm aus der philofophijchen, alles Lebendige in ihrem Wirbel ver: 
zehrenden Idee des Abfoluten als der Aufhebung aller Gegenfäge, in deren Abgrund wie 

19 die ganze Entwidelung der Bhilofopbie, fo alle Mege eines konſequenten Denkens unent- 
rinnbar einzumünden fchienen. Es zeugt von feinem ftarten fpetulativen Trieb, daß ber 
Geiſt 3. Ms fo furdtbar won diefer dee geängitigt wurde. 

Auf dem gewonnenen feiten Glaubensgrunde baute fih nun für J. M. nit nur 

ein neues Leben, fondern auch eine fruchtbare Fortſetzung jeines theologiſchen Studiums 
auf. Den Winter über blieb er noch in Breslau, in der innigften Gemeinfchaft des 
Gebets wie des Forſchens mit einem Kreis gleichgefinnter Freunde, zu dem auch Richard 
Rothe gehörte, ferner mit Lehrern mie Steffens und Scheibel, durch die er mit der Grai 
v. d. Gröbenfchen Familie befannt wurde, in welcher ſich damals Anna Schlatter aus 
St. Gallen aufbielt. Oſtern 1823 aber folgte er der dringenden Aufforderung Tholuds, 

20 nach Berlin zu fommen. Worber verlobte er fich noch mit Flora Holenz Das Glüd 
diefes bräutlichen Verhältnifjes verbunden mit der wachſenden Blerophorie feines Glaubens 
und feiner theologifchen Überzeugung machten das Jahr in Berlin zu einer Zeit fchönfter 
Entfaltung jeiner reichen Begabung. Fand er doch auch bier die Lehrer, die fein innerfies 
Bedürfnis befriedigen konnten. Dies mar nicht Schleiermacher — weder feine Predigten 

25 noch feine Vorlefungen vermocten ihn anzuziehen — fondern Strauß und Neander. Bei 
jenem fand er die feinem deal entiprechende Vereinigung von Wiflenfchaft und Praxis 
auf Grund einer lebendigen Erkenntnis des göttlichen Wortes, des „Zentrums aller Theo: 
logie”, bei Neander empfing er nachhaltige Anregungen für feine miflenjchaftliche Weiter: 
entwwidelung aus der fpelulativen, an Origenes und Auguftin ſich anſchließenden Seite 

3 feiner Theologie, für welche 3. M. ftets von befonderer Hochachtung t blieb. Der 
innige Wunfh Neanders war, ihn für die alademifche Laufbahn zu gewinnen. J. M. 
blieb jedoch feinem ſchon in Breslau gefaßten Entſchluß treu, und ein praftifches 
Pfarramt zu ſuchen. Ende März 1824 beftand er vor dem Berliner Konftjtortum „vor: 
züglih gut” das 1. Eramen, ebenfo ſchon Anfang Dezember in Breslau das zweite. 

3 Schon im Februar 1825 mäbhlte ihn die Gemeinde Schönbrunn mit Roſen bei Strehlen 
um Nachfolger feines nach Wernigerode berufenen Freundes Ravel. Am 10. Apri 
feinem Geburtstag, ward im Pfarrbaufe zu Tichöplomis Hochzeit gefeiert, am 6. Mai 
erfolgte die Ordination in Breslau und am Sonntag vor Pfingften die Einführung in 
Schönbrunn. 

40 Die Liebe und Empfänglichkeit der Gemeinde, die Gunft der äußeren Verhälmiſſe, 
das Glück feiner auch bald mit Kindern gejegneten Ehe vereinigte fich hier zum lieblichiten 
Pfarridyll, in das nod oft aus der Arbeitshetze der fpäteren Jahre die Erinnerung ſehn⸗ 
füchtig zurückkehrte. Bald aber wedte die Muße, die ihn fein Pfarramt ließ, den Trieb 
zu litterarifcher Thätigkeit, für welche eine Fülle von Plänen in ihm entitanden. Zu: 

4 nächſt mit den Worarbeiten für eine Geſchichte des Pietismug und der deutfchen Myſtil 

befchäftigt, ward er durch die Theineriche Schrift: „Die katholische Kirche, beſonders in 

Schleften, in ihren Gebrechen dargeftellt von einem fatholifchen Geiftlichen”“ in eine an 

ſich eneutungelofe littevarijche Fehde vwerwidelt, die aber aus demfelben Intereſſe an der 

Selbſtſtändigkeit des Firchlichen Xebensgebiets entjprang, das bald die ernfteften Kämpfe 

für ihn beraufbefchwor. Was ihn gegen Tbeiner zum Widerſpruch reizte, war, daß 

derjelbe die Staatsgewalt anrief, das Werk der Reform der Kirche in die Hand zu nehmen. 

Allmäblich verliefen fich die durch feinen Widerſpruch aufgeregten Wogen. Die Nähe der 

„subelfeier der Augsburgiſchen Konfeſſion ließ den Plan einer Feſtſchrift über den Wert 

und die Bedeutung jombolifcher Bücher für die proteltantifche Kirche in ihm 

s die nachweifen follte, daß die protejtantifche Kirche zwar nicht auf den Buchitaben der 

Symbole verpflichten dürfe, daß aber eine Verpflichtung nur auf die heilige Schrift feinen 
beitimmten Zinn und Inhalt haben würde. J. M. war noch in der Umformung de 
reichlich gefammelten Materials in die von ibm geliebte Kunftform des Geſprächs be- 
nriffen, als ibm neue Kämpfe die Muße zur Vollendung raubten. Nachdem fchon ein 
w Aufſatz über die Ehebündniſſe zwischen Gefchiedenen im Märzbeft der Evangelifchen Kirchen: 


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Müller, Julius 531 


zeitung von 1829 durch fein Eintreten für die Freiheit der Kirche in Berlin den größten 
Zorn erregt hatte, geitaltete fich fein Widerfpruch gegen die Behandlung der Agenden: und 
Unionsangelegenheit direkt bebrohlich für feine amtliche Stellung. Derjelbe galt nicht dem 
Inhalt der Agende und ebenſowenig der dee der Union, wohl aber der ftaatlidyen Ein- 
miſchung in dieſe rein Firchlichen Fragen. Am Mai 1830 erfolgte feine pofitive Erklärung : 
an das Konfiftorium, daß er die Agende nicht einführen werde, im Juni die ebenjo ent: 
chiedene Ablehnung des Unionsritus. Der unvermeidlichen Abjegung, der er mit voll: 
fommener Ruhe entgegenfah, entzog ihn jedoch rechtzeitig die durch feinen Bruder Otfried, 
ſowie feine Freunde Lücke und Srnstoalp betriebene Berufung zum Univerlitätöprediger 
in Göttingen. Damit war der Übergang zur alademifchen Yaufbahn gegeben. Seiner: 
Antrittspredigt Auguft 1831 folgte im Winter darauf feine Habilitation. Seine Differ- 
tation: Lutheri de praedestinatione et libero arbitrio doctrina interejjierte befon- 
ders durch den Nachweis, daß Luther feine in der Schrift de servo arbitrio geäußerten 
Anfichten der Hauptjache nach immer beibehalten habe. Troß der äußerlich geringen Aus— 
dehnnung feiner Wirkſamkeit verbreitete ſich doch fein Huf als Prediger und Dozent fo 
(nel, daß zahlreiche Berufungen erfolgten, beſonders als im Jahre 1833 feine erite 

itarbeit an den ThStK, die Recenfion über die Göfchelfchen Schriften, und die erite 
Sammlung feiner Predigten in die Hände des Publiftums famen. Die Ernennung zum 
außerordentlichen Profeſſor 1834 konnte ihn noch in Göttingen halten, aber ſchon im Herbſt 
d. J. kam die Berufung auf den ordentlichen Lehrſtuhl für Dogmatik nad Marburg, dem er 20 
ſich nicht entziehen konnte. Ein fchöner Beweis der bei der Göttinger Fakultät errungenen 
Stellung war das theologiiche Doftordiplom, das ihm jein Freund Lücke nach der Ab: 
chiedöpredigt März 1835 in der Sakriſtei überreichen durfte. 

In dem reizend gelegenen Marburg, begünftigt durch das ſchönſte Tollegialiiche Ber- 
bältnis zu Freunden wie Hupfeld, Kling, Sengler, C. Fr. Hermann, Puchta, jpäter 2: 
V. A. Huber, vermochte fich feine akademiſche Wirkſamkeit voll zu entfalten. Aber die 
geiftigen Berwegungen der tief erregten Zeit riefen ihn aud) auf den litterarifchen Kampf: 
plag, um antithetifch mie thetiſch den Standpunft einer wahrhaft wiſſenſchaftlichen und 
gläubigen Theologie gegen die immer heftiger werdenden Sturmläufe der antichriftlich ſich 
entwwidelnden Zeitphilofophie zu verteidigen. Antitbetifch geſchah dies durch Nachweis der : 
Unvereinbarkeit der Hegelichen Philoſophie mit dem Ehriftentum in den Necenfionen der 
Schriften von Richter, Göfchel, Weiße und Fichte über die Unfterblichkeit (Nahrg. 1835 
der ThStK), ferner durch die Necenfion von Strauß’ Leben Jeſu (Jahrg. 1836). Vom 
richtigen Begriff des Mythus aus wurde hier in erfolgreicher Weiſe, Die auch den vollen 
Beifall Otfrieds, des berufenen Forſchers auf dem Gebiete der alten Mythologie, fand, 35 
die Anwendung beftritten, welche Strauß von demſelben auf die evangeliiche Gefchichte 
gemacht hatte. Die Replik von Strauß im 3. Heft feiner Streitjchriften veranlaßte J. M., 
im Jahrg. 1838 der ThStH nody einmal das Wort zu einer Gegenbemerkung zu nehmen, 
in dem er den Verſuch von Strauß zurückweiſt, die auflöfende Wirkung feines Grund: 
prinzip anf einen hiftorifchen Kern des Lebens Nah zu verhüllen. Das lebte Glied in 
diefer Reihe iſt die Haffifche Necenfion von Feuerbachs Weſen des Chriftentums. Hatte 
ſich in Feuerbach der Straußfche Gegenjag zum Chriitentum zum Gegenjag gegen alle 
Religion geiteigert, jo war durch diefe Stadien des Entmwidelungsganges der modernen 
Pbilofophie der Beweis gegeben, daß fie nur im nadtejten Naturalismus enden fünne. 

Beveutfamer noch als diefe Fritiichen Beiträge Sollte das theologifche Hauptwerk 15 
3 M.s in die Entwidelung eingreifen, deilen Ausarbeitung wejentlih noch in die Mar: 
burger Zeit fällt, feine „chrijtlihe Xebre von der Sünde”. Die Vorarbeiten dazu batten 
bon in Schönbrunn begonnen, aber erft im Sommer 1838 gelang ibm ein vorläufiger 

bſchluß. „Vom Weſen und vom Grunde der Sünde“, eine theologische Unterfuhung 
von J. M. — jo lautete der Haupttitel des Werke, das fih jedoch durch einen Neben: w 
titel nur als der 1.Band eier chriftlichen Lehre von der Sünde anfündigte. Der 2.Band 
erichien erit zugleich mit einer neuen Ausarbeitung des 1. Bandes im Jahre 1844. Das 
urfprünglihe Werk war der theologijchen Fakultät zu Göttingen gewidmet zum Dank für 
das Ehrengeſchenk der theologischen Doftorwürde. Widmung wie Vorrede nehmen ihren 
Standpunkt auf dem protejtantijchen Grundfaß freier wiſſenſchaftlicher Forſchung, der feine 55 
andere Autorität anerfennt als den unwandelbaren Grund des göttlichen Wortes in der 
heiligen Schrift. Zu dieſem Standpunkt gehört die Zuverficht, daß das wiſſenſchaftliche 
Denen mit dem chriſtlichen Gefühl nicht in Widerſpruch ſtehe, insbeſondere das Denken 
über die Sünde nicht zur Vernichtung des „religiöſen Grauens” vor ihr führen müſſe. 
In diefen Worten der Vorrede Liegt der entfchiedene Gegenfaß, in der J. M.s chriftliche vo 

31” 


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"gli — ntereſſe beſeelte Neander, den hochbegabte 
3 und undeögenoflen im Kampfe gegen Die 5 Die Send Zeitphilojophie für 9 reufer Y 
gewinnen. Obwohl J. M. jede Retraftation ablehnte, gelang es doch die mächtiger 
eneinflüffe der Heg ichen Goterie im Minifterium Altenftein zu überwinden. Bere 
unter dem 11. März 1839 erfolgte ohne weitere boraufgegangene Verhandlung die 
— Ernennung. Die Loslöſung von Marburg im Herbſt 1839 und das leinlebe 
alle follte jich freilich unter ae Serra Erlebniſſen vollzieben. Am 13. 
u jeine Gattin Flora, die treue feiner fieben überlebenden Kinder. Am 1.‘ 
1840 ftarb n Atben auf einer Forichungsreije jein Bruder der id, denken wie 
ein Bruder, der ihm der te Freund geweſen war. 
a warb ihm im dem Bund mit Elifabeth Klugfift, der Sägen | 
8, U. Huber, zum zweitenmale das böchfte dentbare Glück der Ehe Geh jo 
ichmerzlicher, daß dasjelbe nur von furzer Dauer fein follte. Am 5. Otte 1844 ward 
er zum ziweitenmale Wittver, eine Heimfuchung, zu deren — ba ben chwer 
mütigen Grundzug ſeines Temperaments und der eigentümlichen —— Empfinden 
ſeiner ganzen Pflichttreue und Glaubensenergie bedurfte, um bei w Geſundhei 
so den Anforderungen gerecht zu werben, welche das akademiſche Lehramt nicht wenige 
die Entwickelung der Kirche und Theologie, beſonders jeit der —— 
Wilhelms IV. an ihn ſtellten. Allerdings ſetzte er dem Plane des Mini | 
ihn ins Kirchenregiment zu ziehen, den entſchiedenſten Miderjtand entgegen, aber — er⸗ 
ſtattete ibm im einer Reihe der wichtigſten Angelegenheiten fein faſt immer erfolgreich 
5 Butachten. Den Höbepuntt, aber auch den Wenbepunft feines —— auf kirchen 
—— Dinge bezeichnet ſeine Teilnahme als —— der Falultät 
Generalſynode von 1846. Das Intereſſe, das J. M. an derjelben ne 
aufs engjte mit feiner Stellung zur Union zujammen. Sein — 
* e Behandlung der Unionsſache war mit der eingetretenen — 
oo vegimentlichen Grundſätze hinfällig geworden. Um jo mehr galt es, das 





Müller, Julius 533 


und dadurch für cine gedeihliche Entwidelung der Unton Bahn zu 

beginnt fein als Referent der erſten Kommiffion über die Angelegen- 

;:ttetes Gutachten mit einer entichievenen Verurteilung der bisherigen 

berechtigt der Grundgedanfe Friedrich Wilhelm des III. war und fo 

bite Moment, jo feblerbaft war es, daß man gegenüber der bedenklichen 

haft eines den Unionggedanten verfälfchenden Indifferentismus gegen alle 

des Glaubens nicht tvagte, die Glaubensgrundlage der Union zu betonen, 

»auptgewicht auf Konformierung im Kultus durdy den Unionsritus beim 

ch und die Agende legte. Soll aber Gleichförmigkeit in Kultus und ebenfo 

.» Mirchenregiments irgend einen Wert haben, fo muß beides auf einer Gemein- 1v 
blaubens beruhen. Ohne dieſe lebendige Seele der Glaubenseinheit wäre die 
»diglich „ein diplomatisches Werk, unvermögend eines Menjchen Herz für ſich zu 
nen und zu begeiſtern“. Dieſe Einheit aber bebarf eines beſtimmten befennenden 
uds, und fofern es bisher daran gefehlt hat, „bat — fo erklärt J. M. — die Union 

ı innere Berechtigung noch gar nicht dargethan“. Um jo mehr mußte es ihm nun 15 
Serum zu thun fein, nicht nur das Vorhandenfein der Übereinftimmung in den Funda- 
nientalartikeln aufzuzeigen, fondern auch dafür einen Ausdrud zu finden. Hierzu fchien 
ſich ihm, wenigſtens als geeignete Eremplififation eines Konſenſus, das neue von Nitzſch 
vorgejchlagene Urdinationsformular darzubieten. Sein Gedanke war dabei, daneben in 

die Vokation die Wahrung der konfeſſionellen Gigentümlichkeit der Einzelgemeinde aufzu: 20 
nehmen. War fo die Ordination Ausdrud des Unionsftandpunfts der —— ſo 

war durch dieſen Vorbehalt für die Vokation das Recht der Konfeſſion ausdrücklich ge- 

wahrt und jeder Schein einer Vergewaltigung abgewehrt. 

Es war begreiflich, daß die eigentümlichen Geſichtspunkte, welche J. M. zur Billigung 
des Nischen Urdinationsformulars und zur Verwendung desjelben als Ausdruck des: 
Konfenfus veranlaßt hatten, fein Verjtändnis fanden, auch nachdem J. M. fie noch einmal 
in der Schrift: „Die erſte Generalſynode der evangelifchen Landestirche Preußens und 
die Tirchlichen Bekenntniſſe“, Breslau 1847, verteidigt hatte. Beltätigung und Ausführung 
der Beichlüfle der Synode durch das Kirchenregiment verzögerte ſich, bi8 die Stürme der 
Revolution des Jahres 1848 beide begruben. Die auf den Sevolutionstaumel dieſes Jahres 30 
bald genug folgende politische und kirchliche Reaktion nötigte jedoch J. M. zur Wieder: 
aufnahme des Kampfes. Es galt jest nad feiner Überzeugung die Verteidigung des that: 
ächlihen Beligitandes der Union. Als Organ diente ihm die 1850 mit Neander und 

isich begründete „Deutſche Zeitjchrift für chriftliche Wiſſenſchaft und chriftliches Leben”. 
Dem Intereſſe J. M.s an ihrem Gedeihen verdankt die theologische Wiffenfchaft eine Reihe 35 
wertvoller Abhandlungen (über die unfichtbare Kirche, über die Frage, ob der Sohn Gottes 
Menſch geworden wäre, wenn das menschliche Geſchlecht ohne Sünde geblieben wäre, 
über das Kormalprinzip der evangelischen Kirche, über Glauben und Wiffen, über Die 
göttliche Einfegung des geittlichen Amts, über den Pelagianismus u. a.), die faſt ſämtlich 
ın den 1870 herausgegebenen „Gefammelten dogmattfchen Abhandlungen” wieder ab: 
gebrudt find. Außerdem rühren von J. M. einige der Vorworte und cine Reihe von 
Aufjägen über die Unions- und Verfaflungefrage ber. Eine zufammenfaffende Darlegung 
feines Standpunfts gab 3. M. in der Schrift: „Die evangelifche Union, ihr Weſen und 
ihr göttliches Recht”, Berlin 1854. Die Abficht diefer Schrift war eine durchaus trenifche, 
die von J. M. dringend gewünfchte Verftändigung mit den gemäßigten Lutberanern. Der 15 
darin enthaltene ausführliche Entwurf des Konſenſus der Belenntniffe der beiden Kon- 
feſſionen hatte nicht die Abficht, ein neues Bekenntnis aufzuftellen, da er ja gar nidits 
Neues enthielt, jondern lediglid) die Hauptlehren der alten Bekenntniſſe. Ebenſowenig war 
er dazu beftimmt, unmittelbar firchenvechtlich vertvendet zu werden, jondern feine Tendenz 
war der thatfächliche Beweis der reichen befenntnismäßigen Übereinftinmung der beiden 60 
Konfeſſionen, der gegenüber die Ablehnung der Tirchlihen Gemeinfchaft zu einem ſchweren 
Unrecht wird. 

Die Angriffe Harnads und Hengftenbergs auf diefe Schrift veranlaßten J. M. im 
Jahrgang 1855 der Deutſchen Zeitjchrift noch einmal zu einem Lungen Wort der Abivehr, 
das legte, welches er in diefem ihm aufgenötigten Kampf für die Umton gejchrieben hat. 55 
Hatte derjelbe auch den Erfolg, daß ſich die Union als gleichberechtigt mit der Konfeſſion 
m Preußen bebauptete - - und mehr wollte J. M. nicht —, fo fchmerzlich war ihm doc 
De ganze Kampfesitellung gegen ſolche, mit denen er im Glauben an denjelben Seren 

im runde eins wußte. Im Gefühl feiner Vereinſamung in der Theologie — be: 
fonders feit dem Tode Neanders -- - Fam oft eine tiefe Ermüdung über ihn. Dazu kam co. 


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532 Müller, Julius Uoquium 
Spekulation gegen den Hegelſchen Panlogismus tritt. 
des abſoluten Wiſſens mit der thatſächlichen Beſchaffen * —— 
begrifflichen Auflöſung ſpottende Rätſel des Böſen verj! J yn Mär 1856 traf in 
das dhriftliche Gewiſſen fehlechthin unwiderleglichen We „inte "sollte Apart tmar 
» Thatfadhe des Bewußtſeins der Eünde als perſonlich nieder A * en und fe 
dung aufgebedt wurde, widerftrebte fie nicht nur de IN Fade * t mit einem 
Spekulation, fondern auch der Relativität der Schlei: , x . T: —— om Natheber 
Müllerſche Theologie bewährt bier ihren Urfprung - Bi Ari a rn bre 1861 nob 
die Freiheitskriege erweckten chritlidhen Lebens, ohne Bi * be Ser vapbie tm 
19 Formen der Firchlichen Yebrbildung folgen zu könne a EC er * Sünde 
bildung auf einer veralteten Metaphyſuͤ beruht, fi 33 — on on bene 
ihr weder den entiprechenden Ausdrud noch die acı — Au Cd Schlaflofigtet 
Antinomie, die fih daraus ergiebt, daß die Sündbe A en ul kiven Denkens und 
griffen werden fann, während doch kein einziger — * Pi Ipe u € blieb er darauf 
15 des Indivuums das Gewicht einer folchen <ab ten "Theo! y ein 7 er d aber 
J. M. nicht durch das kirchliche Dogma von der “; Der Theologie Feiinehmen 


richluß dafür dankbar, daß er we⸗ 
fulation vermag fie nur durch die Annahme einer ichluß — 
Ergiebt ſich hier gerade aus dem Intereſſe, die nf jnez Immer einfaner al. 
wußtſeins feitzubalten, die Berechtigung, eine beſſe Sur TE —* 2. heten . 
> fo fann überhaupt eine wahrhaft auf dem Grun. ; un ſämtlich verheirat⸗ Kinder, 


. . Am 6. Mat 1875 feierte er m 
auf eine reinere und tiefere Erfaffung und Br Tr h —* 
ſein, als ſie das kirchliche —— iumtfichen Sinbern und ——5 — 
die großen Grundtbatfachen des gemeinſamen er ze ige Burke jeiner — 
logie die konfeſſionellen Differenzen zurücktreten, —— ſem⸗ elungen aufzugeben, 

>: die fih hier aus den tiefften Murzeln des Di NN ien ihm gut Ed Jun. Der 208 

Bezeichnet jonach die Lehre von der Sin: — — heimtehrenb, ur ni Höfe 
tümlichen theologischen und kirchlichen Standpu: ee r —* Ds . A 
Lebensgang beftinmt. Begreiflih, daß ein - _"- 1 1. Sep der Ion 
mehr auf der Heinen Marburger Bühne bleibk Tune naträglie Herausgabe feine 

3» Marburg nur für den Fall einer Berufunn "" muarifche Befimmung uneriiBt en. 
Mr Yo m früheren Pal mit }: 
nad Preußen erjchien, ergriff doch Tholud . . . 
nach Heidelberg eingetretene Vakan Im a,‘ a Gellogaii Montis Belligartensis 


zu jegen. Gin noch glühenderes Intereffi  :, X Besponsio, Genevae 1587 u. 1588. 
5 und Bundeögenoffen im Kampfe gegen ir heil daß publizierte 
zugeivinnen. Obwohl J. M. jede Retraf —— ig ar Pe 





. erer R Ih E „Geſch. d. reformierten Central⸗ 
Gegeneinfluſe NH Be ie m | ‚ren uud außgewählte Schriften ©. 267 fi. 
unter dem 11. März 1839 erfolgte ohne . 
lihe Ernennung. Die Loslöfung von * ⁊ de Berhältnifien ber durch Erbfchaft an 





40 Halle follte ſich freilich unter den fchme: wqt (og. b. A. Toflanus u. J. 
ſtarb feine Gattin Flora, die treue Mutte : Weuiisällard 1a Month. 1000 
1840 ftarb in Athen auf einer Forſchu En ken Stenben, geprebigt, freilich 
ein Bruder, der ibm der innigfte rei X Ki Den eorg von Württemberg 
Sabre ward ihm in dem Bund mit C A er war reformiert. 

35V, A. Huber, zum zroeitenmale das .— wen lutheriſchen Typus ang 


r Ä * viele Calvini in Mümpelgart 
ſchmerzlicher, daß dasſelbe nur von fx gie fie fuchten ein 
um_biejer t zu dienen, vom 


er zum zipeitenmale Witwer, eine Hei‘ 
mütigen Grundzug feines Zemperame | die igung eines Rollogui 
feiner ganzen Pflichttreue und Glau* Sewill R uiums 

oo den Anforderungen gerecht zu werd: IN ! art bom 21.26. ärz 1586 
die Entwickelung der Kirche und Ti? : dreä und Lukas Ofiander von 
Wilhelms IV. an ibn ftellten. an - von Anweil und Friedrich 







—Tö—.— X m Musculus, Prediger zu 
ihn ins Kirchenregiment zu ziehen, Fa er : - 
ftattete ibm in einer Nähe” ve I ı Amex, Deofeilor bes Öriechifchen in dern, 
5 Sutachten. Ten Höhepunkt, abe\' ı  üefephie in —— und ben beiden 
politiſche Dinge bezeichnet ſeine nn von ei]. 2a erltredie auf 
der Generalfunode von 1846. 3 3 ve en hriſti, 3. die er und 


bing aufs engfte mit feiner Str! un 
frübere Behandlung der —5 er a Bee, den On zu Marburg, 
so regimentlichen Grundfäße \ ei ee ei "ns en und fein 


rier Kolloquium 535 


Ehriſti, die im rechten Glauben des Sakraments 
reſondert. Zeichen und Sache ſeien durch ſakra— 
mn Div Beichen feien niemals leer, in ihnen werke 
—— — un : md Unwürdige. In diefem Sinne fage man, 


— — .*. - Hingegen blieb man getrennt in folgenden 


für, „in der jalramentlichen Vereinigung ſeien 


— „baft auf Grben „ufammengefaßt, an! nen 
—“ — — hund gegeben”. te anderen aber lehren, „Lei 
— — — — nmel, deren Zeichen auf Erben, daher jene unferem 
— erden. Mit, in und unter — bedeute nur eine 

u . man ferner darin: „die Zeichen, tvie fie jedem 

u — ‘en, werden auch von jedem Mund empfangen, von 
— m zur Verdammnis. Nur die geiſtliche Nießung 

— — Zu enden allein eigen, wodurch fie die bezeichnete Sache 
wie man fie empfange, ſei unerforſchlich. — Nicht 
— ‚tteınberger jagen, „Sache und Zeichen würden dem 


ig überreicht, den Unwürdigen freilih zum Gericht” ; 
nur den Herzen angeboten und nur durch den Glauben 
- komme nicht von einem Genießen der Sache ber, fon: 
ı derfelben”. 
= :; Perſon war man fo weit einig, „daß der etvige 
ur angenommen in Einheit der Berfon. Beide Naturen 
teinander vermengt, noch eine in die andere verwandelt. 


-—. ‚re Eigenschaften, und in alle Ewigkeit werben die der 

u. — Weiteres aber blieb unvereinbart, da die Reformiterten : 

— azigt, geſtorben, tot, nur für verbale erklären, indem man 

en ſich ſo ausdrücke, die Perſon thue oder leide das, öfter 

— ‚lit der Namen bloß der einen Natur bezeichne, wo etwas 

—. ion gerade nach der andern Natur thue oder leide. Dieſes 

niemals teile die eine Natur ihre Eigenfchaften der andern 

— allmächtig. Die Württemberger lehrten dagegen eine wirt: 

— ‚ben Eigenſchaften der göttlichen Natur an die menſchliche in 
_ n Cinigung. 


:er Taufe erflärte Beza, die Taufe der Kinder fei heilig und 


wen, denn am Zeichen bänge ſakramentlich geeint die bezeichnete 3; 
€ 


‚nden und Erneuerung. Obwohl nur den Erwählten die Selig: 

die Taufe doch allen in der Kirche Geborenen zu erteilen, teil 

ı richten, wer erwählt jet und wer nicht. Allen wird in ber 

sten, obwohl nicht alle fie annehmen. Die Rürttemberger aber 

‚Saffer Getaufte auch zugleich mit dem Geifte getauft werde. Nach 

tung, ſondern Beratung der Taufe Grund, einen von der Sclig: 

: Mt nur in uneigentlicher Nedensart die Abwaſchung der Sünde 

‚ben aber ein Zeichen und Unterpfand derſelben. Daher fei aud) 

ufe als ein Stüd des öffentlichen Kirchendienftes niemals der ſoge— 
Weibern und Privatperfonen zu geftatten. 

Bilder in den Kirhen war man einig, daß die Kirchen von pa: 

.E gereinigt werden mögen, daß Gemälde und Schnitzwerke zu den 

en, alle ärgerlichen und die zum Götzendienſt reizenden aber bejeitigt 

5 jedoch nicht Privatperjonen diefes eigenmächtig tbun dürfen, fondern 

rdentlich anordnen foll; daß das MWichtigfte jei, durch die Predigt des 

lerei aus den Herzen zu tilgen. - - Weiter aber, was die Württemberger 

en die anderen nicht zu, „daß Bilder und Gemälde gebührlicher Art in 

ich, daß man den Schwachgläubigen bierin große Schonung fchuldig fer“. 

rigiten twurde das Geſpräch über Die Gnadenwahl, auf melden Punkt, 

redet, Beza nicht eintreten wollte, da vor Yaien verbandelt, derfelbe nur 

lich zu machen fei. Verglichen bat man fich in der beiderfeitigen Anerten: 

nadenwabhl für die beftinnmte Zahl derer, welche felig werden; aber bie 

er anerlannten feinen etwigen Ratſchluß, auch der Vertverfung, und glaubten 

ig entgeben zu fünnen, daß folglih auch die Zahl der Nichtermählten eine 

i. — (Gerade über diefen Punkt erfahren wir bier nichts beſonders Förder 


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»ſo daß ihm nicht bloß die Gnadenmittelverwaltung, ſondern au 


536 Mümpelgarter Kolloquium Münchmeyer 


liches, weil der inkonſequente Standpunkt der Konkordienformel einfach von Andreä bei— 
behalten wird, Bezas Lehre aber diefelbe war, welche aus feinen Schriften bekannt genug 
it. Er bat nicht ermangelt, am Schluffe feiner gedrudten Antwort aus Luthers Schrift 
de servo arbitrio dasjenige abzudruden, was die Lieblingsgedanten der NReformierten 
enthält. 

Ein PBrotofoll des Kolloquiums wurde nicht geführt. Jedoch gaben beide Teile 
ihre Lehr- und Wehrſätze einander zuerjt jcehriftlib ein. Wie es gebt verbreiteten fi 
nach dem Kolloquium parteitiche Stegesbebauptungen. Infolgedeſſen wurden, gegen die 
Derabredung, die Alten im lutberiicben Intereſſe veröffentlicht, f. 0. Beza beftritt die 
Treue der Tübinger Acta und verteidigte Jich lateiniſch und deutſch in feiner Beantivor: 
tung derfelben. Eine württembergiihe Gejandtichaft forderte in Bern Genugthuung für 
die, aud von Musculus wiederholte, Behauptung der Fälſchung, ohne jedoch Eindrud 
zu machen. Praktiſche Frucht hat das Kolloquium nicht gebracht, es ſei denn Die, daß 
die Spannung zwiſchen beiden Konfejlionen noch größer geworden iſt 

leg. Schweizer F. 


Münchmeyer, Auguſt Friedrich Otto, geb. 8. Dezember 1807 ftammte aus einer 
Raftorenfamilie. Der Vater war Hofkaplan an der Neuftädter Kirche in Hannover, auch 
die Großväter väterlicher und mütterlicherfeits waren Paſtoren. Seine erjte Jugend 
verlebte er in Barskamp an der Elbe, wohin der Vater verjeßt war und kam von bier 
aus 1822 auf das Gymnaſium in Yüncburg, das er, als der Vater 1823 zum Super 
intendenten in Gr. Berdel bei Hameln ernannt wurde, mit dem in Holzminden vertaufcte. 
Nach Beiteben der Reifeprüfung wurde er zunächſt (1826) in das Alumnat des Klofters 
Voccum aufgenommen, eine jpäter wieder aufgehobene Anftalt, die zwiſchen Gymnaftum 
und Univerſität auf das theologische Studium vorbereiten follte. Bon 1827—30 ftudierte 
er dann in Göttingen und nachdem er das erite Eramen beitanden noch ein Semefter in 
Berlin. Während in Göttingen befonders Lüde auf ihn eingewirkt hatte, durch deſſen 
Bermittelung er mit dem Kreife von Hamburgern, die Yüde von Bonn nad Göttingen 
gefolgt waren (unter ihnen auch Wichern) in Verbindung trat, börte er in Berlin be 
ſonders Schleiermadjyer und Neander, außer denen auch die Predigten von Theremin und 
Goßner und der Verkehr mit dem Baron von Kottwitz für feine weitere Entwidelung 
von Bedeutung waren. Inzwiſchen war Zpitta nach Hameln gekommen, und um ibn 
ſammelte jih ein Kreis von Paſtoren, die ih aus dem Nationalismus herausgearbeitet 
hatten. In dieſen Kreis trat Münchmever ein, als er nach Beendigung feines akademi⸗ 
ſchen Studiums für eine Zeit lang ins Elternhaus zurüdfehrte. Trug die Frömmigkeit 
dieſes Kreiſes noch mehr den Charakter der Erivedungszeit, fo war es in Hannover, wo 
M., nachdem er inzwiichen die zweite und dritte Prüfung beitanden, in das dortige Pre 
dDigerfeminar aufgenommen wurde (Mich. 1834), die Tonfeflionellslutherifche Richtung, die 
auf ibn einwirkte. Beltimmend wurde während der 6 Sabre, die M. in Hannover zu: 
brachte, der Verkehr mit Petri, der ſich zu einer Ichenslänglichen Freundſchaft ausgeftaltete, 
und nach einer gewiſſen Zeite bin in noch höherem Maße der mit dem Legationsrat 
v. Arnswaldt. Diefer, anfänglich von der romantifhen Strömung ergriffen, hatte wäh— 
rend feines Aufenthalts in Nom die Bedeutung der Kirche verjtehen gelernt, batte den 
Pietismus überrvunden und durch das Studium Luthers eine ftreng Tonfeffionelle, bod- 
firhlibe Stellung gewonnen. In diefer Richtung wurde M. von ihm beeinflußt mehr 
nod und dauernder als durch Petri. 

Dem entfprechend bat M. in die Verbandlungen der Zeit über die Kirche, ihr Weſen 
und ihre Verfaſſung eingegriffen. Schon 1816 und 47 vertrat er in der Zeitſchrift für 
Proteſtantismus und Kirche und in der Göttinger Monatsfchrift die Anficht, Staat und 
Ktirche würden und müßten unter der zunehmenden Herrſchaft des Liberalismus völlig 
gefehieden werden und die Kirche, vom Staat losgelöſt, als Freikirche fich einrichten. 
Als dann Höfling ſeine „Grundſätze ev.lutheriſcher Kirchenverfaſſung“ veröffentlichte, trat 
ihm M. in der Rudelbachſchen 31ThK 1852 Heft 1 entfchieden entgegen. Nach - ihm 
bejtebt das Amt des NTIs oder das geiftliche Amt als vom Heren felbit geftiftet divino 
jure und zwar als Hirtenamt mit dem Auftrage, Die Gemeinde zu werden und zu führen, 

| d die Negierung zukommt. 
Gegen Höflings „Rückantwort“ (ZPR 1852 S. 133 ff.) verfocht dann M. feine Anſicht 
nicht nur in einer ausführlichen „Eriviederung” (ebenda 1853 2. 65ff.), ſondern auch in 
einer eigenen Brojcüre „Tas Amt des WIs nad Lehre der Schrift und der luth. Be 
kenntniſſe (Cſterode o. J.), im der er die in dem vorbin erwähnten Artikel aufgeftellten 


Müunchmeyer Münfder 537 


Theſen noch zugefpißter wiederholte. Die VBerbandlungen über das Amt drängten M. 
weiter zur Unterfuhung des Weſens der Kirche, 1854 veröffentlichte er eine Schrift über 
„Das Dogma von der fihtbaren und unfichtbaren Kirche” (Göttingen), in der er die 
Berechtigung diejer Unterfcheidung beftritt. „Es giebt nur Eine Kirche, welche ift der 
Leib des Herrn“. Ihr gehören alle Getauften an, auch die Ungläubigen und Heuchler. 
Dieſe Kicche ift in ihrem Beſtande auf Erden fichtbar und erkennbar; ihre Glieder er: 
kennt man an ver Taufe, und ob und tie mweit die einzelnen Partikularkirchen zu ihr 
gehören, an den notae ecelesiae, der Predigt des Evangelium! und der Tarreichung 
der Saframente. M. verhehlt fich nicht, daß feine Lehre mit den Belenntniffen der luthe- 
riſchen Kirche nicht zufammenftimmt, aber er glaubt, daß fie die fonfequente Durchführung 
des reformatorifhen Prinzips tft, und fieht in dem Dogma von der fichtbaren und un: 
ſichtbaren Kirche die Mängel des Bietismus und des Unionismus fowie der berrfchenden 
irrigen Lehren von der Sirchenverfafiung und dem Amt. Daß M., als in der feparierten 
lutheriſchen Kirche Breußens, der er immer nahe gejtanden und deren Synoden er mehr: 
fach ala befreundeter Ratgeber heigeivopnt hatte, Streitigfeiten über das Kirchenregiment 15 
ausbrachen, auf feiten Hufchles ftand, kann danach nicht befremden. Schon 1862 ſprach 
er fih in einem Gendfchreiben an Beiler (Hannover 1862) dahin aus und nah dem 
Erſcheinen der Schriften von Huſchke und Mejer über die Kirchenregimentsfrage veröffent- 
lichte er eine Schrift unter dem Titel „Huſchke und Mejer oder mie fallen beide die 
Sragen vom Kirchenregiment und wem iſt Recht zu geben” (Einbed 1864), in, der er 20 

ejers Anficht befämpfte. Ihm ift das Kirchenregiment ebenfalld vom Herrn der Kirche 
eingeitiftet und deshalb divini juris. Gnadenmittel- und Regieramt find für M. Ein 
Amt, die firchenregimentlichen Funktionen find nur die zweite Seite Ddiefes einen vom 
Herrn geitifteten Amtes. Dabei bält er zwar feit, daß der Herr feine beitimmte Geſtalt 
dieſes Amtes vorgeichrieben hat, die vielmehr der gefchichtlichen Entmwidelung überlafien 25 
ift, und erkennt deshalb das landesherrliche Kirchenregiment als thatjächlich zu Recht be- 
ſiehend an, fieht darin aber nur einen vorübergehenden Notjtand, während fein Ideal die 
bifchöflihe Verfaſſung ift, und jedenfalls für den Träger des Predigtamts ein enticheiden- 
der Einfluß auf ein Regiment der Kirche gefordert werden muß. 

Im Jahre 1840 wurde Münchmeyer Paſtor in Lamfpringe bei Hildesheim, 1851 ww 
wurde er ald Superintendent nadı Gatlenburg und 1855 als Konfiftorialrat und Euper- 
intendent nad Buer verjegt, und zugleich zum Mitglied des Denabrüder Konſiſtoriums 
ernannt. In allen diefen Amtern bat er mit Segen gewirkt, namentlicd) das Dsna- 
brüder Land dankt ihm eine fräftige Förderung des kirchlichen Lebens, wenn fich aud) der 
bochlirchlihe Zug in feiner Wirkſamkeit nirgends verleugnet und ihm in befonderem 35 
Maße die Feindſchaft der liberalen Richtung zuzog. Gegen die von diefer Seite erhobenen 
Vorwürfe vechtfertigte ihn zwar eine von ihm ſelbſt beantragte Disziplinarunterfuchung 
völlig, auf die meitere Entwidelung der Landeskirche bat er aber ſeit dem Zurüdtreten 
der bochlicchlihen Strömung feinen Einfluß mehr ausgeübt. Im Sabre 1881 emeritiert, 
ftarb er am 7. November 1882. Uhlhorn D. }. 40 


oa 


N 
> 


Mänfcher, Wilhelm, geit. 1814. -— Dr. W. Münſchers Lebenzbeihreibung und 
nachgelafjiene Schriften. Yerauägegeben von 8. Wachler, Frankfurt a. M. 1817; W. Münſcher 
(Sohn W. Münſchers), Berfucd einer Geſchichte der heflifchereformierten Kirche, Caſſel 1850. 
Bol. den A. Dogmengeſchichte Bd IV S. 755, 30 ff. 

Wilhelm Münfcher, Profeſſor der Theologie und Konfiftorialrat in Marburg, ift am 6 
15. März 1766 ald Sohn eines Pfarrers in Hersfeld geboren. Er befuchte dag Gym— 
najium feiner Vaterſtadt und ftudierte 1781— 1784 zu Marburg. Hierauf wirkte er im 
praftifchen Stirchendienit, zuerſt als Gehilfe feines Vaters, feit 1789 als Stiftöprediger in 
Hersfeld. Im Jahre 1792 wurde er, auf eine Meldung feinerfeits, zum PBrofeflor an 
der Univerjität Marburg ernannt, woſelbſt er am 28. Juli 1814 gejtorben ift. Münfcher so 
lag beinahe über alle Fächer der theologischen Wiſſenſchaft mit Ausnahme der alttefta- 
mentlichen Exegeſe; Bedeutung hat er jedoch nur für die Dogmengefchichte, wie denn auch 
feine litterarifche Thätigkeit, abgejeben von ziwei Bänden Predigten (Predigten, Marburg 
1803 und Politifche Predigten, Marburg 1813) und feinem Verſuch, eine Zeitfchrift 
Magazin für das Kirchen- und Schulweſen in Heſſen und den angrenzenden Yändern, 55 
erſchienen nur Heft 1—3, Marburg 1803, mit 2 Beiträgen Münfcere) zu begründen, 
fh auf das kirchen- und dogmengeſchichtliche Gebiet befchränft. Eine Reihe von Auf: 
jägen findet fih in Zeitfchriften: in Henkes Magazin für Religionsphiloſophie ꝛc. Bd VI, 
St. 1: Darjtellung der moralifchen Ideen des Clemens von Alerandrien und bes Ter- 


538 Münſcher Münſter, Bistum 






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lung —— en — — ———— 
ie n als ſanguiniſchen, 
urteilenvden jean re; als einen mebr lebhaften als großen Seift fennen; man —— 
er auf ſeine Zeitgenoffen wirkte, daß aber ein feine Zeit überdauernder Einfluß —— 
w Ihm ausgeben konnte. 


— Bistum. — M. a und F. Philippi, at ginn der Provinz 
itfalen, 2 Bde, Müniter 1867 und BL; —— ta historiae — v. H. A. Er⸗ 

vu 2 2 Be, Münjter 1847 und 51; Weitfäl, #0 III, bearb. von R. Wilmans, Münſter 

871; Die Geſchichtsquellen des Bistums Münfter, Münfter 1851 ff.; A, Tibus, Gründ 

wo geiichte der Gtifter zc. ded alten Bist. Münſter, Münfter 1867 fi-; ‚ 86. Deutſch⸗ 

ande, 2. Bd 1848 ©. 424; Haud, KG. Deutihlands 2. Bb, 2, Aufl. 1900 ©. 406f. 


Den Hauptitod des Bistums Münfter bildet das ſächſiſche u. —* 
Ems, das — und weſtlich durch die Dibceſen Köln a Ur E — F 
twilfen nicht, von wo aus die Firchliche Arbeit in dieſem bei 

15 dem Karl d. Gr. fie an die Stifter und Klöſter des Heichs a — | Use es 
wahrſcheinlich, daß Utrechter Kleriler hier wirlten. Denn als das Gebiet * 
organiſiert wurde, ſtellte Karl einen frieſiſchen Prieſter Liudger (ſ. d. A. —— —— f.) 
an die Spite. Das Jahr der Konſekration Lindgers, damit das Stiftungs A wor 







tums iſt ni t überliefert. Wir wiflen nur, daß er am 13, Januar 802 noc 
so (Miederrbein. UB I ©. 13 Nr.23), während er am 23. April 805 als Bifchof bez 
wird (S. 15 Nr. 27). iz Umftand, dab Liudger bis zu feiner Erhebung in ru 
gewirkt hatte, führte dazu, da das Bistum Münfter außer den teitfäfifchen Guss 
nörblich der Lippe a nf Friefengaue an der Emsmündung erbielt. 
Biſchofsliſte: Ludger geit. 809, Gerfrid geft. 839, id geſt. nach dem 20. 
56 848, Ziutbert geit. 871, Holbo erwähnt 873, Wolfhelm erwähnt 887 und 895, 
bard aeit. 922, Numald geit. 941%, Hildibold geſt. 969, Duodo geft. 998, Switger ae 
1011, Dietrich I. et 1022, Sigfrid get. 1032, SHerimanın I. g 1042, vo 
1063, Friedrich geit. 1084, Ev geit. 1097, Yurdard geft. 1118, Dietrich I. 
Ebert get. 1132, Werner 1132 —1151, Friedrich 11511168, Lubioig 116 1173, 





























} er, Bistum Münfter, Wiedertänfer 539 


Otto 1203---1218, Dieterich III. v. Iſenburg 1218—1226, 
Her, Otto v. Kippe 1247—1259, Wilhelm v. Holte 1259 bis 
—— 1261-1272, Eberhard v. Dieft 12751301, Otto v. Niet- 

1 b. Heflen 1310—1357, Adolf v. d. Mark 1357 — 1363, 
18 1961 lorentius v. Wevelinghoven 1364- -1379, Johann B 
Heidenreich v. Wolf-Züdinghaufen 1381— 1392, Otto v. Hoia 
a. don 1425—1450, Walram v. Mörg 14501456, ohann 
einrich v. Schwarzenburg 1466 - 1496, Konrad v. Rietberg 
enLauenburg 1508— 1522. Hauck. 


0 


[2 


erlünfer. — Litteratur: Zur allgemeinen, fpeziell je Verfaſſungs⸗ 
—* Uens, Verſuch einer Geſchichte Münſters 1823; Nieſert, ee 
mbenbud; 1823; derſ., M.iche Urfundenfammlung, 7 Bde 182637; 
ns ii —J ſta tiſtiſche —— —— Stadt M. 1836; H.N. Er: 
; U. Tibus, Die Stadt M . Hanfen, Beitfalen und 
M, Sullteone aus den K. Preuß. RR Hehe Bd 34 [1888] 15 
5. Geisberg, Merkwürdigkeiten der Stadt M., 10. Aufl. 
— —— der Weſtfäl. Biſchofsſtädte, 1894; R. Krumbholß, 
ee #5 m 3. 1661 — — aus den K. Preuß. Staats⸗ 
Xff. weitere Litteratur); G. Schulte, Die Berfafjungs- 
ee und Forſchungen ar Seh. der Stadt M., Bd I, 1898); 0 
ee bes Bistums M., 
eDegun, a) Quellen: €. 9. ee Berichte der a 
fe Wie rtäuferreich (Die Geihichtsquellen des Bistums M., Bd 2) 1853. 
— ber C. ſchon 1850 eine [nidht im Buchhandel erichienene] 
Mi bus in historia seditionis Monasteriensis anabaptisticae narranda 26 
ue ui sunt gewidmet hatte. Die bisherigen quellenfrit. Unterfuchungen 
te u, u. a.) find bei €. verzeichnet, desgl. die verfchiedenen Ausgaben 
jelbjt bringt Heinr. Gresbecks „Bericht ſowie „Attenjtüde zum Ab: 
s urtundl. Material in der sub b) genannten „Geſchichte“ 2c.); H. Detmer, 
jur eich. der W.T. in M. (Ztichr. f. weitf. Geich. 1893); ont. d. Hered: ww 
; excidiique Monaster. ed. Bouterwek 1866. Die, weil einzige von einem 
* wichtigſte Quelle, Herm. v. Kerſſenbrochs: Anaba 
Monssterium inclitam Westphaliae metropolim evertentis historica narratio 
geben er, bie Elerifale Tendenz des K.ichen Werkes gereht beurteilender Ein- 
uch sep. u. d. T.: 9. v. 8.3 Leben und Schriften, 1900) und umfajjenden 35 
ve eifer verjehen in Fritifcher Ausgabe von H. Detmer vor (Die Geſchichtsquellen 
N 86 5 umb 6, 1900, 1899). Detmer beginnt ſoeben mit einer frit. Ausgabe 
ı eftfi il. va Geſch. ipeziell aud für M. wichtigen opera des 9. Hamelmann (bi8 



































* 11 el iEhE 
” 9 


tu 


1 ellun« gen: Die allgemeine, die M.fche Bewegung mehr oder minder beriidjich- 4 
ter aluım zur Geſch. d. BT. |, Bd I ©. 481 (woſelbſt noch hinzuzufügen wäre: 
ich N ber W.T. von — Entftehen zu Bwidau in Sachſen bis auf ihren Sturz 
Beitfalen 1836; U, ©. Newmann: A History of Anti-Pedobaptism from te 
iptiam to a. d. 1609, 1897 [hier ©. 395 ff. eine vorzügliche Bibliographie]). 

“2 Litteraturüberficht ſpeziell zur M.ichen Bewegung giebt DO. Bahlmann in # 
Weich. 1893 ©. 119 ff. Hier fei genannt: 9. Kampſchulte, an der Ein: 
Brote tantiamus im Bereihe der jekigen Provinz Weitfalen, 1866, 138 ff. ; 
‘ Mei der Wiedertäufer (in: Neue Propheten, 1851 ©. 146ff., 2. a 1860); 
für , Les Anabaptistes. Hist. du Lutheranisme, de l’Anabaptisme et du regne 

sckelsahn A M., 1853; Se: A. Eorneliug, Geſch. des M.ſchen Aufruhrs, 1. Buch: wo 
ütion, 1855. 2. Bud): Die Wiedertaufe, 1860 (reiht nur bis zum Eintreffen des 
© im M., Febr. 1534). Die teils früheren, teild jpäteren Studien C.s zur M.ichen 
ig ‚im — in: Hiſtor. Arbeiten vornehmlich zur Reformationszeit, 1899 
i Humaniſten und ihr Verhältnis zur Reformation. II. Die iederlän- 

* während der „Yelagerung M.s 1534—35. III. Zur Seid). der Münjter. 55 
ip Bokelion, 2. Roh. Kloprys. 3. Bernt Knipperdollind. 4. San Mathys⸗ 
U. aus NdB]); ©. Heppe, Geſch. der Ev. Kirche von Cleve-Mark und der 
obnlen, 1867 ©. Da. g. Keller, Geſch. der Miedertäufer und ihres Reichs zu 
4 350 [Fortjehung von Cornelius, im Anhang ungedrudte Urkunden]); K. Bearfon, 

ingdom of God in M. a Review 1884); P. Kielitra, Het Münstersche Oproer tw 
Bijdragen 1888); Tumbült, Die Wiedertäufer, 1899. K. Rembert, Die 
en. SFülich 1899. Zu a Berntart Rotman vgl. den Artikel von Keller in AdB = 

1 Bert ei ein Verzeichnis jeiner gedrudten Korreſpondenz); K. W. Bouterwek, 

Geſchichte der Wiedertäufer, 1864 (aud) in Ztſchr. des berg. Geſchichtsv ns 

30); Chr. Sepp, De veelgenoemde en weinig bekende geschriften van den 


Ei 
— en 


Bernt Bothmann 1872 u Kr ED Bon Ns 


A = Beide 


r Wiſſ. zu Göttingen 1898, S 20). m 
—— erle aur Ref.⸗Geſch. von Rante, Bezold, Mö —— K. er Mix Et 
ungen ſ. im Text. 


edertäuferbeiv in Mü heraus aus den an der He: 

elbſt, und N wicenum fe, ie das auch anderweitig in Bijchofs- 
war (vgl. 3. B. Konftanz und Worms), in engiter Beziehung 
inn er itze 










ich umw Ten erhalb 

Stadt — Rat) und Biſchof 

Gericht in der Stadt * und zugleich 

Ar: nur Adelige fein dürfen, vgl. Kerſſenbroch 
Im di term (© Be 


20 Gilden, —* * ie derts etwa — 
(i. 3. 1532 16 Gilden e— „an ihrer Spitze, von den je 
Gilde gewählt, die 2 Alterleute, ſ. runde 2) — 
—— a a et a ee 

n er r 
2* . Anke an ber ſtädtiſchen A 


—* Fehde h — —— Kämpfe der —— gegen ihren Bifhe wird ‚der Beich Beſchluß 


Nr nur bie Befchlüfje Redhisfraft aben follen, hen fat — und — 
se ua faßt werben. Die Gilden werden 
Stabt, t das Problem, was bei etwaigen 3 
» und Gilden I ee (Hleichzeitig wird der Gemeinbeit, En 
tifchen Alten “ 1 mie (66 geivejen Ba ar > wid ! —* 
— —— der Gilden und hair 


5 (1450 ff. ee Tarelun 42, ha, Die Gilden —* 
der F pr in dem Prät ämpfen, fie winhen den Rat, den für ————— 
—— zu Köln und — Adminiſtrator des Bistums — 


liches itern hat —— neue die — Stadt J — au Anfang 
des 14. Jahrhunderts find fait alle Gebiete des öffentlichen Lebens in mE Sade 
der Selbjtverwaltung. Die Machtfphäre des Bifchofs ift in feiner Weiſe e fe abgegrenzt 
+ Innerhalb der jtäbti ben verwallung aber iſt ein rubiger Verlauf nur bei jutem Ein 
vernehmen von Nat und Gilden möglich; die Gemeinbeit tritt hinter den Gilden gan: 
B h — haft fie um deswillen und kann Faktor werden, wenn Nat 


dieſen Baer Bahr Boden fällt nun der Funke ber — — Die Bu m 


e liegen im Kaufleute, vornehmlich aus Fr 
—— — N die erjte Botjchaft gebracht zu haben, Die — — Augu 
nern (Cornelius, Geſchichte 2c. I, 33ff.) ausgehenden Regungen in den Nachbarjtädten 
Köln, Aachen, Lemgo, Weſel, Soeft, Lippfladi vgl. Cornelius a. a. * t 
itteratur ‚zur weſtfäl. Neformationsgejchichte) twirkten anſteckend wie anderiveitig jo 
56 hat auch in M, der Humanismus (j. darüber Cornelius, Hift. Arbeiten I) Bionierbienite 
r bie Neformation getban. Auf Anregung ei se v. Yangen far * dem Jahr 
1500, als Timann Gamener (Remmener) aus Werne das Nektorat übernahm, die Münf 
ſche Domfchule (vgl, über diefelbe Dieter. Neichling, Zur Geſch. der M.f 
in der Blütezeit des Humanismus 1898; derſ, Die Neform der Domſchule 
eo 1500, 1900) zu einer Pflanzftätte Lateinifcher und griechifcher Bildung 
Propaganda nach allen Richtungen bin, ſelbſt bis nad Dänemaf, er 


Münfter, Wiedertäufer 541 


a. a. O. S. 8; A. Egen, Der Einfluß der M.ſchen Domſchule auf die Ausbreitung des 
Humanismus 1898; vgl. aub A. Bömer, Timanı Kemmener in: Ztſchr. f. Weltf. Ge- 
fchicbte und Altertumsfunde, Bd 53). Während die ältere Generation, aus den Kreifen 
der Brüder des gemeinfamen Lebens hervorgegangen, in enger Fühlung mit der firchlichen 
Tradition blieb, gingen die Jüngeren ins Lager der Reformation über (Egen S. 17). Unter 6 
den erften, die in Münfter anfingen, fih zu abweichenden religiöjfen Meinungen zu be 
fennen, finden fich die Humaniften Jobann Glandorp (geb. 1501 zu M., |. Egen S.30f.) 
und Adolf Clarenbach (f. d. A. Bd X 2. 508 ff), Lehrer an der Martinifchule. Ein als 
Gelehrter ausgezeichneter Kanoniktus zu S. Martin, Peter Gymnich v. Aachen, ivar mit 
Zuther fchon jeit 1520 befreundet (Rembert S. 179 Ann. 1), der Vatrizier Arnold Bell- 
bolt jtand zu Karlftadt in Beziebung, und, wie es fcheint, fand SKarlitadtiche Bilder: 
jtürmeret in M. ibren Nachball (Rembert a. a. O.). Nah Kerfienbrob (S. 127) märe 
im Sabre 1524 die reformatorische Bewegung offen berausgetreten und von den Predi— 
gern an der Lamberti- Martini-, Überwailer: und Yudgerifirche gefördert worden, denen 
fich allerlei zweifelhafte Elemente anfchlofjen. In demfelben Jahre hat Clarenbach Münſter 15 
verlaffen müflen. 

Der erite größere eruptive Ausbruhb der vorhandenen Gärung füllt in das Jahr 
1525. Sehr deutlich iſt der Vollzug der Verbindung fozialer und religiöfer Spannungen 
zu Tonftatieren Den Anlaß zu Unruben gab die Bauernbeiwegung, die vom berlande 
per fich rheinabmwärts ſenkend bis in die Nachbarichaft M.s (Minden, Köln und das im 20 
Handelsverkehr mit M. jtebende Frankfurt) vordrang. Ein am 22. Mai 1525 von den 
durch die Gilden angejtachelten (ſ. M.fche Geſchichtsquellen II, 425) Volksmaſſen unter- 
nommener Anſchlag auf das reihe Niefingklofter mißlang, der Nat zieht die drei Nädels- 
führer zur Beitrafung, aber die Volksmaſſen unter Yeitung der Gilden fallen ihm in den 
Arm, und die Gilden fordern Befeitigung der wirtſchaftlichen Konkurrenz — 
und Pergamenifabrikation) des Nieſingkloſters und der Fraterherren. Aber ſofort greift die 
Bewegung weiter: Frankfurter Kaufleute hatten die fon. Frankfurter Artikel (vgl. diefelben 
bei A. Kirchner, Geſch. der Stadt Frankfurt aM. II, 513 ff., dazu G. E. Stets, Das 
Aufrubrbudy der ebemal. Reichsitadt Frankf. a.:M. 1875; R. ung, zur Entjtehung der 
Fr. Artikel von 1525 [Archiv f. 5.8 Geſch. 3. F. II, 198 ff. ) eingejchleppt ; dieſelben 30 
werden von den Gilden und der Gemeinbeit zum Programm erhoben, und von einem 
Ausſchuß von 40 Männern (darunter auch der Prediger zu ©. Martini Yubbert Canfen) 
in 36 Punkten redigiert dem Rate zur Annabme präfentiert (diejelben bei Kerſſ. S. 133 
und in etwas anderer Faſſung bei Niejert, U.B. I’ 116ff.). Neben fozialen Forderungen, 
wie Befeitigung der Konkurrenz der Fraterherren und des Niefingklofters, Reſtitution der s5 
Allmende, Erledigung der über den Nachlaß des 1522 geitorbenen Biſchofs Erichs ge- 
führten Streitigkeiten begegnet das Verlangen nadı Anteilnahme an der Interimsverwal— 
tung bei biichöflicher Sedisvakanz, Befeitigung der geiftlichen Gerichtöbarfeit gegen einen 
Bürger, der Immunität des Klerus, der Terminarier und Stationarier, der Yegate und 
Seelenmeßitiftungen an die Stirche, der fremden Prediger, und die Forderung der Anteil: 40 
nahme der Schöffen und Parochianen an der Mahl der Prediger — wobei im einzelnen 
Soziales und Religiöfes nicht zu fcheiden if. Vom Rate gezwungen, unterfchrieben die 
Domlapitulare einige Artikel, verlaffen aber alsbald (bis auf einen Erkrankten) die Stadt 
und reichen den Biſchof Befchtverdeichrift ein (Niefert, U.B. I’, 106), der Nat aber be- 
feitigt die wirtfchaftliche Konkurrenz zwiſchen Gilden, Niefingklojter und Fraterberren durch 5 
Beichlagnahme der Webſtühle und Rentenbriefe. 

ie allenthalben, jo folgte nach Niederzwingung der Bauernbewegung auch in M. 
ſehr bald die Reaktion. Nach längeren Verhandlungen zwiſchen Rat und Biſchof ſah 
Kb erfterer unter dem Drud des von lebterem berbeigerufenen Kölner Erzbifchofs in zwei 
Receſſen genötigt, die Artikel von 1525 preiszugeben, und dem Niefingtlofter und den so 
Fraterherren die genommenen Rechte twiederzugeben. Das Domtlapitel kehrte in die Stadt 
zurüd, und der status quo ante trat ein. Die evangelifchen Prediger an den vier ge— 
nannten Kirchen wurden mit Einwilligung des Rates von der vorgejegten geiftlichen Be— 
börde ausgewiefen. Ein Schmähgedicht des feit 1525 neben dem Neftorat der Domjchule 
das Pfarramt an ©. Lamberti befleivenden Timann Gamener gegen Yuther trug ibm 55 
und dem Rate allerdings einen beftigen Angriff von feiten des Sobannes Campanus 
(j. d. A. Bd III ©. 696) ein (Rembert S. 179 ff.). 

Überwunden war mit diefen Nepreffivmaßregeln die antiklerifale Bewegung keines⸗ 

Als 1527 gegen den bifchöflichen Iffizial von Anton Gruje mit Schmähungen 
und Drohungen vorgegangen wurde, erbebt ſich ein großer Tumult. Die Menge, ges co 


er 


0 


to 
1 


542 Miünfter, Wiedertänfer 





iner Paterftadt Kr niter eit - in Warendorp 
—* Ni —— —— —* De die zu Mainz, 
| tin ‚promovierte. —7* —2* seh ibi * Pfründ 


chtig (wie es ſcheint, Sy 
| und Kim ur weiteren Ausbi b ung“ geichid 
— — BB — 






in die Arme, y> trägt neue in die gärenden Vollsmaſſen 

ei, die Aue bon feinen bringt in die Stabt, in ne vor Char- 

1531 zieht ein Volkshau dort nad) der Mauritivche und die Altäre 

rauf wird m irhefe für R. der * Verboten des Kapitels ein 
Bredigtftubl aufgetelt. Die Benegung greift um fih, man fucht Anfehluf; bei ben 

—6 im Reich. zu dieſem Zweck Monaten —* bis en 1291 


erg (mo er trifft; defen Urteil über * aut en RE Bu 
2 —— * malum bei 162 [tendenziös?]), Spei 8 Brief un Fee 


(to er Gapito und Schwenckfeld 5 vielleicht auch Marburg 
und Sale und Su Se efehrt verfündigt er ganz offen die ne 
— re — an — zu 

h bes 


ben 
uhr Landes —— —* . a Fe 
“gest von biichöflichen Näten, vermag N, drei dem un vom 
milde gehaltenen Predigtverboten zu trotzen, bis endlich ei 
—— angerufenen Kaiſers (28. Dezember 1331) be Biichof zur — 
des freien Geleites in des Biſchofs Lande an R. zwingt (7. Januar 1532). 

1 wort NS auf diefe eg gen war feine Überfiedelung in die Stabt Münfter. 
Die Krämergilde ftellte ihm ihr Gildehaus zur Verfügung — ein Beweis für das Hand- 
in ——— von ſozialer und religiöſer Bewegung. 

niter weicht man einer Entſcheidung aus; das —— verſchieden⸗ 
arigfer nterefjen (An oft vor R., der Gilden und "Semeinbeit, j einige der = 

so männer [}. Cornelius, © eich. I 147] binter fich bat, Pk ‚ wohl von Intapitel) Hält 3 
Capito angeratene Reſerve R.s, der Gegenjat —* und Domkapi R. 
Er vermag der dem Bilchofe vom Kapitel abgepreßten, aber faum ernſt — 
rung, die Stadt zu verlaſſen, ſein Giaubensbelenninise sc an ragen Ber 
bes elben u. erfuchen und a u erflären, es im Notfalle — ankominee 

>5 wollen 5 mit einer Vorrebe vom 23. Januar 1531 verfehene Belenninie 
dasſ. "ei Kerſſ. 176FF., daraus abgebr. bei D. Gerdes: Serin. antiqu. Ir: ——— 
latein. Originaldruck desſ. iſt nicht "mehr vorhanden, ein Eremplar der deutfchen von “ob, 
Zangermann beforgten Überjegung in der Paulin. Bibliothek zu M . Bablman 
Bibliogr. 1532 Nr. 1) verrät beutlih in Form und Inhalt den Einfluß Melandhtl 

oo jpeziell der confessio Augustana, nad) deren Art auch die Lehrmeinung RE in. 3 er 


_ ze 



















Münfter, Wiedertänfer 543 


titeln zufanmengefaßt it. Die Yutberfche Rechtfertigungslchre wird vertreten, die Sakra⸗ 
mente iverden auf Taufe und Abendmahl beichräntt (res, quibus admonemur pro- 
missionis et divinae gratiae certi reddimur, bez. des Abendmahls die jede Zufpisung 
vermeidende ;sormel: manducantes corpus et bibentes sanguinem domini de do- 
nata per evangelion gratia certificamur) ;segefeuer, Heiligenverehrung, Wallfahrten, 6 
Möndsgelübde verworfen, aus der Meſſe das Upfer entfernt. An Zwingli erinnert im 
eriten Artifel der Sat: sacrae literae verbum dei nonnunquam appellantur, 
quod tamen natura non sunt, sed quia de naturali verbo testantur. Christus 
Jesus est naturale dei verbum et verum, Straßburgifches könnte anklingen in der 
Definition der fides als firma persuasio. Tie Kirche iſt Die congregatio sancto- 10 
rum == credentium, ihr Regiment iſt regimen spirituale, während das regimen 
corporale die Obrigfeit ausübt. Täuferifches und Schwarmgeifterifches findet fich in der 
confessio nicht, im Gegenteil: magistratus, qui christianus et esse et videri vult, 
etiam in pseudoprophetas animadvertere debet, das Nicänum und Athanasia- 
num wird anerlannt, Bilder in den Stirchen, jofern fie nicht fultiich ‘verehrt werden, ges ı6 
duldet (vgl. auch Kerſſ. 190 für antianabapt. Außerungen R.s und den zur Mäßigung 
auffordernden Brief nah Soeſt bei Cornelius, Geſch. I 281f.). 

Dennoch hat R. mit diefem Belenntnis, das überjegt, gedrudt und allentbalben 
verbreitet wird (vgl. für Telgte und Horftmar Keller S. 293f.), für jene Anhänger ein 
Brogramm und Parteizeichen gejichaffen, um das ſie fih ſcharen. Man fordert vom 20 
Rate freie Geftattung desjelben; dieſer, ohne Unterjtügung des dem laisser faire bul- 
digenden Biſchofs, benimmt ſich jo zweideutig, daß man fpäter von einer Beitätigung 
R.s als evangelifchen Predigers ſprechen konnte (Kerl. 219). Am 18. Syebruar, dem 
Tage vor der Ratswahl, an dem man ficher zu fein glaubte, führen feine Anhänger N. 
auf den Yambertifirchhof, woſelbſt er auf bölzerner Kanzel vor dem Beinbaus predigt. 
Einige Tage fpäter dringt man in die Stirche felbit, der Proteſt des Pfarrers Timann 
Gamener (}. 0.) wird verlaht (Rembert S. 180), die evangeliſche Gemeinde Tonftituiert 
ſich um ©. Yamberti (von Gehilfen R.s ijt für diefe Zeit bezeugt Bririus Nordanus, |. 
Cornelius, Geſch. II, 330 ff.). 

Die katholiſche Gegenpartei, außer ftande gegenüber Gilden und Gemeinheit etwas 30 
auszurichten, atmet auf, als ;‚Sriedrih v. Wied am 24. März 1532 den lang vorbereiteten 
Schritt der Amtsniederlegung vollzieht, und der Bilhof von Paderborn und Dena- 
brüd Herzog Erb von Braunſchweig-Grubenhagen ihm juccediert; denn troß feiner Be: 
ziebungen zu Sachſen und Heſſen, die feine Wahl unterftügten, trog feiner Beteiligung 
an der Speterer Proteftation von 1529 — Umſtände, die die M.ſchen Evangelifchen zu 35 
Hoffnungen berechtigten — batte er doch als Yandesherr in jeinen Gebieten jede evan- 
—2 ung ſcharf unterdrückt (vgl. die Litt. über Erichs Politik bei Kerſſ. 195 Ann. 2). 
Ein Gleiches Scheint er mit M. vorgebabt zu baben, wenigſtens forderten feine beiden 
Schreiben an die Stadt (17. April und Anfang Mai) die Entfernung R.s und aller 
aufrührerifchen Brädifanten. Aber auch die R.ſche Partei iſt nicht müjfig geblichen. R. 40 
bat fein Glaubenäbetenntnig dem Biſchof überfandt, und auf feinen Antrag jtellen Se: 
meinbeit und Gilden an die Alterleute (tanquam proximum nostrum magistratum!) 
die Forderung auf Approbation des R.ſchen Bekenntniſſes. Der Rat aber, zwiſchen 
Bifchof und Demokratie gejtellt, ſchwankt zwiſchen Strenge und Nachgiebigkeit (die Einzel: 
verbandlungen bei Keril. 195ff.). Der plögliche Tod des Biſchofs (14. Mai) vereitelt 4 
alle Hoffnungen der Katholiken, und giebt den Evangelifchen Anlap zu einem neuen 
Vorſtoß (Eindringen in Kirchen, Verjagen der Kapläne und Erjegung durch evangelifche 
Prädikanten, Aufforderung R.s zu einer Disputation, |. Cornelius, Geſch. I, 166f.), 
wobei die günftige allgemeinpolitiiche Situation (Nürnberger Reichstag!) fürdernd wirkt. 

Als nunmehr der neuerwäblte Biſchof Franz von Walded (über ihn ſ. Kerſſ. 210, 50 
Kafp. Schele v. Schelenburg: Aufzeihnungen über Franz v. Walded im latein. Original 
bg. von Meyer in: Mitt. d. bijtor. Ber. zu Osnabrück 1848), gleichzeitig Biſchof von 
Minden und Dsnabrüd, von der Stadt Entfernung der evangelifchen Prediger, Neititution 
des Fatholifchen Kultus fordert (28. Junt), veranlagt Stnipperdolling die zwei Alterleute, 
die Gilden auf das Schohaus (= Verſammlungshaus der Gilden, |. Krumbbolg 30 ff.) 55 
zufammenzurufen; ein Antrag des Altermanns Johannes Windemoller auf en Bündnis 
der Bürger zum Schutze R.s findet ſtürmiſchen Beifall, ein Ausihuß von 36 Männern 
wird gewählt, der gemeinfam mit den Alterleuten beim Rate nicht nur freie Geltattung 
des Evangeliums, vielmehr feine alleinige Giltigkeit in der Stadt durchſetzen foll (Kerl. 216) 
(1. Zul). Die Gemeinheit ſchließt ſich natürlich den Wünſchen der Gilden an. Der co 


- 
* 


26 


Nat, re mans verfuct vergeblich aus 
—— —— 
Di — Site m ie * 

334 —— uhr — es on 15 * — * 





„un am 10. " = ae — 
mit evangeli —— x in Kane 
5 Martin, Sal um Olander : "Wertheim — 


uber —— — Katy Si IT, —— he ohne —— eier 


Bun einachi 
ea A en den * nA: An 
Semeinb —— —— jer ‚Side, J Fr in aller —* —* 


ls ſolche Bent Es der Lage der Dinge gegebene 
—— Bug —— San Shut * F —— —— 
wandten, der, be a jan von pr . —— rg er er Site ee un. (j. d. 


von Waldet in ® Sach dr Dom — wendet ſich de 

> * —— en m. ne ber Se —9— Bay —2* ſ. 
er 294 SE Er ie u Die ‚Seyner zu ci — nn 

e evangelif u en, im 1 tatholi tlerus 

Re mu erhalten. — ———— —— 

— von 

—— 





















(3. Auguſt 1532, — ubligiert 9. tember, ſ. Kerſſ. 263), 
N -: 32 —* — Sr Stadt = 3 Mandat vom Reiche ichs: 
remer te 1 9 — Yurtl 





Ha —— verlaffen * Fr die Reäbitanten ei 
16‘ rtifel „Mihbräudhe” der ——— be ein (abgedr. bei —* 
Nachrichten über die Gegenjchriften des Job. Nomberg von Ki i an Adelphus). 
In den Artiteln fällt gegen früber (j. oben) bie Farfung des —* ls — —— Si 
eoena domini in commemorationem illius panis et vini fit partieipatio, sacı 
mentum quidem est. R. wirb denn auch jehr bald als —— verdächtigt, 
58 (de Wette IV, 426, vgl. den wohl aud) ) un Deländihen (ORIL, © J 
L an den Rat von Münfter Br 8, Pose) und chthon (OR u, Harn 
633) warnen Ende 1532 R,, der aber feinerfeie mit Wein und je 
is triticeus, quem Westphali ua lingua „eynen Stuten” appellant babe 
me „Stutenberet“ für R.), das die — — ſich abbrechen, Abendmabl feier 
eo Die 16 Artikel müſſen vom Rate genehmigt werben, im den (14. Dftober) er 





Münfter, Wiedertänfer 545 


evangelifche Ratsherrn gewählt werden, am 6. November werden durch die Alterleute 
Bürger und incolae extramuriales eiblid auf das Evangelium verpflichtet, und ale 
am 28. November eine Gegenfchrift der Kölner tbeologifchen Fakultät (determinatio 
theol. facultatis Colon. abgedrudt bei du Pleflis dD’Argentre, Coll. iudiciorum de 
novis erroribus III? 82ff. und D. Gerdes, Serin. Ant. II, 424ff.) gegen die s 
16 Artikel der Prädifanten den Gvangelifchen die Maffe, man wiſſe fatbolifcherjeits gegen 
fie nichts vorzubringen, zu nebmen droht, zwingen Gilden und Gemeinbeit den niederen 
Klerus, bei Domkapitel und Biſchof zu ihren Gunften zu interbenieren, und der Nat 
muß die Katholiken bitten, zu Weihnachten nicht im Dome zu fommunizieren und nicht 
dort taufen zu laljen. 10 

Tie durch die äußeren wie inneren Verhältniſſe berborgerufene fcharfe Spannung 
Löft ih gewaltfam in dem am 26. Dezember unternommenen nächtlichen Überfall der 
Nachbaritadt Telgt, der, wohlgelungen, nabezu die ganze bifchöfliche geiftliche und welt: 
liche Ariftofratie, auch einige M.ſche PBatrizier, in die Hand der Münfterfchen bringt. 
Diefen unzmeifelbaften Erfolg M.s auf der einen Seite und die angefichts desfelben 15 
eifrig betriebenen Rriegsrüftungen des Biſchofs auf der andern Seite, benußt unter ge: 
ſchickter Balancierung der gegenfeitigen Intereſſen der Landgraf von Heilen zur Inter: 
dention, die am 14. Februar 1533 einen Friedensvertrag zwiſchen Stadt und Bijchof 
erzielt (Driginaldr. im St.:A. Hannover, abgebr. bei Kerl. 374, ſ. dort über weitere Drude 
und Hdſchr.). Unter Berufung auf den Nürnberger Reichstag und das Regensburger 20 
Mandat von 1532 werden bis zur Enticheidung eines allgemeinen freien chriftlichen 
Konzils die ſechs Pfarrkirchen (nußer den oben genannten noch die Servatiusfirche, die 
aber einjtweilen unbefeßt blicb) der Stadt mit ihren Einfünften und dem Rechte der 
Pfarrbefegung den Bürgern zum evangelifchen Gottesdienft preiögegeben; auf der anderen 
Seite jollen Bilchof, Domkapitel und die übrigen Kollegien bedingungslos (der Verſuch > 
der Stadt zur Einführung einer Klaufel: „ſoweit die Meligionsgebräucde nicht gegen 
Gottes Wort jind und offene Gottesläſterung entbalten”, feheiterte), bei ihrer Neligion 
belafjen werden. Weligionsprozefje haben zu unterbleiben,, die Straßenfperre wird auf: 
gehoben, die Gefangenen freigegeben, im übrigen der gefegliche status quo ante reiti: 
tuiert — alles in allem ein Kompromiß auf der Grundlage der thatjächlichen Macht: zo 
verhältniſſe. 

In Verfolg des Friedens ſoll nunmehr das Werk der kirchlichen Geſetzgebung be- 
ginnen. Eine Bekanntmachung betr. die Grundzüge der evangeliſchen Kirchenverfaſſung 
(nach oberländ. Muſter) wird von dem in der neuen Ratswahl vollends den Gilden 
ausgelieferten Rate erlaſſen (bei Kerſſ. 386 ff.; Cornelius, Geſch. II, 317 ff) und darin 5 
Kirchen-, Schul- und Zuchtordnung in Ausſicht geſtellt. Die (nicht erhaltene) Kirchen⸗ 
ordnung wird in der That von R. ausgearbeitet und einer Übereinkunft im Friedens: 
vertrage gemäß an den Yandgrafen von Heſſen zur Einfichtnabme gefandt, eine Zucht: 
ordnung publiziert und im Minoritenkloſter eine evangelische Schule unter Job. Glandorps 
Leitung eingerichtet. 40 

Aber man kommt über die erjten Anfänge nicht hinaus, „von allen Einrichtungen, 
weiche man beabjichtigte, jcheint feine ausgeführt worden zu fein, als die Prädifanten- 
wahl, die Einrichtung der evangeliſchen Schule und ein Stüd der Armenverwaltung.” 
Die mühſam aufrecht erhaltene Einbeit unter den Gvangelifchen bricht nun auseinander, 
da der Kampf gegen den Katbolicismus im twefentlichen ausgefämpft ift, und damit er: 45 
eben ſich ganz neue Konjtellationen. Schwarmgeiſtige Elemente, bisber im Hintergrund, 

ächtigen fich der Führung, und es gelingt ihnen, den durch den Zauber feiner Perſön— 
lichkeit einflugreihen R. dank jeiner impulfiven, in Entfchlüffen vafcben, für alles Neue 
empfänglichen Natur zu gewinnen. 

Die Anfänge der Schiwarmgeifterei in M. Liegen im dunkeln. Die Bilderftürmeret, 50 
felbft wenn fie ein Nachball der Garljtadtichen Bewegung wäre (f. oben), beweiſt kaum 
mehr als eine große Erregung des Volkes, Ottius berichtet zum Jahre 1525: hoc anno 
Anabaptistae in inferiorem Germaniam se recepere praecipue in Westfaliam 
Rembert S. 17), und zweifellos baben die fchtwarmgeifteriichen Negungen in M.s Um: 
dung (j. Cornelius, Geſch. II; Keller 79 ff.; Nembert passim) auf die Stadt eingewirft. 5; 

1525 aus M. vertriebene Praͤdikant Yubbert Canfen batte in dem einen Sammelpunft 
für Flüchtlinge aller Art bildenden Titfriesland Zuflucht gefunden (Cornelius, Der An: 
teil Oftfrieslands an der Ref., S. 19), im benachbarten Soeft wirkte feit 1531 der von 
Melchior Hofmann beeinflußte Johannes Campenfis (Campius, nicht zu verwechſeln mit 
Joh. Sampanus, Rembert 287 ff), auch bier in Verbindung mit jozial:demofratifcher @' 

Real-Encyflopädie für Theologie und Mirche. 3. Aufl. XIIL. 35 


344 


Hat, nunmehr vor die Alter. 
Gemeinheit zwingen ibn dur: 


jest nod) bürgerlich-foziale bei: 
lihem Vertrage (Er. im Sta 


5 geltuns zu und erläßt eine !: 


zu widerlegen, wibrigenfalls 


(15. Juli), Die katholiſche W- 
die Gilden am 6. Auguft Au— 


geben, und am 10. Mugujt ır 
10 Domes mit evangeliſchen Pr 
S. Martin, Roll und Gland 


vgl. über dieſe Prädtfanten: : 
Bilder und Altäre zertrünmm: 


Damit iſt ein wefentlid 

15 der Nat bat den legten Reſt 
Gemeinheit beherrſchen die =: 
evangeliiche Stadt geworden. 

Aber konnte ſie ſich als 
politiſche Notwendigkeit, dur 
ar ſuchten, und ebenſo naturgen 
wandten, der, gerade in dieſe 
A.), in der Nachbarſchaft 
geltend gemacht hatte (Kanıpid- 
von Waldeck in Beziehung ft. 

25 evdangelifche aan an di’ 
226 77.; Keller 294 
Vorſchlag, die evangelifche P 
die Einkünfte zu erhalten. 
Erhard Schnepf gefchrieben, 

30 Predigern gebeten (Corneliu:. 
worauf Gottfried Stralen ın: 
Geſellſchaft f. niederſächſ. at 

Aber der Biſchof, vom 
erfolgreiche Vorgehen des x: 
auf das Wormſer Edikt und 
Prediger und Rückkehr der 
das Interim des Nürnberge 
(3. Auguft 1532, in M. y 
von fich aus (ohne Bevollm 

an gericht, und in dem MM. 
Joh. dv. d. Wieck (f. über !: 
Rechtsvertreter der Statt - 
dem vor der Gewalt noch 
Biſchof gehen hin und ber, 

4 ſchaft, des Domfapitels un 
jchmaltaldiihen Bund zu 
fejlionellen Bedenken (Corn 
ringt R. mit den Gilden 
Patrizier und Domherrn 

16 Artikel „Mißbräuche 
Nachrichten über Die Gegen 
In den Artikeln fällt ges 
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DMüufter, Wiebertänfer 547 


zube, nopeib, * und Stralen zu verfügen, gegen R. aber Amtsentſetzung 
ot (6. Novp.). 
I iheint die Situation nach dem Friedensſchluß vom Februar 1533 reſtituiert, 
Ft Denft wieder an Emrichtung eines evangeliſchen Kirchenweſens mit Unter: 
om heil. Yandgrafen erbetenen Prediger ob. Zening und Dietrich Yabricius 
Sormelius, Geſch. II 347 f.; derf., Die M.ſchen Humaniften, Bibl. Bremensis 
I, Nembert 8. v.); die Vermutung von Cornelius, daß Fabricius Hauptquelle 
Verf, ber unter dem Namen bes Heinr. Dorpius gehenden „Warbafft. Htitorie” 
Bolbehr (Mitt, a. d. german. Mufeum 2, 102f. widerlegt), lebterer wohl 
I gewählt, da er mit den Waflenbergern me früher in Berührung gelommen 10 
Se 145). Um R., deilen Poſition dank großen Suzuas von auswärts und 
Ansnubung eines diplomatifch ungeſchickten Entgegenkommens des Fabrictus 
or mefährlich ift, zu entfernen, läßt v. d. Wie von Philipp von Helfen eine 
Fir ., angeblich) zu einem Neligionsgeipräc, erwirken, die von R., dem ber 
Nhiberitandes gegen das neue Kirchenweſen das freie Geleit hatte auffündigen 
menoinmen wird. Gleichzeitig beginnt die von den heſſ. Prädifanten verfaßte 
Erna ins Leben zu treten, und die Kirchen werden mit ewangelifchen m. 
umter auch der aus Lippe herbeigerufene 8 Weſtermann) an Stelle der 
rt erfte 5 — gegen Ende November ſtehen die Dinge günſtig für die 
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20 
t etwa Anfang Januar 1534 ein neuer Umſchwung: die Ideen Melchior 
(ib. A. Bo VIII, ©. 222) in holländiſcher aaa: werden eine Macht 
Eher war unter Rolls Führung die Wafjenbergiche Richtung, abgefchmwächt durch 
I-lonjervative Neminiscenzen, bei R.s Anhang vorherrſchend geweſen, d. b. man 
2 Übendmabl als Paſſahmahl gefeiert und die Notwendigkeit der Kindertaufe 25 
litten, obne aber antitrinitarifche oder wiedertäuferiſche Konfequenzen zu ziehen. 
em Sommer 1533 (vgl. Bd VIII, ©. 225, 55 ff.) beginnen in immer ſtärkerem 
Neiioriten in die Stadt a und ſich mit den Waflenbergern zu ver- 
eine Verfchmelzung, die erleichtert wurde einmal dadurd, daß Roll u. a. felbit 
mn beeinflußt waren, fodann durch H.8 Taufverbot (ein perfönliches Wirken zn 
IE bat nicht ftattgefunden, und das angebliche Zufammentirten 5.8 und Knipper⸗ 
I Stodholm 1524 f. ift Xegende, f. v. d. Linde, Meldior H. S. 95 ff). Wenn 
IS Schreiben (nad) Marburg und Straßburg), fowie in feinem von Roll, Klop- 
I, Staprade, Stralen approbierten, ald Antwort auf feine Amtsentjegung von 
ber erichienenen, die mwillenichaftliche Bildung (Erasmus, Bullinger, Seb. Franck, 35 
Srewoäter u. a.) R.3 glänzend bezeugenden "Befentniffe van beyden Sacramenten 

de Nacdıtmaele” (Kerfi 442, dafelbft auch Titel der Straßburger Gegenjchrift, 
Bei Bouteriwel 285 ff.; Sepp 76ff.) die Polemik gegen Sindertaufe („lesterlike 
Klerye") und Luthers Abendmahlslehre wie bisher überwiegt, jo fompathifiert er 

den Meldioriten, erwägt % Lehre von der Menſchwerdung Chrifti, agitiert in an 
en Nonventileln und Schafft ih eine eigene Winkelprefle (vgl. auch die Anfpie- 
an Die Yehre von der Gütergemeinfchaft im „Bekenntnis“ Bl. H 3); das Predigt: 
Serahtet er, geitüht auf die Gilden, und durch deren Erfolge ermutigt, Tehren 
eember 1533 die verbannten Prediger zurüd. Das Erfcheinen aber zweier Ab: 

des Johann Matthys Anfang Januar 1531 bringt den Melchioritismug zum 45 
atthys, ein Bäder aus Haarlem, beendet von ſich aus das H.iche 


aus wird getauft, und die Liſte ber Getauften fteigt innerhalb acht Tage auf 


% 


548 Mäufter, Wiedertänfer 


gehend in Eingland, Flandern, Liffabon und Lübeck, eifriges Mitglied des halb Litterarifchen, 
halb bolitijen Klubs der Rederijker, verläßt zerrütteter Vermögensverhältniffe balber 
die Niederlande, mweilt Summer und Herbft 1533 in Weitfalen [vorübergehend aud in 
M.], wird im November 1533 von Job. Matthys gewonnen und als Apoſtel ausgefandt, 

b dgl. die Litteratur über ihn bei Kerſſ. 639 f.; H. Detmer, Bilder aus den religiöjen und 
ſoz. Unruhen in M. I, Job. v. X. 1903). 

Nicht ſowohl bei den Prädikanten als vielmehr bei den Führern der Demokratie, 
allen voran Anipperdolling, dem fanatiichen Borfämpfer des Volksregiments (j. über 
ihn Kerl. 155) finden die Holländer Unterftügung von Xeiden heiratet 

ı0 alsbald Kn.'s Tochter), reißen aber die Prädifanten mit fih fort. Ihre Anhänger 
werden auf gewiſſe Glaubensſätze (fogenannte „Münjterfche Artikel” |. Kerſſ. 448ff.; 
Detmer in Ztſchr. f. weſtf. Gefch. 1893) verpflichtet (ganz melchioritiſch, außer der 
Polemik gegen Taufe und Abendmahl auch der Sag: Christum humanam na- 
turam a Maria non assumpsisse, aber in der Verweigerung des Gehorfams an die 

15 „heidniſche“ Obrigkeit deutlich den bolländiichen Typus verratend, vgl. v. d. Linde 
349 ff), und im Februar beginnen Johann dv. Leiden und Anipperbolling ihren Auf: 
ruf in den Straßen der Stadt zur Ausfonderung der Gemeinde der Gerechten vor 
dem göttlihen Zorngeriht. Sn einem Tumulte gelingt es den Täufern dank der 
Sympathie des Bürgermeisters Hermann Tilbef mit ihnen und dank der Angſt bes 

20 Rates vor dem mobilmachenden Biſchof endgiltig völlige Glaubensfreiheit fih garan- 
tieren zu laflen (11. Februar). Damit ift der Steg des Anabaptismus über die Orb: 
nungspartei vollendet. 

Die Anhänger diefer verlaffen jcharentveife die Stadt (v. d. Wied auf der Flucht 
gefangen und durd den bifchöflichen Scharfrichter hingerichtet), während die Täufer, deren 

3 Trumpf fich in gügellefer Schwärmerei (Erftafen, Bilionen, Blutregen 2c. |. Kerſſ. 499f.) 
äußert, mit Erfolg lebhafteſte Propaganda treiben (Kerfj. 509f.; Keller 143; NRembert 
370 ff, 351 ff. Roll wird nah Holland gefandt und September 1534 in Maeftricht ver- 
brannt, vgl. %. Habet?, De wederd. te Maestr. 1877), M. rüdt an die Stelle Straf 
burgs als Hort der Wiedertäuferei, und der Erfolg feheint den Anſpruch, in M. das new 

30 Jeruſalem zu befigen, zu beftätigen. Unmittelbar nad dem 11. Februar fievelt Johann 
Matthys nah M. über, die Neuwahl der jtäbtiichen Obrigfeiten bringt Knipperdolling 
und feinen Gefinnungsgenoffen Kibbenbroid als Bürgermeifter an der Spige der Stadt, 
das Volk plündert und vermüftet die Klöfter und den Dom (Kerſſ. 520ff.). Matthys 
plant die Doktrin von der „Vernichtung der Gottlofen” praftifch zu machen, doch dank 

35 dem Cingreifen Knipperdollingg und Johannes v. Leiden fommt es am 27. Februat 
und folgenden Tagen nur zu einer Austreibung aller „Gottlofen“ (darunter auch 
Fabricius, der bis zulegt hatte vermitteln wollen), während drei Tage lang an den „Be 
fehrten” die Weiche kaufe vollgogen wird. Bald darauf beginnt Johann Matthys unter 
Berufung auf AG 2 mit der Einführung der Gütergemeinichaft, deren Durchführung 

40 aber erjt allmählich gelingt; zur Verwaltung der Güter werden fieben „Diakonen“, be 
ſtellt. Am 15. März beginnt das Verbrennen ſämtlicher Bücher in der Stadt außer der 
Bibel, die das Gefeßbuch im neuen Serufalem wird. Eine Oppofition der Bürgerſchaft 
wird blutig niedergefchlagen (vgl. für den damaligen Glaubensftand der M.fchen das von 
Cornelius Geſchichtsqu. II, 445ff.] mitgeteilte Bekenntnis). Inzwiſchen hat der Biſchof 

5 feit dem 28. Februar Anjtalten zu einer regelrechten Belagerung getroffen, die jedoch 
ſehr langſam fortjchreitet, da es an allem Nötigen fehlt. Doch gelingt es die Sitte der 
Nachbarfürſten, vor allem Gleve und Köln, jpäterhin auch Heflen zu gewinnen (über die 
politiihen Verhandlungen, das Interefienspiel zivischen Heilen, das dem drohenden An- 
Ihlup Ms an Spanten-Burgund [das fogar mit den Evangeliihen in M. Verband 

60 lungen anfnüpft, |. ten Cate in Doopsg. Bijdr. 1899] vorbeugen will, M., Cleve 
und Köln [Fürftentag zu Orſoy 26. März] |. Keller 240ff. und H3 1882 ©. 429ff.) 
Der Zuzug von Anabaptiften in die Stadt kann jedoch zunächſt nicht gewehrt werden, 
und wenn die auf Die M.jche Propaganda hin geplanten großartigen QTäuferegpeditionen 
in den Niederlanden, Jülich, der Umgegend von M., fcheitern, fo liegt das teils an der 

5 Wachſamkeit der betr. Zofalbeamten, teil3 an der unpraftifchen, alles Heil von oben er 
wartenden Wlanlofigfeit der Schwärmer (ſ. Cornelius, Die Niederl. Wiedertäufer mährend 
der Belagerung Ms, Rembert 351ff.; Kerſſ. 567f.; Keller 152 ff). Fanatismus um 
Hoffmannſche Paſſivität iſt es auch, die die Belagerten zunächſt feine Drnanifation treffen 
läßt und erjt allmählich ihnen Hauptleute giebt (Kerſſ. 533). Und mir Tanatigmu 

wand Vertrauen auf eine angebliche Offenbarung treibt am 5. April Mattig 


Mänfter, Wiebertänfer 549 


zu einem blanlofen Ausfall, bei dem er feinen Tod findet. Nunmehr rüdt ob. v. Leiden 
ın die Führerrolle ein. 

Er vollendet jebt die von Matthys begonnene Organifation des „neuen — 
ſalem“. Zunächſt (wohl Anfang Mai ſ. Kerſſ. 574ff.) wird die alte Stadtverfaſſung, 
die formell noch durchaus in Kraft beſtanden hatte, abgeſchafft, als Menſchenwerk und 
erjeßt durch Die göttlich offenbarte Verfaffung Israels. „12 Altefte der 12 Stämme 
Israels“ übernehmen alle weltliche und geiftlihe Macht in M., geichicdt ausgewählt aus 
den ehemaligen Ratsbeamten und Gildenführer, der ehemalige Bürgermeifter Knipper- 
dolling wird mit der Rolle des Schmwertträgers (Henters) befriedigt, N ſucht in einer 
Predigt das neue Regiment als göttlichen Willen darzuthun. Die neue Obrigkeit ver: 10 
Tündet alsbald eine ordinatio politici regiminis (Kerſſ. 582 ff., vgl. 579 ff.; Detmer 
37 ff.), völlig auf biblifcher Grundlage unter Verbot jeglicher Gemeinſchaft der Getauften 
mit den „Fremdlingen“. Sprecher der Alteften wird der „Propbet” yon. v. Leiden, er 
leitet ihre Sitzungen, und er iſt es auch, der militärische Organiſation, Wachtdienſt u. dgl. 
jo vortrefflih ausbaut, daß die Belagerten beftändige Erfolge über die Belagernden er- 15 
zielten (Detmer 40 ff.). Nicht zum menigften triumphiert hier die fittliche Zucht der 
Täufer über das lodere Landsknechtsleben. Dad Unternehmen einer efftatifchen mer 
länderin, als Judith auszuziehen und den Biſchof zu töten, fcheitert jedody an der Wach- 
ſamkeit der Belagernden und dem Verrat eines * en Bürgers (16. Juni). Die glück— 
lichen Ausfälle und die Wirkung von ins Lager geſchleuderten Flugſchriften führen aber 0 
den Belagerten Zuzug felbit aus den Reihen der Belagerer zu. 

Mitte Juli propontert Joh. v. Leiden, fich ftübend auf Gen 1, 28, das Erempel der 
Patriarchen, 1 Ti 3,2 (f. die Folgerung Kredhtings: „daruth folle folgen, de gemeyne 
man moge wol velle wyver nemen“”), veranlaßt aber jedenfall® auch durch den fozialen 
Notftand eines großen Überfchuffes an Frauen, den Prädifanten die Vielweiberei, ftößt 26 
aber auf heftige Oppofition, die nad) etwa acht Tagen erft der Hinweis auf göttliche 
Offenbarung und Anbeohung göttlichen Zorned überwindet. In dreitägiger Predigt wird 
dem Volke die neue Lehre verfündigt und dann zu ihrem Vollzuge — in robefter Form, 
die- Prophet und Prädifanten vergeblich zu mäſſigen fuhen — gefchritten (Keller 211.) 
Dieſe Einführung der Polygamie treibt die befonnenen Bürger zu einer leßten, gervali- 80 
ſamen Oppofition. Mit etwa 200 Anhängern gelingt den Schmied Heinrich Mollenhede 
die Gefangennahme Joh. v. Leiden, Knipperdollings, R.s, des Klopriß, Vinne und Heinr. 
Slabtecae (über ihn, der Sommer 1534 nad m fam, |. Nembert ©. 305 ff.). Aber 
die Energie der Täufer unter Tilbecks Führung verhindert die geplante Offnung der 
Thore und Übergabe der Stadt an den Bifchof, befreit die gefangenen Führer und übt ss 
an der Oppofition blutige Rache. Von diefer Seite ift jest nichts mehr zu befürchten, 
die Herrichaft des Propheten iſt fchranfenlos (ſ. bei Kerſſ. 626 Anm. 3 das Wer: 
zeichnis der Zahl der Frauen der Wiebertäuferführer — R. hatte neun Frauen!). Mit 
der Begründung: spiritus meus appetit carnem tuam (Kerſſ. 629) werben die tolliten 
jeruellen Leidenfchaften bis herab zur Mädchenſchändung befriedigt (Kerſſ. 626 ff.). “0 

Als am 31. Auguft den Täufern das Abfchlagen eines Sturmes der Belagernden 
glänzend gelingt, wird (ob nach vorheriger Nerabredung? f. Kerſſ. 634) Joh. v. Leiden 
bon dem neuen Propheten Johann Dufentichuer auf Grund einer göttlichen Offenbarung 
zum Könige über das ausermählte Israel mit dem Anfpruh eines Weltherrfchers 
(Jer 23, 2—6; Ez 37,21 ff.) ausgerufen. Der neue König richtet alsbald feinen Hof: 46 
ftaat ein: Knipperbolling wird Stellvertreter des Königs, R. Hofprediger, Räte, ein Zudht- 
meifter, Hofmeifter, Sekretär, Küchenmeifter, Mundfchent, Hofichneider, Kanzler (Heinrid) 
Krechting) u. a. Beamte fchließen fih an (vgl. die Flugfchrift, des M.fchen Königes Hof: 
ordnung, Bahlmann 1535 Nr. 17; 3.8. Nordhoff in: Bonner Jahrbb. 1895), — das 
Banze fchlecht ftimmend zur eben damals wieder cingefchärften Gütergemeinfchaft, die u. a. 50 
unentgeltliche Arbeit ofkulierte Zur Königin erhebt Johann die majejtätifch fchöne 
Witwe des Matthys Divara (über |. Nebenfrauen |. Kerſſ. 657). Eigene Münzen mit 
der Aufichrift ge 1,14; 3,5 werden geſchlagen (Abbildung bei Kerſſ. 667; Bahlmann 
52f.; Nordhoff a. a. D.; befondere Münzen gab es in M. übrigens fchon unter dem 
Regiment der Präbilanten), auf befonderem Throne auf dem Marktplatz hält der König 55 
Bericht. Der innere Widerfpruch diefes immer mehr verweltlichenden „Gottesreiches” aber, 
verbunden mit der Abneigung des alteingefejfenen Bürgers gegen den eingedrungenen 
"embling, und dem Bewußtfein von Joh. v. Leiden an Einfluß überholt zu fein, ar 

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“erbolling den Verſuch machen, auf Grund angeblicher Offenbarungen den „Kö 
vom Fleiſch“ duch einen „geiitlichen” König (d. b. ihn felbjt) zu verdrängen 


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—X Mänfter, Wiedertäufer 


u Redel gun: Durch den Geift zu erfegen, aber das raſche Zugreifen Johanns, der An 
XxeEren digen läßt, befeitigt fein Regiment. Am 13. Oltober wird auf dem Domplape 
an sroßes „Abendmahl“ [nah Mt 22, 2ff., fogar die Ausftoßung deſſen, der fein hod- 
zazlnd Aleid bat, fehlt nicht, Kerl]. 702 F.] gehalten (ein Pidnid, an deſſen Schluffe König 
und Königin Brot und Wein austeilten), Duſentſchuer (im Einverftänpnig mit dem 
Konige? ſ. Kerſſ. 701; die Notiz, daß er damals aufs neue Johann v. Leiden habe zum 
Konige ausrufen laflen, nur bei Gresbeck M.ſche Geſchichtsquellen II, 103 ff.]) verkündet 
die Aussendung von 27 Apofteln nad der Norm von Mt 10 (die Namen derfelben bei 
Ka. Torf. Vinne, Klopriß, Stralen und Slachtscaep find darunter; über die nad 
durzen Erfolgen vollgogene Gefangennahme und Hinrichtung diefer Apoftel in Warendorp 
und Coeofeld ſ. Kerſſ. 708 ff.; Keller 164ff.; über das ähnliche Schickſal derſelben in 
Sveſt Kerſſ. 719 ff; Comelius I, 270f.; Keller 177 ff. und derf. in: Stiche. d. Vereins 
j. d. Geſch. von Soeſt 1881/82; über Usnabrüd Kerl. 722f.; Keller 178 f.). Etwa 
gleichzeitig druckt R. fein auf Propaganda berechnete Buch „Reftitution rechter und ge 
tunder chriftlicher Lehre“, (an dem wohl auch Klopriß beteiligt ift, ſ. Rembert 243), dem 
im Dezember als Antwort auf die Hinrichtungen der Apoftel das wilde „Büchlein von 
der Nache” folgt (die Idee „Reftitution” ftammt von Sampanus, ſ. d. X. Bd III, ©. 696, 51, 
in 18 Punkten fucht R. dem Abfall gegenüber die Reftitution zu begründen: fie bat be 
gonnen unter Luther, wird aber vollendet durd Melchior Hoffmann, Matthys und Job. 
v. Leiden. Autorität ift einzig und allein die Schrift Alten und Neuen Teftamentes, 
die Menſchwerdung Chriſti ift melchioritiſch aufzufaflen, das Erlöſungswerk Chrifti ſchließt 
die beiligende Arbeit an fich felbit kraft des freien Willens nicht aus, fondern ein, die 
Taufe ift nur als Taufe unterrichteter Erwachfenen berechtigt, die Gemeinde der Ge 
tauften bildet die rechte Kirche, wie in M. z. B., eingerichtet nach apoftolifchem Vorbild 
mit (Hütergemeinfchaft, Diakonen, Brotbrechen zum Gedächtnis des Todes Chriſti zc., als 
— der Ehe“ gilt das Wort: „Seid fruchtbar und mehret euch!“, daher Vielweiberei 
und Verbot des Beiſchlafs mit ſterilen oder ſchwangeren Frauen, Chriſti Reich iſt ein 
irdiſches, die Obrigkeit iſt nur als Dienerin Gottes, wie im M.ſchen Königreiche, rechte 
Obrigkeit; am Schluſſe der „Reſtitution“ folgt eine kurze Darlegung der M. ig⸗ 
niſſe. Das Büchlein von der „Wrake“ fühlt im — * an die Reſtitution ſogl. 

S. 97; Bouterwek 346f.] aus Bibelſtellen den Nachweis, daß der Tag der Vernichtung 
der Gottloſen als Vorbote des Friedensreiches ser 31) nunmehr gelommen fei, und 
fordert \ flanımenden Worten zum Zuge nad M. auf, mofelbft der Thron Davibs 
errichtet fe). 

Aber die Durch dieſe Schriften, namentlich die legtere, in den Täuferfreifen der um- 
liegenden Yänder hervorgerufene Erregung (vgl. Sepp 105. 111f.; Bouterwek 313Ff.; 
Rembert 384 ff; Cornelius, Die niederländ. Wiedertäufer 84 ff.; Keller 270f.) kann Doch über 
die Neringfügigfeit des Zuzugs von auswärts dank der fteigenden Wachjamteit der Belagerer, 
deren Alsdhausihiiem (Kerſſ. 810) feine Wirkung zu thun beginnt, nicht binwegtäufchen. 
Die glücklichen kleineren Ausfälle durchbrechen * nicht den Belagerungsring, und Offen⸗ 
barungen des Königs oder Predigten R.s u. a. können über die in der Stadt mehr und 
mehr ſich empfindlich machende Hungersnot nicht hinweghelfen. Dem Biſchof hingegen iſt 
eo gelungen, nicht zum wenigſten Dank der Unterſtützung von Cleve, am 13. Dezember 
Vertreter des niederrheiniſch-weſtfäliſchen und oberrheinifchen Kreifes ſowie Kurſachſen zu 


„Mtobleny zuſammenzubringen, die Belagerungstruppen unter Yeitung des Grafen Wirid 


von Dhaun und Falkenſtein unter Affiftenz einiger Räte der Kreisftände neu organifieren 
zu laffen und für jehs Monate ſich Geldunterftügung zu verfchaffen, — unter der Ber: 
flichtung, daß nach der event. Eroberung der Stadt ein neues Regiment nur unter Zur 
N lnımung ber beteiligten Fürften eingerichtet werden fol (in diefer Klaufel eine Ab- 
yielung auf Reftitution der kath. Kirche Mi jeben [Keller 26 ift irrig; wie die Klauſel 
ausgeführt werden würde, mußte Die Zukunft lehren, einſtweilen wahrte jeder Stand ſich 
ſein Recht. Einig waren alle Stände in Ablehnung der ſpan.-burgund. Pläne auf M,, 
val. die diesbez. Verpflichtung des Biſchofs bei Kerſſ. 749; im übrigen zum Koblenzer 
Tape Keller 2641 ff.; Kerſſ. 741 ff). Und wenn auch die Koblenzer Beitimmungen nur 
langſam exefutiert wurden (f. die Gründe bei Keller 269, ebda. über den geplanten Tag 
von Worms 1535), fo jcheitert doch auf der andern Seite die im Dezember 1534 und 
Januar ſowie in den folgenden Monaten 1535 aufs neue betriebene täuferifche Pro- 
wmyanba aun Zweck ber Entjegung der Stadt völlig (Keller 271ff.; Cornelius, Die 
miederländ. Wiedertäufer; fpeziell über die Niederfchlagung der Bewegung in Weſel 


Vouterwel in: Ztſchr. des Berg. Geſchichtsver. 1, 360ff.; ebd. 385ff.; Kerſſ. 725 ff.; 


Münfter, Wiedertänfer 651 


Keller 274 ff. über die Beihilfe des M.ichen Verräters Heinrich Graes), und die Verhand- 
en mit ben Belagernven, fpeziell mit Philipp von Heilen, zerichlagen fich (Kerfi. 753 ff. ; 
enamp, Heſſ. KG IL, 210%, die Alta des Ant. Corvinus ; über die Entjendung des 
icius im November 1534 nach M. durch Philipp von Seffen zwecks Friedensver⸗ 

lungen |. Volbehr, Mitt. a. d. germ. Mufeum 2, 97 ff.; über einen vom Landgrafen 5 
beruntapten ee: der „Reftitution” R.s 1. gerſ 757; über die Widerlegung der 
Reititution, bad heil. Theologen Rembert 296). Neue Verordnungen Joh. v. Leiden 
(ogl. den Artilelbrief vom 2. Januar 1535 bei Kerſſ. 763ff.; Philippi in Z86 10, 
14671), Propbezeiungen des Königs, gemedt durch die immer wieder auffladernde H off- 

ng auf Entſatz aus Holland, und jchließlih (Mai 1535) die Einrichtung eines harfın 10 
—— unter Leitung von 12 Herzogen, deren jedem ein Stadtthor anvertraut 
wird ad vitandam proditionem (Kerſſ. 773), ſuchen vergeblich das wankende Ver: 
trauen der Bürger auf ihren Herrſcher zu befeſtigen. Die Zahl der Überläufer, ange: 

fpornt durch Verfprechungen des Biſchofs en Sejer. * berg. Geſchichtsver. Bd 28, 220 ff.), 
— ſich, der Belagerungsring ſchließt ſich allmählich, Vermittelungsverſuche der Hanſe⸗ 
ſtädte Lübeck und Bremen auf der Baſis der a de der Woedagtaufere ſcheitern (. 
d. A. Wullenweber Kerſſ. 789ff.; Keller 187.; S. 435). R.s neue, im 
* eldienene Schrift, „von Verborgenbeit * he Ts Reiches Chrifti und dem 
ern” vermag nicht darüber hinwe en daß et der „Tag des 

— ei t Tommt (f. au die Vertröſtung Leiden, als die fiher auf Oftern 0 
dem“ m Gelöfung nicht eintritt, bei Kerſſ. * N Schrift führt die in den beiden 
legten Schriften ausgefprochenen Gedanken weiter aus, geht aber vielfach über ſie hinaus, 
Betonung des vom Geiſte auszulegenden AT als der eigentlichen Hauptſchrifi, Behaup- 
tung der Sünblofigkeit der Gläubigen, Antaftung der Trinitätslehre, Verheißung der 
Wiederkunft Chriſti und Aufrichtung feines weilden Reiches nach den Tagen der „Reſti⸗ 25 
tution” ; am Schluffe des Schriftchens eine Überfegung des 68. Pfalms mörtlid nach 
dem Lötvener Humaniften Joh. Campenfis bezw. der deutfchen Überſetzung von deſſen 
Pfelmenparaphraje ſ. Sepp 124 f.; NRembert 294). Auf dem Wormfer Tage (4. April) 
gelingt es  anbererjeit auch die Reichsjtädte auf der Baſis des Koblenzer Abſchiedes zur 

der Belagerungsarmee heranzuziehen (Keller 281ff.; 93 1882 434 ff. ; so 
Kerſſ. — .), ſo daß nunmehr nahezu das geſamte Reich vor M. vertreten iſt. Joͤh 
v. Leiden aber muß um dieſelbe Zeit der Hungersnot wegen Greiſe, Weiber und Kinder 
aus ber Stadt laſſen (über die Aufnahme diefer Flüchtlinge Kerſſ. 815 ff. Wehrhafte 
Männer bleiben noch etwa 1600 in der Stadt). 

Aber doch hätte wohl dank dem Schrediensregimente Johannes und dem bei den 8 
Belagernden fih empfindlich geltend machenden Geldmangel die Belagerung ſich länger 
bingezogen, wenn nicht Verrat die Stadt der Cernierungsarmee in die Hände gefpielt 
beide be a Ed von der Langenſtraten und Heinrich Gresbeck (f. die Litteraturüberjicht), 

e Flüchtlinge, verraten die Anlage der M.ichen Befeitigungswerke, unter ihrer 
ünftigt durch ein heftige Unwetter, gelingt in der Nacht vom 24. zum 40 
25. — durch die ahnungsloſen heh hindurch ein Eindringen in die Stadt mit 
etwa 400 Mann. Aber ein ſchwerer ſtrategiſcher Fehler der Eindringenden, die Ver: 
Kumnis das Thor, durch welches man eindrang, genügend zu deden, läßt die Täufer 
—— ub der Belagerungsarmee verhindern und jene 400 einfchließen, die fih nun: 
itulationsbedingungen einlaffen müflen. Im legten Momente gelingt jedoch 45 
die Ye Wiherbeftellung des Konnered mit dem Gros der Belagerungsarmee, durch ein neu 
geöffnete® Thor dringt diefe ein, und ihre Übermadht bringt am Mittag de3 25. Juni 
E Stadt in ihre Hand, unter ben Ichredlichiten Blutthaten der Landsknechte. Der König 
und die Königin, Stnipperbolling und Krechting werben, durch Verrat, gefangen genommen, 
R. fcheint (f. die einander wiberiprechenden Nachrichten über fein Schickſal bei Kerl. so 
842 |.) den Tod gefucht und gefunden zu haben. Am 29. Juni hält der Biſchof feinen 
Einzug in die Stadt — der Traum des „neuen Jeruſalem“ war zu Ende. 

Die aber würde die Neuordnung ſich boltgiehen? Hab und Gut der Wiedertäufer 
wurben zum Verlaufe ausgeboten (Niejert, U.B. I, 226 f.), der balbe Anteil an der 
Beute und ſämtliche Geſchütze fallen dem Biſchof zu, am 18. Juli wird im Dome ein 6 
feierlicher Dankgottesdienft gehalten (der noch heute alljährlich wiederholt wird), aber die 
Zur age e war: wie foll der Religionsſtand M.s geregelt werden? t wurde die 

blenz⸗Wormſer Klaufel (f. oben) aktuell, die bisher mühlam in der Belämpfung der 
Täufer geeinten Gegenſätze zwiſchen Katholiken und Vroteftanten treten hervor. Die 
proteftantifche Partei unter Führung Philipps von Heflen erftrebt Reſtitution des Ver⸗ 


— 
oa 


552 Münfter, Wicdertäufer 


trage vom 14. Februar 1533, der durch die Epifode der Wiedertäuferei nicht tangiert 
fer, und ſucht den Bifchof durch Verſprechung von Geldzahlungen zur Abmidelung feiner 
Schulden zu gewinnen, auf der anderen Seite aber vereinbaren Hermann von Göln, 
Johann von Eleve mit Franz von Münfter, der eine Zeit lang zwar den evangeliſchen 
5 Plänen fich geneigt gezeigt hatte, zu Neu unter dem Drud faiferl. Geſandten Reititution 
der Religionsform in M., „welche von Kaifer und Reich gebilligt ift“ unter Abftellung 
einiger ° —5 (19. Juli). Domkapitel, Ritterſchaft und Städte des Bistums ſtimmen 
zu, und infolgedefjen beginnt die katholiſche Geiftlichfeit fi in M. wieder einzurichten. 
Ein Reichstag zu Worms vom 1. November verfügt enigegen den Wünfchen der Pro- 
10 teftanten Reftitution des Katholicismus, Neftitution der alten Stadtverfaffung (ohne Rüd- 
ficht auf das Belenntnis, für die Evangeliihen daher die Möglichkeit bietend, auf Um: 
wegen etwas zu erreichen), Schleifung der Befejtigungen M.s und Auslieferung der Hälfte 
der Beute an das Neid. Eine Reichskommiſſion fol am 13. März 1536 ın M. dieſe 
Anordnungen exeutieren. Aber der Bilchof, unwillig über die gegen den Willen feiner 
15 Bevollmächtigten ihm aufgezwungenen Beitimmungen jest der Kommifjion entgegen mit 
feinen Ständen eine neue „Ordnung“ der Stadt M. durch, welche die Leitung der Stadt 
nahezu völlig unter bifchöflichen Einfluß bezw. des vom Bischof ernannten Befehlshabers 
ber Gitadelle legte (30. April, ſ. die Ordnung bei Kerſſ. 881ff.; Niefert, UB LI, 256 ff.. 
Die Gilden werden aufgelöft. Damit war den Evangeliſchen die im Reichsabſchied vom 
20 1. November nody offen gelaflene Möglichkeit der Wiedergewinnung verlorenen Terrains 
genommen, ihr Proten gegen den Religionspunkt des Abſchiedes aber verhallte. Wie 
einſt die Uneinigkeit zwiſchen Biſchof und ſeinen Ständen das Emporkommen der evange⸗ 
liſchen Richtung begünſtigt hatte, jo war ihre Einigkeit die Haupturſache für den Unter⸗ 
gang derſelben (og Keller, Die Wiederherjtellung der Tath. Kirche nach den Wieder: 
25 täuferunruben in M. 1535—37 93 Bd 47; Kerſſ. 863 ff.). 

Joh. v. Leiden, „spectaculi vice huc atque illuc“ geführt (Corvinus), mird 
ichließlid) in Bevergern, Anipperdolling und Krechting in Horftmar feſtgeſetzt. Auf Ber: 
anlaffung des Landgrafen iverden Ant. Corvinus und Joh. Kymeus zu ihnen deputiert, 
aber ihre Disputation mit den Gefangenen bleibt ergebnislos (ſ. die „Akta“ darüber in 

Bd 2 der Wittenberger Ausgabe der deutichen Werke Luthers, Bahlmann 1536 Nr.3 u. 4; 
gallenfamp a. a. O. 211ff.; berührt wurden in der Disputation alle |treitigen Punkte, die 
Verteidigung ift fehr geſchickt feitens der Täufer). Ein fchließliches Anerbieten des Königs, 
gegen zu yerung des Lebens die Täufer in allen Landen zum Schweigen zu bringen, 
wird abgelehnt, die Gefangenen werden nah M. geführt, dort verhört (ſ. die Aften bei 

35 Cornelius, M.ſche Gefchichtöquellen II, 398 ff.) und am 22. Januar 1536 in der Frühe 
graufam zu Tode gemartert, die Leichname in eifernen Körben am Lambertiturme auf 
gehängt (Die noch jegt vorhandenen Körbe hingen an den Turme bis zum Abbrudy dei 
jelben im Jahre 1881). 

Der Fal M.s bedeutet eine Kataftrophe für das geſamte QTäufertum, indem die 

10 M.ſche Richtung ohne weiteres allem, was nad) Täufertum ausſah, imputiert wurde 
Die Theologen, ein Luther, Melandıitbon (vgl. Haußleiter, Mel. Kompendium 1902 
S. 72ff.), Menius, Urbanus Rhegius, Corvinus fo gut wie Cochläus (f. d. Litt. zu den 
betr. Artikeln u. Bahlmanı a. a. S. ſowie Rembert 245) u. a. wetteiferten in Bekämpfung 
teil3 der Schriften Rothmanns (vgl. hierzu auch Sepp a. a. O., die betr. Schriften fallen 

ER i T. vor den Fall M.s) teils des Täukertunns überhaupt, „die M.iche Furie bat den 
Namen MWiedertäufer zu einem Stichtwort gemacht” (Rembert ©. 2). Politiſch befiegelt 
der all M.s den Untergang der mit dem Täufertum ja Hand in Hand gegangenen 
deinofratifhen Beivegungen und feſtigt die Macht des Landesheren, der in der Auf 
bildung der Belenntnisfirhe Schusmaßregeln gegen die Irrlehre trifft (ſ. die vortreffl. 

50 Überficht in K. Müllers KG $S 216; W. Köhler, Ref. u. Ketzerprozeß 1901, auch Rembert 
40575). Selbſt für Mähren und Heſſen (vgl. über die hier durch den Gegenſatz gegen 
die Täufer veranlaßte folgenreihe Entwidelung W. Diehl, Zur Geich. der Konfirmaten 
1897) bört jegt die Toleranz auf. Auf der anderen Seite aber vollzieht ſich im Täufer 
tum felbft eine Läuterung, die radikalen, Gewalt fordernden Elemente jchwinden, Memo 

5 Simons (ſ. d. A. Bd XII €. 586 ff.), der NRegenerator des Täufertums, beginnt mit Be 
kämpfung des irdischen Königreiches ‚Jobanns v. Leiden. 

So ungerecht eine Identifikation des gefamten an ſich überhaupt nicht einheitlichen 
Täufertums mit der M.ſchen Gemeinschaft ift, ebenſowenig gerecht iſt es, dieſelbe ganz 
von den Rockſchößen des Täufertumg abjchütteln zu wollen, wie das von mennonitifcher 

co Zeite gerne gefchieht. Cine wilde Orgie wahnwitzig verblendeter Menſchen ift das M.iche 























 Miünfter, Wiedertänfer Münter 553 


uch Eitelkeit und Leidenſchaft ſowie bewußte Dlache mitgefpielt 
an Ba 1 ber Beivequng aus dem Täufertum der Umgegend (Waſſen⸗ 
| fluffung durch den Meldioritismus, defjen Nealifterung es gilt, 
ben von dem allgemein-politifchen Rahmen eined Hand in Hand⸗ 
ra e und Zäufertum. Und auf die letzten Prinzi ien geſehen, vom 5 
e dom Zwinglianismus aus wäre ein M. ſches Reich unmöglich ge: 
ung der Offenbarung auf den Heilsprozeß, die daraus hervor⸗ 
*8* Organiſationsformen und die Ablehnung, für ſie und für 
‚Die Bibelautorität heranzuziehen, verboten das (beim Luthertum 
als a Bein Zwinglianismus). Die äußerfte Hochipannung der Offen: 10 
"% Des gejamten, religiöfen mie ethifchen Lebens machen zu wollen, 
anaturale Gotteögemeinde, von ihr getragen, unter Ausfcheidun 
tollen — die iſt eben täuferifch, fo gewiß fie — 
on Denkens gelegen hatte (formula missae, deutſche Meſſe). 
—* Offenbarungsbegriff keineswegs einheitlich iſt, tritt dieſer 15 
* in die Erſcheinung. Von hier aus aber liegt Syſtem in 
1 Reiben, felbft in den tolfften Orgien. Was nur immer ge: 
‚m Namen der göttlichen Offenbarung zu handeln, fei es auf 
npiration, jei es auf Grund der Bibeloffenbarung, leitet 
ni me, ein fanatifches Sich-Klammern an die Übermeltlichfeit, 20 
J * mußt ein völlig untergebt in der Ipnfpiration und Offenbarung und 
ögeburten als Inſpiration und Offenbarung ausgeben muß. Das 
+4 M. ift nicht ein dem Täufertum aufgepfropftes wildes Reis, 
| Baume des Täufertums gewachſener Zweig, — von 
W. Köhler. 2 

























pCt K. 9, dänischer Biicof, geft. 1830. — 3. B. Mynfter, 
eh 47 Skizze, in Stfr 1833; C. L. — Fra den ældre 
——— Dansk biografisk Lexikon ur. B. Minter, Familien M.s 
18 N) 
tin Karl Hinrich Münter wurde am 14. Oftober 1761 in Gotha 30 
Suter, Balthajar M., damals Waifenhausprediger und Hofdiakonus war, 
er —— ſeinem Vater nadı Kopenhagen, wo derjelbe zum Paſtor an 
Kirche gewählt worden war. Der alte M. war der größte Pre 
+ dänischen auptitadt und zugleich ein eifriger Förderer des Schul- 
ee der St. Petrigaſſe war ein Mittelpunkt für die angefeheniten 35 
* an Kopenhagen. Klopitod, die Brüder Stolberg, Cramer, Geritenberg, 
Maler A. J. Carſtens gehörten zu den Verkehrsfreunden des Haufes. 
3 ijt Balthafar Ms Name beſonders dadurch befannt geivorden, 
e Eren auf den Tod vorbereitete und feine kr dh 
herausgab, Die in ſechs verichiedenen Sprachen geb wurde wu 
rer englijchen 1 Überjegung nad) einer franzöf iſchen Bearbeitung er- 
* zewechſel im Jahre 1784 war Balthaſar M. auch mit beteiligt. 
Plän * Kronprinzen Friedrich eingeweiht und beförderte durch Cramers 
$ ir h Biel war, die Briefe des AMronprinzen an den Grafen Bernftorff. 

, künftlerifch und politifch intereffierten Heim wuchs Fr. M. heran. 45 
seine umerjättliche Zejeluft, zeigte aber anfangs ein größeres Intereſſe 
—— als für die Wiſſenſchaften, zu denen er ſpäter ſo 

ern ſollte. Der ältere Niebuhr war es, der bei einem Beſuch im 
des Knaben für die Archäologie anregte; der Kupferſtecher Preisler 
für die Herrlichkeit der Kunt und erteilte ihm Unterricht im Ra⸗ w 
ſp — bei ſeinen archäologijchen Studien zu itatten kam. Schon als 
er ſich in der Redekunſt auf einer Kanzel, die ihm der Vater im 


Ta 


E hatte. 
in der Water zur Univerfität, aber ſchon vorher batte er kirchen⸗ 
gen gehört und angefangen, auf der Biblothef zu arbeiten. Der 55 
naling träumte aud) davon, Dichter zu werden. Klopſiock, Fr. L. Stol- 
„nice Dichter Ewald batten ihm Yuft gemacht, fih einen Pla ab auf dem 
gen m; * Oden an das Meer und die Sterne und überjeßte Ewalds 


b54 Mäuter 


1780 unterzog er fich dem philologifchen, 1781 dem theologifchen Eramen. Darauf 
reifte er nach Göttingen, um die gelehrten Männer kennen zu lernen, welche in ber Re 
publif der Wiſſenſchaft die berühmten Namen batten. Unterwegs traf er, außer mit den 
alten Yreunden, Fr. 2. Stolberg, Geritenberg und Klopftod, mit Matthiad Claudius, 

5 dem Abt Serufalem und dem Herrnhuterbifchof Spangenberg zufammen.. Am WMufenbof 
zu Weimar fah er Wieland und Herder und in dem Heinen Gartenhaus an der Ilm 
befprah er mit Goethe äfthetifche und theologifche Probleme. Die ehrwürdige Georg 
Augufta ftand damals in voller Blüte. M. fühlte fich gleich von C. W. F. Wald an- 
gezogen, aber %. D. Michaelis’ vwielbeiprochene auri sacra fames ftieß auch ihn ab. 

10 Unter Heynes Anleitung vertiefte er fih in die Schäge des Haffifchen Altertums; Gatterer 
weihte ihn in die Anfangsgrünbe der Paläographie und Diplomatil ein; 2. T. Spittler 
wurde fein Ideal eines Stirchenhiftorifer. Diefer gab ihm den verftändigen Rat, ſich 
einen beitimmten Zeitabjchnitt als eigentliches Forſchungsgebiet auszumählen, und ber 
junge Gelehrte, der, wie jo viele feiner Zeit, für die Yreimaurerloge Nhtoärmte, erwãhlte 

15 fi) die ägyptiſchen Hieroglyphen, den Pythagoräismus, die Myſterien und die Gnoſtiler. 
Heyne fun ihn indeilen zu überzeugen, daß bei einer Arbeit in den Myſterien nichts 
berausfommen würde; ein zweiter Lehrer bezmweifelte, daß es jemals glüden würde, bie 
Fo Rätſel zu deuten. Co wählte M. fih denn das Mittelalter, namentlich den 
Kampf zwifchen Staat und Kirche, zu feinem Forfchungsgebiet und gab als Erſtlingsgabe 

20 von feinen Studien eine Abhandlung „Über den Fortichritt der Hierarchie unter Inno 
cenz III.” heraus. 

Bei alledem wurde aber die Poefie keineswegs in Göttingen an den Ragel gehängt. 
Der erite Dichter, den M. befuchte, war Käſtner; Später lernte er Bürger kennen. Wäb- 
rend ferner eriten Serien war er in Weimar, mo Herder ihm feine Gedanten über bie 

25 hebräifche Poeſie auseinanderfegte und ihn aufforderte, die deutfche metrijche Überfegung 
der Offenbarung Johannis, die 1784 herausfam (2. Ausg. Kopenhagen 1806), zu 
zu führen. Gleichzeitig Jen er Heine Gedichte am das „beutiche Mufeum” und lich 
1782 in Erfurt „Zmer Maurerhymnen” druden. 

In Göttingen traf er auch feinen Landsmann Georg Zoäga; durch diefe Begegnung 

3% wurde fein archäologiſches Intereſſe wieder rege. Während eined Ferien 
lernte er in Berlin Nicolai, Spalding und Mofes Mendelsfohn kennen, und machte in 
Dresden Studien in der Antitenfammlung und dem Münztabinett. 

Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat reifte er über Wien nad Rom. Der 
Zweck diefer Reife war zunächſt die Unterfuhung einiger Handjchriften de Neuen Teita- 

35 ments, die fich in Ragufa befinden follten. Diefe fand er nicht; der junge Ki iſtori 
fand dafür aber anderes, das er nicht geſucht hatte. Sein Aufenthalt in Rom fiel in 
die Zeit der Ohnmacht des Jeſuitismus und Ultramontanismus; der Humanismus herrſchte 
in der Stadt St. Petri und ein janſeniſtiſcher Luftzug ging durch die ganze römiſche 
Kirche. In Toskana traf er Scipione de’ Ricei, Biſchof von Prato und Piſtoia; in Rom 

40 trat er namentlich zu dem gelehrten Stephano Borgia, dem fpäteren Kardinal, in näbere 
Beziehungen; diefer war damals Sekretär der Propaganda und Mäcen aller jungen Ar: 
chäologen, der dänischen nicht am wenigſten. Von Rom ging er nad Neapel und Si 
zilien; als Frucht diefer Reife gab er nach feiner Heimkehr „Nachrichten über beide Si⸗ 
zilien“ beraus, die in däniſcher, deutfcher, holländifcher, ſchwediſcher und italienischer 

45 Sprache erjchienen. 

Nach mehr als dreijähriger Abweſenheit kehrte er 1787 nach Kopenhagen zurüd mit 
vielen Archivfunden, Erzerpten, feltenen Büchern, Altertümern und den „ſchönen zen“, 
um die ihn Goethe beinahe beneidet hätte Er brachte aber auch tiefe Eindrüde von 
der Herrlichkeit der römifchen Kirche mitten in ihrer Erniebrigung mit fi) beim, und in 

50 den italienischen Bifchöfen mit dem freien Blid und dem offenen Sinn für die Kunft 
und Litteratur des Altertums, mit ihrer Schlichtheit im täglichen Verkehr und ihrer 
grandezza in den feitlichen Augenbliden hatte er fein biſchöfliches Ideal geſehen. 

Kurz nad feiner Heimfehr wurde eine neue theologifche Profeſſur errichtet, die M. 
erhielt, nachdem er aus einer Konkurrenz mit dem Bibelforkber A. Bird (II, S. 757,39 f.) 

55 als Sieger hervorgegangen war. 1784 batte er fich in Fulda den philofophifchen Doktor: 
grad erworben, jest (1790) errang er in Kopenhagen den theologifchen. Mit diefer feiner 
Anstellung an der Univerfität begann nun die reiche Berfafferthätigleit, die Kon vor 
—2 des Jahrhunderts ſeinen Namen in der ganzen gelehrten Welt ge⸗ 
macht hatte. 

60 Als Theologe war M. entſchieden Hiftorifer, nicht Syſtematiker. Einen feften theo- 


Münter 555 


logifchen oder phrtofophihen Standpunkt hatte er nicht. Vielen Streitfragen ſtand er 
als ein Mann ohne Meinung gegenüber, mit einem jehr mangelhaften Verſtändnis für 
die tiefen und ftarfen Überzeugungen, aber immer von dem lebhaften Wunſch, den Frieden 
betvahren, befeelt. Er glaubte an die „Göttlichleit des Chriſtentums“, aber feine Theo- 
ogie, injoweit ald man von einer folchen reden kann, war von dem Nationalismus feiner 
Zeit durchfäuert. Als Lehrer war er den wenigen viel, die fein argäolngilches ee 
teilen konnten; fein Vortrag zeichnete ſich aber weder durch Lebendigkeit noch Anſchaulich⸗ 
feit au. Er wurde kein Spittler. „M.s trodene kirchenhiftorifche Notizen ohne Über: 
fichtlichteit hatten”, fagt fein Schwiegerfohn 3. P. tale, „michts Anziehendes, und 
feine natürliche Theologie war nur menig von echter Religionsphilofophie angehaudht.” ı 
Grundwig braucht noch ftärkere Worte, und Baggefen fällt das ungerechte Urteil: „Nichts 
ale Gedächtnis”. in großer Teil feiner Schriften machen zwar den Eindrud piemlich 
lofe verbundener Exzerpte, es find aber von jeiner Hand, außer einer Menge von kleineren 
Abhandlungen (zum Teil gefammelt in „Miscellanea Hafniensia“ I—II, 1816—28), 
fo bedeutende Arbeiten erfchienen, wie „Handbuch in der Dogmengefchichte der älteiten 15 
—— Kirche“ (I—II, 1801—4, ins Deutſche überſetzt von A. Harnacks Großvater 
.Ewers), welches grundlegende Bedeutung erhielt für dieſen neuen Zweig der kirchen⸗ 
geſchichtlichen Wiſſenſchaft; ferner „Geſchichte der daniſhen Reformation“ (I—II, 1802), 
welche viel größeren wiſſenſchaftlichen Wert beſitzt als die meitläufige „Kirchengefchichte 
von Dänemark und Norwegen” (I—III, 1823—33), welche leider noch oft in Deutfch- 20 
land als Duelle benußt wird zur Darftellung der Gefchichte der dänischen und norwegiſchen 
Kirche; meiter die fcharffinnige Unterfuchung über das Geburtsjahr Chrifti („Der Stern 
der Weifen“ 1827) und „Primordia ecelesiae Africanae“ (1829), welches lange ein 
Fe geweſen ift für diejenigen, welche die ältefte Gefchichte der afrilanifchen Kirche 
tubdieren wollten. Seine bebeutendite Arbeit ift aber doch vielleicht „Sinnbilder und 26 
Kunftvorftellungen ber alten Chriften“ (I—II, 1825), ein Werk, welches noch nicht ganz 
überflüffig gemacht worden ift. Auch feine „Religion ber Karthager” (1816, 2.Aufl. 1821) 
und feine „Antiquarifche Abhandlungen” (1816) find erwähnenswert. — Für die Er: 
richtung des Altertumsmufeums in Kopenhagen ift er fehr thätig geweſen und ein Teil 
feiner Münzfammlung wurde dem Töniglihen Münzlabinett in Kopenhagen einverleibt. so 
Es erregte eine gewiſſe Vermunderung, daß man 1808, als Balle (.Bd II, 371) fein 
Biſchofsamt niederlegte, M. zum Bilchof von Seeland erwählte. Der gelehrte Mann, 
der fih am liebiten ztoifchen feinen Büchern, Altertümern und Münzen beivegte, der 
wegen feiner See berüchtigt war, fchien für eine auffichtefüßrenbe Thätigkeit 
ignet. 


a 


— 
— 


wenig geeign Iehte aber alle feine Kräfte ein, um feiner neuen Stellung zu ge: 85 

en. Prädilant wurde er nie; feinen Predigten fehlte in der Negel Lebendigkeit und 
indringende Kraft, jeine Haltung auf der Kanzel war nicht günftig, feine Stimme zu 
did, und augenblidliche Zerſtreutheiten ftörten manchmal feine Rede. Gelegenheitäreden 
glüdten ihm jedoch oft gut, und wenn er im Bilchofsmantel vor dem Altar ftand, dann 

nte Würde über feiner Geftalt und Wärme in feinen Worten liegen. Seine Gut: ww 
mütigleit und Reblichleit machten ihn beliebt, wenn er in den Pfarrhäufern vifitierte, 
dem Volle aber fiel es ſchwer, ihn zu verftehen. Ä 

Auf feinen Vorſchlag wurde (1815) eine Kommilfion zur Reviſion des Neuen Tefta- 
ments gebildet. Troß feines Rationalismus mar er in liturgifcher Beziehung recht kon⸗ 
ſervativ, und die Liturgie für Die Biſchofsweihe, welche 1811 durchgeführt wurde und die 45 
erft 1898 von einer neuen abgelöft worden ift, war nad anglifanifhen und römischen 
Vorbildern gemadht. 

Während der vilhafigen Amtszeit M.s brauften ſchwere Stürme über den däniſchen 
Kirchenader dahın. Daß ein Dann wie er für den Standpunkt Grundtvigs feine Sym⸗ 

te hatte, wird allen einleuchten; jchon „der große Lärm“, den Grundtvig erregen 50 
wollte, mußte ihm zumider fein. In den beiden Hirtenbriefen, die er mit den andern 
bänifchen Bifchöfen ausfandte (1817 zum Andenken an die Reformation und 1826 zum 
Andenken an Ansgar Miffion) trat der Rationalismus unverhüllt hervor. 

M. ftarb am 9. April (Charfreitag) 1830. Er war bei feinem Tode Mitglied fo 
gut wie aller Alademien und gelehrten Gefellfchaften Europas von Edinburgh an bie ss 
u den joniſchen Inſeln. Cr hinterließ eine Bibliothef von 14000 Bänden, eine Münz- 

bon 10000 Nummern, fowie 600 größere und kleinere Altertümer; ein Teil 
diefer Ießteren find in bie Wände des Thoreingangs und des Treppenhaufes im Biſchofshof 
enngemauert worden oder auf andere Weile dort aufbewahrt. Sein gelehrter Brieftvechfel 
und fein übriger litterarifcher Nachlaß, infomweit er nicht auf Familienangelegenheiten fich eo 


656 Münter Münzer 


bezieht, find an die große königliche Bibliothek und an die Univerfitätsbibliothel_in Ropen- 
hagen, an das Reichsarchiv und die Freimaurerloge dafelbit abgegeben; ein Teil iſt in 
dem ſchwediſchen Reichsarchiv und in der Loge zu Stodholm gelandet. Nach feinem Tode 
wurde ihm im Umgang ber Frauenkirche ein fchönes Denkmal in Geftalt eines Marmor: 
5 basreliefs geſetzt. Fr. Nielſen. 


Münzer, Thomas, geſt. 1525. -- Das erſte Verzeichnis feiner Schriften: Dresdner 
Gelehrter Anzeiger 1757, ©.4%. Rh. Melandıithon(?), Die Hiftori Thome Müntzers ıc., 
Hagenau 1525 abgedr. in Luthers Werten ed. Walch XVI, ©. 199 ff. (als hiftorifche Duelle 
von jehr geringem Wert und mancherlei Märden enthaltend). G. Th. Strobel, Leben, 

10 Schriften und Lehren Thomä Müntzers, Nürnberg u. Altdorf 1791, 3. 8. Seidemann, Th. M, 
Dresden y. Leipzig 1842; derf., Zur Geſch. d. Bauernfriegs in Thüringen. Forſchungen zur 
deutfchen Geſchichte XI, 377; xI 511; derſ. D. Ende des Bauerntriegd. N. Mitt. aus dem 
Gebiet hiſt. antiq. Forfchungen, Bd XIV; olzhauſen, Heinrich Pfeifer und Thomas Münger 
in Mühlhauſen. Allg. Ztſch. f. Geſch. von Schmidt IV, 365; K. E. Förftemann, Neues 

15 fundenbud) zur Geld. d. ev. Kirchenreformation, Hamb. 1842 1, 228ff.; derf., Zur Geſch. des 
Bauerntrieges im Thüringifchen und Mansfeldiſchen. N. Mitt. aus dem Geb. Hiftorifch antia. 
Forſch. XII. Bd (Nebe, Geſch. des Schloffes und der Stadt srhebt Ziſch. d. Harzvereind XX, 
18f.); W. Karſtens, Sächſiſch-heſſ. Beziehungen. 2. dv. V. Thür. Geh. N. F., 8 IV, 
©. 334 ff.; ©. Wolfram, TH. M. in Alitedt. Ziſch. f. Thür. Seid). N. F. V. Bd; ®. —2 

20 heiner, Bhilipp d. Großmütige im Bauerntriege, Marburg 1887; O. Merz, Thomas Münzer 
und Heinrich Pfeiffer 1523—1525, I.T., Göttingen 1889; Kordan, Chronik der Stadt Mühl: 
haufen, BdI., Mühlhauſen 1900: berſ. „Zur Geſch. der Stat Mühlhauſen, Heftl uw 2. 
ebend. 19015; ; D.Clemen, Joh. Syloius granus. Mitt. Zwickauer Aiterumsvereinẽ 
1899. 1902; J. Smend, Die evangeliſchen deutſchen Meſſen bis zu Luthers deutfcher Meſſe, 

35 Göttingen 1896, O. Albreht in Beitr. 3. Ref. Geih. J. Köitlin gew., Gotha 1896, ©. 7ff.; 
derſ., in Luthers Werte, WA 15, 199ff.; Sehling, Die ev. Kirchenordnungen des 16. Jahr⸗ 
hunderts, Leipzig 1902, J. Bd, ©. 470ff. Dereinpelte Briefe Münzers: Unſch. Nachr. 1716, 


©. 1246; Arch. f. ſachſ. Geſch. SM ; Btid. d. Harzver. XII, 641; Ztſch. f. heil. Geſch. 
XI, 356; Beitr. 3. bayr. KG, VII 


30 Thomas Münzer, der Mann, — eine jo verhängnisvolle Rolle in der Heformation- 
geſchichte fpielen follte, ftammte aus dem Harz. In dem Städtchen Stolberg murde er 
vor 1490 als Sohn nicht ganz armer Eltern geboren. Nur wenige Daten werfen einiges 
Licht auf feine fonft ganz dunften Anfänge. Im J. 1506 im Winterjemeiter wurde er als 
Thomas Munczer de Quedelburgk in die Yeipziger Matrikel eingetragen, ſechs Jahre 

35 fpäter, Winterſemeſter 1512 finden wir ihn als Studierenden auf ber Sr —ãã Fe 
(Thomas Müntzer Stolbergensis SS 1512; Frankfurter Matrif a "ed. Friedländer I, 
veipaig 1887 ©. 39). Wenn er fich mit Theologie befchäftigte, dann wäre dort Wimpim— 

er ſpätere Gegner Luthers, ſein Lehrer geweſen. Aber wir wiſſen nichts über ſeine 
Eintondelung, nicht einmal wo er den fpäter von ihm geführten Zitel eines Magiſters 

40 und eines Bacculaureus der Theologie erworben bat, und menn er im Jahre 1521 mit 
vielem Pathos erklärt, daß er, wie alle, Die ihn kannten, wüßten, mit hohem Fleiß 
nach einem höheren Unterricht des heiligen, unüberwindlichen Chriftenglaubens ge 
ftrebt und von feinem Mönche oder Pfaffen die rechte Übung des Glaubens habe er: 
langen können (Seidemann 122), fo wird man ſchwerlich berechtigt fein, ſchon für —F 

45 damalige Zeit auf eine eigentümliche Richtung zu ſchließen. Auch war er nur kurze Zeit 
in Frankfurt, denn fpäteltens in die erjte Hälfte des Jahres 1513 fällt fein Aufentdalt 
als Golloborator in Halle, wo er nach feiner vor feinem Tode gemachten Angabe mit 
mehreren untergeordneten Perfünlichfeiten einen Bund gegen den Erzbiichof Ernſt von 
Magdeburg, der fhon am 3. Auguft 1513 zu Halle ftarb, geſchloſſen haben will (Seide: 

so mann 154). Was er damit beabfichtigt habe, erfahren wir nicht, aber eins läßt biele 
Jugendthorheit, — er weiſt ſelbſt darauf bin, daß es in der Jugend gefcheben — ſchon 
erkennen, den Mangel an Ebrerbietigfeit ivenn nicht mehr gegen Die Höherftehenden, und 
Die Neigung zum Bundfchließen, um feine Zwecke zu erreichen. Im 3.1515 war er Prü 
pofitus in Frohſe bei Afchersleben ( Zeidemann 3), dann fcheint er mehrere Jahre lang bald bier 

55 bald dort geweſen zu fein, aud in feiner Vaterftadt Stolberg gepredigt zu haben. (Ein früher 
angenommener Aufenthalt in Braunſchweig wird durch einen Brief an ihn in Zeitſchr. 
d. Harzvereind XII, 6417. nicht begründet). Anfangs 1519 bielt er fich im Leipzig auf 
und bot von da aus dem Probft von Kemberg, Bartholomäus Feldkirch (Seivemann 
S. 105) feine Dienfte als Kaplan an, wie es fcheint vergeblich, denn er mar noch zur 

eit der Tisputation Yuthers in Leipzig und machte Damals auch mahrfcheinlich bei dem 
Druder Melchior Lottber die perjönliche Bekanntſchaft Luthers. Diefer muß einen guten 


Münzer 657 


Eindrud von ihm erhalten haben, denn er empfahl den Stellenlofen dem M. Johann 
Silvanus von Eger (Egranus), der damals als Prediger in Zwigau wirkte, was, wenn 
auch erſt ſpäter, verhängnisooll werden ſollte (O. Clemen, J. Silv. Egranus a. a. O. 
E. 36). Am Ende des Jahres 1519 finden wir ihn als Beichtvater der Bernhardinernonnen 
im Stlofter Beutiß vor Weißenfels. Aber wie es ihn nirgends lange litt, fam er auch 6 
bier bald in Mißhelligkeiten. Offenbar nahm er es mit feinen Pflichten nicht ernjt. Die 
tägliche Frühmeſſe für die Nonnen zu lefen, war ihm unbequem. Xuther wußte zu er- 
zählen, er babe fich fpäter gerühmt, daß er da oft die Wandlung unterlaflen und „mohl 
ei zmeihundert folcher ungemweihter Herrgötter gefrejlen babe” (EN 31, 329). Schwerlich 
eichab dies auf Grund eines ſchon evangelifchen Standpunfktes, denn ein Angriff auf die 10 
Meile war damals nody nicht erfolgt, vielmehr wird er zu denjenigen Meßprieitern gebört 
haben, deren Treiben Luther bejonders in Rom beobachtet hatte, die in heidniſchen Step: 
tismus befangen mit dem ihnen zum Spott gereichenden Geſchäft jo fchnell als MR 
fertig zu werden fuchten. Doch war er nicht bloß Meßprieſter. Daneben bahnte fi 
Neues bei ihm an. Sat daß es irgendwann in feinem Leben einen Zeitpunkt gegeben 15 
hätte, in welchem die Wittenberger für ihn Autorität gervejen wären, ift (troß Enders III, 
435) nicht anzunehmen, dazu mar er eine zu berrijche felbititändige Natur, die überall 
ihre eigenen Wege geben wollte. Aber die neue Bewegung hatte doch auch ihn ergriffen und 
er hatte damals lebhafte wiljenchaftliche Neigungen, die man aus feinen Bücherbeitellungen 
entnehmen Tann. Da waren es nicht nur Eujebius, Yeranynus, Augustin, mit denen 20 
er ſich beichäftigte, auch die Alten des Konitanzer und Basler Konzild wollte er ſtudieren. 
Daneben verfolgte er den litterarijchen tampr zwischen Luther und Emfer (Seidemann 
106). In jener Zeit wird wohl auch ſchon das Studium der von Luther empfohlenen 
deutichen Theologie, Johann Taulers und anderer myſtiſcher Schriften fallen, die nicht 
geringen Einfluß auf ihn ausübten. Daß er als Prediger geichäßt wurde und man ihn 28 
als Parteigänger Luthers anſah, zeigt der Umjtand, daß der Archidiafonus Heinrid von 
Bünau in Oſterwick im Halberftädtiichen ihn ale Kaplan zu gewinnen fuchte, aber er 309 
es unter des Neformators Billigung vor, einen Rufe nah Zwickau zu folgen (Seivemann 
©. 107; Enders II, 104). 

In diefer gemwerbreichen und auch durch den feit 1471 im Erzgebirge aufgelommenen so 
Bergbau wohlhabenden Stadt mit ſehr gemischter Bevölkerung, die nahe an der böhmischen 
Grenze wohl nie ganz ohne taboritifche Beziehungen geblieben war, hatte ein humaniftifch 

ebildeter, nicht unbedeutender Mann, der fchon oben erwähnte Koh. Wildenauer aus 
Sger, daher gewöhnlich Egranus genannt, der mit Luther enge Beziehungen unterhielt, 
fchon über Jahr und Tag in reformatoriihem Sinne gewirkt, worüber er nicht nur in 36 
litterariſche Fehden u.a. mit Ocdhfenfart und Wimpina fondern auch in ernite Händel mit 
der in ihrem Treiben bloßgeitellten Mönchöpartei geriet, jo daß die Gegenfäge ſich ſchroff 
gegenüberjtanden (Clemen a. a. O.). Da Egranus, um eine längjt in Ausficht genommene 
Studienreife nadı Süddeutjchland und Bafel zu unternehmen, Urlaub genommen batte, 
follte Münzer, zunächſt bis Michaelis, feine Stelle als Hauptprediger an der Hauptkirche so 
der Stadt, an St. Marien vertreten. Sogleich bei Beginn feiner Predigtthätigkeit zeigte 
er ſich als eifriger Volterer, der fich zugleich darauf veritand, das hervorzuheben, was 
man im Volfe gern hörte. In feiner Antrittspredigt vom 17. Mai 1520 fagte er u. a., 
was den von ihm angefchlagenen Ton charafterifiert: Die Mönche hatten Mäuler, daß 
man wohl ein Pfund davon abjchneiden fünnte und behielten doch Mauls genug. Er 46 
geißelte ihre Habjucht und ihre betrügeriiche, Wohlſtand wie wirkliches Seelenheil unter: 
grabende feeljorgeriiche Thätigkeit. Solche Predigt wurde von der großenteils längjt den 
reich geivordenen Bettelmönchen nicht mehr wohl gefinnten Einwohnerſchaft gern ge: 
bört. Als die Angegriffenen fich wehrten, fam es zu ärgerlichen Kanzelgezänten. Bald 
rief man die geiltlihen Oberen gegen Münzer auf. Doc diefer hatte den Nat auf feiner so 
Seite, der den Herzog Johann anging, den Mönchen zu verbieten, die Prediger des 
Evangeliums zu beläftigen. Aber auch das biſchöfliche Ordinariat muß ſich ſchon mit der 
Sache beichäftigt haben, denn Münzer bot ſich an, dort Nechenfchaft von feinem Glauben 
du geben und alle jeine Predigten vorzulegen. Im VBollgefühle, die Sache Chrifti zu 
iben und um ſeinetwillen zu leiden, dachte er auch an eine Dieputation und auf Ver: 56 
anlafjung des Rates wandte er fich Ichließlich unter Tarlegung des Sachverhalts und 
feiner Pläne an Xuther mit der Bitte, ihm das Beite zu raten (13. Juli 1520; Enders 
II, 435). Was diejer geantwortet bat, wiſſen wir nicht, auch von offiziellen Schritten 
gegen ihn hören wir nichte. Aber Münzer wurde immer aggrefliver, befonders, als er 
wegen der Rückkehr des Egranus am 1. Oftober an die Katharinenkirche verjeßt wurde 60 


556 Räünzer 


und bort, two die Tuchmader, die angeiehenite Zunft, ihre Fronleichnamsbruderſchaft 
unterbielten, alsbald einen ihm blind ergebenen Kreis um ſich verfammelte. jeden, der 
ibm widerſprach, verunglimpfte er und verbäctigte ihn als Gegner des Evangeliums oder 
ale Bohmen. Ohne daß man nachweiſen fünnte, welche Einflüffe dabei mitgewirkt baben — 
und es ijt nicht ausgefchloffen, daß die um diefe Zeit in die Erfcheinung tretenden Son: 
ventifel in feiner (Hemeinde fchon vorkanden waren und ihm dieſe Richtung gaben — 
tritt bei ihm jetzt zweierlei in den Vordergrund, was ihn fortan beftinmte, erftens bie 
#erufung auf die unmittelbare Cingebung des Geiltes bei feinem Neden und Handeln 
vgl. au |. Brief an den Rat zu Neuſtadt N. Arch. f. ſächſ. Geih. Bo III, ©. 85) 
v und zweitens die Tendenz, unter Ausmerzung aller Ungläubigen, und märe es mit Ge 
walt, eine (Hemeinde geifterfüllter Gläubiger aufzurichten. Gegen die von ibm verachteten 
geiftlihen Amtsgenoffen, in denen er nur fittenlofe Mietlinge fieht, ruft er die Laien auf, 
verfammelt die Auserwählten zu Konventifeln und läßt fie, menn mir recht berichtet find, 
zmölf zu Apofteln und zmweiundfiebzig zu Jüngern wählen. „Die Laien müſſen unſere 
» Stralaten und Pfarrer werden”, verkündet er, und namentlich einen feiner Anbänger, 
bein Tuchmacher Nilolaus Storch, rühmte er als Bibellundigen und gab ibm das Zeugnis 
bes (Weiftesbefiges (Seidemann S. 110). Darüber fam er natürlib in Etreit mit fernen 
Amtsgenoffen in der Stadt, vor allem mit Egranus, aber aub in der Umgegend, und 
ttachelte das Volk zu ihrer gewalttbätigen Verdrängung an. Als ibn dann im 
1521 ber bifchöfliche Offizial nach Zei citierte, bedrohte er ihn mie die gottlofen Pfarrer 
auf ven Yande, die fich nicht belehren wollten, mit dem Bann: wenn e nach Zwickau 
kamen, follten fie mit Kot und Steinen hinausgeworfen werden, wie er in der That 
Jehron im Tezember 1520 einen Vriefter, der faum mit dem Leben davon fam, auf ſolche 
Ateife vertrieben hatte. In Wittenberg twollte man bereit® wiſſen, daß er auf nichts 
or ſinne le Mord und Blutvergießen (Agrilola an M. bei Seivemann ©. 118) und warnte, aber 
vergeblich. Tas Treiben wurde fhließlich derart, daß der kurfürſtliche Amtsbauptmann 
einctiſſ unb am 16. April feine Abfegung veranlaßte (Clemen, Egranus ©. 26). Nin 
puech Nerbuftung von 55 Tuchlnappen glaubte der Rat einem Aufftand feines Anhangs 
zu PA (Munften vorbeugen au können. Und die Sorge war nicht unbegrünbe. Erft 
much Munzers entfernung zeigte fich, welchen Umfang die fpiritualiftifche Richtung fchon 
erlaängt balle. Es iſt befannt, wie jet Storch die Führung der Auserwäblten über 
nahm und man bei der Betonung des Geiftes und der Verachtung alles Außerlichen 
bald zur Bertverfung der Rindertaufe fam (3RG V, 383 ff), für welche Konſequenz be 
„Bwickauer Uropheten“ Münzer aber nicht verantwortlich zu machen ift. 

Tiefer Dachte nur daran, feine Seifteskirche unter den Böhmen des Hus aufzurichten. In 
Begleitung von Markus Thomä, einem Badftubenbefiter (Stübner), der aber in Wi 
ftudiert und in Melanchthons Haufe verkehrt hatte, begab er ſich zuerft nad) Saaz, von da 
nad rag. Hier predigte er (nach Palacky, Gefch. von Böhmen V, 2, 442) in verſchiedenen 
Kirchen deutſch und lateinifch und gewann aud Anhang unter dem Adel. Ein öffent 
0 licher Anſchlag aber (Seivemann S. 122. Das Datum omnium sanctorum ift, M 

Münzer nah einem Briefe an Hausmann in Stich. d. Harzvereind XII, 644 im Juni 
Prag ſchon wieder verlaſſen hatte, nicht in 1. November aufzulöfen, fondern 26. Mai ob. 
Trinitatis, an welchem Tage man in Prag nad dem orientalifch-flavifchen Kalender das 
Allerbeiligenfeft gefeiert haben wird), indem er mit wüften Ausfällen gegen die Geiſt 
45 liben und ihre Berufung auf die Schrift, die vom Geift erfüllten, die Auserwählten, 
„zur Aufrichtung der neuen Kirche”, die in Prag ihren Anfang nehmen folle, auffordert 
und unter Berufung auf den in ihn fprechenden Geiſt den Ah deſſen weigernden für 
das nächſte Jahr die Vernichtung durch den Türken androht, ſcheint den Utraquiften bie 
Augen geöffnet zu baben. Man tbat feinem Treiben Einbalt, er mußte weiterziehen. Peregrinor 
sw in omni orbe propter verbum, ſchrieb er an einen Freund (Seidemann 122), ließ aber 
nicht ab, fein Geiftesevangelium unter Hinweis auf das nahe Kommen des Antichrifts zu 
verfündigen. Im Sabre 1522 muß er auch troß feines fpäteren Leugnens eine Unterredung 
nit Yutber gehabt haben, bei der cs zu jcharfen Erörterungen fam (De Wette II, 542 
und Schwentfeld bei Salig, Hiſt. d. Augeb. Konf. III, 1099). Von Nordhaufen aus, 
65 wo er ſich wenigſtens Ende desjelben Jahres aufgebalten, fam er, nachdem er 3 in 
großer Not geweſen (Seidemann Beil. 25), unmittelbar vor Oftern 1523 nach Alftet 
und murde vom Nate verfuchsmweife, ohne daß man die furfürftliche Betätigung einbolte 
(N. Mitt. XII, 195), als Prediger an der Johanniskirche angenommen. Babriheinlid 
fand er daſelbſt jchon einen evangelisch — Geiſtlichen vor, den „N 
eo an der Wigbertkirche, den früheren Karmelitermönch Simon Haferitz, der alsbald mit ibm 


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Mänzer 559 


emeinfchaftliche Sache machte (vgl. Tb. Kolde, Beitr. 3. bayer. AG VIII, 23 ff.; Clemen, 
tr. zur Reformationsgeſch. II, 14 ff.). Sofort begann Münzer mit gottesdienftlichen 
Neformen, von denen wir hauptfächlic aus feinen drei Liturgifchen Schriften Kunde haben. 
1. „Deutich firchen ampt. Vorordnet, aufzuheben den hinterliftigen Dedel, unter welchem 
das liecht der Welt vorbalten war, welchs jet widerümb erfcheint, mit difen lobgejengen und 6 
göttlichen pfalmen, die do erbauen die zunemenden Chriftenheit, nach gottis nnmwandelbaren 
willen, zum untergang aller perechtigen geperde der gottloſen.“ Alftedt (0. 3.). — 2. „Deutich 
evangeliſch mefje, etwann durdy die bepftiichen pfaffen im latein zu großem nadhteil des 
chriſtenglaubens vor ein opfer gehandelt, und itt vorordnet in diefer ferlichen zeit zu ent- 
decken den greuel aller abgötterei durch folche mifjbreuche der meilen lange zeit getrieben. 10 
Thomas Munger, Allſtedt 1524.” 3. Ordnung und beredinunge des teutjchen ampts 
u Alftadt durch Tomam Münger, feelmarterd® in vorgangen ojteren aufgeridht. 1523. 
ftebt 1524. Gedrudt gu Eylenburgh durch Nicoleum Widemar.“ (Alle drei abgebrudt 
aber ohne Noten bei Sehling, Kirchenordnungen I, 472ff. Für die Reihenfolge vgl. 
Smend ©. 96). Obwohl mit früheren und fpäteren Auslafjungen verglichen, eine ge: 15 
wife Mäßigung unverkennbar iſt, laflen diefe Schriften (vgl. namentlich die Titel und die 
Borrede zu 2. u. 3) die Tendenz erfennen, Aufrichtung eines deutſchen evangelischen 
Gottesdienſtes im Geiſte. Die erfte giebt die bergebrachten Metten und Veſpern in 
beuticher jelbititändiger Bearbeitung, was ihm die Nachrede eintrug, als wollte er „die 
alten bäpitiichen Geberden, Meilen und Veſper widerumb aufrichten und beitätigen helfen‘, 20 
wogegen er fich in der Vorrede zur zweiten Schrift verteidigt. Es handle fi nur darum, 
was ja die „evangelifchen Prediger” felber wollen, die Schwachen zu fchonen, daß fie 
nicht „geichtuinde herabgerifjen werden oder mit ofen unbeiwußten Lieblein gefättigt”, 
auch ſoll man fih nad Paulus üben und ergögen in geiftlihen Zobgefängen und Pfalmen. 
Und auf einen volltönenden Gottesdienst legt er allerdings großen Wert: mit der Predigt 25 
und gar allein mit der Sonntagspredigt, wie die zarten Iiafe wollen, die da faullenzen, 
allein am Sonntag eine Predigt thun und die ganze Woche über Junker fein wollen, 
ift es nicht geſchehen. Man kann die arme grobe Chriftenheit nicht fo bald aufridhten, 
wo man nicht das grobe unverftändige Volk feiner Heuchelei mit deutjchen Lobgefängen 
„entgrobet” ꝛc. So haben wir e8 denn im „Sirchenamt” und in der „Meile“ weſentlich so 
mit gefungenen Amtern zu thun, nur die Kollekten und Leltionen werden gelejen. Bald 
war Münzer damit nicht zufrieden. Seine dritte Schrift, die über die Einrichtung des 
zen Gottesdienftes, wie er feine ftatutarische Geftalt noch im Jahre 1523 gefunden 
bat, Rechenſchaft und vor allem für das einzelne und feine Stellung eine ſehr interefjante 
und teilweife fehr originelle Begründung giebt, bedeutet einen mefentlichen Fortſchritt. ss 
Nicht nur daß fie auch die einzelnen Handlungen befchreibt, während die beiden erften 
nur die liturgiichen Formeln und Lektionen überlieferten, die ganze Ausgeftaltung des 
Gottesdienftes ift ficher inzwifchen eine reichere und eigentümlichere geivorden. Ale 
Introitus fingt man, „auf das man je klerlich fehe”, den ganzen Pfalm, ebenfo wird 
immer ein ganzes Kapitel ftatt der evangelifchen und epiftolifchen Pertfopen gelefen. Die so 
Predigt ift dazu da, den Gefang zu erklären, „ver im ampt gehört ift, darum David 
: die erflerung deiner wort gibt verftand den kleinen.“ Später wollte man auch 
willen (Sehling ©. 511), was nicht recht verftändlich ift, daß er das Läuten zur Predigt 
abgefchafft babe. Allen drei Arbeiten, die des Verfafiers große Begabung wie Feine veichen 
ae har bervortreten laſſen, eignet ein hoher Grab von Originalität, auch wird man 4 
ihm künſtleriſchen Sinn und kirchlichen Geihmad nicht abfprechen dürfen. Seine meift 
felbftftändigen Überfegungen aus dem Miffalle entbehren nicht eines gewiſſen Schwunges, 
bie gereimte Überfegung des Veni sancte spiritus (Sehling ©. 504) Tann fogar als 
eine dichterifche Leiſtung bezeichnet werden. Auch das Streben, aufzubauen und nicht bloß 
abzureißen, ift unverkennbar. Gleihmohl iſt die ablehnende Haltung Luthers (EA 29, co 
207f.), die Smend ©. 115 weſentlich auf deſſen „Erboft fein” über die Schmwärmer, bie 
nicht vor ihm verantworten wollten und auf feine Empfindlichleit über Münzers 
ng zurüdführt, ſehr begreiflich. Nicht nur die Rede von der „Entgrobung“ und 
iches, die ftarle Betonung des Geiſtes mar ihm anjöhig, noch mehr die Gering- 
der Predigt und die damit verbundene Polemik gegen die neittenberger, wahr: 65 
auch die ficher nicht lutheriſch lautenden Ausfagen über das Abendmahl (5. 506), 
beſonders auch die Gejetlichkeit, mit der Münzer die Verdeutfchung des ganzen Gottes: 
bienftes fordert. Und wenn Luther, wie Münzer behauptet (Enders, Aus dem Kampf 29) 
Ki: den Drud des „ampts“ bei feinem Fürften bintertrieb, mas lediglich dadurch ge 
wird, daß dieſes in Leipzig erfchten, jo that er Dies ohne Kenntnis des Inhalts bloß so 


Bünger 

- T,rwen WMungers gehört. Denn ſchon im uni 
:5 Nunzer ſich auf bejondere Eingebungen des 
rt erhaltenes Schreiben an ibn, Das an Die 
„erzus in freundicaftlicher Weiſe Worbalt machte 
-..zeterune aufforderte, wurde von dieſem zwar ebr— 
.  zwrdert (Enders IV, 160) und war Durch jeine 
ersparen Wirkungen Des Geiltes nur zu ſehr dazu 
‚ze und ihn zu veranlaſſen, u. a. den Schöſſer von 
or dem erden Cindrud gewonnen batte, er jet ent: 
een Rimmt man Münzers beimlichen Werfehr mit 
. or Me „wangeliichen Prediger“ in jene Schrift zu: 

zz zeaeıe Yutber in jenem Brief wohl gebeuchelt. 
‚sure, welcher Geiſt ibn bejeelte. Als Graf Ent 
nidierte, jeinen Untertbanen den Beſuch von Münzers 
a. 2m 13, Zepteinber 1525 auf der Nanzel gegen den 
ee Da Die Sache Gottes Wort anginge, iveigerten 
or md wieſen den Grafen Ießtlib an den Murfüriten, 
m Kriefe an den Grafen jene Worte nicht nur zu, 
nt der umaläubigen“, wie er Jich unterzeichnete, wenn cr 
x ware, Jo lange noch ein WÜderlein in ibm fich rege, den 
.. pr Turfen, Heiden und Juden ale einen „vorrhiien, un: 
are Wie ehr er ſich in Die Rolle des von Gott berufenen 
eat Hineingelebt hatte, deſſen Pflicht es fer, „Die lautbaren 
nit, daß ſie erballen mit dem Gifer der Kunſt Gottes, keinen 
‚ri, Der Dem Worte Gottes wiederſtrebt“, zeigt jein Brief 
top 1523, in Dem er zugleich fein Vorgeben abſchwächt 
o  „cznbem Recht erbietet. Und dieſer, dem „in folde Zaden 
.. at, begnugte ſich, ihn in Eid und Pflicht zu nebmen und 
so auf dem Predigtſtuhl ſich folcher Außerungen zu entbalten, 
. sähree unbe Dienftlid wären (Förſtemann, N. Mitt. S. 228 Hl.i. 
te Spiel. Ungebindert durfte er jeine aufregenden Predigten 


Br denn es foll eine Neujabragabe jein — ließ er aus 
zutun Tome Mingers von Stolberg am Narbe feelmarten 
sonne vund Bum anfang don dem rechten Chriſten glawben, 
Strto. Druck?). Diefer Schrift folgte bald darauf eine zweit: 
ze auff nechſt Proteſtation außgangen Tome Wungers Si: 
en Die erſtgenannte Schrift, in der er gany im Tom 
opt auftritt (eb Thomas Müntzer von Stolberg aus dem 
“udn Gotteoſon, durch den vnwandelbaren willen und vnvor— 
Beten WE vaters entbiete ꝛc.), bedeutet, obwohl Luther nicht ge 
Kon Way gegen Die Lehre der Wittenberger. Die Auserwählten 
ar en muß; Gott Die Dornen und Difteln ausrotten lafjen, um 
aan, > Do vbenr chriſtformig zu werden. Won Chriſto fer fein Mind 
rn dad einmal von der Taufe der Marta oder Der Jünger. 
.. ABen die rechte Taufe iſt nicht verſtanden, darumb iſt der Ein: 
a vierntben Affenſpiel geworden“. Es bandelt ſich um „die Be: 
ev Al Die unzüchtige ‚grau mit ihrem roten Rod, Die Blut: 
ao Ne die ihr Eeremonien und Geberden aus Der Heidenwelt 
“wid an Dev Nindertaufe Mit Entſchiedenheit erklärt er fi 
Yon Pie Ocriftgelehrten wähnen, wenn wir Die Schrift haben, 
2 anal der Rraft Gottes nicht gewahr werden. Sie haben feinen 
rot venn den ſie aus der Schrift geftoblen haben. Aber „ob du 
rs hihi hatteſt. hilit es Div nichts, Du mußt den fcharfen Plug: 
sa rt dub den allen entblößet bat und verziveifelt, Telbjt den 


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opteeali dr Glaube muß uns rechtfertigen —- (7 verſteht immer 
en Naben du baſt nie kein mal gezweifelt“ —, iſt eine unbe 
Notes Nalur uiiebhl vorgehalten, wie der Menſch durch Gottes Merl 


“oe oroonsibertonmuh vor allem und über alle Ting twarten, andern 


So ats Puneelinge wert. Am Schluß erflärt er: Durch mein Vor: 


Münzer 561 


nehmen will ich der evangelifchen Prediger Lehre in ein beifer Weſen führen und unfere 
hinderftelligen langfamen, römischen Brüder auch nicht verachten. Auf der gleichen Linie 
bewegt jich die Schrift Bon dem gedichteten Glauben (abgedr. bei G. Arnold, Unpart. 
Kirchen und Ketzerhiſt. IV, S. 200ff.). Der Chriftenglaube ift ein Sicherung aufs Wort 
und Zuſage Chrijti fich zu verlaffen. Um das Wort zu fallen, muß das Ohr gefegt jein 5 
vom Getön der Sorgen und Buße. Der Unglaube, das Yicht der Natux in und muß 
getötet iwerden, und dazu, zu töten, nicht lebendig zu machen, ift die Schrift da. Die 
Xeute müffen in die allerhöchfte Unmifjenheit und Verwunderung gebracht werden, man 
muß erit die Hölle erlitten haben, der aus Büchern oder von Menfchen geftohlene Glaube 
muß ausgewurzelt und zerbrochen werden, dann erit fann er des Wortes Gottes an 10 
bören und wird er von Gott gelehrt. Angebeftet it ein Brief an den Schöfjer Zeig 
zu Alftedt, aus dem ſich ergiebt, daß Münzer auch mit den Joachitiſchen Schriften nicht 
unbetannt war: „Ihr follt auch willen, daß fie dieſe Yehre dem Abt Joachim zufchreiben, 
und beißen fie ein ewiges Evangeliun in großem Spott. ch babe ihn allein über Je: 
remiam gelejen. Aber meine Lehre iſt hoch droben, ich nehme fie von ihm nicht an, fon: 
dern vom Ausreden Gottes”. Und fie fand troß der Dunkelheit feiner Nede über Er: 
warten großen Anklang. Bon allen Seiten ftrömte man zu den Predigten des geijterfüllten 
Propheten. Seine Getreuen, die „Ausermählten”, die durch Verzweiflung und „Lange: 
weile” fich zur Abkehr von der Welt hindurchgerungen haben, vereinigte er zu Bündniſſen 
unter Berufung 2 Chr 23, 16 (NR. Mt XII, 566), auch Fremde wurden aufgenommen, © 
an einem Tage bei 300 (ebenda S. 185). Gewaltſame Unterbrüdung alles deſſen, mas 
jeiner Meinung nad dem Evangelium miderftrebte, war offenbar das Ziel. Im Früb: 
jabr 1524 ftürmten Aljtedter Bürger die nahegelegene Wallfahrtstapelle Mallerbach und 
trugen ihre Rojtbarfeiten als gute Beute davon. Als die Schuldigen zur Rechenſchaft 
gezogen werden jollten, war man bereits entichloffen, fich zu wehren, und Münzers Pre— 
digten wurden immer drobender. Die Fürſten, welche die Kirchen und Klöfter, „molt 
jagen Mordgruben” geitiftet haben, wollten fie jegt auch fehügen. Geborne Fürften thun 
nimmer gut. Man muß den Fürſten abjagen. Wenn die Negenten wider den Glauben 
und das natürlich Hecht handeln, fo muß man fie ermürgen wie die Hunde. In kurzer 
Zeit werde die Gewalt an das gemeine Wolf gegeben werden, die Veränderung der 30 
ganzen Welt jtebe vor der Thür (N. Mt XII, 171). Man fieht deutlich, wie er von 
der ja längjt weite Kreife beherrfchenden Borftellung, die für das Jahr 1524 eine große 
Ummälzung erwartete, ergriffen ivar. Und fie mit berbeizuführen, fühlte er fich berufen. 
„Ich ſage euch, man muß gar mächtig Achtung baben auf die neue Beiwegung der igigen 
Welt. Die alten Anfchläge werden es ganz und gar nicht mehr thun, wie der Prophet 35 
faget: Faex calicis indignationis non est exinanita, bibent omnes impii ter- 
rae. Qui sanguinem sitiverunt, sanguinem bibent, jchrieb er dem furfürftlichen 
Schöfjer Zei (NM. Mt XII, 174), der eine Zeit lang mit ibm jympathifierte, und als 
er nachdrücklich an jeine Pflicht erinnert, Dagegen auftreten wollte, der Bewegung nicht 
mehr Herr werden fonnte. Schultheiß und Rat meigerten ihm den Gehorfam. Unzu: so 
friedene von auswärts, namentlich Bergleute aus dem Mansfeldiichen, fanden ſich in der 
Stadt ein, um zu erfunden, ob Münzer oder die Aljtedter „um des Evangeliums betrübt 
würden”. Als ivegen Teilnahme an jenem Stapelleniturm ein Mitglied des Rats ver: 
baftet worden war, ließ Münzer die Sturmglode läuten. Das Volk rottete fich zu: 
ſammen, alles griff zur Wehr, Weiber griffen zu Miftgabeln, um Nat und Prediger vor #5 
einem etwaigen Anjchlage zu ſchützen. Trog alledem fchritten die Fürſten nicht ein. Man 
fchrieb bin und her, ermahnte und verwarnte, that aber nichts, außer daß man die von 
Münzer eingerichtete Winkeldruckerei unterdrüdte, mas diefer, der Luthers Einfluß dahinter 
vermutete, nur immer mehr gegen den Wittenberger Neformator aufbracte. Immer 
ſchärfer wandte er fich gegen Luthers Schriftprinzip und die Lehre von der Rechtfertigung co 
durch den Glauben. „Cs ift foweit gelommen, daß man vor Gott nicht mehr handeln 
kann, als was man aus dem Buche gejtoblen bat“. Man ift gefättigt von der Schrift, 
man will feiner Offenbarung glauben (Förſtemann 241f.). Deshalb kämpft er gegen die 
falfchen Propheten und Hirten, die das Wort jteblen: Niemals bat der Herr zu ihren 
geiprochen und fie maßen jich feine Worte an. O meine Liebften jchaffet, daß ihr weis- 5 
jagt, fonjt wird eure Theologie nicht einen Heller wert fein, jchrieb er an Melanchtbon 
(Bindjeil 21f.). „Der Auserwählte muß die Kunſt Gottes, den rechten beiligen Ehriften- 
überlommen aus dem Munde Gottes, — er muß feinen erſtohlenen, erdichteten 
chriſtlichen Glauben wegthun durch bobe Betrübnis und Verwundern!” Grit wenn die 
Kräfte der Seele entblößt find und der Abgrund der Seele erfcheint, kann der Geift in co 
Neal⸗Encyklopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XII. 36 


[75 


5 


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777: Dias 


Zst „kam Vots Ehriſto alcidrormız zerper ım Yeiden und Leben, durch Um- 
Phebtenong tr. latligſen Geiſtes erlangen wir Der reosen Gpriitenglauben“. Wie noch alle 
lass Feantant ur eine Semeinde Der Sellisen. in Der Die Ausermäblten angeben 
Bneens Male Pia gan Vlauben gekommen find, „Las madz aishann einc rechte chriftliche Kirche, 
tan Petllfen bon den Auserwählten zu erfennen'‘ rritemann 2757.) Und mit ber 
Ilnafunn anberung Dev WGuten und Vöſen unter Xsermerung alles Entgegenjtebenden 
hunde over Alan ſürhtbaxer Ernſt. Als Die Xeute von Zanaerhauien an dem Veſuch feiner 
Furt ven abawın Amtmann nebindert twurden, mabıze er often zum Aufrubr gegen 
Pi Aphannen und verwie& au) Die mehr Denn dreißig Arrichläge und Bündniſſe der Aus: 
vlabttvn da ſchen vorbanden ſeien. „In allen xanden will fih Das Zpiel machen“ 
\ertyawan So In hnbeburen Drobungen erging ſich ſeine Rede gegen Die Fürſten 
Xasdete 28 ertenaden er Die Weioſagung: Gott bat Die Herren und Fürſten in 
Pen NEN abet und er will fie in der Erbitterung wieder tmeatbun. 
Vene Notar Jaden. freilich nicht überall mit Erfolg. Garlitadt mollte von 
aeelear Zei Deal ades wüſen und ließ Dies in einem offenen Bricfe „ber von 
nano is Ne Seit ARE Yo man chriſtlich predigen ſolle“ erklären (Jäger, Carl: 
Na. Br de a Sean Zelbitaefübl erböben, als Aurfürjt Friedrich und 
Nana ta N Ne N TB Nolte, GgA 1902 S. 7627) nach Alſtedt, 
ans ad iin sie Warez vor ibnen balten burfte, in ber er mit den fchärfiten 
Yen Veranda Zst SNENLZ er Die Gottloſen und Diejenigen, die Abgötterei 
en ee and nd Su Den Model „Tie böfen faulen Chriſten joll man au« 
wenn v Ne Besten gel Nr wäcn" (Mußlegung des andern unteridmds Da: 
wen UN 5 Ncdo rer Barmer sie font feine Lehre vom innerlichen Wort, 
Stadien Dec vos 10 S. 155). Zwar ließ Herzog Jo— 
Naeh Seas Seen Nez Nee zer Brud (N. Wit XII, 169, und Kaps, 
eniesen, ger Zur der Ceniur zu unterwerfen, aber bie 
oe Wyoteleran Deo mat Dr Aufiäsuse Sece. Seh von den Wittenbergern verbören 
nos ai guten jan aD N Tugdem unbebelligt. Und die Gr 
. ee an Ne Saiuuit Se surärinete, veute, Die angeblich um N 
en em Nor Sage Sorgummesßert geflüchtet waren, und Die Unter: 
va rasen Wien Dad ut Aszeer de, weil fe troß feinem Ber: 
a Uwe Weder u Det Por aserruler und gebrandfchagt worden 
x Moe mehttt AT Daten perdet Nenn Die Gewalt da⸗ 


Ne . Fa arten poor me Dem Schwerte begegnen. 
Sonn. ger. Attetui, DIR n anem etwaigen Mampfe mihte 
, , \" x - 


Ne em 5, Ne Ferm Taszczare Predigt zu Geſicht belomme 
Sn Neon 3.2 Acer bank ad Me Obrigkeit in ſichtlicher 
Don nn. N PUTIN, iger, >= or cm und Ichrich Ende Auli 
— No. .* 2 Anını jrinen iumten „Zenbbrief an den 


znspredun (Set (MAT 271. Das batte zur Folge, 
J 4.7 ar reg Fohann amd Serzer Hiten zu Weimar verbört 


Ber am N, wurlbe er Doch jeines zumuiimeriichen Treibeng über: 

\ on sy nv dem Veicheipe, baſt der Murtürt em berichtet werben jolle, 
nn Zarzur erbot cr ſih bebute Berzearazeng feiner Lebre gegen den 
pen 2. 2:00 ovinem Werbiz ‚sur Der Gbriftenbeit”, zu 

> 2 rose Sepiiijeit entboten vnerben jollten, . > ım Glauben unüberwind 

U oaena ZNuNI und zur Kerzweifſung ihres Herrcas zdemmen ſind“ (Förſte⸗ 
—xv. Me XI, Tiny Die burfüritlidde Arwort wartete er jedoch 

ii irn mußte er, als er endlich Ernſt maden zeln eder, wie er fidh 

on No ‚erw Wort Volles zu predigen gedachte, ertabeer. daß der Alftebter Nat 
ROHR Zw achten ihren Eid und licht höher als Gottes Wort“, flagte er. 
ei, Neben gelobt bitte, machte er fih bereits em 7. August heimlich 

. Pi SR). Kurz vorher batte er eine neue (oben ken benußte) Schritt 

nn Anigerruckte emplöſſung Des falfchen Glaubens ver vngetrewen welt, 
eat Din Euangelions Luce 2c (mad der zur Gentur ubergebenen Handſchrift 
Yan Be doritemann S. 258, der vielfads veränderte Druck jegt als Neubrud 
m ea Ieidan. Mühlbaufen 1901), die den beften Einblid in jene Lebre gewährt. 
vo Best, en gewiſſe Eimbeitlichfeit darin zu finden bei. Müller, KG., Tüb. und 
y ehb St) Übrigens bat er aud eine von den Zeitgenofien viel befprochene 


Münzer 563 


eigen kmliche Ehelehre vorgetragen (vgl. den Brief an Melanchthon, Bindſeil 21, Strobel 
>. 187. 189). 

Bon Alftent begab ſich Münzer nad) Müblhaufen. In dieſer Heinen, aber wohl: 
babenden und geiverbreichen Neichstadt hatten evangelifche Prädikanten ſchon feit längerer 
det ihr Mefen. Namentlich entfaltete ein Mühlhäuſer Kind, der früher Mönch im 5 

jter Neiffenftein auf dem Eichsfelde geweſen mar, ein Mann von großer Thatkraft 
und zündender, vollstümlicher Beredfamfeit, Heinrich Pfeiffer, jeit Anfang 1523 eine leb- 
bafte Thätigleit. Seine und feiner osnoffen Vredigt, die fih mehr gegen die verhaßten 
Vfaffen und Mönche richtete, als auf VBerfündigung des Evangeliums bedacht war, fiel 
in der Bürgerfchaft, in der über die Ausfaugung durch die Geiftlichfeit, ihr unfittliches 10 
Leben und über die autofratifche Willfürberrichaft des Rates längſt große Unzufriedenheit 
berrichte, auf guten Boden. Es fam zu Blünderungen von Pfaffenhäufern, aber auch zu 
einem Aufſtand gegen den Nat, der fi eine Mitregierung der Bürgerfchaft gefallen laſſen 
mußte. In den von der Gemeinde ertrogten Artikeln war auch die freie Predigt des 
Evangeliums in allen Kirchen gefordert worden. Aber ald man größere politische Frei⸗ 15 
heit erlangt, zeigte fich, wie wenig noch die firchliche Frage im Vordergrund ſtand. Die 
vorgelommenen Ausfchreitungen mochten auch mande ſtutzig gemacht haben, denn Die Ge⸗ 
meinde milligte ein, ald der Kat am 24. Auguft 1523 aud) unter Hinweis auf ein Taifer: 
liches Mandat (2), welches die Abjchaffung der Prediger fordere (Jordan S. 175), 
„nicht daß man dem Worte Gottes und der Predigt entgegen ſei, fondern zu vermeiden 20 
großes Unglüd und Gefahr”, die Ausweifung von Pfeiffer und jeiner Predigtgenoflen be- 
antragte (Holzhaufen, Ztichr. f. Geichichtswifl. 1845, IV.Bd ©. 366ff.; Merx ©. 57—64). 

er hegen Ende des Jahres war Pfeiffer mieder in der Stadt und fand viele Anhänger, 
und obwohl diefe um Öftern in der Nacht in die Predigerkicche eindrangen und die Bilder 
abbrachen, wagte der Nat nicht einzufchreiten und begnügte ſich mit einem Verbote, den 25 
Prediger zu beherbergen. In diefer Stadt glaubte Münzer zu finden, was er fuchte. Ein 
warnender Brief Luther an den Nat vom 21. Aug. 1524 (Enders IV, 377; WAXV, 
230) Tam zu fpät. 

Zwar hatte man anfangs Bedenken, Münzer predigen zu laſſen, aber ließ ihn doch 
Ichließlich gewähren. Er fchloß fih aufs engfte an Pfeiffer an, und immer mehr ver: 80 
quidten ſich die Intereſſen der Gegner des bisherigen Stadtregiments mit denen der reli- 
giöfen Neuerer. Kirchen und Klöfter wurden beraubt, die Bilder entfernt, die Reliquien 
berausgerifjen und gejchändet. Schon umgaben fich die Prediger mit bewaffneten Haufen. 
Münzer unterwies das Volk, daß fie feiner Obrigkeit geborfam zu fein, niemandem Zinjen 
noch Renten zu geben jchuldig feien und verfündigte rüdhaltslojer als je die Pflicht, alle 36 

eiftlihe Stände zu verfolgen und auszutreiben. Die Verwirrung ftieg, als mit anderen 
emden Predigern ein dem Namen nad) unbelannter Geiftlicher (vielleicht Köler, vgl. 
Merr ©. 74), den Luther geſchickt hatte und der fich übrigens ſpäter der radikalen Be- 
wegung anſchloß (Seidemann, Forſch. XI, 378f. 382), gegen Münzer predigte. Eine 
ganze Anzahl Hatsherren entzog fich der Verantwortung durch die Flucht. Den Radilalen 40 
ſchien jeßt die Zeit gefommen zu fein, ihre Forderungen durchzufegen. Von Münzer und 
feiffer wurden zwölf Artikel aufgefegt, in denen die Abjegung des alten Rates und die 
Einführung eines neuen immerwährenden, nad dem Worte Gottes befehlenden und ur: 
teilenden Rates gefordert wurde. Sie wurden ebenſo wie ein von Münzer an die „Kirche 
zu Mühlhauſen“ gerichteter Brief vom 22. September, in dem er mit heftigen Anlagen 45 
egen das bisherige Negiment dazu auffordert, „aus Pflicht göttlihen Worts alle die 
iBhandlung, Gebrechen und alle ihre Bosheit“ im Drude ausgehen zu lafjen, auch in 
den umliegenden Dörfern verbreitet (Fürftemann, N. Url. 254—257), fanden aber dort 
noch feinen Anklang. Und dem hierdurch ermutigten und Durch dringende Dlahnungen 
bon auswärts bejtärkten Nat gelang es noch einmal, das Heft in Die Hand zu bekommen, 50 
worauf Münzer und Pfeiffer am 28. September 1524 vertrieben wurden (Holzbaufen 376). 

Beide wandten ſich nad Süden (über Münzers Aufenthalt in Bebra bei dem Wieder: 
täufer Hut, der feine Bücher vertrieb, Jahresb. d. hift. Vereins für Schwaben-Neuburg I, 
243— 249) und tauchen zuerft wieder in Nürnberg auf, mo Münzer, auch wenn er fi 
mit Gleichgefinnten in Verbindung gefeßt haben mag, ſich ruhig verbielt, aber, was ihm 66 
offenbar die Hauptfache war, einen Druder für feine Schrift fand, mit der er fih an 
Luther für feine Vertreibung aus Sachſen rächen wollte, denn bier erfchien feine berüch: 
tigte Schmähfchrift gegen Lutber: „Hoc verurfachte Schugrede und Antivort wider das 

tftlofe, fanftlebende Fleisch zu Wittenberg welches mit verfehrter Weife durch den Dieb: 
bl der heiligen Schrift die erbärmliche Ehriftenheit alfo ganz jämmerlich bejudelt hat eo 
36* 


564 Münzer 


abgedr. von L. Enders in Niemeyers Neudruden Wr. 118). Neben einem maßlofen Hat 
gegen Luther treten bier jeine aufrührerifchen Tendenzen offen zu Tage. Die Fürſten 
find nach ibm die Grundſuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei, die alle Krea⸗ 
turen als Eigentum in Anſpruch nehmen, die File im Waſſer, die Vögel in der Luft 


5 und die Gewächſe auf Erden, und dann laſſen ſie Gebote auögehen Gott bat geboten, 


du follft nicht fteblen u. j. w. (Enders 25f.). Noch ehe der Nürnberger Rat auf ibn 
aufmerffam geiworden, war Münzer auf und davon (Tb. Kolde, Hans Denck ꝛc., Beitr. 
bayr. KG VII, 9f.). Er 309 weiter ſüdwärts, ficherlihb um neue Bundesgenoffen zu 
werben. Und feine Schriften über die unveritandene Taufe und den erdichteten Glauben 


10 wie die Gegnerſchaft Yutbers hatte jogar in Zürich in den Kreifen der fich dort zuſammen⸗ 


1» auch ſonſt tadelte es man 


jchließenden Täufer die Aufmerkfamteit auf den neuen Propheten gelenkt. Ein gemein- 
james Sendſchreiben an ihn vom 5. September 1524, das ihn nod in Alftedt vermutete, 
ermunterte ibn, mutig mit feiner Predigt fortzufabren, Dagegen mahnte es fehr beftimmt 
ab, das weltlibe Schwert zu gebrauchen. Kriege und Töten fei bei Ehriften abgetban; 

ches, namentlid daß Münzer, obwohl er ihre Unchriftlichteit 
längst erwieſen, mit dem Abtbun ber Rindertaufe nicht Ernft made. (Cornelius, Geſch. des 
Münſt. Aufrubre II, 241; vgl. Tb. Kolde, M. L. II, 177.) Diefer Brief bat Münzer 
jchtverlich erreicht, aber in Grießen, einen zwiſchen Waldshut und Schaffbaufen gelegenen 
Orte, wo er fich angeblihb act Wochen lang aufhielt, aber frühelteng Mitte Dioden 


a (gegen R. Stäblin, Zwingli I, 72) angelangt fein Tann, haben die Züricher Freunde mit 


dem „reiten Verfündiger der göttlichen Wabrbeit”, wie fie ihn in jenem Sendſchreiben 
nannten, ficher mündlich verkehrt, und nicht ohne Grund wird man die feitbem bei ihnen 
zu Tage tretenden Tommuniftijchen Tendenzen auf feinen Einfluß aurüdführen dürfen. 
Nach Bullingere Zeugnis (Neformationsgeih. I, 224— 237; vgl. ©. Xofertb, Balth. Hub: 
maier, Brünn 1893 5.73) bätte er auch auf Balthafar Hubmaier in Waldshut fchlimmen 
Einfluß geübt. Sicher tft, Daß er zu agitatoriichen Zwecken in weiten Umkreis im 
Klettgau und Hegau und in der Stublinger Landſchaft, wo alles jchon in Gärung war, 
fein Wefen trieb und Durch jeine Predigt, „wo ungläubige Regenten, da wäre aud en 
ungläubiges Bol“, und dur feine „Artikel wie man berrichen foll aus dem Evangelium 


m angeneben“, den Boden immer mebr untertoühlte. Auch bei Oekolampad in Bafel mußte 


er ſich als armer Exulant einzuführen, wurde von diefem, was ihm fpäter viel üble Nad- 
rede einbrachte, freundlich aufgenommen, und machte auch bei ihm den Verſuch, ihn für 
dao Recht deo bewaffneten Aiderftandes "gegen die Obrigkeit zu gewinnen (3. I. Herzog, 
Urfolanpad I [1843] 2. 302). 

Aber Münger trieb es wieder nah Mühlhauſen zurüd, mo fein Weib, Ottilie, ge. 
von Werfen, geblieben war und Die Weiber zu allerlei Unfug anftiftete (Seidemann, Forſh. 
XL, 382, ſonſt über fie neh SbITb 1847 ©. 639). Wann er wieder nach einem un 
freiwilligen Aufentbalte in Fulda (Tengel, Nüsl. Urkunden ed. Cyprian II, 339 ff.) m 
Mublhauſen war, iſt nicht ſicher, aber jchwerlich vor Anfang des Jahres 1525 ober erſt 


m spater (vgl. Merr S. 100 Anm). Tort batte ſich Pfeiffer, den man ſchon Ende Oktober 


(nach Münzerd Abzug) aus Nürnberg ausgewiefen batte (vgl. Tb. Kolde, Beitr. z. batı. 
us VII S. 1of) ſeit Mitte Dezember, und zwar jegt mit Hilfe jeiner Anhänger in 
den Dörfern, jo weit war Die Gärung fortgeichritten, wieder feſtſetzen können, und ſchürte 
weiter, Ein großer Erfolg war Die Ginziebung der Klöjter, die Vertreibung der Mönche 


und Die mit großem Vandalivmus vorgenommene Reinigung der Kirchen und Kapellen 


von allem abgottiſchen Weſen, was in Der Umgegend Nachahmung fand (Holzbaufen 
S. 378). Natürlich verfolgten auch die benachbarten ſächſiſchen Fürften diefe Dinge, aber 
bei den verſchiedenen Intereſſin — Herzog Georg wünſchte die Wiedereinführung der 
alten Stadtverfaſſung und der fatboliichen Rultusformen —, fam es nur zu rejultat- 


„u loſen Verbandlungen zwiſchen ben beiderjeitigen Räten. Als infolge einer Klage der aus 


getriebenen Mönche das kaiſerliche Regiment zu Eßlingen Georg und Johann von Sacjen 
unter dem 21. März zu Kommiſſarien in dieſer Sace ernannte, dachte man doch daran, 
Rat und Bürgerſchaft zur Verantwortung zu ziehen (Merx S. 68 ff.). Ehe es dazu kam, 
batte die Sache eine andere Wendung genommen. Um Faſtnacht wurde Münzer durch 


jene Anhänger, obne daß der Nat es hindern konnte, zum Prediger an unferer lieben 


Frauen, ernannt Die Deutfchberren mußten als die legten Vertreter der römiſchen Geiſt⸗ 
lichkeit das Feld räumen Immer offener predigte jest Münzer in Verbindung mit 
Pfeiffer, der übrigens Die führende Stellung einnahm und ganz der Mann dazu mar, 
Miünzero Theorien in Wirklichkeit umzuſetzen, die Notwendigkeit des Aufrubrs: Niemand 


vo werde zum Herrſcher geboren, bei der Gemeinde ruhe die Gewalt des Schwertes, die 


Münzer 565 


Obrigkeit, Fürften und Herren ſeien nur Diener derfelben. Mollte die Obrigfeit in die 
Abſtellung der offenbaren Mißbräuche nicht tilligen, fo müßte fie vertrieben werden. 
Auch fein Kommunismus trat immer mehr zu Tage: Mit dem Abthun der Bilder und 
Altäre in den Kirchen fer e8 nicht genug, „wollt ihr nun felig werben, fo müßt ihr aud) 
die Abgötter in Häufern und Kaften, ſonderlich das fchöne zinnerne Geſchirr von den 
Wänden, Kleinod, Silberwerf und baar Geld aus den Kaften auch wegthun, denn biemeil 
ihr das liebet, wird der Geiſt Gottes nicht bei euch wohnen” (Seidemann, Forſchungen 
©. 382 nad) dem 16. März). Solde Mahnungen twurden bei dem gierigen Böbel gern 
gerört und vergrößerten den ohnehin durch von auswärts gefommene Flüchtlinge und 
benteurer verftärkten Anbang der Radikalen. Wohl unterrichtet darüber, welche Gefahr 10 
bon auswärts drobe, und unter Hinweis darauf, daß Kaifer und Fürften der Stadt das 
Evangelium nehmen wollen, betrieb man umfängliche Rüftungen und übte die Mannichaft. 
Unter Führung Pfeiffers wurde endlich in der Liebfrauenfirhe am 16. März die Ab- 
ſetzung des bisherigen Rats befchlofjen und nad den von den Bredigern "I, Jahre früber 
—— Grundſätzen ein neuer ewiger Rat eingeſetzt. Daß Münzer und Pfeiffer in dem- 
ſelben gejeflen (Mel. bei Walch XVI, 204), wie man behauptet, iſt unrichtig. Es ſchien 
au, als wollte er wirklich größere Ordnung fchaffen. Aber es war fchon zu fpät. Es 
mag zuviel gefagt fein, wenn Luther am 11. April fchreibt: Munzer Mulhusii rex et 
imperator est, non solum doctor (De Wette 2, 644), aber daß er troß vieler Gegner 
und noch mehrerer, die fein Treiben mit Schrecken beobachteten, die große Maffe hinter fich 2 
batte, war richtig, freilich noch größeren Einfluß hatte er in Thüringen und im Harz durd) 
eine aufreizenden, im Prophetenton gefchriebenen Briefe und die von ihm angezettelten 
ündniſſe der Auserwählten. Die lange ausgeftreute Saat ging jet auf. Bon Süden ber, 
alles mit ſich fortreigend, rückte die Bauernbemegung heran. Ihr wollte Münzer die Hand 
reihen. Und bald war ganz Thüringen, das Eichsfeld bis tief in den Ober: und Unter: 2 
barz, vom Aufruhr ergriffen. Der geistige Mittelpunkt war Mühlhaufen mit feinen Pre— 
digern, aber nicht fo, ald ob Münzer der eigentliche Anführer geweſen wäre. Gr fchürte 
überall durch feine Pamphlete („Laßt Euer Schwert nicht kalt werden vom Blut“, ſchrieb 
er an die Mannsfelder Bergleute, bei Luther EU. 65,15), durch Die von ihm eingeleiteten, 
jeßt auch durch Aufnahme von Adeligen ermeiterten Bündniffe, aber außerhalb Mühl: 30 
hauſens war man wenig geneigt, fich ihm geradezu unterzuordnen und aud) mit dem 
raſch vordringenden, auf fehnellen Erfolg ausgehenden Pfeiffer, der fihb in Graufamteit 
und Raubſucht als richtiger Bauernführer erwies, kam es zu Zerwürfniffen, welche ein 
einheitliches Vorgehen verhinderten. Während Pfeiffer Raubzüge ins Eichsfeld einen 
Teil der Aufitändifchen bejchäftigten und überallhin VBerwüftung und Brand trugen, 35 
rüdte Philipp von Helfen, der bereit3 die Bauern um Hersfeld und Fulda nievergefchlagen 
batte, heran, und zugleich wurden die bei Frankenhauſen ſich fammelnden Bauern von 
Herzog Georg und Pefonders von dem Grafen Ernit von Mansfeld in Heldrungen bedroht. 
Sehnlihit bat man Münzer und die Mühlhäufer um Hilfe. Am 10. Mai brach Münzer, 
„der Knecht Gottes wider die Gottlofen“, der noch vor feinem Abzuge den Rat um Bes 10 
ftrafung von „Aufrührern” in der Stadt erfuchen mußte (Falckenheiner S. 126), nad) 
ntenhaufen auf, wo man inzwifchen mit dem Grafen Albrecht von Mansfeld Unter: 
ndlungen angelnüpft hatte. —* ſeine Veranlaſſung wurden ſie abgebrochen. In der 
roheſten Sprache ſchrieber — Thomas Münzer mit dem Schwerte Gideons, unterſchrieb 
er ſich — an die Mansfelder Grafen, die er am meiſten haßte, racheſchnaubende Drob: 45 
briefe (EAN 65, 16ff.). Von allen Seiten rief er die Verbündeten zufammen, ja war fühn 
genug, um die Hilfe des Kurfürften gegen Ernſt von Mansfeld zu erlangen, zwei abdlige 
Unterhändler, die er in feiner Gewalt hatte, mit Hinrichtung zu bedrohen, wenn er fie 
nicht erhielte, und ließ diefe wirklich am 13. Mai binrichten. Angeſichts der fürftlichen 
acht begannen die bei Franfenhaufen umringten Bauern neue Unterhandlungen. 50 
Die Fürften verlangten die Niederlegung der Waffen und die Auslieferung Münzers und 
feines engeren Anhangs. Durch falſche Siegesgerüchte von auswärts, mit allen Mitteln 
jeiner Beredſamkeit, durch feine Siegeszuverfiht und den Hinweis auf die ihm von Gott 
gewordenen Zeichen (vgl. den Bericht des Augenzeugen Hans Hut, Jahrb. d. hilt. Ver. f. 
Schwaben und Neuburg I, 241) veritand der Prophet noch einmal, die Zagenden zu be— 55 
thören. Die blutige Schlacht von Franfenhaufen brachte am 15. Mat die Entſcheidung. 
Am folgenden Tage wurde Münzer in feinem Berfted aufgefunden, gefangen genommen 
und dem Grafen Ernſt von Mansfeld nah Heldrungen überliefert (Faldenheiner ©. 56) 
Auf der Folter wurde ihm ein bier mehrfach benustes Bekenntnis abgepreßt (Seidemann 
152 und ©. 157). In einem angefichts des Todes gejchriebenen Briefe, in dem es ihm e 


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566 Münzer Mulberg 
offenbar hauptſächl lei: ankommt, —— jein ZBeib und —— deren Gunſten zu 
—* — ———— 180). * eifen — en fi 
corg von en um | 
—— mel, Geſch. He —A sa) a 
» then wurde — yebracht und mit Pfeiffer (über 
ne ea ©. 284; | — — 
i Bie — — * — nahm er vor ſeinem Ende das 
—— Enders V, 177), auch ſoll er die Fürſten ermahnt re 
Dee Seel * der Könige zu leſen. Codläus rübmt ſeinen reuevollen — 
10 — ©. 111), den gleichen Eindrud hatte Landgraf Phili —— IV, a 
Merkwürdig bleibt, daß * daß Münger Ber aa tragi 
genofjen als der verruchtefte Schwärmer galt, jeine Meßordnung nicht mur —— 
Hweig noch nad 1543 in Gebraud) war, fondern wenn die neuerdings darüber aufge 
Vermutungen richtig fi — unter — u gr in w umgearbeiteter 
1 Som. en ob. Yang in Erfurt — Smend ©. 119ff.; C. Martens, 


el deut Mt d. G tertumsf. v. Er: 
—— 191 f}.). page * —— Theodor Kolde. 


— ——— Er geft. 1414. — Johannes Nider, —— Lib. II cap. 1 
—* 1517 f.33 NIE Gerung, Chronil Fe A ei J. Mones Quellenſamm- 
2) — ———— Zeil II (Karl * he 151; — liber de 


©. 1 De illustribus 
4 — —— 1506) BI. 10; Wurftifen, Bahler Chronid, Bajel 
1000; ©. 201-220; M. Stettler, om {150) 8. 2, Bit oder „cn .) h 


Bern 1627, ©. 102: Frid. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae, Dillingen 1691, Juni 
23 6, 174, Juli S. 87, Auguſt S. 149; Er * zu der Stadt u. Yandf ‚ ®b 3, 
Bafel 1819, ©. 2-35; 3. &v —— * —— 1790, 
S. 455, 5A. ; ber, Institut, hist, =. —— Sn, & —— 
Heidelberg, ne, 1862—64, Bd I ©. d I, E Su W. ee 
Reformation = Sigmund, Lpz. 1876 & ur ff.; 8. Scieler, Wogifter Sa 
sv Mainz 1885, © . 13, 164ff.; Eubel, Die Provisiones — * — rum durch r in der 
NOS f. chriſtl. Alterth. :Wifl. u. G X (1896) S.102; Reichert, Jur Geſchichte der Beutfiien 
Dominifaner, ebenda XIV 1900) ©. 84, 95, XV (1901) S. 128, 129, 139, 148; 
Beiträge z. Geſch. d. Gefte v. freien Geiſte u. des Beghardentums, in 1,386 Sb VI ) 
S. 51l; out. Htinel, Catalogi —— mss,, qui in bibliotheeis Heivetian 
35 asservantur, . 1830, Sp. 


Um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Sohn eins in K — — 
wohl aus dem Dorfe Maulburg (zwiſchen Lörrach und Schopfheim, * 
tammenden Schuhf nn —— te — bon Mulberg (au Yo von Maul: 
F Muelberg, ellberger —— zu ſeinem zwanzigſten Jahre dem 
10 des Waters — dann Bee er die Schule, um bald darauf Fee 
digerorden zu treten. Nac dem er an ber Univerfität Prag ftudiert hatte, —* er 
ae des Konventes zu Colmar im Elſaß, von dem aus damals die —— des 
ominikanerordens in Deutſchland ins tert gejegt wurde, Er ward einer ber 
Genoſſen des Colmarer —2 Konrad von Preußen und hat in einer Reihe von » 
45 deutfchen Dominikanerklöftern die Neform, nicht ohne heftige Kä * — 
yahre 1391 beg egegnen wir ihm als Kurfor —— des theologi 
onvent, 1395 Prior in Würzburg, imo ihn bie der N orm a 
aus dem Klofter vertreibt, 1399 als rior des Golmarer Konventes. ya 
zwifchen zu einem getvaltigen Volfsprediger entwidelt, wie — — 
so niſſe Niders zu jener Zeit feinen zweiten wre Seit dem Jahre an — 
wieder in Balel, wo er gegen die dort maſſenhaft vertretenen Beg 
in überaus beftiger Weife vorging. Er vertrat dabei den — 
* der Kirche aufgehoben, und das Zuſammenleben in Konventen ihnen 
ſagt ſei, daß ferner nur die eigentlichen Orden, nicht aber die dem Laienfland 
55 hörenden Beginen und Begharden vom Bettel leben bürften. Die Franzisfaner, 
drittem Orden der größte Teil der oberbeutjchen Beginen- und Begbarden-Honvent 
angebörte, nabmen für diefe entſchieden Partei, jo daß in Barel ein mebr als zebnjäbrige 
leidenfchaftlicher Kampf um das Fortbeſtehen jener Konvente fib entſpann, ber auch 
N. benachbarten Diöcefen (Honftanz, Straßburg, Yaufanne, Speier) übergriff. 
Im Jahre 1405 jegte Mulberg, damals Lektor des Golmarer Domintkaı 
a einer Aufjehen erregenden Disputation im Bafeler Münfter unter dem Beiftanbe bes 














Mulberg Muratori 567 


Biſchofs Humbert die Schließung der Bafeler Beginen und Begharden-Konvente durch). 
Nachdem die Kranzistaner hiergegen in den Bapjt appelliert hatten, begab ſich Mulberg im 
Auftrag des Biſchofs und von der Heidelberger Univerfität tvarm empfohlen im Herbſt 1.405 
an den päpitlichen Hof, wo er bis 1411 veriveilte. Neben der Beginen-Angelegenheit mag 
ihn in Sstalien wohl aud die Sache der von feinem Urdensgenoffen Kardinal ob. Do: 
minici dort eifrig geförderten Urdengreform befchäftigt haben. Auch nad dem Piſaner 
Konzil blieb Mulberg der Obedienz Gregors XII. treu; diefer beauftragte ihn 1411, in 
den Stirchenprovinzen Mainz und Köln als Prediger für die Befeitigung des Schismas 
8 wirken. In Vajel hatten ſchon früher Mulbergs Predigten gegen die herrſchenden 

olkslaſter den Rat zum Erlaſſe von ſtrengen Sittenmandaten veranlaßt. Nach ſeiner 
Rückkehr aus Italien wendeten ſich ſeine Predigten mit beſonderer Schärfe gegen die 
fittlichen Gebrechen des Klerus, dem er in prophetiſchen Geſichten ein großes Strafgericht 
ankündigte; werde der geiſtliche Stand die Reformierung der Kirche nicht in Gang bringen, 
ſo würden die Steine predigen, bis eine Reform geſchehe. Da man in Baſel Johann XXIII. 
als Papſt anerkannte, fo wurde es Mulbergs Gegnern leicht, ihm als Schismatiker und 15 
Ketzer den Prozeß zu machen und aus Baſel zu verjagen; im Jahre 1414 ſtarb er im 
Kloſter Maulbronn in der Verbannung, in weiten Kreiſen als gottgeſandter Prophet und 
Martyrer betrauert. Eine Anzahl von M.s Schriften und Predigten (über die 7 Tod— 
fünden, die 10 Gebote, die 7 Saframente u. . io.) find in zwei Handjchriften der Bafeler 
Univerfitätsbibliotbet (vgl. Hänel a. a. DO.) erhalten, Auszüge aus feinen deutfchen Pre: 20 
digten in der Würzburger Handſchrift M. db. f. 20 Bl. 127. In Bafeler Handfchriften 
finden fich ferner Disputationen und Streitichriften von ihm bezüglich des Bafeler Be 
ginenjtreitee. Eine von Mulberg zufammengeitellte Sammlung von Traftaten und päpft- 
ichen und bifchöflichen Verordnungen gegen die Beginen und Begharden bat der Unter: 
zeichnete (3K VII S. 511ff.) im Auszuge mitgeteilt; dieſelbe ift verjchieden von dem 25 
unter dem Namen M.s gebenden „Liber contra beginas et beghardos“, den ©. 9. 
Martini (bei Mosbeim a. a. O. 554ff.) beichrieben und ausgezogen bat. 

Herman Haupt. 


[oil 


pen 
< 


Munoz, Ägid. ſ. Clemens VIII Bd IV S. 146,5. 


Muratori, Yudov. Ant., get. 1750. —- Zitteratur: Vita di L. A. M. descritta 30 
da Gian-Francesco Soli Muratori »uo nipote, Venez. 1756 (2. ed. Nap. 1758; wieder in 
den Opere I, Arezzo 1767); U. Fabronius, Vitae Italorum X, 89—391; Alfr. Dove, M.s 
Bedeutung (Im neuen Reich 1872, II, 654 — Ausgew. Schriftchen 341—353, eine troß ihrer 
Kürze ganz vortveftliche Biographie des M. und Charakteriſtik feiner Schriften) ; G. Carducci, 

ttı (Liv. 1876) 265-296 (=Oprre III, 99—139); 4. v. Neumont, Magliabedhi, Dur. 35 
und Leibnig (Beiträge 3. ital. Geſch. III, 215—270); M. Landau, Gef. d. ital. Litteratur 
im 18. Jahrh. (Berl. 1899; jehr ausführlid, ſ. d. Reg.). — Opere minori, Nap. 1757 bis 
1764: der Schlußband XXII giebt ©. 206--255 ein vollit. Verzeihnig von M.3 Schriften. 
— Scritti inediti, Mod. 1872. — Epistolario |. u. 

2. A. Muratori, Jtaliens größter Gejchichtsforfcher, geboren 21. Oftober 1672 zu w 
Bignola, jtudierte in Modena Theologie, Vhilofopbie und die Nechte, wurde 1694 Diakon, 
folgte 1695 einem Rufe der Borromeer an die Ambrofianifche Bibliothef in Mailand, 
wurde aber 1700 von feinem Zouverän, dem Herzog Ninaldo, nad Modena ald Ar: 
chivar und Bibliothelar zurüdberufen und ftarb als ſolcher am 23. Januar 1750. Bon 
1716— 1733 war M. auch Propſt von Santa Maria della Bompofa, wo er alle Pflichten 45 
eined Pfarramtes mit gewifjenbafter Treue und unermüdlichem Gifer als Seelforger, 
als Tröfter und Mohlthäter der Armen, in Schulen und Gefängniflen erfüllte; feine 
Statue wurde 1853 in der Hauptitraße von Modena errichtet. — Als Frudt feiner 
bibliothefarifchen Thätigfeit publizierte er Anecdota ex Ambrosianae bibliothecae 
oodicibus (I. II. Mediol. 1697—98, III. IV. Patav. 1713), bauptjächlich Beiträge zur w 
Patriſtik, Kirchengefchichte und Yiturgik enthaltend, und Anecdota graeca, Patav. 1700. 
Ein koſtbares Anekdoton war aud das feitdem unter dem Namen Muratorifches 
Fragment befannte, un das Jahr 200 verfaßte Verzeichnis der Schriften des NT, 
das M. in einer Handjchrift der Ambrofiana gefunden hatte und im Jahre 1740 im 
3. Bande, Ep. 851- -54, feiner unten zu nennenden Antiquitates italicae (Überfegung 55 
II, 615— 619) veröffentlichte, j. darüber den erjchöpfenden, von Tb. Zahn verfaßten 
Artikel Kanon Muratori oben Bd IX, 796---806. -—- Aus dem Streite, welcher 1708 
zwischen dem Kaiſer und dem Papſte über Staat und Gebiet von Comacchio ausbrad) 
und an welchem jih M. als hiſtoriſch-publiziſtiſcher Anwalt jeines Souveräns und der 


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an Teilnanme an Der theologiicher: ttrerezmr 
m Stel Streit erregenden, fat nm 
„..awublle |0 religionis negotio (Par. 5 -; -— 
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_ wet Ser Religion“ , worin M as cum 
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uet ertlart; auf Die gegen ibn despal: nwen 
ne Sampridius mit der Schrift de supersütiune 
ug, and 1745 noch mit dem pleudenr=er Fun: 
._ wuinprie ‚nr im dem (1770 auch deutich erkämenemn: 
000 istiani "wieder als Lam. Prit.) unge zur 
_ waere ?waden die übertriebene Heiligenerzertumg 
* „a Me Verminderung der Feiertage cin: Nräber, 
SS, newer der Kentreverie und M.s Schlußivort ĩ. Rare, 
ren, u don rüber viele Hußerungen M.s in vımr 
I. yom : Nur Antiquitates und Annali über meltlidx und 
” a ana Nr stinde und Des Papſttums in Nom Ariteg 
u tere denunziert wurden, läßt fich denken Es 
en N. syn Bemnörft XIV. ın dem befannten Brief an den 
an Ne. N Hurter, Nomenclator II? 14u7' und 
San bone 5.7 neben anderen Schriftitellern, deren 
8 RR b iltet, een man Dies nicht aus beſonderer 
si dene Der betreffenden Männer unterlalien 
N twngiltt GUMIT es rür Dielen, daß der Napit ıbm 


F i | ent 1 2%. Zeptember 1718 in freundlichem 
De Xuese zen y woc dabei nur an defien von der welt: 


Muratori Murner 569 


lichen Jurisdiktion des Papſtes in feinen Staaten handelnde, nicht an feine theologiſchen 
Schriften gedacht, und feine, des Papſtes, Außerung beziehe ſich nicht auf M.s Teilnahme 
an dem Streit über die Feiertage, überhaupt nicht auf Saden des Glaubens und der 
Disziplin. — M.s Briefe, die z. T. in einer großen Anzahl von Einzel-Publikationen ediert 
wurden, 3. T. noch ungedrudt find, erfcheinen jett in einer wahrhaft nationalen monu= 6 
mentalen Ausgabe: Epistolario di L. A. Muratori, edito e curato da Matteo CAm- 
pori, begonnen Modena 1901 ; die bis April 1903 herausgelommenen Bände I—V ent: 
halten die Briefe aus den Jahren 1691—1721 mit reichhaltiger Bibliographie, jeder 
Band auch eine den betr. Zeitraum erjchöpfend darftellende Cronobiografia Murato- 
riana und treffliche Regiſter. . Laubmann. 10 


Muratorifches Fragment |. Kanon Muratori Bd IX €. 796. 


Murner, Thomas, geit. 1537. — Murners fämtlihe Schriften, 59 an der Zahl, 
finden ſich zufammengejtellt in Karl Gödekes Grundrik zur Gefchichte der deutichen Dichtung, 
II: ©. 215—220, woſelbſt auch die gegen Murner gerichteten Schmähſchriften, wie der Karit- 
band, Murnarus Leviathan Vulgo dictus Geltner vder Genß Prediger, Triumphus veritatis, 15 
Der geitryfit Schwiger Baur, Die fünfzehn Bundesgenofien des Joh. Eberlin von Günzburg ꝛc., 
S. 220 ff. verzeichnet find. Vgl. aud) G. E. Waldau, Nachrichten von Thomas Murners Leben 
u. Schriften als ein Heiner Beitrag zur Neformationsgeichichte, Nürnberg 1775 (wieder abge- 
drudt in Scheibles „Klofter”); Deutiches Mufeum, 1779; Banzer, Annalen der deutichen 
Ritteratur, S. 347 ff.; Haller, Bibliothet der Schweizergefchichte, Band II und III; Hottinger, 3 
Geſch. der Eidgenofjen während der Zeiten der Kirchentrennung (Fortiegung von Sof. v. Müller), 
Band II ©. 154; Ruchat, Histoire de la Reform. de la Suisse, Buch III; Auguft Jung, 
Geſchichte der Reformation in Strafburg, ©. 238ff.; Röhrig, Neform. im Elſaß, I. 1 ©.228; 
ge en, Karl, Deutjchlands Titterarifche und religiöje Verhältnifie im Reformationzzeitalter, 

rlangen 1843, Bd II, ©. 61 u. 183ff. — Neuere Schriften, Ausgaben und Artikel find: 36 
Friedrich v. Bezold, Geſchichte der deutſchen Reformation (Onkenſche Sammlung II, 1) in 
dem Kapitel: Der Wormfer Reichstag und die erjten Siege der Reformation; Waldemar 
Kamwerau, Thomas Murner und die Kirche des Mittelalters, Halle, Niemeyer 1890; Th. M. 
und die deutjche Reformation. Ebenda 1891; Dr. Balfe, Thomas Murner u. Ulrich v. Hutten, 
Stuttgart, Union; E. Matthias, Thomas Murners Scelmenzunft, Halle, Niemeyer; W. Uhl, 80 
Thomas Murners Gäuchmatt, Leipzig, Teubner; M. Spanier, Thom. Murners Narren- 
beihwörung, Halle, Niemeyer; %. H. von Funk, Thomas Murner, WWKL 8, ©. 2024, R. 
M. Werner, Murner in Krakau, VLG 6, ©. 319f.; K. Ott, Ueber Murnerd Berhältnis 3. 
Geiler, Alamannia 23, ©. 144—188 und 231—288; M. Spanier, Thom. Murners Ueber: 
feßungen aus dem Hebräiſchen, IbG Elſ.-Lothr. S. 63— 75; W. Kawerau, Lob und Schimpf 85 
des Eheſtandes in der Litteratur des 16. Jahrh. PX 69, ©. 760-781. Die Litterarhiftoriker 
Ludwig Wachler, H. Kurk und Vilmar ertennen M.3 fchriftitellerifhe Bedeutung an; Karl 
Gödeke jtimmt ihnen in jeiner Einleitung zu der von ihm 1879 bei Brodhaus herausgegebe- 
nen Narrenbeſchwörung in dieſem Punkte nicht nur bei, fondern ift auch der erfte, der M.s 
Leben gegen die Verunglimpfungen der Jahrhunderte in Schu nimmt. Indes ift er in feiner 40 
Rettung M.s zu weit gegangen. 

urner, Thomas, wahrfcheinlih am 24. Dezember 1475 zu Oberehnheim (nicht zu 
Straßburg) geboren, war der Sohn mohlhabender, frommer Eltern, welche 1481 nad 
Straßburg überfiedelten, und wurde von denfelben, weil er als Knabe, angeblich von einer 
Freundin feiner Mutter verhert, ein Jahr lang an einer Glieverlähmung bdarniederlag 4 
und noch lange kränklich und ſchwächlich blieb, für den geiftlihen Stand beſtimmt. 
15 Jahre alt trat er in das Barfüßerflofter zu Straßburg und erhielt nach einer An- 
gabe Wimphelings ſchon mit 19 Jahren die Prieſterweihe. Als fahrender Schüler 
durchzog er dann zwiſchen 1495 und 1500 Frankreich, Deutfchland und Polen und Stu: 
dierte in Parid, wo er Magifter der freien Künſte wurde, vorzugsweiſe Theologie, in 50 
Breiburg Rechtswiſſenſchaft und in Krakau Philofophie, Philologie und Mathematik. An 
esterer Univerſität im Winterjemejter 1499/1500 als Frater Thomas Murner ordinis 
Sancti Francisci de Argentina immatrifuliert, fchloß er fich enge an den Philoſophen 
und Mathematiker Kohannes von Glogau an und erwarb fich das tbeologifche Baccalaureat. 
Nachher ſetzte er als Begleiter eines jungen Adeligen feine Studien in Freiburg fort und 55 
wurde daſelbſt bei einem fpäteren Aufenthalt (vor 1509) zum Doktor der Theologie 
promoviert. Doftor beider Rechte wurde er 1519 in Bafel, obwohl fich der Jurift Ulrich 
Zaſius alle Mühe gab, dieje Promotion zu bintertreiben. Nach Freiburg (alfo etwa vom 
erbjt 1500 oder vom Krübjar 1501 an) fol ſich Murner, um die Schweizer Klöſter 
ennen zu lernen, längere Zeit in Solothurn aufgehalten haben. Nach Straßburg fehrte co 
er erit 1502 zurüd. Dort wollte Jakob Wimpbeling gerade ein von der Barfüßerjchule 


>. 


x 


N. 


Marscr 


runden und hatte, um ſich dem Nate der Stadt u enipfehlen, 


_ en, gm der er Me don dem Daupbin Ludwig von Frankreich 


m esigiln Bebauptung, Daß die Grenzen Galliens fich bis 
= ihveraerdedauptung ZU widerlegen ſuchte, Straßburg und 
un m ie unter galliſcher Herrſchaft geſtanden. Jeden⸗ 
J Konkurrenz mitbeeinflußt, wies Murner in 

- nenn zz Behauptung als irrtümlich zurück, kam aber 
.ene Ss Freunde und Schüler, voran Peter Günther und 

- + 2% beftigite über ihn ber, jtellten ihn als einen Feind 

mn ibn geradezu dee \ Yanbesverrats: worauf der Nat 

Ben ein einziges Exemplar derfelben blich auf der Biblio: 

— 1875 von K. Schmidt zu Genf mit Wimphelings 

. mer verteidigte ſich gegen Die angeführten Beichul- 
sul — poematum condigna laudatio und vrbot fich, zur 
Der wiſſenſchaftlichen Nichterftuhl Rede zu ſtehen, fand aber 

os nuglos Die ſämtlichen Wimphelingianer zu Feinden ge: 

ur ARTNET Erſatz, daß ihn der Kaiſer Marimiltan, der ſich 
Dichtungen intereſſierte, 1506 zu Worms mit dem Dichter: 

u —8 im gleichen Jahre befand ſich Murner zum zweiten 
iinem „Vogiſchen Kartenſpiel“ (chartiludium logicae), das 

in Druck erſchien, Die größten Erfolge erzielte. Als man fi 

. me dieier mechaniſchen Methode, Die Yogik zu lehren, feine Zau- 
„cp zur Belebung 24 ungariſche Gulden. Auf gleiche Art ſoll 
ne Recht zu lehren verſucht, aber feinen Anklang gefunden 
>. uf Nartenblättern vorgeführten Formeln und Zeichen weg, jo 
neue Anbaltsüberlicht, wie ſich ſolche oft vor gelehrten Werten 


„uaystert Dos einem Beneralfapitel jenes Urdens in Rom beimohnte, 
Ges er nachher, wahrſcheinlich im Winter 1508, in Freiburg mit 
So aber der über Horaz und Lukan las und die Haffifche Bildung 
Arnm'chauungen aufs freimütigſte vertrat, eifrig verkehrte, verdarb 

. er sntlußrenben Juriſten Ulrich Zaſius, der Pocher geradezu aus 
> Wiener beitig tadelte, weil er jenen Ordensbrüdern die Aneide 
rzuptett dagegen, Die Bejchäftigung mit Der alten Yitteratur vertrage 
sw. vemmen und züchtigen Yeben, und Hafliiche Bildung fer auch für 
xy. der Welt zu verfebren bätten, nonvendig. In feinem ludus 


[4 


um SU usa, dr 1511 ın Frantfurt erſchien, lebrte er Darauf ſogar 


a. Sehe Der pſeudonyme Utz Eckſtein und andere ſchoben ihm gleich— 
MEN rl CEbriſtus, die er in Predigten gethan haben ſollte, unter, 
N. sr zuletzt im „großen lutberifchen Narren“ (1522), den Heinrich 


ad whllantab, energiſch verwahrte. Trotzdem war ihm Spottfucht faſt 


d drelbe artete unter Umſtänden vielleicht manchmal ſogar in Spöt: 


dudels don ſeinen Oberen 1509 nach Bern geſandt, ſchrieb er Die 
Ron Den fier ketzeren Prediger ordens der obſervantz zu Bern in 
wlan 31. Mat 1509); feine erſte Mrbeit in deutfcher Sprache. 
wen 1500 und 1512 entſtandene Narrenbeſchwörung, 1512 von 
naßburg gedruckt, und die 1512 nach der Narrenbeſchwörung ver⸗ 


es Mur in Frankfurt erſchienene Schelmenzunft. Die Narrenbeſchwö— 


x Naueniebiif Sebaſtian Brants beeinflußt, bat aber dadurch ihren 
idae Dichtung sicht eingebußt. Viel arößeren Einfluß als Yrant 
"nut, Inbalt und Darſtellungsmittel Geiler von Kaiſersberg auf 
Se Art und Denkweiſe desſelben förmlich hineingebildet batte. Die 
Ekizze, auch kein Auszug, ſondern einfach die Narrenbeſchwörung 
ee beiden Dichtungen werden Die Gebrechen aller Ztände, Die 
Zueicriſche Sinn der Bauern, Die Überbebung, die Selbjtjucht und 
„Na. toteie Die Puß und Genußſucht ihrer rauen, Die Raubluſt, 
oa Ss Adels, Die Unbotmäßigkeit und der Eigennug der Reice: 
Su noei Dir Unwiſſenbein. Leichtfertigkeit, Unzucht, Geldgier und Ge— 


.“ 


JAuben gegeißelt. Über den Tadel kirchlicher Mißbräuche gebt jedoch 


Murner 571 


Murner nie hinaus; die Verfafjung und die Lehrſätze der Kirche taftet er nirgends an. 
Ja felbft zur Abitellung der Mißbräuche ift in feinen Augen fein einzelner berechtigt, 
dazu bat nur der KRaifer, der Papft oder ein Konzil Beruf. Der Zweck feiner Satire 
ift, Geiftlichen und Laien einen Sündenſpiegel vorzuhalten. Dabei iſt es ihm, mie es 
fcheint, um die Sadje, nicht um Perfonen zu thun. Doch gebt man zu weit, wenn man 5 
ihn neuerdings den Schmähungen des „grobianifchen“ Zeitalter gegenüber einen „um: 
fichtigen, unbefangenen und freimütigen” Ordensgeiftlichen genannt hat. Seine zerfetende 
und ſchonungsloſe pfäffiſche Selbſtkritik ijt ohne jedes poſitive Ideal, und dabei it in 
dem Weſen und der Bildung des Mannes alles unſtet und fprunghaft.e Die Partei: 
fämpfe, in die er fich durch feine Streitluft hineinziehen ließ, ſchadeten übrigens jchon 10 
feinem Ruf wie bei den Zeitgenofjen, fo auch bei feinen Ordensbrüdern, fo daß ihn die- 
felben, nachdem er 1513 auf einem Ordenskapitel zu Nördlingen zum Guardian gewählt 
worden war, 1514 aud) wieder abjeßten. 

Murners bebräifche Kenntnifle Bist ein neuerer Kenner fehr gering ein und nennt 
feine Überfegungen, wie das Paſſahbuch, mit denen er obendrein bei dem Intereſſe der ı5 
eit für das Hebräifche nur ein Geichäft habe machen wollen, leichtfertige Arbeiten des 

ederflinfen Mönche. 

1514 erjchien fein Gedicht: „Ein andechtig geiftliche Badenfahrt” und 1515 „Die 
Mülle von Schwyndelßheym und Gredt Müllerin Jahrzeit“; letzteres eine Ablürzung der 
Geuchmatt, deren Drud die Barfüßer felbft bei den Rat bintertrieben. „Die geudymat 20 
zu Straf allen wybſchen mannen“ erſchien anftandslos erft 1519 in Bafel und tft gegen 
alle Gäuche und Gäuchinnen (Verliebte, Weibernarren 2c.) gerichtet und eine reiche Duelle 
für die Geichichte der Sitten, namentlih der Moden. Nach Art der Satirifer macht ſich 
Murner ſelbſt zum eriten aller Gäucde. In der Mühle von Schwindelsheim find die 
einzelnen TIhätigfeiten des Müllerhandwerks benügt, um Männern und Frauen, die am 
Schwindel, d. h. an fittlichen Gebrechen aller Art, leiden, den Text zu lefen. Beſonders 
intereflant ift des Müller Klage um Ian verlorenen Efel, der bei allen Ständen, vom 
Raifer an, der ihn zum Nat erhoben hat, bis zu den Mönchen, die ihn zum Guardian 
und Prior erwählt, und den Bauern, die ihn zum Doktor gemacht haben, herunter, im 
höchſten Anfehen fteht. 30 

s Murner im November 1515 in Trier juriftifche Vorlefungen nach feinem erſt 
1518 im Drud erfjchienenen Chartiludium institute summarie anfündigte, geriet er 
wegen feiner früheren Parteinahme für Reuchlin gegen die Kölner mit den Trierer Dom: 
herren in Kolliffion und mußte als „Apoftat des Glaubens und Freund der Wiſſen— 
haften” vor feinen Gegnern aus der Stadt weichen. 35 

1519 erjchien feine Überfegung der Inſtitutionen, die 1521 unter dem Titel „Der 
fenferlichen jtatrechten ein ingang und wares fundament” erneuert wurde. Popularifierung 
der Rechtskunde war —2* der Zeit; aber Murner und ſeine Zeitgenoſſen irrten gar 
ſehr, wenn fie mit dem deutſchen ſtatt des lateiniſchen Worts auch den wirklichen Rechts⸗ 
begriff zu haben glaubten. 40 

Das Verhältnis Murners zu Zuther ift nach den grundverfchiedenen Anſchauungen 
der beiden Männer über die Berechtigung zum Neformieren von vornherein ein feindliches, 
und dieje Feindichaft fam zunächſt in der anonymen Überfegung Murners von Luthers 
„Babylonifcher gefengnuß der Kirche” 1520 zum Ausdruck. Luther nennt Murner feinen 
giftigen Feind, geiteht ihm aber zu, daß er nicht wie Emfer lüge. Bon den 32 Büchlein 45 
(Ein chriſtliche und briederlihe Ermanung zu dem hochgelerten doctor Martino Iuter, 
1520; Bon Doctor Martinus luters leren und predigen, das fie arg wenig feint, 1520; 
Bon dem babitentbum . . . wyder Doctor Martinum Luther, 1520; Win new lied von 
dem undergang des Chriftlichen Glaubens in Bruder Veiten thon, 1521; Ob der Künig 
uß engelland ein lügner fey oder der Yuther, 1522), die Murner gegen Yuther richtete, 50 
ift nicht viel mehr als ein Fünftel im Drud erjchienen. Luthers Auslegung der Schrift 
befämpfte er mit der Auslegung der Kirche und bemerkte in ber „Proteſtation D. Th. 
Murmer Das er wider Doc. Mar. Luther nichtz unrechts gehandlet hab“ (1521), nur 
feine Pflicht, fein Gelübde und fein Eid als chriftlicher Prediger und Ordensmann babe 
ihn gegen Luther zu jchreiben gezwungen, Mipbräuche verantworte er nit. Warum 55 
erntete nun aber der „behendeite, twisigite und gröbfte” Gegner Luthers felbjt im eigenen 
Lager feinen Dank, gefchtweige denn, daß er auf die Gegner auch nur die geringite Wir: 
fung erzielt hätte? Der Satiriker war ein Eiferer geworden, aber ohne echte religiöfe 
Begeifterung und ohne untadelige Zauterfeit der Gefinnung. Auf die Flut von Schmäh— 
fehriften, injonderheit des Naphacl Muſäus und des Auguftiners Matthias Gnidius, die fich so 


572 Murner ERS Johann 


— Hat fofort verbot, — er dbabruk Khusmar esse Mh 





unterfagte. Eine Klare, pofitiv religiöfe Stellung weiſt auch diefe Dichtung mi 
ee leitende, beg nde dee, 1523 war Murner bei Hein II. von 
land, A, ber ſiben j — toßber ne -utl 


t der Tatboli 
ıf ber Badener Di 





— Er entlam jedoch im * Ss un ſich dann in Kurfürft 
ehure En a nr 
»0 befindliches Bud) darthut, vor dem 23. Auguft 1537 ftarb. Dr. Liſt. 


Mufäns, obann, lutberijcher Theolog in Jena, F 1681. — Litteratur: B. Belt 
heim, Ei funere J —— iu usaei bei $ N Witten, Memor. theolog. deeas XVI, 7, 
206979; Theoph. Colerus, S eines ———— Lehrers, Jena 1681; A it, 
—54 der prot. Theol. II, 31 erwähnt noch eine Yeichenrede von G. nen 
»5 Syllabus Reetorum et Professorum Jenae 1659, &. 492. Wus dieſen Que Ten raipfen Joh. 
Kaſp. Jeumer, Vitae professorum — qui in ill. academia Jenensi vixerunt, 1711; Joh. 
Deinz, Belbte, Hergog Ernft der Zromme, 92, Gotha 1810; 3. Bud, De Joanne ‚Musaso 
theologo Jenensi, Jena 1862, Vorgfältig, mit einem fände Verzeichnis jeiner Schif 
6. Stange, Die ſyy ivitematifchen Prinzipien in ber Theologie des Joh Mujäus, 
30 1895; (Dasfelbe u. d. T. Zur Theologie des Mufäus, N eft 1897). — u ver: 
gleichen Abr. Galov, Historia syneretistica, 1682 bezw. 1 
und er iſche Einleitung in die Religionsftreitigfeiten ae BE Tas ei, | 
it. und theol. Einleitung in die Neligionsitreitigteiten der ev.=lutb. Bien 1780) 
» Schmid, Geſchichte der ſynkretiſtiſchen —— 1846, ©. 400—420; —— 
35 Big 0,59 und feine Zeit, 1853. 60, 2 Bde; ©. Frank, Die Jenaiiche Theologie ihrer 
gelaisttihen Entwicelung, 1856; 4. Tholud, Vorgeichichte bes er I. ——— 
Gaß, et der proteftantijchen Dogmatif, II, 1857, &.202—12. ist 
biblioth. suae Bd 4 (j. Reg.) 1721 macht Angaben über die wichtigjten feiner 


Johann Mufäus war ein Urenfel von Simon Mufäus, welcher zu Plus get von 
40 1558— 1562 ebenfalls in Xena Profeſſor der —— und Superintendent —— 
1576 geſtorben war (über ihn vgl. F. A. Ranitzſch, De Simone M Joaı 
Musaei — proavo Diſſ. Jena 1863) und vurde am 7. Februar 1613 in dem t 
Orte Langeniviefen, two jein Vater Pfarrer war, geboren. Zuerjt von diefem, dann auf 
der Schule zu Arnſtadt unterrichtet, ſtudierte er "zuerft fieben Jahre lang Philo un 
4 Humantora, in Erfurt unter Meyfart, Großbain u. a,, in Jena unter 
Slevoigt, von welchen bejonders der erſtere dort jeit 1623 neben den: 
ſtreng lutheriſchen Lehrern Gerhard, Major und Himmel die freiere humaniſtiſ 
vertrat. Erſt ſpäter wandte er —— dem theologiſchen Studium zu, und —— 
neben den drei genannten ſtrengeren —— auch Joh. Dilherr und Salomo Glaſſi 
so jeine Lehrer. Nach Dilberrs ale 1643, wurde ihm die Profeffur der Geſchid 
en; 1646 wurde er orbentli Profeffor der Theologie und erwarb ſich alabalt 
durch eine Disputation de aeterno dei decreto an absolutum sit meene bie tbeo- 
logiſche Doktorwürde. Gleichzeitig vermäblte er fib mit Anna Margaretba Förfter, 
Bürgermeifterstochter aus Erfurt, nad) deren Tode nochmals mit der Witive eines Holley 
ss Anna Elifabetb Schent geb. Sörgel. 38 Jahre blieb er in jenem Amte, fechsmal Nektor 
bis er am 3. Mai 1681 ſtarb. — 
Von Gegnern und Freunden wurde Muſäus eine ungewöhnliche philoſophiſche Aus 
bildung und Schärfe zugeſchrieben, von jenen als Vorwurf, von dieſen als — ug. W 
jene beflagten und dieſe ſchätzten, ſchloß die Verenwilligteit aus, ſich in der Tbeolop 
so auf das Sladhfprecben ber rezipierten Tradition zu beſchränken und für kole Ar 





















Mufäns, Johann 673 


für höchftes Verdienſt der Treue preifen zu laſſen. Für Unterfcheidung von Bekenntnis 
und Theologie, gegen befenntnisartige Normierung auch aller Theologie und infofern für 
Freiheit und Fortgang tbeologifcher Forſchung nach beiten Kräften, nicht unter Zurüd: 
haltung diefer, zu ftreiten, wurde in Jena zuerit von Mufäus verſucht, gemäßigter und 
ängftlicher freilich als es früher von Calixtus geicheben war, und ohne daß Mufäus, 
wie jener, von der ungleichen Dignität der Lehrdiſſenſe Nutanmwendungen für wieder: 
berzuftellende größere —— hergenommen hätte. In dem, mas zur Er: 
Härung der Glaubenslehre nötig fer, in „philofopbifchen Fragen, die etwa eine Ber: 
wandtnis haben mit einigen Glaubensartifeln, da können“, jchrieb Mufäus noch ein Jahr 
vor feinem Tode, „auch rechtgläubige reine Theologi nicht alleweg einig ſeyn, ſonderlich 
die auf hohen Schulen; denn fie find nicht beftellet, daß fie ohne meiter Nachſinnen ihren 
auditoribus nur fürtragen oder in calamum bdiftiren follen, was fie von ihren prae- 
ceptoribus gehöret oder bei andern Theologen gelefen baben, jondern daß fie auch für 
fih alles wohl erwägen, wo Diffikultäten fteden, diefelbige fo viel als gejcheben fann 
deutlich zu erklären ſich bemüben follen, damit fie für fich je länger je mehr wachſen in der 15 
Erkenntnis und aud ihre diseipulos zu gründlicher Erkenntnis anleiten mögen; wenn 
ewiſſenhafte Theologi und Profeflores ihr Amt mit gebührender Sorgfalt führen, mie 
fe durch fleißiges Nachſinnen in Theologia je länger je mehr perfeftionieren und ihren 
anbefohlenen Zuhörern die Theologiam aufs gründlichit beibringen mögen, jo Tann es 
nicht anders fein, es müfjen bisweilen dissensiones in modo docendi, declarandi, 20 
defendendi doctrinam fidei zwiſchen jonjt rechtgläubigen und reinen Theologen ent: 
ftehen” u.f.f. (Bedenten vom April 1680 bei Calov, Historia syncret. ©. 1009 ff.). 
Bejonderd war er bemüht, jede Frage auf die legten Prinzipien zurüdzuführen, und bat 
um Zwecke methodiſcher Bearbeitung der Theologie die Scholajtiter fleißig ſtudiert und 
t. Biel hat er auch von Galirt gelernt, obgleich er feine perjönliche Beziehung zu 25 
ihm batte. Ofters freilich vermeidet er es ihm zu nennen, wo er fi) mit ihm ausein— 
anderjett. Seine philofophiihe Schulung und die Energie feines Denkens befähigten 
ihn dazu, auf den Streit mit Gegnern nicht nur des Iutherifchen Lebrbegriffs, ſondern 
auch des Chriſtentums und der Neligion überhaupt einzugehen. So ſchrieb er gegen 
Herbert von Cherbury eine Dieputation de luminis naturae insufficientia ad sa- sw 
lutem (1667 gehalten, 1668 gedrudt als Anhang zu der Neubearbeitung feiner Diſſer— 
tation de aeterno electionis decreto), “Der Grundgedanke ift, daß die natürliche 
Theologie für Sünder nicht ausreiche, weil fie von der für jene notwendigen satisfactio 
ro peccatis nichts wiſſe. Minder bedeutend ift die nach dem Vorwort nur unter feinem 
Bräfibium gehaltene, von Chr. Fr. Knorn verfaßte Disputation gegen Spinozas trac- 35 
tatus theologico-politicus — ad veritatis lancem examinatus 1674, welde 
gegenüber jener 1670 erſchienenen Schrift die Gedanken vertritt, daß eine reibeit zu 
glauben und zu lehren, welche die Schrift nicht zugeftehe, auch von der Obrigfeit salva 
pietate nicht zugelafjen werden fünne, und daß jeder von dem Rechte, in veligiöfen 
Sachen unrichtig zu denken, nad Forderung göttlichen und menſchlichen Rechts weichen, 10 
in zmeifelhaften Fällen aber der von der Stirche für fchriftgemäß erklärten Lehre folgen 
mühe: die Obrigkeit ſei daher auch berechtigt, Dies durch Geſetze und Strafen zu er: 
zwingen. Gegen Matthias Knutzen und feine Agitation fchrieb er 1674 eine „Ablehnung 
der ausgefprengten abfcheulichen Verleumdung, ob wäre in der fürftl. Sächſiſchen Reſidentz 
und gejambten Univerfität Jena eine neue Secte der fogenannten Gewiſſener entitanden 45 
und derjelben eine nicht geringe Anzahl von Studiofis und Bürgern beygethan“ u. f. w. 
1674, 2. vermehrte Aufl. 1675. Bon katholiſchen Theologen wechſelte er mit drei Sefuiten 
Schriften, mit Bert Erbermann über das Bibelwerk feines Herzogs Ernit des Frommen 
(biblia Lutheri auspieiis Ernesti ducis etc. glossis ac interpretationibus illu- 
strata — a Viti Erbermanni, iterata maledicentia vindicata etc. Jena 1663) und 50 
über die Kirche (tractatus de ecclesia, quo duae eius antehac habitae dispu- 
tationes: una de natura et definitione ecclesiae, altera de eiusdem distinctione 
in universalem et particularem uberius deducuntur et ab adversariorum, im- 
primus Viti Erbermanni, objectionibus et exceptionibus vindicantur, Jena 1671, 
2. Aufl. 1675); gegen Jodocus Nedde, der verlangt hatte, daß die Lutheraner allweg 55 
zu ihrem Beweis „ein befonder Fundament (sc. erplizierter Lehre außer der Schrift) an: 
wenden follen, deilen feine mit uns ftreitige Partei zur Behauptung ihrer falfchen Lehre 
fih anmaßen könne“, um ſie mittelft diefer neuen Art Präffription von vornherein ing 
Unrecht zu jegen, fchrieb er eine „Verteidigung Des unbeweglidien rundes, deſſen 
der Augeburgifchen Konfeffion vertvandte Lehrer zum Beweis ihrer Kirchen ſich gebrauchen, co 


[ei] 


0 


por 


nri Mufäns, Johann 


viſreberſt Joboei Kedden Jeſuitens Sophiſtereien entgegengelegt, worin auch von der all: 
wemeinen Rirche, derſelben wahren Gliedmaßen und dero Vereinigung — gehandelt wird“, 
vun Heid, indem er ale ſolch unbeweglichen Grund die heilige Schrift binſtellt; gegen 
bir baut Des Jalob Maſenius meditata concordia protestantium cum catholieis 
In una vonfeaaione fidei ex S. S. 1661 richtete er zwei disputat. theolog. 1162. 
Star dieſen Schriften iſt Die bedeutendſte die de ecclesia, worin er die Örundfragen ber 
rvangelyeden Glaubenogewißbeit im Gegenfag zum Katholicismus behandelt. Ferner 
debort bierber ſein ebenfalls jebr gebaltreicher tractatus theolog. de conversione ho- 
iuiuix pœcatoris ad deum, quo de conversionis appellationibus, natura, actibus 
vs spewiatim de actibus fidei, neque fidei obiecto formali contra pontificios 
(use aßgitur et detertis fraudibus, quas hac in re sophistae moderni commit- 
tung, iu Adler. et religionis pontificiae principia et causas solicitius inquiritur 
ten oem etwriterte Auilage 1662. Mit Arminianern tie Curcelläus ftritt er über 
die Wie fand der Sritateit der Heiden (dissert. theol. de quaestione: an Gentiles 
a abuque Ade in Christum per extraordinariam Dei gratiam ad salutem per- 
uuxeoro aut uinilmum ignis seterni supplicium declinare possint? 1670 u. ö.). 
zei Berker NE Socmialter zeiate noch Das aus feinem Nachlaß 1701 veröffent: 
wir veilegtum ventzoversiarum ete. Vorzüglich viel Mühe wandte er an Beur: 
Asteig SUOHRREIUE NED und Traditionen. Eine feiner frübeften Schriften gegen den 
v Tieren UE Kedrizus richtete fich gegen Überjchätung des Gebrauchs 
Nibeeiepe iu N Twain xt den Weformierten, aber Doch auch gegen den Bor: 
aid Nato gen De Wainirkpen Theologen, als ſeien ſie den Artanern, Donatiſten und 
Weaepepitin it Aterliantitg aler Bbrlstopbte aus Der Theologie glei und dadurch 
sn De Asufe Ni uipeuken arfadeiih >loßgeftellt; Dazu kamen Anbänge gegen 
ultra id Dutielaim de usu prineipiorum rationis et philosophiae in con- 
aesvisais Wiewsoggleis libri tres. Sena Trtkk ic 0. Gin umfungreicheres Merk über 
ſ.)Adituituieiivierte ichrieb er zur Verteidigung einer \nauguraldiffertation (}. o.) 
u sehe NMareuiger Theologen (nad Budde, isagoge S. 1240: Samuel Andreä) 
ad nd Kegen M. Ir. Wendelin in Jerbſt (de aeterno electionis decreto an 
le dla eXtra Jeum causa impulsiva detur necne, 1668 u. ö.), ferner de 
ist weil sintne curpus et sanguis Christi in ea realiter praesentia? dis- 
wi... (pi peartis affirmativae probatio ex verbis institutionis deducta a Jo- 
va.» \orstt vbieetionibus et exceptionibus vindicatur 1664. Auch foldhe Zuthe: 
ie. ungerechtfertigt von der herrſchenden Yebre abzuweichen jchienen, Tuchte 

. KEN and Geduld umzuftimmen, wie J. Mel. Stenger in Erfurt, welcher es 

ne id vurote yipeifelbaft muchen zu müſſen glaubte, Daß fih obne Werlujt der 
valiter Buße td Nudfall öfter ber ihnen wiederholen fönnen (vgl. 3. ©. Walch, Re: 
ereliesäußeiten der luth. Kirche IV.V, 2.919 ff.) und weldem er die Schrift entgegenfeßte: 
Ya Seniipeigeitalt Die Lehre von Der Buße nüßlich mit gutem Beitande nadı Gottes 
a le vergetragen und nach denfelben mit den ZJubörern verfübren werden — aud 
ade Grregenheit neu entſtandener Schwärmereyen an den Tag gegeben, famt 
read Wrasöiniig Derielben und was deswegen gebandelt werden“ 1672 vermehrt 
ne Auch but er, allerdings erjt nach den Darüber ibm entitandenen Anfec- 
on a ZuulNetteinus Galirte öffentlid angegriffen (quaestiones theologicae inter 
nordtalvo havtenus agitatae de Syneretismo et Sceriptura sacra 1679), doc it 
ea ie Juhre uber gebaltenes Kolleg und fein Kollege Valent. Veltheim rübmt 
wet veultra Syneretiismum, ecclesiae hodiernae pestem, auditores suos 
nn Tuabunis (bei Mitten J. c. p. 2070). Doch batte er in früberer Zeit für Hor: 
a Drau ar gute Werke im rechten Sinne ſich jchen deshalb mit erklärt, teil 
ar cast Zeit dies jo not thue, wo neben anfpruchövoller Orthodoxie grobe Sitten: 
alte enter ID alltäglichen ſei (vgl. Johann D. Muſäus Bedenken über der unlängit 
toner VEeped! „Ob gute Werke nötig ſeien zur Seligfeit” 1650 von ibm felbft 
onen Ntanı verjaßt, aber nicht Durch ihn zum Trud befördert, vgl. Darüber die 
oa eis Ahr gegen Stenger und J. G. Wald 1. c. IV. V, p. 718 ff.). Schärfe 
ine Puradoxieen, wie gegen Joh. Leyſers (vgl. Bd XI S. 127) Verteidigung 
Yalystalsan af am. theses de coniugio theologicae 1675). Sonſt aber war ei 
nt Streite unter den Yutberanern jelbjt um fo mehr abgeneigt, ie 
syn duichſchaute, Daß Nechtgläubigfeit der Erkenntnis und Chriftlichleit in der 
a baline Nicht notwendig verbunden jeten, und daß jene ohne diefe nicht in 
.' Aasibanit beiteben könne, Diefe aber das Michtigfte fei. Der jenaifche Theolog 


- 
- 


Mufäus, Johann 575 


J. G. Wald betrachtet ihn geradezu ald Vorgänger Speners, denn er habe „beitänbig 
gelehret, man könne die Theologie eines Unmiedergeborenen für feinen wahren Habitum 
halten, und infomweit märe auch ein foldher, der unwidergeboren und gottlos lebte, wenn 
er gleich dabei orthodor wäre, fein eigentlicher Theologus und fei fein Habitus bloß na- 
türlih“ (di. c. II, ©. 77). Diefelbe Gefinnung verpflichtete ihn aber auch zum Wider: 
ftand gegen die immer meiter getriebene Firterung der lutherifchen Theologie und darum 
egen die Einführung des Galovfchen Consensus repetitus fidei vere Lutheranae. 
—* der erſten Admonition der ſächſiſchen Theologen an die Helmſtädtiſchen vom 29. De: 
zember 1646 hatten auch die Jenaiſchen noch teilgenommen (vgl. Henke a. a. DO. II, 2, 
©. 118); als aber dann die Turfächlifchen in den Jahren 1650 und 1651 einen neuen 10 
fächfiichen Theologentag, wie den jenaifchen vom Jahre 1621, zur Aburteilung Calixts 
und wohl auch zur Annahnıe eines neuen Belenntnifjes verlangten, ließen die jenaifchen 
Theologen es durch ihre Herzöge als billig vorftellen, daß auch nichtfächfifche lutherifche 
Theologen, „jo fih der Sachen nicht teilhaftig gemacht”, mit zugezogen oder doch über 
das neue Belenntnis gehört werden müßten. Dadurch wurde der Theologenkonvent ver: 15 
hindert (vgl. Henke a. a. O. II, 2,233 ff). Als dann 1655 der Konfenfus in gejchärfterer 
Be von den kurſächſiſchen Theologen vollendet und unterjchrieben mar, weigerten 
Mufäus und die Sgenenfer beizutreten, da er „andern lutheriſchen Kirchenftänden, 
collegiis theologieis und ministeriis gar nicht fommuniziert worden”, da zwiſchen 
nötigen Glaubenslehren und Nebenfragen darin nicht unterjchieden, ſondern alles als 20 
fundamental behandelt fei, und da man nicht nur Lehren, fondern auch Perfonen ver: 
dammt habe (vgl.: Der Theologifchen Fakultät zu Jehn Bedenken — vom consensu 
repetito und: Bon dem Galirtinischen Syncretismo April 1680, abgebrudt bei Galov, 
Histor. syneret. p. 999—1089). Auf ihrem Widerſpruch beharrten fie aud in ben 
von 1670—72 durch Herzog Ernſt den Frommen betriebenen „auebenäberhanblungen, 25 
Nach dem Tode des Herzogs (geit. 1675) verbreitete man von Wittenberg aus „theo- 
logorum Ienensium errores“, deren in diefer Flugichrift 93 von Job. Reinhard zu: 
fammengeftellt waren, die meiften aus Mufäus’ Vorlefungen. Dieſer fette ihnen auf 
einhelligen Beichluß der Fakultät als derzeitiger Dekan "Der Jeniſchen Theologen aus: 
führlihe Erklärung über 93 vermeinte Religionsfragen oder Kontroverfien wie, was und 30 
aus mas Motiven und Gründen fie — gelehret oder nicht gelehret haben, auf Veranlaffung 
einer verleumberifchen Chartede u. S. f., 1677 (Vorwort vom 4. Sept. 1676) entgegen. 
(Am Anfange ein Bild des Mufäus, am Schluſſe Reinhards Flugſchrift.) 1677 trat 
Calov felbft in der Fortjegung feined systema locorum (tom. 8) gegen Mufäus, den 
Dr. Mediator, auf. 1678 und 79 folgten noch zwei anonyme Quartbände, morin 35 
Salon den Jenenſern Abfall von ihren rvechtgläubigen Vorgängern vorhalten ließ oder 
felbft vorbielt, im Jahre 1679 auch des —5 oben erwähnte Veröffentlichung gegen 
den Synkretismus, aber im September desſelben Jahres ließen die jungen Herzöge eine 
außerordentliche Vifitation über die Univerfität Jena ergehen, bei welcher den fämtlichen 
Brofefloren derfelben, 19 an der Zahl, eine neue Verpflichtungsformel aufgezwungen 40 
wurde, durch melde fie den Sat des Kaſſeler Kolloquiums von 1661, der Diftens mit 
den calvinifchen Lehrern gehe das Fundament des Glaubens nicht an, und dieſe könnten 
„ungeachtet des vorhandenen Diſſenſus in die Brüberfchaft mit diesjeitigen Theologen 
aufgenommen werden“, als bejonders „verdammlichen Synkretismus“ mit jedem anderen 
Synkretismus abjchwören mußten. (Die Verpflichtungsformel bei Tholud, Das akade— 46 
miſche Leben des 17. Jahrhunderts I, S. 6f.) Mufäus, damals Rektor der Univerfität, 
fol vergebens für fi) um ſechs Wochen Bedenkzeit gebeten haben (Gelbfe 1. c. II, 56), 
er reagierte noch gegen diefen Sieg Calovs in einem Bedenken von 1680 (j. o.), wogegen 
ihm dieſer jchon höhniſch feine neue Verpflichtung vorbalten fonnte (hist. syneret. ©. 111). 
Als eine feiner letzten mwiljenfchaftlichen Schriften und als zuſammenfaſſende Darftellung so 
feiner theologischen Prinzipienlehre ift zu nennen feine introductio in theologiam, qua 
de natura theologiae naturalis et revelatae, itemque de theologiae revelatae 
principio cognoscendi primo, scriptura sacra, agitur, Jena 1679. Er jtarb am 
4. Mat 1681. Bon Schriften, die aus feinem Nachlaß erfchienen, find noch ermähnens- 
wert feine praelectiones in epitomen Formulae Concordiae 1701. Das Vorwort 55 
N Buddeus isagoge, S. 1242 von Joh. Wilh. Bater d. J., einem Enkel des Muf., 
rof. in Altorf) nimmt Mufäus’ Gedächtnis gegen die Verdächtigungen feiner Orthoborie, 
wie fie Andreas Carolus in feinen Memorabil. ecclesiast. saec. XVII an drei Stellen 
ausgeiprochen hatte, in Schub. Die Schrift felbjt iſt deshalb wertvoll, weil fie neben der 
„Ausführlichen Erklärung” die einzige ift, die über des Muſäus dogmatifche Anfichten einen ı 


a 


576 Mufäns, Johann Mufäus, Peter 


Sejamtüberblid gewährt, Biel leiftet für den gleichen Zived pendium 
udn un hanihnihen "Baden 30 Rue SR Ba ad ——— 
yandjchriftli Fe —— hat, allerdings mit 





—* wer — Sieh Yen die Annahme hei und —— der 
eiligen Schrift des heiligen Geiſtes erklärt ee  Sab 
wschrnden, videhur autem da — 


in Schrift eine Bol eg lo L hud, Das 
el am ©0 Jahrh. ©. er ac — Ver “ En — 


Schrift nicht allein d begann a 
en iſt es jei” (vgl. Ausführliche een 29— 832). Et aber 


Major in Jena (geit. 1655) an Calov gejdhrieben babe, Musaeum 
» sophari, quam quod loquatur eloquia dei (jo Soc Tholud, Das —5* 
des 17. Sahrh. II, 67 nadı Andreas Garolus) bat * J. W. Baier d. J. a. a. Se 
und gezeigt, * dieſe Bemerkung von v oder ſeinem anonymen 
famne Mit mehr Recht iſt darauf —— u Pufäus die hatrliche © 
I»: einem volen Spiteme außgeRaltet —* und ſich * hat, 


36 genug 1 weg zu eben — —— enden u ur, man 
unter Mujäus einen Heim lien Aufflärer voritellen, der feine — 
— hätte. Was des — theologiſche —— ee iſt id 


m i be au Beten * —— mihfiel, —— m 
9— lieber bemühte, ſolche Gegner wiſſ | u 
richtigen, als fie durch kirchenpolitiſche Gemwaltafte mundtot zu machen, i zu be 
46 Er nicht minder aber, daß er Damit ben ee Zorn Cal 
er ir 


* jerger Drtboborie in der —3* en zu —— pain —* 
7) Johannes —— 


50 Muſäus, Peter, Lutherifcher 2 ul —— in Kiel, 1671. — 
en —— von —— —53 Witten, — 
1840—52 mit Verzeichnis feiner — —— * 84 die 
Be Seh * auf ihn gehalten hat). Joh. Moller, Cimbria literata 1744, T. ie S. —13; 
t. 3. Ehryſander, — professorum theologiae qui in — De EEE 
187—93: 6. N. —** bensbeſchreibung aller Profeſſorum ir du Mine 
* I, ©. 37596; F. W. Strieber, Heſſiſche Gelehrtengeſchichte Bd 9 BR. 


Peter Mufäus, Bruder des vorigen, geboren am 7. Februar 1620, hatte 
ähnlich wie jein Bruder, ſechs Jahre in Jena unter Stabl u. a, dann in 
ftubiert und war als Schüler Georg Calirts 1648 in Ninteln angeftellt, wo man damals 














Mufäns, Peter Musculus, Andreas 577 


gemäßigte Lutheraner aus deilen Schule allen vorzog, zuerit als Profeflor der Philofophie, 
fett 1653 als ordentlicher Profeſſor der Theologie. Als folcher nahmen er und fein 
Kollege of. Henichen als Iutberifche Theologen an dem Kolloquium zu Kaffel 1661 
teil und wurden darum für ihre Zugeltändniffe vor anderen getroffen von dem ganzen 
Unmillen aller derer, welche, was im weſtäliſchen Frieden politifch für die Gleichitellung 5 
und Einigung aller deutfchen Proteftanten trotz Kurſachſens Gegenbemühungen glücklich 
vollendet war, durch Erhaltung und Steigerung der theologischen Diffenfe noch möglicht 
wieder zu vereiteln, ich für verpflichtet hielten. Später foll Mufäus felbjt dur die 
Übergriffe der Reformierten infolge des Kaſſeler Kolloquiums verlegt und dadurch Rinteln zu 
verlajjen beitimmt worden fein. Bon 1663 — 1665 war er Brofeflor in Helmjtedt, und 1665 10 
ließ er fih an die neue Univerfität Stiel berufen, bei deren Eröffnung er als erſter Pro- 
rektor die Einmweihungsrede hielt. In diefer fpäteren Zeit äußerte er ſich ungünjtiger als 
früher über Synfretismus und Union, befonders in einem liber I de fugiendo syn- 
cretismo iussu Christiani Alberti Ducis Holsatiae scriptus ete. Kiel 1670. Mag 
ihn nun dazu weitere Erfahrung oder Anbequemung beitimmt haben, jedenfalls befriedigte 15 
er dadurch weder Reformierte noch Lutheraner, deren einer urteilte: Musaeum in libro 
hoc syncretismum non impugnasse sed defendisse (ſ. Moller 1. c.). Won Krank—⸗ 
beit die ganze Kieler Zeit hindurch geplagt, aber der ärztlichen Mahnung, fich zu fchonen, 
mit dem Worte miberjtebend: professorem oportet laborantem mori, jtarb er am 
20. Dezember 1674. Galov ſah in diefen frühen und qualvollen Tode eine verdiente 20 
Strafe für feinen Synkretismus (bist. syncret. S.610). Seine vielfeitige philoſophiſche 
Bildung und Gelehrſamkeit wurde der feines Bruders fogar überlegen geachtet; die theo- 
logiſche Richtung beider ftimmt im ganzen überein. Über feine fonftigen Schriften vgl. be: 
ſonders Moller und Strieder. Zwei Briefe von ihm, das Kaſſeler Kolloaunım betreffend, 
fteben in: Gel. aus alten Nachrichten gezogene Neuigkeiten, Nürnberg 1737, ©. 3 ff.» 
11 ff. (Hente 7) Johannes Kunze. 


Mujaph |. d. U. Gottesdienſt, fynagog. Bd VII ©. 11,31 ff. 


Musculus, Andreas, geſt. 1581. — Chriſt. W. Spieker, Beſchreibung u. Geſch. d. 
Marien- oder Oberkirche zu Frankf. a. O., Frankf. 1835; derſ., Lebensgeſch. des A. M., Frank⸗ 
furt a. O. 1858 (unüberſichtlich u. nicht immer zuverläſſig, dabei voreingenommen); L. Grote, 30 
Zur Charakteriſtik des A. M., 8hTh 1869, 377ff.; G. Kawerau, Koh. Agricola, Berlin 1881; 
M. Osborn, Die Teufelslitteratur des 16. Jahrh., Berlin 1893; derſ., Neudruck der Schrift 
d. M. Vom Hoſenteufel (Neudrucke deutſcher Litteraturwerke des 16. u. 17. Jahrh. Nr. 125); 
die Schriften über die Frankf. Univ., bei. Beemann, Notitia Univ. Francof. 1707, ©. 88ff., 
und die Schriften über die Kont.: Formel; Döllinger, Die Reformation II, 393 ff. Nach Spieler 35 
zeichnete 9. Weingarten in ber 2. Aufl. diefer Encykl. fein Bild, deſſen Auffag im folgenden 
einzelnes entlehnt ift. 

Der ftreitfertige Theologe aus dem Kreife der Gnefiolutberaner wurde 1514 zu 
Schneeberg in Sachſen geboren, von feinem Vater Johannes Meufel, Bürger und Rats: 
bern der Stadt, ftreng und firchlih Fromm erzogen und auf der Lateinfchule der Water: 40 
ſtadt, an der bis 1525 der befannte Hieron. Weller unterrichtete, vorgebildet. In Schnee: 
berg batte, dank der gemeinfamen Regierung der Erneftiner und Albertiner, Herzog Georg 
dad Aufkommen evangelifcher Anſchauungen nicht zurüdvrängen können, und feit den 
Verhandlungen zu Grimma, Juli 1531, leitete er auf die Mitregierung förmlich Verzicht. 
Gleichwohl wendete fh A. M. im SS. 1531 nach Leipzig, nicht nach Wittenberg, wo as 
er als Andreas Meusel Snebergensis immatrifuliert wurde und am 21. Februar 1534 
als dritter unter 8 Bewerbern die Baccalaureatsprüfung bejtand. Er verdiente ſich dann 
etlihe Jahre fein Brot als Lehrer junger Edelleute in Amberg, bezog aber im SS. 1538 
wieder die Univerfität, und zwar jest Wittenberg, mo er am 18. September 1539 Ma: 
gifter wurde und fich bei Melanchthon twie bei Luther zum evang. Theologen vorbildete. co 
„Ich Tage es für meine Perfon ohne Scheu”, Schreibt er 1561, „daß von der Apojtel 
Zeit ber fein größerer Mann gelebt oder auf Erden gekommen fei, . . . ala eben Yu: 
therus, und wohl zu jagen, daß Gott alle feine Gaben in dieſem einigen ausgegoſſen habe. 
Mer da will, der halte der alten Lehrer und des Luthers Gaben, Licht Verftand und 
Erkenntnis in geiftlihen Sachen gegeneinander, fo wird er augenfcheinlich befinden, daß sc 
fo großer Unterfchied fer zwiſchen den lieben alten Lehrern und Yutber, als zwiſchen der 
Sonne und de3 Mondes Scheine” (Spieler, U. M. ©. 7). Als Magijter verheiratete 
er fi, wohl mit der Schweiter von Job. Agricolas Frau, als deſſen „affinis" er in 
den Quellen mehrfach bezeichnet wird (CR IV 865; VI 111; Spieler ©. 319). Diefem 

Real:Gncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XI. 37 


Pt Andreas 










s 55 En an s idoneum 
t Franffurt | 
= wu um ‚die theol. — kl. 5 == beſetzt 





g⸗ nicht 

— ven und x —— darauf Bindfeil, Sup * * * Da er der 
erintendent Theod wer * ee | Doktor, eintreten 

* — —— = Y iſt der — Theod. 





hie 10 "c XII, 540). ——* na dies Vorgehen — — ſehr; 
ſuchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu beſchwichtigen 
ſendete auch der Frankfurter Univerſität eine Darlegu — vocabulo nitentiae ein 
(OR VI 104 ff. — Das Verhältnis des M. elanchthon Io Poli jeitdem getrübt. 
ideeus wurde als Nachfolger des Cordatus nadı Stendal berufen, M. ruckte —* * 
mter als Pfarrer an der Oberkirche und als Ordinarius der theol. wurde 
jetzt auch zum Neftor der Univerſität gewählt. Lange Zeit hindurch war er — einzig 
olog. Docent; erſt 1564 wurde h Körner (Cornerus) neben ihm zum Profeſſon 
Ar der Theologie — und A die Dritte —— wieder in Erwägung genommen (P. Net 
Die allgem. Statuten der Univ. Frankfurt, Breslau 1898 ©. 87). So war M. ein 
wichtiges ‚ bochangejehenes Glied der Univerfität; 1572 wurde er bei der Neformation der 
Umibeofiät zu einem ber Inſpektoren ernannt, welche die aan in der Abjol- 
vierung ber vorgejchriebenen Yektionen zu überwachen batten ( Fakultätsftatuten, 
s Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa 
—— aufgerichtet, vgl. ſeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum, 
1573. —I Soda nn Georg ernannte ihm noch kurz vor —* Tode zu einem der 
Vifitatoren der Ökonomie der Univerſität (Akten der Frankf. Univ. im Breslauer Univ. 
Archiv). Auc in der Kirche ftieg er au böberen Wü auf, indem er nadı Agricolas 
15 —* re der ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis. Francof. 
6 ) 

Sein Leben war ein unabläſſiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und 
auch in jeiner Natur. Sein Amt verwidelte ihn in fortgejegten Streit: erft mit einem 
katholiſch geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (j. oben) mit Ludeeus. erregte 

ihn das Interim, das er trog Agricola befäm fte. In dem —* folgenden Kampf um 
die Oſianderiſche Lehre von der Nechtfertigung and er ſich mit Ugricola wieder zuſammen 
— doch fcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der : euer der märki 
Konfejfton von 1552 wider Dfiander geweſen zu fein, fondern Agricola — | 
werau, Agr. ©. 304; Pr ana für Köſtlin ©. 80; Stfir 1901, —— ferner der 
ss in Königsberg unleidlich gewordene Stancaro jetzt nach Frantfurt fam ‚ geriet M, jofo 
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Herbjt 1552 über 
—— disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Net, (Ba 
Rawerau, — 306 ff. dazu auch den Brief Bindſeil, Suppl. p- 11, der von 155% 
a 


1556 ift.) Friedrich Staphylus, der einſt mit M. zuſammen in nn 
co batte, nad feinem Abfall zur katholiſchen Kirche fein Aufſehen erregendes, ges Bud) 













Muscnins, Andreas 679 


Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1:58, ausgehen ließ, und in 
diefem Bl. G 3? auch M. angriff als Vertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er 
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt habe, quod Christus etiam 
passus sit secundum divinam naturam, fv antwortete M. fluge: Responsio ad 
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): eg ſei erlogen, weder 6 
Yutber noch er bätten fo gelehrt; und er formulierte jest feine Wieinung folgendermaßen: 
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im- 
passibilem. Aber Stapbylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia 
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier jcharf (BL. K 6P bis M 6) 
durch den Nachweis ab, daß M. 1553 ſelbſt ein Schriftchen batte druden laffen, das ale 10 
Yutbers Yehre den Sat entbielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi- 
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylug 
bier aus, M. babe fich vergeblich bemüht, von der Frankfurter Univerfität dag Zeugnis 
zu erbalten, daß er nicht fo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief 
dieſe Kontroverje unglüdlih für M., und nur der allgemeine Unmille der Evangelifchen ı5 
gegen den Konvertiten, gegen den jeßt alle Richtungen vereint zu fümpfen hatten, kam 
ibm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon empbatifch als das unicum Ger- 
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint 
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge- 
priejen. 20 
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein- 
gefchräntt M. und Agricola Necht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin 
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, batte doch bier 
verftimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen 
den ‚Dbilippismug in der Dark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen jeinen 3 
Berliner Kollegen Propſt Bucbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeilterten Bbilippiften 
Abdias (Gottſchalk) Brätorius in ‚Frankfurt, der ein um fo gefährlicherer Gegner war, 
als er durch feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um feiner 
Sprachkenntniſſe willen dieſem auch für diplomatiihe Sendungen ſehr nützlich mar. 
Streitgegenjtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80 
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. BB IS. 253, Bd XII ©. 90). 1558 
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in 
Streitjchriften, die in den nächſten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgejegt. Schien 
der Kurfürſt 1560 Luſt zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu 
verweifen, fo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35 
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius jeine Sache verloren und entwich aus Der 
Mark, aber Buchbolzer führte jo kräftig feine Sache weiter und mußte namentlich Agri— 
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und 
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfehren konnte (April 1562). Aber ein 
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus mar 40 
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung 
im Yande im Einne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonifchen und anticalvintitifchen 
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend— 
mahl ausgeben — jene Antivort in den froptocalvinijtiichen Wirren, 1577 folgt eine 
„Widerlegung der Calviniften”. con 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 4 
tiarum ac dietorum“ Zeugnifie aus den Schriften der Alten zu Gunſten der lutberi- 
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Catechismus . . . der beil. alten 
Xehrer nah Ordnung der Hauptitüde des Katechismus” den Nachweis verjuct, daß 
Yuthers Lehre alt, die römische aber zwijcheneingefonmen fei. Joachim IT. beauftragte 
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yebrbefenntnis 50 
a Noch kurz vor jeinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu 
nach Berlin entboten, um mit ibm und den SHofpredigern Georg Göleftin und Paul 
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde 
jo Zeuge der letzten Xebenstage des Rurfürften, bielt ihm auch am 26. Januar 1571 die 
redigt im Berliner Dom. Johann Georg nabım die Arbeit wieder auf: fie er: 5 
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem Fl. Katechismus jene große Yebrjchrift ent— 
baltend (vgl. Bd IV 2.296,55). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus: 
Hochnüglicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern ... Xutberi zu: 
fammengebracdt” einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders ın „allen 
Anfecbtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troſt und Belehrung bieten follte, aber © 
4 


— Andreas 









lanchthon er als den — Mysnensis ‚que —— idoneum 
Br —— — Er 
um Die D) Dee ) 4 
ag de einen zweiten Doet. Theol. und einen dazu seigneen Heiſtlichen (Bi 
tation der Univ. vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur der Bfarrer Jo 
und M. vorhanden, und feiner von beiden ivar Doet. theol. Joachim 
ee ee | 
—*— nach Frankfurt zu REN um dort dieje beiden ‚une promovieren, Melanch⸗ 
——— ber Bitte zu ur mm ee N er auf, über die er 
die Doktoranden disputieren laffen könne (CR VI 22. — * —— 
trat auch die Reiſe an, erkrankte aber unterwegs über — et, fonnte 
20 weiterfahren und fiarb. bald. darauf — erg bg 5 Se der 
Zerbſter Superintendent Theodor 5 
und die Promotion vollziehen (bei San Notii 88 yn ber —— 
Franciscus, „eujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre lieuit“). 
war aber M. durch Thejen, die er ſelbſt aufgejett batte, J Ludecus in Euch geaten * 
—* augleich —— und die ganze Wittenberger Theologie begeben — 
ſten, über die Taufe Johannis und über den 
* 10 "c NZ. 540). Melanchthon verdroß dies Vorgeben feines ——— Es 
juchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu 
jendete auch der rg Univerfität eine een en ala 
»(CR VI 104 ff. 108 ff). Das Verhältnis des M = elanchthon bli ———— 
—— wurde als er des Gordatus nach Stendal berufen, M. rüdte in feine 
mter als Pfarrer an der berkirche und - inarius der theol. Fakultät ein, wurde 
— er Rektor ber Univerfität Lange Zeit hindurch war er der einzi 
theol erſt 1564 wurde t Kom (Cornerus) neben ibm zum S | 
35 = A —— und auch die dritte Nur wieder in Erwägung genommen 
e allgem. Statuten ber Univ, Frankfurt, eslau 1898 ©. 87T). So war ein 
ihn es, bochangejebenes Glied der Univerfität: 1572 wurbe er bei der Reformation der 
Uniberfität zu einem der Inſpeltoren ernannt, nt, wel die — —— in der Abſol⸗ 
vierung der vorgeſchriebenen Lektionen zu überwachen hatten (Neb, Die Fakultätsſtatuten, 
10 Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa 
communis, rn vgl. jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum, 
1573. Kurfürſt Johann Georg ernannte ibn noch kurz vor name ‚Tode zu einem ber 
Viſitatoren der Ökonomie der Univerfität (Akten der Frankf, Univ, im Breslauer Univ. 
Archiv), Auch in der Kirche ſtieg er zu höheren Würden auf, indem. er nad — 5** 
1 Tode ar eg der ganzen ‘ art wurde (Solemnia anni seeularis. Francof. 
1606 L 2 
Sein Leben war ein umabläffiger Kampf; das lag in ben — und 
Per in feiner Natur. Sein Amt vertoidelte ibn in fortgejegten Streit, mit einem 
oliich gejinnten Gegner Baul Grenäus, dann (j. oben) mit Yubecus, erregte 
ihn das Interim, das er troß Agricola befämpfte. In dem nun folgenden Kampf um 
die Oſianderiſche Lehre von derXechtfertigung fand er ſich mit * hc zuſammen 
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der a al 
Konfeſſion von 1552 tiber Oſiander geivejen_ zu jein, ſondern le Me cm 


werau, Agr. S. 304; Fejtichrift für Köſtlin ©. 80; Stſtr 1901, er 
5 im Königsber unleidli gewordene Chancen jet nach pre ſofort 
mit ihm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin m SHerbt 1552 —— Chriſt 
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als — und gab M. Recht. (Ba 
Hamerau, ar 306 ff. Dazu aud den Brief Bindfeil, Suppl. p. 451, ae von dh ’2, mid 
1556 it.) ls Friedrich Stapbpius, der einjt mit M. zufammen in Wittenberg tubier 
co batte, nach feinem Abfall zur katholischen Kirche fein Kuffchen —— gehäſſi⸗ 
























Musculus, Andreas 579 


Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 15.8, ausgehen lich, und in 
dieſem BI. G 3 aub M. angriff als Vertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er 
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt babe, quod Christus etiam 
passus sit secundum divinam naturam, fo antwortete WM. fluge: Responsio ad 
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 5 
Yutber noch er bätten fo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen: 
Hoc cerucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im- 
passibilem. Aber Stapbylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia 
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fcharf (Bl. K 6P bis M 6) 
durch den Nachweis ab, daß M. 1553 felbjt ein Schriftchen hatte druden laſſen, dag ale 10 
Luthers Lehre den Satz enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi- 
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus 
bier aus, M. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis 
zu erbalten, daß er nicht jo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief 
dieſe Kontroverje unglüdlich für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelischen 
gegen den Stonvertiten, gegen den jet alle Richtungen vereint zu kämpfen batten, kam 
ibm zu Hilfe. Gegen St. hatte M. noch Melanchthon empbatiich als das unicum Ger- 
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genoinmen, und ihn mit Yuther vereint 
ald die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge- 
priejen. 20 
Aber dag Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein— 
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin 
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, batte doch bier 
verftimmt und balf den mebrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen 
den Vbhilippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen feinen 25 
Berliner Kollegen Propit Bucbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeifterten Philippiſten 
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in ‚srankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war, 
ale er durd feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ji erwarb und um feiner 
Sprachkenntniſſe willen diefem aud für diplomatiiche Sendungen ſehr nüßlich war. 
Streitgegenjtand wurde die ‚sormel des Frankfurter Nezefles: Nova obedientia est ne- 80 
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (val. Bd IS. 253, Bd XII S. 90). 1558 
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in 
Streitichriften, die in den nächſten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgefeßt. Schien 
der Kurfürſt 1560 Luſt zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu 
verweilen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35 
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Zache verloren und entwich aus der 
Mark, aber Buchholzer führte jo kräftig feine Zache weiter und mußte namentlich Algri- 
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joahim fiegte und 
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfebren Tonnte (April 1562). Aber ein 
Jahr darauf war völliger Stimmungswechfel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40 
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung 
im Yande im Sinne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonifchen und anticalvinijtischen 
Yutbertumsd zu. In den Jabren 1571 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend: 
mabl ausgeben — feine Antwort in den froptocalviniftiichen Wirren, 1577 folgt eine 
„WBiderlegung der Calvinijten“. Schon 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 45 
tiarum ac dictorum“ Zeugniffe aus den Schriften der Alten zu Gunſten der Tutberi- 
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Gatechismus . . . der heil. alten 
Lehrer nad Ordnung der Hauptitüde des Katechismus” den Nachweis verjuct, das 
Yutbers Lehre alt, die römifche aber zwiſcheneingekommen fei. Joachim IT. beauftragte 
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yuthers Werfen ein Yehrbefenntnis 
en Noch kurz vor feinem Ende hatte jener im Dezember 1570 M. zu 
h nah Berlin entboten, um mit ibm und den SHofpredigern Georg Cöleſtin und Paul 
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde 
fo Zeuge der letten Yebenstage des Kurfürjten, bielt ibm auh am 26. Januar 1571 die 
Leihenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm die Arbeit wieder auf: fie er: © 
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem fl. Katechismus jene große Yebrichrift ent: 
baltend (vgl. Bd IV S. 296,35). M. lie dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus: 
Hochnüßlicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern... Yutberi zu: 
fammengebradt”“ einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen 
Anfecbtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troſt und Belehrung bieten jollte, aber 60 
37 * 


6 


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578 Musenlus, Andreas 
danken, daß er im —F 1541 an der Frankfurte Univerfität Be: 


eich. bekam er einen N an "der Franziskaner⸗ (Unter-) 
See Op umge az: — — 







—5 — — der 
f, nach Frankfurt zu —— um dort dieſe beiden in — 
— zu, ber Sitte zu olgen, und feste ibm ſogar 
Doktoranden disputieren laſſen fünne (CR VI 25. XI 60, val. 
trat auch die Reife an, erkrankte aber untertvegs über der Kälte des Winters, fonnte 
> jweiterfahren und ftarb bald darauf EBEN —— S. BE 2 — 
Zerbſter Superintendent Theodor Fabrieius, gleichfalls 
und die Promotion vollziehen (bei ann, Notitia p. 88 tft der ie ale: - 
Franciscus, „cujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre lieuit 
war aber Di, —— — 2 die er ſelbſt aufgeſetzt hatte, mit Ludecus in — geraten und 
26 hatte zus zugleich Melanchthon und die ganze Wittenberger Theologie 2 ** ui 
7 über die Taufe Johannis und über den jegen 
Theje 10 XII, 540). Melandıthon verbroß Dies ar — ——— 
* — jerem ie (12. April Bun zu — ehren * zu beſchw * 
ete a er niverfität eine Darlegung de voca — 
»w(CR VI 104jf. 108 Das Verhältnis des M, u u Melanthon blieb ſeitdem — 
8 wurde ala Size des Gordatus nad Stendal berufen, M. rückte im feine 
Ämter als Pfarrer an der Oberfirche und als Ordinarius der tbeol. Fakultät ein, wurde 
jegt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit hindurch mar er der inzig 
theolog. Docent; erſt 1564 wurde Chef h Körner (Cornerus) neben ibm zum Profeſſt 
86 der Thenlogie 6 und auch die dritt er ofejjur wieder in Erwägung genommen er Met 
Die allgem. Statuten der Univ, Sranffurt reslau 1898 ©. 87) So war M. 
wichtiges, hochangeſehenes Glied der Univerſität; 1572 wurde er bei der Reformation 
Univerjität zu einem ber Inſpektoren ernannt, twelche bie übrigen Profeſſoren in der N J 
vierung der vorgeſchriebenen Lektionen zu uͤberwachen hatten (Reh, Die Fakultätsſtatuten, 
40 Brest. 1900 S. 85). Auf ſeine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa 
communis, aufgerichtet, cal jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum, 
1573. Kurfürſt yobanıt — ihn noch kurz vor ſeinem Tode zu einem be 
Vifitatoren der Ofonomie der niverfität (Akten der Frankf. Univ, im Breslauer Univ. 
Archiv). Auch in der Kirche ftieg er vn u böberen Wü auf, indem er —— 
15 Tode ee der ganzen Darf wurde (Solemnia anni secularis. Francof 
1606 
Sein Leben war ein unabläſſiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und 
auch in ſeiner Natur. Sein Amt verwickelte ihn in —— ui Streit: mit einem 
— geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (ſ. oben) mit Ludecus erregte 
= ihn das Interim, das er troß Agricola befämpfte. In dem nun folgenden Kampf um 
die Oſianderiſche Lehre von derNechtfertigung fand er ſich mit Agricola wieder 
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, der Berfafler ber | 
Konfejlion von 1552 wider Oſiander geweſen zu fein, fondern Agricola jelbit 
werau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köftlin ©. 80; Stfir 1901, Er 
5 im Königsb unleidli geivordene Stancaro“ jetzt nad) een 
mit ibm im Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Per "1552 ; 141] 
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. er z06 
Kawerau, ar 306 ff. dazu auch den Brief Bindjeil, Suppl. p. 451, ber von nich 
1556 iſt) Als Friedrich Staphylus, der einſt mit M. zujammen in Wittenberg 
co batte, * ſeinem Abfall zur katholiſchen Kirche ſein Aufſehen erregendes, aebäfliges 
































Musculus, Andreas 579 


Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1:58, ausgehen lie, und ın 
dieſem Bl. G 3? aub M. angriff als Vertreter „valentinianischen” Irrtums, meil er 
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt habe, quod Christus etiam 
passus sit secundum divinam naturam, je antwortete M. Fluges: Responsio ad 
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es jei erlogen, weder 6 
Yutber noch er bätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen: 
Hoc cerucifixum est, quod incarnatum est .. . divinitatem vero servavit im- 
passibilem. Aber Staphylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia 
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fharf (Bl. K 6P bis M 6) 
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 ſelbſt ein Schriftchen hatte druden laſſen, das ale 10 
Luthers Lehre den Satz enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi- 
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus 
bier aus, Di. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis 
zu erhalten, daß er nicht fo gelehrt babe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief 
dieje Kontroverfe unglüdlich für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelifchen 15 
gegen den Stonvertiten, gegen den jeht alle Richtungen vereint zu fämpfen batten, kam 
ihm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon emphatiſch als das unicum Ger- 
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schu genommen, und ihn mit Yuther vereint 
ald die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge- 
priefen. 20 
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein— 
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin 
zu kommen und ſelber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier 
verſtimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen 
den Philippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola dieſen vor allem gegen feinen 25 
Berliner Kollegen Propſt Buchbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeifterten Bbilippiften 
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in ‚Frankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war, 
ale er dur feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um feiner 
Spracdhtenntnifje willen dieſem auch für diplomatische Sendungen ſehr nüßlich war. 
Streitgegenjtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 0 
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vol. Bd IS. 253, Bd XII S. 90). 1508 
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in 
Streitichriften, die in den nächjten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgefeßt. Schien 
der Rurfürjt 1560 Luſt zu baben, durch ein Friedensmandat die Gegner zur Ruhe zu 
verweifen, fo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35 
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Zace verloren und entwich aus der 
Dart, aber Buchholzer führte jo kräftig feine Sache weiter und wußte namentlich Agri- 
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim ſiegte und 
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfebren konnte (April 1562). Aber ein 
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40 
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung 
im Yande im Sinne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonischen und anticalvinijtischen 
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über dag Abend: 
mabl ausgeben — jeine Antwort in den froptocalviniitiihen Wirren, 1577 folgt eine 
„Widerlegung der Calviniſten“. Schon 1552 batte er in jeinem „Enchiridion senten- 4 
tiarum ac dietorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunſten der lutheri- 
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Catechismus . . . der heil. alten 
Lehrer nad Ordnung der Hauptitüde des Katechismus“ den Nachweis verjucht, daß 
Zutbers Lehre alt, die römische aber zwiſcheneingekommen fei. Joachim II. beauftragte 
ibn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yehrbefenntnis 50 
ufammenzuftellen. Noch kurz vor jeinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu 
nach Berlin entboten, um mit ıbm und den Hofpredigern Georg Cöleſtin und Baul 
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde 
jo Zeuge der legten Yebenstage des Rurfürften, bielt ibm auch am 26. Januar 1571 die 
Leichenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nabm die Arbeit wieder auf: fie er: 5 
ſchien 1572, neben der Conf. Aug. und dem Fl. Katechismus jene große Yehrjchrift ent: 
baltend (vgl. Bd IV 2.206,39). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus: 
Hochnützlicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern ... Lutheri zu: 
fammengebradht” einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen 
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belebrung bieten follte, aber vo 


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578 Musculus, Andreas 
daß er im WE. 1541 an ber Frankfurter Univerfität Be— 


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landıtbon | im als ben ingenioens Mynensis, quem coneionibus idoneum 
10 —— — IV 865). Aber Agricolas Can hielt ihn im Frankfurt feit. Es 
a Auen Fakultät dajelbft. Drei Lehrſtühle jollten bejegt fein durch 
‚ einen zweiten Doet. Theol. und einen geeigneten Geiftlichen (Bifi- 
iin vn vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur ber ea Te Babe 
vorhanden, und feiner von beiden war Doet. theol. 

Anfang Yet Yapre 1546 Kon. Cordatus in Stendal, der \ 
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Doktoranden bisputieren laſſen fünne (CR V. 25. XI Fi — VI —— ee 
* die Reiſe an, erkrankte aber unterwegs über der A 

0 tweiterf und jtarb bald darauf ne ———— A 369). nie — 
Zerbſter Superintendent Theodor Fabrieius, gleichfalls > it dr Same ent 
und die Promotion vollziehen (bei ann, Notitia p. 88 ijt ber ia 
ranciscus, „eujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre leuten), 2 
war aber Wi. durch Thejen, die er jelbit —5 etzt hatte, mit Ludeeus in Streit us geraten und 
25 Yin zugleich Melanchthon und die ittenberger rt über die 
ften, über die Taufe *8 nnis und über den an berg der Buße gegen 

Tode 10 XII, 540). Melanchtbon verbroß Dies ln feines Schülers —* se 

h a in Lo erem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu htig 
ae Univerfität eine —— e vocabulo ae cin 
J vr DLR. 108 ff). Das Verbältnis des M. u  Snelanchtkon bli ſeitdem getrübt. 
decus wurde als chf er des Cordatus nad Stendal berufen, M. rüdte in 
Amter als Pfarrer an der berfirhe und als Ordinarius der ei Aal in, wune 
jetzt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit bindurd war er der ein; 
ia. Doc; m erit 1564 wurde Chrfte h Körner (Gornerus) neben ibm zum ® rofeſſe 
36 * logie beftell t und aud) die dritte Ye sofellu ur wieder in Erwägung —— ‚Mel: 
— 5* allgem. —— oe an Ireslau * ©. RE war % ein 
wi j ng es er Univerſität; 1572 wurde er bei ber Reformation be 
Un m einem der Inſpektoren ernannt, welche die übrigen ‚Drofenipuen. in der‘ bio! 
bierung der vorgeichriebenen Lektionen zu überwachen hatten (Reh, Die Yakultätsftatut 
40 Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa 
communis, aufgerichtet, vgl. jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum, 
1573. Kurfürft yohann eorg ernannte ibn noch kurz vor jeinem Tode zu einem der 
Viſitatoren der ») onomie der Univerfität (Akten der * Univ. im Breslauer Uni. 
Archiv). Much in der Kirche jtieg er 8 höheren Würden auf, indem er ern er 
1 Tode ae ber ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis. 
1606 L 2), 

Sein Leben war ein unabläjfiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und 
auch in feiner Natur. Sein Amt verwidelte ihn in fortpeiekten Streit: — 
katholiſch geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (j. oben) mit Ludecus. 

ihn das Interim, das er trotz Agricola befämpfte. In dem nun, —— 
die Oſianderiſche Lehre von der Rechtfertigung fand er ſich mit ——— 
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, der Ver af der mär 
Konfeffion von 1552 wider Dfiander geweſen zu fein, jondern Agri ſelbſt (vgl. 
iverau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köftlin ©. 80; Stftr 1901, 137), As ferner der | 

ss in Königsberg unleiblic geivordene Stancaro jeht nach Frantfurt fam, geriet M, er 
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Hexbit 1552 über Chriſti 
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Necht, (Mal 
Kawerau, Agr, 306 FF. dazu auch den Brief Bindfeil, Suppl. p. 451, der von 1552, nid 
1556 if) Als Friedrich Stapbylus, der einjt mit M. zufammen in Wittenberg 

PM zer nadı feinem Abfall zur — Kirche fein Aufſehen erregendes, gehäſſt 





— 00— 













Muscnius, Andreas 579 


Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1558, ausgehen lich, und ın 
dieſem Bl. G 3° auh M. angriff als Vertreter „valentintaniichen” Irrtums, weil er 
„ex sententia Lutheri“ in Streit mit Ztancaro gelehrt babe, quod Christus etiam 
passus sit secundum divinam naturam, jo antwortete M. flugs: Responsio ad 
virolentum et maledicum seriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 6 
Yutber noch er hätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen: 
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im- 
passibilem. Aber Staphylus replizierte in jeiner Defensio pro trimembri theologia 
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier ſcharf (Bl. K 6P bis M 6) 
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 felbit ein Schriftchen batte druden laflen, das als 10 
Yutbers Yehre den Zaß enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi- 
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus 
bier aus, M. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität dag Zeugnis 
zu erhalten, daß er nicht fo gelehrt babe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief 
dieſe Kontroverſe unglüdlib für M., und nur der allgemeine Unwille der Gvangelifchen 
gegen den Stonvertiten, gegen den jeßt alle Nichtungen vereint zu fümpfen hatten, kam 
ihm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon empbatiich als das unicum Ger- 
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint 
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge- 
riefen. 20 
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein- 
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin 
zu kommen und ſelber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier 
verſtimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen 
den Philippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola dieſen vor allem gegen ſeinen 25 
Berliner Kollegen Propſt Buchholzer, zu führen, ſo M. gegen den begeiſterten Philippiſten 
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in Frankfurt, der ein um ſo gefährlicherer Gegner war, 
als er durch ſeine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um ſeiner 
Sprachkenntniſſe willen dieſem auch für diplomatiſche Sendungen ſehr nützlich war. 
Streitgegenſtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80 
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. BB IS. 253, Bd XII SC. 90). 1558 
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Ranzel begonnen und dann auch in 
Streitichriften, die in den nächjten Jabren bin und ber flogen, eifernd fortgefegt. Schien 
der Kurfürſt 1560 Yuft zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu 
verweifen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch heftige Schwanfungen 35 
mit fich: im Februar 1562 gab Prätorius jeine Sache verloren und entwich aus Der 
Mark, aber Buchholzer führte jo Fräftig jeine Sache weiter und mußte namentlich Agri- 
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und 
Prätorius triumpbierend nad) Frankfurt zurüdfehren fonnte (April 1562). Aber ein 
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus mar 40 
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung 
im Yande im Sinne eines fcharfgejpannten antimelanchtbonifchen und anticalvinijtischen 
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend: 
mahl ausgeben - - feine Antwort in den Irpptocalviniftiihen Wirren, 1577 folgt eine 
„Widerlegung der Calviniſten“. Schon 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 4 
tiarum ac dictorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunjten der Tutheri- 
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Gatechismug ... . der heil. alten 
Yehrer nad Ordnung der Hauptitüde Des Katechisinus” den Nachweis verjucht, daß 
Luthers Lehre alt, die römifche aber zmwijcheneingefommen fei. Joachim II. beauftragte 
ihn, für ein brandenburgijches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yehrbefenntnis 50 
a a Noch kurz vor feinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu 
nach Berlin entboten, um mit ihm und den Hofpredigern Georg Göleftin und Baul 
Musculus (einem jüngeren Bruder Des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde 
fo Zeuge der leßten Yebenstage des Rurfürjten, hielt ibm auch am 26. Januar 1571 die 
Zeichenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm Die Arbeit wieder auf: fie er: 55 
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem fl. Katechismus jene große Yehrjchrift ent: 
baltend (vgl. Bd IV S. 296,33). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus: 
Hochnüglicher teurer Schab und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern... Xutberi zu: 
ſammengebracht“ einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen 
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belebrung bieten follte, aber @ 
37* 


u 


6 


578 Musculus, Andreas 


hatte er es auch zu danken, daß er im WE. 1541 an der Frankfurter Univerfität Be: 
ſchäftigung fand; zugleich befam er einen Predigerpoften an der Franziskaner- (Unter) 
Kirche daſelbſt. Er ſtand bier auf Seite des Alefius in dem ärgerlihen Streit mit 
Chriftoph v. d. Straßen, der den accessus ad publicas meretrices in Schuß ge 
b nommen hatte. Als Alefius über diefer Sache Frankfurt verließ, da wünſchte aub M. 
fortzugehen, und jener cınpfahl ihn warm für ein Predigtamt in Nürnberg: er babe außer 
der Schwägerfchaft nichts „Islebianum“ an fich, fei ein nicht nur jtimmbegabter, jondern 
auch beredter Prediger, affert meditatas conciones (Spieler ©. 319); und aud We 
lanchthon empfahl ihn als den ingeniosus Mysnensis, quem concionibus idoneum 
10 arbitrarer (CR IV 865). Aber Agricolas Einfluß hielt ihn in Frankfurt feft. Es 
jtand traurig um die theol. Fakultät daſelbſt. Drei Lehrſtühle follten bejegt jein durch 
den Ordinarius, einen zweiten Doct. Theol. und einen dazu geeigneten Geiftlichen (Viſi⸗ 
tattion der Univ. vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur der Pfarrer Joh. Ludecus 
und M. vorhanden, und feiner von beiden war Doct. theol. Joachim II. forderte daber 
15 zu Anfang des Jahres 1546 Konr. Cordatus in Stendal, der Wittenberger Doktor war, 
dringend auf, nad Frankfurt zu fahren, um dort dieſe beiden zu promovieren. Meland- 
thon redete ihm zu, der Bitte zu folgen, und jeßte ihm jogar die Theſen auf, über die er 
die Doktoranden disputieren laſſen fünne (CR VI 25. XII 539, vgl. VI 107). Cordatus 
trat auch die Reife an, erkrankte aber unterwegs über der Kälte des Winters, konnte nit 
20 mweiterfahren und ftarb bald darauf (Bindſeil, Supplementa ©. 363). Ta mußte der 
Zerbfter Superintendent Theodor Fabricius, gleihfallg Wittenberger Doktor, eintreten 
und die Promotion vollziehen (bei Becmann, Notitia p. 88 ift der Name entftellt: Theod. 
Franciscus, „cujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre licuit“). Inzwiſchen 
war aber M. durdy Thejen, die er ſelbſt aufgefett hatte, mit Ludecus in Streit geraten und 
25 hatte zugleich Melanchthon und die ganze Wittenberger Theologie angegriffen: über die 
Lehre vom Falten, über die Taufe Johannis und über den Begriff der Buße (gegen 
Ihefe 10 CR XII, 540). Melanchthon verdroß dies Vorgehen feines Schülers fehr; er 
juchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu befchmichtigen, 
jendete auch der Frankfurter Univerfität eine Darlegung de vocabulo poenitentiae ein 
3 (CR VI 104ff. 108 ff), Das Verhältnis des M. zu Melanchthon blieb ſeitdem getrübt. 
Ludecus wurde ald Nachfolger des Cordatus nad Stendal berufen, M. rüdte in feine 
Ämter als Pfarrer an der Oberfirche und ale Ordinarius der theol. Fakultät ein, wurde 
jegt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit hindurch mar er der einzige 
tbeolog. Tocent; erft 1564 wurde Chriftoph Körner (Cornerus) neben ihm zum Profejlor 
35 der Theologie beitellt und auch die Dritte Frofeflur wieder in Erwägung genommen (P. Reb, 
Die allgen. Statuten der Univ. Frankfurt, Breslau 1898 ©. 87). So war M. en 
wichtiges, hochangefehenes Glied der Univerfität; 1572 wurde er bei der Reformation ber 
Univerfität zu einem der Inſpektoren ernannt, welche die übrigen Profefjoren in der Abjol: 
vierung der vorgejchriebenen Yeltionen zu übertvachen batten (Reh, Die FYakultätsitatuten, 
40 Bresl. 1900 S. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvift der Studenten, die Mensa 
communis, aufgerichtet, vgl. feine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum, 
1573. Kurfürft Johann Georg ernannte ihn noch kurz vor feinem Tode zu einem der 
Vifitatoren der Ufonomie der Univerfität (Akten der Frankf. Univ. im Breslauer Univ: 
Arhiv). Auch in der Kirche ftieg er zu höheren Würden auf, indem er nad Agricolas 
15 Tode Generalſuperintendent der ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis. Francof. 
1606 L 2b). 

Sein Xeben war ein unabläjliger Kampf; das lag in den Verhältnilfen — und 
auch in jeiner Natur. Sein Amt verwidelte ibn in fortgejegten Streit: erft mit einem 
fatbolifch gefinnten Gegner Paul Grenäus, dann (f. oben) mit Ludecus. Dann erregte 

ihn das Interim, das er trog Agricola befämpfte. Sr dem nun folgenden Kampf um 
die Ofianderifche Lehre von der Rechtfertigung fand er fih mit Agricola wieder zufammen 
— doch fcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der Verfaſſer der märki 
Konfeſſion von 1552 wider Oſiander geweſen zu fein, fondern Agricola ſelbſt (vgl. Ka: 
werau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köſtlin S. 80; Str 1901, 137). Als ferner der 

65 in Königsberg unleidlich gewordene Stancaro jegt nach Frankfurt fam, geriet M. fofort 
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Herbft 1552 über Chrifti 
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Recht. L. 
Kawerau, Agr. 306 ff. dazu auch den Brief Bindjeil, Suppl. p. 451, der von 1552, nicht 
1556 ft.) Als Friedrich Stapbylus, der einft mit M. zufammen in Wittenberg ſtudiert 

co batte, nad feinem Abfall zur katholischen Kirche fein Yuffehen erregendes, gehäfliges Buch 


Muscnins, Andreas 579 


Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1558, ausgehen ließ, und in 
diefem Bl. G 3P auch M. angriff als Bertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er 
„ex sententia Lutheri” im Streit mit Stancaro gelehrt habe, quod Christus etiam 
passus sit seecundum divinam naturam, fo antwortete M. flugs: Responsio ad 
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 5 
Luther noch er hätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen: 
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im- 
passibilem. Aber Staphylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia 
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fharf (Bl. K6P bis M 6) 
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 felbft ein Schriftchen hatte druden laffen, das als 10 
Luthers Lehre den Sat enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi- 
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Staphylus 
bier aus, M. habe fich vergeblich bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis 
zu erhalten, daß er nicht jo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief 
dieſe Kontroverje unglüdlih für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelischen 
gegen den Konvertiten, gegen den jetzt alle Richtungen vereint zu kämpfen hatten, kam 
ihm zu Hilfe. Gegen St. hatte M. noch Melanchthon emphatiich ald das unicum Ger- 
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint 
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge: 
riefen. 20 
Aber dag Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein- 
geihräntt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin 
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier 
veritimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen 
den Vhilippismus in der Dark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen feinen 25 
Berliner Kollegen Bropft Buchholzer, zu führen, fo M. gegen den begeifterten Bhiltppiften 
Abdiad (Gottſchalk) Prätorius in Frankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war, 
als er durch feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims fih erwarb und um feiner 
Sprachkenntniſſe willen diefem auch für diplomatische Sendungen . fehr nüglich war. 
Streitgegenitand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80 
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. Bd I ©. 253, Bd XII ©. 90). 1558 
brach der Streit aus, von M. in Heftigkeit auf der Kanzel begonnen und dann auch in 
Streitichriften, die in den nächſten ‘Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgejegt. Schien 
der Kurfürjt 1560 Yuft zu haben, durch ein ;srievensmandat die Gegner zur Ruhe zu 
verweiſen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwanfungen 35 
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Sache verloren und entwich aus der 
Mark, aber Buchholzer führte fo kräftig feine Sache weiter und wußte namentlicd) Agri- 
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und 
Prätorius triumphierend nah Frankfurt zurücdfehren konnte (April 1562). Aber ein 
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40 
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung 
im Yande im Einne eines fcharfgefpannten antimelandhthonischen und anticalviniſtiſchen 
Luthertums zu. In den Jahren 157-4 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend: 
mahl ausgehen — jeine Antwort in den fryptocalviniftifchen Wirren, 1577 folgt eine 
„Widerlegung der Galviniften”. Zchon 1552 hatte er in feinem „Enchiridion senten- 45 
tiarum ac dietorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunften der lutheri- 
jchen Lehre gejammelt, und ebenſo 1555 in feinem „GSatechismug . . . der beil. alten 
Lehrer nad Ordnung der Hauptjtüde des Katechismus” den Nachweis verfucht, daß 
Luthers Lehre alt, die römische aber zwiſcheneingekommen fei. ‘Joachim II. beauftragte 
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Luthers Werken ein Yehrbefenntnig 50 
Tr uftellen. Noch kurz vor jeinem Ende hatte jener im Dezember 1570 M. zu 
nad Berlin entboten, um mit ibm und den Hofpredigern Georg Cöleftin und Paul 
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde 
jo Zeuge der leßten Yebenstage des Kurfürften, bielt ihm auch am 26. Januar 1571 die 
tchenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm die Arbeit wieder auf: fie er: 5 
fchien 1572, neben der Conf. Aug. und dem El. Katechismus jene große Yehrjchrift ent: 
haltend (vgl. Bo IV S.296,3). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus: 
Hochnüglicher teurer Schag und Gülden Kleinod... . aus den Büchern ... Zuthert zu: 
fammengebradht” einen Auszug aus Yuthers Schriften folgen, der befonders in „allen 
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belehrung bieten follte, aber @ 


37” 


— 


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580 Musculus, Andreas 


doch nah des M. Sinn auch der kräftigen Polemik gegen allerlei Ketzerei nicht entbehtt. 
Wir finden M. ferner im Juni 1576 mit feinem Kollegen Körner (Cornerus) auf dem 
Torgauer Konvent bei den Beratungen über dag Torgiſche Bud und im Syrübjahr 1577, 
wieder zuſammen mit Cornerus, in Kloſter Bergen bei der endgiltigen Redaktion der Kon- 

5 fordienforimel als Vertreter der Turbrandenburgifchen Kirche beteiligt (Bd X ©. 741f), 
die nunmehr feft auf dein Boden der bier firierten lutherifchen Lehre ſtand. 

Auch in der eignen Gemeinde gab es für ihn manden Kampf. Vor allem mit dem 
Magiftrat, über das Necht, Die Diakonen (apläne) anzuftellen und zu entlaffen, das beide 
Teile für ft beanjpructen, über Anderungen in der Liturgie und an der Ausftattung 

10 der Kirche; Schule und Hofpital gaben gleichfalls Anlaß zu Kompetenzitreitigteiten. 
Wiederholt mußte der Kurfürft eingreifen und dieje Streitigkeiten fchlichten. M. verbitterte 
diefe Kämpfe, bei denen er oft gute kirchliche Intereſſen (befjere Befoldung der Geijtlichen, 
Verwendung des Kirchengutes für kirchliche Zwecke u. dgl.) wahrnahm, durch feine Heftig: 
feit und durch die Gewohnheit, feine Klagen alsbald auf die Kanzel vor die Gemeinde 

15 zu bringen. Kämpfte er dabei auch oft für feine eigne materielle Yage und zur Beirie 
digung feiner Bauluft, unter Berufung auf feine alten treuen Dienfte, und daß er fib 
in jungen Jahren bei ihnen abgearbeitet, jo gab er doch von dem, was er fo erlangte, 
gern und reichlich den Armen und den Studierenden, die er oft über Vermögen unter: 
jtügte; feine Witwe — feine zweite rau — hinterließ er in Armut. Vor allem aber 

20 war e8 die Not der Kirche und derer, deren Mutter die Kirche fein foll, deren er fi 
eifrig, freilih nicht ohne Yeidenfchaftlichkeit, angenomnin bat. Der Magijtrat dagegen 
klagte über das berrifche Weſen des Pfarrers, der gern mit einem Fuß in der Kirche, 
mit dem andern im Nathaus fteben twolle, und befchwerte fi) über zahlreiche Außerungen 
in M.s Predigten, in denen er ibn beleidigt habe: „Der Teufel haufieret überall, ganz 

25 bejonders aber auf dem Natbaufe” ; die Bürgermeijter follten zum Teufel gehn, und die 
Gemeinde folle Gott bitten, daß dies Negiment bald ein Ende nehme u. dgl. Aber M. 
fand an Joachim ficheren Rückhalt und einen Verteidiger, der fchließlich durchſetzte, was 
M. beanipruchte. Dies Vertrauen feines Landesherrn benugte M. aber auch zur Förde: 
rung mohlthätiger Snititute, zur Stiftung von Stipendien und zur Unterjtügung armer 

30 Studenten. In feinem Amte fchonte er fih nie; er predigte in der Regel wöchentlich 
weimal, und nie unter 2 Stunden. Er machte häufige Inſpektionsreiſen, nicht felten zu 
Kup, Nach Luthers Vorbild iſt er geneigt, in jedem Gegner gleidy den böjen Feind felbit 
zu feben, der ihn zum Kampf berausfordert. In allen Sünden und Unfitten der Zeit 
treten ihm die verichiedenen Teufel vor Augen, die das Chrijtenvolf verführen und ver: 

36 derben. Mächtig erhebt er fich ala Vertreter alter einfacher Sitte 1555 gegen die von den 
Landsknechten verbreitete Mode der gelegten Wluderhofen in der Schrift: „Wider den 
Hofenteufel”, der aus dem allerbinterften Ort der Hölle, aus den Hofgefinde des Teufeld 
tomme (vgl. über diefe Schrift auch eine Augsburger Flugjchrift von 1558, in Bibl. 
d. Stuttgarter litt. Vereins 217, 473f.). Wenige Jahre vorher (1551) hatte ein Schlefier, 

so Matthäus Friedrich, „wider den Saufteufel” gefchrieben und damit einen neuen Yitteratur: 
zweig gefchaffen, in dem fich kraftvoller Predigtton mit vollstümlicher draftiicher Sitten: 
ſchilderung und anfchaulicher Erzäblung abjchredender Beifpiele verband; dieſe Art fand 
großen Beifall. M. nahm diefen Gedanfen auf. 1556 nahm er in der Schrift „Vom 
Sotsleftern” den „Fluchteufel” und 1556 (neue Aufl. 1561) auch den „Eheteufel” aufe 

s Kor. Es folgte 1561 die Schrift „Von des Teufels Tyranney in den legten Tagen”. 
Bejonders gern fehildert er font die legten Dinge, Tod und Gericht, ewige Verbammnis 
und ewige Seligkeit: „Vom Himmel und der Hellen“ 1559, mit ſcharfem Kampfe wider den 
roben und ficheren Haufen, der die ewige Bein für Märlein erklärt und eintvendet, es wäre 
wider Gottes Gerechtigkeit, Zeitliches mit Ewigem zu beftrafen ; ferner „Vom jüngften Tage“ 

60 1557, „Bedenke das Ende” 1572. Aber auch dem MWucher und Geiz gilt feine Straf: 
predigt (1579), dem „ist regierenden Epicuro“ (1569); er fchreibt aber auch ein latetnifches 
Gebetbuch, Paffionsbetrachtungen, über rechten Gebrauch des Abendmahls u. dgl. Spieler 
bat 46 Schriften aufgezählt ; das Verzeichnis iſt aber nicht vollftändig. Einzelne derjelben 
fanden noch im 17. Sabrhundert neue Auflagen; feine LZeichenpredigt auf Joachim II. 

65 hat Spiefer S. 144 ff. wieder abgedrudt. Seine praftifchen Arbeiten zeigen neben feinem 
heiligen, aber leicht maßlofen Gifer eine derbe und draftifche, dabei nicht geijtlofe Volls⸗ 
tümlichkeit. 

Nachdem er ſchon 1576 ſchwer erkrankt war, aber noch einmal wieder ſeine Geſchäfte, 
auch ſeine Dienſtreiſen, hatte aufnehmen können, kehrte er im Juni 1581 von einer 

cr Synode in Nauen krank nad Frankfurt zurück, und kam nicht wieder zu Kräften; am 


Muscenins, Andreas Musculus, Wolfgang 681 


209. September ging er beim. Sein Sohn Sohannes, den der Vater ald Prediger in der 
Lebuſer Vorſtadt angeftellt hatte, wurde ein Opfer des Fatholifierenden Konfekrations- 
begriffe Joachims (vol. ZhTh 1849, 468 ff). Er hatte 1568 bei der Austeilung des 
Abendmahle Wein verjchüttet und mit dem Fuße den vergofjenen Wein am Boden zu 
verdeden gejucht: vergeblich hatte M. fchriftlich für feinen Sohn bei dem erzürnten Kur: 5 
fürften Fürbitte eingelegt, vergeblich auch perſönlich ihn zu entjchuldigen geſucht: Joachim 
fürchtete das „gefchändete Blut” Chrifti und meinte noch fehr gnädig zu fein, als er den 
Miflethäter nur Landes verwies. Eine Tochter heiratete erſt den Frankfurter Profellor 
Andreas Prätorius, dann den Brofeflor, jpäteren Superintendenten in Sorau Joachim 
Garcaus. — Ein Bi des A. M. findet man in Fortgef. Sammlung 1741 und bei 
Spiefer. G. Kaweran. 


[ 


V 


Muscenlns, Wolfgang — (Müßlin, Meuglin), 1497— 1563. — As Quellen 
find zu betrachten: Seine eigenen Schriften, 9 %ol.:Bände (Verzeichnis bei Leu, Helvet. Lexikon); 
Sammlung feiner Briefe auf den Stadtbibl. von Zofingen, Bern und wohl auh Straßburg. 
Gedrudte Brieffammlungen aus der Reform.:Zeit, u. a. im Corp. Ref.; W. Musculus Dusa- 15 
nus, Diarium itineris, Originalhandſchr. auf der Berner Stadtbibl., abgedrudt bei Kolde, 
Analecta Lutherana, welche auch noch andere Dokum. u. Nachrichten enthält. Historia vitae 
et obitus Dr. W. Musculi per Abrahamum Musculum filium, enthalten in Synopsis festal. 
concionum, ed. 1595 zu Bajel durd einen Sohn des legtern. Auszüge aus allerlei gedrudten 
Büchern, Noten zum Leben de? W. Musc. aus den MSS des Sohnes Abrah., Berner Stadt: 
bibl. MSS XII, 96. — Un Litteratur iſt zu vergleihen: 1. Biographien (außer der 
bereits erwähnten Historia vitae): Helvetiend berühmte Männer, v. Pfenninger u. Meifter I, 
144156; Adam, vitae, 367—389; 2. Grote, W. Musc. ein biogr. Verſuch, Hamb. 1853; 
®. Th. Streuber, W. Musc., ein Lebensbild im Bern. Tajchenbd). 1860 (mojelbft genaue 
Litteraturangaben bis 1860). AdB Bd 23, ©. 95, 96. ©. Bern. Biogr. II ©. 491 g — 
2. Werke und Schriften zur Reformationsgeſchichte, insbeſ.: Fiſcher, Diſput. und Reform. 
in Bern ©. 549ff. Be. 1828; Heß, Lebensgeſchichte des Hch. Bullinger, 1828/29; Tillier, 
Geſch. des Freiſtaates Bern; die Haller-Müslin Chronit; Ad. Fluri, Die Bern. Schulord⸗ 
nung von 1548, in Mt der Geſellſch. für deutſche Erziehungs- und Schulgeſch. v. Kehrbach, 
Jahrgang XI, Heft 3; C. B. Hundeshagen, Konflikte des Zwinglianismus, Luthertum und 30 
Calvinismus in der Berner Landeskirche v. 1532—1588. Bern 1842; Stieve, Die Einführung 
der Reform. in der Reichsſtadt Donauwörth, SMA, hiſt. Klaſſe, 1884, ©. 387, 415 ff.; Grin- 
deiy, Quellen zur Geſch. d. Böhm. Brüder: fontes rer. Austriacarum. Dipl. c. acta Bd XIX 
(giebt über die Beziehungen des Musc. zu den Protejtanten in Böhmen und Polen Aus: 
oe aan Geſchichte der Schweiz. Reform. Kirchen, Bd I; Fluri, Bern. Taſchenbuch 35 

„S. 239. 


I. Wolfgang Musculus Dufanus, mie er ſich nannte, wurde am 8. September 1497 
ale Sohn eines Küferd in Dieuze in Zothringen geboren. Obſchon feine Eltern arm waren, 
thaten fie ihr möglichjtes, dem begabten und lernbegierigen Knaben in der Stabtichule 
und den beilern Schulen der Nachbarſchaft eine ordentliche Bildung zu teil werden zu w 
laſſen. Als fahrender Schüler durdhftreifte er, wie viele Zeitgenoffen, fingend und bettelnd 
die Welt, twobei es ihm gelang, feine Bildung zu vervolllommnen. Xängere Zeit ver: 
weilte er in Rappoltsmweiler, Colmar und Schlettitadt, an welch letzterem Orte er nament: 
lih von dem deutichen Humanismus mächtig angeregt wurde. Mit 15 Jahren wurde 
Musculus um feiner Schönen Stimme willen in das Benebiktinerflofter bei Lixheim gelodt. 45 

ier fand er die heißerjehnte Gelegenheit, fib in die Schriften der Alten, infonderheit 

vids, zu vertiefen und fich der Pflege der Mufit auf der Orgel hinzugeben. Mit dem 
20. Jahre begann er das Studium der Theologie. Da er eine befondere Gabe der Be: 
redſamkeit verriet, übertrug man ibm bald die Predigt im Klofter und den zum Klofter 
gehörenen Parochialkirchen. Die Mahnung, die ihm ein älterer Mönch bierfür and Herz so 
egte: Si bonus vis fieri concionator, da operam ut bonus fias biblicus, hat er 
zeitlebens treulich befolgt. Im Sabre 1518 lernte er im Klofter Luthers Schriften kennen, 
und wurde al8bald ein entichiedener Verteidiger der neuen Lehre. Dadurch zog er fich, 
obſchon fein Eintreten für Yutber nicht ohne Eindrud blieb, die Feindſchaft An Fußreicher 
Perföntichteiten zu, jo daß fein Verweilen im Klojter je länger je mehr zur Unmöglich- 55 
eit wurde. Troßden wählte man den lutberifch Gefinnten zum Prior, aber gerade Diele 
Wahl zeitigte in ihm den Entichluß, das Klofter zu verlaffen. Er entfloh, mit Vorwiſſen 
des Priors, 1527, nachdem er 15 Jahre im lofter zugebracht hatte, und heiratete Die 
Nichte feines Prior, Margaretha Barth. Damit hatte er feinen Bruch mit Klofter und 
Kirche dokumentiert. Freilich hatte er damit auch feine forgenfreie Exiſtenz mit einer un: 60 
ficheren forgenvollen vertaufcht. Seine Frau mußte ſich als Magd im Haufe des Strap: 


582 Musculus, Wolfgang 


Theobalb verdingen, und elbit arb ala Weber. ' 
Jung aaa m — 5 —* Eon 













— — 


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en Anke ungen. KR Hafen patte Bu ii bon jeber bie 
nung —— ern betrieben, —— 
hauen gu egen Zwingli nicht 8 — und bes- 
Halb Tor ihm alles —Se— was mai er Seite kam, felbft aud) Be welche nur 
Br perfönliche Hochachtung für den — * ‚er Reformator ausbrückten ſahen 
die Oberdeutſchen a er ie ur Er —— erſon vor 
— und ſeine nichaun en vor Mißverſtändnis chützen. Als Y 
1534 in diefem Sinne an die Frankfurter gejchrieben, und — weil „er ſeine 
ehre nicht a Sarah bi. Scri Ale 


gave 
ll) und Putontu 


—* ihre — 
und in der Tha 
Die J. helvet Konf 

15 bringen, daß die Be weder W ebertäufer noch Shiematiter, — — — 
—— re Bucer 1536 eine — nach Ei u 8 N Beprum ba 





ftat 
5 —— Mi und Musculus nal als Vertreter von burg an 
ung teil, welche jtatt in Eifenad in Wittenberg jtattfand "Hay 
itt. Konkordie war. Des Musculus oben ertwähntes Tagebuch giebt über die Ber. 
banblungen enaue Auskunft. Er und fein Begleiter Bonifacius Lycoſthenes (Wolfhart 
hatten vom Rat Auftrag, alles zu vermeiden, was eine Einigung weren konnte, und 
65 obſchon Musculus jeinergeit den Bucer vor einer Einigung um je Preis. | 
hatte, juchte er ſoweit als möglich entgegen zu fommen und gab des Arievens Bi 
feine tetrapolitan. Anfichten vom Abendmahl auf. Nacd Beendigung ber dlun 
P Mai) beſuchte er den Luc. Kranach und zog dann beim, wo er bie Annahme » 
— ohne Mübe a 
Aber der Kompromiß Defriedigte niemanden. Die Auferung Bucers, die gwinz 


Musculus, Wolfgang 583 


lianer feien einverstanden, machte Yuthern das Abkommen verdächtig, und dieſe nahmen 
es auch nicht an, troß der Empfehlung des Mykonius. Mußte diefer doch auch zu: 
gefteben, „die Wahrheit werde hier mit jeltfamen Worten gelehrt”! Musculus hielt fich zu: 
nächſt gemifjenhaft an die Konfordie, aber als er fie von allen preisgegeben ſah, nahm 
auch er feine frühere Pofttion wieder auf, die er dann jpäter in feiner „Confessio de 5 
sacramento corporis et sanguinis dominiei begründete. Ebenfo erfolglos war feine 
Teilnahme an dem 1540 in Worms begonnenen und 1541 in Regensburg fortgejeßten 
„Religionsgeſpräch“ evangeliſcher und fatholifcher Theologen. Das von Musculus alg 
einem ber bezeichneten Notarien geführte Protokoll ift noch in Bern vorhanden. Zwei 
Predigten, die er hier über die Mefje hielt (Später gedrudt), verurfachten eine Fehde mit 
Dr. Cochläus, aus der 1545 die Gegenjchrift „Anticochlaeus” hervorging. Am Jahr 
vorher hatte er, von Augsburg auf die Bitte der Donaumwörther um einen Lehrer abge: 
ordnet, in diefer Stadt die Reformation eingeführt, und in diefer Zeit für fie einen In 
teinischen Katechismus gefchrieben. 

Trog diefer intenfiven firchlichen Thätigfeit fand Musculus genügend Zeit zu theo- 
logifcher Beichäftigung. Er erlernte jet noch das Griechifche und das Arabiſche, und 
veröffentlichte Überfegungen von Schriften und einzelnen Stüden der griechifchen Väter, u. a. 
Kommentare des Chryſoſt. zu den paulin. Briefen, Schriften des Baſilius und Gregor 
von Nazianz und des Athanafius. Ohne es zu ahnen hatte er damit die Grundlagen 
für feine jpätere umfaſſende Wirkſamkeit in Kirche und Schule von Bern gelegt. 20 

Unerwartet rafh nahm feine gejegnete Thätigkeit in Augsburg ein Ende. Das 
Augsburger Interim von 1548 wurde vom Kaifer auch der Stadt Augsburg aufgenötigt. 
So lange noch evangelifcher Gottesdienft beftand, und die evangelifche Bevölkerung täglich 
Troſt und Stärkung begehrte, barrte Musculus unerfchroden auf feinem Poſten aus, ob: 
ſchon jeit dem Einzug des Kaiſers der evang. Kultus nur noch geduldet wurde, und 25 
Musculus den ärgiten Beihimpfungen, ja thätlichen Beleidigungen auögejegt war. Am 
26. Juni wurde der Widerjtand des Rates gegen das verhaßte Interim gebrochen, und 
an demjelben Tage legte Musculus, nachdem er erfolglos fchriftlih und mündlich pro- 
tejtiert hatte, fein Amt nieder. Als heimatloſer Mann verließ er noch am gleichen Abend 
die Stadt, fein Weib und feine 8 Kinder, um in der Fremde Aſyl und Brot zu fuchen. 30 

Über Lindau und Konftanz reifte er dahin, wo der Arm des Kaifers nicht mehr hin- 
reichte, in die Schweiz, und zwar zunächſt zu feinem Verleger, Buchdruder Herwagen in 
Bafel. Mittlerweile war ihm feine Yamilie nad Konftanz nachgereift und Musculus 
eilte ihr dorthin entgegen. Hier predigte er noch am Tage vor dem verräterifchen Über: 
fall der Stadt durch panische Truppen über Jo 6, 66—69, im Blick auf das Interim. 36 
Natürlich war hier feines Vleibens nicht. Noch während des Sturmes verließ er bie 
Stadt und floh nad St. Gallen zu Vadian, und von da weiter nach Zürich, mo ich 
YBullinger und Pellikan des jchmwergeprüften Mannes in der edeljten Weiſe annahmen. 
Im Haufe des nad) Bern berufenen Joh. Haller, der fich eben zur Abreife rüftete, fand er 
vorübergehend eine Heimat. Durch Ochin ließ ihn Erzbifchof Cranmer, wie andere ver: a 
triebene Pfarrer, nah England einladen, aber er lehnte ab. Mit Korrekturen für die 
Buchhändler Herwagen und Froben fuchte er ſich etwas zu verdienen, um nicht ganz feinen 
gürde: Freunden zur Laſt zu fallen. Die übrige Zeit verivendete er auf Srivatikubien. 

lich, nachdem er dreiviertel Jahre lang ohne Anftellung geweſen war, verichaffte ihm 
fein in Bern hochangejebener Freund Haller, der während 1545 —47 fein Kollege in Augs- 45 
burg geweſen war, die Stelle eines Profeſſors der Theologie in Bern, Februar 1549. Frei: 
lich erſchien es dem Rat nicht ganz unbedenklich, ihn kommen zu laſſen. Troß des kleinen 
Gehaltes von faum 150 Gulden nahm Plusculus den Ruf mit Dreuden an. 

III. Joh. Haller war nad) Bern berufen worden, um die Nefonftituierung der durch 
Parteikämpfe zwiſchen zwinglifch und lutheriſch GSefinnten und fpäter zwiſchen Zminglia= so 
nern und Galviniften geſchwächten und zerriſſenen Berner Kirche durchzuführen. Anner: 
balb eines Jahrzehnts hatte dieſe Kirche zwei Krifen erlebt. Der Anfchluß der bernifchen 
Theologen an Zmwingli war naturgemäß geweſen, aber Durch die Uniongbeitrebungen unter 
den Proteftanten, denen die politisch weitfichtige Regierung Berns ein großes Antereffe 
entgegenbracdhte, und den Starken Einfluß Bucers in Bern erhielt eine lutherifhe Etrömung 5 
jo ſehr Oberwaſſer, daß das friedliche Verhältnis zu den übrigen reformierten Schweizer: 
firchen gefährdet war. Freilich zögerte die Negierung, fobald fie zur Einficht gelangte, 
nicht, dieſen Fremdkörper auszuftoßen, und die Anhänger der lutherifchen Abenpmahls: 
lehre, ſoweit fie ſich nicht fremvillig unterzogen, zum Teil jogar zu vertreiben. Aber nun 
drohte ihr ein weit geführlicherer Konflift mit dem der Bernifchen Kirchenpolitif direkt er 


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584 Musculns, Wolfgang 


zuwiderlaufenden Galvinismus, und nur mit unendlicher Mühe Tonnte ein offener Bruch 
verhindert werden. Am meisten zur Verföhnung diefer Gegenfäge zwiſchen Zwingliſcher 
und Galvinifcher Auffaffung in der Schweiz trug Heinrich Bullinger und feine Schule 
bei, und zu diefem Bullingerfchen Kreife darf man aud Haller und Musculus zäblen. 
5 Haller jollte eben nach den Intentionen der Regierung in diefem vermittelnden Sinne 
wirken, und er wählte fich als Mitarbeiter den Musculus, dem er feiner Zeit das Ber: 
iprechen abgenommen batte, daß er, falls er einmal weichen müffe, nirgends anders als 
bei ihm feine Zuflucht juchen wolle. Die Dankbarkeit gegen Haller und die in Bern gefun- 
dene Hilfe veranlaßten ihn ebrenvolle Berufungen (im Auguft 1551 nad England zur 
10 Erfegung Bucers, nad) Straßburg, nach Neuftadt an der Donau dur den Ralgr en 
Dttheinrih, an die Univerfitäten Marburg und Heidelberg, und fchließlich wieder nad 
Augsburg) abzulehnen und Bern treu zu fein bis zu feinem Tode (30. Auguſt 1563). 
Musculus war in der That bejonderg geeignet, die ihm übertragene Aufgabe als Pro: 
fejlor der Theologie und mit Haller gewifjermaßen als Leiter der Kirche zu löſen. Obfchon er 
15 an fehöpferifcher Originalität nicht an die älteren NReformatoren heranreichte, fo befähigten 
ihn dafür feine außerordentlichen Kenntnifje der Sprachen und der Theologie ſowie namentlich 
feine klare tiefgründige Exegeje in bobem Maße dazu, als Lehrer die heranwachſenden Geiſt⸗ 
lichen in die Wahrheit einzuführen und ihnen das Erbe der Reformatoren zu übermitteln. 
Und durch feine in rafcher Folge erjchienenen Kommentare (vgl. Leu, Helv. Zerif. und AdB 
20 Bd 23 ©.96) wirkte er nachhaltig auf feine Zeitgenofjen ein, jo daß ihm die allgemeine 
Achtung zu teil wurde. Die Berner nannten ıhn um feiner Verdienſte willen den vene- 
randus senex. Dieſe Verdienfte erwarb er fich nicht nur als theologifcher Lehrer, fon: 
dern vor allem auch ald Mann der Kirhe und Schule Er war nichts weniger als ein 
Barteimann, vielmehr bat er zeitlebend die Unterſchiede zwiſchen den reformatorifchen 
25 Richtungen für unweſentlich und das Streiten und Zanken der Theologen für ein Un: 
recht gehalten. Wie er aus Friedensliebe einſt der Mittenberger Konkordie zugeitimmt 
hatte, jo pure er auh in Bern zwifchen den — zu vermitteln, was ihm bei 
ſeinem milden auch dogmatiſch vermittelndem Standpunkt, der im allgemeinen derjenige 
der Straßburger war, vortrefflich gelang. Auch in den Streitigkeiten der Waadtländer 
30 Geiſtlichkeit wegen Einführung der calviniſchen Kirchenordnung mußte Musculus (1558 
bis 1559) eingreifen, wobei er öfterd mit Calvin, Viret und Dep in Berührung Tam. 
Galvın ſchalt ihn und Haller einmal Mietlinge, und aud der Verkehr mit Viret mar 
nicht immer freundlich, mas bei der Gereiztbeit der firchenpolitifchen Verhältniſſe zwiſchen 
Bern und Genf nicht zu verwundern ift. Musculus war mit unendlicher Geduld beforgt, 
35 die Schärfe der Ge enfäße u mildern, und es ift zu einem großen Teil fein Verdienſt, 
daß es zu feinem Bruch gefonmen ift. 

Es iſt nicht richtig, daß ſich Musculus allmählih dem Iutheriihen Standpunfte ge 
nähert habe. Er vertrat, zumal in feiner dogmatifchen Hauptichrift, den loci communes, 
die reformierte Auffaflung ſowohl bezüglich der Prädeftinationslehre als auch des Abend- 

so mahls (vgl. au de sacram. corpor. et sang. domen. Confessio, in welcher er 
befennt: nulla est corporalis praesentia. Nec gratia mysterii huius ... . sacra- 
mentali signo et usui alligari debet, sed libera et sola fide, sive extra sive 
intra sacramenti usum a veris fidelibus pereipi). Doc ift nicht anzunehmen, daß 
er auf die dem Consensus Tigurinus voraufgebenden Verhandlungen irgend einen 

45 maßgebenden Einfluß ausgeübt hätte, dazu war die Stimmung in Bern anfänglich zu 
fühl. Musculus, mochte er vielleiht auch in der Sache zugeltimmt haben, bielt * auf⸗ 
fallend zurück. Auch den lutheriſchen Tauf- und Abendmahlsritus verwarf er in einem 
Briefe an Herbrott zu Laugingen vom 26. April 1554 ausdrücklich. Seine „Loci 
comm.“ gleichen in formeller Hinſicht denjenigen Melanchthons und dem Bullinger Kom: 

zo pendium. Hervorzuheben iſt, daß dem Foedus Dei bereits ein eigener Locus gewidmet 
und daß der Locus de ministris verbi divini bejonders reichhaltig iſt. Seine wohl: 
thuende Eigenart ift es, daß bei ihm die bl. Schrift in erfter, die Konfeſſion aber erft 
in zweiter Linie jtand. 

Über feinen theologifhen Unterricht fehrieb Haller unterm 27. uni 1549 folgendes: 

55 „Musculus lift in novo Testamento ganz koſtlich und wol, mit einem folchen methodo, 
das unmöglich, das einer nit bald überkömme commodissimam tractandarum scrip- 
turarum rationem". Sem Einfluß auf das heranwachſende Theologengejchlecht war 
demnady auch durchſchlagend. 

Durch feine Schriften wurden die iſolierten Broteftanten in Polen und Ungarn auf 

co ihn aufmerkſam, und es entſpann ſich ein jchriftlicher Verkehr, welcher die Schrift ver: 


Muscnins, Wolfgang Mufit 685 


anlapte: „Vom Auffgang des Wort Gottes unter den Chriften in Ungarn, die den 
Türden unterivorffen”. 

Einer Jugendneigung folgend verfaßte er lateinifche Epigramme, aber auch einige 
deutiche Kirchenlieder (vgl. Ph. Wadernagel, R.:2. III 800-803; Eridfon, W. Mus- 
culus, Monatfchrift für Gottesdienft u. kirchl. Kunſt, 1897 Nr. 8 mit Bild von Musc.). 6 

Endlich jet noch erwähnt, daß von ihm ein eigentliches Predigergefchlecht in Bern 
abjtammt. Seine 6 Söhne waren Prediger. Der befannteite von ihnen tft der fpätere 
Dekan und Freund Bezas, Abr. Musculus (1534—1591), der am Geſpräch zu Mömpel- 
gard teilnahm, befannt namentlich durd feinen Streit mit Samuel Huber (vgl. PRE ?, 
Bd VIII E. 410). Ferner find zu nennen der Pietiſt Iſaak Muslin, der Weißgerber 10 
(Blöjch II 45) und der lebte des Gejchlechts, der Münjterpfarrer Dan. Müslin geit. 1821. 
(Bern. Tafchenbdh. 1853 ©. 271 ff. ©. Bern. Biogr. II ©. 196 ff.) Hadorn. 


Muſik bei den Hebräern. — Litteratur: Eine Aufzählung von Hierher gehörigen Werfen 
findet jih in Forkel, Allgem. Geſch. der Mufit I, 173—184. Verfchiedene ältere Arbeiten 
jind gejammelt im Ugolini Thesaurus t.XXXII. Aus älterer Zeit vergleiche ferner: Prae- 
torius, Syntagma musicae, 1614; Kircher, Musurgia, Rom 1650; Bonnet, Histoire de la 
musique, Paris 1715; be la ®orde, Essay sur la musique ancienne et moderne, Paris 1780; 
Burney, General history of music, London 1776; de la Molette bu Contant, Trait€ sur la 
podsie et la mus. des Hebr., Paris 1781; Bartolocci, De Hebr. musica bibl. rabb. t. IV. 

attei dissert., Pad. 1780, t. I. II. VI; Sonne, De mus. Jud., Hafn. 1724; Martini, 30 
Storia della mus., Bologna 1781; ©. v. Til, Digt-sang-speel-konst söe de Ouden als by- 
sonder der Hebr., Dvrtr. 1692; J. Lund, Zübifche Altertümer IV, 4. 5; D. Lundius, De 
mus. Hebr. diss., Upf. 1707; Marpurg, Krit. Einl. in die Geſchichte der alten und neuen 
Muſik, Berlin 1759; Neinhard, De instr. mus. Hebr., Vit. 1699; Wald, Hist. art. mus., 
Halle 1781; Harenberg, Comm. de re mus. vetust. in Misc., Lips. nov. IX, 218sqq.; Pfeiffer, 25 
Muſik der alten Hebräer, Erlangen 1779; Herder, Geiſt der hebräifchen Boefie; Saalſchüz, Form 
der hebr. Poejie, Königsberg 1825; Geſchichte und Würdigung der Mufit bei ben Hebräern, 
Berlin 1829, Archäologie I, 272 ff.; Schneider, Bibl. gef. Darftellung der h. Muſik, Bonn 
1834. — Bon neuerer Litieratur ift zu nennen: Ambros, Geſchichte der Muſik; Delitich, Phy- 
fiologie und Mufit 1868; derjelbe, Bialmen*, 25 fj.; Ewald, Die Dihter des alten Bundes! 80 
I, 209 ff.; Brown, Musical instruments and their Homes, New-York 1888; die betr. Ab: 
jhnitte der Arhäologien von Jahn, de Wette, Keil, Benzinger, Nowad; Wellhaufen, Music 
of the Ancient Hebrews, Appendix zu SBOT Psalms 1898; %. %. Cohen, Rise and De- 
velopment of Synagogue Music in Anglo-Jewish Hist. Exhib. Papers 1888, 80—135. — 
Die Artikel „Mufit” in: Wiener, Realmwörterb. II, 120 ff.; Schentel, BL IV, 256 ff.; Niehm, 86 
Handwörterb. d. bibl. Altertt. 1029 ff; Encyclopaedia Biblica IIT, 3225 ff.; ®uthe, Bibel- 
wörterbud). — Ueber die moderne arabiſche Mufit vgl. befonder® Lane, Manners and cu- 
stoms etc., deutfch v. Benter III 187 fi. 

Zu einem richtigen Verſtändnis der alten hebräifchen Muſik fehlt ung nicht weniger 
als das mwichtigfte, nämlich die Kenntnis des Rythmus und der Melodie. Was erfteren 40 
anbelangt, jo baben mir menigjtens poetische Texte in großer Anzahl, aus denen ſich 
einiges über den Rythmus entnehmen läßt. Daß died aber wenig genug it und daß 
das wenige noch der wünſchenswerten Sicherheit entbehrt, iſt in dem Artikel Dichtkunft 
des näheren gezeigt. Für die Melodie aber fehlt es nicht nur ganz an jeder Firierung 
einer folchen, fondern überhaupt an jeglicher Überlieferung über Art und Weife derfelben. #5 
Wir find ganz darauf angemiefen zu unterfuchen, ob wir aus dem, was mir über die 
bebräifchen Muſikinſtrumente willen, und etwa aus der heutigen Muſik im vorderen Orient 
einige Rückſchlüſſe auf die hebrätfche Melodie bei Geſang und Inftrumentalmufif machen fönnen. 

I. Die Mufifinftrumente. Über die hebräifchen Mufitinftrumente find mir ver: 
hältnismäßig gut unterrichtet. Zwar fehlt ung fowohl eine Beichreibung derjelben ims 
alten Teitament, als auch jegliche Abbildung eines folchen aus der Zeit der fanonifchen 
Litteratur. Aber diefer Mangel wird aufgewogen durch fpätere Abbildungen von In— 
ftrumenten auf jüdifchen Münzen, die nad) Madden (Coins of the Jews) der Zeit des 
Aufftands gegen die Römer (66-70 n. Chr.) angehören. Hierzu Tommt noch die Ab- 
bildung von Trompeten auf dein Titusbogen. Und nicht minder wertvoll find für unfere 55 
Kenntnis der bebräifchen Inſtrumente die Abbildungen der ägyptiſchen reſp. babyloniſch⸗ 
afiyrifchen Denkmäler. Diefe zeigen in den Formen der Inftrumente hinreichend große Über: 
einitimmung, daß ein Rückſchluß hieraus auf die Inſtrumente der Hebräer durchaus ge: 
rechtfertigt erfcheint. 

1. Saiteninftrumente. Unter den dreierlei Arten von Inſtrumenten, Die uns 80 
im AT begegnen — Saiteninjtrumente, Blasinftrumente und Schlag: oder Schüttel: 
inftrumente — ftehen die Saiteninftrumente an Bedeutung in der hebräifchen Muſik oben 


— 


5 


= 


586 Muſik 


an. Ihre allgemeine Bezeichnung iſt Mr (Pſil, 1; 6,1; 51,1 u. ö.). Das „Spielen“ 
derſelben iſt #2 (1 Sam 16, 16f. 23; 18, 10; Jeſ 23, 16; Ez 33, 32; Pi 33, 3; 
2 Kön 3, 15 7372 der Spielmann). In den Pſalmen iſt gewöhnlich "ST geſagt; dabei 
ift aber nicht an reine Inſtrumentalmuſik gedacht, fondern an Gefang und Spiel zu: 

5 fammen: 75223 "ET ift dem Sinne nab = Eingen zum Spiel des Kinnor (Pf 71,22; 
144,920). Die Saiten, ©°7, beitanden aus Därmen (Schafbärmen, vgl. Odyſſee 21,408), 
oder etwa auch aus gezwirnten Fäden oder Baſt. Tie bei den heutigen arabijchen In— 
jtrumenten üblichen Metallfaiten fannte man nicht. Aus welchem Holz die Körper ge 
wöhnlich gefertigt waren, hören wir nicht; daß 2 Sam 6, 5 Cypreſſenholz 52) ge 

iv nannt iſt, beruht auf einem Textfehler: nach 1 Chr 13, 8 iſt O°T°9E zu leſen. Von 
Salon wird als bejonderer Yurus berichtet, daß er Inſtrumente aus dem von Athiopien 
fommenden Zandelbolz anfertigen ließ (1 Kg 10, 11f.; 2 Chr 9, 10). 

Das Spielen der Saiteninjtrumente mar ein Rupfen und Zupfen, beziehungsieife 

Schlagen der Saiten mit den Fingern. Streichinftrumente find weſentlich fpäteren Ur: 

15 fprungs und im AT noch nicht befannt. Ob und in wie weit zum „Rühren“ der Saiten 
außer den Fingern aud) ein Stab, Pleftrum, gebraucht wurde, wird weiter unten noch näher 
zur Sprache fommen. Tie altägpptifchen Abbildungen zeigen ein folches fchon in früher 
Zeit bei den Agyptern im Gebraud). 
Im A. T., find zwei Arten nationalzigraelitifcher Saiteninftrumente genannt: kin- 
»» nor und nebel; fremden Urfprunge tft die sabbkha (nur Dan 3, 5. 7. 10). Yeßteres 
gilt auch für die gittith M5 (Pf 8, 1; 81, 1; 84, 1), wenn diefes Wort, mie mande 
Erklärer meinen, eine befonvere Art des Kinnor, nämlich den „Gattitifchen”, aus der 
Philiſterſtadt Gatt ftammenden, bezeichnet. Allein das iſt nur eine Vermutung, die durd 
ger feine weiteren Gründe geftügt werden kann. Cbenfogut Tann das Wort mit = 
>5 Kelter zufammenbängen (= Kelterlied), oder mit feinem von beiden. 

Kinnor und nebel dagegen find ſehr häufig erwähnt, teild jedes für ich, teils 
beide zufammen. Die LXX giebt 722 in der Negel mit xidapa (jo auch 1 Kor 14,7; 
Apk 5, 8; 14, 2; 15, 2) oder xivvoa (fo auch 1 Mak 3, 45; 4, 54) wieder; danach 
die aramäiſche Bezeichnung IA oder "MR (Da 3, 5. 7. 10); fünfmal ſteht dafür 

ww waitnoıov (jo auch Sir 410, 21, wo aber vielleicht der nebel gemeint tft), einmal (Pi 
137, 2) der allgemeinere Ausdrud Ögyavor. Luther überfegt „Harfe“. Das Wort ET 
bleibt in LXX meiſt unüberjegt und erſcheint einfach transffribiert als vaßla, vaßkor, 
yad/a, latein. nablium. In anderen Stellen ftebt dafür yadrıoıov (fo auch Sap. 19,17), 
danach die aramätjche Bezeichnung TTS (Da 3, 5. 7. 10. 15). Einmal findet fih 

35 für nebel der Name xidapa (Pj 81,3) und einmal die Bezeihnung doyavor (Am 6, 5). 
Wan wird biernah fagen fünnen, daß die Überlieferung binfichtlich diefer Inſtrumente, 
wie fie in der LXX vorliegt, feine ganz fichere ift, jonft wäre der Wechjel in den Namen 
nicht möglich. 

Was wir aus dem AT felbjt über Form und Charakter der beiden Inſtrumente 

u erfabren, tft jehr werig. Aus dem Namen nebel hat man fchon vielfach fchließen wollen, 
daß Diefes Inſtrument, beziehungsweiſe fein Refonangboden, eine baucdhartige Form gebabt 
babe. Denn ?>2 bezeichnet ſonſt den Schlauch, in dem der Mein aufbewahrt wurde, be 
ziebungtveife den Thonkrug. Auch das andere bat man fchon daraus Schließen wollen, daß 
der Reſonanzkörper Diefes Inſtruments der Hauptfache nad durch eine tierische Membran 

45 gebildet wurde (Enc. Bibl. a. a. O.). Allein die Etbymologie des Worts 223 ift une 
ganz dunkel; es ift nicht ficher, daß der Name des Anftruments urfprünglich mit dem 
anderen gleichlautenden Wort überhaupt ettvag zu thun bat. Erman u.a. Stellen >22 Harfe 
mit dem ägyptiſchen nefer, der Bezeichnung der Yaute zufammen, was dann natürlich 
für die Entlehnung des Inſtruments jelbit von den Agyptern ſprechen würde (Erman, 

ww Aegypten, 313). Dies tft freilich ebenfalls unficher. 

Was über den Gebrauch der beiden nftrumente dem AT zu entnehmen tft, wird 
weiter unten zur Sprache fommen. Hier iſt von Intereſſe nur die Angabe, daß beide 
Inſtrumente auch im Geben gefpielt werden fonnten (1 Sa 10, 5; 2 Sa 6, 5; 1 Chr 
16, 285 2 Chr 20, 285 Jeſ 23, 16). Ste müſſen alfo verhältnismäßig Hein und leicht 

> tragbar geweſen fein. Tas jchließt natürlich feinesivegs aus, daß dieſe Inftrumente ober 
wenigſtens eines derjelben, die Harfe, auch in einer größeren Form, etiva den ägyptiſchen 
jtebenden Harfen entſprechend, im Gebrauch war. Überhaupt müffen wir uns von vorn: 
berein vor der Borftellung büten, als ob die Form der genannten beiden Inſtrumente 
zu allen Zeiten diefelbe gewejen wäre. Es ift fogar recht gut möglich, daß die mit einem 

vo gemeinfamen Samen bezeichnete Inſtrumente unter jich recht verfchiedene waren. 


Mufit 587 


Außerden hören wir noch, daß der Kinnor in alter Zeit mit der Hand gefpielt 
wurde. Wenigſtens befommt man aus den Stellen 1 Sa 16, 16, 23; 18, 10; 19,9 
zunächſt diefen Eindruck. Joſephus dagegen jagt, daß die Kinyra mit dem Pleftrum 
geichlagen werde. Angefichts dieſes Zeugnifies, das alle Beachtung verdient, muß man 
zugeben, daß die angeführten Stellen doch nicht mit voller Beftimnitheit den Gebrauch) 
des Plektrums ausfchließen. Denn menn darin geſagt ift, daß David „mit feiner 
Hand” den Kinnor fpielte, jo ift der Gegenfat dazu in den legtgenannten Stellen ber, 
daß Saul in feiner Hand den Speer hält; und auch in den erjten beiden Stellen 
muß der Ausdruck nicht fo gedeutet werden, daß er den Gebrauch des Pleftrums aus: 
jchließen würde. Jedenfalls darf aus der Nichtermähnung des Pleftrums im AT nidt ı 
ohne weiteres gefchloflen werden, daß es den Hebräern völlig unbefannt war. Es läßt 
jih aber auch annehmen, daß dasjelbe Inftrument anfänglich mit der Hand und fpäter 
mit dem Plektrum gefpielt wurde. 

Jedenfalls in Beziehung auf die Zahl der Saiten der Inſtrumente ift eine Ver: 
änderung im Lauf der Sahrbunderte nur natürlich. Es bat alfo gar nichts auf: 15 
fallendes, wenn aud in diefem Punkt die Angaben des Joſephus und die des AT nicht 
übereinjtimmen. Während erfterer (Ant. VII, 12,3) der Nabla zwölf Saiten giebt, 
redet Bj 33,2; 144,9 von einem Nebel mit zehn Saiten. Nach Pf 92, 4 fcheint dies 
jedoch nicht das gewöhnliche Inſtrument geweſen fein; leßteres hatte wohl weniger Saiten. 
Tazu ftimmt, daß die Zahl der Saiten bei den auf jüdifhen Münzen abgebildeten zu 
Inſtrumenten nur 3—5 beträgt (ſ. u.). Man darf alfo wohl annehmen, daß fich im 
Zaufe der Zeit beide Inſtrumente nach der Richtung hin verbolllommneten, daß fie mehr 
Saiten befamen — eine ganz naturgemäße Entwidelung, wie wir fie auch bei der griechifchen 
Lyra und Kithara finden. 

Ber diefen fpärlichen Angaben des AT find mir in der Hauptfache auf das an: 25 
gewieſen, was die Tradition über die An der beiden Inſtrumente und fagt und was 
mir aus den Abbildungen der ägyptifchen und babylonisch-afiyrichen Inſtrumente ent: 
nehmen können. Was die erftere anlangt, jo können wir die ſpätjüdiſchen Angaben als 
unzuverläffig bei feite laflen; fie find in Schilte haggibborim (in Ugolini, Thesaurus 
XXXII) zufammengeftellt. 30 

Die Kirchenväter (Hieronpmus zu Pſ' 33,2; Eufebius, Auguftinus u. a.) finden 
interejlantereife den Unterjchied beider Inſtrumente in der verjchievenen Stellung des 
Reſonanzkörpers. Der Kinnor bat nach ihnen feinen Refonanzboden unten ; er befteht in 
einen keſſel⸗ oder paufenartig gewölbten hohlen Holzlörper, der die gewölbte Seite nad) 
unten dreht. Das Pfalterium hat ald Nefonanz einen hohlen Holzkörper oben, der die 36 
Saiten von oben ber gleichſam überdacht. Wir haben bier den grundlegenden Unter: 
jchied zwiſchen den zwei Klafjen von Saiteninftrumenten angedeutet: bei der einen Alafje 
find die Saiten horizontal und nebeneinander über den Echallboden ausgefpannt (Raute, 
Guitarre 2c.); bei der anderen ſtehen die Saiten ſenkrecht (oder in einem ſpitzigen Winkel) 
auf dem Refonanzboden auf und laufen von dieſem in vertifaler Richtung, übereinander x0 
nicht nebeneinander angeordnet, zu dem am anderen Ende fie haltenden Arm (Harfe). 
Ob dann beim Spiel der Refonangboden unten oder oben zu ſtehen kommt, ift nebenfächlich : 
die ägyptiſchen Harfen, die ftebenden wie die tragbaren, haben ihn unten, die Abbildungen 
babylonifcher und afigrifcher Harfen zeigen ihn oben (vgl. Abbildungen bei Niebm HWB, 
S. 1047}. und 1049). Auf legtere würde alfo die Beichreibung der Kirchenväter zu: 45 
treffen, wie auch die andere Bemerkung dazu ſtimmt (Euſeb., Htlarius), daß die Nabla 
allein aufrecht ftehe. Wenn von anderen Kirchenvätern unter Berufung auf Hieronymus 
dem Pfalterium (nabla) die dreiedige Form des griechiihen Delta zugefchrieben wird, fo 
erinnert das allerdings mehr an die ägyptiſchen Winkelharfen; aber ein folches Instrument 
fonnte leicht jo getragen werden, daß der Nefonanzboden oben war und entiprach dann 50 
ganz der aſſyriſchen Harfe aus der Zeit Affurbanipals (f. u.). Es bat alfo alle Wahr— 
fcheinlichkeit, daß bei den Kirchenvätern eine gefunde Tradition vorliegt, wenn auch zu ihrer 
Zeit die a habe unter dem griechifehben und römijchen Einfluß manche Veränderung 
mögen erfahren haben. 

Die Angaben des Joſephus über die Zahl der Saiten der Inftrumente und über 55 
den Gebrauch des Plektrums find Ichon erwähnt worden, ebenjo die in der LXX vor: 
liegende Tradition. Diefelbe ift bauptfächlich infofern von Intereſſe, daß durch fie die 
Identifikation des Kinnor mit der Yaute ausgefchloffen wird. Wenn die LXX Kinnor mit der 

techifchen Bezeichnung xidaoa wiedergiebt, jo darf man wohl daraus fchliegen, daß der 
Kinnor mit dem griechifchen Inſtrumente Diefes Namens einige Abnlichleit muß gehabt eo 


Gi 


— 
— 


688 Mufit 


haben, was bei der Yaute nicht zutrifft. Andererfeits giebt, wie erwähnt, Die LXX den 
Namen Nebel meiſt eifach umſchrieben wieder, findet alfo feines der griechiichen 
Inſtrumente in diefem vAaßla wieder. 
Tas giebt uns einen Fingerzeig für die Deutung der Abbildungen jüdifcher Mufil: 
5 inftrumente, die wir, twie oben erwähnt, auf Münzen aus der Zeit des Aufitandes gegen 
die Nömer haben. Abbildungen diefer Münzen vgl. bei Madden, Coins of the Jews, 
Benzinger, Archäologie, S. 273; Riehm, HWB, ©. 1046. Die auf den Münzen ab: 
gebildeten Inſtrumente fcheinen zwei Typen eines und desſelben Inſtrumentes zu zeigen. 
Die einen gleichen der griechifchen Yyra, die anderen der Kithara. Bei den leßteren ift 
10 der griechifche Einfluß namentlich in der yon des Reſonanzkörpers deutlich erkennbar. 
Terjelbe zeigt ganz die Linien der griechifchen Vaſen, auf einzelnen Münzen ift die Form 
eine fehr elegante. Bon dem hoben Rejonanzboden aus laufen zwei Arme aufivärts, eben: 
falls in den Yinien der Vaſe gefchmweift, fo daß fie gleichfan den fich in ber Mitte ver: 
engenden, oben wieder fich erweiternden Hals der Vaſe bilden. Die Saiten, 3, 5 oder 6 
15 an der Zabl find unten an dein Nejonanzlörper, oben an einem die beiden Arme ver: 
bindenden geraden Uuerftab befeitigt. Die andere der Lyra ähnliche Form des Inſtru⸗ 
mentes wird durch einen pauken- oder Feflelartigen Reſonanzboden charakterifiert. Der: 
jelbe befindet fich unterhalb des ovalen Holzftüdes, an dem die unteren Enden der Saiten 
befejtigt find. An Stelle der geſchweiften Arme treten hier gerade, ziemlich parallel: 
%» laufende Stäbe, die auch bier oben durch einen Querſtab, der die Saiten hält, verbunden 
werden. Auch bier wechjelt die Zahl der Seiten von drei bis ſechs. Wegen ihrer An: 
lichkeit mit den griechiſchen Inſtrumenten hat man überhaupt bezweifelt, daß mir bier die 
original⸗jüdiſchen Inſtrumente vor uns haben. Allein dagegen fann mit Necht geltend 
gemacht werden, daß der jüdische Nationalſtolz es nie erlaubt haben würde, dieſe In— 
25 ftrumente als Embleme auf jüdischen Münzen zu verwenden, wenn fie nicht den jüdiſchen, 
im jüdiſchen Gottesdienft verivendeten Inſtrumenten im allgemeinen entfprochen bätten. 
geibnil e Inſtrumente hätte man nie als Symbole der jüdischen Selbititändigfeit gebraudt. 
ann aber fünnen wir darin nur Darftellungen des Kinnor fehen, nicht der Nabla ; denn 
erfterer muß, wie oben erwähnt, einige Ahnlichkeit mit Der griechifchen Kithara gebabt 
3 haben. Auch die Ausjagen der Kirchenväter über Form und Stellung des Refonan;: 
bodens beim Kinnor treffen wenigſtens auf die lyraähnlichen Darſtellungen zu. 

Nimmt man noch die weitere Angabe der Kirchenväter hinzu, daß dieſes Inſtrument 
nicht gleich der griechiſchen Kithara in aufrechter Stellung -- wie ed auf den Münzen 
dargeftellt ift — gefpielt wurde, jondern in wagrechter Richtung gehalten wurde, fo ſpringt 

35 die prinzipielle Ahnlichkeit desjelben mit der uns ſonſt befannten altjemitifchen Lyra reip. 
Kithara fofort in die Augen. Berühmt und oft reproduziert (vgl. 3. B. Erman, Ägypten 
344; Riehm, HWB. ©. 54; Benzinger, Archäologie, S. 274) Hi die Darftellung in 
einem Felſengrab der XII. Dynaſtie (um 2000 v. Ehr.), welche uns ſemitiſche Bebuinen 
zeigt, die in Agyptern einwandern tollen und den äguptifchen Beamten um Cinlaß 

40 bitten. Einer diefer Beduinen trägt unter dem linken Arm die jogenannte „ägyptiſche 
Lyra”. Das ziemlich plumpe Inſtrument befteht im weſentlichen aus einem vieredigen 
Brett, das nah dem Mapitab der Figur etwa einen Fuß breit und anderthalb Fuß lang 
it. Aus dem oberen Teil des Brettes ift eine ziemlich quabratifche Offnung fo au 
geſchnitten, daß nur noch ein fchmaler Rahmen übrig bleibt. Über das Brett und die 

5 Oeffnung find der Yänge nad vom oberen bis zum unteren Rand acht Saiten einander 
parallel geſpannt; einige andere laufen in ſchräger Richtung bierzu auf der unteren Häljte 
des Brettes. Der Mann jpielt im Geben; er trägt das Inſtrument unter dem linken 
Oberarın, aber nicht aufrechtitehbend, jondern auf der Längsfante liegend, mit dem 
durchbrochenen Teil nah vorn und mit den Zaiten auf der rechten Seite. Non links 

50 her greift er mit der linken Hand durch die Uffnung in die Saiten. Mit der rechten 
Hand rührt er mitteljt eines Plektrums die Saiten da, wo fie über den als Refonanz- 
boden dienenden unteren Teil des Brettes gelpannt find. Das Anftrument begegnet uns auch 
fonft noch oft auf ägyptiſchen Abbildungen, und man darf wohl fagen, daß es im alten Agypten 
im weiteſten Gebrauch war. Nach und nad, namentlich ſeit den Zeiten der 18.—20. Dynaſtie, 

65 bat es feinere Formen angenommen; der obere Teil, der Rahmen, zeigt ftatt des einfachen 
Vierecks verjchiedenfach geſchwungene Yinien, vgl. die Abbildungen bei Riehm HWB, ©. 1048; 
Wellbaujen a. a. O. S. 229 Abb. dd, no.?. Der untere Teil, der den Reſonanzboden 
bildet, urfprünglich wie erwähnt ein einfaches Brett, bat fih zu einem merkwürdigen 
Schallfajten erweitert, wie die in dem Berliner Mufeum befindliche Lyra zeigt, vgl. die 

co Abbildung bei Wellbaufen a. a. O. S. 231 Abb. 1, 


Mufit 589 


Das Inſtrument jcheint nicht ägyptiſchen Urfprungs geweſen zu fein. Jedenfalls 
aber war es ſchon in älteiter Zeit im allgemeinen Gebrauch bei den jemitifchen Völkern 
Weſtaſiens. Das zeigt nicht nur die oben erwähnte Abbildung, wo es als Inſtrument 
ſemitiſcher Beduinen erjcheint, fordern vor allem auch jein Vorkommen auf aſſyriſch-baby⸗ 
lonifchen Dentmälern. In feiner einfacheren Form finden wir c8 wieder auf einer von 6 
Rawlinſon reproduzierten Darftellung von drei femitiichen Gefangenen, die unter Be: 
wachung eines aſſyriſchen Kriegers diefe Lyra Spielen. Wellbaufen meift (a. a. ©. 225) 
mit Recht auf die Ahnlichkeit in Zeichnung und Tracht diefer Gefangenen mit den Dar- 
jtellungen von Seraeliten auf dem Salmanaflarobelist und auf dem berühmten Sanherib: 
relief (töraelitiiche Gefangene vor Sanberib im Lager von Lachiſch). Danach ericheint es 10 
nicht als unmahrjcheinlich, daß auch Ddiefe Leierfpieler gefangene Seraeliten find. Das 
Inſtrument gleicht ganz dem des femitifchen Beduinen, nur daß der Rahmen nad) oben 
hin breiter wird. Es wird wie dieſes unter dem linfen Arın getragen und mit beiden 
Händen geipielt; ob mit oder ohne Plektrum läßt ſich aus der Zeichnung nicht mehr 
erſehen. Den feineren Formen der ägyptiſchen Lyra entipricht eine andere von Rawlinſon 15 
wiedergegebene Abbildung (ſ. Wellhaufen a. a.D. S. 228 Fig. bb). Hier ift der Rahmen 
der fünffaitigen Kithara im ziemlich phantaftiichen Formen gejchweift; der Querſtab 
oben läuft in eine lange gejchweifte Spite aus. Die Abbildung eines aſſyriſchen Duartetts 
bei Wellhaufen (a. a. O. ©. 232 Fig. qq) zeigt uns nebeneinander eine fünffaitige 
Kithara mit fat geradem rechtwinfeligem Rahmen und eine fechsjaitige Kithara mit 20 
geſchweiftem Rahmen. Bei letterer fünnen wir, da der Spieler von der linken Seite ge: 
zeichnet ift, auch den unteren Teil, den Refonanzboden fehen, der ebenfallg aus einem 
einfachen vieredigen Brett befteht. 

Diefe vollftändige Übereinftunmung der ägyptiſchen und aſſyriſchen Darftellungen 
namentlich auch in: den feineren und enttwidelteren Formen des Inſtruments ift deshalb 25 
bejonders intereflant,. weil wir daraus erfehen fünnen, wie ein und dasſelbe Inſtrument 
dieje bedeutenden Veränderungen in den Formen erleiden konnte. Da überdies, worauf 
auh Wellhaufen a. a. D. aufmerkſam macht, Einzelheiten in der fpäteren Form des 
Nabmend an die der griechischen Kithara erinnern, nur daß dieſe regelmäßiger ift, fo 
liegt um fo weniger Grund vor, die auf den jüdifchen Münzen gegebenen Abbildungen so 
anzugtoeijein. Die althebrätichen Inſtrumente mögen fehr wahrſcheinlich einfachere Formen 
gebabt haben, fie werden in ältefter Zeit den einfachiten ägyptiichen und affyrifchen In— 
firumenten geglichen haben. Ebenfo ficher aber find in der griechifchen Zeit nicht mehr 
diefe rohen Inſtrumente im Gebrauch geweſen, fondern feinere, mehr oder meniger nad 
der Mode, d. h. nach griechifchem Geſchmack umgeformte. Alles aber, was mir aus dem 35 
AT und fonit über den Kinnor erfahren, paßt auf diefes Inftrument, namentlih aud 
ſehen wir, daß es mit oder ohne Plektrum gefpielt werden Tonnte. 

Mas die Nabla anlangt, find wir ganz auf den Vergleich mit den ägpptifchen und 
babylonifchen Inſtrumenten angemwiefen. Tie einzige wertvolle Angabe, die wir fonft 
baben, über die Stellung des Reſonanzkörpers paßt nur auf ein Inſtrument der Harfen- 40 
Hafie. Auch die Harfe ift jeit uralter Zeit in Norderafien und in Agypten in Gebraud. 
Die ältefte aller Abbildungen von Saiteninjtrumenten, ein Stein aus Tellob in Süd— 
babylonien, jtellt eine Harfe dar, ein ſenkrecht ſtehendes Anftrument, mit einen faften- 
artigen Refonanzboden, auf dem ſich ein plumpes Rahmengeftell erhebt; die Saiten, 
11 an der Zahl, laufen vom Reſonanzboden ziemlich ſenkrecht, doch etwas Divergierend, 45 
zum oberen Querbalken. Das ganze Inftrument ift zienlich groß, etwa von drei Vierteln 
Manneshöhe, und bat robe Verzierungen. Vgl. die Abbildung bei Wellbaufen a. a. O. 
S. 224 Fig. r. Handlicher iſt die auf einem Siegelcylinder abgebildete babyloniſche Harfe, 
welche jenkrecht getragen wird (vgl. Abbildung bei Mellhaufen a. a. D. ©. 227 Fig. w 
und Enc. Bibi. ©. 3237) und die uns häufiger begegnende ebenfallg fenkrecht getragene vo 
afiyriiche Harfe (vgl. Abbildung bei Mellbaufen a. a.D. ©. 226 Fig. v.; Niehm, HWB, 
©. 1049; Benzinger, Archäol. S. 275). Beide Inſtrumente zeigen die charakteriftischen 
Merkmale aller Harfen: die Saiten find nicht quer über einen Reſonanzboden gefpannt, 
fondern laufen ganz frei von Stab zu Stab; der Rahmen, in den fie eingeipannt find, 
ift nicht auf allen vier Seiten gefchloffen (mie bei der Kithara), fondern auf einer Seite 55 
offen; das Inſtrument wird beim Spielen fenfrecht gebalten. Im einzelnen bejtehen 
beide Inſtrumente aus einem vertifalen Stab und einem von dejlen Ende nah oben 
laufenden gebogenen Holzkörper (falfch find die Abbildungen der afjyrifchen Harfe bei 
Riehm u. a., welche den leßteren gerade laufend zeichnen). Zwiſchen beiden Stäben als die 
Sehnen des Winkels find die Saiten gejpannt. Die erwähnte babylonische Harfe wird jo ge: 60 


590 Muſik 


tragen, daß die offene Seite nach innen, dem Spieler zu liegt; bei der aſſyriſchen Harfe liegt 
der nach oben laufende Pfoſten von Holz an der Bruſt des Spielenden. Um den unteren 
Stab ſind die Saiten feſt gewickelt und hängen noch ein gutes Stück herunter; das nach oben 
laufende Holz zeigt bei der aſſyriſchen Harfe die Vorrichtungen (Wirbel) zum Stimmen ganz 

5 deutlich. Intereſſant iſt vor allem zu beobachten, wie aus dem einfachen Stab der alten 
babvlonifchen Harfe bei der aſſyriſchen Harfe ein breiter Nefonanzlörper geworden iſt, 
der die Saiten ſchildförmig überdacht. Dazu jtimmt vor allem die Angabe der Kirden: 
väter, daß bei der Nabla der Reſonanzkörper oben geweſen fer (ſ. o.). Eben dies bildet 
einen Hauptunteriſchied zwifchen der afjurifchen und der ägyptifchen Harfe, welch' letztere 

iv den Nefonanzboden unten bat (ſ. u.). 

Zu erwähnen tft noch, daß die aſſyriſchen Abbildungen auch eine Harfe zeigen, welche 
borizontal getragen wird. Auch bier find die Saiten (nur neun) ald Sehnen zwifcen 
zwei einen jenfrechten Winkel bildenden Hölzern eingefpannt. Die offene Seite des In: 
jtruments liegt dem Spieler zu; das breitere als Rejonanzkörper dienende Holz, das auf 

15 der linken Zeite dee Spielers liegt, ijt bier cbenfalld gerade. Das Inſtrument wird 
feiner Lage entjprechend nicht mit den Händen gejpielt, ſondern die Saiten erden mit 
einem langen Plektrum gejchlagen. Mit diefem Inſtrument ift nicht zu verwechſeln das 
unten zu erwähnende aſſyriſche „Pſalterium“. Abbildungen diejer liegenden aſſyriſchen 
Harfe ſ. bei Mellbaujen a. a. U. 227 Fig. x. 

0 Die ägyptiſche Harfe zeigt eine große Mannigfaltigleit in den Formen (vgl. Erman, 
Aavpten <. 342). Im alten Reich finden wir nur die großen Harfen. Die eine Größe 
wurde figend reſp. knieend gefpielt; der SHolzbogen der Harfe ruhte an der Schulter des 
Spielenden. Dieje mittelgroße Harfe batte 6 oder 7 Saiten. Die ganz große Harfe, 
die bis zu 20 Saiten batte, war jo groß oder noch größer als ein Mann. Der Spieler 

s jtand beim Spielen; aud die Harfe ſtand auf einem Ende des Holzbogens. Deutlich 
zeigen dieſe Harfen alle die urfprüngliche ‚Korm Des Inſtruments: ein großer Bogen, bei 
dem Die Saiten die Stelle der Sehne vertreten. Wie bei der babyloniſch-aſſyriſchen bat 
jih aud bier bei der ägpptifchen Harfe im Yauf der Entividelung der einfache Bogenitab 
verbreitert zu einem Reſonanzboden und ift teilmeife zu einem kiſtenförmigen Hohlkörper 

0 geworden. Dieſer legtere befindet ſich jedoch im Unterfchied von der affpriichen Harte 
unten und dient zugleich als Fuß, auf dem die Harfe jteht. Die Wirbel zum Anipannen, 
d. h. Stimmen der Saiten find oben. (Abbildungen |. bet Riehm HWB 104.) 

Im neuen Reich kommen dazu die verfchiedenen kleinen tragbaren Harfen. Zum 
Teil baben diefelben ebenfalls die Form eines ſtark gehrümmten Bogens; andere find den 

 afinrtichen gleichend winfelförmig. Bald baben fie einen Nefonanzboden, bald nicht. Wie die 

afiprtiiche Harfe werden alle dieſe vor der Bruft getragen. Abb. ſ. bei Wellbanjen a. a. O. 320 
ig. ff, gg, hh. Cine dritte Gattung endlich wird merkwürdigerweiſe beim Spielen auf der 
Schulter getragen (1. Abb. bei MWellbaufen a. a. ©. 229 Sig. dd). Diefe Harfen feben 
auf den criten Anblid mehr einer Yaute äbnlid. Der Nejonanzboden iſt bei einzelnen 

ganz mie der einer Yaute geformt, keſſelförmig gemwölbt mit der Wölbung nach unten. 

Allein Der Zaitenbalter verläuft nicht gerade in einer Richtung mit den Dedel des Re: 

ſonanzbodens wie bei Der Yaute, jo daß die Zaiten auf legterem und auf dem Saiten: 
balter nebeneinander aufliegen. Vielmehr iſt der Stil Des Nefonanzlörpers bogenfürmig 
geichweift, fo Daß auch bier Die Bogengeltalt des Ganzen unvertennbar ij. Die Saiten 

3, aber find nicht nebeneinander fondern wie bei allen Harfen übereinander vom Dedel des 
Meionanzbodens zum Ende des Stils geipannt. Als Mittelding zwiſchen Harfe und Laute 
Ind dieſe Inſtrumente non befonderem Intereſſe. Die zablreihen Abbildungen aber, bie 
wir von den verichiedenen Harfen haben, zeigen, Daß Diefes Inſtrument bei den alten 
Agpptern ſehr belicht mar. 

„ Tasielbe gilt aber auch von der Yaute, und jo manches Die eben ung der bebräi- 
ichen nabla und der Harſe, namentlich der aſſyriſchen Form derfelben, für fich Bat, je 
it Doc nicht ohne meitered ausgeichlojien, Daß die Hebräer auch die Laute fannten, und 
Pic vielfach vertuchte Glei der nabla mit der Yaute kann bei dem wenigen Sichern, 
was mir millen, nicht von gar getviefen werden. Es tft ſchon erwähnt morben, 

dak ih die Verteidiger dieſer Anſicht auf die Bedeutung des bebräifchen Wortes 2: 
— Schlauch berufen. its wird dagegen das Wort aus dem ägpptifchen nfr, der 
Bezeichnung für Laute, abgeleitet und die Uebernahme des Worts würde natürlich die 
der Sache. Der nat, vorausſetzen. Seinem Urjprung nah ift das Initrument 
genum aamptiich (. Gun, pten 3437). Es findet fih aber auch bei den femitifchen 

„ Npilern, ndentalls bei SUR ern ſchon frühe, und zwar in mejentlich derſelben Form. 


12 
Par) 


» 





Muſik 591 


Der hohle Körper (Reſonanz) iſt länglich oval, nah unten mehr oder weniger aus: 
gebaudt. Ein für unfere Anſchauung unverbältnismäßig langer gerader Stil dient ale 
Saitenbalter. Die wenigen (1--3) Saiten des nftruments laufen auf diefen Stab 
nebeneinander ; die aflurifche Yaute zeigt uns die drei Saiten am Ende des tabs noch 
lange berunterhängend. Den Körper des Inſtruments bält der Spieler unter dem rechten s 
Oberarm. Mit der rechten Hand werden die Saiten gleich oberhalb des Körpers in 
Schwingung verjegt, die linfe Hand greift ganz wie bei unferen Geigeninftrumenten um 
Das obere Ende des Haljes und giebt den jchwingenden Saiten durch Niederdrüden 
verfchiedene Yänge. Andere ägyptiſche Abbildungen zeigen Yauten mit wejentlich fürzerem 
Stil. Hier und da bedient ſich der ägyptiiche Spieler auch eines Plektrums. Die In— 
ftrumente werden auch im Gehen und beim Tanz im Tanzjchritt gefpielt. Das Inſtru— 
ment lebt bi8 auf den heutigen Tag in ganz derjelben Form fort in dem modernen “üd 
der Araber (mit dem Artikel al-üd — portugiefiih alaüde, mittelbochdeutich Tüte). In 
Eprien und Agyypten gilt diefe Yaute als das edelfte Saiteninftrument; es iſt von den 
arabifchen Dichtern hoch gepriefen und von den beiten arabifchen Muſikern viele Jahr: 15 
bunderte lang faſt ausfchließlich gebraucht worden. Das nftrument hat einen ſehr kurzen 
Hals und fieben Doppelfaiten. Es wird mit einem Plektrum gejpielt; als ſolches dient 
ein Stüdcben von einer Geierfeder (vgl. Yane, Sitten u. Gebr. II, 193f.). 

Es ift fchwerlih anzunehmen, daß dieſes uralte Inſtrument den Hebräern ſollte ganz 
unbelannt geivefen fein. Da wir außer kinnor und nebel feine weitere Bezeichnung = 
für ein drittes Saiteninftrument haben, jo legt fih die Annahme nabe, daß auch die 
Zaute unter einer diefer Bezeichnungen, aljo wohl unter dem Namen nebel mit be: 
faßt wurde. 

Noch ein viertes Saiteninftrunent war den alten Semiten befannt und fommt auch 


0 


[_ 7) 


pat einen niedrigen, ztemlich flachen, ein wenig konkav gewölbten Kaften als Refonanz: 
örper. Über ihm find parallel nebeneinander zehn Saiten gejpannt, deren Enden an 


Alle diefe genannten drei Inſtrumente find jchon mit den bebräifchen Namen Kinnor 
und Nebel identifiziert worden. Keines läßt fih mit Sicherheit oder auch nur Wahr: 
ie ald den Hebräern unbefannt ausjchließen. Aber noch weniger läßt fich mit 

immtbheit ein einzelnes derjelben als Stinnor oder Nebel bezeichnen. b5 

Noch ein anderes Saiteninftrument außer den genannten wird im AT erwähnt, die 
sabbekha (N320 Da 3, 5. 7. 10. 15). Diefelbe iſt fein jüdiiches, fondern ein aus 
ländifches Inftrument und begegnet uns fonjt nirgends im AT. Name und Sadıe find aus 
dem Orient zu den Griechen und Römern gekommen. Mit der oaußöxrn (oder odußvE) 
durchzogen orientalifche Bublerinnen, die man eben nach ibrem \njtrument ale Sam- ado 


horn . 
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NRgegnet auch hier weie 


Mufit 593 


bei den Saiteninftrumenten der Schwierigkeit, daß wir eine größere Anzahl verjchiedener 
Formen jolder Inſtrumente fernen, ale uns Namen überliefert find. 

Non Flötenartigen Anftrumenten treffen wir auf den ägyptiſchen Abbildungen 
zunächſt Die einfache Yangflöte aus Holz oder Hohr. Sowohl die Yänge derjelben als 
auch Die Zahl der Löcher wechjelt ſehr. Daneben finden ſich die Querflöten, die gleich 5 
unjern modernen Flöten mitteljt eines am oberen Ende auf der Seite angebrachten 
Loches geblajen werden. Sehr beliebt find im neuen Reich (ca. 1600950 v. Chr.) die 
Doppelflöten, zwei Flöten, die am Mundſtück miteinander verbunden ſind, nach unten 
auseinanderlaufen ; jede Hand fpielt eine der Flöten, die natürlich nicht viele Löcher haben. 
Ebenfoldie Doppelflöten begegnen uns auf affuriichen Abbildungen 3.8. aus der Beit ın 
Allurbanipals (668- -626 v. Ebr.). Hier ericheinen fie etwas kürzer und weiter ale die 
ägbptiichen. Als jpezifiich ſyriſch wird die fleine fpannenlange Flöte genannt, die fcharf 
und Häglich Klang und bei der Adonisklage geblafen wurde; bei den Athenern wurde fie 
allerdings auch bei Trinkgelagen verwendet (Athen. IV 174f.). Über die fonftigen ver: 
jhiedenen Arten der in Griechenland befannten und gebrauchten Flöten |. Ambros, 15 
Geſch. d. Muſik, S. 476ff. Die modernen orientaliſchen Flöten variieren ebenfalls in 
der Länge; meiſt haben fie 6- 7 Löcher. Sie find aus Rohr. Sehr beliebt ſind auch 
jeßt noch Die Doppelflöten; im Unterfchied von den alten Doppelflöten jind aber jeßt 
beide Fiöten ihrer ganzen Länge nad zuſammengebunden. Abbildungen der verſchie⸗ 
denen ügbptifchen und aſſyriſchen Flöten ſ. bei Wellbaufen a. a. O. 219; Enneyel. 20 
Biblica III, s.v. music; Wilfinfon II, 307 ff.; über die modernen Flöten vgl. Niebubr, 
Reifen I, 180. 

Rermutlic waren auch bei den, alten Hebräern verjchiedene Formen diefer Flöten 
im Gebrauch und die Bezeichnung >75 dürfte mebrere Arten umfaſſen. Für Die 
einzelnen Arten mögen dann immerbin noch bejondere Bezeichnungen im Gebrauch ges 25 
weſen jein. 

„a vöglihertueii bezeichnet auch 37 eine jolde Flötenart (Gen 4, 21, Hi 21, 12; 

Pſ 150, 1). Nadı der Tradition wäre allerdings darunter Die Sadpfeife 
— br Tupelfad zu verſtehen (Schilte haggiborim u. a.). Die Befchreibung des 
Inſtruments paßt recht gut auf Die beute noch in Agypten, Arabien und Italien ge: 30 
bräuchliche Form der Sadpfeife: in einen Yederfad find zwei Pfeifen gejtedt; die eine, 
obere dient zum Hineinblaſen, die andere, unten oder ſeitwärts jtehende, wird mit den 
Fingern geipielt und bat dazu mehrere Yöcher (vgl. Abb. b. Niebubr, Neifen, Taf. 28). Der 
Ton diefer Pfeife bat wie der des heutigen ſchottiſchen Dubeljads etwas Schrilles. Das: 
felbe Inftrument ift vielleicht auch Da 3, 5ff. mit dem Ausdruck RED oder NYERTT 35 
(von dem griechifchen svupwria) gemeint ; Ießterer Name bat ſich im Spanischen und 
Italieniſchen (sambogna) für dieſe pjfeife erhalten. Nach Athenäus (X 139) ſoll 
Antiochus Epiphanes zuweilen zum Schall dieſes Inſtruments getanzt haben. Immerhin 
ift gegenüber diefer Tradition daran zu erinnern, daß wir weder bei den Aſ yrern 
noch bei den Ägyptern Abbildungen dieſes Initruments baben, was die ganze Deutung 40 
etwas zweifelhaft macht. 

Mit demſelben Recht jedenfalls könnte man auch an die ſogenannte Panspfeife 
denken, die Spring der Griechen. Mit dieſem Ausdrud überfegt LXX_ den nur einmal 
bei Daniel (3,5) vorkommenden Ausdrud Ya: Die Spring beitcht aus mehreren 
(gewöhnlich 7-9) aneinander gereibten Rohrpfeifen von verſchiedener Länge und Dicke 45 
und dementſprechend verſchiedenem Ton. Man findet dieſelbe heute im Orient, namentlich 
bei den Hirten, häufig im Gebrauch (vgl. z. B. Niebuhr, Reiſen, I 184). Allein wie 
alt dieſes Inſtrument tft, und ob ſchon Die alten Hebrärr es gelannt haben, fünnen wir 
gar nicht fagen. 

Erwähnt jet noch, daß der Talmud ein weiteres Blasinjtrument, Die Ainborgel, oo 
MEI, fennt, das im berobianifchen Tempel gejtanden baben joll (Erach. 10, 2 Schilte 
haggib. p. 12 ff). Das Inftrument ſoll eine Windlade mit 10 Deffnungen gehabt 
baben. \n jeder jtedte eine Pfeife mit 10 Yöchern, jo daß die Orgel alfo 100 ver: 
Ichiedene Töne jpielen fonnte. Die Blasbälge ſeien aus Elepbantenbaut geweſen. Eine 
Hare Vorſtellung von diefem Inſtrument gewinnt man aber nicht; denn die Bejchreibung 55 
ift zu unbeſtimmt und vielfach widerfpruchevoll. So wird 4.2. geſagt, die Orgel ſei ſo 
klein geweſen, daß ein Levit ſie habe tragen und zum Gebrauch jedesmal auf ihren Pla 
zwiſchen Altar und Vorhof habe ſtellen können. Andererſeits foll ihr Ton homteräbnlic 
eweſen jein, fo daß man bei ihrem Schall fein eigenes Wort nicht verftanden habe und 
ihren Ton bis über den Olberg binaus gebört babe. Wie viel davon auf der über: co 

Keal»Encyflopädle für Theologie und Kirche. 3. A. XI. 38 


= 


691 Mufit 


treibenden Phantaſie der Talmudiſten beruht, und welcher Art eigentlich diefes Injtrument 
war, mag bier auf fich beruhen. 

3. Die Schlag: und Edhüttelinftrumente. Eine weit größere Rolle als 
bei uns spielen beim alten hebräischen mie im modernen orientalijhen Orchefter und Ge 

5 fang die Schlaginftrumente, die zur Hervorhebung des Rythmus dienen. Wird doch noch 
beute der Gefang ſehr vielfach nach alter primitiver Weife in Ermangelung von Wuftl 
inftrumenten mit Händeklatſchen begleitet. 

Das gebräuchlichite Inſtrument diefer Art war die Handtrommel, Tamburin en 
arab. duff, daber ſpaniſch aduffa; LXX ruunavov. Gen 31,27; Er 15,20; Ri 

1011,34: 1&a 10,5; 18,6; 26a 6,5; 1Chr 13,8; Pj68,26; 81,3; 149,3; 
150,4; 9:21,12; Jeſ 5, 12; 24,8; 30, 32; Ser 31,4; Jud 3,8; 16,12; 1 Mat 
9,39). Meift find es auf den altägpptifchen und aflgriihen Abbildungen rauen, 
welche die Handtrommel Schlagen, insbefondere beim Tanzen; Abbildungen |. bei Wilkinfon 
II, 240. 254; Wellhaufen a.a. D. 232; Encyel. Bibl. s.v. music. Meiſt find fie 

15 rund, ein bölzerner oder metallener Reif, der mit einem Fell überjpannt if. Seltener 
find fie vieredig. Ste werden in der einen Hand gehalten und mit den Fingern der 
andern gefchlagen. Die heute im Orient üblichen haben an dem Reif dünne Metall: 
plättchen, die beim Schütteln flingen; auch find über dem Fell eine vder zwei Saiten 
gefpannt. Das mag wohl au in alter Zeit ſchon jo geweſen fein. Auch nody andere den 

20 unjrigen ähnlichere Trommeln zeigen die ägyptiſchen und aſſyriſchen Abbildungen; in dem 
mehrfach erwähnten Zug von aflyrifchen Muiifern jeben wir einen Trommler, der feine 
runde Trommel an einem Band vor ih trägt und fie mit beiden Händen jchlägt. 
Eine ägpptifche Trommel (Wilfinfon II, ©. 240) gleicht einen mit einer Haut über: 
ſpannten baudigen Topf. 

26 Die Cymbeln EER, DE, xvußada , 2 Sa 6,5; 1 Chr 13,8; 15,19; 
16, 5. 42, Est 5, 12) werden von Sofephus (Ant. VII, 12, 3) bejchrieben als zwei große 
breite Bronzeplatten (nAdrea xal ueyala xydixeca), die mit den beiden Händen gehalten 
und gegeneinander geichlagen wurden. Sie dienten als Taktinftrument im Orchefter; nad 
der Chronik (1 Chr 25, 1. 6; 2 Ehr 5, 12) gaben die drei Mufilmeifter Davids mit hell⸗ 

30 Elingenden ehernen Cymbeln den Takt an. Auch bei den Agyptern und Afiyrern feblten 
die Cymbeln nit. Wir finden auf afigriichen Abbildungen glodenartig geformte Cymbeln 
mit Griff, die von oben nah unten aufeinander gejchlagen wurden, und flache teller: 
artige ebenfalls mit Griff, die jenkrecht gehalten und von der Seite her zufammengejchlagen 
wurden. Abbildungen |. bei Wellhauſen a. a. DO. 234. 

26 Gaftagnetten find beute im Orient ſehr beliebt und dürfen beim Tanz nict 
fehlen. Es find Heine Plättchen bon Metall, Bein oder Holz, welche anı Daumen und 
Mittelfinger angebracht find und zufammengefchlagen werden (vgl. 3.3. Niebuhr, Reifen, 
I, 181, Tafel 27; Wellhaufen a. a. ©. 234). Man wird kaum fehlgeben, wenn. man 
annimmt, daß auch die alten Hebräer folhe fannten. Ob aber der Ausdrud FF WEIL 

40 (Bj 150, 5) diefelben im Unterfchted von den großen Cymbeln bezeichnet, wie mande 
meinen, it ganz unjicher. 

An Siſtren dürfen wir vielleicht bei dem 27373 genannten Inſtrument (2 Sa 
6, 5) denfen, wenigſtens gebt dahin die in der Vulgata und bei den Rabbinern erhaltene 
Tradition. In Agypten waren die Sijtren bejonders im Iſisdienſt im Gebraud), um 

s5 den Typhon zu verfcheuchen, und dann auch ſonſt im Gottesdienft, um die Aufmerkſamkeit 
des Volkes auf gewiſſe gottesdienftlihe Handlungen zu richten (Plut. Is. 63; Juv. 
13, 93ff.; Wilfinfon I, 260; II, 323). Nach den Abbildungen beftand das Inſtrument 
aus einem breiten ovalen Metallrahınen, durch welchen eiferne Querſtangen liefen. Anz 
legteren bingen lojfe eine Anzabl metallener Ringe in langer Stil, auf dem der 

50 Rahmen jap, diente zum Schütteln. Abbildungen ſ. bei Niebm HWB 1054. Ob die 
hebräiſchen Siftren ebenfo geformt waren, wiſſen wir gar nicht. 

Noch ift ein Inftrumentenname anzuführen, der nicht mit Sicherheit zu erllären tft: 
die ED (1 Sa 18, 6), die neben der Handtrommel genannt werden. Nach der Tra: 
dition der LXX und Peſchitto find cs eine Art Cymbeln. Dem Namen nad muß das 

65 Inſtrument etwas mit der Dreizabl zu tbun gehabt haben. Man bat desbalb vielfach 
an Triangeln gedacht, Die mit Stäbchen gefchlagen wurden, oder — da Hieronymus 
darunter Siſtren verfteht --- an Triangeln, die mit lofen Ringen behangen waren 
und gejchüttelt wurden. Wieder andere denken an dag griechifche Trigonon, das aus 
—5 ſtammte, eine Art dreieckiger Harfe (ſ. oben). Etwas beſtimmtes iſt nicht aus— 

co zumachen. 


Mufit 695 


Was den Gebraud aller diefer Inſtrumente anlangt, fo nehmen die Inſtrumente 
der Trompetentlafje eine Stellung für Jich ein. Beides, Horn und Trompete, find mie 
erwähnt feine mufilalifchen Instrumente im eigentlichen Sinn des Wortes. Sie dienen 
nicht zur Begleitung einer Melodie beim Gejang oder können im UOrchefter eine jolche 
jpielen. Sie fommen, wenn der Ausdrud erlaubt ift, nur als Lärminftrument in Be: 5 
tracht und dienen zur Erzielung eines lauten Schalls. In alter Zeit wurden fie immer 
und aud jpäter meiſtens für fich allein geblaſen, jeltener und nur in fpäterer Zeit 
finden wir fie im Orcheſter zufammen mit anderen Inſtrumenten, jo 3.8. bei feitlichen 
Gelegenheiten zur Verſtärkung des Jubelgefchreis des Volkes (1 Chr 15, 28; 2 Chr 15,14; 
Pi 98, 6; 150,3). Das Horn wird vorzugsweiſe zu profanen Zwecken gebraudht. Zu 
Signalen des Wächters (Ser 6, 1. 17; He. 33, 3ff.; Ho 8, 1; Am 3,6; Neh 4, 18ff.); 
zu Signalen im Krieg beim Sammeln, beim Angriff u. dgl. (Ri 3,27; 6,34; 7,16; 
1 ©Sa 13, 3f.; 2 Sa 2,28; 18,16; 20,1; 9:39,25; Jeſ 18,3; 27,13; Jer 4,5; 
Am 2,2; Sad) 9, 14); auch bei der Thronbefteigung des Königs (2 Sa 15,10; 1 Kg 
1, 34ff.; 2 Kg 9, 13; BI 47, 6). 15 

Auch im alten Kultus ift e8 zu ſolchen Ziveden gebraucht worden und fein Gebrauch 
bat ſich zu allen Zeiten erhalten: die Annäherung der Bundeslade wird mit Hörner: 
blajen verfündigt (2 Sa 6, 15); die Feier des Neumondes des 7. Monats und des 
Jobeljahrs wird mit Hörnerblajen eingeleitet, legtere® bat daher jogar feinen Namen _ 
(xe 23,24; Nu 29,1; vol. Pf 81,4; M. Rosch haschanah 3,3; Le 25, 9; vgl. 20 
d. X. Jobeljahr Bo IX, 550; fonft vgl. für gottesdienftlichen Gebrauch auch noch Stellen 
wie 2 Sa 6, 15; 1 Chr 15,28; 2 Chr 15, 14; Pf 84,4; 98, 6; 150, 3). 

Sonſt erjcheint die Trompete als das eigentliche heilige Inftrument, welches wenigſtens 
in jpäterer Zeit faft ausfchlieglih im Kultus verwendet wird. Urfprünglich war das 
natürlich nicht jo, die Trompete diente fo gut tyie das Horn profanen Zwecken; Ho 5,825 
werden mit ihr Kriegsfignale gegeben, und 2 Kg 11, 14 und 2 Chr 23, 13 find es eben- 
falle Yaien, die das Inſtrument blafen. Sonſt aber erfcheint es allerdings immer als 
Inſtrument der Prieſter, und zur Zeit des zweiten Tempels fcheint es ausſchließlich zu 
gottesdienftlichen Zwecken gedient zu haben. Nach der Tradition machte Mofe zwei 
Silbertronpeten, mit welchen die Prieiter der Gemeinde auf dem Wüſtenzug das Signal so 
zum Aufbruch, zum Angriff 2c. gaben. Bor allem werden ferner die Feſte und Neu: 
monde mit Trompetenblajen eingeleitet und ihre Opfer vom Zrompetenjcal begleitet 
Mu 10, 2ff.; 31, 6ff.). Nah 2 Ehr 5, 12 wurde von Salomo ein Bläſerkorps von 
120 Prieftern für den Tempel eingerichtet. Nach dem Talmud wurde im zweiten Tentpel 
die Darbringung des Trankopfers von zwei Prieſtern mit Trompetenftößen begleitet. 35 

Menn trogdem Horn und Trompete mit anderen Inſtrumenten zujammen geblafen 
werden, jo dienen fie aud hier nur dazu, den Schall der lärmenden Muſik zu ver: 
ftärfen und etwa auch den Rhythmus hervorzuheben und wir fehen daraus, wie im 
ah zu unferer Muſik die Melodie in ſolchem Fall eine ganz untergeordnete Rolle 
pielte. 40 
Das Gejagte gilt auch von der Verwendung der Schüttel- und Schlaginftrumente, 
die natürlich ebenfall® mit der Melodie beim Gefang oder Urcheiterjpiel nicht3 zu thun 
baben, wohl aber bejonders beliebt find zur Serborbebung des Rythmus. Tamburins 
und Zymbeln haben deshalb vor allem ihren Platz beim Tanz, mag derjelbe von 
ſonſtiger Mufif und Gejang begleitet fein oder nit (Er 15,20; Ri 11, 34; 1 Sa 46 
18, 6; Jer 31,4; Pſ 149,3; 150,4). Aber auch ſonſt liebt man fie beim Gefang, 
allerdingd nur beim froben Felt, nicht beim Stlagegefang, wie leicht begreiflich iſt 
(Gen 31,27; Pſ 81,3; Jeſ 5,12; 1 Mak 9, 39). Auffallendermeife find die Tam— 
burind bei der Anordnung der Tempelmufif (1 Chr 25, 6; 2 Chr 5, 12) nicht ertwähnt, 
obwohl man fie neben den Cymbeln erwarten follte Sie waren alſo offenbar im oo 
zeiten Tempel nicht im Gebrauch. An ihre Stelle traten zum Markieren des Taftes 

ter die Cymbeln. Sonſt aber waren fie keineswegs aus der vollstümlichen veligiöfen 
uſik ausgeichloffen (Er 15,20; Pſ 81,2; 149, 3; 150, 4). 

Eigentlihe Mufitinftrumente, auf welden mehrere Töne, alfo Melodien gefpielt 
werden konnten, waren nur die Saiteninjtrumente und die Flöten. Ihre allgemeine 55 
eichnung ala "5 = „Gefangsinftrunente” (Am 6,5; Neb 12,36; 1 Chr 16, 12; 

2 Chr 5,13; 7,6; 34, 12) zeigt, daß fie urfprünglid vor allem zur Begleitung des 
Gefangs verivendet wurden, und das iſt auch zu allen Zeiten die Hauptaufgabe diefer 
—— — geblieben. Dabei finden ſich in der Verwendung der einzelnen In⸗ 
mente bemerkenswerte Unterſchiede. co 

38 


0 


596 Mufit 


Die Saiteninftrumente Nebel und Kinnor werden nur zu fröblier Muſik gefpielt, 
nie in der Trauer zum Nlagegefang. Für die Trauer ift charakteriftiih, dap Nebel 
und Kinnor veritummen; fie werden „an die Weiden gebängt“ (Jeſ 14, 11; 24,8; 
Thren 5, 14; Heſ 26, 13; H130, 31; Pſ 137, 2; 1 Mal 3, 45). Dagegen fehlt beim fröb- 

5 lichen Gelage, beim Feſt in der Familie und bei Volksbeluſtigungen ihre Muſik nicht (ef 
5, 12; Gen 31,27; 9121, 12 u. o.). Und wie die weltlichen jo werden auch die geiftlichen 
Lieder gerne mit diefen Anftrumenten begleitet. Wir finden fie beide in alter Zeit bei 
religiöfen Volksfeſten (1 Sa 10,5; 2 Sam 6, 5) wie noch in fpäterer Zeit beim regel: 
mäßigen Kult (3.8. 1 Chr 26, 6; Neh 12,27 u. o.). Auch hier immer find es feitliche 

10 fröhliche Gelegenheiten, bei denen fie gefpielt werden; ihr Spiel begleitet immer Xob- 
und Danklieder (1 Chr 16, 16; 2 Chr 5, 12f.; Pi 33,2; 57, 9f.; 71,22; 81, 2%.; 
150,3 u. o.). 

Darf man aus der Häufigleit der Erwähnung beider Inftrumente etwas ſchließen, 
jo wäre Kinnor das allgemeiner und bäufiger gebrauchte Inſtrument gegenüber Nebel 

15 gewejen; es wird wenigſtens viel öfter genannt, und fein Urjprung wird auf Jubal, 
den Sohn Kains, zurüdgeführt (Gen 4, 21). Es ift das Inſtrument des Hirten David 
(1 Sa 16, 16 ff.) und erjcheint überhaupt als das vollstümliche Inftrument (Gen 31, 27; 
Hi 21,12; Jeſ 23, 16). Mo dagegen vom Spiel der Nebel allein die Rede ift, finden wir 

ijhhn zu gotteödienftlichen Zwecken verwendet (Am 5, 235; Bf 144, 9), oder in den Händen 
20 von „Künftlern” (Am 6,5; Jeſ 14, 11), jedenfalls bemerfenswerter Weiſe nie bei volle 
tümlichen Yuftbarkeiten und in den Händen des Volt. 

Nicht minder als der Kinnor kann auch die Flöte Anſpruch darauf machen, ein 
volkstümliches Inftrument zu fein. Die einfache Rohrflöte gehört ja zu den primitiniten 
Inſtrumenten und auch ihre Erfindung verlegt die hebräifche Überlieferung mit Necht in 

25 die allerältefte Zeit (Gen 4,21). Flöte und Pfeife finden wir deshalb zu allen Zeiten 
bei voltstümlichen Zuftbarfeiten, bei Tanz, Hochzeit, Gelage u. dgl. (1 Kg 1,40; Jeſ 
5, 12; Hi 21, 12; 30,31; Si 40,20; 1Maf3, 45; Mt 11,17; Le 7,32). Auch der 
voltstümliche Kultus fennt die Flötenmuſik: die Prophetenſcharen begeiftern fih an ihr 
(1 Sa 10,5) und die Feſtwallfahrer begleiten ihre Lieder mit der Flöte (Gel 30, 29). 

30 Auffallenderweife aber jcheint fie im “QTempelorchefter feinen Platz gehabt zu baben, 
wenigſtens weiß erjt der Talmud von ihrer Verivendung beim Sottesdienft (Erach. 2, 3a). 

Im Unterfchied von den Saiteninftrumenten war die Flöte, und zwar die als 7 
bezeichnete Art dieſer Inſtrumentgattung, das fpezififche Klageinjtrument bei den Hebräern 
— wie übrigens aud bei anderen Völkern, z. N bei den Agyptern. Bet der Totenklage 

35 wurde die Flöte gefpielt Mt 9, 23; Joseph. bell. Jud. III, 9, 15). In der fpäteren 
ze galt Fötenſpiel als ganz unentbehrlich bei der Totenflage und auch der ärmite 

dann mußte ſich beim Tod feiner Frau wenigitens zwei Ylötenbläfer mieten. 

Nach den Nachrichten des AT zu fchließen erfcheint es als das gewöhnlichere, daß 
nur die einen oder die anderen Inſtrumente in Verwendung kommen. Für die alte Zeit 

40 wenigitens erjcheint Die Verbindung von Saiten: und Blasinftrumenten als das feltenere 
(nur 1&a 10,5; ef 5, 12 erwähnt), und das Zuſammenſpiel des vollen Orcheſters mit 
Trompeten, Bauten, Cymbeln 2c. wird erſt in der Chronik erwähnt (1 Chr 16, 28; 2 Chr 
5, 12 f.; 20,28; 29, 26ff.). Allein man darf doch nicht zu viel daraus fchließen, denn 
die alten Abbildungen der Aſſyrer und Agypter zeigen uns, daß dort das Zuſammenſpiel 

45 der verſchiedenſten Inſtrumente in Übung war, jowohl zur Begleitung eines Chors als 
auch als reines Orcheſterſpiel. 

Wie Ichon erwähnt, handelt es fih bei dem Geſagten in erjter Linie immer um 
Begleitung des Geſangs. Unjere Nachrichten find zu dürftig, daß wir Daraus etwas 
über die Rolle, welche die Anftrumentalmufif ohne Gefang fpielte, erſchließen könnten. 

so Nur von der Trauermufif der Flöten willen mir, daß es ſich nicht nur um Begleitung 
des Geſangs fondern auch und vielleicht der Hauptſache nad) um jelbitftändiges Flöten: 
jpiel handelte. Wenn wir aber zu dem Gefagten hinzunehmen, daß auch im heutigen 
Orient das Urchefter immer der Begleitung des Geſangs dient reſp. nur ein Vor: und 
Nachſpiel auszuführen bat, jo werden wir wohl zu dem Urteil berechtigt fein, daß aud 
65 im alten Israel das Orcheſter feine jelbftijtändige Bedeutung gebabt bat. 

j II. Die Bedeutung der bebräifchen Muſik für das Volksleben und die Stellung, 
welche fie im profanen Leben wie im Kultus der vorerilifchen Zeit einnahm, läßt fic 
ſchwer beitimmen. Man fann nur fovtel fagen, daß nach allen Angaben der Bibel die 
Muſik eine ziemlich hervorragende Rolle fpielte. Nicht zwar fo, wie bei den Griechen, 

co denen in alter Zeit Die Muſik etwas fo beiliges war, daß man ſie ausfchlieglich für den 


Mufit 59 


Gottesdienst beſtimmte (Plutarch de mus.), und welche fie immer als cin Bildungsmittel 
von hohen Wert anſahen. Derartige Erwägungen lagen dem alten Hebräer ganz fern. 
Aber man wird fagen dürfen, daß die alten Israeliten die Mufif Tiebten. Als Erfinder 
der Mufilinftrumente nennt die Tradition Sabal, der der Vater aller derer ift, welche 
die Leier oder die Flöte jpielen (Gen 4,21). Kenntnis und Gebrauch dieſer Inſtru— 
mente ift alfo ſehr alt bei den Hebräern und reicht in die Zeit ihres Nomabdenlebeng 
urüd. Das alte Lied auf Jahveh Er 15, 20 wird vom Weigen der Frauen unter 
egleitung von Pauken gejungen, und wenn an den SHerbitfeften von Alters her 
Neigentänze von Sungfiauen und yünglingen aufgeführt werden, fo fehlt felbftver- 
ftändlich Geſang und Muſik dabei nicht (Ri 9,27; 21,21). Ganz in derfelben Weile ı 
mit Reigen und Tanz werden auch die patrivtifchen Feſte gefeiert, die fiegreiche Heim- 
fehr des Feldherrn aus dem Kampf (Ri 11,34; 1 Ca 18,6), die Thronbefteigung 
oder Soceit des Könige (1 Kg 1, 39f.; PB 45,9f.; 1 Mal 9,39) u. dgl. Ebenfo- 
wenig fehlt die Muſik bei Samilienfeiten aller Art (Gen 31, 27; Ser 25, 10; Le 
15, 25). Wer ein Meifter iſt im Gefang oder im Spiel eines Inſtruments, der hat 15 
immer einen Kreis dankbarer Zubörer um ſich. Der Hirte David ift in feiner Heimat 
wohl belannt wegen feines Spield (1 Sa 16, 18). Der Wettgefang der Sünglinge 
unterhält die Leute, die am Abend unter dem Thor fi verfammeln (Thren 5,14). 
Zum froben Mahl und Gelage gehören Geſang und Saitenklang. Am Hof des Königs, 
Ihon eines Davıd und Salomon, fehlen Sänger und Sängerinnen nicht (2 Sa 19, 35; 20 
Prd 2,8). Die Propheten haben freilih an den üppigen Gelagen mit Mufif und Tanz 
feine Zreude (Am 6,5; Jeſ 5, 12; 24, 8f.; Ser 7,34; 23,16; 26, 10). Aber das 
berechtigt uns noch nicht, auf den Charakter diefer Muſik einen Schluß zu ziehen und 
diefelbe, wie manchmal gefchieht, als üppig und mwollüftig zu bezeichnen. Auch in der 
Hand der Dirnen treffen wir das Eaiteninftrument (den Kinnor), und mit Gefang und 25 
Tanz loden fie die Männer an (ef 23, 16). Ob aber im allgemeinen der Ruf der 
Sängerinnen und Tänzerinnen von Profeſſion ein weniger guter war, wiſſen mir nicht. 
In nacherilifcher Zeit unter dem Einfluß des Hellenismus bat die Verbreitung der 
Mufit jedenfalls nicht abgenommen. Die Einführung griechifcher Gefänge mit In— 
ftrumentbegleitung wird von Joſephus Herodes d. Gr. zugefchrieben (Arch. XV 8,1). 30 

Bor allem bei der Totentrauer durfte zu feiner Der der Klagegefang fehlen. Das 
ſpezifiſche Inſtrument für Trauermuſik war, wie erwähnt, die Flöte. Nach den Angaben 
des Talmud mußte auch der ärmfte Hebräer beim Tode feiner Frau wenigſtens zwei 
Flötiften und ein Klageweib beftellen (Lighfoot hor. hebr. ad Matth. 9, 23). Die 
Steichen konnten die Zahl beliebig vermehren. Ein ſchönes Beifpiel eines ſolchen Trauer: 35 
gefangs aus alter Zeit haben wir in Davids Klagelied auf Saul und Jonathan (2 Sa 
1,18 ff.) und in dem Klagelied Davids auf Abner (2 Ca 3,33). Später hat die Ent: 
widelung des Klagegefangs zu einer eigenen metrifchen Form für das Klagelied geführt, 
vgl. die Artt. Klagelider Bd X E. 505,8 ff. 

Weit weniger Verwendung fcheint die Muſik in alter Zeit im Kultus gefunden zu w 
haben, wenigſtens haben wir ſehr wenig direkte Angaben dafür. Immerhin Tanz und 
Reigen beim Herbitfeft gehörten mit zu der Fultifchen Feier, und bei manchen Volksfeſten 
wird es überhaupt ſchwer zu fagen fein, tie viel von den eingeinen Gebräuchen, Tänzen, 
Reigen, Chören, kultiſche Bedeutung hatte. Wie das alte Xoblied Er 15, fo erden nod) 
manche andere Jahvehlieder von den Frauen Israels geſungen worden fein an patriotifchen 45 
Feſten, wie 3. B. bei der Heimkehr ftegreicher Feldherrn. Auch bei der Einholung der 
ndesladbe durch David haben Muſik und Gefang ihren Pla (2 Ca 6, 5. 14f.). 
Direkt religiöjen Zwecken dient die Muſik bei den Propheten. Wir hören, daß die alten 
Prophetengenoſſenſchaften die Muſik pflegten (1 Sa 10,5; 19, 20 ff). Welche Bedeutung 
ir fie die Muſik hatte, ſehen wir aus der interefjanten Notiz in 2 Kg 3, 15: Elifa 5 
verlangt nach einem Saitenjpieler, deſſen Spiel ihn in heilige Begeifterung verfegen fol. 
Damit darf dann wiederum zufammengenommen twerden, was über die Wirkung von 
Davids Saitenfpiel berichtet wird: wenn David vor Saul fpielte, wich der böfe Geiſt, 
der Beſitz von Saul ergriffen batte, von Saul (1 Sa 10, 5.10; 16, 16ff.; 19,20 f.). 
Wie dort dur die Muſik die heilige Efitafe geweckt wird, jo wird bier der böfe Geiſt 55 
von Elohim durch Muſik zur Nube gebracht. 

Mit dem allen iſt aber die Vertvendung der Muſik im regelmäßigen Kultus keines⸗ 
wegs eriwiefen, und dafür, daß 3.8. wie im fpäteren Tempel die Darbringung von Opfern 
von Inſtrumentalmuſik oder Geſang begleitet war, finden wir für die älteſte vorkönigliche 
Zeit feine Spur. Sicher fünnen wir fagen, daß die Mufif nicht zum Opferdienſt gehörte, 60 


a 


— 
— 


598 - Mufit 


Aber ebenfo ift als wahrſcheinlich zu betrachten, daß mit der Errichtung eines Töniglichen 
Heiligtums die Muſik in den regelmäßigen Tempeldienft ihren Einzug bielt. Die Rolle, 
welche Geſang und Muſik im zweiten Tempel fpielt, und die Stellung, melde Sänger 
und Mufitanten unter dem Tempelperfonal einnehmen, ift doch nur verjtändlih, menn 
b fhon vor dem Exil die Mufil im Tempeldienſt feiten Plag hatte. Und wenn die Tra: 
dition alles das auf David zurüdführt und ihn zum eigentlichen Begründer der Tempel: 
mufif macht, fo ift das nicht bloß Phantaſie, die aus der alten Notiz über Davids Kunft- 
fertigfeit im Spiel berausgefponnen iſt. Es iſt der Natur der Sache nad nur als 
durchaus twabrjcheinlich zu bezeichnen, daß der König, der offenbar an der Muſik eine 
10 Freude hatte, und der feine Sänger und Sängerinnen, Mufifanten und Tänzerinnen an 
feinem Hof hatte diefelben auch in feinem Kultus verwendete, und daß auch ein Salomo 
eine Tempellapelle ald zum Glanz des königlichen Heiligtums beitragend betrachtete. Wie 
weit daber äußere Einflüffe, 3.8. das Vorbild anderer Heiligtümer mitwirfte, Tönnen mir 
nicht beurteilen, da mir nichts über die Muſik an den fanaanitifchen Heiligtümern wiſſen. 
15 Merkwürdig ıft übrigens doch, daß im Geſetz Orcheftermufit und Gefang gar feine Stelle 
haben. Nur das Blajen der Trompeten an den Feittagen und Neumonden wird den 
PBrieftern aufgetragen und zwar als ein wichtiges Vorrecht (Le 23, 24; 25, 9). Nadı 
dem Exil Tehren zahlreihe Eänger und Mufilanten mit Serubabel zurüd (Esr 2, 41; 
Neh 7,44), ein Beweis, daß die mufikalifche Tradition während des Erild nicht abgerifien 
20 tft, fondern ſich fortgepflanzt hat. Bei der Grundfteinlegung des Tempels und der Ein- 
tweihung der Stadtmauern wirken Chöre mit (Er 3, 10ff.; Neh 11, 22; 12, 37 ff.). 

Nah dem Exil hat dann die Mufif eine immer größere Rolle im Tempeldienft ge 
jpielt, daS zeigt ſich äußerlih am Anfchwellen der Sängerjcharen und an ihrer er: 
höhten focialen Stellung. Für lehtere ift ganz bezeichnend, daß in den Genealo: 

25 gien der Chronil die Sänger ganz den Stamm Levi angegliedert find; von König 
grippa erhielten fie dann das Vorrecht vor den übrigen Leviten, das weiße — ur: 
ſprünglich priefterliche — Gewand zu tragen (Joseph. Ant. XX, 9, 6). Die zurüd: 
fehrenden Sänger jiedelten jih in der Umgebung Jeruſalems an (Neh 12, 28). Der 
perfifche König gab bejonderen Befehl ihnen Tag für Tag ihren Unterhalt zu liefern 
30 (Neh 11, 23; Esr6,8ff.; 7, 20ff.; Neb 12,47; 13,10). Das Anfchwellen der Sänger: 
jcharen zeigt am beiten der Vergleich folgender zwei Zahlenangaben: Nach dem Eril kehren 
zurüd 148 Sänger (Neh 7, 44; beziehungsweiſe nach anderer Angabe 128 Sänger Est 
2,41). Nach dem Chroniſten joll die Zahl der Sänger zu Davids Zeit ſchon 4000 be: 
tragen haben (1 Chr 24, 5); fie erfcheinen in drei Gefchlechter (Chöre?) eingeteilt: Afaph, 
35 Heman, Jeduthun, die ſich auf die drei gleichnamigen Muſikmeiſter Davids zurückführen. 
Das Gefchleht Aſaphs zählt vier, Jeduthun ſechs, Heman vierzehn Ordnungen von je 
zwölf Singmeiſtern, von denen die gewöhnlichen Sänger als „Schüler“ unterjchieden 
werden (1 Chr 26, 7f.). 

Ihr Gefang wurde vom Tempelorcheiter begleitet, das nach 1 Chr 16, 19—21 jeweils 
aus act Nablafpielern und ſechs Kinnorfpielern beitand. Der Muſikmeiſter fchlug dazu 
den Takt mit der Cymbel. Im herodianiſchen Tempel beitand dag Orcheſter aus 2—6 
Nablafpielern, 9 Kinnorfpielem und 1 Cymbelſchläger. Dazu kamen nad talmubijcher 
Angabe noh 2— 12 Flötenfpieler und 2 Trompeten (Maimonides, Kelö hammikdäsch 
C. 3). Mit der ganzen Entwidelung der Tempelmufit hängt aufs engite zufammen die 
der Pſalmendichtung (j. Art. Pſalmen). Nach den talmudifchen Angaben erhielt jeder 
Tag der Woche feinen befonderen Pſalm, der während der Darbringung des Morgen: 
opfers gefungen wurde; es find die fieben BI 24. 48. 82. 94. 84. 93. 92 (vgl. auch die 
almüberfchriften in der LXX und die Pfalmenfommentare, 3. B. Baethgen S.XXXVID. 
Ber den Kircchweihfeltopfern wurde Pi 30 gefungen. Jede Abteilung der Sängerchöre 
so hatte ihre Dienſtwoche. Für dag Orcheſter war im berodianifchen Tempel ein befonderes 

Podium errichtet. 

III. Auf den Charakter der hebräiſchen Mufif laffen ſich aus dem bisher Ge- 
jagten immerhin einige Schlüffe zieben, die beftätigt und ergänzt werden durch das Bild 
der heutigen orientalifchen, ſpeziell arabiſchen Muftf. Man wird fich bei ihrer Beurteilung 

55 vor beiden Extremen zu büten baben, das muß von vornberein bemerkt werden: einer: 
jetts vor der namentlich bei den Nabbinen üblichen übertriebenen Wertung, welche fich 
die hebräiſche Mufik, bejonders die Tempelmuſik, als eine auch für unfere Ohren überaus 
wohlklingende und wirkungsvolle Muſik vorstellt. Andererfeits aber aud) vor einer zu 
geringfchägigen Beurteilung, die fie mitſamt der heutigen vrientalifhen Muſik ale vom 

vo fünjtlerifchen Standpunft ganz wertlos, als barbarifches Gefchrei einfach wegwirft. Wir 


4 


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d 


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Muſik 599 


werden uns allerdings, das ſei gleich von vornherein bemerkt, die hebräiſche Muſik im 
weſentlichen wohl ſchwerlich anders als die heutige arabiſche Muſik vorſtellen können. 
Allein es wäre ein grober Fehler, dieſe letztere deswegen, weil ſie unſerem Ohr nicht zu— 
ſagt, — d. h. weil unſer Ohr nicht daran gewöhnt — und weil ſie unſere Harmonie 
nicht kennt, ohne weiteres zu verachten. Mit demſelben Recht betrachten die Drientalen 5 
unſere ſchön hbarmonifierte Muſik als gräuliches Geräufd). 

Zur richtigen Würdigung der althebräifchen mie der modernen orientalischen Muſik 
muß man jich vor allen vergegenmwärtigen, daß bei beiden der Rhythmus eine außer: 
ordentlich große Rolle fpielt auf Koſten der Melodie. Alte Lieder, mie das Triumphlied 
Er 15, 20 ff. wurden, wie berichtet wird, gejungen mit Begleitung von Tamburinen 
allein. Dan fteht, daß diefes Singen vor allem ein rhythmiſches Deklamieren war. Das 
entfpricht ganz dem, was wir überhaupt über die Entwidelung der Muſik wiſſen. In 
ihren eriten Anfängen ift Bolalmufif überall ein rhythmiſches Sprechen ohne reicheren regel: 
mäßigen Tonmechjel (Melodie), eine Art deflamatorifcher Vortrag mit beftimmter rhyth⸗ 
mifcher Betonung. Wie ſich dann daraus eine regelmäßige Variation des Tond und 15 
jchlieplih die Melodie entwidelt hat, das darzuftellen gehört nicht hierher. Genug, daß 
wir vom hebräischen Volksgeſang konſtatieren können, daß er in alter Zeit auf der Stufe 
ftand, wo der Rhythmus das Übergewicht über die Melodie hat. 

Und das ift ficher nicht bloß in der älteften Zeit fo geweſen, ſondern auch Tpäter 
noch jo geblieben. Iſt das doch noch heute ein charakteriftisches Merkmal des arabifchen zu 
Geſangs, ſowohl des Vollsgefangs als aud) teilmeife des Kunſtgeſangs. Die Agypter 
. B. ind ſehr gelangsluftig. Ber der ſchweren Arbeit ermuntern fich die Ruderer durd) 
Geſang; die Ejeljungen auf ermüdenden Marſch fingen fi zu; die Schar der Arbeiter, 
wenn fie von der Arbeit abends nad Haufe zieht, erfreut fd am Geſang. Faſt immer 
ift diefer dann derart, daß einer von ihnen eine fürzere oder längere Zeile fingt, und die 25 
Schar der andern ihm mit einem furzen Refrain antivortet. Der Vorſänger wechſelt; 
wer gerade etwas zu fingen weiß, Tann an die Reihe fommen. Aber immer ift diefer 
oft improvifierte Gejang des Vorfängers und meift auch der Refrain ein rhythmiſches 
Recitieren ohne viel Melodie mit ftarter Betonung des Rhythmus, der vielfach durch 
Händellatfchen noch befonders hervorgehoben wird. Auch wo eine Schar von Knaben oder 30 
Männern ſich im gemeinfamen Gefang vergnügt, ift das für unfer Ohr meit eher dem 
taftmäßigen Herfagen, als einem Eingen zu vergleichen, ganz ähnlich der Art und Weile, 
wie etwa bei uns eine Schulflaffe yemeinfam einen Spruch oder Liedervers auffagt. Auch) 
hier wieder darf das Markieren des Rhythmus durch Händeklatſchen nicht fehlen. 

Auch wo wie im entividelteren hebräifchen Volksgeſang und im Kunſtgeſang — wenn 35 
wir überhaupt von einem folchen reden dürfen — eine eigentliche Melodie ſich findet, 
dürfen wir fie ung nicht nach Art unferer Melodien als feites und unveränderliches Ton- 
gefüge vorftellen. Das ergiebt fich ohne meiteres aus der Betrachtung der Texte, die wir 
haben. Nehmen mir z. B. die Palmen mit ihrer Ungleichheit der einzelnen Strophen 
und Verſe in Beziehung auf die Zahl der Worte und Silben und das Metrum, fo leuchtet ao 
ohne weiteres ein, daß bier nur Melodien möglich find, twelche ebenjogroße Beweglichkeit 
und Dehnbarkeit haben. Wir haben für unjere weltlichen und geiftlichen Lieder entiprechend 
ihrem Bau in Strophen aud) Melodien je für eine Strophe, die fi) nach der Zahl der 
Strophen wiederholen. Solche Strophen in den Palmen abzuteilen, gelingt nur in 
jeltenen Fällen. Das gewöhnliche muß alſo bier die kurze Melodie fein, die nur für eine «6 

albzeile oder Zeile beftimmt mar, und fich dementfprechend öfter wiederholte. Auch dieſe 

ze Melodie mußte in Beziehung auf das Zeitmaß dehnbar fein, da Zeilen von fehr 
ungleicher Länge nach derjelben ‘ elodie gefungen würden, m. a. W. es fpielte auch bier 
noch das melodifche Recitieren cine große Rolle. Ganz dasfelbe finden wir bein heutigen 
arabifchen Geſang. Auch da find die Melodien meift ganz kurz, nur eine einzige Zeile, 60 
wenn man fo jagen darf, die fich ſehr oft wiederholt. 

Als ein drittes Merkmal dürfen wir anführen, daß die Melodien einen fehr kleinen 
Tonumfang hatten. Das beweifen die gebrauchten Inftrumente. Die Saiteninftrumente 
wie die Flöten hatten in alter Zeit nur ſehr wenig Töne; die Zahl der Saiten mar bei 
erfteren gering und die Variterung der Töne dur Verkürzung der jchivingenden Saite 55 
mittelft Feſtdrücken durch die Finger fcheint wohl bei einzelnen Inſtrumenten vorgefommen 
u ein, ift aber bei anderen (3. B. bei der Harfenklaffe) durch ihre Form ausgejchlofien. 
Wir baben biezu wiederum den modernen Gefang in Parallele zu ftellen. Auch da über: 
ſchreitet ſelbſt Beim Kunftgefang die Melodie felten den Umfang einer Duinte, 

Noch in einem weiteren Punkte gleicht die hebräifche Mufif durchaus der heutigen su 


= 
= 


Kant 


tube Harmonie, Die auf De 
lan aufletenden diſſonierende: 
. „x unam Urſprungs lIu. Som. 
7 * durchaus einitimmig, iemant NG 
as uns ale harmoniſch und neh 
Zen, Deren Schwingungs;zablen : 

Hi dem Orientalen etwas haßlich 
der, ein ungeordnetes Hann ven 
daran kein ernſter Mann ? Keranuger 
arkiſchen Militarkapellen ihre vrien 
Ann in Konzerten ein Orche'ter td 
letodie. Nur etwa ein beitandiager 
qSurchgebend ein und dieſelbe Barmen, 
naleich Den NMbhythmus hervorbhebend. 
ne CEhore giebt es überhaupt nicht. 
. . Neitung, Da Spielen Die Inſtrumen: 
wenn eiwa Die begleitenden mir 
at geſpielte Melodie in harnoriicher 
onvenll wird als harmoniſch im u 
Der Toneifett, Dev durch das Zuſammen 
rernl bekannt, und es iſt Sehr häufiis. 
u Me Melodie ven einem Ich 


unisono-Spiel und Geſang kenn:, wird 

rvergehoben iit, daß De Sanger allen 

die Oktave reſp. das Zuſammenivpicken ih 

les angenommen werden. Der Ute 

und ihr zuſammenklingen aniſcheinend 

ja ein den Natur gegebener, und es 

“> ber den Inſtrumenten nachahmte. Es 

5 78 Err 15, 20if., wie meiſt geichieht, 

*enden Inſtrumente (mebel nad Jung 

sanben Stimme geſtimmt waren und ge 

Sohn nnerſtimme nachabhmten. Im Temvelcher 

- 5 5 die drei Tochter Hemans in der ya 

noch nicht zu Den Tempelſangern, und ebenie 

Ih 7T, 175 nichts amt Dem Tempelzwang 

J am Geſang bei den Volksfeſten, wenn 

Der entgegenzog U. w.: val. Dean 

Anvel ſangen nach Dem Talmud Leviten 

v Seit werden wir eher daran su Denken 
pr den JFalſettogeſang Der Männer lieb:. 

zart uns Abendlandern Die Wirkung dieſe: 

Dub werden fun Daß gerade umen: 

on. mp Orcheſters gewaltige künſtleriſche Wu 

ebl betannt. Und ſelbſt Die uns ſonſt se 

Mielodien verfehlen in dieſem Fall ibren 


eria: die Frage nach dem Spiteme der 
SINKT m. a. W. nach Der „Tonleiter“ der 
c:ètigſte fur Die Srfenmmis des Ciuratiit 
, Lleiben. Wahrend Die riechen ein Spitem 
“wieignge firieren konnten (vgl. Paulv NE. 
Alrpuise, brachten es die alten "eb 
ro einer iolchen. Die jetzt im Orient 
Jaurundert dorthin gekommen. Wielicch 
SET deuten und aus ihnen Die Me— 
seo abe aleeit ]Sulmen mit ihren aus den 
Yen ‘Bocte S. 1665 Nabn, Gin 
"tn, DL 376 jf. und Die verſchiedenen ol 


Mufit 601 


menkommentare). Allein mit der Melodie haben, wie jet allgemein anerkannt ift, dieſe 
Accente nichts zu thun. Sie dienen lediglich der Necitation, fie regeln den Tantilierenden 
Bortrag in den Synagogen als Merkzeichen für den Rhythmus und die damit zufammen: 
hängenbe Modulation der Stimme. So befigen wir gar feine Probe einer althebräifchen 

elodie; mas wir an fonagogaler Muſik haben ift alles nachchriftlichen Urjprungs. Proben 
derfelben ſ. bei Kircher in Ugolini Thes. XXXII, 387 ff.; Forkel, Geſch. der Muſik I, 
170; DeSola, The ancient Melodies of the Spanish and Portuguese Jews (1857). 
Daß die Hebräer das Intervall der Oktave kannten, und tie fie es verivandten, ijt oben 
gefagt worden. Damit ift nun aber noch keineswegs gegeben, daß fie diejes Intervall 
in acht Tonftufen zerlegten und bieje zählten, alſo eine der unjeren ähnliche „Tonleiter“ 
hatten. Vielfach jchließt man dies neuerdings aus der mufiltechnifchen Bezeichnung 
MIST, die ſich einigemale im alten Teftament findet. Pf 6 und 12 tragen in ihrer 
Überfchrift die Anmweifung: MFRETT zu fingen oder zu fprechen. Ebenſo heißt es 
1 Chr 15, 20f., daß die Githern im Tempelorchefter PIRET 22 gejpielt wurden. Es 
liegt nun namentlich in leßterer Stelle fehr nahe, den Ausdrud mit Oktave zu überfegen 15 
im Gegenfag zu Pr 27, das Bezeichnung der höheren Oktave der Jungfrauenftimme 
fein Soll (ſ. o.). Mit diefer Bezeichnung des Antervalld als „Oktave“, „achter Ton”, 
wäre dann natürlih eine Tonleiter von acht Tönen gegeben. Mit Wärme tritt ins: 
befondere Niehm (HWB 1058) biefür ein und glaubt auf Grund unferer Kenntnis der 
guediicen Mufit eine folche Tonffala auch für die alten Hebräer annehmen zu fönnen. 20 

ber zunächſt einmal ift diefe Deutung der Ausdrücke keineswegs eine fichere oder die 
einzig mögliche. M>> Tonnte 3. B. ebenfogut wie mrma (f. 0.) Bezeichnung eines Sn: 
jtrumentes „des elamitifchen Instruments” jein (fo 3. B. Graetz, Palmen ©. 85; Well: 
baufen a. a. O. und andere). 77779 läßt fich als Bezeichnung der Melodie oder Tonart 
(„nady der achten Singweiſe“) entfprechend anderen folchen Bezeichnungen der Melodie 25 
erklären, oder ebenfalls als Bezeichnung eines Inſtrumens, „das achtjaitige” (3.8. Graetz, 
Palmen a. a. O.). Die Deutung auf Jungfrauenftimmen und die tiefere Oktave kann 
namentlich bei M’7”ZÖ. nur in Frage kommen, wenn ſchon vorher das Vorhandenſein 
einer achttönigen Skala nachgewieſen märe. Das aber ift keineswegs der Fall; im Gegen: 
tel. Daß wir auf den Neproduftionen der jübifchen Inſtrumente auf Münzen (. 0.) so 
nirgends foldhe mit acht Saiten, fondern nur foldhe mit 3—6 Saiten finden, fpricht ficher 
nicht dafür. Die Ausſagen der Kirchenväter helfen nicht viel meiter. Clemens vergleicht 
die Gejangsweife im ‘Tempel mit der dorifchen Tonart, was ſich vor allem auf die 
würdevolle Ruhe dieſer Tonart bezieht (Paed. II, 4 p. 194f.); er warnt, wie fpäter 
Auguftin, die Chriften vor dem theatralifchen chromatifchen Gejang der Heiden und mahnt 35 
zur alten Mufif Davids zurüdzufehren, die cr demnach für diatoniſch hält. Aber er 
urteilt natürlich nur nach den zu feiner Zeit bei den Juden in der Synagoge ıc. ges 
fungenen Melodien. Und da der Einfluß griechijher Muſik in fpäterer Zeit unzweifel- 
baft ift, jo werden wir fein Urteil nicht ohne weiteres auf die ältere Zeit übertragen 
dürfen. Auch ganz abgejehen davon baben beide Außerungen nur den Wert einer ganz 40 
allgemeinen Charafteriftif, und tollen wor allem eben den Keierlichen Ernft der hebräiſchen 
Muſik Tennzeichnen. 

Ziehen wir fchlieglih auch bier die Muſik des heutigen Orients herbei, fo iſt zu: 
nächft zu Tonftatieren, daß es an einer genauen zuverläffigen Fixierung der Intervalle 
berjelben fehlt. Das Urteil der meisten Reiſenden über die arabifhe Muſik trifft wohl ss 
in den beiden Punkten zufammen: einmal daß fast alle Töne ganz unrein gejungen und 

efpielt werden, und fodann, daß die Melodien überwiegend in Moll gehalten ſeien. Man 
Feb fofort, daß beide Sätze aufs engfte zufammenbängen: das Chr des Europäers „or: 
rigiert“ die „unreinen” Töne meift fo, wie wir fie erwarten müßten, wenn die Melodien 
in unseren Molltonarten verlaufen würden; denn nach diefer Richtung bin ift die Ab- 60 
weichung am geringiten. Dazu kommt noch, daß dementſprechende Intervalle ſich nicht 
felten finden. Aber fo einfach, wie es bier erfcheint, liegt die Sache doch nidt. Ale 
Ergänzung gebört dazu das Urteil des Morgenländers über unfere Mufit, und das geht 
ebenfalls dahin, daß wir „unrein” fingen und fpielen. Unfere Intervalle Hingen ihm 
in demfelben Sinne unrein, wie feine Antervalle unseren Ohren, m. a. W. fie And ihm bõ 
ebenfo ungelvohnt und frembartig, wie umgefehrt. Und man kann mit leichter Mübe 
fonftatieren, daß die „Unreinheiten” in den Melodien konſtante find, daß nicht etiva 
bloß der ungeübte Laie fte fingt, jondern auch die geſchätzte Sängerin; und der Meifter 
auf der Yaute Spielt auch nicht „reiner“, obwohl er ein gutes Gchör hat. Man fann 
das fofort aufs deutlichite fehen, mern man verfucht, die Melodien in unferem Tonſyſtem 60 


oı 


— 
— 


) 


602 Mufit 


u firieren. Die wenigen bisber aufgezeichneten Melodien klingen fofort ganz anders, 
jobald man fie auf einem Klavier mit unferen Intervallen Spielt. Mit anderen Worten: 
die heutigen Drientalen (Agypter und Sprer) unterfcheiven mit ihrem Gehör und ver: 
ivenden bei ihren Melodien auch noch andere Intervalle ale wir. Und da nicht an- 
5 genommen werden Tann, daß fih das erjt in chrültlicher Zeit jo entwidelt bat, wird man 
zu einem Rückſchluß auf die altorientalifche, beziehungsweise althebräifche Muſik genötigt. 
Aud von bier aus aljo ergiebt fich das negative Nefultat, daß mir cin dem unfrigen 
ähnliches Tonfyften von acht Tönen innerhalb der „Oktave“ nicht vorausfegen dürfen. 

Noch find über die Art und Weile des Vortrags einige Bemerkungen anzufübhren. 

ıv Charakteriftifch für den bebrätfchen Gefang ift die Vorliebe für den Wechjelgefang, ſowohl 
im Volksgeſang als im Kunftgefang. Es iſt ſchon oben davon die Rede geweſen, daß 
8 im Urient das gewöhnliche iſt, daß cin VBorfänger eine Zeile fingt und die übrigen 
Sänger fie tviederholen, oder mit einem kurzen Refrain antworten (vgl. auch Niebuhr, 
Reifen I, 176). Und in den Terten und Berichten des ATS ſelbſt baben wir zahlreiche 

15 Belege für die Beliebtheit folchen Wechſelgeſangs zu allen Zeiten. Das alte Siegeslied 
Er 15 zeigt in feiner alten wie in jeiner überarbeiteten jegigen Form, daß fein Gefang 
fih auf den Porfänger und den Chor verteilte. Zahlreiche Pfalmen haben Refponforial: 
form. Die Gemeinde beziehungsweiſe der Chor antwortet auf die Worte des Vorfängers 
(oder Levitenchors) mit einem Hallelujab oder ähnlichem (1 Chr 17, 36; Er 3, 11; 

Pf 106, 48; 118, 1--4; 136; Jer 33, 11). Ganz befonders lehrreih iſt Pf 136, mit 
feinem von der Menge ftetig wiederholten Antiphonem „jeine Güte währet ewiglich“. 
Aufs genauefte gleicht der Palm in feiner Anlage den heutigen „Liedern“ der Araber, 
wie fie ettva auch improvifiert werden. Weiterhin haben wir die Nachricht, daß die beiden 
seitchöre bei der Einweihung der Mauern Jeruſalems unter Nebemia nach Bejchluß des 

35 Rundgangs am Tempel fich einander gegenüber aufftellten eben zu ſolchem Wechſelgeſang 
(Neb 12, 31 ff). Endlich vergleiche man noch die in der Apotalupfe gegebene Schilde: 
rung der himmlischen Mechfelgefänge, melde ohne weiteres ala Bild der Gejänge in ber 
urchriftlichen Gemeinde und damit auch als Bild des Tentpelgefanges angejehen merden 
dürfen (Apk 4, 8ff.; 5, 9 ff; 7, 10ff.; 19, 1ff.). Much unfer muftfalifches Gefühl gebt 

% dahin, daß ſolche Wechfelgefänge ungemein viel zur Belebung des Ganzen und zur Er: 
böbung der Wirkung beitragen fünnen. 

Anders urteilen wir von unferem Geſchmack aus über das charafterijtiiche Merkmal 
des Vortrags beim Sologefang, namentlich beim Kunftgefang: das Vibrieren der Stimme 
und das Näfeln. Daß Icgteres alt it, können wir zwar nur vermuten auf Grund ber 

35 fonft von ung bemerften Übereinftimmung der heutigen und der alten orientalischen Ruf. 
Das BVibrieren der Stimme dagegen wird für die alte Zeit direkt bezeugt durch die be: 
fannte, ſchon öfters erwähnte aſſyriſche Abbildung einer Mufilbande aus der Zeit 
Aflurbanipale. Dort hält eine der fingenden Frauen, ganz wie noch heute ein arabifcher 
Sänger oder Sängerin es thut, die Hand unter dag Kinn, mit derjelben einen leichten 

40 Drud auf die Kehle ausübend. Dies geſchieht zu dem Zweck, um befonvers fchrille Töne 
bervorzubringen und denfelben eine eigentümliche Vibration --- die nicht indentifch iſt mit 
unſerem Tremolieren — zu verleiben. 

In den Palmen finden fich noch eine Reihe weiterer Angaben, die fich vermutlid 
auf den Vortrag beziehen. Wir baben aller Wahrſcheinlichkeit nach in einzelnen Pfalmen: 

45 überfchriften eine Angabe der Singweiſe, nadı welcher der Palm gejungen werden fol 
(Bi 9, 15 22,15 45, 15 56, 15 57, 15 58, 15 59, 15 60, 15 69, 15 75, 1. Allein 
die Deutung der betreffenden Worte ift meift ganz unficher und auch wenn wir fie richtig 
verftehen würden, kämen wir doch über die eigentlich felbftverftändliche Thatſache nict 
hinaus, daß es feftftebende, den Sängern oder in weiteren Kreiſen befannte Melodien 

do gab, nach denen verfchiedene Yieder gefungen werden fonnten. — Noch weniger willen 
wir mit den fonftigen mufifalifchstechntfchen Ausprüden anzufangen. Wir wiſſen nicht 
was der Ausdruck T2’72 bedeutet; denn gegen die herkömmliche Deutung „dem Sing 
meifter” (zur Einübung?) kann mit Hecht die Frage erhoben werden, warum denn eine 
folhe Bemerkung gerade bei den betreffenden 53 Pſalmen und nur bei diefen notwendig 

55 war, Auch die Überfegung Wellbaufens „for the liturgy“ ift ganz unficher. — Die 
Bezeihnungen METZ und POITET? find ſchon beiprocdhen worden. — Der Aus 
drud Sela endlich, der fihb in 40 Palmen 71mal findet, wird in der LXX mit àd- 
wann überfegt, was am wahrfcheinlichiten als „Zwiſchenſpiel“ gedeutet wird. Er finde 
ſich nur in der Mitte der Palmen, nicht am Ende, wo eine folde Bezeichnung unnötig 

so wäre, Sachlich ift auch ohne dies anzunehmen, daß beim Vortrag von Liedern, namentlich 


Muſik Myconins, Friedrich 603 


beim Solovortrag, der Gefang da und dert unterbrochen, und diefe Baufe durch das Spiel 
des Orcheſters ausgefüllt wurde. Im übrigen muß für alle diefe Ausdrüde bier auf 
die Pſalmenkommentare vertiefen werden. Benzinger. 


Myconins, Sriedrich, geit. 1546. — Frider. Myconii Historia Reformationis 
vom Jahre Chriſti 1517—1542 ... mitgeteilet ... von E. S. Cyprian (Gotha 1715), ? Leipzig 
1718, mit manden autoTiogr. Angaben. Briefiwechjel in den Briefen Luther, im CR, im 
Briefiv. d. Jonas, in BR V, 164ff. Biographie: Anton Probus, Oratio de Frid. Myconio, 
Smalcaldiae 1597; Gagittarius, Historia Gothana, 1689, 168 jj. (wiederabgedr. bei Cyprian 
0.0.9. p.38 ff.); Juncier, Redivivus Myconius, Walter&haufen 1730; J. G. Bojjed, Frid. 
Myconii memoriam ... repetit. Lips. 1739; €. K. Gottjr. Lommatzſch, Narratio de Frid. 10 
M., Annaeb. 1825; Ledderhofe, F. M., Hamburg u. Gotha 1854; derf. in AdB; N. Peterſen, 
in Pipers Evang. Kalender 1861, ©. 151ff.; Meurer in Altväter d. Iuth. Kirche IV (1864), 
299 5.; G. 2. Schmidt, Zuft. Menius II (1867), ©. 3ff. Ueber die Schriften des M. |. 
Lommatzſch p. 112ff. u. Meurer ©. 303; bei leßterem aud) Nachweis iiber die Briefe d. M. 
und deren Fundorte. — G. Kreyenberg, F. M. im Grenzboten 1892, 1, S. 114 ff. Sein Bild 16 
in Holzſchnitt auf der Bresl. Stadtbibl, in 2 W 18. 


Quthers treuer Genofje und Gehilfe, der NReformator in Thüringen, wurde am 
26. Dezember 1490 — denn fo mwird die alte Angabe: Etephanstag 1491 zu veritehen 
fein — zu Lichtenfeld am Main in Oberfranken geboren. Auch eine Denkmünze von 
1539, die fein Alter auf 48 Jahre angiebt, fpricht mehr für 1490 als 91. Sein wo 
Kamilienname „Mecum“ wurde von andern und ihm felber zu den mannigfachiten Wort: 
ipielen benutzt. Magnificate dominum mecum -- jo begrüßte ihn einft Mutian 
(Briefv. d. Sonas II 72); mecum es, imo totus nobiscum es, ruft ihm Jonas zu 
(ebd. I 119). Er felbft tröftet fih mit dem Hodie mecum eris in paradiso und dem 
Non timebo mala, quia tu mecum es (ebd. II 72); und Luther fpielt dann aud) 25 
wohl mit feinem Vornamen, denn er ift ja in Wahrheit Fridericus et Fridsamus 
(de W. IV 540). 

Die Eltern waren fromme rechtfchaffene Bürgersleute von gefunden chrijtlichem Sinn. 
Nom Bater lernte er frühzeitig die Katechismusterte, Dekalog, BU und Symbolum, und 
wurde zu fleißigem Gebet angehalten. Ghrifti Blut, fo lehrte ihn jener, fei das Löfegeld zu 
für der Welt Sünde; jeder Chrift müfje glauben, daß, wenn nur drei Menjchen hofften, 
durch Ghriftum felig zu werden, er einer von dieſen fei. Die Ablaßbriefe feien Netze, 
das Geld der Einfältigen zu fangen; Vergebung der Sünden und ewiges Leben jeien 
ficher für Geld nicht Fäuflich, doch börten die Priefter dergleichen nicht gern (Brief des 
M. an P. Eber bei G. Hecht, Vita J. Tetzelii, Witemb. 1717, €. 117f.). Nachdem 85 
er die Stadtichule der Vaterſtadt befucht, lichen ihn die Eltern 1504 zur Lateinfchule 
in Annaberg ziehen, die unter dem Rektor Andr. Weidner, gen. Staffeljtein, in Anſehen 
ftand. Hier hatte er (wohl im Juli 1510) ein oft erzähltes Renkontre mit ob. Tebel, 
der damals als Unterlommiffar des Jubelablaſſes für den Deutjchorden in Livland 
Deutſchland durchzog. ein erit kurz vor feinem Tode darüber niedergefchriebener Bericht 40 
(im Brief an Eber bei Hecht a.a. O., zuerit in Jenisius, Annabergae Historia, 
1605 II 4ff. deutih in Sonderausgabe von J. Frd. Bertram, Halle 1728) enthält 
zwar ın den Nebenumjtänden manche Untichtigteit (vgl. N. Paulus, 3. Tebel, 1899, 
S. 21f.), doch wird die Hauptſache richtig fein, daß er abgetviefen wurde, als er das 
„pauperibus gratis“ für fih in Anspruch nehmen wollte; daß diefe markante ‘Pointe 45 
in ihrer Begegnung nur einem lapsus memoriae ihre Entitehung verdanken follte, mie 
Baulus a. a. D. annimmt, ift höchſt unwahrscheinlich, da er ja eben um diefer willen bie 
anze Geſchichte erzählt. Staffelftein riet jegt dem um fein Scelenbeil inmitten einer 
(inigen Welt belorgten Jüngling, ing dortige Kranzisfanerklofter einzutreten: am 1-4. Juli 
ührte er diefen Rat aus. Einen bedeutfamen Traum, den er in der nächſtfolgenden so 
Nacht träumte, hat er in jenen Briefe ausführlich erzählt. Von Annaberg wurde er ind 
Leipziger Klofter, von da 1512 nach Weimar verfegt. Er nahm es mit feinem Kloſter⸗ 
leben ſehr ent; zugleich begann er eifrig zu ftudieren: Petrus Yombarbus, Alerander 
von Hales, Bonaventura, Gabriel Biel; auch Augujtin, defien Schriften, wie de gratia, 
de libero arbitrio u. a. ſowie jein Pfalmenfommentar, ihm tiefen Eindrud machten. 55 
Aber noch hielt ihn die Echvlaftit in ihrem Banne. Auch fein Amt ala Vorleſer bei 
Tiſch, wobei die Bibel mit Lyras Auslegung gelejen wurde, half ibm noch nicht zu 

ter Erkenntnis. Vom Studium, das ihm den erfehnten Frieden nicht bringt, wendet 
er fich zu allerlei mechanischer Arbeit (Buchbinden, Trechfeln u. a) und macht den Yeib 
müde, unzufrieden mit fich jelbjt und feinem Schöpfer. Befondere Seelenängfte bereitet eo 


[ei] 


0 Myconins, Friedrich 


ihm Die Prädeſtinationsfrage — er durdhlojtet die Schreden der Hölle. 1516 wird fr 
in Weimar zum Prieſter gewweibt und hält darauf zu Pfingften feine Primiz in Gegen: 
wart Des Herzogs Johann und feines Sohnes Johann Friedrich, die die Koften ber 
Feierlichkeit beftritten. Bald darauf wurde ihm ein VPredigtamt dafelbjt übertragen, „und 
ich that etlich wenig Predigt von der Heiligen Leiden und Yegenden” (Goprian S. 15f.. 
Mir Begier borcbte er auf die Stimme des Mittenberger Auguftiners, als dieſer den 
Kampf wider den Ablap begann, und gebörte zu den GEriten, die feiner Führung in 
das neue Verſtändnis des Evangeliums folgten. Je mebr nun der Weimarer Konvent 
ſich ablehnend gegen Yutber verbielt, deſto jehtwieriger wurde die Pofition des M. Er 
wurde ihnen immer verdächtiger, immer ſchärfer wurde er daher übertvacht, fein Verkehr 
und ſein Briefwechſel Tontrolliert. Man bedrohte ihn mit ewiger Klofterbaft, und vor 
feiner Seele tauchte Das Schickſal jeines Urdensgenofjen Johann Hilten auf, der wohl 
20 Jabre bindurch in ſolcher Saft lebendig begraben geweſen war (vgl. Bd VIII 78ff). 
Man verſchickte tb in Die Klöſter zu Yeipzig und Annaberg, ins Machtgebiet Des Herzogs 
id Georg. Aber vo gelang ibm, 1524, auf dem Wege nach Annaberg zu entfliehen und 
nach Zwickaunzu entkommen, wo er am Ausfägigenjpital Anftelung als Prediger fand. 
Ron Bier ads richtete er in den Oſtertagen einen Mahn: und Troftbrief an jene liebe 
Vergſtade Annaberg, Deren Franziskaner ibn nach der erjten Predigt, die er am Palm: 
ſenntag in Zwickau gehalten, in den Bann getban batten; er ermahnte fie, ſich vor 
den Rapiſten zu buten und ſich Die evangeliſche Freibheit zu bewahren. Auf Bitten bes 
Alienbutger Berttihen Wenzeolaus Lind und des Gabr. Didymus wurde er von Zmwidau 
mb Dem nabe bet Annabera gelegenen, aber unter kurſächſiſcher Herrſchaft ſtehenden 
iadicben Ruchdoiz geiendet und nach vier Predigten von der Gemeinde feſtgehalten; 
Ne begehrie bir Sturz Des ver Lutber ibr zugeſandten als ihren Prediger (M. an Stephan 
Ne, tr Nut En Ader jegr berief ihn Herzog Johann nad Gotha auf Bitten 
Me Nut, der Bentettdt und des Stiftes; Mitte Auguſt trat er bier fein Amt an. 

In Weiha batten oder ziper bereits einzelne evangeliſch gefinnte Männer borgearbeitet, 
aAberem der Suuptiadht Sub os mer dem wetlichen und weltlichen Regiment noch übel 
au Der bobere und miedere Klerus war in toten firchlichen Mechanismus und fleiſch⸗ 

a tube eben veriunden. Dos ZS>uhreien, in den Banden unwiſſender und träger Mönche, 
uam Argen. In der ftadtichen Verwaltung und bet den Ratsmitgliedern berricte 
Nonude, Unprönung Mißwirtſichaft ivgl. Coprian S. 117). Eben jet, am Pfingit 
Sichetag IS batte trunkenes Volk Die Sauter der Stifteberren geftürmt, viel Schaden 
aitstndtre und die Piafñendirnen aus den geiſtlichen Häuſern bervorgebolt, der Nat aber 

ou uderfrob dieſem Treiben nicht gewebrt. Herzog Jobann hatte dann die Übel: 
unit zur Necberrichaft gezogen, und Die Stadt hatte Schudenerfah zahlen müſſen (Coprian 
Z.IsEr Aber tolde Vorkommniſſe veritärften das Verlangen nad einer Reformation. 
In dieie Berbaltnifie trat M. mit Weisheit und Thatkraft ein. Unanjehnlich und Hein 
pen Geitalt, dazu von ſchwacher Sejundhbeit, enttaltere er Doch viel Einficht und Energie 
und ilokte Durch feinen mit Milde gepaarten Ernſt jedermann Achtung ein. In fried⸗ 
der Werneinichaft mit feinen geiftlichen GSebilfen konnte er wirffam neue Ordnung 
hie: „eueurrimus, certavimus, laboravimus, pugnavimus, vicimus et viximus 
senper eonjunctissime et amicissime, alſo daß man ſich darob mundert” (Cyprian 
"ve Als um Bauernkriege 1525 em Haufe Bauern zu Jchtersbaujen die Schlöffer 

Wleuben, Müblberg und Wachlenburg jcehleifen und den Adel vertreiben wollte, trat er 

ac entgegen und brachte fie durch cine ernjte Anjprache dabin, daß fie abzogen, obne 
bad zu tbun. Um diefe Zeit (3. Mat 1525, Enders V 162F.) trat Yutber mit ihm 
in drteilichen Verkehr. Geſehen batte ihn M. ſchon 1518, als er auf der Reife nad 

Nunsbına in Weimar bei den Franziskanern übernachtet hatte; er batte ihn aber damals nict 

rehen dürfen. Jetzt ſprach Yutber (ad te incognitus incognitum) ihm Mut ein, 
und den Aufruhr ſich richt erichreden zu laſſen. Melanchthon, der feit 1527 ebenfalls 

a ihm brieflich verkehrte, warnte ibn öfter vor unkluger Einmifchung in weltliche 

Nadel und jünftigte feinen lebbaften, bisweilen ungeduldigen Eifer (CR I 1030f., II 

IM. ließ dieſe Mahnungen nicht unbeachtet, und fo gejtaltete ſich fein Verhältnis 

um Burgermeiſter Lob. Oswald, mit dem er anfangs manden Kampf batte, allmäblib 
ireundlicher (OR XX 553, XXV 785) Won Grund aus reformierte er die Schulen der 
indt und gewann dag Intereſſe der Bürgerichaft dafür, wofür ihm Melanchthon 1534 be 
vonders Danfte (OR II 789). Im Auguſtinerkloſter errichtete er alsbald eine Schule, deren 
alt Rektor von 1521-1535 der in den Briefen der Wittenberger oft erwähnte 
thin Monner aus Weimar war, der fpäter Erzieber der Söhne Johann Friedrichs 


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Myconins, Friedrich 605 


und furfürftlicher Rat wurde (Enders V 162, VII 183; CR I 1023. 1029|.) Diefen 
folgten, Lorenz Schipper, Georg Merula, ſpäter Pankratius Süßenbach aus Schleſien, 
dem M. nachruͤhmt, er babe die Schule in rechte Form und Ordnung gebracht. Wie durd) 
Predigt und Seeljorge (vgl. CR XXIV 430. 780; XXV 736) wirkte er durch das Vor: 
bild eines mufterhaften Wandels. In feiner 1526 gefchloffenen Ehe mit Vlargarete 5 
Jäcken, Tochter des Barthel Jäcken, wurden ibm neun Kinder geboren, von denen aber 
1542 nur noch vier am Xeben waren. Sein Sohn Friedrich, geboren 1537 nad) fieben 
Töchtern (de Wette V 74), ftudierte mit Erfolg in Leipzig, Wittenberg und Jena, ftarb 
aber bereits 1565. Cine Tochter, Barbara, heiratete den Gothaer Rektor Cyriakus 
Lindemann, einen Verwandten Luthers; deren Tochter den Pfarrer zu Friedrichsroda, 
Cyriakus Schneegaß (vgl. Koch, Geſchichte des Kirchenliedes? II 252 ff.), dem mir 
die Herausgabe vieler Briefe angejehener Männer an M. verbanten in den Schriften: 
XVI selectiores ... ad F.M.... epistolae, Schmalcaldiae 1593 und LXVI 
ae ... Melanchthonis ad F.M. ... epistolae, Jenae 1594; vgl. CR I 
LIV . 15 
Bei der Bedeutung, welche M. bald im nächſten Kreife erlangte, fonnte fein Ein: 
fluß nicht auf Gotha beichräntt bleiben. Den Prinzen (jpäteren Kurfürjten) Johann 
Friedrich begleitete er dreimal alö fein Brediger an den Niederrhein nad) Köln, Jülich 
und Cleve; ebenfo denjelben als Kurfürften 1534 über Fulda nad) Düffeldorf, Braun: 
ſchweig und Celle Auf diefen Reifen fand er Gelegenheit, in Braunfchweig, Celle, 2 
Soeſt, Ejjen und Tüfjeldorf „Ehriftum mit großem Zulauf des ermählten Volks Chrijti“ 
zu grebioen. Die Fahrten an den Niederrhein (zweimal 1526, einmal 1527) Itanden 
in Verbindung mit der VBermählung Johann Friedrichs mit Sibylle von Jülich-Cleve. 
Als M. bei der dritten Reife im Februar 1527 täglih im Schloß zu Düfjeldorf predigte, 
trat der Stölner Franzistaner Joh. Haller aus Corbach ihm am 17. Februar mit einer 
Predigt entgegen, infolge deren e8 am 19. in einem Gafthaufe am Markt in Gegen: 
wart des jungen Herzogs, vieler Edelleute, Gelehrten und Bürger zwiſchen beiden zu 
einem Religionsgeiprähb kam, bei welchem Corbah nach anfänglich heftiger Gegenrede 
hließlich erklärte, er wiſſe des M. Sache nicht zu tadeln, fie gefalle ihm recht mohl. 
s er aber hinterber die Sache jo darftellte, als habe M. ihm zugeftinmt, gab diejer so 
die „Handlung und Disputation” in Drud (Wittenb. 1527, Erempl. in Breslau, Stadt: 
Bihl.; Neudrud durch O. Redlih in 3. Berg. GV. [1893] 29, 193 ff.). Die fehr feltene 
Gegenfchrift, die Corbach dagegen ausgehen ließ, iſt mir nicht zugänglicdy gemwelen. — An 
den in Thüringen 1527 und 1533 veranftalteten Kirchenvifitationen nahm M. neben 
Melanchthon, Menius, Chriftoph v. d. Planit. Georg v. Wangenheim und Hans Gotta : 
hervorragenden Anteil (Burkhardt, Geich. d. ſächſ. Kirchen: und Schulvifitationen ©. 29}. 
124 ff.). Zahlreiche Briefe Luthers und Melanchthons aus diejer Zeit betätigen feine 
gene Ausjage: „Alle Pfarrer im Land zu Thüringen hab ich helfen vifitiren und fon- 
ſimiren mit großer Sorg, Mühe und Arbeit.” An vielen wichtigen Reformationshand— 
ngen nimmt er teil: am Marburger Religionsgefpräh 1529, der Wittenberger Kon= 40 
fordie 1536 (ſ. den Bericht des M. bei Tentel, Supplem. Hist. Goth. III. 114ff.), 
der Berfammlung in Echmalfalden 1537, den Verhandlungen in Frankfurt und Nünı- 
berg 1539, dent Hagenauer Konvent 1540. Er befreundet fih dabei immer mehr mit 
Melanchthon, dem er dankbar bezeugt: „er dienet mir wohl dazu, mit dem ich alle Sachen 
zuvor abredet, der mir auch die Pfeile fiddert.“ 1538 zieht er mit Franz Burkhardt und 45 
Georg von Boyneburg nach England, um mit Heinrich VIII. Theologen über die 
Artikel der Augsb. Konfeſſion zu verhandeln (Xitteratur |. in Möller KG III? 188, 
ZKS V 164 ff). Nach erfolglofer Arbeit Tehrte er nach einem halben Jahre ent= 
täufcht und mit fcharfem Urteil über König Heinrich von dort zurüd. Erfolgreicher war 
feine breivierteljährige Arbeit im albertinischen Sachfen nach Herzug Georgd Tode 1539. so 
Er hatte die befondere Freude, am 4. Mai in feinem lieben Annaberg zufammen niit 
Paul Lindenau vor einer Verſammlung von 6000 Menfchen die Neformation einführen 
zu fünnen (G. Müller, Baul Lindenau 1880 S. 56). In den Pfingittagen erſchien er 
(23. Mai) mit den Wittenberger Neformatoren in Leipzig, und hielt am 1. Pfingfttage 
(25. Mai) die erfte evangeliſche Predigt in der Nicolatfirhe. Die Fürften ließen ihn 55 
ier mit Gruciger zurüd zur Durchführung des Reformationswerkes: „Zu Xeipzig blieb 
ich dreiviertel Jahre, und Ieget den Grund der ganzen Xehr Chrifti, richtet die Pfarren 
und Minifteria an“. Er ftieß bier auf zähen Widerſtand; aber in vielftündiger Dispu- 
tation im großen Golleg mit den Dominiltanern (20. Juni) brachte er „des Bapiteg Kram“ 
zu Falle. Er erwarb ſich die Zuneigung der Bürgerfchaft, fo daß der Nurfürlt Johann co 


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606 Myconins, Friedrich 


Friedrich gebeten wurde, ihn auf zwei Jahre dort zu laffen, „denn er jchaffet groß Nut 
und Frucht, und das Volk trägt groß Gefallen zu ihm“ (Briefm. des Jonas J 361). 
Sp lange durfte er freilich nicht bleiben; Anfang 1540 kehrte er zu feiner Gemeinde 
zurüd. Sm Jahre 1539 batte er eine kleine Schrift ausgeben laffen, die uns den treuen 

5 Seelforger zeigt: „Wie man die einfeltigen, vnd fonderlich die Kranden, im Chriſten⸗ 
thumb vünterrichten fol” (MWittenb. 1539, mit Worrede Luthers, EA 63, 363 ff.), eine 
Schrift, die eine volljtändige paftorale Anleitung für Beichte und Kommunion am 
Krantenbette giebt. Einer neuen Ausgabe, Frankfurt a. ©. 1598, iſt noch em Be 
danken des M. „Wie man mit den befejienen Yeuten umgeben foll”, beigefügt. 

10 Die Gefundheit des M. mar von jeber ſchwankend und feinem arbeitsreichen Beruf 
nicht gewachſen. Echon im Frühjahr 1532 war Melanchthon um ihn beforgt (CR II 
572$.); jeit den Anftrengungen der Vifitationstbätigfeit des J. 1539 aber, die er mehr: 
fach fchon unterbrechen mußte (CR III 7.412. 772, Briefiv. d. Jonas I 340. 344), ent 
widelte fich ein zunebnendes Yuftröhrenleiden; nur noch mit Mühe geitattete es ibm, im 

1» Juni 1540 dem Konvent in Hagenau beizumohnen. Seitdem nahm es unaufhaltſam zu 
(CR III 10975. 1124. 1129. 1139; IV 645; Briefw. d. Jonas II 19. 72). In 
feiner gedrüdten Stimmung richtete ihn Luthers glaubengftarter Brief vom 9. Januar 
1541 auf, in den diefer ihm zuruft: „Dominus non sinat me audire tuum transi- 
tum me vivo, sed te superstitem faciat mihi. Hoc peto, hoc volo et fiat mea 

20 voluntas, Amen, quia haec voluntas gloriam nominis Dei, certe non meam 
voluptatem nec copiam quaerit“ (de Wette V 327). M. fchrieb es diefem Briefe zu, 
daß er wider Erwarten fi langfam erbolte (a. a. ©. V 334); wirklich blieb er noch 
fünf Jahre, 7 mal 7 Tage über Yutberö Tod hinaus, am Leben. Da er aber länger 
Zeit hindurch den Hals fchonen mußte und nicht predigen durfte, benutte er bie Muße 

25 zur Durbforihung der Archive des Stifte, der Klöfter und des Hoſpitals und machte 

uszüge daraus: „Neues Erbbud und Kopey der Miniftratur 1542 und fchrie 
ebento jest jeine Historia Reformationis von 1517—42 — beide zuſammen band 
Ichriftlih in einem Bande der Herzogl. Bibl. zu Gotha —. Diefe Reformationsgeſchichte, 
anſpruchslos, aber frifh und plaftifch feine Erlebnifje und Eindrüde widerſpiegelnd, iſt 

30 das wertvolle Dokument eines Zeitgenojfen der Ereigniſſe. Obgleich er auch weiter 
fränfelte, fonnte er doch in den beiden legten Lebensjahren dann und warn die Kanzd 
wieder beiteigen. Ende 1545 trat jein Yeiden wieder ftärfer auf; am 4. Advent bielt er 
feine lette Predigt. Noch erlebte er das große Brandunglüd Gothas, dag am 31. Oktober 
1545 an 600 Gebäude zerftörte (CR V 884. 896f.), und den Tod Luthers, den er nob 

35 unter den Lebenden juchte, als er am 21. Februar 1546 Paul Eber über feine jugend 
zeit, feine Begegnung mit Tegel und den Traum tim Klofter berichtete und den Br 
mit den Worten jchloß: „Nolo ista legat vel Lutherus vel Philippus, quibus 
saepe ista recensui et habent meliora, quibus pro nobis occupentur”. m 
ſichern Vorgefühl feines Endes verabfchiedete er fich brieflich von den Freunden Ratzeberger, 

40 Mörer und Menius (Sedendorf III 619f.), empfahl dem Kurfüriten die Kirche un 
J. Menius als feinen Nachfolger, empfing noch tröftende Briefe von Melanchthon (CR 
VI 47. 69) und feinem einftigen Mitarbeiter in Yeipzig Gruciger (VI 27 ff.). Am 7. April 
entichlief er, den Yobgefang Simeons ziveimal wiederholend, nahm. 4 Uhr. Tags darf 
bielt ihm Menius die Yeichenpredigt (Mittenb. bei Georg Rhaw 1546), der R Pan⸗ 

ab kratius Süßenbach cine lat. Gedächtnisrede. Johann Stigel aber verfaßte die Diſtichen 
auf dem Grabſtein am ſüdlichen Eingang der Gottesackerkirche. 

Wenige Geftalten der Neformationgzeit berühren ung fo fompathifch wie M. Wie 
Luther, fo war auch ihm das Verjtändnis des Evangeliums auf dem Boden innere 
Herzens: und Yebenserfabrung erwachſen und fchlug bier tiefe Wurzeln. Er hatte frük- 
so zeitig mit fich abgefchlojjen und konnte nur vorübergehend durch Servets antitrinitariſche 
Cpefulationen beunruhigt werden (CR XXIV 398). In Luther erkannte er mi 
Freuden von Anfang an „ven gejandten Dann Gottes und den legten Elias, den Ar 
fänger, da noch niemand von diejen Handel hätte träumen dürfen” (Cyprian S. 47). 
Nach feinem Tode fchrieb er an Johann Friedrich: „diefer Dr. Luther ift gar nicht ge 

65 ftorben, wird und fann nicht jterben, fondern wird nun allererft recht leben, denn jene 
Schriften find des lebendigen Gottes Schriften.“ Aber mit gleicher Pietät hing er an 
Melanchthon und ebrte in ihm „miraculum mundi in omnibus artibus“. Vor den 
dogmatifchen Streitigkeiten, in die fein Freund Menius hernach vertwidelt wurde, tft a 
gnädig bewahrt geblieben. Die Xauterfeit feines Charafterd war allerfeit® unbejtritten 

eo und ficherte fein Anfehen bei Freund und Feind. Troß feiner Tüchtigkeit in lateiniſchet 


Myconins, Friedrich Mytonins, Oswald 607 


wie deutfcher Nede und feiner volfstümlichen Begabung trachtete er nicht nad) dem Ruhm 
des Cchriftitellers oder Gelehrten, fondern fuchte fein Arbeitsfeld in der kirchlichen 
Praxis: videbam et intelligebam, ad quid maxime vocatus essem: ut essem 
vox clamans ad parandam viam Domino (seht p. 142 f. .. 

(Oswald Schmidt F) G. Kawerau. 5 


Mykonins, Oswald, geit. 1552. — Biographien: M. Kirchhofer, Oswald My: 
konius, Züri 1813; K. R. Hagenbach, Johann Delolampad und Oswald Myfonius, die Re: 
formatoren Bajeld, Elberfeld 1859 (hiev wird auch dag Hauptſächlichſte aus den wenigen 
Schriften des M., mit Ausnahme der Biographie Zwinglis, mitgeteilt). Dazu vgl. Die 
Chrijten des M.; jerner die Biographien Zwinglis, Bullingerg, Oekolampads; Thomas und 10 
Seliz Platter, zur Sittengefchichte des 16. Sahrhunderts bearbeitet von H. Boos, Leipzig 

‘ 


Dswald M., Zivinglis Freund, Oekolampads Nachfolger, bieß eigentlich Geißhüsler 
und war eines Müllerd Sohn (daber auch Molitoris genannt) aus Luzern. Geboren 
1488, wandte er fi, von feinen nicht unbemittelten Eltern mit binreichenden Mitteln 15 
verfeben, frühzeitig den gelehrten Studien zu. Zunächſt genoß er den Unterricht des als 
Lateiner berühmten Rubellus, dem er von Rottweil jamt feinen Mitſchülern Glarean und 
Berthold Haller nach Bern folgte. Sodann kam er zu längerem Aufenthalt nad Bajel. 
Hier immatrikuliert 1510, wurde er Baccalaureus und erhielt nacheinander mehrere Schul: 
ftellen; obwohl vdiejelben fein veichliches Austommen gewährten, wagte er es doc, fich zu 20 
verbeiraten. In Baſel Schloß er auch einen für feinen fpäteren Lebensgang bedeutungs- 
vollen Sreunbichaftsbund mit Zwingli und verfehrte häufig mit Holbein und Erasmus. 
guet) hen war feine bebeutende Zehrgabe befannt geworden. Man rühmte an ihm die 

ürze und Ginfachheit, mit der er den Echülern die fprachlichen Anfangsgründe beizu— 
bringen verftand (Bibliander). Er erhielt 1516 einen Ruf als Lehrer an die Schule des 26 
Shorberrenftifts von Zürih. Als folder gab er auch, in patriotifchem Intereſſe, zwei 
Schriften heraus, in deren einer (von 1518) mir der reformatorifchen Außerung begegnen, 
man müfle dem Papſt nur jo lange geborchen, als er nichts Unchriftliches verlange. Die 
wichtigite Frucht jenes Aufenthaltes des Mykonius in Zürich mar aber ohne Ziveifel die 
Berufung Zwinglis, für welche er bei beiden Teilen, ım vertrauten Umgang mit den 
beſſer gefinnten Chorherren und in lebhafter Korrejpondenz mit dem Freunde in Ein: 
(ebein, auf entfcheidende Weiſe thätig war. Er jelbft konnte fich freilich des glüdlichen 

efultates feiner Bemühungen injofern nicht mehr lange erfreuen, als er bald darauf 
durch einen Ruf an die Stiftöfchule feiner Vaterftadt Yuzern vorläufig von Zwingli ge: 
trennt wurde. Wie fehr diefer feine Mitarbeit vermißte, geht am beiten aus der brief: 35 
lichen Äußerung bervor: „feit du ung verlaffen, fo it mir nicht anders zu Mute, ale 
einem Heerhaufen, dem der eine Flügel abgefchnitten ift; jest erit fühle ich, mie viel 
mein Mykonius bei Weltlichen und Geiftlichen vermocht hat, mie oft er ohne mein Vor: 
wiflen für Chrifti Sache und die meinige in den Riß getreten“. “Die Korrefpondenz der 
beiden aus diefer Ju läßt uns einen tiefen Blid thun in das ernfte Streben des My: 40 
konius, unter der Anleitung Zmwinglis frei zu werden von traditionellen Vorurteilen und 
abergläubifchen Vorftellungen. Sie gebört aud in Tulturhiftorifcher Beziebung zu den 
intereflanteften Quellen. Für Mykonius war der brieflihe Austaufh mit Zwingli ein 
Labſal inmitten der vielen Anfechtungen, denen der „lutheriſche Schulmeifter” in Luzern 
infolge freimütiger Außerungen 3.8. über Neliquienverehrung und über das " Peielaufen“ 45 
ausgefeßt war. Obſchon die Schule unter feiner Yeitung gedieh, wurde er dennocd Mitte 
1522 wegen feiner reformatorishen Anſchauungen von feiner Stelle entlaſſen; wie denn 
auch feine Gefinnungsgenojjen Zimmermann (Tylotect), Kilchmeier und Gollin aus den 
der neuen Lehre äußerſt feindlichen Luzern weichen mußten. Trotz der liebevolliten Zu: 
ſprache Zwinglis wollte Mykonius nicht ohne eine beſtimmte Aufgabe nach Zürich fommen, so 
ſondern blieb noch mehrere Monate in Luzern. Aus diefer peinlichen Lage befreite ihn 
der treue Beichüger der aufblühenden ſchweizeriſchen Reformation, Diepold von Geroldsed, 
indem er ihn, unter der Mitwirkung der Herren von Schwyz, nach Einfiedeln berief. 
Doch ſchon nad kurzer Friſt kam die gewünjchte Berufung nah Zürich, mo er während 
der fieben beveutungsvollen legten Lebensjahre Zwinglis demſelben treu zur Zeite ftand. 56 
Zunächſt gehörte feine Arbeit der Schule beim Fraumünſter, und Thomas Blatter erzählt 
uns in feiner Selbitbiograpbie voll Begeifterung, mit welchem Eifer und Erfolg Mykonius 
die Schüler zum Studium der Klaffifer anleitete. Am Fraumünſter bielt er auch ſtark 
befuchte deutſche Vorträge zum Neuen Teftament. Daneben beteiligte er fih in aller 
Stille an ſämilichen reformatortjchen Werken Zwinglis. Dahin gebört feine Schrift von 60 


30 


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608 Mytonius, Oswald ee 


1524: Ad sacerdotes Helvetiae qui — suasoria, ut 

ort > beohigerg en Mit welder Hing hing, — ——— 
BER, der * * — er „mn mag ich im; 

—5 mehr da in dem Gefecht Ge aud der Diakon Bo 


5 von Bafel en war —* es M. gern en, daß ſein Schüler Platter 
Ben — und ſich 8 * Bürgermeiter ' —* für * ms "Ende 2 
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20 förpers der Univerjität eine Fraktion und zwar zu dem Behufe, die : ber 
ule gr zu * * BE die Selbitjtändigfeit der | 


(wolle die Obrigfeit echten der Pfaffen in — —* er — 


25 gemeinen Man alle = je mehr es fich indeſſen berausf 
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m» Ang. i iehung 6 e 4 im 
Er an weh ie Sonodal — ——— erſte Baſ 
iogr. d. M, ©. 463 ff.) ein ſchönes Zeugnis für ab. 

30 — age nahm er einen fublimeren —— ein, als * meiſten ſe 
genoſſen. Er nahm an den bezüglichen Verhand ungen, von Butzer aufgefordert, den 
regſten Anteil. Im allgemeinen blieb er, wie aus ſeinen Briefen und aus —* * 
mentar zum Evangelium Marci (Baſel 1538) erſichtlich iſt, den Anſchauungen Zwing 
treu, nahm aber dazu noch einige ihm zur vollen Wahrhenen —— Nom * 

5 aus "Sutber berüber. Als ibm die Züricher deshalb Vorwürfe ie A erflärte er, von 
einem Übertritt ſei bei ihm feine Rede, er trete vielmehr san dem Jertume beider ab 
und nehme von jedem das Wahre an. So wirkte er mit, in ber 1536 abgefapte 
weiten Bajeler oder erjten helvetiſchen Konfeſſion das Sp dmahl als eim myſtiſches 

I bezeichnet und von einem Eſſen des Yeibes und Trinken des Blutes Chriſti nich 

40 zur —— Speiſe des Bauches, Een: Nahrung bes — Lebens geredet 
wurde. Und auch als Luther, der infolge bieler Formel eine Weile Frieden gebalten, 
aufs neue Losbrach, fuchte M. zu befänftigen, indem er nad) Zürich ichrieb, nd 










G * und 
wingli hätten ich mi veritanden ; Luther babe ſich nie wollen —— daß 
Zwingli mehr bloße Zeichen im Abendmahl annehme, und hr inw 

—— hu ie Die 





15 habe nicht jehen wollen, da —— die ee Lehre —* Auch — 
er ſonſt in theologiſchen Streitfragen um fein Guta tr e en gab er 
Potum in verſöhnendem Sinne ab, —— als die vo — 
Länge Bogen, lärte er ſehr richtig, das 3 arme Wolf babe bald Grund 
— daß ſeine gegenwärtigen Pfarrer es in die Irre führen, 
dem Rei eligionseifer, wie z. B. dem Widerwillen gegen bie — 
— Herausgabe des Korans zu pin eh —* ar u Er 










Nachdem er ae von der Peſt er 
—— a n bervorragenditer — — iſt Ende "Shane, 
( Me i, —— reformatoria II) vielfachen Einblick 


56 7 des Vehrers eröffnet. M. hat die von Bilfiender beiorpte. X | der Briefi 
Dekolampabs und winglis (Bafel 1536) weſentlich — und 3 ine erſie 
furje Vita Zwinglii geſchrieben. 2 Egli 


ufter, Jakob Peter, dänischer Bilchof, 1854, — 
—— et a et 1854, 2, ER oa eh vom I P. w 2, Dnfer, Mit 


rw 


Myufter 609 


J. P. M. an ®. F. Engelbreth in Kirkehistor. Samlinger 4 Reihe IV, 446f. 693f.; Aus 
binterlajjenen Briefen an J. P. M., 1862; Einige Blätter aus J. PB. M.s, Leben und Zeit, 
herausgegeben von C. L. N. Mynſter; H. WMartenfen, Zun Andenten au J. 3. M., 1855; 
C.L. N. Myniter, Einige Erinnerungen und Bemerkungen über JZ.B M. 1877; 3. PBaludan: 
Miller, Der apologetifhe Beitandteil in Biſchof M.s Predigt, in Nyt theol. Tidsskrift, V 5 
1854, 110f.; &. Koch in Dansk biograf. Lexikon XII; 9. Schwanenflügel, X B.M. I—II, 
1900; Fr. Kielfen in: „Der Proteftantigmus am Ende des 19. Jahrh.s“, 1902, 984 f. — Myn: 
jter8 „Gemiſchte Schriften” liegen gefammelt vor in 6 Bänden, 1852—57. 

Jakob Peter Mynſter wurde geboren in Kopenhagen den 8. November 1775. Sein 
Vater, Inſpektor am königlichen Frederikshoſpital, ftarb ſchon 1777, aber im jelben Jahre 
verbeiratete fich feine Mutter mit dem Oberarzt des Hofpitale, F. L. Bang, einen Bruder 
der Mutter Grundtvigs (VII, 206) und der Mutter des Philoſophen Heinrich Steffens. 
Doc die Ehe feiner Mutter mit Dr. Bang war nur von furzer Dauer; jchon 1779 ſtarb 
fie, und Mynſter hatte jet in einem Alter von 4 Jahren fowohl den Vater mie die 
Mutter verloren. Sein Stiefvater verheiratete fich bald von neuem, aber M. fühlte ſich 15 
im Haufe feiner Stiefeltern nicht glüdlih. Das häusliche Leben war dort beberricht 
von einem Pietismus, der ſich in langen ermüdenden Andadhten und in Strafpredigten 
über die unbedeutendften Vergehen äußerte. 

Kurze Zeit bejuchte M. die Metropolitanfchule, wurde dann aber im Haufe unter: 
richtet und 1790 vom Vater privat zur Univerfität entlaflen. Während feiner Studenten: 20 
jahre verkehrte er in einem Kreis von begabten Freunden, zu welchen u.a. Heinrich Stef: 
fens gehörte. Auf den Wunfch feines Stiefvaters ftudierte er Theologie, ohne inneren 
Trieb. Die theologische Fakultät in Kopenhagen war damals ziemlich jchlecht bejett und 
der junge M. war, wie fo viele junge Männer im Anfang des 19. Jahrhunderts, ohne Sinn 
für pofitives Chriftentum, begetftert für die franzöftiche Revolution und von pbilofophifchen 25 
und äfthetifchen Intereſſen in Anspruch genommen. Doch rührte fich in feinem Innern 
eine Sehnſucht nach etwas anderem als Philoſophie und Ajthetil, und er war oft von 
Schwermut geplagt. 

Nach jeınem theologifchen Amtseranıen wurde er Hauslehrer auf Bregentveb und 
dadurch Lehrer des erſten Eonftitutionellen Mlinifterpräfidenten Dänemarks, ded Grafen 30 
AM. Moltke. Auf Schloß Bregentved mar reiche Gelegenheit zum Selbitjtudium, und 
M. las die deutichen Philofophen, deutſche und Franzöfiiche Dichter. 1801 wurde er zum 
Baftor in Spjellerup auf Seeland ernannt, wofür Graf Moltke das Vokationsrecht hatte, 

. trat aber erft 1802 fein Amt an. 

Im PBaftorat zu Spiellerup führte er ein ſehr einfanıes Leben, und die alte Schwer: 35 
mut fuchte ihn dort oft beim. Aber an einem Sommertage des Jahres 1803, als er 
allein auf feinem Sopha faß und in Jacobis Schrift über Spinoza las, fuhr e8 ihm 
auf einmal dur die Seele wie ein Xicht von oben, und er fagte fich mit aller Klarheit: 
„Wenn das Gemiflen nicht eine bedeutungslofe Einbildung iſt — und in diefer Hinficht 
begte er feinen Zweifel —, wenn du demfelben in einigem gehorchen follft, dann ſollſt #0 
du ihm in allem gehorchen, ganz unbefümmert um das Urteil der Welt, ihr Lob oder 
ihren Tadel. Und wenn es einen Gott giebt — und auch bierüber war in feinem Herzen 
fein Zweifel — und du dich doch nicht weigerſt, dich in einigem vor ihm zu beugen und 
dich in feinen Willen zu ergeben, dann follit du es in allem thun, ohne Vorbehalt und 
gänzlich dich und all das deine feiner Vaterband überlafjen.” 5 

Einen plöglichen, geiftigen Durchbruch batte er erlebt, der die größte Bedeutung für 
ihn erbielt. Schelling, Steffens und Novalis hatten ihn ſchon vorber den chriftlichen 
Ideen näher gebracht, aber der hiſtoriſche Chriſtus war ihm doch nur eine poetifche Ge: 
ftalt gewejen. est aber konnte er mit Entzüden und innerem Jubel fagen: „Sch habe 
einen Gott und einen Heiland!” Viel fpäter bat er in einer Predigt gejchildert, mie 
tiefere Forſchung ihn zwar dem pofitiven Chriſtentum genähert, aber Gott ihn „auf dem 
Wege der Liebe” zu fich gezogen babe. In der Äde und Leere der Welt habe er das 
Bedürfnis nach einem Mittler zwifchen fih und Gott empfunden, und da hätten ihn 
„die tiefen Töne aus der Vergangenbeit” mit wunderbarer Kraft ergriffen, jo daß er 
ihnen laufchte und ein anderer wurde. Es mar das Gewiſſensgebot und das Seufzen 
der Kreatur in feinem Herzen, das ibn zum Ghriftentum 309. 

Nach dem Bruch mit dem Nationalismus befam feine Predigt eine andere farbe 
und einen anderen Inhalt, wovon einige gedrudten Predigten aus diefer Zeit Zeugnis 
ablegen. Diefe Spjellerup- Predigten, die „eine Fromme Geſinnung“ zu fehildern und zu 
weden ftrebten, erhielten eine Bedeutung für viele Leſer; fie baben vielen Dänen zur 60 
Kirche geläutet. 

NealsEncyllopäbie für Theologie unb Kirche. 8. U. XI. 39 


⸗ 
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2 


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x! 


7) 


610 Mynſter 


1812 wurde M. nad) der Hauptſtadt verſetzt als erſter Kapellan an der Frauenkirche. 
Im Jahre darauf wurde er zugleich Dozent der Pſychologie am Predigerſeminar, 1826 
Hofprediger, 1828 königlicher Konfeſſionarius und Hof: und Schloßgeiſtlicher. Als Prediger 
verſammelte er in der Hauptſtadt eine ſtets wachſende Schar um ſeine Kanzel, und viele 

5 der beiten Männer und Frauen der Nation wurden durch feine Haren und überzeugenden 
Neden aus der rationaliftifchen Wüfte hbinausgeführt. Seine Stärle war nicht Diefes ober 
jenes Einzelne, fondern eine feltene Vereinigung von verfchiedenen Fähigkeiten und An- 
lagen, eine Harmonie, die ihren innerften Grund in feinem Gotteöverhältnis hatte. Cr 
war beredt, aber es war nicht die Beredfanikeit, die zu ihm hinzog; es war jeine Bar: 

10 monifche, würdige Verfönlichkeit. Seine Eigentümlichkeit ald Prediger mar der 
Sinn für das Ethiſche und Piychologifche, und im Laufe der Jahre trat die Totalität 
des hriftlichen Glaubens in jeinen Predigten ſtärker und ſtärker hervor. Er bat auch 
eine kurzgefaßte Dogmatik hinterlafjen, die nicht allein den Umfang und die Tiefe feiner 
ee uden Studien, fondern zugleich jein entſchiedenes Iutherifches Grundgepräge 

15 darthut. 

Aus feinen Vaitorenjahren in der Hauptitadt ftammen eine Reihe von theologiichen 
Abhandlungen die er gefammelt in deutſcher Überfegung herausgab (Kleine theol. Schriften, 
Kopenhagen 1825). Die meiſten behandeln ifagogifche Fragen; in einer derſelben redet 
er der fühgalatifchen Hypotheſe das Wort, die in neuelter Zeit fo viele Anhänger ge 

20 wonnen bat. Er war nicht nur in der ajtbetifchen und pbilofophifchen Litteratur be 
wandert, fondern er hatte auch eine nicht geringe Firchengejchichtliche en ve Be 
Ive e derjelben find mehrere bedeutende Abhandlungen über die Verhältniffe in der Ur: 
icche. 

Als Biſchof Münter (ſ. d. A. oben S. 553) 1830 ftarb, erwarteten viele, Daß M. fein 

26 Nachfolger werden würde. Aber der als theologifcher Profefjor und befonders als nordiſcher 
Archäologe befannte P. E. Müller befam den Vorzug. Als aber Müller fchon 1834 
Itarb, war M. der gegebene Dann für den Biſchofſtuhl von Seeland, und er bat mit fefter 
Hand das ſeeländiſche Stift bis zu feinen Tode verwaltet. 

In feine Paftorenzeit fiel &rundtvige firhlicher Kampf. Aber für Grundtoig hatte 

so er feine Sympathie. In den Tagen, wo, veranlaßt durch Grundtvigs „Kirkens Gjen- 
mäle“ (VII, 213f.), die Wogen der Erregung hoch gingen, hielt M. eine merkwürdige 
Predigt von „der hriftlichen Weisheit”, durch welche er, troß feiner Einigkeit mit Grundwig 
in chriſtlicher Hinficht, feine Sache von derjenigen Grundtvigs fchied; der große Lärm 
und Grundtvigs feifellofer Ungeftüm mar ihm zumider. Der Gegenfats zwiſchen dieſen 

36 beiden großen kirchlichen Perſönlichkeiten dauerte bis zuletzt, und verſchiedene Male 
prallten die beiden Reden zuſammen. Auch die kirchlichen Freiheitsgedanken Grundtoig 
waren M. zuwider; ſpäter kam auch noch der politische Gegenſatz hinzu, als Grundtuy 
ſich mit Begeifterung dem neuen Grundgejeß und den von bemfelben gefchentten Fri 
beiten anieloß, während M. fi den vermeintlichen Segnungen der Freiheit und dei 

40 allgemeinen Wahlrechts gegenüber jfeptifch verhielt. Er war einer von den wenigen, die 
auf der grundgefeßgebenden Reichöverfammlung gegen das Grundgefeh jtimmte. Auf der 
anderen Seite gelang e8 Grundtvig, die Einführung einer Reviſion des Rituals und de 
Agende, die M. vorgenommen batte, zu verbindern, und auf dem Firchenpolitiichen Gebiet 
kam es in den Sahren nach dem Erlaß des Grundgejeges oft zu Zufammenftößen zwiſchen 

5 M. und den Schülern Grundtvigs. Aber auch von andern Seiten ber fand M. Wider⸗ 
ftand. Als nah dem Tode Friedrichs VI. der Liberalismus in Kirche und Staat fen 
Haupt zu erheben begann, mußte M. es in mehrfacher Weile fpüren, daß er im 
ftand, ein einfaner Wann zu werden. Es war ihm unmöglich, die liberale Strömung 
zu bemmen, und in feinen legten Jahren fonnte er nur „mit Trauer und Widerwillen 

so. an die öffentlichen Angelegenheiten denfen. 

Aber in ftillen Stunden, die fein mühevolles Amt ihm erübrigte, erfrifchte er fih 
an der Fortſetzung feiner Studien und litterarifchen Arbeiten, und eine Predigtſammlung 
nach der andern kam von feiner Hand heraus. Seine „Betrachtungen über die dhriftliche 
Glaubenslehre” (in 2 Bänden; deutjche Überjegung von Th. Schorn, 2 Aufl., Hamburg 

65 1810) waren lange Zeit ein beliebtes Andachtsbuch, das fich weit über Dänemarks 
Grenzen hinaus Bahn brad. In feinen letten Jahren maren feine Gedanken von der 
Arbeit an einer Verfaffung für die bänifche Bollstirche in Anſpruch genommen. Ber 
gebens batte er bei den Verhandlungen über das Grundgefeß ſich bemüht, daß im dieſem 
Beltinnungen aufgenommen würden, welche der Volkskirche ihre Selbitftändigleit und 

so ihr Eigentumsrecht ficherten. 1853 wurde er Vorfigender einer kirchlichen Kommiſſion, 


Mynfter Muyrrhe 611 


welche die Verfaſſungsfrage bearbeiten ſollte, aber ehe dieſe recht in Wirkſamkeit trat, 
ſtarb er (den 30. Januar 1854). 

In M. verlor die däniſche Kirche einen ihrer bedeutendſten Männer. Er war aber 
kaum im Grabe erkaltet, als ©. Kierkegaard (X, 281; XII, 378) einen ungeſtümen Angriff 
auf feinen Nachruhm richtete. Es kann nicht geleugnet werden, daß dieſer Angriff eine 5 
Zeit lang dazu beitrug, eine Reaktion gegen die unbegrenzte Ehrfurcht, die bisher M. 
umgeben hatte, hervorzurufen. Er war ja auch in politiſcher Hinſicht fein Mann ber 
neuen Zeit. Nah und nad ift jedoch eine gerechtere Beurteilung dieſer hervorragenden 
firchlihen Geftalt angebahnt worden. Sn einer toten Zeit hat er, als ein Redner über 
die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern, in Berveifung des Geifted und der 10 
Kraft pofitives Chriftentum gepredigt, und er befaß eine Feſtigkeit und Unbefledtheit des 
Charakters, die allen Sodadtung abnötigen muß. Fr. Nielſen. 


Myrrhe. — ©. Celfius, Hierobot. I, p. 520eqq.; Winers RWB unter „Eifig“ und 
„Myrrhe“; Oken's Naturgefchichte III, 3, & 1760; Riehms Handwörterbuch? S. 1069 f.; 
Löw, Aram. Pflanzennamen 246, 15 

Myrrhe, 77, oudova, äoliſch udooa, it das jehr mohlriechende Harz des erſt von 
Ebrenberg genauer bei riebenen balsamodendron myrrha (Nees), eines befonders in 
Arabien und Athiopien (Herod. 3, 107; Strab. 16, p. 769. 792; Diod. 3, 46; über 
Ägypten fam das Gewächs auch nach Hellas, Athen. 15, P 681), nicht aber in Palä— 
ftina (daher Myrrhe Mt 2, 11 unter den föftlichen Gefchenten der Magier erfcheint; auch 20 
HL 4, 6. 14 fprechen nicht für deren Vorkommen in Kanaan: in beiden Stellen mird 
die Geliebte mit einem Garten voll köſtlicher Wohlgerüche verglichen, fofern fie fich mit 
Myrrhen behängt 1, 13 und gefalbt hat) wachjenden Baumes oder Strauches, den die 
Alten, die ihn zum teil nur vom Hörenfagen und nicht aus eigener Anjchauung kannten, 
nicht ganz übereinftimmend befchrieben haben, |. Theophrast. hist. plant. 9, 4; Plin. 3 
H. N. 12, 33sqq; Diod. 5, 41; Dioscorid. mat. med. I, 73. 77. Das Harz, an- 
fange ölig, dann gerinnend, ift erſt gelblich-weiß, dann aber, zu harten Tropfen oder 
Kömchen von eigentümlich balfamifchem Geruch und bitterem Gejchmad erhärtend, rötlich; 
es fließt teild von felbft, und died war die ebelfte Art, Exod. 30, 23 durd IT, 

5,5 mit 7 "= bezeichnet — („von felbit) fließende Myrrhe“ (doch könnte 30 

ter auch einfach an ein flüffiges Präparat, eine Salbe, im Unterſchied von den Kör- 
nern im Beutel 1, 13 oder zum Näudern 3, 6 gedacht fein), von Plinius oraxım 
genannt (jo auch LXX HR. 1, 13), fonit von LXX und Sir 24, 15 dem Sinne 
nah gut durh ou. &xAexın, Vulg. murrha probatissima wiedergegeben; auch 957 
(„Tropfen“) bezeichnet Erod. 30, 34 wohl dasjelbe, wie denn LXX es durch oraxın 35 
geben; teild gewann man die Myrrhe, die übrigend in verfchiedenen Sorten und nicht 
immer unverfälfcht, zum Teil wohl auch durch ähnliche Harze von anderen Bäumen erfeßt, 
in den Handel fam und namentlich durch Nabatäer und Phönikier aus Arabien in den 
Weſten geführt wurde (vgl. Ritter, Erdk. XVI, S. 389; Robinfon, Baläftina, III, ©. 114), 
durch Einfchnitte in die Rinde des Baumed. Sie hat einen bitteren, jcharfen, gewürz⸗ ao 
baften Geſchmack. Gebraucht wurde fie teild zum Räuchern (H% 3, 6, cf. Plin. 
H.N. 21, 18; Athen. III, p. 101), teil® zum arfümieren der Kleider und Betten 
(Pi 45, 9; Prov. 7, 17, vgl. wie die Geliebte das Aroma in einem Sädlein am Bufen 
mug, H% 1,13: a7 TS), teile als DI TE 729, Eſth. 2, 12, zu Salben 
(Exod. 30, 23; HR 5, 5, wo die Salbe auf die Thürriegel nieberträutelt) teils, 45 
wie noch heute, als Arznei (Herod. 7,181), teil$ endlich pulverifiert zum Einbalfamieren 
der Leihen (Jo 19, 39; Herod. 2, 86; vgl. Real-Encykl. Bd II, S. 531,32 ff. (daher 
die meiften Kirchenväter die Miyrrhen Mt 2,11 als Zeichen des bitteren Leidens und Ster- 
bens faßten; ſ. Dillmann in Ewalds Jahrbb. f. bibl. Wiflenich. V, ©. 138 Note 22). Auch 
dem Weine wurden Myrrhen beigemilcht, um ihm einen würzigen Wohlgeruch zu geben, co 
und dieſer weniger beraufchende uvooivns olvos, vinum murrhinum, war bei den 
en namentlich jehr beliebt (Plin. H. N. 14, 15. 19, Athen. 11, p. 464; Gell. 

.A. 10,23 u... Nah Me 15,23 wurde Jeſu vor der Kreuzigung „Louvorvioufvos 
olvos“ angeboten, d. 5b. wohl allgemein „Gewürzwein“, wie denn Mt 27, 34 Ddiefen 
Trank, „Eſſig mit Galle vermischt”, nennt, momit er die mit irgend welchen bitteren 55 
Ingredienzien gemifchte osca oder den fauern Wein der römijchen Soldaten begeichnet — 
in diefem Fall natürlich zum Zweck der Betäubung; nad jüdiſcher Sitte nämlich wurde 
den Hinzurichtenden ein mit Weihrauch zur Betäubung gemifchter Trank gereicht; ſ. Light: 
foot, Horae hebr. et talm. ad Matth.27,34 et ad Joh. 19,39. (Rüetfgi F) Kittel. 

39* 





612 Myrte Myftagogische Theologie 
— &. Plin. H, N. 18, 85; Athen, II, p. 43agg.; XIV, p. 6ölagg.; XV, 


Miyrte, 
5 675 sag. und vgl. Gelfius, Hierobotan, II, 17 * Nie 2* örterd. S. 1060f.; Lim, 
Aram Pilanzennan. 50; Hein, Kulturpflanyen x, 









ina, wie —8* in Syrien, w 
. Georg. 1, 106) ge — 
15 5 23, 4 1." pen — 


———— — —— 6), oder wurden auf den Meg re 50) 
Ei © trug man bei Gaftmälern ( orat. ds un Snnbel ide de 





bejonders Do eiten, da bie * der Aphrodite — und 
— — eignete ſich der 
enname eines liebli äbehens; ee fübrte befanntlic 
uriprünglich dieſen Sad. 2a (Rüetichi F) Kittel. 
— Bit Ga, D it des Fr 
1940, © OR" Combat der —* 
— ie | in ihrer eich! icen Entwidelung, 32%, Bo IX— 
25 — ne u. 50 (= : aa I, 
r —— enden —* onafunde L, "sog, S. 335 ff. 


vder by; Litteratur, 2. Aufl. 1897, ui i Ku ifter Di — 
er itteratur, 2. Aufl. var. m Me der in 
—— Serien); 5. F. ea — Eastern Westen, 
ie * Dee Er 
male ie une Grtlärungen (Sabre. 8* hiſt. Bill Be ua — kobenie IV, By. 
richt darüber von E. Kurk 895, ©. 617 ED; Dres, | 
— von G. Rietſchel, Lehrhuch der Sigi. 1, — in — 100, — es 


ED. Dieyer, a theol, Litteratur der griech. Kirche im 16. 
ue, var. 1. (be Kadett biäher das 16. Sad in En Binden, 
3s.und bad 17. Zn Bm 1894 ff.). en, YO 


D | der Litu nä 

onen in De oremnchen Ah heimi i & Ki ka — * mi de, Die 

ft aber bier längjt nicht jo entwidelt und w genommen wie dort, 
ideen, Die rn 








wo jie — nicht dogmatiſch geworden iſt, vr in wahr 
an gebildet baben, tiefiter Ehrfurcht begegnet, ja für unantajtbar ilt. Die Nam 
ogen gehören zu den geehrteſten im ber orientaliſchen ba, 
gottespienftlichen Feiern nicht ſowohl nad) gefcpüchtlicher Methode auf ibren Urfprung 
ihre Entwidelung unterfucht, als vielmehr im ganzen oder im nem < 
lichen Gebeimfinn angejehben werden, kann von „my ogiſcher The ie” ‚geredet werde 
45 Eine ſolche Liturgik entjpricht der Vorftellung vom Kultus, die in der orientalifchen Kir 
ert bat und unabtrennbar ijt von ben Gedanken diefer Kirche über ? dos Mc 
Ghriftentums. Für legtere ift es das Maßgebende an einer er. er ji 
Io bat, die — nicht unmittelbar erkennen kann. Wer die 
— „Myſtagog“. Prieſter und Theologen find es, die ea 
währen. 3 älterer Zeit fonnte der Theolog unter jedem Gefichtspuntt 
jondern aud) der Dogmatiker > — als Myſ 
65 iſt alle tonventine, wenn jest nur noch 
als „myſtag 















Für die oe ber Bereite See En vo —* 


„AvoTa bie Erläuterung: u u ae s 
— iſt diejenige, —* der Titel Sri a 
a0 Pan braucht fich nur an die Weitfchichtigkeit des Begriffs des „rue 


Myſiagogiſche Theologie 613 


um zu verſtehen, daß die myſtagogiſche Theologie nicht gerade notwendig bloß als „Lehre 
vom Kultus” gedacht wurde. Überall, wo ein Geheimnis im Spiele ift, konnte von einer 
Avorayoyina geredet werden. Photius bat feiner Schrift über die Zerrdoevos des bei: 
Ligen Geiſtes die Überjchrift gegeben zent Tjs uroraywyias tod dyiov nveiuarog. 
Auch die Ankündigung eines „WMunders“ wurde als uvorayayla bezeichnet. Ich habe 
mir aus Gregor von Wofla, Adv. Apoll. XXI (MSG XLV, 1165), die Wendung no: 
tiert: 5 yovousn tij naodern naoa toü JTaßoımi uvoraywyla. Tas uvoraymyeiv 
iſt Einführung, „Einweihung“, in ein Myſterium, welcher Art es ſei; es fann praftifch 
oder tbeoretifch fein, es fann gefcheben durch Darbietung eines Myſteriengenuſſes oder aud) 
bloß durch Schilderung, es kann auch die Korn der repräfentativen Darftellung haben: 10 
Stephanus citiert 3. B. aus (Gregor von Nazianz (ohne näbere Angabe) einen Satz, 
wonach Ghriftus bei der Verklärung auf dem Berge doroanre xal Hilov pwroadE- 
0TE005 yivaraı „uvoraywyav To mEllov". Meben dem geiftlihen Sprachgebraud gab 
e3 auch einen profanen: im alten Hellas wurde als uvoraywyos aud der Cicerone be: 
zeichnet, der für Geld den Reiſenden die Tempel und ihre Heiligtümer zeigte und erklärte. 15 
Innerhalb des kirchlichen Sprachgebrauchs bat fih mit der Zeit ein ganz konkret zuge: 
Ipigter Zinn von uvoraywyia firiert. Stepbanus macht ibn fenntlich, indem er aus 
Theodor von Ztudion den Satz beibringt: Hueis roõ Ayımrdrov natoıLdpxovV UPNLO- 
vevouev &v 17 uvoraywyia. Hier ericheint die Yiturgie xat' &Soyrpv, die Abendmabhls- 
feier, im ſpezifiſchen Sinne als die „Myſtagogie“. In der That ift fie für die „mofta= u 
gogiſche Theologie” das eigentliche Haupttbema geivorden. Für die Abendmahlsriten bat 
die orientalifche Mirche auch die feitefte Theorie gejchaffen. 

Um eine Überficht über die Entmwidelung der myſtagogiſchen Theologie zu gewinnen, 
mögen wir den Ausgang von den „myſtagogiſchen Katecheſen“ des Gyrill von Jeruſalem 
nehmen. Sie führen uns in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Daß er mit ihnen etwas: 
befonderes biete, deutet Cyrill durch nichts an. Sie werden alfo nicht die erften in ihrer 
Art geivefen fein. Allein fie repräfentieren litterarifch für uns den Anfang. In ihnen 
it alles noch ſehr jchlicht aufgefaßt. Nachdem Cyrill in achtzehn Katecheſen das Tauf: 
Inmbolum „tradiert“ und ausgelegt bat, und nachden inzwifchen die Taufe vollzogen tft, 
hält er noch fünf Katechefen an die veopwtoror bezüglich der Feiern, durch die fie nun 30 
bindurchgeführt find. Es iſt die Zeit der ftrikteften Arkandisziplin. Vorausgeſetzt ift, 
daß die Täuflinge bis zum Taufafte nichts davon milfen, wie die Kirche die Taufe voll: 
ziebt und mas alles auf fie folgt. Dicht vor und alsbald nach der Taufe bat ein Sal— 
bungsakt jtattgefunden. Tann baben die Täuflinge zuerjt die Euchariftie empfangen, 
zuerit gefehen und gehört, was bei diefer Gemeindefeier alles geſchieht. Cyrill refapitu: 35 
liert großenteils nur einfach die einzelnen Akte. Gr ſcheint anzunehmen, daß die Täuf— 
linge gar nicht ganz gemerkt haben, durch mie vieles fie bindurchgeleitet find. Alſo das 
meiste, was er in diefen „myſtagogiſchen Katecheſen“ vorbringt, iſt bloße knappe Schilde: 
rung. Nur bin und wieder bietet Cyrill auch Erläuterungen der Art, daß er zeigt, wie 
der Ritus fchon durch jeine Form Bedeutung babe. Was die Taufe, Salbung, Eucariftie 0 
fachlich gewähren, ift auch „ſymboliſch“ ausgedrückt; der Kortjchritt der Handlungen zeigt 
die ;rortfchritte in der Erneuerung des Menjchen. Merkwürdig, daß Cyrill für die Eucha— 
riſtie am menigften von fombolifcher Art zu bemerken findet. Er iſt da noch ganz bin- 
genommen von bloß „dogmatifchen” Gedanken, d. b. von dem Intereſſe, den „Neulingen“ 
einzuprägen, daß es nicht lediglib Brot und Mein war, was fie da empfingen, fondern 
in wunderbarer Weiſe der Yeib und Das Blut des Herm. Befonderes (Gewicht legt er 
auf das rechte feierliche Verhalten der Gläubigen felbit, giebt dafür Speziell Anweisungen, 
zum Teil mit fombolifcher Motivierung. 

ch habe in der Vergl. Konfeſſionsk. (I, 393 ff.) ausgeführt, daß die moftagogifche 
Theologie das Intereſſe gewähre, die Arkandizziplin zum Schmwinden gebracht zu haben. 5o 
Zwar der Mann, der der eigentliche Begründer jener „Iheologie” als einer Sonder: 
wifjenfchaft ift, der Pſeudo-Areopagite, it noch ganz beherrſcht von der Arkandisziplin, 
aber er bat ihr doch indirekt ein Ende bereitet, indem er ſie überflüffig machte. Die 
Arlandisziplin, die ficher nicht vor der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts auf: 
gekommen tft (über vermeintliche Zpuren von ihr bei Tertullian, Clemens von Aleran: 55 
drien, Drigenes ſ. mein Werk „Tas apoft. Symbol“, Bd II, S. 91ff. 105 ff. 176 ff), 
hängt mit Bräuchen aus der antiten Myſterienpraris zufammen (dgl. d. A. Arkandisz., Bd II, 
51ff.). Sie verrät, dag die Auffaſſung der Kirche von ihrem Multus Sich derjenigen ſehr 
genäbert hatte, die in den griechifchen Kultvereinen heimiſch war. Aber die fides silentii 
war doch nur ein ſehr äußerliches Mittel, um die chriſtlichen „Myſterien“ vor Entweihung 60 


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612 Myrte Muſiagogiſche Theologie 


Myrte. — S. Plin. II. N. 18, 85; Athen. II, p. 43sgq.,; XIV, p. 6ö5lagg.; XV, 
p. 675 sqq. und vgl. Gelfius, Hierobotan. II, 17 sqq.; Riehms Handwörterb. S. 1060 j.; Löw, 
Aram. Pflanzennam. 50; Hehn, Kulturpflanzen 2. ®, 229 ff. 
Myrte, CM, uvgoirn, ein in Aſien bäufig wachlender, von dort nach Griechenland 
» und Italien verpflanzter Baum, der etwa 10 Fuß body wird und gem in Thälern und 
an Ufern, doch" auch auf Anhöhen (Plin. H. N. 16, 30, vgl. Neb 8, 15), wofern fie 
nicht ganz troden find, wächſt. Seiner Schönbeit, feiner glatten, immergrünen Blätter 
und weißen Blüten, wie des Wohlgeruchs wegen, den Blumen und Blätter verbreiten 
(Virg. Ecl. II, 54), war diefer Baum eine von jeber beliebte Gartenzierde und wurde 
10 auch bei den Hebräern als Kulturgewächs gepflegt (vgl. Jeſ 41, 19; 55, 13, wo in ber 
meiftantfchen Zeit die Wüſte einem Garten voll von blühenden Myrten gleichen fol), 
obwohl. er auch ın Paläſtina, wie überall in Syrien, mild wuchs, Nehemia a. a. D.). 
Aus den ſchwarzen (Virg. Georg. 1, 106) Beeren wurde ein DI und fogar eine Art 
Wein bereitet, Plin. H. N. 15, 35—38; 23, 14. Myrtenzweige dienten bet allen Feſt 
15 lichkeiten als Schmud der Häufer und Zimmer (3.8. beim Laubbüttenfeit, Nebemia a. a C.; 
vgl. Theophrast. hist. plantt. 4,6), vder wurden auf den Weg geitreut (Herod. 7,59), 
und Myrtenkränze trug man bei Gajtmälern (Horat. Od. 1, 4, 9; 1, 38, 5. 7) und 
bejonders bei Hochzeiten, da die Myrte der Apbrodite heilig und Symbol ebelicher Liebe 
war (Virg. Ecl. 7, 62; Aen. 6, 143; Pausan. 6, 24, 5). Terefflih eignete ſich ber 
> Name Hadafla:Miyrte als Eigenname eines lieblihen Mädchens; Ejther führte bekanntlich 
urfprünglich diefen Namen, Eft. 2, 8. (Rüetſchi F) Kittel, 


Myſtagogiſche Theologie. — Litteratur: Gaß, Die Myftit des Nikolaus Kabaſilas, 
1849, ©. 155 ff.; Symbolit der griech. Kirche, 1872, S. 298 ff.; Steig, Die Abendmahlslehre 
der griech. Kirche in ihrer geichichtlichen Entwidelung, TH, Bd IX— XII 1864 ff., ſpeziel 
358 23—27 (= XI, ©. 193{f.), $ 48 u. 50 (= XIN, 653ff. u. 666 ff); Kattenbuſch, Lehrb 
der vergleichenden Konfeſſionskunde I, 1892, ©. 335 ff., 350 ff, 393 ff., 491 ff.; Krumbader 
(Ehrhard), Geſch. der byz. Ritteratur, 2. Aufl. 1897, var. 1. (f. im Regijter die Namen ber in 
Betracht kommenden Scriftiteller); %. E. Brightman, Liturgies Eastern and Western, vol.I 
Eastern Liturgies, 1896, fpeziell Introduction pag. XCIII-XCV; NR. Krasnojeljcev, Ueber 
3, alte liturgifche Erklärungen (Sahrb. d. Hıft.:philolog. Gefellich. zu Odefja IV, Byz. Abt. II, 
1894, rufj.; Bericht darüber von E. Kurg in Byz. Beitihr. IV, 1895, ©. 617f.); Drews, 
Rec. von G. Rietſchel, Lehrbuch der Liturgit 1.85, in ThStKr 1900, ſpez. S. 480-488; 
PH. Meyer, Die theol. Litteratur der griedy. Kirche im 16. Jahrh., 1899; E. Le Grand, Bi- 
bliographie Hellenique, var. ll. (behandelt bisher das 16. Jahrh. in drei Binden, 1885 fi. 
3; und dag 17. in vier Bänden, 1894 ff.). 


Die moftagogifche Theologie iſt eine Form der Liturgik, nämlich diejenige, die be 
fonders in der orientalifchen Kirche heimisch iſt. Sie fehlt der lateinischen Kirche nicht, 
it aber bier längſt nicht jo entwidelt und wird auch nicht jo ernft genommen tie dert, 
wo ſie zwar nicht dogmatiſch geworden ıft, doch aber in den Grundideen, die fich heraus 

40 gebildet haben, tiefiter Ehrfurcht begegnet, ja für unantajtbar gilt. Die Namen der großen 
Myſtagogen gehören zu den geebrtejten in der orientalifchen Kirche. Überall da, wo die 
gottesdienftlichen Feiern nicht ſowohl nach geichichtlicher Methode auf ihren Urfprung und 
ihre Entwidelung unterfucht, als vielmehr im ganzen oder im einzelnen auf einen galt 
lichen Gebeimfinn angejeben werden, Tann von „moftagogifcher Theologie” geredet werden. 

5 Kine ſolche Liturgik entpricht der Vorftellung vom Kultus, die in der orientalifchen Kirk 
ih firiert bat und unabtrennbar iſt von den Gedanken dieſer Kirche über das Weſen de 
Chrijtentume. Für legtere ıft es das Maßgebende an einer Zultifchen Feier, daß fie De 
züge bat, die man nicht unmittelbar erfennen fann. Wer die Feier „leitet“ oder „erHlät”, 
iſt gleicherweife „Myſtagog“. Prieſter und Theologen find eg, die die „Myſtagogie“ ge 

;o währen. in älterer Zeit fonnte der Theolog unter jedem Gefichtspuntt, nicht nur de 
„Xiturgiker”, fondern auch der Dogmatiker oder Ereget als Myſtagog bezeichnet werden. 
Es iſt alſo Tonventionell, wenn jegt nur noch die Liturgik in der orientalischen Kirk 
als „myſtagogiſche Theologie” betitelt wird. In der römischen Kirche nennt man die ih 
entfprechende Tisziplin, in übrigens unbeſtimmtem Sprachgebrauch, „Symbolik“. 

55 Für die Gefchichte der Begriffe uvoraywyös, uvoraywyia, uvoraywyeiy genügt 
im wwefentlichen ein Hinweis auf Suidas, Euicer, Stepbanus ic. Der tgenannte (Le 
xicon ed. J. Bekker) bemerft bloß uvoraywyds — lepevs. Aber voran ftebt unter 
„Avorayoyei“ die Crläuterung: uvorjgua Erutelei, &s yvorngia äye N duödeoxe. 
Die leßtere Wendung ift diejenige, bei der der Titel HeoAoyla uvorayayızn antnüpft. 

w Dan braucht fih mur an die MWeitfchichtigfeit des Begriffe Dis „wuvornoor" zu erinnern, 


Myftagogifche Theologie 613 


um zu verjtehen, daß die myſtagogiſche Theologie nicht gerade notwendig bloß als „Lehre 
vom Kultus“ gedacht wurde. Überall, wo ein Geheimnis im Spiele ift, fonnte von einer 
uvoraywyia geredet twerden. Photius hat jeiner Schrift über die duerzdpevors des hei: 
ligen Geiſtes die Überfchrift gegeben nepi Ts uvoraywyias tod dylov nvebuaros. 
Auch die Ankündigung eines „Wunders“ wurde ald uvorayayia bezeichnet. Ich habe 5 
mir aus Gregor von Nyſſa, Adv. Apoll. XXI (MSG XLV, 1165), die Wendung no: 
tiert: N yevoußon tij naodevo naoa tov Taßoınl uvoraywyia. Das uvoraywyeiv 
iſt Einführung, „Einweihung“, in ein Myſterium, welcher Art es jei; es Tann praftifch 
oder theoretifch fein, e3 kann geichehen durch Darbietung eines Myſteriengenuſſes oder auch) 
bloß durch Schilderung, es Tann audy die Form der repräfentativen Darftellung haben: 
Stephanus citiert 3. B. aus Gregor von Nazianz (ohne näbere Angabe) einen Satz, 
wonach Ghriftus bei der Verklärung auf dem Berge dorgante xal Nilov pwroadE- 
0TEDoS yiveraı „uvoraywmy@v TO uEllov". Meben dem geiftlichen Sprachgebraud gab 
es auch einen profanen: im alten Hellas wurde als uvoraywyos auch der Gicerone be: 
zeichnet, der für Geld den Keifenden die Tempel und ihre Heiligtümer zeigte und erklärte. 15 
Innerhalb des Firchlichen Sprachgebrauch® hat fih mit der Zeit ein ganz konkret zuge: 
jpister Sinn von uvoraywyia fixiert. Stepbanus macht ihn Fenntlih, indem er aus 
Theodor von Studion den Sat beibringt: Nueis TOD Ayımrarov natoıdgyov urnuo- 
vevonev &r 17 (woraywyia. Hier erſcheint die Liturgie xar’ &Eoynv, die Abendmahlg- 
feier, im (pesifichen Sinne als die „Myſtagogie“. In der That ni fie für die „mylta: 
gogiſche Theologie” das eigentliche Hauptthema geworden. Für die Abendmahleriten hat 
die orientalifche Kirche auch die feitelte Theorie gejchaffen. 

Um eine Überficht über die Entmwidelung der myſtagogiſchen Theologie zu gewinnen, 
mögen mir den Ausgang von den „myſtagogiſchen Katecheſen“ des Eyrill von Jeruſalem 
nehmen. Sie führen uns in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Daß er mit ihnen etwas : 
befonderes biete, deutet Cyrill durch nichts an. Site werden alfo nicht die erften in ihrer 
Art geweſen fein. Allein fie repräfentieren litterarifch für ung den Anfang. In ihnen 
iſt alles noch ſehr fchlicht aufgefaßt. Nachdem Gyrill in achtzehn Katechefen das Tauf: 
jombolum „tradiert“ und ausgelegt bat, und nachdem inzwifchen die Taufe vollzogen: ift, 
bält er noch fünf Katechefen an die veopwtioror bezüglich der Feiern, durch die fie nun 30 
bindurchgeführt find. Es iſt die Zeit der ftrikteften Arkandisziplin. Vorausgeſetzt ift, 
daß die Täuflinge bis zum Taufafte nichts davon wiſſen, wie die Kirche die Taufe voll- 
zieht und mas alles auf fie folgt. Dicht vor und alsbald nad der Taufe bat ein Sal: 
bungsaft ftattgefunden. Dann baben die Täuflinge zuerft die Euchariftie empfangen, 
guerit gefehen und gehört, was bei diefer Gemeindefeier alles geichieht. Cyrill refapitus 85 
iert großenteild nur einfach die einzelnen Akte. Gr jcheint anzunehmen, daß die Täuf- 
linge gar nicht ganz gemerkt haben, durch wie vieles fie hindurchgeleitet ind. Alfo das 
meifte, was er in diefen „myſtagogiſchen Katecheſen“ vorbringt, iſt bloße knappe Schilde: 
rung. Nur bin und wieder bietet Cyrill auch Erläuterungen der Art, daß er zeigt, tie 
der Ritus ſchon durd feine Form Bedeutung babe Was die Taufe, Salbung, Eucharijtie 40 
jachlich gewähren, ift auch „ſymboliſch“ ausgedrüdt; der Fortfchritt der Handlungen zeigt 
die Syortichritte in der Erneuerung des Menſchen. Merkwürdig, daß Corill für die Eucha— 
riftie am wenigſten von ſymboliſcher Art zu bemerken findet. Er tft da noch ganz bin- 
genommen von bloß „dogmatischen” Gedanken, d. b. von dem Intereſſe, den „Neulingen“ 
einzuprägen, daß es nicht lediglich Brot und Mein war, was fie da empfingen, jondern 45 
in wunderbarer Weije der Leib und das Blut des Herrn. Befonderes Gewicht legt er 
auf das rechte feierliche Verhalten der Gläubigen felbit, giebt dafür Tpeziell Anmeifungen, 
zum Teil mit fomboltfcher Motivierung. 

Ich habe in der Vergl. Konfeſſionsk. (I, 393 ff.) ausgeführt, daß die myſtagogiſche 
Theologie das Intereſſe gewähre, die Arkandiesziplin zum Schwinden gebracht zu haben. 5 
Zwar der Mann, der der eigentliche Begründer jener „Theologie“ als einer Sonder: 
wiflenfchaft ift, der Pſeudo-Areopagite, iſt noch ganz beherrſcht von der Arkandisziplin, 
aber er bat ihr doch indireft ein Ende bereitet, indem er fie überflüſſig machte. Die 
Arlandisziplin, die ficher nicht vor der ziveiten Hälfte des dritten Nahrhunderts auf: 
gelommen ift (über vermeintliche Zpuren von ihr bei Tertullian, Clemens von Alexan- 55 
drien, Drigenes |. men Werl „Das apoft. Symbol“, Bd II, S. 9 ff. 105 ff. 176 ff), 
hängt mit Bräuchen aus der antiken Myſterienpraxis zuſammen (vgl. d. A. Arkandisz., Bd II, 
51 ff.). Sie verrät, daß die Auffaſſung der Kirche von ihrem Kultus fich derjenigen jebr 
genäbert batte, die in den griechifchen Kultvereinen beimijch war. Aber die fides silentii 
war doch nur ein jehr äußerliches Mittel, um die chriftlichen „Müfterien” vor Entiveibung 60 


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614 Myſtagogiſche Theologie 


zu fhügen. Bor allen fonnte fie dem Chriſtentum nicht den Dienſt tbun, feine Feiem 
als bebeutfamer und reicher mie die heidniſchen ericheinen zu laffen. Daß die Kirche in 
ihrem Kultus größeres befige als irgend ein heibnifcher, religiöfer oder philofophifcher 
Verein, ift der alten Chriftenheit erſt voll verbürgt erfchienen, als ihr die myſtagogi 
5 Theologie geſchenkt wurde, die auch von der formalen Seite ber die „wunderbare” ig 
faltigkeit und Tiefſinnigkeit der von der Kirche verwalteten Myſterien zeigte. Der Pſeudo⸗ 
Areopagite iſt darum mit Recht eine der gefeiertſten Perſönlichkeiten der Kirche geworden, 
weil er es vermochte, in einem als wahr empfundenen Ideenwurfe den geſamten Kultus, 
wie die Chriſten zunächſt des Oſtens ihn übten, als wirklich voll Andeutung von Kräften, 
10 die der profane Menſch nicht ahne und die doch deutlich durch alle Riten hindurch⸗ 
leuchteten, darzuthun. Daß feine füblime Myftagogie wie eine Großthat aufgenommen 
wurde, und daß fie die Duelle geworden ift für einen breiten Strom tbeologifcher Er: 
zeugnifle, der noch nicht verfiegt it, kann einen nicht verivundern. Der Pfeubo-Areopa- 
gite hat in den lebten Dezennien des 5. Jahrhunderts gefchriftitellert. Das 4. und 5. Jahr 
15 hundert waren die eigentliche Periode der Arkandisziplin. Nach dem Auftreten jenes 
(wahrjcheinlih in Syrien zu fuchenden) Theologen (vgl. den Art. „Dionyfius Areopagita” 
Bd IV, ©. 687 ff.) ift fie nicht zufällig unvermerkt geſchwunden. 
Vom Areopagiten kommt bier in Betracht die Schrift Zleol rc &xxAnoaouxig 
leoaoxlas, MSG III, 369 ff.). Man hat ſich zu hüten, dasjenige, was in biefer Schrift 
20 direft dogmatifche (philofophifche, neuplatonifche) Epelulation I (f. dazu den Art. in 
Bd IV), und was ın ihr zur Myſtagogie zu rechnen ift, zu verwechſeln. Natürlich be 
rührt fich beides nahe, aber es handelt fie dabei um unterfcheibbares. Die eigentliche 
Myſtagogie gilt den ritualen Formen als foldhen, ihrer Angemeflenheit zu dem fachlichen 
Ssnhalte der Myſterien. Es iſt für altlirchliches Empfinden das bedeutjame an den Aus 
25 fübrungen des Nreopagiten über den chriftlichen Kultus, daß er die Übereinftimmung von 
Inhalt und Form zeigte, daß er den Gläubigen die Augen öffnete für die Schönkeit 
und geheimnispoll zutreffende Weiſe aller Verrichtungen der „Hierarchie“. Dionyſius 
machte es klar, was man ſchon lange geglaubt hatte, daß dag Dogma in den kultiſchen 
Feiern fich fpiegele. Das hat den Riten die Stellung gefichert, daß fie die Probe auf 
80 das Dogma feien, ja daß fie gegebenenfalls das Kriterium böten, um dogmatiſche Neue 
rungen zu würdigen und lehrhafte Streitigkeiten zu entfcheiven. In dem genannten 
geht Dionyfius aus von dem allgemeinen Gedanken der Hierarchie. Die irdifche Hierarchie 
tft die Fortfegung und Nachbildung der himmlischen. Wie die himmlischen Scharen Kreiſe 
darftellen, die ftufenmweife der Gottheit angenäbert find, fo auch die klerikalen Ordnungen 
35 auf Erden, an deren Spike der Zuvvuos lsoapylas, der nach deilen Titel „Lepdoyn“ 
das ganze heißt, der Biſchof, ſteht. In der duvaıs noayuareias find die —* 
und irdiſche Hierarchie, beide wieder in ihren verſchiedenen z4feıs, gleichartig. Nur ini 
Map ihrer Ödvvawıs ift unterfchieden und darin zeigt ſich nun die „Schönheit“ des game 
Die önto Yuäs obolaı xal takes find „förperlos“, alfo ſinnlich nicht mahrneb 
ww dagegen die irbifche Hierarchie iſt nach finnlichen Symbolen abgeſtuft. Dionys identifiziert 
die Berfonen und ihre Verrihtungen. Zu der wahren Hierarchie gehören perfönliche und 
fachliche Medien. Sie alle gründen ſich auf die Adyıa tod Yeov. in durchgehends ft 
gehaltenes Thema ift es, Daß die Hierarchie ebenfo in ihrer perjönlichen Sufpiung und 
qualitativen Einheitlichfeit die Einheit Gottes und die Svossöns Yewars der Glieder de 
5 Kirche verdeutliche, wie fie andererjeits in ihrer gegliederten Mannigfaltigkeit der Viel 
getaltigfeit der gefchaffenen Tinge angepaßt feien. Wer den fsodoyns anjieht, bat vor 
ugen den S>deos zal Velos Avno, der alle leoa yrwoıs in No vereint. Bon ihm 
dependieren zwei Klaſſen niederer Aeriter, die von ihm die Weihe erhalten und ber ab- 
geituften Art entiprechen, wie die Menjchen allmählich vergottet werden ſollen. Wie die 
so perjönlichen und fachlihen Beziehungen der Hierarchie vorzuftellen, zeigt Dionys vom 
2. Buche an durch Erörterung der einzelnen Myfterien. Er behandelt nacheinander bie 
Taufe (poitioua), das Abendmahl (svvafıs), die Salbung (udoov), die Herilalen Rei 
(legatıxal teieıwoeıs), die Mönchsweihe (uovayızı) telelwors), die Grabriten (rd Ei 
Tois xexorumußvors telovusva). Immer folgt auf eine furze Schilderung des Ber: 
55 laufe der Handlung, alfo des uvorngov als ſolchen, eine längere ober fürzere dempla 
der Einnbildlichkeit der Niten. Vogiſch follte eigentlich voranftehen das an vierter Stele 
erft zur Sprache gebrachte Mofterium der Weihen der Hierarchie. Um einige Beiſpiele 
aus der Hewoia deöfelben zu geben, jo handelt es fich für Dionys bier ebenfojehr darum, 
das bei allen drei Ordnungen (den Liturgen, den Prieftern, dem Hierarchen) rituell gleiche, 
vo wie das unterfchtedliche durch Erläuterung der Symbolik zu rechtfertigen. Alle drei Orb: 


— — —— — —- 


Myftagogiiche Theologie 615 


nungen treten bei EN; Weihe an den Altar heran und fallen vor demfelben nieder: 
das bedeutet die gleiche Übergabe ihres Lebens an Gott. Alle werden durd) Handauflegung 
eines Hierarchen geweiht: das giebt ihnen die einheitliche Kraft und Sicherheit. Sie werben 
alle mit dem Kreuze figniert, denn fie alle jollen Chrifti Zeben nachahmen, alle erhalten 
fie von den anweſenden Prieftern den heiligen Kuß, denn fte bilden eine Gemeinichaft 5 
gteichgeitalieter, in liebevoller Freundſchaft geeinter Geifter. Aber nun die unterfcheidenden 
Riten. Die unterjte Stufe beugt bei der Weihe nur ein Knie, denn fie übt nur eine 
Funktion; die zweite Stufe, die der Prieſter, beugt beide Knie, denn fie „reinigt“ nicht 
nur, fondern „erleuchtet” auch; der Hierarch beugt nicht nur die Knie, fondern befommt 
auch die heiligen Schriften aufs Haupt gelegt: er ift der eigentliche Kenner und Träger 10 
der Aoyıa od Beod, auf denen die Myſterien ruhen, und er bietet daher die „Vollen⸗ 
dung“, die Überleitung zu Jeſus felbft. Es ift überflüffig, hier fämtliche Myfterien durch: 
änneben. Bei der Taufe — B. wird die Entkleidung und Hinkehr nach Weſten bei der 
brenuntiation gedeutet als Ablöſung von allem lichtloſen, irdiſchen Weſen, die Richtung 
und der feſte Blick nach Oſten beim Bekenntnis iſt die Hinkehr zu Gott ala dem Licht 15 
und dem unveränderlich Einen, die weißen Gewänder, die dem Getauften angelegt werden, 
weifen bin auf die drrddera, mit der er fortab den &varrla begegnen wird ꝛc. Auch 
die Alte bei der euchariftiichen Feier werden in analoger Weile nur im einzelnen und 
wejentlih auf innere Zuftände jei e8 des fungierenden Klerus, fei es der Gläubigen ge: 
deutet. Selbit die Feiern der Enthüllung und dann der Austeilung des zuerft verdedten 20 
Brotes und Kelches werden nur in das Licht gerüdt, dab in ihnen gezeigt werde, tie 
Ehriftus unfere „Ton vontn“ und die Verbindung des „Geteilten“ mit dem „Einen“ fei. 
Erheblich meiter ausgebildet erjcheint die Symbolif fchon bei Marimus Gonfeflor, 
geit. 662. Die Schrift von ihm, die ung hier befchäftigen muß, führt den Titel: Mv- 
oraywyla nepi tod ıvwv ovußola ta xara ınv Aylay Exxinolav Eni ns ovvdkews 25 
relovusva ovv&ornxe (MSG XCI, 657 ff). Wie der Artikel über Dionyfius Areopa- 
gita nur die philoſophiſch-dogmatiſchen Gedanken des Mannes ffizziert, jo auch derjenige 
über Marimus Bd XI, 457 ff. Die uvoraywyia wird dort 466,32 ff. nur kurz berührt. 
Marimus kennt den Areopagiten und preilt ihn als navayıos xal Övrws Heoparıwo 
(Prooem.). Es wäre, meint er, toAuno0v xal abdades xal änovolas Eyyos, ſeine 30 
Gedanken weiter fortführen zu wollen. Er image e8 überhaupt nur, über den gleichen 
Gegenitand zu ſchreiben, weil er von einem „großen Greis“ mündliche Belehrungen em: 
blangen babe, die er nicht möchte verloren gehen we M. bietet nun zuerit, was der 
reopagite noch gar nicht ind Auge gefaßt, eine ° Ianogie der Kirche ſelbſt. Zuerſt 
vergegenwärtigt er fie als lebendige Gemeinde, cap. 1. Als foldye ift fie ein zUnos xal 35 
ebay Gottes ſelbſt. Denn wie Gott die unendliche Fülle der geichaffenen Dinge in fich 
felbit ovv&yeı xal ovvdyeı xal nepıyodpeı, jo befaßt die Kirche alle Arten von Men: 
fchen, Männer und Frauen und Kinder, alle Völker und Sprachen und Denkungsarten, 
die verſchiedenſten Charaktere, Talente, Gefchide, und fie giebt ihnen allen diejelbe Yela 
uopopn xal rrooonyooia, rö ano Kowrod elvaı xal bvoudleoda. Sodann faßt er 0 
fie als Gebäude auf, cap. 2. Da ift fie ein Abbild des Univerfums. Sie ift doppelt 
veranlagt, denn man unterjcheidet in ihr den Raum für die Priefter, das leoareiov, und 
den für das Voll, den vads. Das entipridt dem Unterfchied der überfinnlichen und der 
finnlichen Welt, wie fie beide doch für einander da find, cap.2. Auch der finnlichen Welt 
ala foldyer entjpricht fie, denn der Chor repräfentiert als erhöhter Raum den Himmel 45 
gegenüber dem Schiff als der Erde, cap. 3. In ähnlicher Weife zeigt Marimus, daß 
die Kirche als Gebäude ein Bild des Menſchen ift; hier findet er fpeziell auch für den 
Altar ein Analogon: diefer forrefpondiert dem vods und damit der uvoren Weokoyia, 
durch die der Menfch am meiften der Gottheit ſich naht, cap. 4. Auch für die Seele 
allein tft die Kirche ald Bau ein zunos, cap. 5. Mit cap.8 kommt Maximus auf das co 
Thema, welches nach der Überschrift des Werks ihm das hauptfächliche ift und das er 
nun bis zum Schluſſe, cap. 24, feithält, die Feier der ovvafıs. Er gebt den ganzen 
Verlauf derfelben durch: der Eintritt des Prieſters in die Kirche ftellt die Erfcheinung 
Chriſti im Fleifche dar, der Eintritt des Volks bedeutet die Scheidung der Gläubigen 
bon den Ungläubigen, die Schriftleftionen enthüllen ras uaxapias Tod nravayiov Veod 65 
Bovinaeıs, die heiligen Gefänge gewähren av Beiwv NYdovnv dyadav, die Friedens— 
verfündigungen deuten auf die Gnadenverheißungen für Diejenigen, die tapfer die Kämpfe 
gegen die feindfeligen Övvausıs beiteben, die Verlefung des Evangeliums erinnert daran, 
nera ıö xnovydivaı ro edayyedıov das Ende kommt, die Schließung der Thüren 
Daran, daß nach dem Gerichte die ao eingehen zum vontös xoouos und zum Hoc): 60 


Myſtagogiſche Theologie 
a allgemeine önodoyia bed Deior ounflokon vie mionens ift ein 


Die mavaopos Deod odvora, Sefana 
— F ion en Lobpreis —— den ae mit den — S a 


iſchen Schriften, die eine iſ 
ier zeigen und diejenige „ * 








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Sopbnis und Ocrmanı ni, Intsocs gevorten, Cs I ir mit en 


das kritiſche — Yeti mit — Er ans Editionen a , ebe 
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Kine Kuren up * 5 —* = opel eine Menge Han 


und es iſt Far, ba 5 —— eine File von Bearbeitungen erfahren. | 
Pitra in Juri ecclesiasti ei Graccorim —— et monumenta II, — giel 










— u.a. "Pille | in feiner Ausgabe der Werke d 
—* eg bietet nn ——— Cod. lan Die 
ent orm. Die Schrift zweiu 
ymboli e Erklärung des Kirchengebäudes und der —S— | 
swahl. Das Charakteriftifche dabei, daß ganz weſentlich —32 herr 
0 daß alles auf die ——— und die rap (auch die dvdoraoıs) Chriſti Bezug ba 
—— bei Marimus die ganze Kirche myſtagogiſch erklärt wird, * hier a. 
e an bemjenigen —* in —— ſich das Opfer vollzieht, 
und deſſen näherer Um Gang der Liturgie wird 
wejentlich en a auch Dir ai alles jo — daß es eine Beziehu ae ı Ne 
45 involviere. 2 Kleider des iegevs und der Diakonen bilden ſymboli t feiner 
Leiden ab: —— — (bloß er?) repräſentiert auch im ſeinen — Chriſ 
Dazwiſchen treten auch einige andere Gehe N 
senben — —— nicht v 
% — ir Das —— ven © 
—* ei der „Verſiegelung“( | 
" Bat jeiner Finger (dia < 1öv daxmilar dıarundas e, daß Chriſtus 
im 6500 geboren —* ie Das ift eine volllommen rätjelbafte Angabe. ch 
mö he faft denfen, daß ein alter Schreibfehler, oder dann Be eine vermeintlich 
Emendation, vorliegt: 6500 ftatt 5500, wie immer das näber se me Geſtu 
65 wird die Lesart 6500 durch eine Schrift, die auf unferer Toropfa rubt, Darüber I 
Ob die Figuration der Finger etwa leichter auf 6500 als au 5500 gedeutet werde 
fann, weiß ich nicht. Milles giebt in jeiner Ausgabe aud in — nis bi 
einem Fragment der Schrift, welches ſich in einem Cod. Magdalen. findet und 
von Fronto Ducaeus ediert war (ſ. darüber Milles in der Praetatio une); 
so treten uns ſchon nicht ganz unbedeutende ZJujäge entgegen. Man gewinnt den 


A 


Myſtagogiſche Theologie 617 


dak Cod. Bodleian. nicht etwa ein Exzerpt, fondern daß Cod. Magd. Interpolationen 
biete. Daß Cyrill von Jeruſalem der Autor fer, darf furzer Hand für ausgefchlojlen 
erflärt werden. Dagegen ift mir wahrſcheinlich, daß Germanus I. von Konstantinopel 
der Autor der Urform der forooia iſt. In den neueren Verbandlungen über Diejelbe 
bat man überjfeben — nur Brigbtman p. XCV macht eine Ausnahme —, daß Pitra 5 
in den vorhin ſchon genannten Monumenta ein Stüd der lateinischen Überjegung mit: 
eteilt hat, die Anaftafius Bibliotbecarius (geft. 879, }. über ıhn Bd I S. 4192|.) ange: 
ertigt und Karl dem Kahlen überjandt bat (ſ. dazu den ebenfalls von Pitra a. a. O. 287 f. 
zuerit edierten Brief des Anaftafius an den Kaiſer). Anaſtaſius fagt ausdrüdlich, Die 
Griechen erflärten den Germanus reverendae memoriae ecelesiae Constantinopoli- 
tanae antistes (das fann nur Germanus I. fein), für den Verfaſſer der Schrift, die er 
bier im Auge bat. Pitra giebt S. 298 nur die drei erften Kapitel. Er bezeichnet Die 
Handichrift, die er gefunden babe, nicht näher. Es käme viel darauf an, fie feltzuftellen 
und dieſe Überfegung vollitändig zu edieren. Zu Grunde liegt eine Form, die ſich aufe 
nächite berührt mit dem oben erwähnten Cod. Magd. Ich febe feinen Grund zu be: ıä 
zweifeln, daß Germanus I. wirklich der Autor fe. Er war zwar nie Mönd (|. über 
ER vi Art. im KathRX.), aber die Schlußfapitel in Cod. Bodleian. könnten füglih ein 
Zufaß fein. 

Erft in einer außerordentlich weitläufigen Überarbeitung tritt die Zoropia in den 
griechifchen Handichriften als ein Werk des „Germanus, Erzbiſchofs von Konjtantinopel” 2 
auf. Migne, dem Richard Simon u. a. folgend und den Tert nach Gallandi, Bibl. 
vet. patr. abdrudend, bringt diefe Necenfion mit Sermanus I. in Verbindung (MSG 
XCVIII, 384—453), andere wollen fie Germanus II. (geft. e. 1240) vindizieren. Die 
Schrift führt bei Migne den Titel: Toropia 2xxinoraorıxı xal uvorun Dewgia. 8 
ſcheint mir offenbar, daß fie in dieſer Form das Refultat wiederholter Bearbeitung der: 
alten iorooia iſt. Yebtere, und zwar vielfach wie in Cod. Magd., ſchimmert unvertennbar 
durch. Immer wieder zeigt fie fihb als das Nüdgrat. Ihre Kapitelfolge ift auch bier 
der Faden für die Darftellung. Hineingearbeitet aber iſt der ganze Abriß der Yiturgie. 
Man wird bei erneuter kritiſcher Unterfuchung vor allem feitzuftellen baben, welchem 
Stadium der Entwidelung der Liturgie dieſer Abriß entipriht. Man wird dann aud) ww 
vielleiht den Ort mutmaßen dürfen, wo diefe Redaktion entitanden. Wenn an einigen 
Stellen (397 D, 400 A) auf den Brauc und die Überlieferung der ueyain &xxinoia 
Sophienkirche) Squg genommen wird, ſo iſt der Ton doch derart, daß ein Schluß nicht 
zu ziehen tft. Auch das gewährt keinerlei ſichere Spuren, daß gelegentlich lateinische Aus: 
drüde citiert werden (416 A), bez. daneben „ſarraceniſche“. An einer Stelle wird auf 3 
ol 2&v ’Ivöia teloüvres 10 ueya Toito uvoryjorov reflektiert (422 B). Führt dag nod) 
nicht in eine jpäte Zeit, jo do um fo ficherer die bier zugleich auftretende Berüdfichtigung 
derer, weldie ras Beverixas vrjoovs bewohnen (422 C). Tb bier nicht ein Tertverderb 
vorliegen könnte? ©. 417 A tritt das Jahr 6500 auf, aber als das, in welchem Die 
„uEiAlovoa Apıorov naporota“ Stattfinden werde. Das iſt alfo eine ganz andere Be: ww 
trachtung als in der alten ioropia, wo an diefer Stelle auf die gejchebene Erjcheinung 
Chriſti reflektiert ijt (Ebrbarb bei Krumbacher? S. 67 jagt, der Verfaſſer fee die „An: 
funft des Antichriften auf das Jahr 992 feſt“; wie er dazu gefommen, jebe ich nicht). 
Was es mit der ympis av daxröimv Eupaivovoa EEaxısyıdıoorov NEVIa- 
xooooröv für eine Bewandtnis bat, ift auch bier nicht zu erfennen. Ob fi die Be: 16 
rechnung des Berfaflers Tontrolieren läßt, weiß ich nicht (f. etwa Drews, ©. 483 Anm.). 
Auf irgend einen anderen Germanus in der Überſchrift zu reflektieren als denjenigen, 
der vermutlich mwirklih der Autor der Urform der Zoropla war, iſt natürlich feinerlei 
Anlaß; dieſer Name blieb baften auch als die Schrift innmer mehr wuchs. Wie die 
Schrift in den verfchiedenen Kodices -- die aller MWahrjcheinlichfeit nach vielfach noch jehr 
verfchiedene Terte repräjentieren, und, wenn ebiert, uns vielleicht Die Stufen des Wade: 
tums erfennen laſſen würden — an ihre mancherlei Autornamen gekommen ift, jteht 
dahin. Auf das krauſe Detail in der Korm bei Migne einzugeben, feblt bier der Raum. 
Es ift im Geifte der Grundjchrift gedacht. Das will befagen, daß die „hiſtoriſche“ Er: 
Härung überwiegt und die Bezugnabme auf das Yeiden und Sterben des Herrn die 5 
myſtagogiſche Ausdeutung der liturgifchen Alte, Gewande ꝛc. beberricht. jedenfalls iſt 
die Grundrichtung eine eigentümlich andere als beim Arcopagiten und bei Maximus. 
Denn bei letteren fteht der Gedanke, daß die myſtagogiſche Theologie dogmatiſch-philo— 
ſophiſch orientiert jein müfje, im Vordergrund. Gemeinſam iſt diefer und der biltorijchen 
Betrachtung in gewiſſem Maße die Nüdjicht auf die beil. Schriften, Die „Aoyıa Tod VEod“, w 


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616 Diyfiagogifche Theslogie 


zeitsmale Chrifti, die allgemeine öuodoyia des Below ovußolor tijs nuiorews ift em 
„möftifcher Dan” für die navooyos nepi Nuäs Tod Veov nodvora, der Geſang des 
Trishagion läßt ſchon den Yobpreis anllingen, den mir mit den bimmlifchen Schaaren 
werden erfchallen laſſen ꝛc. 
bh Wir fommen nunmehr zu denjenigen myſtagogiſchen Schriften, die eine ſymboliſch⸗ 
biftorifche Auffaffung ſpeziell der ganzen euchariftifchen Feier zeigen und diejenige „Theorie“ 
aufftellen, welche die charakteriſtiſche für die orientalische Kirche geworben ift, die fog. dra: 
matiſche Kultustheorie. Xeider betreten wir bier in mancher Beziehung ein unficheres 
Gebiet. Tenn es iſt meber ohne weiteres Tlar, bei welcher Schrift wir bier anzulnüpfen 
ın haben, nody wie eg mit Herkunft, Alter ꝛc. der grundlegenden Schriften ſteht. Bis in 
die legten Jahre Tonnte man glauben, bei Sophronius von Jerufalem (geft. 638) einjegen 
au dürfen, darauf zu Germanus von Konftantinopel und zwar dem älteren (geft. c. 730) 
übergeben und dann die mittelalterliche Linie (Nikolaus Kabafilas, Symeon von Theſſa⸗ 
lonich) verfolgen zu können. Durch die Unterfuhung von Krasnoſeljcev, deren Nefultate 
in Ehrhard und Drews fich angeeignet haben, iſt nun aber alles, was fih an Die Namen 
Sophronius und Germanus fnüpft, Tontrovers geivorden. Es ift bier nicht der Ort, um 
das kritiſche Detail mit ber legen, um jo weniger, ald weitere Editionen nötig find, cebe 
ein definitives Urteil möglich iſt. Durch Krasnofeljcev (ſ. doch auch ſchon %. E. Bright: 
mann, der Kr. noch nicht zu kennen jcheint, p. XCIV), ift noch ein neuer Name und eine 
nee Schrift, die man freilich ſchon längjt hätte beachten follen, von Wichtigkeit geworden, 
nämlich Theodor ven Andida und feine ZJoodewpia xepalauböns. Ich werde nur bie 
banptfüchlichiten Daten und die Grundzüge der in Betracht kommenden Schriften zur 
Sprache bringen. 
Taf nicht Sopbronius der Begründer der „dramatifchen” Theorie von der Abend: 
a muablslitungie it, dürfte Krasnoſeljcev ficher geftellt haben. Vielmehr ift diejelbe jüngeren 
Datums  Cinzufegen it, um zunächſt litterariich den Faden richtig in die Hand zu be 
kommen, bei einer Schrift, die nur erſt eine Vorbereitung beißen kann, nämlich bei der 
larıyaia SunÄnaaeoruc) al uroraymyıxı) (etwa = myſtagogiſche Kirchenkunde), die ver: 
ſchiedenen Autoren zugeſchrieben iſt. Bon diefem Merle eriftiert eine Menge Handfchriften 
and os alt Mar, daß & im Yaufe der Zeit eine Neibe von Bearbeitungen erfahren bat. 
yttm in Juria evelesiastici Graecorum historia et monumenta II, (1868),297 giebt 
vin Verzeichnie Der ibdm befannt gewordenen Codices, es find deren zweiundvierzig. Als Autor 
werden Die verſchiedenſten Männer genannt, am öfteſten Germanus von Konſtantinopel 
und Anfilins, viermal Evrill von Jeruſalem und Chryſoſtomus, auch Johannes der 
taten. WMilleo in ſeiner Ausgabe der Werke des Cyrill von Jeruſalem (Oxoniae 
bat, NUN NO) bietet nach einem Cod. Bodleianus die knappſte bisher ver: 
afentlicdte Form. Die Schrift but bier zweiundzwanzig kurze Kapitel. Sie giebt eine 
Yanbaliiihe Ertlarung des Kirchengebäudes und der Cuchariftie, beides freilich nur in eine 
Auowahl Das Edarakreriſtiſche iſt dabei. daß ganz mefentlich der Gedanke vorberridt, 
w Run als au) die osuepeon und Die rag) (auch die dydoraoıs) Chriſti Bezug habe. 
MWabrend bei Wagimus Die ganze Kirche moſtaͤgogiſch erflärt wird, tritt bier nur ein In⸗ 
tele an demjenigen Tele, in welchem ſich das Upfer vollzieht, zu Tage, alſo am Altar 
und deyen naberer Umgebuna. Der Gang Der Yiturgie wird ſtizzenhaft verfolgt. Im 
weſentliben wad auch ber alles to erklärt, Daß es eine Be —F auf die Perſon Jeſu 
uwolviere Die Kleider des zart und Der Diatonen bilden * iſch Chriſtus in ſeinem 
veiden at Bin „doyizaets" (blog rm!) vepräſentiert auch in feinen Funktionen Chriſtus 
Pahnoiſcben tinten auch einige andere Gcchispuntte auf. Allein man Tann den regie 
waren myſtagogiſchen Gedanken nicht verkennen. Der Tert bei Mille bat ficher Bezug 
un) einen möonchiſchen Kreis. Das bewerten die beiden Schlußlapitel. In cap. 18 be 
nt der Autor. daß Der dozueoers bir der. Beritiegelung“ (Segnung) des Aads durd bie 
Häaltung ſeiner Finger (dem 5 Tor Kuerekor dtarvn@oews) anzeige, daß Chriſtus 
um Jahre GH0U0 geboren werten je. Das it eine volllommen tätfelbafte Angabe. Ich 
werte ſfaſt denken, Daß ein alter Schreibiebler. oder Dann wahrjcheinlicher eine vermeintliche 
Emendation, vorliegt: 6500 itatt >5tm, wie immer das näher zufammenbinge Geftü 
Wird Die Yovart 6500 durch eine Schrift, Die auf unſerer foroola ruht. Darüber hernach. 
Ob die Figuration Der ‚yinger etwa leichter auf 6500 als auf 5500 gedeutet werben 
ann, weiß ich nicht. Milles giebt in ſeiner Musgabe auch in Klammern Kenntnis von 
einem Fragment der Schrift, welches jih in einem Cod. Magdalen. findet und zuvor 
von Fronto Tucaeus ediert war (j. darüber Milles in der Praefatio unter V); bier 
treten ung ſchon nicht ganz unbedeutende Zuſätze entgegen. Man gewinnt den Eindrud, 


Myſtagogiſche Theologie 617 


daß Cod. Bodleian. nicht etwa ein Exzerpt, fondern daß Cod. Magd. Jnterpolationen 
biete. Daß Cyrill von Serufalem der Autor fei, darf furzer Hand für ausgefchlofjen 
erklärt werden. Dagegen ift mir mwahrfcheinlihb, daß Germanus I. von Konftantinopel 
der Autor der Urform der ioropia iſt. In den neueren Verhandlungen über dieſelbe 
bat man überjehen — nur Brightman p. XCV madıt eine Ausnahme, —, daß Pitra 5 
in den vorhin fchon genannten Monumenta ein Stück der lateinifhen Überſetzung mit: 
eteilt hat, die Anaftafius Bibliothecarius (get. 879, |. über ihn Bd I S. 492.) ange: 
Fertigt und Karl dem Kahlen überjfandt hat (ſ. dazu den ebenfalls von Pitra a. a. O. 287 f. 
zuerſt edierten Brief des Anaftafius an den Kaifer). Anajtafius jagt ausdrücklich, Die 
(Sriechen erflärten den Germanus reverendae memoriae ecclesiae Constantinopoli- ı 
tanae antistes (das fann nur Germanus I. fein), für den Verfaffer der Schrift, die er 
bier im Auge hat. Pitra giebt ©. 298 nur die drei erften Kapitel. Er bezeichnet die 
Handichrift, die er gefunden habe, nicht näher. Es Täme viel darauf an, fie fetzuftelfen 
und dieſe Überfegung vollftändig zu edieren. Zu Grunde liegt eine Form, die ſich aufs 
nächſte berührt mit dem oben erwähnten Cod. Magd. Ich fehe feinen Grund zu be: 15 
zweifeln, daß Germanus I. wirklih der Autor fei. Er war zwar nie Mönch (j. über 
au ne im KathKL.), aber die Schlußfapitel in Cod. Bodleian. fönnten füglih ein 
ufaß fein. 

Erft in einer außerorventlich weitläufigen Überarbeitung tritt die forogia in den 
griechischen Handichriften als ein Werk des „Germanus, Erzbiihofs von Konjtantinopel” zu 
auf. Migne, dem Richard Simon u. a. folgend und den Tert nad Gallandi, Bibl. 
vet. patr. abdrudend, bringt diefe Necenfion mit Germanus I. in Verbindung (MSG 
XCVIII, 384—453), andere wollen fie Germanus II. (gejt. e. 1240) vindizieren. Die 
Schrift führt bei Migne den Titel: Toroolo Exxinoraouıxn xal uvarızi) dewoia. Es 
ſcheint mir offenbar, daß fie in diefer Form das Rejultat wiederholter Bearbeitung der 
alten ioropia ift. Lebtere, und zwar vielfach twie in Cod. Magd., ſchimmert unverfennbar 
durch. Immer wieder zeigt fie ſich als das Nüdgrat. Ihre Kapitelfolge ift auch bier 
der Faden für die Darſtellung. Hineingearbeitet aber ift der ganze Abriß der Liturgie. 
Man wird bei erneuter Fritiicher Unterfuchung vor allem feftzuftellen haben, welchem 
Stadium der Entwidelung der Liturgie diefer Abriß entipriht. Man wird dann aud) zw 
vielleicht den Ort mutmaßen dürfen, wo diefe Nedaktion entftanden. Wenn an einigen 
Stellen (397 D, 400 A) auf den Brauch und die Überlieferung der ueydAn Edxxinoia 
(Sopbientirche) eu genonmen wird, fo iſt der Ton doch derart, daß ein Schluß nicht 
zu ziehen ift. Auch das gewährt feinerlei fichere Epuren, daß gelegentlich lateiniſche Aus— 
drüde citiert werden (416 A), bez. daneben „farracenifche”. An einer Stelle wird auf 35 
oi &v ’Ivdla teloüvtes ıö u£ya tovto uvormorov refleftiert (422 B). Führt das nod) 
nicht in eine fpäte Zeit, jo doch um fo ficherer Die hier zugleich auftretende Berüdfichtigun 
derer, welche zas Beverixas vroovs bewohnen (422 C). Ob hier nicht ein Tertverder 
vorliegen fönnte? ©. 417 A tritt das Jahr 6500 auf, aber als das, in welchem die 
„Eilovoa Xoiorod napovola" ftattfinden werde. Das ift alfo eine ganz andere Be: ww 
trachtung als in der alten iorooia, wo an diejer Stelle auf die gefchehene Erſcheinung 
Chrifti reflektiert ift (Ehrbard bei Krumbacher? S. 67 fagt, der Verfaſſer fee die „An: 
funft des Antichriften auf das Jahr 992 feſt“; mie er dazu gekommen, jehe ich nicht). 
Was es mit der yrpls av daxtulwv Zupaivovoa Ekaxısyıliooröv TEVITA- 
xooiootoy für eine Bewandtnis bat, tft auch bier nicht zu erkennen. Ob ſich die Be: 
rechnung des Verfaſſers fontrolieren läßt, weiß ich nicht (j. etiva Drews, ©. 483 Anm.). 
Auf irgend einen anderen Germanus in der Überjchrift zu reflektieren als denjenigen, 
der vermutlich wirklich der Autor der Urform der iozoola war, ift natürlich Eeinerlei 
Anlaß; diefer Name blieb haften auch als die Schrift immer mehr wuchs. Wie Die 
Schrift in den verjchiedenen Kodices — die aller Wahrſcheinlichkeit nach vielfach noch ſehr do 
verichiedene Texte repräfentieren, und, wenn ediert, uns vielleicht die Stufen des Wachs— 
tums erfennen laſſen würden — an ibre mancherlei Autornamen gelommen it, jteht 
dahın. Auf das krauſe Detail in der Form bei Migne einzugehen, fehlt bier der Raum. 
Es ift im Geifte der Grundichrift gedacht. Das ill befagen, daß die „hiſtoriſche“ Gr: 
Härung übermwiegt und die Bezugnahme auf das Leiden und Sterben des Heren Die 55 
myſtagogiſche Ausbeutung der liturgiichen Akte, Gewande 2c. beberricht. jedenfalls ift 
die Grundrichtung eine eigentümlich andere als beim Areopagiten und bei Maximus. 
Denn bei legteren fteht der Gedanke, daß die myſtagogiſche Theologie dogmatiich-pbilo- 
fopbifch orientiert jein müfje, im Vordergrund. Gemeinfant ijt diefer und der bijtorijchen 
Betrachtung in gewiſſem Maße die Rückſicht auf die heil. Schriften, Die „Aöyıa Tod Meoũ“, w 


) 


(3 


5 


45 


Hintergrund — —— * —— auf ein anderes Moment 
dieſer — —— Unfprüngliche Sich Richtung in een 
| | zurück, — x boch wei ——— 


tei — Dart 
Ba 


* — den: inıhli 
finnen — ichen Feiern 













Wir kommen nunm eodor don Andida und feiner Moohecolu xepa- 
Jaunö: — — 2107 — me; er noic 
— CXL, Er Die Schrift ift ** auf den Antrieb eines Biſ fs Bafllius 

von Phyteia eidve Orte find nad Ze Quien (bei — 2— in Phrygia Salutaris zu 
1 fuchen —— er: S. 157 giebt an, daß Andida in Kappadocien liege, er 
emerkt auch, daß ſtatt Zruox. ’Avöldeoo» eine Reihe von Kodices einen M- 


»ökaos An, nennen. Die Zeit des Mannes ift weſentlich aus dem Inbalte feiner 
Schrift zu —— Da bleibt bis auf weiteres ein ziemlich großer Spielraum; Ehr— 
hard verſ bas 12,, vielleicht noch das 11. —— doch giebt er feine 


0 Gründe an. Throdor fennt die Zoropla unter dem en des Darling, im i 
Form, das ift nicht zu erkennen, doch handelt es fich ficher um eine —— älter iſt, 
als die vorhin —— ae - ** —— ie Schrift des 


fo mehr, 
—— des Chrofoftomus r sehet. — iſt — ein iR —* 
da el daß ra 2 Asırov teiob 
Bye Ser 
u are Be el — 1. Dagegen hätten | ie —— — daß — 


pfängnis und. 
tens durch Johannes * 5 Die e Meike toie — er e er 
gr „mühe“, die Liturgie enthalte auch alles m ja jei für —— dies ein „Bild“ 





27728 


o gut wie für ben Opfertod und die Auferftehung des Herrn, zeigt deutl 
ih bewußt ift, etwas neues zu jagen. Er erwartet auch Widerſpruch, werner das nun 
— — an der Liturgie zeigen wolle, und er entwickelt zum ——e* allgemeine 
—— e Geſichtspunkte, wie man überhaupt der Liturgie ibre —— entlocken 
45 fönne jo es ift ficher, dafı Theodor der eigentliche Begründer der Theorie dom ber 
Liturgie als einer Darftellung des ganzen Lebens Jeſu ift. Bei „Bafilius“ hat er ge 
lefen, daß auch die Kleider ꝛc. der Priefter den Herrn abbilbeten. acceptiert er, 
obne darauf weiter einzugehen, cap. 5. Ihm ift nur daran gelegen, den neuen“ Ge 
fihtöpunft, den er beizubringen bat, zu entiwideln. Hier "2 einige Proben. Die fepd 
0 rodnela, auf der das Opfer borgerichtet wird, El noddeors, iſt zivar einerfeits dem rdpos 
zu vergleichen, allein fie it 3 u 3 feine Krippe (pdren) zu veriteben, Uff. 
Das Bent iſt matürlih ein rörog des Leibes des Herrn, aber ebenfo ſehr ein folder der 

dsına zal Beoröxos als durch SHerabfunft des heiligen Geiftes den Logos 
angend“, 9. In ber ueydin Beeinola wird —3 ſpeziell rm —— 

5 Diakon mit einem eiſernen Inſtrument, welches Aöyyn genannt wird 

welches zum Leib des Herrn wird, beraustrennt aus der allgemeinen” Daffe, ie 
Maria herausgenommen ift aus der Menjcheit. Der Diakon begrüßt das Brot « 
geroiffermaßen wie der Engel die Maria. Wenn der Diakon ſich alsdann von ber 
Deors entfernt, jo bleibt der Herr in 9* talt des Brotes dort im der Stille und 2 
co bovgenbeit zurüd wie in Bethlehem und Nazareth. Ja die roddsoıs wird jeht 










Myftagugifige Theologie 619 


um Bilde der dreißig Jahre vor dem Auftreten des Heren, 10. Nun aber tritt Der 
—*8 in Aktion und er repräſentiert zuerſt den Täufer Johannes, indem er zur Buße 
auffordert, 11. Die altteftamentlichen, prophetifchen Leſungen paſſen auch dazu, ebenfo 
die hier vorkommenden Antiphone ꝛc., die zulegt wieder auf die Yeoroxos hinweiſen und 
dann zeigen, wie der Herr „auftritt“. In der ueydin dxxinola wird der legevs jet 
auch abgelöft vom doyısoevs, der vollends Chriſtus repräfentiert, 14. Die jebt begin- 
nenden Zefungen aus den Alten und Briefen der Apoftel bedeuten zunäst gewiſſermaßen 
die Berufung der Apoſtel. Die Friedensverkündigung durch den doyısoevs aber iſt die 
Beltätigung der prophetiichen Verheißungen, 15. Die Lefung aus dem Evangelium aber, 
die nun folgt, ftellt Chriſti Lehrthätigkeit vor Augen, 17. Wenn jebt die &yıa von der 10 
roödeoıs aus in feierlihem Zuge zum eigentlichen Altar gebracht werden, jo bedeutet 

das den Zug Jeſu von Bethanien nad) Serufalem, 18. Eine Reihe von Einzelmomenten 

wird ba noch auögebeutet. Won dem ganzen dieſer Erklärung ift zu jagen, daß fie voll 

feflelnder Phantafte ift. Es ift merkwürdig, daß der Name des Theodor von Andida 

in der Tradition jo zurüdgetreten ift, wie ed der Fall iſt. 15 

Die Schrift des Andidenferd hat freilih in ihrer Art Epoche gemacht. Denn ihre 
Betrachtung der Liturgie tft für die olgegeit maßgebend geblieben. 

Erft an diefer Stelle ift die Schrift, die mit Sophronius von Yerufalem in Berbin- 
dung gebracht wird, zu beleuchten. Sie führt den Titel: Adyos negueywv ıny &xxin- 
ormaouıxıyy änacay loropiav xal Asnrouspiji dpiynow ndyrımv ıj dela ↄ0 
ieoov 8 reaovovrcv, iſt jedoch nicht vollſtändig erhalten Mat, Spieil. Rom. IV,31—48, 
danadı I G LXXXVII, p. III,3981 ff). Es ift leicht zu erkennen, daß fie eine Kombination 
der foroola und der Schrift des Theodor repäfentiert. Von leßterer entnimmt fie den 
Grundgedanken für die Deutung der Liturgie, aus erjterer vieled Detail, befonvers für 
die Gewänder 2c. Beiden Schriften gegenüber geist ſich der Autor auch als felbititändiger 26 
aa in Einzelheiten. Es fcheint mir klar, daß er die ioropla weder in ihrer Ur⸗ 
orm, noch in einer fo entwidelten Form, wie mir fie bei Migne vor und haben, benußt, 
fondern in einer mittleren, die noch nicht ediert ift. Zu einer beftimmten chronologifchen 
Fixierung gelangen wir auch hier nicht. Daß der Mignefche „Germanus“ den „Sophro: 
nius“ benuße, — nicht zu beweiſen. „Sophronius“ iſt ſtraffer als jener, behandelt aber s0 
auch ſchon alles, was er bringt, wie etwas „gewohntes“. Schon Theodor ſpricht von 
drei Formen der Liturgie, die verbreitet ſeien, der des Baſilius, des Chryſoſtomus und 
derjenigen der noonyıaousva, die manche auf Jakobus, den Bruder des Herrn, andere auf 
Petrus, andere noch auf „andere“ zurüdführten (Theod.c. 32, Sophr.c.1). Das bietet 
höchſtens bei genauerer Durchforfchung des Details einen chronologifchen Anhalt. — In 85 
feinem Werke „Chriftugbilder” (1899) hat v. Dobſchütz einen kurzen liturgifchen Traktat 
in Betreff des Bildes von Edeſſa ediert (TU. Bd XVIII m %., Bd III], Bei: 
lagen IIC), der auch müftagogifche Erläuterungen im Stile der Zoroola bietet (6.5 u. 6). 
Der Traktat hat dadurch ein gewiſſes Intereſſe, daß er genau datierbar ift, nämlich auf 
die Jahre 944— 959. Someit ich erfenne, läßt fich nicht zeigen, daß er mit der ioroopla 40 
in einer der bisher edierten Formen, gar mit Theodor, oder „Sophronius‘, in direlter 
Verbindung ftehe. So beweilt er nur, daß im 10. Jahrhundert ſchon überhaupt Werte 
bon dem bejonderen Geſchmack diefer Gruppe niyftagogiicher Theologen verbreitet waren. 
Man kann auch zmweifeln, ob die alte doroold den Anftoß gegeben bat oder ihrerfeits 
fhon hervorgegangen tft aus populären Spekulationen, die in den Geräten, Gemwanden, 4 
Geſten ꝛc. des Klerus Typen, Abbilder „biltorischer”, biblischer Berjonen, Dinge, Vorgänge 
ſahen. Jedenfalls (das verrät ja beſonders Theodor) ift in Kreifen des Klerus und wohl auch 
der Laien in diefer Richtung die Phantaſie noch viel fruchtbarer geweſen, als mir litte- 
rariſch erfennen. Das erſchwert auch die „Duellenkritif” im einzelnen bei den erhaltenen 
Schriften. Nur direfte Wortberübrungen gejtatten auf fiterariiche Zufammenhänge zu 5 
ſchließen. Wie v. Dobihüg mich hat willen lafien, wird er aus Handfchriften eine Reihe 
neuer Mitteilungen maden. So zunädit aus Cod. Coisl. 296, au8 dem Smirnow 
in einem ruſſiſch gefchriebenen Auflage in den „Arbeiten der Faiferl. ruff. archäologiſchen 
Geſellſchaft“ 1897 ſchon ein kurzes Stüd mitteilte. Den Aufſatz „Zu Codex Coisl.296”, 
den v. Dobſchütz in der Byz. Zeitſchr. demnächſt veröffentlicht, fenne ich noch nicht, da= 56 
gegen hat mir v. Dobſchütz das Smirnomfche Fragment zugänglich gemadt. In ihm 
tritt ein Spiel von „Fragen“ und „Antworten“ nur und zwar ziwilchen einem Baaıdevs 
und Tonydouoc 6 Bedioyos. Im übrigen handelt es ſich nach der Überfchrift um eine 
Form der loropla Exxinoraorıxn de „Sermanus von Konftantinopel”. — Montfaucon 
(MSG XCVIII, €. 15 Ann. 10) erwähnt von der ioropia eine Form, die er in einem 00 


a 








Ood. Coisl, (Nr. —* —3 di 

— — au Be a t 2: —— 
von ojtom ein re u u 
widelte Oefhichte der iorogia genauer zu — A ne 









m Mae 





Sehen afilas, geit. 1371 — Fi im allgemeinen den Art. in BdIX, 
)- In — * um tijs Velas Asırovoyias, MSG CL, 368 ff. 
re er nicht nur Bf ogiſches ebenſoviel Dogmatiſches er | zur 
er man f eich, daß Dogmatif und SRyfkopogie und 

en Jo we a di a wo über dem Deeident er 


daboov eis To deiov o@ya xal al, 
15 — F —— und der durch ſie ei —— an u 
vgl. e. 32; dazu —* ehe“ I ©. as a) — 


Kabaſilas widmet doch — —— —— Er iſt geiſtig 
von Andiba am verianbtefen len, De m Gemanıs un ben 
20 weiteren Bearbeitern feiner ioropia, au dem „Sopbronius”, das Intereſſanteſte find 
die Ausdeutung der Geräte, Gewande ꝛc., läßt er ganz bei — * folgt er 
dem eigentlichen Gange ber De enau. Im einzelnen das a nn 

he von ftagogen beeinflußt ift, zu weit. — 
feine Vorgänger, kennt fie aber unzweiſelhaft, indem er in freier Meife von ibnen 
> bat befruchten lafjen. ihn beichäftigen ragen wie dieſe, warum die rima Ha ih 
alsbald auf das Bvmaorjorov verbracht we fofort 
„Opfer“ — ſondern zubor als eine änaoyı) tod —— ein —— — 


—* bringt d : —— zu —— des —— * Fat Yon 
| n dowrivns, € um n mw 
x 2: Yo ur 60 2 em, ee ein Ben ft ” 


mit Recht auch den dnorumdeis doros ganı 
einem Bilde des „jungen“ eis, ba erft zu dem bes „een — 
35 Nachdem Brot * Kelch in der rechten Weiſe gerüſtet ſind er 
und beräuchert es von allen Seiten, Das deutet darauf, d 
Deoü Öuwarus verdedt war, bis Die Zeit der rg kam weis The ne 
= aus dem Himmel, e. 11. Im weiteren zeigt Kabaſilas, wie die, Liturgie — 
ebeten, Zeltionen, Geſängen Ei die — Bi te Jeſu zur © J | 
10 ehe es zur vollen Offenbarung feines Wejens fommt, Von e. 24 an | 
den Wft der Nerbringung der dno« ** den Altar. Diefer Akt 
* tod Koworod dyciosiic, ſpeziell ſeines Zuges n 3 alem, n 
weiter zur eigentlichen Opferung, wobei han —— — Ki er Akt voll 
ſignifilatoriſcher Worte ih Handlungen it. | j 
1 einmal prinzipiell ausf zal N —— io Muay 


iorogias, Ar do —— yoi —* ‚ 0, 16 
Ein einbeitliches FA von „ niſſen“ orig (dor ), ft die —— 
Zn was ra —— Berge a —— we gu — * ‚od xv· 
— t zu eben iſt 2 i Liturgie ge 
— he und berübtmtere Werk des Ha * X * 
Tanſc. Dieſes m —— als eine oder ſelbſt die — a f in der Ki dh 
von Byzanz geltende Werk —— weitere neue myſtagogiſche —— im 5. Bi 


welches von der za od 1eood Üvanaornolov handelt, Sr — ee 























aller Myſterien, durch die hindurch das Leben in Chrifto feine 
 Tert S. 120, Migne 625 ff). Hier ift Kabaſilas völlig Telbitftändig. Ich 
auf eine Darftellung oder auch nur Anbetung des Einzelnen — es bandelt fid 
darum, daß alles bis auf bie Gewandung am Sierarchen der Bereutung des Alte 
angepaßt iſt — Gap, Einleitung ©. 167 ff. giebt eine treffliche Near. re 


Einflußreiher als Nabafilas noch ift Someon von The geworden, weft. 1424 
co oder 1430. In Form eines Audkoyos bat er ſowohl bie — — Dogmen, als ſam 








Myftagogiicde Theologie 621 


liche Myſterien behandelt, jene vorab in cap. 1---32, dieſe fodann in cap. 33—293 (MSG 
CLV, 176--536; angefügt tft, doch nicht mehr in Korm eines Geſprächs, fondern einfach 
einer Abhandlung eine Auseinanderjegung über die Heia rgooevyNn, cap. ?294--373; un: 
abhängig vom Dialog bat Symeon noch eine Founreia Tod Beiov vaod verfaßt, a. a. O. 
697— 749 [nachdem er im Dialog von der xadıeowors desjelben gehandelt und auch 5 
da Schon mandes an deſſen Einrichtung beleuchtet bat). Es verbietet ſich von felbft auf 
diefes Sammelwerk myſtagogiſcher Weisheit genauer einzugeben. Seine Bedeutung beruht 
darin, daß e8 eben alles behandelt. Das bat ibm jeinen befonderen Ruhm gefichert. Sy: 
meon fteht in der Reihe derjenigen, die die iorooia ausgebaut haben. Er ift an geiftig- 
theologijcher Bedeutung unzweifelhaft geringer als Kabaſilas. Die Reihe Dionyfius Areo- 10 
pagita, Maximus Konfeſſor, Theodor von Andida, Kabaſilas könnte man die große nennen. 
Für diefe Theologen jind deutlih die Handlungen und Morte (Leſungen 2c.) das twich- 
tigfte und bedeutiamjte Thema der myſtagogiſchen Spekulation, für die anderen, denen 
Symeon zuzuzählen ift, find es die Dinge, gerade das Außerliche fcheint ihnen das In— 
tereflantefte. Auch für Symeon ift der doyıspeds der Nepräfentant des Herrn felbit, 
ol oiw adro, aljo die niederen Kleriker, repräfentieren ihm die Engel oder aud die 
Apoftel (f. c. 97f.). Aber die „dramatiiche” Theorie von der Liturgie wird dod nur 
nebenbei mitentividelt, ec. 97 ff. und Symeon reproduziert bier bloß Geläufiges. Er ift 
dabei im einzelnen nicht jehr anfchaulich (übrigens meine ich bei ihm zuerſt im technifchen 
Ausdrud die Unterfcheidung der beiden eloodoı, der jog. wmxoa wie er fie nennt der 20 
„rowen", 5.289 A] und der „Öevreoa, ueydin" S. 2964 zu treffen; er redet davon 
als befannten Ausdrücken). Es iſt nicht zu verfennen, daß ihn der Bifchof ꝛc. nicht ſowohl 
in ibren Aktionen, als vielmehr in ihren Figuren „Typen“ bedeuten. Man ehe 3. B. 
mas er aus den Enta iega Evövuara Tod dpyısocws bei der Euchariſtie macht, c. 79 
und 81 (von ihnen jchreibt er S. 256 B, daß ſie 779 baydownnow Önkodoı Aoıorov 26 
xal ra tijſß bardownnosws). Übrigens behandelt er im Traftat vom Tempel die „Er: 
ſcheinungen“ des Klerus noch vollends eingehend. Bei Symeon iſt man ganz in der 
Atmofpbäre, wo der Klerus eigentlih nur in feinen Gewanden und fraft ihrer veligiöfen 
Charakter hat. In diejen ift er freilich voll „Heiligkeit“. Aber alles ift Staffage, Die 
wirklichen Perſonen bedeuten nichts, ‚sorm und Farbe, das „Ausſehen“, das ift das Er: 80 
babenjte am Klerus. Geräte, Ort und Geften find an den Feiern die Hauptſache. Deren 
Geheimniſſe aufzudeden, erjcheint ald das Anziebendite für den Miyftagogen. Aus einem 
Drama wird da die Yiturgie vielmehr zu einer Schauitellung. 
Es lohnt Sich nicht, den neueren griechifchen myſtagogiſchen Schriften nachzugeben. 
zu den angeſehenſten ſpäteren Autoren auf dieſem Gebiet gehört Johannes Nathanael. 86 
Er lebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, war Priejter in Venedig, ſpäter 
olxovduos und Eniroonos des ölumenifchen Batriarchen in Konftantinopel. Aus nid) 
tigen Gründen zeitwetlig erfommuniziert, it er 3. DB. in der ’Aonis 6ododokias, melde 
die Synode zu Jeruſalem 1672 (j. den Art. darüber Bd VIII, 703 ff.) edierte, unter 
den Säulen der Urthodorie genannt, fpeziell mit Bezug auf fein Werk über die Liturgie 40 
(f. Kimmel, Monumenta fidei ecel. orient. 1,336). Über den Dann und das foeben 
genannte Werk desfelben ſ. Xe Grand, Bibliographie HelleEnique, ouvrages publies 
aux XV® et XVIe siöcles II, 1885, S. 24 und 202--205, auch Ph. Meyer, Die theol. 
Litteratur der griech. Kirche im 16. Jabrb., 1899, &. 140 u. 147f. Der Titel des 
Wertes it: IN Ayia Asırovoyia ucera Eiryyjoswv dıapdowrv Ördaoxdiwv, doneo uern- 4 
veyxev eis mv aonıv yAmocay ’lodavyns 6 Nadavani ete., 1574. Tas Werk war 
mir nicht zugänglich. Ye Grand teilt die Vorrede mit. Johannes nennt darin jelbit 
jeine Autoritäten, es ferien „neben andern” Germanos Patriarch von Konſtantinopel, Sy— 
meon ö v£os Beddoyos, Wi. Kabaſilas und Theodor von Andida. Meyer vermutet, 
daß Johannes Statt des genannten Symeon vielmehr den Symeon von Thefjalonich be= 
nußt babe, denn von jenem erjteren fer fein liturgiiches Werk befannt. Das ift richtig 
(j. Hol, Enthuſiasmus und Bußgewalt beim griech. Möndtum, S. 26 ff). Es wäre 
jedoch ſehr wohl möglih, daß er deflen Eowres 10 Belwv Üıuww» meine. Das Wert 
bat ſchwerlich eigenartigen Stoff; fein Hauptinterefle tft, daß es in der Vulgärſprache 
gelehrieben it. -— Ein anderer Mann, deſſen Name ich mwenigftens bier nennen will, iſt 5 
ifolaus Bulgaris. Er bat eine Katıjyyoıs leoa iſrot tijç Beias xal lepäs Aeırovo- 
gas Enynos al E£etacıs TOP YEIXOTOVOVUELWY ÖLod xal uera nollov Allwv, 
zenedig 1681 ediert. S. Ye Grand, Bibl. Hellenique ouvrages publies au XVIIesie- 
ele, II, 1894, &. 366 ff. Bulgaris giebt ſich ſelbſt nur als Editor des Werkes an, 
Autor desjelben ſei fein Bruder Chriſtodulos, ueyıoTos nowronanäs von Korkyra. Das 80 


[2 


b 


622 Myſtagogiſche Theologie Mypit 


Wert fcheint griechifch nicht wieder aufgelegt zu fein, bagegen iſt 1893 eine engliſche 
Überfegung ediert. Bei LeBret, Magazin zum Gebraud) der Staaten: und Kirchengeſch. II 
(1772), 541—565 trifft man einen Auszug, der zeigt, daß das Wert IQwerd von 
größerem Intereſſe it. Aus Le Grands großen Werfen, oder aus Sathas N, oo 
6 er wären noch manche Schriften zu eruieren. Pal. auch 5. B. Byz. Sale 
(1901), 241. 
Die ruſſi joe Litteratur ift wichtiger als die neuere griechiſche. Aus ihr nenne ih 
2. von Wuralt, Briefe über den Gottesdienft der morgenländ. icche 1838; Philaret 
(ehedem Erzbifchof von Tſchernigow), Erläuterung des Gottesdienftes der morgenl. Kirche 
ı0 nach feiner ſymboliſchen Bedeutung (Geſch. d. Kirche Rußlands, deutſch von Blumenthal, I, 
1872, ©.369 f.); Gogol, Betradhtungen über die göttl. Liturgie (zuerit herausgeg. 1857: 
deutich bei U. v. Maltzew, Liturgiton, 1902, ©. IX—CVIM). Das, was in dieſen 
Merken gan unächſt auffällt, ift eine Begeifterung, wie die ältere Sitteratur fie doch nicht 
fennt. Der nüchternfte ift der Erzbiſchof. Die beiden anderen genannten Autoren, Laien, 
16 der legtgenannte ein gepriejener Dichter, reden wie in der Ekſtaſe. Die dramatifche Theorie 
bon der Liturgie tritt mie eine ausgemadhte, ſelbſtverſtändliche auf. Indem die Horen- 
gottesdienfte mit in die Deutung verwoben werden, erfcheint die ganze Heildgefchichte vom 
Sündenfall an als das Objekt der Daritellung. Nicht ohne Belang ift, daß der Inhalt 
ber Gebete, Lefungen, Zurufe 2c. genau mit in Betracht gezogen wird. Denn das giebt 
20 dem „Drama“ eben Pe Inhalt. Die handelnden Perjonen werden zwar auch in jeber 
minutiöfen Außerlichkeit ihrer Erfcheinung geiftlich gedeutet. Aber das Intereſſe seit 
doch offenfichtlich über und fucht wieder dem Gedanken, daß die Adyıa od deov das 
eigentliche Grundelement der Myſterien fei, gerecht zu werben. Muralt bat nicht nur 
bie Liturgie, jondern den ganzen Cyklus der Mufterien und heiligen Zeiten in Betradt 
26 gezogen. Geine höchſte Kategorie in der Würdigung des „Reichtums“ der m ei 
—* iſt „vührend“. Die Gefühlsweichheit des —*8 Zweigs der orthodoxen Kirche 
drückt ſich darin aus; die Griechen, zumal der alten Zeit, bieten doch ganz andere Kate⸗ 
gorien, ſolche, die dem „Staunen“, der Zuft des „Schauens“ und ber Pefriebigung der 
„Philoſophen“ gegenüber den firchlichen Feiern Ausdrud gegeben! Bei den genannten 
so ruſſiſchen Schriftitelleen fann man übrigens erfennen, daß die myſtagogiſche Spehulatim 
im einzelnen eine Grenze überhaupt gar nicht findet. 
Auf die Litteratur der abendländifchen Kirche, die der vorgeführten morgenlänbdifchen 
zu vergleichen ift, einzugehen, liegt außerhalb der Aufgabe dieſes Artikels. Drews a. a. O. 
©. 485 ff. legt, den Finger auf Einzelheiten in altgalliichen Dokumenten und in be 
36 mozarabifchen Liturgie. Wenn er meint, daß die Echtheit der beiden Epistolae des Ger: 
manus von Paris (geit. 576) hr mit ftichhaltigen Gründen nicht anzmweifeln RN ſo 
hat Hauck, auf den er ſich da mitbezieht, in Bd VI, 607, s ff. doch vorſichtiger geurteilt, 
und 9. Koch in feinem Aufjate über „Die Büßerentlaffung in der alten abendlänbijchen 
Kiche”, ThOS 83. Jahrg., 1900, hat ©. 525 ff. Gründe beigebracht, die die Echtbeit 
40 wohl ausfchliegen. Sehe ich recht, \o hat das Abendland feine e ige klich zufammen: 
hängenden und durchherrichenden Theorien über die Symbolit im Kultus ausgebildet 
Wer die Geſchichte der Kultſymbolik hier verfolgen will, findet eine Sammlung in Be 
tracht zu ziehender Dokumente in Melchior Hittorps Wert De divinis catholicae ee 
clesiae officiis et mysteriis varii vetustorum aliquot ecclesiae patrum ac scrip 
4 torum ecelesiasticorum libri, Paris 1610. Aus der neueiten Zeit nenne ich zur 
Orientierung über eine Spezialität dad Merk von Joſeph Sauer, Symbolik des Kirchen: 
gebäudes und feiner Austattung in der Auffaffung des Mittelalters (mit Krb Arsink 
von Honorius Auguftodunenfis, Sicardus und Durandus), 1902. Analoge A 
über einzelne Gebiete der von der Myſtagogie berührten Verhältniffe der irhe vn von 
do By an oder überhaupt des Orients fehlen noch fehr. In Bezug auf die Liturgie iſt bie 
Yulan e noch nicht erledigt feftzuftellen, wie myſtagogiſche Theorie und forti 
Entwidelung der Feiern ſich edfeffeitig beeinflußt haben. F. Kattenbuſch. 


Myſterien ſ. die Artikel Sakramente und Spiele, geiſtl. 
Myſtik ſ. Theologie, myſtiſche. 


Naaſſener Nahum 623 


N. 
Naaſſener ſ. Ophiten. 
Nabatäer |. d. A. Arabien Bo IC. 767, 2 ff. 
NRahtmahlöbnlle |. Bulla in coena Domini Bd III ©. 535. 
Nachtwache |. Tag bei den Hebräern. 5 


Rahum, der Prophet. — Litteratur: Luther, Auslegung des Propheten Nahum, 
1555; Chyträus, Expl. proph. Nah., Viteb. 1565; Gesner, Paraphr. et expos. in Nah., 
Viteb. 1604; Safenreffer, Comm. in Nah. et Hab., Stuttg. 1663; Abarbanel, Rabbin. in 
Nah. comm. a J. D. Sprechero, Helmst. 1703; 4. Wild, Meditt. sacrae in proph. Nah., 
Francof. 1712; SKalinsty, Vaticc. Chabacuci et Nachumi, Breslau 1748; H. A. Grimm, 
Nahum, neu überj. mit erflärenden Anmerkungen, Düfleldorf 1790; €. Ph. Conz in Stäud- 
lins Beiträgen I, 169; €. J. Greve, Vaticc. Nah. et Hab., Amstelod. 1793; J. Bodin, 
Nah. latine versus et notis philoll. illustr., Ups. 1806; €. Kreenen, Nah. vatic. philol. et 
crit. expos., Hardervici 1808 ; Srähn, Curt. exegetico-critt. in Nah. proph. apec., — 
1806; Ueberſetzung mit tuarung von Moſ. Neumann, Breslau 1808, H. Middeldorpf, 

amb. 1808, Juſti, Leipzig 1820 und in ſeinen Blumen althebr. Dichtkunſt, II, S. 577; 

ölemann, Nah. orac. verss. germ. öuororelevrors et scholl. illustr., Lips. 1842. gl. ferner 
D. Strauß, Nah. de Nino vatic. explan. ex Assyr. monumm. illustr. Berol. 1853; C. 4. 
Blomauiit, Upf. 1853; F. Gihl, Upf. 1860; M. Breiteneiher, München 1861; 2. Reinke, 
Kritik der alten Verfi. des Nahum, Münſter 1867; Knobels Proph. II, 207; Preiswerks 20 
Morgenland V, 97; X. Engjtröm, Destructio Nini, Lond. 1760; H. Guntel, Nah. in ZatW 
1893, 233— 244; 9. Billerbed u. N. Jeremiad („Der Untergang Ninivehd und die Weis: 
fagungsjchr. des Nahum von Elkloſch“) in Delitzſchs und Haupts „Beitrr. zur femit. Sprad)- 
wiienihaft“ III (1895), 1; Wellhauſen, Skizzen und Vorarbeiten V, 158. 

1. Der Name EM: (griech. Naodu, vgl. Le 3, 25, lat. Nahum oder Naum, vgl. 25 
4 Edr 1, 40) iſt von DT; gebildet, mie E7 von EIN, und bedeutet trojtreich (vgl. die 
pbön. n. pr. EMI ſ. corpus inscriptionum semitt. 93. 94. 123). Mit diefer Be: 
deutung ftimmt der für Israel troftvole Inhalt der Weisfagung zufammen, fofern fie 
die Verheißung enthält, daß Jahve an dem damaligen Hauptfeind Israels, an Aſſur, 
die Strafe vollziehen werde. 2. Nahum wird 1, 1 genannt "ÖIPRT: der Ellkoſchith; so 
LXX. Vulg.: ‘Eixeoaios, Elcesaeus. Hieronymus jagt zu Na 1, 1 daß Helcesei 
en Dörfchen in Galiläa jei, das ihm felbjt ein Führer (circumducens) gezeigt habe: 
vielleicht das heutige EI-Kauzeh bei Rama in Naphtali; nad) Epiphaniug N ein Ort in 
der Nähe von Bet-Dschibrin d. i. Eleutheropolis (ſ. Eb. Neſtle ZdPV 1878, ©. 222 
bis 225) gemeint. Knobel und Hitzig (in der 1. Aufl. feines Komm.) fuchten Elkoſch in ss 
dem im Alten Teftament nicht erwähnten Kapernaum, das man als Dit: "e>, Dorf 
Nahums, deuten zu dürfen meint. Allein diefer Kombination fehlt es an jeder biftori- 
fchen Grundlage; und da die Meinung der heutigen Morgenländer, welche als den Ge- 


burtsort des Propheten den Ort Alkusch (VA) in Affyrien, unweit von Moful 


anſehen, fi auf eine erft im 16. Sahrhundert auftretende Überlieferung ftügt, fo bleibt «0 
man entiveber bei obiger Angabe des Hieronymus (vgl. Cyrill. Alex. ad Nah. 1, 1), 
oder bei der des Epiphanius, was deshalb vorzuziehen, weil Nahum nad) 1,9. 12%. 13; 
2, 1 in Juda gefchrieben hat. Was die inneren Gründe betrifft, aus melchen hervor: 
gehen fol, daß Nahum vielmehr in Afigrien gefchrieben, fo find fie ſehr fubjektiver Natur. 

r beiläufig, jagt Ewald, blide er auf Juda hin; feine Spur verrate, daß er in Juda 45 
gefchrieben, vielmehr folge aus der Faflung der Worte 3, 1, daß er fehr weit won Jeru⸗ 
falem und Juda geredet. Schon die allgemeine Farbe des Buches beurfunde den Augen: 

gen. Allein, was legtere Behauptung anlangt, fo ift die Belanntichaft mit afigrifchen 

ingen, die uns in dem Buch entgegentritt, nicht größer, als fie von den aſſyriſchen In⸗ 
vafionen ber jeder Bewohner Paläftinag haben konnte. Denn die Ortskenntnis, welche 60 
2, 7 vorauszufegen fcheint, iſt Leine genauere, ald man fte von der berühmten Stadt 
wohl in ganz Vorderaſien hatte. Die Lebendigkeit der Schilderung aber geht durch das 
ganze Bud. Kap. 1, 2—16 ift nicht weniger lebendig, ald Kap. 2, und doch wird nie 


⸗ 


0 


put 


b 


624 Nahum 


mand daraus ſchließen wollen, daß Nahum das alles mit leiblichen Augen geſehen habe, 
was er uns 1,2. in jo großartigem Bilde vor Augen ſtellt. Daß feine Spur Nahums 
Anweſenheit in Juda verrate, wird von anderen bejtritten, iwie von Maurer und Hißig, 
der auf 1, 4 binweilt, von Umpbreit, auf den die Worte 1, 13—2, 2 gerade Den ent 
5 gegengejegten Eindrud, wie auf Ewald, machen. So furz auch der Blid auf Juda iſt, 
jo nimmt er doch, da die Weisſagung gegen Ninive doch nur für Juda beitimmt, aljo 
Mittel zum Zmed tft, eine ſehr bedeutfame, zentrale Stellung im ganzen des Buches 
ein. Was endlih die aſſyriſchen Wörter anlangt, welche das Wohnen des Propheten ın 
der Nähe Ninives beweifen follen, jo fann Ewald nur drei namhaft machen, nämlıd 
10 287 2, 8, 27725 3, 17 und SEES ebendaf. Allein daß das erite dieſer Wörter die 
Perſon der aſſyriſchen Königin oder jogar den Namen derjelben bezeichnen ſoll, iſt doc 
mebr als fraglich. Warum follte >27 nicht als Hophal von >87 zu fallen und die Stelle zu 
überjegen fein: „Es iſt beichlofjen, fie (Die Königin Ninive) wird gefangen, weggeführt?“ 
Anders verhält es ſich mit den beiden anderen Wörtern. Die aſſyriſche Herkunft des 
15 offenbar ein Amt bedeutenden Worts "TE (Fürjt, Großer) iſt wahrſcheinlich; TOFS wird 
neuerdings auf ein ajlyrijches tupsarru zurüdgeführt (vgl. Friedr. Delisich, Wo lag 
das Paradies, S. 148) i. d. Bed. Tafeljchreiber und als Bezeichnung einer Würde bei 
den Aſſyrern und Medern erklärt. Aber weit entfernt, daß die Kenntnis ſolcher Worte 
einen aſſyriſchen Aufenthalt des Propheten vorausfegt, erklärt fie ſich vielmehr umgefehrt 
an vollfommen aus dem Aufenthalt der Aſſyrer in Paläftina, wie ja auch Seremia 51, 27 
das Wort "SET gebraudt, obne daß es noch jemand eingefallen wäre, wegen Diefes und 
mancher anderer aus den öjtlihen Spraden entnonmener Wörter an einen Aufenthalt 
diefes Propheten in jenen Ländern zu denken. Wir können ſonach feinen von den Gründen, 
welche man beigebracht hat, um zu beweifen, daß Nabum in Afiyrien gejchrieben, für 
95 überzeugend anfeben. 3. Was die Frage nach der Abfaffungszeit des Buches betrifft, fo 
balten die Meiften dafür, Nabum babe zu Hiskias Zeit gemweisfagt, doch mit dem Unter: 
jchied, daß ihn die Einen vor Sanheribs Niederlage vor Ferufalem auftreten, ja dieſelbe 
vorherjagen lafjen, die Anderen in jener Niederlage gerade die Veranlaflung zu dieſer 
prophetijchen Außerung fehen. Andere machen Nahum zu einem Zeitgenofjen Manaſſes, 
so Ewald weit ihn der Zeit Joſias zu, da er annimmt, der Prophet habe den Angriff de 
Phraortes auf Aſſyrien vor Augen; noch etwas fpäter fest ihn Hitzig an; Coccejus 
gebt bis auf Jojakim, bis auf Zedefia Clemens von Alerandrien berab (Strom. 1, 392). 
Bochart (Phaleg S. 6) will Nabum fogar nad Jeremia und Ezechiel anjegen. Tiefe 
Hinz und Herraten der Ausleger legt allerdings den Schluß nahe, daß der Text für bie 
35 Beſtimmung der Abfaſſungszeit feine fichere Handhabe biete. Man meint freilich, die 
Niederlage Sanberibs vor Jerufalem (2 Kg 19,357.) müſſe dem Propbeten noch in frifchen 
Andenten gewejen fein. Allein Stellen, wie 1, 11f.; 2, 3, laut welchen aus Ninive 
Der hervorgegangen, der gegen Jahve und fein Heiligtum das Schlimmfte plante und 
ausführte, berechtigen nur zu dem Schluß, daß die für Jerufalem fo gefährliche Invaſion 
40 der Aſſyrer unter Sanberib der Vergangenheit angehörte. Ebenſo ift die Meinung, daß 
1, 14 die Ermordung Sanberibs (el 37,385 2 Kg 19,37) geweisſagt fei, als mit den 
Worten unvereinbar abzuweiſen und nicht einmal fo viel richtig, daß der Prophet auf 
diejeg Ereignis Nüdfiht genommen (ſ. Keil z. d. St.). Hienach ift alfo die Behauptung 
E. Nägelsbachs, daß die Abfaſſung unjeres Buches ftattgefunden haben müſſe nach jener 
45 Niederlage und vor der Ermordung Zanberibs, unbaltbar. Den einzigen ficheren An- 
baltspunft für die Beftimmung der Abfaſſungszeit bietet die Stelle 3, Sff., wo Ninive 
ugerufen wird: „Bilt du beijer, als No-Amon, am Nilfttom gelegen, Waſſer rings um 
Ne ber, die da eine Veſte des Meeres, deren Diauer der Strom? Atbiopier in Menge 
und Agppter ohne Zahl, Put und die Lybier waren dein Beiftand. Auch fie wanderte 
so fort, zog in die Gefangenſchaft“ u. ſ. f. Es iſt bier ein biftorifches Faktum angezogen, 
das nah Schrader (Die Keilinfchr. u. d. U. T. zu Nah. 3, 8ff.; Dunder, Se des 
Altert. II, 3827.; E. Diener, Gefch. d. Altert. I, S 392; Tiele, Babyl.⸗aſſyr. Geſch. S.358) 
durch die aſſyriſchen Inſchriften feitgeftellt ift. Diefelben berichten von der Zerftörung 
No:Amons d. i. Thebens in ganz ausdrüdlicher Weife. Danach mar 8 Aflurbanipdl, 
»» der Sohn und Nachfolger Ajarbaddons, welcher in feinem ziveiten gegen Urdamani, den 
Nachfolger Tirbafas gerichteten ägyptiſchen Feldzug Theben jenes Schidjal bereitete. Da 
nun von einer fonftigen früberen oder fpäteren Zerftörung Thebens nichts bekannt ift, 
jo kann fein Zweifel darüber obmwalten, daß Nabum dem Aſſyrer das gleiche Schidjal 
androht, das dieſer felber jener ägyptiſchen Hauptſtadt bereitet hat. Auch die Zeit dieſes 
co Sreigniffes läßt fih nah Schrader genau bejtimmen, fofern aus den aſſyriſchen Annalen 


Nahum Name 625 


feitgeftellt werden Tann, daß der aflyrifche Feldzug gegen Agypten bald nad Tirhakas 
Tod ftattgefunden. Da nun Tirhala 664 v. Chr. geftorben ift, jener ziveite ägyptiſche 
Feldzug vielleicht jchon im Jahre darauf ftattgehabt hat, die Zerſtörung No-Amons aber 
noch in der friihen Erinnerung des Propheten mar, jo ift etiva das Jahr 660 der Beit- 
punkt, in welchen Nahum fein prophetifches Wort gegen Ninive geredet hat. Wir hätten 5 
dasjelbe fonady der Regierungszeit Manaſſes zuzumeilen. Bei diefem Reſultat wirb es 
fein Berbleiben haben müſſen, 5 lange es nicht gelingt, eine frühere Zerftörung Thebeng 
geichichtlich nachzumeifen. Daß eine ſolche ſchon durch Sargon zu Hiskias Zeit erfolgt fei, 
wie man behauptet bat, läßt fih nicht erhärten (vgl. Delitzſch, Der Prophet Jeſaja', 
©. 240). 4. Das Buch des Propheten bildet ein mohlgeorpnetes Ganze. Die Kapitel: 
einteilung entfpricht den drei Hauptivendungen der Rede. Das erite Kapitel enthält Ein- 
leitung und Thema der Weisfagung, das zweite die Schilderung des Gerichtsvollzugs an 
Ninive durch ein von Jahve entbotenes Heer, das dritte zeigt, twie der Untergang Ninives 
durch feine Schuld, bei. die Blutfchuld herbeigeführt wird. In Bezug auf die Integrität 
des Buchs ift der erfte Teil der Überichrift, (77 RE) von Eichhorn, Berthold, Ewald 
u. a. als echt bezweifelt worden, allein derjelbe ift, weil fonft dag Objekt der Drohung 
1, 8. 11 nicht erfichtlich, unentbehrlid. Auch der 2. Teil (Gefiht N. des Elf.) fünnte, 
wie Orelli richtig bemerkt, nicht leicht mwegbleiben und erweckt durch die ſonſt nicht er: 
baltene Angabe über die Herkunft des Verfaſſers Zutrauen; nur wird er im Unterfchieb 
vom eriten nicht von Nahum jelbit, jondern ſonſt von kundiger Hand vorgeſetzt ſein. 20 
Gunkel a. a. O. u. a. fehen in 1. 2, 1. 3 einen allerdings vielfach bis zur Unkenntlich— 
keit entitellten Pjalm, der dem Buch Nahum fpäter vorgejegt worden ſei; Wellhaufen a. a.O. 
bezeichnet 1, 13; 2, 1. 3 als eingejchoben. 

Bon der Redeweiſe des Propheten jagt Lowth — De s. po&s. Hebr. p. 216 ss. 
— mit Recht: Ex omnibus minoribus prophetis nemo videtur aequare subli- 2 
mitatem, ardorem et audacem spiritum Nahumi. Adde quod ejus vaticinium 
integrum ac justum est poema. Exordium magnificum est et plane augustum; 
apparatus ad excidium Ninivae ejusque excidii descriptio et amplificatio ar- 
dentissimis coloribus exprimitur et admirabilem habet evidentiam et pondus. 
Eigentümlichleiten der Sprache Nahums find Aramaismen 37; suspiravit (2, 8), "717 30 
eurrens (3, 2; außerdem noch im Deboralied Ri 5, 22), und vielleicht MYT>E (2, 4). 
Über die eigentümlihen Suffirformen 7123 2, 4 und a8: 2, 14 vgl. Etabe, 
Lehrb. der hebr. Sprache, S. 20, Anm. 1 und 213. in leßterer Form liegt ficher ein 
Schreibfehler vor, wie denn der Tert des Buches ficher nicht ohne Verderbniſſe ift. In der 
oben angeführten Schrift yon Billerbed und Jeremias hat derfelbe eine eingehende Er- 35 
örterung, auch in militärischstechnifcher Beziehung, unter Zuhilfenahme aller Mittel der 
Aſſyriologie erfahren. Bold. 


Name, bibliihe Bedeutung desfelben. — Matthaei Hilleri, Onomasticon 
sscrum, Tubingae 1706; Simonis Onomasticon sacrum Hal. 1741; H. Ewald, Auf. Lehr: 
buch d. hebr. Sprache? (1863) ©. 667 ff.; Fr. Böttcher, Ausf. Lehrb. d. hebr. Spr. I (1866) 40 
©. 314f.; Eb. Neftle, Die israelit. Eigennamen nad) ihrer religionsgefhichtlihen Bedeutung, 
Harlem 1876; Robertson Smith, Kinship and Marriage in early Arabia, Cambridge 1885; 
dazu Nöldele ZomG 1886 ©. 156ff.; Fr. Ulmer, Die femitifhen Eigennamen im AT, I, 
Beibz. 1901; Jul. Böhmer, Das biblifhe „Im Namen”, Gießen 1898; derjelbe in Edjlatters 
und Gremers Beiträgen zur Förderung chriftl. Theol. V, Heft 6 (1901): Zwei wichtige Kapitel 45 
aus der bibl. Hermeneutif; Fr. Giejebrecht, Die altteftamentlihe Schätzung des Gottesnamens, 
Königsb. 1901. Vgl. ferner Dehler in Aufl. 1 u. 2 diefer Encyflopädie unter „Name“, ebenfo 
von Wittichen in Schenkels Bibelleritun; ebenjo von ©. Baur bei Riehm, B. Howb.; Cremer, 
Neuteitamentl. Wörterbud unter öroua; Hamburger, Realenchyklop. des Judentums II, 828 ff. 
Bgl. auch die Lehrbücher zur Altteft. Theol. von Dillmann, Schulg u. f. mw. 60 

Nenn in allen Sprachen die Namen der Gegenftände urfprünglih nicht millfürlich 
gewählte Klangformen find, fondern bedeutfame Benennungen nad bejondern Merkmalen, 
die man an den Dingen wahrgenommen, und diefe Grundbedeutung der Wörter in den 
femitifchen Sprachen in: allgemeinen durchfichtiger und darum bemwußter geblieben ift ale 
m den indogermanifchen, fo gilt beides auch in Bezug auf die Perfonennamen. Die alten 55 

äer pflegten ein Kind nicht zu benennen, ohne an die Bedeutung des verliebenen 

end zu denken, und wenn derjelbe auch ſchon ſehr frühe etwa ein Familienerbſtück 
ein mochte, fo befann man ſich doch auf feinen Inhalt. Ja man bildete immer wieder neue 
onennamen, um die Eigenart oder die bejonderen Berbältnifje des Benannten auszu— 
drüden, jo daß der Prozeß der Sprachbildung ſich in der Schaffung von Eigennamen fortfeßte. eo 
Realstinchkllopädie für Theologie und Kirche. 3. AM. XIII. 4 


uk 


0 


fer‘ 
8 


vo 


Name 
Wie der M eiten die T beſonders orſtechenden Merkmal 
benannt — feine ———— — * — an 


kam Der 2, 20), 5 trachtete man aud) im Namen, tve man 
jond — 


Namen beizulegen —— Rama, Si * aber auch 

— —*4 e —— * eine — fehlten olten ( en 26, 20, 33 u FF.) 
ji — geweiht waren, es einem 
— Fans Got — u 5 — u. ä), = einer 





milie 
E die Namen Ihres Kinder zum neu twelch: di Summe he N 
Ne Mbtıdt bei der bezeugte, Jeſ 7, 35 8, 35 Sof 1, 3ff. vn allgemeinen aber 
Abficht bei der ren dabin, das’ Kind * zu vi 
> Bert * a t und bei den Nachbarn hä 
ern, Rachel, Debora, Chulda u. dgl. Man hat darin Totemis- 
une Kim —— als äge Die Vorftellung u Grund, daß der Stamm vom betreffenden 
tamme. Allein dafür fehlen, tie Yöleke gegen Nobertfon Smith g —— 
J e Anhaltspunkte Pielmebr joll die Eigenart des Individuums, die es * 
oder die man ihm wünſcht, durch die hervorſtechende Eigenſchaft — F ekennzeichne 
werben. Wal. die Tierbilder im Segen yes Gen 49. (Über en Aberglaube 
25 vom Einfluß des Kindesnamens auf das BR —* — ‚Heiben- 
tums?’, ©. 199.) Der Mann Oreb oder Seeb kommt dem Raben od a en 
1 Manmende Männemame Park St Ra — 
er eit des Exils mende ername au 
ae wenn man fih an 1 Sa 24, 15; 26, 20 erinnert. Auch 
A belegende Name Thola (Wurm) mag auf elende Bebenzunftände, deuten; 
“ ar Auch ————— wie Thamar (Dattelpalme), Eſchkol (Traube, 
ei Be ä. gi ii lan Shi — dieſe Gewaä ihre 
ek en; vgl. Die otbams Mi Naturſymbo en Namen 
* Barak (Bit), "aillah (Schatten, weiblich) u. a. Die 
35 äußerlicher oder innerer Art kann auch ohne Bild durch den Eigennamen genannt fein ie 
Kareach (Rahl) 2 u 23; Paſeach (Hinfend, Claudus); Schelömoh, 5 
David (Liebling). find 7 von leiblichen Außeruůchteilen genommenen 
bier —* ſeltener als }. u bei den Römern. 
8 überwiegen überhaupt bei den Jsraeliten im Gegenſatz zu ben 1 Selen 
40 Benennungsarten bie religiöfen, was, wie Böttcher berborbebt, —— 
über a auffälligen ee ausmacht, da bei den let Sildungen auf 
je @05, 49705, avaf, zgarns, tiuos, zAns (von idee) | ** ai) NOLOTO —— akkı, 
‚ev u. dgl. dem Staatsleben, Ehrenwetftreit, und —— Wohlgefall | 
Die Borfiehe. r tbeopbore Berjonennamen iſt allerdings nicht b zraeliten eiger 
46 fie zeigt fich 3. 3 auch bei den ihnen nabe verwandten abifihen € race bon welche 
die minäiſchen und ſabäiſchen nfchriften berrübren, von beren Eigennamen aus iv 
auf alttanaanäifche und altisraelitijche wie Abimelech, Abiefer, Abigail, Achimelech, An. 
minabab u. a. eim neues Licht gefallen ift, wodurd fie ebenfalls als ans deinen 
Siehe Fr. Hommel, Altisraclit. Überlief rung 1897, ©. 75 Benennung 
co Kindes nach einer Gottheit jchloß ein Belenntnis zu ibr in fich, gr au päterbin 
mehr Gewohnheit als bewußte Abficht dabei walten mochte, wie denn 3. B. Ahab jein 
mit Jebel gezeugten Söhne Ahasja und Joram bieß, was immerhin zeigt dr a er ſich 
von Jahveh nicht losfagen wollte. In den zahlreichen Fällen, wo eine beftimmte Eigen 
ſchaft Gottes oder ein näheres Verhältnis zu ibm in dem Namen bes Kindes aus 
66 Kin war, bildete derſelbe einen Segenswunjd und eine beilvolle Lofung für ba 
en desjelben, Wenn die Namengebung mit der Beichneidung verbunden war (j. Bb 





















. 660, 49), To mußte das religiöje Moment um jo mehr bervi Bei Mäd 
5 ie am Tag der Entwöhnung erfolgt fein. Auf a JF Namens hatte übrigen 
die Mutter am meiften Einfluß (Gen 29 und 30; 1 Sa 1, 20; 4,21; vgl. aber aud 


ww ge 1, 59 ff). — 


Name 627 


Dieſe theophoren Eigennamen ſind von hohem Wert für die Religionsgeſchichte. Sie 
laſſen erkennen, welche Gottheit zu einer Zeit beſonders verehrt, welche Gottesnamen 
hauptſächlich im Gebrauch waren, und geben auch merkwürdige Winke darüber, in welchem 
Verhältniſſe man zu ſeinem Gotte ſtand. In der früheſten Zeit herrſcht die allgemeinſte 
und einfachſte ſemitiſche Benennung Gottes vor: El. Vgl. Israel, Ismael, Elieſer u. ſ.w.; 5 
daneben Schaddaj, fo in Zuriſchaddaj Nu 1, 6; Ammiſchaddaj, 1, 12. Wie in jenen 
altarabifchen Perfonennamen, wo ebenfalls EI in der älteſten Zeit vorherricht, finden ſich 
auch in den älteſten hebräifchen viele, wo die Gottheit durch einen vielfagenden Verwandt: 
chaftsnamen umſchrieben iſt. So mit Abi, Achi, Ammi: mein Bater, mein Bruder, mein 

beim: Abinvam: mein Bater iſt buldvoll; Achitub: mein Bruder ift Güte, Amminadab : 10 
mein Oheim (DI eigentlich Bruder des Vaters, daher Vormund, Beichüger) iſt freigebig: 
Diefe Gottesnamen laffen auch bei den Israel verivandten Stämmen auf eine urjprüng- 
lich reinere Auffaffung Gottes und ein inniges Verhältnis zur Gottheit fchliegen. Bon 
Mofe an treten dann Zufammenfegungen mit Jahveh, Jahu, Jeho, Jo ein und werben 
etwa von David an vorherrichend. So zuerit Jochebed (Mutter Mofes), Jehoſchua u. ä.; 16 
auch mit Nachfegung dieſes Namens: Adonijahu, Sefarjahu u. ſ. f. 

Die Bildung neuer Namen läßt fich bis in nacherilifche Zeit hinab verfolgen, was 
beweiſt, daß im Volke der Sinn für die Bedeutung des Namens lebendig blieb. Daneben 
begreift fich, daß man in der Negel auf bekannte Namen griff, die durch ihren Sinn oder 
durch die Erinnerung an frühere Träger berjelben empfohlen wurden. Sp liebte man dem 20 
Entel den Namen des Großvaters, dem Neffen den des Oheims, etwa auch dem Cohn 
den des Vaters zu geben. Letzteres Tob 1,9; vgl. Xe 1,59. Im der fpäteren jüdifchen 
Zeit wurden vorzugsweiſe auch Namen aus der älteften Gefchichte wieder aufgefriicht, welche 
fonft wenig üblich geweſen waren, wie Jakob, Joſeph, Simeon, Maria (Mirjam) u. ä. 
In Diefer jpätern Zeit find auch aramätfche Nanıen häufig wie Martha, Tabitha, Kaiphas u. a., 26 
daneben manche griechifche feit der mazebonifchen Periode, fpäter römiſche; jo Alexander, 
Andreas, Andronikus, Antipater, Aquila, Markus; fogar ſolche, die an fremde Götter 
erinnerten, wie Apollonius, Bacchides, Demetrius, Epaphroditus. Solche fremde Namen 
ericheinen in der Volksſprache häufig abgekürzt, mie Antipas, Epaphras u. ä. Ebenfo 
wurden bie hebräifchen Namen vielfach gräzifiert: Lazarus aus Eleaſar; Matthäus aus 30 
Amitthaj; Ananiad aus Chananja; Alkimos aus Eljafim ; Jaſon aus Jeſchua (Fo). 
Ant. 12, 5, 1), Hyrkanus aus 77 (d. h. Flavius). Manche wählten auch einen grie- 
hifchen Namen, der als Überjegung des jüdifchen gelten konnte, 3. B. Dofitheus oder 
Theodotus ftatt Natbanael, Elnatban, Nikolaus jtatt Bileam, oder einen folchen, der aud) 
nur ähnlichen Klang hatte. Dahin gehört vielleicht aud) Saulue-Paulus. Manche Juden 35 
batten außer dem hebrätfchen Namen einen griechifchen oder römischen Zunamen, fo Jeſus 
mit dem Zunamen Juſtus Kol 4, 11; Xohannes mit dem Zunamen Markus AG 12, 12. 
Vgl. für die jüngere Zeit Zunz, Namen der Juden, Leipz. 1837; Hamburger, Real-Encykl. I 
unter „Namen“. 

Sp fehr iſt bei den Söraeliten der Name das Wahrzeichen der Perſon, der Ausdrud 40 
der individuellen Eigenart, daß zwwifchen ihr und ihrem Namen ein lebendiges Wechfel- 
verhältnis ftattfindet. Der Name tft für ihr Wefen und Ergehen von Bedeutung (no- 
mina sunt omina); ſtimmt er nicht damit überein, fo follte er umgeändert werden 
(Ruth 1, 20f.), wie denn überhaupt im Sprachgebrauch die Übereinftimmung zwiſchen 
dem „Genannt werden” und dem thatfächlichen Beftand borausgejegt wird Ho 2,1; Jeſ as 
1, 26 u. oft. Vgl. auch Jeſ 9,5. In der That waren Namenänderungen nicht felten, 
wenn jemand in eine neue Lebensitellung trat, etwa mit einem Ehrenamt betraut wurde, 
oder fonft für jene Umgebung einen anderen Charakter annehmen ſollte. Gen 41, 45; 
2 Ra 23, 34 u.a. Vgl. au die Umnamungen Gen 17, 5. 15; 32, 28f. u. ä. Yu 
von Lehrern und Meiftern werden den Süngern etiva Namen gegeben, die ihre geiftige so 
Eigenart zutreffender ausdrüden follen ala ibr Kindesname Vgl. Jedidja 2 Sa 12,25; 
Boanergs Mc 3, 17; Kephas-Petrus Jo 1, 43. — Ein „neuer Name” ſtellt eine neue 
Ehrung in Ausfiht Jeſ 62, 2; vgl. 65, 15; Apk 2, 17. 

Weil zwiſchen der Berfon und dem Namen, den fie trägt, ein lebendiger Zufammen: 
don befteht, fo wird großes Gewicht darauf gelegt, daß der Name durch die Kinder und 55 
hlommen auf die Nachwelt fortgepflanzt werde. Gen 48, 16; Dt 25, 6f.; Nu 27,4; 

Ruth 4, 5. 10. 11; vgl. 2 Ca 18, 18. Zu beftimmter Unterſcheidung von Gleich: 

namigen, aber auch oft um auf die Abſtammung Gewicht zu legen, wird denn auch zum 

eigenen Namen der des Waters hinzugefügt, mit 52 eingeleitet; dabei modte nad den 

Verhältniſſen die Abficht walten den Betreffenden zu ehren oder berabzufegen; letzteres ep 
40° 


628 Name 


iſt z. B. Ref 7, 4; 1 Sa 22,8 der Fall. Später wurden ſolche Patronymika geradezu 
zu Eigennamen, wie Bartholomäus (= Bar Thalmaj), Barabbas, Barjefus u. ä. Dies 
erinnert an die Kunje, den Decknamen der Araber, welcher aber davon verſchieden ift: 
Die Araber pflegen außer ihrem Kindesnamen bejonderd im traulichen Verkehr noch einen 

6 Beinamen zu führen, der meift von ihren älteften Sohne abgeleitet ift, wie Abu Seid, 
Bater des Seid, und oft den Hauptnamen ganz verdrängt hat. 

Daraus, daß im Namen die Befonderheit des Individuums ſich ausprägt, wird die 
Redeweiſe verftändlich, monad, Gott jemand mit Namen gelannt oder gerufen und berufen 
habe Er 31, 2; 33, 12. 17; Jeſ 45, 3f.; 49, 1. Es handelt fih an folchen Stellen 

ıo um perjünliche Berufung einer bejtimmt ausgeprägten Individualität. Das Wort 79 
fteht denn auch geradezu für Einzelperfonen, Individuen Nu 1, 2. Ebenfo ift im NT 
Öyöuara gebraudt Apk 3, 4; 11, 13, wie Luther Er 34, 23 „Mannsnamen” für Ber: 
fonen jegt und man im ſchwäbiſchen Volt nody hören Tann: „ES iſt ein Mannsname 
vorbeigegangen.” 

15 Der Name Gottes nun lt, wie ſich ſchon nad) dem fonftigen Sprachgebraud er⸗ 
warten läßt, von bejonders hoher Bedeutung. Wurden Ion leblofe Dinge und Tiere 
nach dem benannt, was ihnen charakteriftiich it, find die Namen der Menjchen der Aus 
druck ihrer befonderen Eigenart und findet eine lebendige Wechfelbeziebung zmifchen der 
Perſon und ihrem Namen ftatt, fo läßt fich im voraus denken, daß auf den Namen ber 

20 Gottheit ein außerordentlicheg Gewicht gelegt wurde und man in ihm die Ausprägung 
des beitimmten Gottes fah, den man verehrte oder der eigenartigen Offenbarung, welcher 
man teilbaftig geworden war. Daß die Benennung Gottes nichts Gleichgiltiges war, 
vielmehr ein bedeutfamer Erponent der empfangenen Offenbarung, zeigt Er 3, 13, wo 
Mofe, um mit Zuverfiht vor fein Volk treten. zu können, den dharakteriftiichen Namen 

25 des Gottes der Väter wilfen muß, der ihn ſendet. Zwar ift nicht richtig, daß jeder 
neue Name einen neuen Gott bedeute. Man hatte von jeher bewußtermaßen verfchiebene 
Namen oder Umfchreibungen für denjelben Gott. Aber mie durch einen neuen Menſchen⸗ 
namen eine neue Zebensitellung oder ein neues Verhältnis, jo kann auch eine neue Bhale 
der Gotteserkenntnis oder der Beziehungen zu Gott durch einen neuen Gottesnamen ge 

30 fennzeichnet fein Er 6, 3. Darin liegt, dat Gottes Weſen in einem Namen fich nidt 
erichöpft. Wohl reflektiert der Israelit nicht über Gottes Weſen an ſich, fondern hält 
ih an den Gott, der ihm erkennbar und darum nennbar geiworden it. Aber er kennt 
eine fortfchreitende Offenbarung und hat darum das Bedürmis, neue Namen Gottes zu 
prägen, oder ivenigftend den Namen Gottes durch Zufäge zu erweitern. Vgl. Jahveb Ze: 

86 baoth und foldhe Zuſätze wie Er 34, 6f. 

Es verfteht jich von ſelbſt, daß der Name Gottes etwas ſakroſanktes war, nicht zwar 
in dem Sinn, daß er überhaupt nicht hätte ausgeiprochen werden dürfen. Ein „Namen: 
tabu” nach Art der Auftralier iſt der altisraelitiichen Religion ganz fremd. Ein foldes 
taucht auh nicht Am 6, 10 auf (Giefebreht ©. 128), wo nad) Sa 19, 17 zu erklären 

wilt. Und die ängftliche Vermeidung der Ausiprache des heiligjten Gottesnamens Jabveh 
(f. Bd VIII, 529 ff.) gehört erjt der jpätjüdifchen Zeit an, mo man ihn im Gebrauch 
durch einen weniger beiligen (Adonaj u. dgl.) oder durch dag Appellativ OT (Mifchna ; 
RD Samaritaner) erjeßte, welches Le 24, 11, vgl. Di 28, 58 dafür fteht. Jene über: 
triebene Scheu ift daraus gefloffen, daß man das 27° Le 24, 11. 16 nicht mehr richtig 

a verstand, möglicherweife auch schon. unter Mitwirkung babylonifchen Aberglaubens, der 
ſich noch Später jedenfalld bei den Juden des schem hamöphöräsch (177°) in fett: 
ſamer Weife bemächtigt bat. Richtig ift, daß Gen 32,30; Ri 13,18 himmlische Mächte 
erfcheinen, deren Namen dem Menſchen zu kennen verwehrt ift, da er um ihr gebeimni« 
volles Weſen nicht willen ſoll. Aber gerade der heiligfte geoffenbarte Nanıe des Bunde: 

ta gottes wird im Gegenteil fehr bäufig genannt und ebenfo offen wie mit Nachbrud an 
gerufen int Gebet (Gen 4, 26; 12, 8; 1 Sg 18, 24 u. |. m.), beim Eidſchwur (1 Sa 
20, 42 und oft) und eben daraus läßt fich erſehen, wer ſich zu diefem Gott beiennt 
sep 1, 5; Jeſ 48, 1. Aber ſchwer verfündigt fich, mer diefen Namen läftert (Le 24, 
11. 16), oder zu falfchen Eide mißbraudt (Er 20, 7; Dt 5, 11; Xe 19, 12), oder mit 

rt Frlfehlicher Berufung auf ibn weisfagt (Dt 18, 22); denn was in feinem Namen geredet 
ft, macht den Anspruch, von ibm ſelbſt geredet zu fein. Durch Anrufung diefes Namens 
He fid der Menſch mit Gott in Verbindung wie beim Beten, jo beim Segnen Dt 21,5; 
Yu 129, 8. 
| Wenn über einem Volk oder Land „der Name Jahvehs ift ausgerufen worden“, fo 
weht er Wefig davon ergriffen und ſteht zu dieſem Beſitztum in einer innerlichen, perſön⸗ 


Name 629 


lichen Beziehung Am 9, 12; Dt 28, 10. Der Ausdrud ift von menfchlicher Proklama⸗ 
tion eines Eigentümers oder Regenten hergenommen. Jedoch ift dabei die Meinung, 
daß diefe Ausrufung oder Anrufung des göttlichen Namens nicht willfürli won menf 
licher Seite gefchehen fei. Um vor Gott rechtögiltig zu fein, muß Gott jelbit eine folche 
Beziehung gejtiftet haben. Dies gilt namentlih auch, wo ein beiliger Ort, Tempel, 
Altar Träger feines Namens fein fol. Vgl. Er 20, 24 „an jeglicher Stätte, wo id) 
ein Gedächtnis meines Namens ftiften werde“. So ift die Bundeslade von ihm jelbft 
geweiht (2 Sa 6, 2). So hat er das Haus erwählt, mofelbft fein Name wohnen, d. h. 
dauernd feinen Sit haben fol 1 Kg 9, 3; 11, 36; 2 Kg 21, 4; 23, 27; Neb 1, 9; 
Ser 7, 12. 14 u. a. Die Bedeutung eines ſolchen Heiligtums liegt eben darın, daß es 10 
dem Namen Yahvehs erbaut ift, 1 Sg 3, 2; 5,17. 195 Jeſ 18, 7 u. f. w. Daß dort 
der Name Jahvehs wohne, will mehr befagen, als daß er dort angerufen werde: ber 
Name Jahyvehs ift daſelbſt (1 Kg 8, 16. 29 und oft), d. h. die Offenbarung dieſes ge- 
beimnisvollen Gottes hat hier eine Stätte Daß auch bei diejen lokalen Weihen der 
eigentliche Name Gottes nicht gleichgiltig war, läßt fi daraus erkennen, daß Altäre, die 16 
einer beſtimmten Gotteserfcheinung oder -erfahrung ihren Urfprung verdantten, etwa nad) 
einem bejonderen Namen oder Zunamen des Gottes benannt waren, der fi) hier geoffen: 
bart hatte, Gen 16, 13; Ex 17, 15; Ri 6, 24. Sie erhielten das Gedächtnis dieſes 
Namens und feiner Offenbarung. Allein zugleidy nahm man an, daß er ſich an diefen 
Stätten fort und fort ebenfo offenbar. Auch hier war die Mechfelbeziehung zwiſchen 20 
Name und Ort eine lebendige. In dem centralen Hauptbeiligtum nun, das Jahveh mit 
feinem Namen belegt hat, wohnt fein Name ee, es tft der Sit, gewiſſermaßen 
der Mittelpunft feiner Iebenbigen Offenbarung auf Erden, was ein perjönliches Inne— 
wohnen der göttlichen Herrlichkeit in diefem Heiligtum zur Vorausfegung hat. Deshalb 
konzentriert fich hier audy der Dienft Jahvehs; man dient bier feinem Namen auf litur: 25 
giſche Weiſe Dt 18, 5. 7. 

Wie Gott zu feinem Namen fich beiennt, fo gehört diefer Name zu Gott felbit, er 
ift etwas göttliches. Er ift auch nicht von den Menfchen willfürlich ausgedacht, oder bloß 
Ionventionell gewählt, ſondern beruht auf göttlicher Offenbarung, welche der Benennung 
vorangehen mußte (Er 3,14; 6, 2f.). Es iſt alfo ganz der altteftamentlichen Anfchauung 30 
entiprechend (trog Böhmer, Giefebrecht), wenn Chler (PRE? X, 414) fagt, diefer Name 
fein ein nomen editum, dann erit ein nomen inditum. Wie er aber ein Wahrzeichen 
ift, das an eine beitimmte Offenbarung erinnert, fo dient er auch als Zufammenfaflung 
alles deſſen, mas von diefem Gotte fund geworden ift. So ift er der Leitſtern, welcher 
den ganzen Wandel feiner Verehrer beitimmt, Mi 4, 5. Die Mißachtung der göttlichen 35 
Gebote aber ſchändet den heiligen Gottesnamen, zu dem man fid) befennt; fo die Ab- 
götterei Le 20, 3; 21, 6; Ez 20,39, oder die Verunreinigung des Heiligen Le 22,2. 32; 
Ez 43, 7 u. a. Überhaupt wird diefer Name durch die Frevel feiner Anbeter gefchändet 
Am 2, 7; Pr 30, 9. — Lehrreich iſt auch PI 8, 2: „Wie prächtig ift auf der ganzen 
Erde dein Name”, will jagen: die Kundgebung deiner felbjt in deinen Merken! 4 

Weil der Name Gottes fo das Wahrzeichen feiner Dffenbarung und der Inbegriff 
defien ift, mas man von Gott meiß, fo wird von ihm mit höchſter Verehrung und 
wärmſter Zuneigung geiprochen: Der Name Gottes ift Gegenitand ehrfurchtsvoller Scheu 
(Dt 28, 58; Pi 102, 16; Mal 3, 20), der Heilighaltung (Jeſ 29, 23 und nody Mt 
6, 9!), des Vertrauens (Pf 33, 21), der Zuverficht (da er eine befjere Waffe ald Schwert 15 
und Spieß 1 Sa 17, 45; Pr 18, 10), des Lobens, Preiſens und Verehrens (Pf 7,18; 
103, 1; Hi 1, 21), der Liebe (Pf 5, 12; Jeſ 56, 6). Die größte Schuld Israels ift 
e8, wenn e3 diefen Namen vergeilen hat, Ser 23,27. — Wenn der Menfch nicht gleich- 

iltig ist gegen Verunglimpfung jeines Namens, fo twahrt Gott um fo viel mehr die 
bre feines Namens gegen Mißachtung durch die Feinde und Herabwürdigung durch un: 50 
mwürdige Verehrer, Ez 20, 9. 14. 22. 44; 36, 20f.; 39, 7. 25; Mal 1, 6. 11. Sein 
tes Motiv bei der Erlöfung des fchuldigen Israel aus dem Gerichtäzuftand it Die 
Ehre feines Namens; ift doch dieſer Name feine Selbftvarftellung in der Welt. Daß fein 
perfönliches Weſen, nicht bloß ein einzelnes Attribut mit dem „Namen“ Gottes verbunden 
edacht ift, erhellt am beiten aus Er 23, 21: „mein Name ift in ihm‘ (dem Engel, der 55 
rael anführt). Dadurch tft diefer Engel vor andern göttlichen Organen, melche Gottes 
irfen vermitteln, ausgezeichnet, Daß Gott felber perjönlich in ihm mohnt, daher er mit 
beiliger Scheu zu behandeln iſt. Der Name Gottes iſt alfo die Manifeftation des gött- 
lichen Selbft vor den Obren und dann überhaupt den Sinnen und Gedanken der Menfchen: 
finder, der geichichtlich aufgetretene Gott, Won einer Exiſtenz des Namens Jahvehs co 


or 


630 Name 


„neben Jahveh“ zu fprechen ift freilich ganz unzutreffend. Denn Jahvehs Weſen und 
Perfon tritt ja eben in feinem Namen zu Tage. AS der erjcheinende Gott tritt 
ın 589 Jeſ 30, 27; vgl. 59, 19 geradezu auf (womit zu vergleihen Tr “e & 
33, 14f.); doch macht Böhmer mit Recht darauf aufmerkſam, daß der Ausdruck felten 

5 (etwa noch Pf 20, 2) als jelbftitändiges Subjelt der Handlung vorlomme, eben weil der 
Handelnde und fich Offenbarende dabei fein anderer ift als Jahveh jelbit. 

Zur Erklärung diefes prägnanten Gebrauchs des göttlihen „Namens“ ift aljo nicht 
von einem andern Begriff wie „Weſen“ u. dgl. auszugehen, was das Wort nidt ur: 
fprünglich bedeuten kann, fondern von dem eigentlichen Namen der Gottheit, in welchem 

10 fih ihr Weſen und Charakter ausfpricht und ihre Offenbarung fih zufammenfaßt. Aber 
auch auf magifches Befchreien mit dem göttlichen Namen nad) Analogie heidnifcher or: 
meln (Giefebrecht) ift nicht zu refurrieren, wovon im biblifchen Cchrifttum nichts zu finden, 
fondern daran zu denfen, daß wie beim Menfchen nach hebräifcher Auffaflung, jo vollends 
bei Bott eine lebendige Wechfelbeziehung zwiſchen dem Namen und feinem Träger beiteht. 

15 Dagegen liefern zur relativen Verjelbititändigung von „Angeficht” und „Namen“ der Gott- 
beit im Einne der Manifeltation oder Offenbarung derfelben die phönizifch-fartbagischen 
Snichriften eine gemwiffe Analogie. Ein jivonifcher Tempel war der Altarte mit dem Zu- 
namen bsam 2» „Name des Baal” geweiht, wodurch dieſe Göttin ſelbſt nad ihrem 
Mefen als eine Manifeftation des Gottes Baal bezeichnet ift, wie in Karthago die Göttin 

20 Tanit auf vielen Injchriften a3 32 „Angeſicht des Baal“ heißt. Siehe meine Allgemeine 
Neligionsgefchichte (1899) ©. 240ff. Zu beachten ift, daß bei jenem Zunamen „Name 
Baals“ es fih um Feine phonetifche Verwendung des legteren handeln Tann, fondern zo 
ebenfalls jene innerlichere Bedeutung des kundgewordenen, eigentümlich geoffenbarten 
Gottes haben wird. 

26 Im Neuen Teltament finden wir dieſelbe vergeiftigende Erweiterung und Bereide 
rung des Ausdruds „Name“ wie im Alten Teftament. Es kann nicht genug beachtet 
werden, daß die erfte Bitte, welche Jeſus den Jüngern anenpfiehlt, lautet: „geheiliget 
werde dein Name”. Damit tjt ficher nicht bloß die heilige Scheu in der Ausfprack 
oder Anrufung des göttlichen Namend gemeint, fondern die Hetlighaltung alles veflen, 

30 lan Ko offenbar geworden und fo mit feinem Nanıen verfnüpft oder darin be 

oſſen iſt. 

Ebenſo iſt „der Name Jeſu Chriſti“ das Wahrzeichen und der Inbegriff alles deſſen, 
was dieſe Perſon für die Menſchen bedeutet. Es iſt der höchſte Name, dem alle Ge— 
ſchöpfe zu huldigen haben Phi 2, 9f. Dieſer Name faßt die ganze Kunde von Chriſto 

35 und feinem Heilswerk zuſammen. Vogl. AG 9, 15; Le 24, 47. Die Apoſtel tragen 
diefen Namen in die Welt hinaus. Die Gläubigen glauben an diefen Namen Xo 1,12; 
I Io 5, 13, und werden in diefem Namen felig AG 4, 12. In feinem Namen werben 
von den Jüngern Wunder getban Me 16, 17; AG 16, 18, wobei diefer Name felbit 
verftändlich ausgefprochen wird, aber nicht als eine bloße Zauberformel wirken fol, fon: 

0 dern eben das Mittel ift, Durch welches die zu heilenden Kranken in Beziehung zu ber 
in den Süngern ſich fundgebenden Kraft Jeſu Chriſti gefegt werden. Analog ift das 
Gebet im Namen Zefu zu verftehen, welchen fichere Erhörung verheißen ift Jo 14, 13; 
16, 23. Es kann ſich auch bier nicht um einen magischen Mißbrauch handeln, ſondern 
der wirkſame Gebrauch dieſes Namens fest eine perfünliche Einigung der Bittenden mit 

15 Jeſu voraus. Gegen Mipbrauh des Namens Chriſti ohne innerlice Verbindung mit 
ihm ſ. AS 19, 13ff. und vergleiche andererfeits Mt 7, 22, wonach, auch wenn der ob 
jeftive Name Chriſti durch Vermittelung der Menschen fegensreich gewirkt bat, für bie 
betreffenden Medien jelbft kein Segen daraus erwächſt, wenn fie innerlih nur Iofe mit 
diefem Namen verbunden waren. Der ya it dann ähnlich wie der 1 Ko 9, 27 m 

Auge gefaßte. Necht gebraucht aber, verbürgt diefer Name Chriſti feine hilfreiche Gegen 
wart Mt 18, 20. — Die Taufe auf den Namen Chriſti (AG 2, 38; Nö 6, 3 u. a) 
der ausführlider auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des hl. Geiftes 
(Mt 28, 19) erbält ebenfalls durch dieſen Namen ihre Beziehung auf Chriftum, ihren 
geiftigen Charakter im Unterfchied von andern Taufen, und zwar lag gerade im Namen 

55 Chriſti für jüdische Ohren das eigentlich Charafteriftiiche diefer Taufe, daher die Nennung 
dieſes Namens im gewöhnlichen Sprachgebrauch genügte. Vgl. übrigens Ed. Riggenbad, 
Der Trinitarifche Taufbefebl in Schlatter und Cremer, Beiträge 1903 Heft 1, ©. 85ff. 
Tas mit Bantilew verbundene eis TO Örona Mt 28, 19; Ga 3, 27; 1 Ko 1, 13F}.; 
Ro 6, 3) erklärt ſich leicht aus dem griechiichen Sprachgebrauch (Deißmann), ift aber 

sonicht erft von Paulus aufgebradt (Böhmer), jondern gebt wohl auf hebräifch-jübifches 


Name Nanaia 631 


252 zurüd (Dalman). Wie üblich diefes bei den Juden war, |. Wünfche, Neue Beiträge 
dur Erläuterung der Evangelien aus Talmud und Midraſch 1878 ©. 141f. 3.28. ein 
erk thun „um Gottes willen” heißt omw ziwb, eig. mit Beziehung auf den Namen 
des Himmels, d. h. Gottes. — Daneben ber läuft der Ausdrud: Aantilew ni To 
övdnauı AG 2, 38 und & r. 6. AG 10, 48, entſprechend dem DEI des AT. Die 5 
Hauptfache ift die mit allen diefen Wendungen ausgefprochene innere Gemeinjchaft mit 
Chrilto, welche durch die Taufhandlung zum Ausdrude fommt, ob aud nad) dem jüdi- 
ſchen wie griechifchen Sprachgefühl mehr die Heritellung derfelben (eis) oder ihr Beitehen 
(&v) oder ihre Vorausfegung (Zr) in den einzelnen Formeln hervortrete. v. DOrelli. 


Nanaia, Navala, Gottheit. — EC. Majion, Memoir of the Ancient Coins 10 
found at Beghram, in the Kohistän of Kabul, in dem Journal of the Asiatic Society of 
Bengal, Bd III, Galcutta 1834, ©. 172; %. PBrinjep, Continuation of Observations on the Coins 
and Relics, discovered by General Ventura, in the Tope of Manikyala, ebenda &.449-—451; 
%. Avdall, Note on some of the Indo-Scythic Coins found by Mr. C. Masson at Beghram, 
in the Kohistän of Kabul, ebenda Bd V, 1836, ©.266—268; Wilfon, Ariana antiqua, 1ö 
A descriptive account of the antiquities and coins of Afghanistan, Zondon 1841, ©. 3627.; 
Movers, Die Phönizier, Bd I, 1841, S. 626f. (fehr fonfundierend); C. L. W. Grimm, Kurz: 
ge eregetifhes Handb. zu den Apokryphen des Alten Tejtamentes, Liefer. 4, 1857, ©. 38 ff.; 

indiihmann, Die perjifche Anahita oder Anaitis, AMA, philofoph.=philolog. Claſſe, Bd VIII, 
1858, ©. 87 ff, beſonders ©. 121—128; Comparetti, Sulle iscrizioni relative al Metroon 2% 
Pireense in den Annali dell’ Instituto di corrispondenza archeologica, Bd XXXIV, Rom 
1862, ©. 38—42; J.B. Emin, Recherches sur le paganisme Armönien (überjegt aus dem 
Auflifchen) in der Revue de l’Orient de l’Algerie et des colonies, Nouv. ser, Bd XVIII, 
Paris 1864, ©. 198 ff, beſonders S. 204f.; Laſſen, Indiſche Alterthumskunde, Bd IT?, 1874, 
S. 828. 833. 836 f. 870f.; Franc. Yenormant, Artcmis Nanaea in der Gazette archdolo- 25 
gique, Jahrg. II, Paris 1876, ©. 10—18. 58-68; P. Scholz, Bößendienft und Zauber: 
wejen bei den alten Hebräern, 1877, ©. 355— 364: „Nanaea oder Anaitis“; v. Sallet, Die 
Nachfolger Aleranders des Großen in Baltrien und Indien, 1879, passim, bejonder® ©. 186f.; 
G. Hoffmann, „Nanai” in: Auszüge aus fyrifchen Alten perfiiher Märtyrer (1880), Abhand- 
lungen für die Stunde des Morgenlandes, Bd VII, 1881, ©.130—161; Edu. Meyer, 4. 30 
„Altarte” in Roſchers Lerikon der grieh. u. röm. Mythologie, Bd I, 1 (1884—1886), Tiefer. 
4, 1854, 8.645; A. Stein, Zoroastrian deities on Indo-Scythian coins in: The Indian 
antiquary, Bd XVII, Bombay 1888, ©. 89 ff., beſonders ©. 98; H. Gelzer, „Zur armenifchen 
Götterlehre” in den Berihten über die Verhandl. der K. Sächſ. Geſ. d. Wiſſenſchaften, 
Philol.⸗hiſtor. Claſſe, Bd XLVIII, 1896 (7. Dez. 1895), ©. 99 ff, bejonders S. 123f.; Tiele, 35 
Geſchichte der Religion im Altertum, deutiche Ausg. Bd I, 1896 (I, 1: 1895), S. 159 f. und 
dazu B. Jenſen, THRZ 1896, 8.67; Fr. Jeremias in Chantepie de la Sauſſaye's Religions: 
geihichte?, 1897, Bd I, ©. 171. 189; Wagner, A. „Nana“ in Roſchers Leriton ber gried). 
u. röm. Mythologie, Bd III, 1 (1897 —1902), Xiefer. 37, 1898; Zimmern in: Schrader, Die 
Keilinjchriftien und das Alte Teftament*, 1903, passim, beſonders ©. 422f. 40 

In der wunderlid, fonjtruierenden Berliner Doftor-Difjertation von M. E. Meyen, De 
—* Taurica et Anaitide 1835 iſt Nanaia S. 43 erwähnt, ſonſt aber nichts über ſie zu 

en. 


Der dem zweiten Makkabäerbuch vorangeſtellte Brief (der zweite, wenn man zwei 
Briefe unterſcheidet) erwähnt einen Tempel der Novcio (Vulgata Nanea, Luther: ss 
Nane) in Perſien (2 Maf 1, 13—15), in welchem Antiohus von den Prieſtern des 
Heiligtums gefteinigt worden fe. Die Lesart einiger Kodiced Avyavanas, Ayavaav 
(ſieh. Fritzſche's Ausgabe) konformiert den Namen dem befanntern der perfifchen Göttin 
Avaiuıs. V. 15 iſt vielleicht ebenfalls zu lefen 775 Navaias;, die Lesart anderer Hand: 
fehriften roũ Navaiov ift aber, wie ich mid von einem Gräciften belehren laffe, nicht wo 
mit Grimm u d. St.) unbedingt zu verwerfen, da eine Bezeichnung Navaiov für den 
Tempel der Göttin zivar nicht direft von der Form Navaia gebildet werden fonnte, 
wohl aber von einer dazu nad) Analogien fupponierten Grundform Nava. 

Der Brief, in welchen von der Navata die Rede ift, will ein Sendfchreiben ber 
paläftinischen Judenſchaft an die ägyptiſche fein und empfiehlt das (von Judas Maffa: 55 
bäus eingeführte) Felt der Tempelweihe. Der Brief wird e. 1, 10, wenn das Datum zu 
ihm gehört, datiert aus dem Jahr 188 der feleucidifchen Ara, d. i. 125/124 v. Chriſto. 
Der darin genannte Antiochus wäre, wenn died das wirkliche Datum der Abfaſſung fein 
jollte, wohl nicht, wie man gewöhnlidd annimmt, der im Jahr 164 v. Chr. geitorbene 
Antiohus Epiphanes ſondern twahrfcheinlich Antiochus VII. Sidetes, der im Jahr 128 co 
v. Chr., aljo wenige Jahre vor der angeblichen elaftungsgeit des Briefes, in Medien 
fein Ende fand (fo nad) dem Vorgang Alterer Nieſe, Kritik der beiden Makkabäerbücher, 


632 Nanaia 


| S. 19ff. und Torrey, uni) cbt sb bad (m — 
Daß der Brief (wie Torrey annimmt) echt ober doch (mas Nieſe S.22ff. vertritt 

id) im Jahr 125/124 v. BE ii ir! 8 ni, ie man of gem 
hat, ——— durch den ſagenhaften Charakter feines 


gemacht. | 
Die Zeuanifj ben im bi orfor enden G Naraia 

Sr ne te Tran 
eten an, en er en allen 

Orientiert wäre. Bald da darf wo der Linterjeichnte, der ſolches : 


10 für keineswegs in Anfpruch nehmen Tann, über dieſen Gegenftand eren und mit 
> her Ichen Referve ar nehme über den —— de ar Materials 


much 
ud don Windiichmann, dem in —— einem gi 
en —— — — über die FI Nanaia nod da — 
und den kritikloſen Darftellungen von Fr. Yenormant und Sol, bie ie verſchieden⸗ 
* Sottesnamen und Borjtellungen vermengten, verdanken wir eine 
Unterfuhung über die Verbreitung des Gottheitsnamens Nanaia und —— —— 
Namen —* * Hoffmann (1880). Er hat in ſeiner —— 
Belege | Gottheitsnamen aus feiner Kenntnis ber Ipeiichen 
»» Seitdem oben ſich die Feilfchriftlichen e für eine abplonifche be Gattin 9 ge 
bäuft und ift unfere Kenntnis der indo n Münzen und Siegel mit dem Gottheit 
namen Nava um einiges erteitert worden, Vollftändig neue Fundorte für bie Gott: 
——— Nanaia und Nanag ſind, ſo viel ich ſehe, nicht entdeckt —— eisen * 
aſſen meines Erach tenö die bisher geltend gemachten Urteile über den Fangen 
25 * Hin 8 te Namensformen nod mehrfache Mod 
und find ihrer viellei 
Die Nanaia in „Berjien” (Elam) 2Matı. Die Angaben des na 
2 Nat 1 über den Tod des Antiochus paſſen ganz genau weder zu dem über den Tod des 
Antiohus Epiphanes noch zu dem über den Tod des Antiohus Sidetes anderweitig 
0 Mitgeteilten. Entweder in 2 Maf 1, 12 ff. oder fonft in einem oder mehreren ber andern 
Berichte muß eine Verwechſelung oder eine andersartige Inkorrektheit der Relation vor— 


liegen 
"lief (a.a.D., &.20) bat richtig als auf eine Parallele auf die bei Granius 
Licinianus (S. 9 ed. Bonn.) von Antiochus — erzählte Geſchichte e 
3» gemacht, tie dieſer zur Diana nad Hierapolis kommt, um fie zu heiraten, und beim 
ochzeitsmahl den Tempelſchatz als Mitgift an ſich mnmt. Ehenfo will der Antiochus 
— 2 Mal 1,12 ff, ſich mit der Nanaia vermählen und die Tempelſchätze ſich als Mit- 
gift aneignen. 
Der Name der Diana des Granius Licinianus könnte möglicherweife ber Navalı 
ao entiprechen, da wir weiterhin (ſ. unten 8 6) einer Aorewıs Nava begegnen 
einer Nanata in — die 2 Maf 1 angenommen er Dal ſonſt nichts befannt. Der 
Verfaſſer von 2 Mal 1, 10ff. tonnte auf Perſien ald das betreffende A 
wenn er an Antiochus Epiphanes dachte und ——— das dieſer, wie es 1 6,1 
bargeftellt wird, zu „Elymais in Perfien” den Verfuch gemacht babe, ein dortiges Hetlig- 
a tum zu plündern, und bald darauf geftorben ſei. — Der offenbare Zufammenbang = 


uns 





fr 1, Pa: Ste He t „12. Mtihus Ciba mir in ber 
r zu Sprechen, auch 2 Mal 1,12 ntiochus —— i 
——— —* 


—* den Umſtänden feines Todes. mußte der Verfaſſer "von Zu, 10ff, wenn er 
so wirklich im Jahr Den efehrieben bat, doc wohl einigermaßen unterrihet | Der 
eu von > Sranius Yicinianus und 2 Maf 1, 12 ff. das 





eugnis von 2 en 12 i. für einen Aultus der Nanaia in Ne entiverten 
unften eines Kultus diejer Göttin zu Hierapolis am Euphrat. Kultus einer 
Nanat war wirklich auf ſyriſchem Boden verbreitet (f. unten 53). Daß er zu 
65 beſtand, wiſſen wir freilich nicht. Die dort verehrte Göttin trug von — aus den Namen 
Atargatis (j. A. Atargatis Bd II, S. 175, ff). Es wäre aber benfbar —* 
Beinamen Nanai führte, wie die mit ihr urfprünglich en —* nn 
Nand oder Nanai genannt wurde (f. unten $ 2). Diefe Nanä ft na 
und Bedeutung mit der perfifchen Anabita, bei den Griechen Anaitis, mu 
(f. unten SI Ende und $5). Die Anabita aber repäfentiert ebenfo wie die —* 








Ranaia 633 


von Hierapolis die Feuchtigkeit in der Natur als die Kraft der Befruchtung. Nach 
Lucians De Syria dea ($ 15) galt ferner die vielföürmige und vielgedeutete Göttin von 
Sierapolis Einigen als Rhea und ihr Heiligtum als von Attes geftifte. Der Name 

ana ſeinerſeits fommt auf phrygiſchem Boden vor, allerdings nicht als Beiname der 
Rhea oder Kybele, aber doch in ihrem Mythenkreis, nämlich in Verbindung mit dem 5 
Attis als Name feiner Mutter (ſ. unten $ 6). Die Göttin von SHierapolis heißt bei 
Granius Licintanus Diana, wie im Piräus von einer Agrems Navd die Rede ift. Lucian 
wieder (Syria dea $ 32) giebt an, daß die Göttin von Hierapolis unter ihren vielen 
Berührungen mit andern Göttinnen auch etwas von der Artemis habe. 

ch lege aber auf die Möglichkeit, daß mit der Nanaia von 2 Maf 1, 12ff. die 10 

Göttin von Hierapolis gemeint ſein könnte, feinerlei Wert. Es wäre dag um jo weniger 
angebracht, als die Angabe, über Hierapolis ſich einzig bei dem jpäten Granius Xici- 
nianus findet, während bei Älteren nur von dem Plünderungsverjudy des Antiohus Epi- 
phanes in einem elymaifchen Tempel berichtet wird (f. unten). Bielleicht darf jogar die 
Vermutung auögefprochen werden, daß die Angabe bei Granius Licinianus durch irgend: 15 
welche Vermittelungen auf 2 Mat 1 zurüdgeht und je „Hierapoli“ entjtanden ift aus 
einem Mißverftändnig von & 7 äyla nöleı 2 Mat 1, 12. 

Aber jedenfalls ift, ganz abgefehen von dem Urteil über Zeit und Herkunft des 
Briefftüdes 2 Mak 1, 12 ff, deilen Erzählung über das Ende des Antiohus nicht der 
Art, daß allein auf Grund diefer Cräblung der Kultus einer Göttin Nanaia auf per: 20 
ſiſchem Boden angenommen werden dürfte, auch wenn „Perfien” im denkbar meitelten 
Sinne verftanden wird. Wenn die Diana von „Hierapolis“ feine Erklärung der 
Nanaia in 2 Maf 1 liefert, bleibt es doch an und für ſich möglih, daß der Verfaſſer 
des Briefes oder fein Gewährsmann den Namen Nanaia, den er aus fyriichem Kultus 
(Nanai) kennen konnte, irrtümlich gebraucht für den der perfifchen Anahita, Anaitis, für welche 25 
die Bezeichnung als „Artemis“ bei den Griechen ftehend war. Wie Granius Licinianus den 
Tempel, welchen Antiochus plündern wollte, der Diana, jo weiſt ihn auch Porphyrius der 
Diana und Polybius der Aprems zu. Die Unbeltimmtheit der Zolalangabe in 2 Mak 
1, 12}. aegt, daß der Verfaffer des Briefes eine genaue Kenntnis über den von ibm 
gemeinten Kultus nicht beſaß. | 3 

Zweifellos hängt feine Deren mag er nun an den einen oder den andern 
Antiochus denken, zufammen, wie mit 1 Maf 6, 1ff., wo in dem Bericht über den Tod des 
Antiohus Epiphanes von einem Tempel „zu Elymais in Perfien” die Rede it, fo auch 
mit dem Parallelbericht bei Polybius (XXXI, 11), wonach Antiochus Epiphanes fich be- 
gab Bovisusvos eünopfjoaı yonudımwv ... Eni rö ins "Aortwmöos leodv eis mv 3 
"EAvuaida, und der damit übereinftimmenden, mwahrjcheinlid daraus geichöpften Angabe 
des orphprius (beit Hieronymus zu Da 11,44 f., Opp. ed. Ballarfı V, 722): ... in 
Elimaide provincia ... ibique volens templum Dianae spoliare etc. Damit ijt 
zu vergleichen die Angabe Appians (Syr. 66) über Antiochus Epiphanes: zo jc Fav- 
nalas "Apooölıns leoov Zodinoe. Joſephus (Antiq. XII, 9,1), der von Antiochus Epi- 10 
phanes berichtet, daß er kurz vor feinem Tode vergeblih einen Zug gegen die Stadt 
Elymais in Perfien unternommen habe, wohin ihn die Schäte des Tempels gelodt 
ni zugleih von 1 Mat 6, 1ff. und nad) feiner eigenen Angabe von Polybius 

ängig. 

Aus feinem diefer Berichte ift zu entnehmen, wie die elymaifhe Göttin in Wirk: ss 
lichkeit hieß. Was die Lofalität betrifft, fo ift das Heiligtum diefer „Artemis“ oder 
„Aphrodite” Schwerlih in Sufa zu juchen, wohin eine unzuverläffige fyrifche Angabe 
Kultus der Nanai verlegt (f. unten S 3). Sufa gehörte allerdingg zu dem alten Reich 
Elam oder zu Elymaia im teitern Sinne; aber Polybius (auch Porphyrius) nennt aus: 
drüdlich die von Suftana unterfchiedene Provinz Elymais, öftlih und ſüdöſtlich won so 
Sufa. Wahricheinlich meint den felben Tempel wie Polybius und Appian auch Strabo 
(XVI p. 7440), der unter den reichen Tempeln von Elymais den der Artemig, ra 
Alapa, nennt, welchen ein unbenannt bleibender Z/aodvaios beraubt habe (ſ. Näheres 
über die Lage von za Alapa bei Hoffmann ©. 131ff.). Ob Plinius (Nat. hist. VI, 
27, 135) die Lokalität Suſas von der eines berühmten Diana-Tempels diejer Gegenden 66 
unterfcheidet oder beide als unmittelbar neben einander liegend anfiebt, ift nicht deutlich ; 
er fagt von dem Fluß Euläus, daß er in feinem Laufe berühre arcem Susorum ac 
Dianae templum augustissimum illis gentibus. Die Sachlage wird dadurch nod) 
verwidelter, daß 2 Mat 9, 1f. der von Antiochus Epiphanes verfuchte Tempelraub nad 
Verfepolis verlegt wird. Eo viel ift aber doch aus 1 Mak 6, Polybius und Strabo mit oo 


634 Nauagia 


Sicherheit zu entnehmen, daß in Elymais ein an Schätzen reicher Tempel einer Göuin 
ſtand. Tie Angabe des PBlinius Tann eben denſelben Tempel meinen. Die darin ver: 
ehrte Gottheit war nach Bolybius und Strabo eine Artemis. Damit würde überein: 
jtimmen die Bezeichnung bei Plinius ale Diana. 

b Eben dieſer Tempel kann auch 2Mak1, 12ff. wenigſtens urſprünglich gemeint 
ſein, da es keinerlei Schwierigkeit macht, „Perſien“ hier in weiterm Sinne zu verſtehen, 
als auch Elymais einſchließend. ft der Verfaſſer des Briefes mit dem von 2 Maf9, 1f. 
identiſch (jo Nieſe), fo hätte er ſeinerſeits allerdings die von ihm in dem „Briefe“ benützte 
Angabe auf Verfepolis in der Perſis bezogen. 

10 Wie die elymaiſche Artemis vorgeftellt wurde, iſt aus den Berichten nicht zu er: 
jeben, abgejeben von dem, mas etwa der Name „Artemis“ befagen Tann. Er verweilt 
wahrfcheinlih darauf, daß die Göttm cine Mondgottheit war. Aus dem Umijtand, dag 
jih nad) 1 Maf 6,2 goldene Nüftungen und Waffen in dem großen elymaijchen Tempel 
befanden, die Alexander d. Gr. dort zurüdgelafien baben follte, fann man nidt un: 

15 bedingt (mit Hoffmann ©. 13-4) jchließen, daß die Göttin dieſes Tempels als Kriegs- 
göttin gedadht wurde. Siegestrophäen fonnten in dem Tempel einer jebden- Gottheit 
aufgeitellt werden (vgl. indeffen über Aftarte U. Ajtarte Bd II, ©. 151, ısff.). 

Unmöglih ift es nicht, daß die elymaiſche „Artemis“ den Namen Navata trug. 
Wir haben ein Feilfchriftliches Zeugnis, wonach ſich zu der Zeit Afurbanipals ein 

20 geraubtes babylonifches Bild der Göttin Nanä& von — ſeit anderthalb Jahrtauſenden 
in Elam befand; Aſurbanipal berichtet, daß er es nach Erech zurückgebracht habe (ſ. unten 
82). Aus jener Zeit mag ſich auf elamitiſchem Boden Kultus der Nan& oder, mit 
einer andern, vielleicht nur gräzifierten Ausfprache des Namens, der Nanaia erhalten 
haben. Demnad iſt es denkbar, daß dem Verfaſſer von 2 Maf 1, 10ff. oder feiner Bor: 

25 lage wirklich von dem Stultus einer Nanata in „Perſien“ oder genauer in Elymais etwas 
befannt war. Aber freilich wifjen wir bis jest nur, daß in Elam cin Bild gejtanden 
hatte, welches bei den Babyloniern als das der Nanä galt und als aus Erech geraubt 
angefehben wurde. Daß man aud in Elam die dort verehrte Göttin Nand nannte 
oder mit einer ähnlichen Namensform, willen wir big jet nicht. Es wäre denkbar, daß 

3 die Elamiten das von Afurbanipal ihnen genommene Bild, aud wenn es wirklich aus Ereh 
entführt war, anfaben und benannten als das Bild einer bei ihnen einheimischen andern 
Gottheit. Ebenſowenig haben wir ein Zeugnis dafür, daß nad) Ajurbanipal und bis in 
ſpäte Zeiten in Elam Kultus der Göttin bejteben blieb, welche vormals in jenem nad 
Erech fortgeichafften Bilde verehrt worden tvar. Deshalb ift es doch zweifelhaft, ob mit 

35 der elymaiſchen „Artemis“ oder „Diana” die Göttin Nand gemeint ift. Lediglich die 
immerhin zweifelhafte Angabe über die Nanata 2 Mak 1, 12 ff. iſt dafür geltend zu machen. 

Es liegt nahe, die elymaiſche „Artemis“ für identifch zu halten mit der perfifchen 
„Artemis“, der Anahita, deren Kultus im perfiichen Reiche ſeit der Achämenidenzeit weit 
verbreitet war. Er beitand nad einer Angabe des Beroflus bei Clemens Alerandrinus 

40 (Protrept.c. 5,65 S. 57 ed. Botter; vgl. dazu unten $5) aud) in Elam, nämlich zu Sufa. 
Dabei mag aber urjprünglicdher Kultus der Nanä in dem der Anahita aufgegangen fein. 
Beide fünnen etwa in der Anfchauung des Wolfes und ebenfo der Abendländer ver: 
Ihmolzen worden fein, fodaß man von der Anabita-Artemis redete und, ala ob es 
die felbe wäre, von der Nana-Nanaia. Wenn wirklich die Bezeichnung der großen ey 

45 maifchen Göttin mit dem Namen „Artemis“ darauf verweilt, Daß fie als — 
vorgeſtellt wurde, fo hat fie dieſen Charakter nicht von der babyloniſchen Nan&, die als 
der Wenusftern galt (f. unten S2 und 3), ohne daß fich daneben ein Zuſammenhang 
mit den Mond erkennen ließe. Wohl aber fcheint die Anahita ſpäter als Mondgöttin 
gedacht worden zu fein (vgl. Nofcher, Über Selene und Verwandtes, 1890, S. 165f.). 

so Auch diefe, im Aveſta mit der Arbvieura identisch, war nicht von Haufe aus Mont: 
göttin; aber fie repräfentiert das Waller, und das feuchte Element in der Natur wird 
im Altertum vielfadh zu dem Mond in eine Beziebung geſetzt (ſ. d. A. Mond oben 
e.3.11f. SID. Die indoftytbifche Höttin Nana (f. unten 8 5), die vielleicht Züge der Ana: 
bita trägt, wird dargeftellt mit der Mondfichel auf dem Haupte. In der ziveifachen Be 

65 zeichnung der elymatichen Göttin als Aphrodite (bei Appian) und als Artemis mag alfo 
eine Hinweiſung dort auf die babplonifche ana und bier auf die iraniſche Anahita er: 
halten fein. Daß wenigitens in Später Zeit Die iranische Anabita einerſeits und die 
babvlonische Iſtar-Nana andererjeits, oder doch eine andere Form der großen femitifchen 
Göttin, mit einander verſchmolzen worden ind, fcheint fich daraus zu ergeben, daß im 

en Neuperfiichen anähid Name des Planeten Venus ift. Der Name hängt gewiß mit dem 


Nanaia 635 


der Göttin Anahita zuſammen, obgleich allerdings die kürzern neuperſiſchen Formen für 
den Namen des Planeten nähid und nähid ſich ohne Vermittelung des Gottesnamens 
aus dem Arabifchen erflären laſſen. Der Planet Venus war der Stern der babylonijchen 
tar, der Nanai bei den Syrern und anderer Iemitiicher Söttinnen, während die alt: 
—53 — Arboigura-Anahita zu dem Venusſtern in keinerlei Beziehung ſteht. Eduard 

eyer (A. „Anaitis” in Roſchers Lexikon d. griech. u. röm. Mythol. Bd I, 1 8.332) 
vermutet vielleicht mit Recht, daß die Beichreibung der Geftalt der Ardviqura-Anahita 
im Aveſta (Naft 5, 126 ff.) den figürlichen Darftellungen der babylonifchen Göttin nad): 
gebildet if. Eine Verfchmelzung der Nand und der Anahita konnte dadurd nahegelegt 
werden, daß fie eine ähnliche Bedeutung haben. Beide repräfentieren die befruchtende ı 
Kraft in der Natur. 

Daß fie thatfächlich von Haufe aus eins waren, feheint mir noch gmeiteboft Nach: 
dem man früher die Anahita mit der babyloniſch-phöniciſchen Göttin Anat (ſ. A. Anam: 
meleh Bd I, ©. 4187, 35ff.) tbentifizirt hatte, haben neuerbinge Senfen und Zimmern 
(Zimmern a. a. O., ©.442 Anmkg. 6) die Anahita auf die babylonifche Iſtar, die mit 15 
Nana gleichgejegt wurde, zurüdführen wollen. Es ift nicht zu verfennen, dag Anahita 
einen andersartigen Charakter hat als im allgemeinen die zoroaftrifhen Gottheiten. 
Das läßt fich aber etwa daraus erklären, daß fie eine aus iranischen Volksglauben auf: 
genommene Geſtalt ift, die in der joroaftrifchen Religion eine dieſer entfprechende Um: 

ildung nicht erfahren bat. Ob der Name Anahita, der im Avefta die gleiche Göttin 
bezeichnet wie der iranifche Name Ardvicgura, ebenfalls iraniſchen oder aber babylo- 
niſchen Urfprungs ift, muß erjt durch meitere Unterfuchung auf etymologifchem Wege 
entjchteden werben. 

Neben der immerhin auch ihrerſeits hypothetiſchen Nana von Elam läßt ſich jonit 
auf einem Boden, der unter der Bezeichnung „Berfien” in 2 Mak 1, 12 verjtanden 25 
werden könnte, Kultus der Nanä oder einer Nanata nicht nachweifen. “Die unten 
(8 3) zu befprechende Angabe des Pfeudo-Melito von der Verehrung der Nanai zu 
Sufa „in Elam” Tann als ein vollgiltiges Zeugnis für die Lofalität der Verehrung 
nicht angejehen werden. Wenn alſo der Verfajler von 2 Mak 1, 12 ff. nicht lediglich 
durch eine VBertwechfelung auf den Namen Navaia geraten ift, jo hat er damit gewiß su 
die Göttin der eigentlichen Elymais gemeint. Cine bloße Verwechſelung liegt faum vor, 
da die Feilfchriftlichen Angaben die Annahme nahe legen, daß wirklich eine in Elam 
verehrte Göttin Nana hie. Sogar die fonft nur noch an ganz entlegener Stelle 
(j. unten 85) vorkommende Namensform Navala Tann korrekte Wiedergabe einer 
elamitischen Namensform fein (ſ. Jenſens Mitteilung unten 8 2). Der Verfaſſer 5 
des Briefed mag alfo troß feiner ungenauen Angabe der Lage des Nanata-Tempeld 
aus fehr guter Duelle unterrichtet geivefen fein. Da er mit der Angabe de Nanaia: 
Tempels als des Ortes des Todes des „Antiohus” ganz allein fteht, jo kann man ge: 
neigt fein, anzunehmen, daß ein unmittelbar aus der Zeit nad) dem Tode des „Antiochus“ 

u den Juden gelangter autbentifcher Bericht hier zu Grunde liegt, dann ohne Frage (da 40 

ntiohus Sidetes nicht in Elymais feinen Tod fand) ein Bericht über den Tod 
des Antiohus Epiphanes. Diefe Eindrüde fünnen Beranlafjung geben, den Brief nahe 
an das Jahr 164 dv. Chr. beranzurüden, alfo das Datum 2 Maf 1, 10 nicht auf diefen 
Brief zu beziehen. 
. 2. Nanäd bei den Babyloniern. Den Kultus der Göttin Navala hätten die 45 
Elymäer, wenn er bei ihnen wirklich beſtanden hat, aus der babylonifchen Religion über: 
fommen oder doch mit ihr gemeinjam gehabt; denn ber Name Navala entipricht ziweifel- 
[08 dem in den babylonifchen Keilinschriften mehrfach vorlommenden Namen einer Göttin 
NanA oder vielleicht Nanai. 

er die Namensform teilt mir P. Senjen (15. San. 1903) Folgendes mit: „Der so 

Nanıe wird zum mindelten meift, vielleicht immer, phonetiich gejchrieben Na-na-a, was 
unächſt auszufprechen wäre Nanä. Eine Form Nanaila) — geichrieben Na-na-a+ta — 

eint mir (doch kann mid mein Gedächtnis trügen) nicht gefichert. Zwar wird in 
einem jumerifchen Tert einmal fo gejchrieben; indes das zweite a von a+a [in aflyrifch- 
babylonifchen “Terten — ai(a)] künnte bier einem fumerifchen Flerionsauslaut entiprechen. 55 
Aber da in der Schrift (Konjonant +a) 44 ivenigftens in fpäterer Zeit auch gebraucht 
wird für gefprocdhenes Konſonant +ai, ift es nicht ganz unzuläffig, das vorliegende 
Na-na-a auszufprechen Nanai(a). In der neuelamitifchen —5 iſt fraglos (Konfonant 
a) +2 — Konſonant +ai, ein Umſtand, der mit dem gleichen auf babyloniſchem 
Boden doc wohl zufanmenbängt.” -— Mit Nüdficht auf die ſyriſche Form “= für den 60 


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636 Nanaia 


zweifellos aus dem Babyloniſchen entlehnten Gottheitsnamen möchte ich meinerſeits bei 
dieſem Sachverhalt vermuten, daß doch ſchon die Babylonier den Namen auch Nanai 
ausgeſprochen haben. 

Der Name „Nanai“ bei den Babyloniern iſt nach Zimmern (S. 422 Anmlg. 4) 
anzujehen als die worjemitifche, fumerifche Benennung der Sftar von Erech. De La 
garde (Synimicta, 1877, ©. 95, 9ff.) erflärte Navaia für ein turanifches Wort aus 
nana „türfifh Chrenname der Frau”. Hoffmann (S. 160) erhebt dagegen Wider⸗ 
ſpruch, weil dies türkiſche nana eine jefundäre Form fe. Aber fein Nachweis eines 
indogermanifchen Worte® nana „Mutter“ könnte zur Erklärung eines, wie Hoffmann 
anzunehmen ſcheint, urfprünglich elamitifchen Gottheitsnamens nach dem, mas und 
jegt über die Sprache der Elamiten befannt ift, fehmerlich noch veriwertet werden. Als 
twranifcher Gottheitsname läßt fih Nana aus dem aveſtiſchen männlichen Perfonnamen 
Nanarästois (Naft 13, 115; vgl. Hoffmann S. 155), dem Genetiv eines noch unerflärten 
Eigennamens Nanarästi, nicht entnehmen. 

Speziell zu Erech beitand ein uralter Kult der Nan&, die hier als ibentifch mit ber 
Iſtar erfcheint und als Tochter des Himmelsgottes Anu gilt (Zimmern ©. 422). In 
einer babylonifchen Yitanei an den Gott Marduf wird unter den Göttern Nanä& genannt, 
tar dagegen nicht (Mt der Deutfchen Orient-Geſellſchaft Nr. 9, 1901, ©. 19). Zu 
Borfippa erſcheint Nana ale Gemahlin des dort verehrten Nabü (Zimmern S.404). In 
dem aus Erech ftammenden Gilgamifch-Epos wird die Jftar von Erech Sr Nanä) vor: 
zugsweiſe als die Göttin der finnlichen Liebe dargeitellt (Zimmern ©. 422.). 

Afurbanipal brachte bei der Eroberung Elamd das Bild der Nand von dort nad 
(Frech, nachdem es, wie der Eeiljchriftliche Bericht lautet, vor 1635 (1535) Jahren durd 
Kudurnanchundi nach Elam entführt worden war (Zimmern ©. 383). Unglaublidy ift 
Diefer Bericht durchaus nicht, da die Elamiten in hohem Altertum mehrfach Babylonifc 
Dentmäler geraubt baben. Aus Afurbantpale Angabe tft, wie immer man über die 
Entführung diefes Gottesbilpes zu urteilen bat, jedenfallge zu entnehmen, daß de 
Kultus der babyloniſchen Nanda in irgendwelcher Beziehung —* zu einer in Elam 
verehrten Göttin. Der Zuſammenhang kann keinenfalls in der Weiſe zu denken 
ſein, daß eine elamitiſche Göttin von den babyloniſchen Semiten entlehnt wurde; 
denn dieſe haben offenbar die Nana in Babylonien bereits vorgefunden, alſo von den 
Zumerern überfommen. Wohl aber fönnten mit den Sumerern die Elamiten eine 
(Hörtin Nana gemeinfan gebabt haben. Dann wäre um jo eber die Entführung de 
(Bottenbildes durch Kudurnanchundi als gefchichtliches Ereignis verftändlih. Die 
Namenoform Nayata in 2 Mat 1, 137. kann nad dem oben von Senjen Mitgeteilten 
die elamitiſche Ausſprache des Na-na-a gefchriebenen Namens fein. Der Bericht Aſur⸗ 
banipals kann alfo allerdings der Angabe in 2 Mak l, 12ff., wenn man bier „Perſien 
ala inkorrefte Bezeichnung * Elymaia oder Elymais anſieht, zur Beglaubigung dienen. 

3. Nanai bei den Syrern. Im Sprifchen hat fid) der Name der babylonifchen 
Wand in der Form "2 erhalten. So nennt die forifche Überfegung 1 Mal 1, 13. 15 
die Nevrala des griechischen Textes; als das Land, mo fich der Tempel der ">> befant, 
wird v. 12 wie im griechifchen Tert Perfien (CE) angegeben. Die fyrifhe Namens: 
form ift gewiß nicht Nani jondern Nanai auszufprehen nach Analogie des griechiſchen 
Navala. 

Nach Bar-Bahlul war “> der Name des Planeten Venus (Bernftein, ZomG X, 
I856, 549). Kultus der Nanat beftand nah ibm bei den “Arbaje, d. i. den Be 
wohnern der Yandichaft zwiſchen Nifibis und dem Tigris (de Yagarde, Gefammelte Ab: 
bandlungen 1866, S. 16, 20; Hoffmann €. 131). Nach einem anonymen Bericht über 
die Märtyrer der Stadt Karka, d. i. Kerkuk füpöftlih von Moful, wurde Nanat in der 
Nachbarſchaft diejer Stadt verehrt (Hoffmann, Alten, ©. 48. 131 nah Möfinger, Mo- 
numenta Syriaca, Bd II, Innsbruck 1878, S. 67,3, wo Statt zu leſen ift „)), 
Tie Verehrer werden bezeichnet als eine von König Sabor aus Maißän, dem alten 
Mefene an den Mündungen des Euphrat3 und Tigris, dorthin verpflanzte Kolonie, bie 
bei ihrer Überfievelung diefe Gottheit mitgebracht haben fol. Nach den Alten des Mar 
Main (Hoffmann ©. 29) ware Nanat, „Die große Göttin der ganzen Erbe” (vgl. 
dazu das Prädikat der Iſtar-Nana: „Herrin der Länder”), verehrt worden am Hofe 
Sabors II. Hoffmann (S. 131) erklärt, gewiß mit Recht, diefe „Lofalifierung“ für Erdid- 
tung. Tagegen ift nicht unwichtig für die Herkunft der in dieſen Alten genannten 
Nanai, daß fie in einer Neibe mit den babyloniſchen Göttern Bel und Nebo aufgeführt 


Nanaia 637 


wird, freilich aud mit Zeus. Ferner vermutet Hoffmann, doch nicht ohne Vorbehalt, 
daß der Name Nanai in dem Namen des Gaues now: bei Babylon enthalten fei, 
ben er aus Nanai und Iötar zujammengejegt denkt (S. 93. 131). 

Bon der Nanai erzählt die ſyriſche Apologie des Pfeudo-Melito (mo nicht mit den 


Älteren — fondern zu Iefen fein wird, f. de Yagarde, De geoponicon versione 


syriaca, 1855 [abgedrudt in feinen Gefammelten Abhandlungen, ©. 143, ssff.| und 
ernftein, ZemG X, ©. 549), daß fie von den Clamtten verehrt morden fe. Sie 
fei die Tochter eines Königs von Elam geweſen, und ihr Vater habe ihr, nachdem fie 
von Feinden gefangen fortgefchleppt worden, Bild und Tempel zu Sufa, einer Burg in 
Elam, errichtet (f. Corpus Apologetarum ed. Otto, Bd IX, 1872, ©. 505. 426 und 10 
dazu ©.476f. Anmkg. 163). XLenormant (©. 17) bat in diefer Darftelung richtig 
eine forrupte Erinnerung erkannt an die feilfchriftlich berichtete Entführung des Bildes 
der Nana. Auf des Pfeudo-Melito Erwähnung eines Kultus der Nanai in Elam und 
eziell in Sufa ift an und für 9 fein Wert zu legen. Den Namen Elam konnte die 
elle der Apologie aus einer Kombination der Nanai in ber ſyriſchen Überfegung von 15 
2 Mak 1, 13ff. mit 1 Mat 6, 1 gewonnen haben und dazu die „Burg Suja” aus Da 
8,2 (vgl. Hoffmann ©. 131). 

yuoeäfle verweifen dieſe Äyrifchen Angaben für den Kultus der Nanai nur auf 
den Bereich des alten Babyloniens und die nördlich davon gelegenen aramäifchen 
Gebiete. Was mir darüber hinaus von Verehrung in Sufa und am Saflanidenhof 20 
erfahren, läßt fich nicht als glaubwürdig erkennen. 

Vielleicht ift der palmyreniſche menjchliche Eigenname > (Palm. 132 bei de Vogüs, 
Syrie Centrale, Inscriptions Se&mitiques, Paris 1868—1877) auf den Namen der 
Göttin Nanai zurüdzuführen, ebenjo dann auch wohl die Form x) (Palm. 67 bei 
de Bogüe), bei der es, da fie in Verbindung mit einem andern Berfonnamen (8:3 RP>"2) 25 
auftritt, zweifelhaft erjcheint, ob ſie einen felbitftändigen Eigennamen repräfentiert. Mög— 
licherweiſe fünnte, wie S. X. Coof (A glossary of the Aramaic Inscriptions, Cam— 
bridge 1898, ©. 81) vermutet hat, der Gottheitäname auch enthalten fein in dem 
Perſonnamen einer griechifchen Inſchrift aus der Auranitis, Nevos (f. Journal Asi- 
atique, Ser. VII, Bd XIX, 1882, ©. 12). 30 

Über die Korrektur “== zu Jeſ 65, 11 ſ. A. Meni Bd XII, ©. 577, ı0ff. 

4. Nana (Nanda) bei den Armeniern. Agathangelus, der Selretär des 
Königs Tirivates von Armenien im Anfang des vierten Jahrhunderts n. Chr., berichtet 
nad) dem armenifchen Tert von dem heiligen Gregor und dem König Tiridates: „...fie 
zerichlugen das goldene Bild der Göttin Anahit (Gr. "Agrems) und fie zerjtörten den ss 
—A Ort und das Gold und Silber nahmen ſie weg. Hierauf ſetzten 
u 


oa 


ic über den 

Gail (Gr. Avxos) und zerftörten den Tempel der Wanda, der Tochter Aramazd's, 
in der Stadt Thil (Gr. Orodias)” — fo nad der Überfegung von Windiſchmann 
(S. 108 auf Grund des Drudes des armenischen Tertes Wenedig 1835, ©. 587, 24; 

I. Gelzer ©. 124). Nach dem griechifchen Tert zerftörten die Genannten zov Ts 40 

Adıpyäas (= Nanea) Bwuov, Yvyaroos Atos (ed. de Lagarde, AGG, Bd XXXV, 1889, 
©. 67,3%; vgl. dazu S. 135). Aus diefem Bericht ift deutlich zu erfehen, daß Nansa 
und Anahit bei den Armeniern als unterfchiedene Göttinnen verehrt wurden (was fchon 
1836 J. Avdall ©. 268 richtig bemerkt hat). 

Anahit wie Aramazd verweiſen neben vielen andern Gottesnamen der vorchriftlichen 45 
armenifchen Religion deutlih auf Iran als ihr Uriprungsland. Durch perſiſche Ver: 
mittelung unter den Achämeniden oder fpäter durch parthiſche könnte neben dieſen ira: 
nifdyen Gottheiten die Göttin Wanda aus Elam nach Armenien gekommen fein, fofern 
ür fie wirklich ein clamitifches Pendant anzunehmen if. Aber in der armenifchen 

eligion finden ich neben iranischen Beftandteilen auch foldhe, die aus Syrien auf= so 
genommen worden find. Am deutlichiten ift das für den Gottesnamen Baräamin zu 
erlennen, der dem awsr2 in Palmyra entjpricht (vgl. Hoffmann S. 136; Gelzer S. 119ff. ; 
A. Baal BI, ©. 331, 2). Der Name ferner der armenifchen Göttin Aftlik 
„Sterndyen” ift eine Überfegung des ſyriſchen Kaukabt& „Sternin“ oder vielleicht beffer 
„Leiner Stern” (Hoffmann ©. 136), und der „Schreiber unter den armenifchen Göttern, 66 
Tiur, der feiner Bedeutung nach eine perfiiche Parallele nicht zu haben fcheint, entfpricht 
vielleicht dem auch in Palmyra verehrten babylonifchen Nabü (Jenſen, Hittiter und 
Armenier, 1898, ©. 185f.). Neben diefen Gottheiten fann auch die Nanea von den 
Syrem ber zu den Armeniern gelangt fein (jo auch Gelzer S. 123). Taß fie von der 


638. Nanaia 


Anahit beſtimmt unterſchieden wird, macht eine Vermittelung ihres Kultus bei den Armeniern 
durch die Perſer oder Parther weniger wahrſcheinlich. 

Da im armeniſchen Tert des Agathangelus nicht der Name der Göttin ſteht, ſondern 
das von dem Namen gebildete Adjektiv: „der Naneifche Tempel”, Tann man nad 

5 Gelzer (S. 124) zweifelhaft fein, ob der Name Nane oder Nanea lautete. Die erfie 
Form würde dem eigen Nanai direft entjprechen, die zweite twahrjcheinlich einer grä: 
tfierten Bildung Navaia. Sie würde dann vermutlich darauf verteilen, daß die ſyriſche 
Nanat bereits in bellenifierter Geftalt zu den Armeniern gelommen war. 

Für die Spentifizierung der Nanda mit ’Adnväa liegt wohl fein anderer Grund vor 

ı0 als der Umftand, daß die Göttin eime Tochter des Aramazd genannt wird, der im 
griechischen Tert des Agathangelus Zevs heipt. Ich möchte aus der Benennung "Adna 
nicht (mit Hoffmann ©. 136) Eolaern, daß die Nansa als eine friegeriihe Göttin auf 
gefaßt murde, fo lange andere Anzeichen für eine derartige Auffaffung nicht vorliegen. 

5. Nana Nanata) auf baftrifh:indifhem Gebiet. An dem gefchichtlichen 

15 Sufanınenbang und der Namensidentität der babylonifchen Nana und der ſyriſchen Ranat 
äßt fich nicht zweifeln. Das ſyriſche Heidentum tft mit babylonifchen Vorftellungen und 
Gottesnamen durchfegt, und die babylonifche Iſtar, mit der die Nand von Eredh identifiziert 
twurde, repräfentiert wie die forifche Nanat den Planeten Venus. Auch die armentide 
Nanea läßt ſich nicht aus dem gleichen Zufammenbang löfen, mag fie nun dur Ber: 

20 mittelung der Sprer aus Babplonien zu den Armeniern gefommen fein oder — was 
wir glaubten ablehnen zu follen — einer elamitifchen Nanaia entiprechen, die auch ihrer: 
jeits mit der babyloniſchen Nand in Zuſammenhang ftehen würde. 

Unficher aber kann die Identität einer im fernen Dften vorfommenden Göttin Nana 
mit der babylonifchen erfcheinen. 

26 Nava und Nava oao (lied: Nana schao) „Königin Nana”, daneben vereinzelt 
Navo, kommt vor auf indoffgthiichen Münzen mit Legenden in indiſcher Sprache, aber 
griechiicher Schrift. Die Göttin ift auf den Münzen abgebildet für fich allein oder neben 
dem bierarmigen Okro. Die Münzen find ſämtlich oder doch zumeift im Pendſchab und 
im Kabul:Thale gefunden worden (über diefe Münzen ſ. außer den grundlegenden Werfen 

30 von Wilfon und v. Eallet und den andern oben unter der Xitteratur angeführten 
Arbeiten noch beſonders Gardner, The coins of the Greek and Scythic kings of 
Bactria and India in the British Museum, London 1886; über das ſtythiſche Neid 
in Baktrien und Indien |. v. Gutfchmid, Geſchichte Irans und jeiner Nachbarlänke, 
1888, ©. 135 ff. 164 ff.). 

35 Die Münzen mit Namen und Bild der Göttin gehören vorzugsweise den Königen 
aus der ſtythiſchen Turufchfa-Dynaftie an, Kanerki und feinem Nachfolger Ooerki oder, mie 
nad A. Steins (a. a.D., S. 96f) überzeugender Unterfuhung in Übereinftimmung mit 
den Namensformen der Stein-Inſchriften richtiger zu leſen ift: Kaneſchki und Ooeſchki 
(f. die Angabe der Münzen bei v. Sallet S. 197. 203; Gardner ©. 131. 134f. 144}. 

40 Die Regierungen der beiden Könige find anzufegen am Ende des erften und Anfang dei 
zweiten nachehriftlichen Jahrhunderts (ſ. v. Sallet ©. 63ff.; Gardner S. Lf.; J. Fer: 
auffon, On the Saka, Samvat, and Gupta Eras, in dem Journal of the Royal 
Asiatie Society, New Series, ®d XII, 1880, ©. 259ff.; Oldenberg, Ueber die Ta: 
tirung der ältern indiſchen Münz: und Inſchriftenreihen, Zeitjchr. f. Numismatik, Bo VII, 

s 1881, ©. 289 ff.; jo viel fcheint feitzufteben, daß das für die Negierung Kaneſchki's in: 
fchriftlich genannte Jahr 9 gerechnet iſt nach der Caka-Ara, die mit dem Jahr 78179 
n. Chr. beginnt). Die Skythen waren fchon unter einem Vorgänger Kanefchli’s aus dem 
zunächft von ihnen offupierten Baltrien nach Indien vorgedrungen. 

Auf einer Münze Kaneſchki's mit rein griechifcher Inſchrift ıft für Nava die Form 

so Navara gebraudit (v. Sallet S. 186; Gardner ©. 129). Außerdem fommt auf einer 
Kupfermünze mit dem Königsnamen Over vor ANAN, zweifellos ftatt NANA, da das 
Bild auf der Münze das der Nana iſt (Wilfon, Taf. XIII, 7; vgl. v. Sallet S. 208). 
Es ift aber allem Anfchein nad nicht an einen befondern König Over zu denken, ſondern 
die Legende Ooer Kenorano durch Buchftabenverivechjelung entjtanden aus Ooerke 

65 Korano, (zu Iefen: Ooeschke Koschano), ſodaß alfo der König Ooeſchki gemeint 
wäre (Gardner S. LIT, Oldenberg S. 297 75). Tann findet fih Bild und Name der 
Nava nod auf einer Münze mit dem Königsnamen Bazodeo, der identiſch ift mit dem 
Namen apıenn der Inſchriften (Gardner S. 159). Iſt mit Bazodeo-Vaſudeva ein 
beſtimmter König gemeint, jo wäre er nach Ooeſchki anzujegen; es ſpricht aber manches 

vo dafür, daß der Name ein Titel für mehrere Könige tft (Gardner ©. LIf.; vgl. Stein ©. 98). 


Nanaia 639 


Das Bild der Göttin auf den Münzen tft infofern verfchieden, als nur die Golb- 
münzen in ber Regel auf dem Kopfe der Göttin eine Mondfichel zeigen (Wilfon, Taf. XII, 
2; XIV, 1; Gardner, Taf. XXVIII, 9. 10, vgl. n. 12 [ohne den Namen Nava], 
Taf. XXIX, 8; dagegen iſt auf der Goldmünze bei Gardner, Taf. XXVIII, 8 die 
Mondfichel nicht zu erkennen). Auf den KRupfermünzen fehlt der Halbmond; das Haupt der 5 
Göttin ift, wie meift auch auf den Goldmünzen neben dem Halbmond, von einem 
Nimbus umgeben (Wilfon, Taf. XI, 17—20, XII, 12; Gardner, Taf. XXVII, 5). In 
der rechten Hand bält die Göttin auf den Gold: und auch auf den Kupfermünzen einen 
emporgerichteten Stab oder Stiel, der oben gegabelt iſt. v. Sallet (S. 186. 203) wollte 
in der Gabelung einen Hirsch: oder Rehkopf erfennen,; Gardner (©. 131 u. ſ. mw.) fieht 10 
darin „forepart of horse“. Auf Gardners deutlichern Tafeln Tann man die Figur 
eher ML verſtehen als bei Wilfon, und namentlih auf der Goldmünze Kaneſchki's unter 
den Münzen des Berliner Königlihen Münzfabinets (v. Sallet S. 197), die ich einge: 
eben habe, fünnte man wirklich eine Art „Stedenpferd” (v. Sallet), nämlih Kopf und 

orderfüße irgend eines Tieres am obern Ende des Stabes erfennen. Hoffinann (S. 153.) 15 
hat gegen diefe Deutung Einwendungen erhoben und an einen Zweig wie das Baregma 
der perfifchen Anahita gedacht. Ach muß aber geftehen, daß mir die Bedeutung des 
„Szepters” als Baumziveig nach den Abbildungen bei Gardner und den Berliner Münzen 
ſehr zmeifelhaft erfcheint. Zumeilen ijt diefer Stab mit Bändern ummunden. Ein 
Schwert (Gardner ©. 145) vermag ich in der Austattung der Göttin nirgends zu er: 0 
erfennen ; wohl aber hält die Göttin in der Negel oder immer, außer dem Stab ın der 
einen Hand, einen Gegenftand in der andern, der wie eine „patera“ (Gardner) ausſieht, 
jo auh auf der Goldmünze Kaneſchki's im Berliner Münzkabinet. Auf zwei neuer: 
dings befannt geivordenen Siegeln jpäter Zeit ft die Nana ſitzend dargeitellt, mit dem 
Halbmond über dem Haupte, einmal auf einem liegenden Löwen ſitzend (mit der Legende 35 
Dosıyodavo, |. Sunningham, Coins of the Later Indo-Seythians, in: The Numis- 
matic Chronicle, Series III, Bd XIII, 1893 ©. 128). Ich habe nicht Tonjtatieren 
fönnen, ob auf dieſen Siegeln neben dem Bild auch der Name der Nana fich findet. 

Cunningham (a. a. O., ©. 126f.) erkennt in dem Umftand, daß König Ooeſchki auf 
mehreren feiner Münzen einen Helm trägt mit einem daran angebrachten Halbmond, ein 30 
Zeichen feiner fpeziellen Devotion für die Mondgöttin Nana. Das ift nun freilich daraus 
noch nicht unbedingt zu fehließen, da auf den indojtothifchen Münzen nody eine andere 
Mondgottheit, unter dem Namen Mao, vorkommt. 

Pas den Namen der Göttin Nava betrifft, jo tit fein Zufammenhang mit dem ber 
babylonifchen Gottheit durchaus nicht außer Frage. Hoffmann (S. 157 ff.) hat darauf 35 
bingewiejen, daß, wie ım Sanffrit nanä „Mutter“ bedeutet, ebenjo ähnlich klingende 
Wörter in fehr verjchiedenen, vorzugsweiſe in indogermanifchen, Sprachen mit derjelben 
oder einer ähnlichen appellativen Bedeutung vorkommen. Es ſcheint ſich dabei zumeiſt oder 
überall urfprünglid um ein Wort des Kinderlallens zu bandeln. 

Mit einer einheimifch-indischen Bezeichnung haben wir es aber in dem Nava der indo: 40 
ſtythiſchen Münzen ſchwerlich zu thun. Indiſchen Urſprungs find audy die andern gleich: 
zeitig mit der Nava vorkommenden Gottesnamen der Münzen größtenteils, vielleicht ine- 

efamt, nicht. Als indischen Urfprungs iſt unter den Namen der Münzen mit Deutlich: 
eit nur Bovdo, d. i. Buddha, zu erkennen. Der neben der Nana abgebildete Ofro 
(v. Sallet S. 203) iſt troß feiner vier Arme, die ihm nach indischen Vorbild gegeben 4 
worden find, nicht indischer Herkunft. Hoffmann (©. 145) hat den Namen nad) Benfen’s 
Vorgang zweifellos richtig aus dem Merfiichen ale = Ahurö erflärt. 

Für die Herkunft der indoſtythiſchen Nava könnte von Bedeutung fein, daß auf den 
Münzen Kaneſchki's auch die jcheinbar gräcifierte Form Navara fich findet und daß auf 
den Münzen dieſes Königs die griechiichen Gottesnamen Ads und Zainyn (letzteres 00 
Gardner ©. 129), auf denen feines Nachfolgers Ooeſchki Adıo (v. Sallet ©. 200f.), 
Hoaxılo, Zapano vorlommen. Es liegt alfo, wie ebenfo aud in Bildern der indo— 
jEytbifchen Münzen, griechiicher Einfluß vor, und man kann etwa annehmen wollen, daß 
die Nana durch direft griechijche Vermittelung unter den unmittelbaren Nlachfolgern 
Aleranders des Großen in diefe Gegenden gelangt fei. Dem ift aber doch nicht ficher 55 
fo. Die Form Navara fünnte nämlich die Gräcifierung einer vorgefundenen Form 
Nava durd einen helleniſtiſchen Stempelfchneider fein, mie ſich auf demfelben Wege das 
griechische ZIAros neben dem andern Namen des Sonnengottes auf diefen Münzen, Muoo, 
ertlären läßt (Hoffmann ©. 155). Auch ivenn die Form Naveua auf den Münzen die 
urfprüngliche ift, jo könnte doch die Göttin etwa erit in fpäter Zeit mit gräcifiertem eo 


Namen in diefen Gegenden Aufnahme gefunden haben. Übrigens könnte andererjeits die 
Babyloniern 


orm Navasa eine denkbare urſprüngliche Form Nanaia bei den oder 
— Für verhältnismäßig ige Ei des 
Ge Tone 
eahm igs Eu ei 
v. Gutſchmid S. 45) über bis Indus. Su Daben Seit 
ven, dem fich ein A und ein Salkmen befindet weiſt dieſe Stine nad nadı ber 
bei Wilfon Taf. XXI n. 18) in parallelen Zeilen eg 
und NANAINY au (nal. v. Sallet &. 99; Gardner ©. 119). 


Belbnon un 
10 auch * — verbinden diefe Darftellung mit dem Bilde der Nana bei den me 


Küs auftc drLnfant, ha Die 


Fe zeigt, noch nicht dafür, daß auf deſſen —— — 


ge An Gottesnamen auf den Münzen der Turufchla-Könige find neben den iſchen 
zßtenteils iraniſche Gottheiten zu erkennen. Am deutlichſten iſt dies für den auf 
den Sonnengott zumeiſt angewandten nichtgriechiſchen Namen der Fall. 
beruht die 2elung Mio —— —“ —— Br aber = wirllich zu | 
Namensformen Miogo, po, 

»0 Mooo, (v. Sallet ©. 196. "Sof, Stein * 90), die — dem m Bild eines —— 
gottes gleich dem des 75 anderer Münzen vorlommen, gehen — 
berfichen Mithra zurüd. Die verbreitetften unter jenen Namensformen find 
M: Die erjtere entfpricht dem im fpätern Perſiſch —— Mihr für 
„of ©. 145), dem armenifchen Mihr, Merh, indem o für h Aa —— 

die Form Mihr, Merh ſ. de Lagarde, Gef. Abhandlungen, S . 293,5ff.; Arme: 
mifche Studien, 1877, ©. 105; über den armenifhen Gott |. IB. Emin S, 208f.; 
zer ©. 108). Die Form Muvo entjpricht dem indiſchen Lehnwort mihira „Sonne“ 
(Stun e. 2 ing a S. 834 Anmtg. 1). Auch die meiften andern 
namen der M en Benfey (Einige Bemerkungen über die Götternamen auf 

zo Inbofeptbiichen Win dbm& VII, 1854, ©. 450—467), Hoffmann (S. 15) und 
Stein (©, BA: Sort aus ber proaftrifchen Neligion nachgewieſen. — * aljo 
nabe, —— pm hen Urſprung zu denken oder 
eine iranifche Got Gottheit Nanaia oder Nana feine Spur findet, an eine Ver⸗ 
— — zbildern der Nana di rn Anabita erfennen 

ann bat ın den n er ie p e je: 

glaubt und Nava als einen ihr erſt auf indiſchem Boden geg en Beinamen au angejeben 
© 155). Daß Ay mit dem Halbmond % ildet wird, paßt allen ‚ge der nal ite 
rest [. dazu oben $ 1). Die tdbieura-Anahita trägt der Beichreibung 
—* Geſtalt im bee (Malt 5, 128) eine goldene Sternenkrone. t fönnte der 

0 Nimbus zufammenhängen, ber das Haupt ber a fr fr ber Han Nana — Das in 
feinen Details ſchwer zu erfennende „Szepter“, das fie in der bält, fünnte 2 
lichertweife dem Baregma der aveftifchen Anabita (Nait 5, 98. per abend, Den 






Bilde der armenischen Anabit oder Artemis —— man —— elus (ed.de La- 
garde ©. 14,56) dar oriuuara zal Önoeis vAddovs rar Öevdomm. it Das 
15 „Syepter“ der indo bien Nana bei * —— —— als Baumgiveig 
nur ein unzuderläfl nhaltspunkt für diefe Vergleich Der vereinzelt neben dem 
Namen ober dem — * der baktriſch-indiſchen Nangia— * vorfommende Löwe 
F — 5* lee ch nidyt an, erinnert dagegen an die öfters auf eimem 
oder 


— babyloniſchen, ſyriſchen und karthagiſchen Göttinnen (f. A. Atar: 
50 —* » II, ©. 176f.). Dat nad) Altan (De nat. animal. XII, 23) im Tempel ber 
naitis (I. "Avafrıdos ftatt Adarıdos) in Elymaia zabme Löwen gehalten wwurden, be 
ruhte offenbar auf der Verſchmelzung dieſer Analtis mit einer —— Göttin. Auf 
dieſe Mifchform könnte der Löwe der baftrifch-indifchen Nanaia-Nana zu 
Aber troß der Berührungen, die ſich eiwa zwiſchen diefer und ber A erlennen 
55 laſſen, iſt es wenig wahrſcheinlich, daß in der battriſch- indiſchen Nana —* Ana⸗ 
hita unter einem neuen ihr beigelegten Namen zu erkennen iſt. Die haben 
ſonſt auf ihren Münzen die Namen iraniſcher Gottheiten in —— beibehalten. 
Nach dieſer Analogie wäre das gleiche Verfahren auch zu erwarten dem Namen ber 
Anabita gegenüber. Da wir num fiher auf babylonifchem, . ſyriſchem und armeniſchem 
0 Boden einer Göttin Nanä, Nanai, Nanca begegnen, jo iſt mit einiger Beſtimmiheit anzu: 








Ranaia 641 


nehmen, daß der indoffythifche Gottheitäname Nana, der fi) unter andern weder ſtythi⸗ 
f noch indischen Gottesnamen vorfindet, ebenfo wie dieſe auf einer Entlehnung aus 
der Fremde beruht und in feinen Urfprüngen dem Namen der Nana von Erech entipricht. 
Dann wird meiter anzunehmen fein, daß die Namensform Navara auf den Münzen 
nicht eine exit in Baltrien oder Indien aus der andern Form Nava künſtlich gebildete 
Gräcifierung ıft, fondern direft oder indirekt mit der ſyriſchen Form des Gottheitsnamens 
Nanai zujammenhängt. Die Namensform Nava könnte daneben gleichfalld aus dem 
Weiten überfonmen jein, da die Göttin in Babylonien Nana heißt. Vielleicht aber ift 
dies Nava indifche Ausſprache für Navara, indem man dabei an das Sanſkritwort 
nanä „Mutter“ dachte. 10 

Nach Maſſon (a. a. O.) werden in Balutſchiſtan und in der Nähe von Kabul heilige 
Stätten (Zeärats) der „Bibi Nanni“ von Muhammedanern und Hindus verehrt. Maſſon 
pielt diefe Bibi Nanni für etiva identisch mit der indifchen Parbati. Das Wort bIbI 

edeutet im Hinduftani „Weib, Frau”. Es wird in der heutigen volfstümlichen Religion 
des nördlichen Indiens als Ehrenprädikat vor Namen von Göttinnen oder weiblichen 15 
Heiligen gejtellt (ſ. W. Croofe, An Introduction to the popular religion and folk- 
lore of Northern India, Allahbabad 1894, ©.132. 139). Aber für den Namen Nanni 
babe ich eine anderweitige Bezeugung nicht ermitteln fünnen. Daß bier ein Zufammen- 
bang vorliegt mit der Nanaia (wie nah Maſſons Vorgang Prinjep a. a. O., Wilſon 
S. 363, Laſſen S. 870f., Zenormant ©. 16 meinten), ift mindeſtens zweifelhaft, da näni 20 
un De) die Großmutter von mütterlicher Seite bezeichnet (vgl. Hoffmann ©. 155f. 
nmig. 1230). 

Auf dem Wege, den die babylonifch-fgrifche, vielleicht auch elamitifche, Nanä: 
Nanai bis nach Indien zurüdlegte und nicht zurüdlegen Tonnte ohne die Vermitte⸗ 
lung irgendeines Volkes, das nicht zu ihren urjprünglichen Verehrern gehörte, hat 25 
fie eine Bedeutung angenommen, die ıhr anfänglich fremd war. Die Iltar:Nand von 
Ereh und die Nanai der Syrer repräfentieren den Venusſtern, die indoſtythiſche Nana 
den Mond. Es iſt wohl möglich, ne bier eine Verjchmelzung mit der Anahita zu 
Grunde liegt, daß aljo iraniſcher Einfluß mit im Spiel ijt. Eine Verſchmelzung mit 
der Anahita anzunehmen, liegt um fo näher, als Kultus derfelben ſchon ın alten Zeiten 30 
in Baltrien beftanden zu haben fcheint. Nach einer bei Clemens Alerandrinus (Protrept. 
ec. 5, 65 ©. 57 ed. Botter) erhaltenen Angabe des Beroffus ftellte Artaxerxes II. Bilder 
ıjs ’‘Apooötıns Tavaidos, d. i. der Anaitis (Scaliger: 75 "Apoodiıns ts "Avaltıdos), 
an veridhiebenen Drten feines Reiches auf, auch in Baltrien, oder — wenn man ben Tert 
fo verſtehen will — er lehrte die Baltrer und Perſer dieſe Bilder zu verehren. Nach 3 
Einigen wäre in der aveftifchen Ardvigura-Anahita eine von Haufe aus baktrifche Gott: 
beit zu erkennen. 

Daß die Nanaia-Nana zugleich mit dem Kultus der zoroaftrifchen Gottheiten, 
bie mit ihr auf den inboftythiichen Münzen vorfommen, in „Indo-Stythia” auf- 
geflommen fei, findet Stein (©. 98) deshalb unmahrfcheinlih, teil fie auf der Münze 40 
mit dem Eukratides-Typus den zoroaftrifchen Gottheiten vorausgebe und ſich noch auf 
den Münzen des Bazodeo finde, „von denen alle wirklich zoroaftriichen Typen ſchon 
verschwunden” Seien. Dieſe Auffaffung wird für den Anfangspunkt richtig fein; für den 
Endpunkt ift fie bei der Unbeftimmtheit des „Bazodeo“ unficher. Iſt aber auch nur ber 
Anfang der Nana auf bafktrifcdyeindifhem Boden nicht gleichzeitig mit dem Auflommen 45 
der zoroaftrifchen Gottesnamen, dann find wir nicht unbedingt genötigt, jene auf dem 
felben Wege gelommen zu denken wie diefe und zwar um fo tveniger, als von einer 
Göttin Nana auf altiranifchen Gebiet nichts befannt ift. Als Vorbild der indoſtythiſchen 
Nana würde geographiihb am nächſten liegen die „Artemis“ von Elymais, wenn fie 
wirklich den Namen Nanaia trug. Aber tvern nicht etwa fchon früher, kann die Nana co 
in der Zeit der Arfaciven, deren Reich auch die Kultusorte der babylonifch-iyrifchen Nanä- 
— ebenſo gut von einem dieſer Kultusorte aus bis nach Baktrien ge: 
angt jein. 

Spezielle Beadhtung verdient vielleicht der Umftand, daß mie auf den Münzen der 
Turufchla-RKönige ſich Mioro und Nana als Sonnen: und Mondgottbeit entfprechen, ebenjo 65 
noch einmal diefe beiden Hottesnamen neben einander vorkommen, nämlich als Mihr und 
Nanda auf armenifchem Boden. Durch die Varther, die dem armenifchen Kultus jeine 
iranischen Beitandteile zugeführt oder vermehrt zu baben fcheinen, fünnten etwa aus Ar: 
menien die beiden Gottheiten dem fernen Oſten vermittelt worden fein. Die indofkytbijche 
Namensform Miooo fanden mir der allerdings nicht ausfchlieglih armenifchen Yorm 60 

RealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 41 


a 


643 Nanaia 


Mihr für das altperſiſche Mithra entſprechend. Bei dieſer Zuſammenſtellung darf aber nicht 
unbeachtet bleiben, daß der armeniſche Mihr nicht wie der iraniſche Mithra und auch der 
indoſtythiſche Mioro ſpeziell die Sonne repräſentiert. Der griechiſche Text des Agath 
angelus bezeichnet den Mihr als "Hnpauoros (ed. de Lagarde ©. 68,15; vgl. S. 140). 

6 Diele Gleichſetzung mit Hephailtos Tann doch wohl nicht, wie de Lagarde annahm, ledig: 
lich auf Unwiſſenheit und Millfür des Verfaſſers des griechiſchen Agathangelus:Textes 
beruben, da die Wiederkehr der Gleichfegung bei Moſes von Chorene zu zeigen fcheint, 
das fie feititebend war (Gelzer S. 137). Jedenfalls aber ift die Ramenelore Navaıa 
der Münzen der armeniſchen Form Nanẽa (menn dieje und nicht Nan& die richtige ift) 

10 ähnlicher alö dem Nanä der Babylonier und Nanai der Syrer, um von Dem — 
haften babyloniſchen oder elamitiſchen Nanaia abzuſehen. Sonſt iſt die Form Novaio 
nur noch aus der Stelle des Makkabäerbuchs bekannt. Schon Wilſon, der freilich von 
der babyloniſchen Nana noch nichts wiſſen und deshalb auch an eine elamitiſche Nand 
nicht denfen fonnte, hat einen direkten Zufammenbang der indoftythiichen Nana mit der 

15 armenifchen Göttin angenommen. Er ftellte fich jene vor als eingeführt durch einen wan- 
dernden Skythenſtamm, der fie in den Gegenden des Kaspifchen Meeres kennen gelemt 
hätte. Unmöglich ift diefe Annahme nicht, aber doch wenig wahrjcheinlich, da — fo viel 
ich ſehe — nichts Pofitives dafür fpricht, daß die on Skythen ſich in de 
Gegend des Kaspiſchen Meeres aufgehalten hätten. Wohl aber konnten aus dieſer Gegend 

30 durch Vermittelungen Götternamen zu den Skythen in Baktrien und Indien gelangen. 
Im Jahre 72 n. Chr. beſaßen die Hyrkaner den ſüdlichen Rand des Kaspiſchen Meeres 
und grenzten an ein von parthiſchen Königen regiertes Reich, das an die Stelle eines 
frühern Shothifchen in Salaftane getreten war und ſich bis an das Indusgebiet ausdehnte 
(v. Gutſchmid, Geſchichte Irans, S. 134F.). 

26 Jedenfalls wohl wird man — mag nun die inboffgthifche Nana aus Elam, aus 
Babylonien, aus Syrien oder aus Armenien gekommen fein — an die Parther als Ber: 
mittler zu denken baben. Parthifcher Einfluß zeigt fih in andern Erjcheinungen auf ben 
baftrifchzindifchen Dlünzen unverkennbar (ſ. v. Sallet ©. 49. 51. 140. 158. 167). Be 
rührungen zwiſchen den Barthern in Iran und den Skythen fanden ftatt nach dem Emm: 

30 bruch der Skythen in Baktrien. Er erfolgte vor dem Jahr 128 v. Chr., das aus einer 
chineſiſchen Duelle feftzuftellen iſt, wahrfcheinlih um 140 v. Chriſto. Berührungen der 
Skythen mit den Parthern fanden ferner ftatt bei der Gründung eines ſtythiſchen Reiche 
in Safaftene, die ebenfall® vor 128 Liegt (ſ. v. Gutſchmid a. a. O., ©. 71f. 113), 
und festen ſich im erften vorchriſtlichen Jahrhundert fort. Unter dem Arfaciven Vola⸗ 

36 geſes I, der etwa feit 53 v. Chr. König war, beftand in Oftiran und am Indus jene 
von partbifchen Königen regierte Reich (v. Gutſchmid ©. 129). Indiſch-parthiſche Könige 
find bis nach dem Jahr 78 n. Chr. bezeugt. Dies partbifchzindifche Reich mußte den Stythen 
weichen, als fie aus Baltrien nach Indien vordrangen (v. Gutſchmid S. 135 ff.). 

‚sreilich betreffen diefe Durch etwa zwei Nahrbunderte ſich bindurchziehenden Berüb: 

so rungen mit den Barthern twahrjcheinlich verichiedene Skythenſtämme. Aber bei irgendeiner 

derfelben konnte auf direftem oder indireften Wege durch partbifche VBermittelung die 

Höttin Nanaia dem Skythenſtamm der Kuſchan zugeführt werden, dem die Turufcta- 
Dynaſtie angehörte. 

Ebenfomenig wie über den Weg, auf welchem die Nana zu den Indoſtythen kam, 

#5 find wir unterrichtet über die Art, wie die Turufchla-Könige in fo meitem Umfang mit 
zoroaftrischen Gottheiten befannt getvorden find. Die Aufnahme zoroaftrifcher Gottet: 
namen bei den Indoſtythen erfolgte anjcheinend erft zu einer fpätern Zeit als die Über: 
nahme der Nana. Zoroaſtriſche Elemente machen ſich in den Müngbildern, fo viel ich 
(ehe, erit ſeit Kanefchki geltend, während jene Münze mit dem Eukratides-Typus und dem 

so Namen der Ylanata fraglos älter it. Als Kaneſchki König murde, müflen nad den 
Münzfunden und andern Nachrichten die Skutben ſchon lange Zeit, wie es fcheint etwa 
feit der Mitte des zweiten Nabrbunderts v. Chr., in Baltrien jehbaft geworden fein. Det 
balb wird wohl höchſtens in einzelnen Fällen anzunehmen fein, daß Die zoroaftrifchen 
Sottbeiten der indoffuthifchen Münzen einer in Yattrien einheimiſchen zoroaftrifchen Ne: 

65 ligionsform entjtammen. Es könnte dies fonft der Zeit nadı zutreffend fein für bie 
ſchon unter den Achämentden in Baktrien verehrte Anabita. Im allgemeinen aber ift, fe 
viel ich fehe, — und zwar ganz unabhängig von der frage nad dem baftrifchen oder 
nichtbaktriſchen Urjprung der zoroaſtriſchen Religion — nicht mit irgendwelcher Sicherbeit 
au erkennen, intvietveit Schon vor der Eajlanidenzeit die zoroaftrifche Religion in Baktrien 

wo zur Anerkennung gelangt war. 


Nanagia 643 


Zu dem Aufkommen zoroaſtriſcher Vorſtellungen bei den indiſchen Skythen gegen 
das Ende des erſten nachchriſtlichen Jahrhunderts iſt zu vergleichen die Beobachtung, daß 
ſich bei den Parthern ſeit der Mitte dieſes Jahrhunderts „Rückgang des Hellenismus“ 
und ein „Erſtarken der orientaliſchen Reaktion“ in der Barbariſierung der griechiſchen 
Legenden auf den arſacidiſchen Drachmen und in dem Aufkommen von Legenden in Beh: 5 
letoifchrift neben dem Griechifchen zeigt (ſ. v. Gutihmid S. 125). Da die Parther allem 
Anschein nad zoroaftrifche Religionsvorftellungen nad) Armenien vermittelt haben, fo 
cheint mir nichts im Wege zu Stehen, fie auch für die indifchen Skythen in der gleichen 

ermittlerrolle thätig zu denken. 

Wil man die zoroaftriichen Götternamen der Indoſkythen weder in Baltrien vor- 10 
gefunden noch durch die Parther vermittelt denken, fo müßte man annehmen, daß fie 
direft aus der Perfis entlehnt feien, mo mährend der ganzen Arſacidenzeit einheimifche 
Fürſten vegierten, die fih nad) ihren Münzen die Pflege der zoroaftriichen Religion an: 
gen en fein ließen (f. v. Gutihmid ©. 156 ff.). Allein es iſt nach den vorliegenden 
E brichten faum anzunehmen, daß die Turujchla:Könige oder ihre Vorgänger mit der ı5 
eigentlichen Perſis in Berührung getreten find. 

Die meines Erachtens beſtehende Mahrfcheinlichkeit, daß die Parther den Skythen 
Boroaftrifches vermittelten, Tann als Analogie zu Gunften der Annahme fprechen, daß aud) 
die Göttin Nana auf dem gleichen Wege zu den Indoſkythen gelommen fei. Sollte aber 
die Schon öfters erwähnte Münze mit dem Eufratides-Typus (deren Yundort ich nicht zu 20 
ermitteln vermag) einer Zeit angehören, ehe die Arfaciden mit den baftrifch-indischen 
Gegenden in Berührung getreten waren, jo müßte man mohl annehmen, daß ſchon burd) 
griechifche Vermittelung die Göttin Nanaia-Nana in diefe Gegenden gelangte. Sp weit 
ich darüber urteilen darf, giebt die Münze bei ihrem „barbarifchen” Charakter zu diejer 
Annahme feine Beranlafjung. Eufratides regierte feit etwa 175 v. Chr., und i. %. 14035 
werden die Baktrer zum legten Mal als jelbititändiges Volt genannt (ſ. v. Gutihmid ©. 52). 
Die Münze ift alfo, fofern fie baktriſch iſt, wahrſcheinlich aus der Zeit nad) 140. 

Der Weg, auf welchem die Nanata-Nana nad) Indien gelommen it, ift noch dunkel. 
Daß fie aber zulegt dem Urſprung nad) mit der babylonifchen Nand zufammenhängt, 
fcheint mir nicht zweifelhaft zu fein. Es wäre doch ein fehr merkwürdiges Spiel des 30 
Zufalls, wenn in Babylonien oder Elam eine babylonifche und vielleicht elamitische 
Göttin Nand oder Nanai, Nanaia, griechiſch Navala, mit der Anabita verjchmolzen 
wurde und vollftändig unabhängig davon im Indusgebiet eine der Anghit mindeſtens 
ähnliche Göttin ebenfalls Nava und daneben auch, geradeſo wie dort, Navara genannt 
worden wäre. Bei den Berührungen in der Vorftellung der beiderjeits mit dem gleichen 35 
Namen benannten Gottheiten (hier und dort: Mond und Löwe) wird die Identität des 
Namens auf fprachlichem und geichichtlihem Zufammenbang beruben. Es wäre denkbar, 
F auch das Prädikat schao „Königin“, das die indoſtythiſche Nana führt, zurückgeht 
auf die Bezeichnung der babyloniſchen Sitar-Nand als „Herrin der Länder” (vgl. oben 
$ 3 die Nanai ald „die große Göttin der ganzen Erde‘). 40 

6) Nana in Phrygien und Athen. Mit Hoffmann (S. 157) kann man Be: 
denken haben, ob ſich auch nad Weiten bin von Babylonien aus der Gottheitename 
Nand ausgebreitet habe, ob nicht vielmehr der in Phrygien und im Piräus vorkommende 
Gottheitsname Nana eine nur zufällig an die babylonifche Nana erinnernde Benennung 
einer Göttin ald der „Frau“ oder „Mutter“ repräfentiere. 4 

Nah Arnobius (Adv. nat. V, 6 S. 178 ed. Reifferſcheid; zu dem Tert |. Hoff: 
mann ©. 156 Anmkg. 1233) trug die Mutter des Attis den Namen Nana (vgl. V, 12 
©. 185). Arnobius unterfcheidet jte von der Magna Mater, d. i. der Kybele. An der 
Richtigkeit der Namensüberlieferung wird nicht mit de Lagarde (der in feinen Armenifchen 
Studien, 1877, ©. 190 Nara oder Anara „ranatapfel” Torrigierte), zu zweifeln fein, bo 
da Ndvas und Ndvvas als männlicher und weiblicher Eigenname bäufig in phrygiſchen 
und andern Heinafiatifchen Inschriften vorfommen en ©.157). Dafür, daß die 
phrugiiche Nana zu femitischen Kulten in Beziehung ſteht, Spricht ihre Kombination mit 
dem GSranatapfel. Nach der Erzählung bei Arnobius wird Nana ſchwanger von den 
Früchten des Granatbaums; er ift erwachſen aus dem Blute des Agdeitis, der von Div: 65 
nyfo8 des männlichen Gliedes beraubt worden. Der in Alien heimische Granatbaum, 
der mit den vielen Kernen jeiner Apfel ein Bild der Fruchtbarkeit iſt, ſcheint der 
Aftarte heilig geweſen zu fein. Jedenfalls ift der Granatapfel in der Ornamentik des 
Salomonifchen Tempels cin heiliges Zeichen (f. Baudiffin, Studien zur femitifchen Ne: 
ligionsgefchichte II, 1878, ©. 207 ff). Daß Paufanias, der die felbe Gefchichte wie @o 

41* 


O2 ronain man Tem des Öranatapfelbaums einen 


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—— — mim oo „I 2» "m. — Attie. III, 1, n. 131). Der 
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mon um wem, 7 Arcrzs und Joſephus, bel. 
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. . mim. 2. mn, m STtomamand (Yucas, Beyer: 
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⁊ FE —* 2c Vraditkat xıola zu⸗ 

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On zrze ss Mondgöttin odır 
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.. sm rerden iſt und Die arme 


.: 5 Re weit freilid auf 
Sredung wirklich aufred: er⸗ 
. = Me Anabit:Artenis und Ne 
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_ Eu ze, wohl identiſche aid 
zentrale wäre an eine Nermitte 
„ zen Ereb nach Phrygien un 
araa Kermittelung zu denken. Die 
=, is nacht einen direkten Zujamnen: 
- Ta ten oder Nane oder mit der iv 
" nimnittelbar auf Die babylonifche und 
. j RAbriſen. 
=. ai "E raendwo Sicher bolljogen worden 
or wer it, laßt ih nicht mit Sicherheit 
> | ‚zero ale Die Man zu bejtimmen it. 
- m ag „er den Achämeniden oder Arſaciden 
Tasaett, daßk don Dort aus mit oder ohne 
— Tale * Artemis-Nana, d. h. vermutlich 
— An un Zuiammmenfchmelzung auf babnle: 


— u _ 


Nanaia Nantes 645 


nifchem Boden fann um fo eber gedacht werden als nad) dem Zeugnis des Beroſſus bei 
Clemens Alerandrinus (Protrept. c. 5, 65 ©. 57 ed. Potter; vgl. dazu oben 8 5) 
Artarerres II ein Bild der Analtis zu Babylon aufftellte. 

Das einzige Zeugnis dafür, daß die Göttin von Elymais Nand oder Nanaila) hieß, 
bleibt die immerhin problematifche Ausfage von 2 Mak 1 über die „perfiiche” Nanaia 
in Kombination mit dem feilfchriftlichen Bericht Ajurbanipals. — Die ficher begeugte 
Reihenfolge der Apres Nava im Piräus, der Nana bei den Phrugern, der Nlanda 
bei den Armeniern, der Nanai bei den Syrern und der Navara-Nava bei den Indo—⸗ 
finthen hängt, wie mir zuletzt doch unverkennbar zu fein fcheint, in ihrer Gefamtheit zu: 
ſammen mit der babyloniſchen Nanä und ftellt einen Beleg für meite Ausbreitung einer 10 
babylonifhen Gottheit dar, welchem fich andere analoge fo leicht nicht an die Seite 
ftellen laſſen. Wolf Baudiſſin. 


Nantes, Edikt von. — Der Tert des Edikts 3. B. bei Aguesse (f. unten) Bd IV 
©. 601 ff. Briefe und Aften in M&moires et correrpondance de Duplessis-Mornay, Bd 6 ff. 
Paris 1824. (Benoist) Histoiro de l’@dit de Nantes, 5 Bde, Delft 1693—95; ©. v. Polenz, ı5 
Geſchichte des franzöſ. Calvinismus, 3. Bd, Gotha 1864, S. 772 ff.; L. v. Ranke, Franzöſiſche 
Geſchichte, 2. Bd, 2. Aufl. 1857, ©. 42 ff.; L. Aguesse, Histoire de l’&tablissement du 
rotestantieme en France, 4. Bd, Baris 1886, S. 557 ff.; vgl. den Art. Du Pleſſis Bd V 


Bei feiner der romanischen Nationen fand die Reformation fo viel Empfänglichkeit, 20 
wie bei den Franzofen. Es gab bald feine Provinz und faum eine größere Stadt, wo 
fih nicht Heine evangelifche Gemeinden bildeten; 1559 fchloffen fie fich zu der reformierten 
Kirche Frankreichs zufammen, ſ. den A. Franzöſ. Glaubensbelenntnig Bd VI ©. 230. 
Aber unendlich ſchwer wurde es diefer Kirche der Minorität gemacht, die Anerkennung 
ihres Eriftenzrechtes der katholiſchen Majorität abzuringen. Es bedurfte Jahrzehnte langer 25 
Bürgerfriege, um Schritt für Schritt Boden zu gewinnen: endlich 1589, als die fran: 
zöfiiche Krone an den Führer der Hugenotten, Heinrich von Navarra, überging, ſchien jede 
weitere Gefahr überwunden. Da ftellte der Übertritt Heinrichs zur katholischen Kirche 
1593 alles von neuem in Frage. 

Heinrichs Abfall von der reformierten Kirche war nicht durch religiöfe Motive be- so 
dinge. So gewiß er nur deshalb möglich war, weil die Religion im Leben dieſes 
Fürſten niemals das beherrfchende Moment gemwejen it, jo gewiß iſt er ausſchließlich 
durch politiiche Erwägungen herbeigeführt worden. „Es ilt, jagt Ranke I ©. 568, nicht 
die ganze Wahrheit, aber es iſt etwas Wahre daran, wenn Heinrich feinen Freunden 
erflärte, er bringe feine Überzeugung feiner Pflicht zum Opfer.” Er glaubte, daß die 35 
Beruhigung Frankreichs, die Übicherherftellung des politischen Gleichgewicht in Europa 
ohne feinen Übertritt zum Katholicismus ihm nicht gelingen werde. Deshalb waren die 
Befürchtungen, welche die Hugenotten an den Abfall des Königs knüpften, grundlos. Er 
würde den Zived, den er bei feinem Übertritt im Auge hatte, verfehlt haben, wenn er 
ih zum Werkzeug der katholiſchen Berfolgungsfucht gegen den Proteftantismus hergegeben 40 
pün. Wie feine politiiche Überzeugung den Übertritt zum Katholicismus forderte, fo 
orderte fie auch, daß er der reformierten Kirche cine ſichere Exiſtenz im Staate verichaffe. 

Im September 1593 verfammelten jich die Deputierten der reformierten Kirchen zu 
Mantes; fie erneuerten mit der Genehmigung des Königs die Union ihrer Kirchen und 
ſchwuren leben und zu ſterben in ber Verteidigung ihres Glaubens. Im nächſten 4 
Jahre hielten fie ihre Synode in Montauban. Dort beichloß man den Zufammentritt 
einer politischen Verfammlung aus allen Provinzen, um die Anterefjen der reformierten 
Kirchen zu vertreten. Sie fand noch im gleichen Jahr zu Sainte Foy Statt. Bisher war 
Heinrich IV. der Broteftor der Hugenotten gewefen. Die Verſammlung von Sainte %oy 
erflärte, daß er nach feinem Abfall vom reformierten Glauben dieſe Stellung nicht bei- 50 
behalten könne. Deshalb gaben ſich die Reformierten eine Verfaflung, die fie in den 
Stand ſetzte, ihre echte felbjt zu verteidigen. Es ward ein allgemeiner Rat eingefeßt, 
welchem alle Autorität in Religionsſachen zukommen und unter deſſen Oberaufficht alle 
Provinzen Stehen follten. Er beitand aus zehn Dlitgliedern, je eines für jede Provinz, 
vier Adelige, vier aus dem dritten Stande und zwei Geiſtliche. Ferner wurden Provin⸗ 55 
ztalräte ernannt, aus fünf bis ſieben Mitgliedern beitebend, deren einer wenigſtens ein 
Geiſtlicher fein follte. Tiefe Organtfation leiſtete große Dienſte; fie zeigte die Macht 
der Hugenotten ihren Feinden und bildete ein feltes Band um alle Kirchen. Der König 
war nicht ohne Bedenken, legte ihr aber jchlieglich Fein Hindernis in den Meg. 


Nantes 


„2: Ienammndlung wurde 1595 in Zaumur gebalten. Zie forderte vergeblich 
: zrmierten Rultus im Nönigreich. Grit der Verſammlung, Die im Jabre 
.n itattfand, gelang es durch Geduld und Feſtigkeit, Die proteſtantiſche 
a2 Zen Ausgang entgegen zu führen. Die Schwierigkeiten waren ſebr 


zz 2.’ gotn Der Nechte der Proteftanten hatte erfauft werden können, von der 


zz Me ver allen daran bielt, daß man mit Nom in guten Verhältniſſen 


; 0 Arrormterten, Die nicht gefonmen waren, von ibren Forderungen abzu: 
az m znaurberlih durch Geſandte und Bittichriften bedrängten. Aber die Re 


‚an czunm nicht nach, bis ihren ‚sorderungen genug geſchah. Sie ſandten vine 


nenn und bejchlojfen, ſich nicht aufzulöjen, che nicht ein endgiltiger 
zz hr der Die Rube der reformierten Mirchen Jichere. 

>>, Veriammlung jeine Antwort ertvartete, bemühte ſich Du Pleſſis Mornay 
. „emmen, Daß er, Das einzige Mittel ergreifend, welches aus dieſer uner: 
„nm ren konnte, einige friedlich geſinnte Katholiken als Geſandte nad You: 
0.2. Dr Dieie zögerten, wollte Die Verſammlung die Gemeinden beivaffnen 

edungsutund ſetzen. Es brauchte nicht weniger als die Weisheit und 
.. Rernaps, um „ihr den Weg zu zeigen, der fie dem gewünfchten Ziele ent: 

rem, ebne zum Außerſten zu fommen“, nämlich um fie zu bewegen, die An: 
. naaden GGeſandten zu erivarten. Tiefe trafen endlich in Youdun ein; es waren 
> ot und Calignon, der eine fatboliich, der andere reformiert (Mornay VI, 


re. Me Vorichläge, Die ſie mitbrachten, nicht geeignet waren, Die Reformierten 


sa a man dennoch an, zu unterbandeln. Da aber Heinrich IV. nicht ge 


rzugeben, und Da andererfeits Die Neformierten in nichts von ihren 
woilenen wollten, jo ſchien es, als ob dieſe Angelegenbeiten nie könnten 
der Und doch würde der König bei einer baldigen Beendigung bir 
an Soul gefunden baben. „Wenn der König,” jchreibt Mornay, „ver: 
dus Me Verſammlung einen feinem Intereſſe nachteiligen Entſchluß faſſe, 
os, bre Yage zu ordnen... Sie ftreben nicht nach dem Befige des 
a ah einem Teile Desfelben; für ſie iſt die Religion Urſache und nidt 


nad, Se verfolgen feine abenteuerlicen Zivede, fie begehren nur, was jedem 


and tt, Die Zicherbeit für ſich jelbit und Die Erhaltung des Staates.“ 
or si Leichwichtigen, indem man den Neformierten die Ausführung di 
\ate ID zuſagte. Allein Das genügte der Werfammlung nicht. Nach 
vn sun dem Hofe näber zu fein, empfand Die VBerfammlung bald beilen 
nriiun und beeilte ſich daber, ſich nach Saumur zurüdzuzieben. Tie Unter: 
Bactien iort, als Die Nachricht von der Einnahme von Amiens durch dir 
en Die adeligen Führer Der Hugenotten, Die Herzoge von Bouillon und 
währt, die Gelegenheit benützend, nach den Waffen greifen, um dem König 
atsehrlt, welches er verweigerte. Aber Die Deputterten wieſen Diefe Anſchläge 
nut Wunſch,“ ſchrieb Mornay an den König, „it, daß man fie als 
it und treue Unterthanen anjeben und bebandeln möge; übrigens ind 
RXrreidigung des Staates, das Teuerfte, was fie befigen, zu den Füßen 

a wßitiulegen”. Die Verſammlung bezweckte einfach die Gewiſſensfreibeit; 
site Bartet, jondern eine Kirche, Das wußte fie, und Darum wollte Sie 
vg ei Krieg anfangen; aber aud nicht für ihn, jo lange ibre religiöſen 
ti rel, „Mit tiefem Bedauern ſehen wir,“ fo jchrieb fie an Heinrich, 
nei den alten Feind Diefes Reiches mit unferem Yeben nicht beiftchen 
nn begebren, betrifft durchaus unentbebrlihe Dinge: die Religion, 
spirit nicht wohl [eben können, Die Gerechtigkeit, ohne welche es den 
nee ucht moglich ift, zu beſtehen“ (Mornay VII, 189). Mornap billiate 
Sur wußte, Daß, wenn fie nachgäben, es nur nacteilige Folgen für 

or war aber der Meinung, daß jede Partei von ihren Forderungen 

ww. damit man ſich deſto cher vereinbaren Tünne Der König, ber 
nah zeigte ſich nadigtebiger, als ihn Mornay überzeugte, daß es 

ae sebr ot thun“ (Mornay VIL, 199), und ihn bat, „feinen Ab- 
antitibt zu gebe, um die gerechten Forderungen der Neformierten 

Sa VII, 208) Die Gemüter berubigten ſich nad und nad und 

Aiuten zwiſchen Dem Yager vor Amiens und der zu GChätelleraut 
enneslilll Fortgefeßt werden. Während der Tauer Der Belagerung 


Rantes 647 


wurden die Deputierten mehrmals durch Gerüchte über den Frieden mit Spanien in Be: 

forgnis gejeßt. Sie wußten, daß derfelbe nur auf ihre Koften würde geſchloſſen werden; 

fie machten die königlichen Abgeordneten hierauf aufmerkfam, ſowie auch darauf, daß es 

dem König nur vorteilhaft wäre, ivenn er fie befriedige, indem ihm danı ihre Hilfe zu: 

gejichert jet und fie die Beendigung des Krieges bejchleunigen müſſe. Aber Amiens 5 
wurde ohne fie erobert. Diefe Begebenheit ivar entjcheidend. Nun zeigte ſich Philipp IL. 
zum Frieden geneigt. Die Ausfiht auf Frieden aber wirkte auch auf die Unterhand- 
lungen zwifchen dem König und den SHugenotten günſtig. Gegen Ende des Jahres 
1597 waren beide Parteien über die Hauptartikel eines Edikts einverftanden. Der Staats: 
rat machte wohl allerlei Schwierigkeiten, der König ſelbſt wollte fih mandye Privilegien 
vorbehalten, aber die Neformierten beharrten auf ihrem Begehren, und mittelſt einiger 
Konzeffionen erhielten jie endlich da3 jo lange gewünjchte Edikt. Als Heinrich IV. auf 
feinem Zuge nach der Bretagne in Tours anfanı, empfing er dafelbjt die Gefandten der 
VBerfammlung Am 2. Mai 1598, an demfelben Tage, wo der Friede in Vervins ge: 
fchlojjen wurde, unterzeichnete er dann das Edikt in Nantes. 15 

Das Edikt von Nantes bewilligt den NReformierten nicht viel mehr als die vorher: 
gehenden ; die Stellung, die fie durch dasfelbe erhalten, ift von der der Katholiken immer 
noch fehr verſchieden. Die Zahl und die Gewalt geben dem Rechte voran, und die, 
welche Die Mebrbeit und die Macht nicht für ſich haben, find nur im Intereſſe des 
öffentlichen ;yriedens geduldet. Man wird nicht erivarten, daß das Edikt die Kultus 20 
freiheit zugeltehe, die Neformierten hofften e8 auch nicht; fie freuten fich fchon, „daß die 
Religion freier fein und daß in den Gerichten einige Gerechtigkeit bereichen würde.” Sie 
erhalten kaum die Gewifjensfreiheit. Diefe ohne die Kultusfreiheit iſt aber nur ein 
Icheinbarer Gewinn, bejonders wenn dazu noch die bürgerlichen und politifchen Rechte 
nicht diefelben find für alle Nach dem Edikt ift es den Reformierten erlaubt, im ganzen » 
Reihe zu leben und zu wohnen, ohne daß man fie zu irgend etwas beivegen oder zwingen 
könne, das gegen ihr Gewiſſen wäre, und de daß man fie wegen ihrer Religion an- 
fechten dürfe in denjenigen Orten, wo ſie fich niederlaffen werden. Es iſt beiden Parteien 
verboten, ſich gegenfeitig ihre Kinder zu rauben ; die von proteftantifchen Geiftlichen ge- 
tauften Kinder dürfen nicht wieder getauft werden. Dies fcheint eine vollitändige Frei: zo 
beit zu fein; allein fie iſt beſchränkt durch die Privilegien, welche der Tatholifchen Re— 
ligion zuerlannt werden, und dur den Mangel der Kultusfreibeit. Der katholiſche 
Gottesdienit ijt im ganzen Weiche wieder hergeitellt, die Kirchen und die Güter werden 
der Geijtlichfeit zurückgegeben; die Neformierten find verpflichtet, den Prieſtern den 
Zehnten zu entrichten, die Feſt- und Faſttage zu beobachten, während der Faſten fein 35 
Fleiſch zu verlaufen, fich den römiſchen Chegejegen zu unterwerfen. Die öffentliche Aus: 
übung ihres Gottesdienjtes ift ihnen bloß in eiviffen durch das Edikt beftinmten Ort: 
Ichaften geftattet. Es ift allen Adeligen, welche die hohe Gerichtsbarkeit bejigen, erlaubt, 
in ihren Schlöfjern Gottesdtenft zu halten, ebenjowohl für fih und ihre Familien als 
für ihre Untertbanen und alle, die daran teilnehmen wollen. Den Übrigen wird der: 40 
felbe nur für fih und ihre Familien bewilligt; es dürfen jedoch bis 30 Perfonen  bei- 
wohnen. An den Orten, die ſich unter der Gerichtsbarkeit eine® Tatholifchen Herrn 
befinden, ijt deijen Erlaubnis notwendig. Der Gotteödienft iſt ferner geitattet in allen 
Orten, wo er in ben Sahren 1596 und 1597 bis Ende Auguft ausgeübt ward. Cr 
wird erlaubt oder hergejtellt in allen Orten, wo er jtattfand oder ftattfinden follte gemäß 4 
dem Edikte von 1577, den geheimen Artifeln und den Konferenzen von Nérac und 
De e8 ſei denn, daß die Ortichaften im Befis von Tatholifchen Herren feien. Er ift 
erner in jedem Gerichtsbezirke (Bailliage, Senechaussee, Gouvernemens tenans 
lieu de bailliage) in einer Vorjtadt, einem Flecken oder einem Dorfe gewährt. Er iſt 
verboten in Barıs und in einem ui von fünf Stunden, in den füniglichen Armeen, su 
ausgenommen in den Duartteren der reformierten Heerführer. Es iſt den Neformierten 
erlaubt, Kirchen zu bauen und die, welche ihnen während des Krieges waren entrijjen 
worden, wieder in Belig zu nehmen. In allen Ortichaften, two der öffentliche Gottes- 
dienft ausgeübt wird, iſt erlaubt, Bücher zu druden und zu verkaufen. Ohne Anjehen 
der Religion find die Schulen, Unwerfitäten, Spitäler allen geöffnet, und werden unter 66 
alle die öffentlichen Almoſen ausgeteilt. 

Die Artikel, gegen welche der Nat des Königs am meiſten Schwierigkeiten erhob, 
find die, welche fi) auf die Amter und die jogenannten balbgeteilten Kammern (Cham- 
bres mi-parties) bezieben. Heinrich IV. jeßte es dur, Daß alle Beamtenſtellen den 
Heformierten zugänglidy wären. Was die Gerechtigfeitspflege anbelangt, erhielten fie er 


⸗ 


0 


648 Nantes 


endlich, was mehrere Edikte ſchon bewilligt hatten, was war ausgeführt worden, 
eine Ramıner 28) Gil (hambrs PET wilde übe er. bie Sronefe 


aba ie ‘ 
LLITETLET. KK TI - 
{ 
abjla MELLIMITE 
1 
J9 A r 
sic. 






Kam Den | IE tet in Endlich4 
alle Rechnungen der politischen mmlungen, jeit der von Mantes, in der Nechnungs: 
29 fammer * h alle Ungefeblichkeiten, deren fid die Verfammlungen 

fchuldig gemacht haben 1 fönnen, „find vergefien. 

Dem Edikte find Reformierten günftige gebeime —— bei Es werden 
ihnen darin außer sh * Edilts noch mehrere Orte Gottesdienft 
zn Für die Beftimmung all diefer Ortichaften mr föni — 

t, a zioifchen zwei oder drei von den Neformierten vo — lagenen 

en follen. Da die Verträge mit den Liquiften alle zum Vorteil 

fehleffen worden waren und dadurch wiele Neformierte der Wo 
edens beraubt wurden, beftimmen die —— Artikel eine gewiſſe Anzahl ı 
two dieſe Wert ige nicht anwendbar fein jo Io Der auf die Beamtenftellen bezügliche 
30 Artikel des Edikts foll überall ohne Ausnahme ausgeführt werden. D Tenigen — 
welche nur probif ſch or bis auf weitere Verordnung gültig waren, 
diejenigen dagegen, nr r eine bejtimmte Zeit geichloffen waren, jolle 
Nr eit durch das von Nantes erjeßt werben. Die — das 
Recht, Konſiſtorien, Kolloquien, Provinzial: und er —— halten, Schulen 
ur eröffnen in den Städten, wo fie Steuorn zu erbeben für 
en Unterhalt der Geiſtlichen, die Kojten der, ee uf. w. 

Zu diefen Artikeln fügte ‚IV. zwei Brevets hinzu. Durch das — 
er ben Reformierten 45000 T ler für ihre Ausgaben, durch das andere 
daß die Sicherheitspläße, welche fie am Ende Auguft 1597 inne hatten und in we ei j) 

10 jie Garnifonen unterhielten, während adıt Jahren von ihnen unter Oberberric 
bejegt bleiben follten. Für bie Befoldung der Befasungen giebt er en 29000° I le 
in der Daupbine tourben ihnen 195000 Thaler bewillt h Heimich IV. behält 

die Plätze zu betimmen, indem er dazu reformierte Rometfierien zu Rate 

erlaubt er, daß dern Mitglieder der Verfammlung von Ghätelleraut in Saumur, ie 















15 Verifitation des Edikts durch das Barifer Parlament zurüdbleiben, um deſſen Ausfübrung 
zu “Shen ef 
erjieht aus dem Testen Artikel, daß man den Wi 


iberftand ber 
tete. Und jo geſchah es auch. Im Jahre 1598 war noch lange alles —— 
uchte no J Jahre, bis nach mancherlei Schwierigkeiten das Edilt überall 
50 — war; das Parlament von Rouen verifizierte es — nach ſeiner Form und 
einem Inhalt erft im Jahre 1609. Überdies war der Tert des Ebiltes, das von ben 
menten einregiſtriert wurde, in mancher Hinſicht von * des 
Bis zur Seit, wo Heinrich es unterzeichnete, waren es die Neformierten, die durch ihre 
Bebarrlichfeit und ihre Drobende Haltung gewiſſermaßen ihn dazu zwangen ober 
55 den Widerſpruch der Katpolifen nicht auffommen ließen. Won da an aber * ur 
—— — — * Ayers Senat der mit feiner Gewalt 
tt, um den Wi nd ber Gerichtsböfe und der Geiftli —— — 
da er endlich in ſeinem Lande von allen anerkannter Herr Beten 


feinen Willen N welchen er bei anderen Gelegenbeiten nicht zu ini ei 


0 Es war vorauszufeben, daß die Barlamente und die Geiftlichfeit mit dem 






Nantes 649 


unzufrieden fein. Der Klerus hatte gegen jeden Artikel feine Einwendungen zu machen. 
Die Parlamente widerſetzten ſich beſonders den halbgeteilten Kammern und der Zulafiung 
zu den öffentlichen Amtern, weil dadurch ihre Privilegien beeinträchtigt wurden. Das 
von Paris änderte das Edikt in mehreren Punkten: in die Chambre de l'édit jollte 
ftatt ſechs reformierter Mitglieder nur eines zugelaffen werden; die Sibe der Erzbiſchöfe 5 
und Bilchöfe wurden von den Orten, wo der öffentliche Gottesdienft ftattfinden follte, 
ausgenommen. bie Klaufel, welche fi auf das Taufen der Kinder bezog, wurde ge: 
fteihen; den Reformierten wurde verboten, ohne die Einwilligung des Königs allgemeine 
Synoden zu halten. Außer diefen bedeutenden Veränderungen gab es nod) andere minder 
wichtige und die fich weniger auf das Allgemeine bezogen. Nach diefen Anderungen Tann 10 
Anquez (Histoire des assemblées politiques des Reform&s de France, Paris 1859) 
allerdings das vom Parlament modifizierte Edikt als ein zmweites anſehn. Die Verifizie⸗ 
rung fand erft ftatt, al3 der König das Parlament dazu nötigte. Anftatt aber deſſen 
Widerſtand in einem Throngerichte (lit de justice) zu brechen, ließ er die anfehnlichiten 
Mitglieder der verichiedenen Kammern zu jih kommen und empfing fie ganz einfach im 
Hauskleive. Er erklärte ihnen, es fei fein feiter Wille, daß das Edikt ohne Verzug 
angenommen werde; er erinnerte fie daran, daß er es jei, der den Staat wieder her: 
geftellt, ihn mit dem Frieden beglüdt, und daß er entichloffen fei, denjelben zu erhalten; 
was er gefchrieben, das wolle er auch ausführen. „Er wußte fo durch Geduld und Über: 
jeugung zu erlangen, mas man anders dem Einfluß feiner Gegenwart hätte zufchreiben zu 
Önnen”. Die anderen Parlamente folgten bald dem von Paris. Es gab allerdings hie 
und da einigen Widerftand, allein der König fette das Edikt überall dur, bald durd) 
fein bloßes Wort, bald durch feine lettres de jussion. Zu den Deputierten des Ge⸗ 
richtshofes von Bordeaur fagte er: „Sch habe ein Edikt gemacht und will, daß es aner: 
fannt werde”. Zu denen von Touloufe: „Es ift fonderbar, daß ihr euern Starrfinn nicht 
ändern fünnt... Ich will, daß die von der reformierten Religion im Frieden in meinem Neiche 
leben, daß fie den Zutritt zu den Amtern haben, nicht meil fie von der Religion find, 
fondern weil fie meine und des Staates treue Diener geweſen“. Mit der Verifizierung 
des Edikts war indeſſen noch nicht alles abgethan, es mußte auch ausgeführt werden. 
Letzteres koſtete ſowohl dem König als den Neformierten die meifte Mühe. Die 10 De: 80 
putierten waren bis Ende 1599 in Chätelleraut geblieben, troß des Befehles, ſich nad) 
Eaumur zu begeben, und nachdem das Edikt in Paris verifiziert wäre, fich zu trennen. 
Die Kirchen wollten fi) mit dem Edikt, fo wie es von den Barlamenten ivar angenommen 
worden, nicht begnügen; fie waren nicht gefonnen, etwas von dem nachzugeben, was ihnen 
der König zu Nantes bewilligt hatte. Für den Augenblid wollten fie wohl auf die Lage 35 
Heinrihs IV. Rüdficht nehmen, aber nichtsdeſtoweniger behaupteten fie ihre Nechte, in 
der Hoffnung, daß der König fie doch zuleßt zur Anerkennung bringen würde. Die Ver: 
fammlung fandte Abgeordnete an den Hof, um dem König ihre Beichtverden vorzutragen; 
unter anderem bemerkte fie, daß ungeachtet des Ediktes die Kammern nicht in der feit 
gejegten Friſt von ſechs Monaten waren eingefegt worden. Heinrich jedoch gab auf die ww 
meilten Klagen feinen Beſcheid; nur in Bezug ur wenige Artifel gab er den Neformierten 
insgeheim einige Zuficherungen. Die Schwierigkeiten waren demnach nicht befeitigt. Unter: 
deſſen hatte man in einigen Gegenden angefangen, das Edikt einzuführen. Es wurden 
dazu vom König Rommifjarien ernannt, je zwei für jede Provinz, ein Tatholifcher und 
ein reformierter. Überhaupt war man zufrieden mit der Art, wie dieſe ihren ſchwierigen 45 
Auftrag erfüllten. Es gab im ganzen nur wenig bedeutendere Streitigkeiten, und menn 
e3 den Kommillarien nicht gelang, die Parteien zu vereinbaren, appellierten diejelben an 
den König, welcher in den meilten Fällen zu Gunften der Proteftanten entichted. Ta 
dies alles aber nur fehr langſam geſchah, fo hielten 08 Die Deputierten nicht für ratſam, 
fih zu trennen. Sie verlegten ihre Verfammlung nad Saumur, wo Wlornay Statthalter co 
war, „um leichter feines werfen und beilfamen Rates zu genießen“. Von dort aus jandten 
fie Abgeordnete nah Paris, um darüber zu wachen, daß Feine neuen Veränderungen 
mehr am Edift vorgenommen würden, und um deſſen Ausführung zu bejchleunigen. Diefe 
legte Einrichtung mißfiel dem König, und da er die Verfammlungen nur ungern ſah, 
weil fie, wie er meinte, nur zu Unruhen Anlaß geben könnten, befabl er den Deputierten, 55 
ich zu trennen und zukünftig feine neuen Verſammlungen zu balten. Die Neformierten 
widerfirebten fo lange fie fonnten; fie erlangten, daß ſie h 


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ich in Ste Foy im Oktober 
1601 verſammeln durften, um ſogenannte General-Deputierte zu ernennen, welche am Hofe 
refidieren follten; es wurden deren zwei gewählt, ein Adeliger und einer des dritten Standes, 
Diefe Deputierten empfingen die Beſchwerden der Provinzen und trugen fie dem Könige vor * 





650 Nantes Narrenfeft 






Schon im re 1604 konnte Mornay an la Fontaine England jchreiben: 
en Rihen Yefinben fih, durd; Gottes Gnade und unter - — Wohlthat der u 
‚in einer Lage, die fie nicht Luſt haben zu verändern. Das 


wird, In, t; lä 
son ne zit ohne — 10 logge Fee man Ara en 


re fo hört man auf unfere lagen, oft auch bilft man diefen 


itesd Orten näher ober bequemer hoäre, 
daß ah ui | ni m an kn ein un Ainten; vielleicht wäre es = 
Könige lich, ſowie au m ienften F 
ıo alles iſt Die zu wünfchen, nicht Bea ni) er ne 


Naogeorg j. Kirchmeyer Bd X ©. 196 ff. 
Naphthali ſ. d. A. Galilia Bo VI ©. 338,5 ff. 


Narde. — Bgl. Celsii hierobotan. II, 1 Dfen, N. G. IL 2, © ; Laſſen, 
Indiſche Altertumst. I, ©. 288f., Riehms, —— : &.1072 (mit Abbildung); Bin, Aram. 
15 Bilanzennamen 316; Lenz, Botanif, 465 ff. 


Narde, 772, vdodos, hieß ein im ganzen Altertum (Polyb. 31, 3,2; Horat. od. 
2, 11,16; Tibull. 2,2, 7: 8,6, 3 u. ;) und jo bei den Hebräern — 
4 ‚13f) ‚Hodigefhägtes Aroma, von dem «8 mehrere befiere und een gab 
Das te, ungemein fojtbare (Plinius berechnet den Preis eines ed der beiten 

20 auf 400 und mehr Denare) Narbenöl (vgl. Me 14,5) wurde und bereitet 
aus der Wurzel und dem unmittelbar über derjelben fich erhebenden, hart 1 tele 86 
Stengels einer im nördlichen und öſtlichen Indien, nad Strabo 16, 4,25 aud) in Süib- 
arabien und Gedrofien (15, 2,3), auf Anböben und Ebenen wachfenden Pflanze, die 
zum Geſchlechte der Valeriana gehört und daher im Syſtem mit ihrem bengalifch 
2: Val. Gätämänsi (= —— eflecht) bezeichnet wird. Sie kommt noch heute — 
bis zu 14000° über dem vor und dient dem Mojcustier zur Nahrung; man 
nennt fie auch spiea nardi (von der Ähnlichkeit der Murzeltriebe * einer gegrannten 
Ahre) und nardostachys gatamansi. Schon ihre Blätter verbreiten einen angenehmen 
Geruch, dal. Strabo 15, p. 695; Plin. Hist. Nat. 12, 25sq.; Dioseorid, 1, 6 um 

s0 die * rakteriſtiſche Erzählung bei Arrian. Alex. 6,22, 8, aus der fid) ergiebt, ß eben 
die Phönifen es waren, durch welche diefes köſtliche roduft in den des | 

— aud nad) Baläftina — fam. Die ewöhnliche ardenſalbe — man | 
indifchen befonders die ſyriſche, vorzüglich qut in — angefertigt, Athen. 
auch die afjprifche und babyloniſche genannt, die galliihe und kreten | 

35 übrigens in einer Mifhung von Ölen vieler zum Teil ebenfalls zu den — 
ehörenden aromatiſchen Pflanzen (Plin. H. N. 13, 1, 15). Sie wurde gewöhnlich in 
fleinen Alabafterbüchschen bezogen (Horat. od. 4, 12, 17; Athen. 15, p. 6f un 
14,3) und in NRiechfläfcheben (nardi ampulla, Petron. satyr. 78) Abi 
bloß als Salbe wurde fie ruf fondern man würzte damit auch ben Wein 

0 mil. glor. 3, 2, 11; Plin, Hist, Nat. 14, 19,5) und tranf das dp Athen. 

. 689. Daber "wollten einige Ausleger den Ausdruck vdodos zur, Me 4. er 
klären: „tinkbare Narbe“, was dann Bezeichnung einer —— — 


















müßte. peen verdient doch die gewöhnliche Erklärung durch, N“, 
glaubhafte“ N, noch immer den Vorzug, da fie ſich etpmolpgifeh — nis "bie —— 
u ven läßt, "bei ſolchen Kunſtwörtern des Handels aber einige des Aus- 


drude nicht verwundern darf. Mit olcher köftlichen Narde falbte —— Betba 
den ge ſechs Tage vor dem Pascha, wie auf fein na orftebendes Begräbnis 
(Jo 12, 1ff.), denn eben aud zur Bewahrung vor der Vertvefung wurde dieſes 
eivandt (evangel. inf. arab, e. 5). Der Name „Narde“ ift übrigens aus dem 
&0 kit t zu erklären, weift alfo ſchon auf die eigentliche” Heimat der Pflanze bin; er foll be 
deuten „buftgebend‘“ (nala-dä). (Nitetfchi m Rittel, 






Na — Du Cange editio nova, 1885, sub ceryula 2, 277E£., Kalendae 4 481 ff. 
vetula 8, 2975, "abbas Co orum 1, 14; Du Tifliot, Memoires pour servir A Y'histoir 
de la fäte des Foux qui se faisoit autrefois, dans plusiens sglises, Lausanne et € * | 

>» 1741; Dürr, De e puerorum vulgo vom Schul-Bischoff bei Ant. Schmidt, Thesaurı 
juris "ecclesiastici, Bin Inderg 1744, 1744, Bb3, ©,58—83, Bt. für Philof. und tath. Zeologie, 


— Narrenfeſt 651 





























a5, Sn 11, Seft 3, 161-180; Scheible, Das Kloſter, 7. Bd, 25. Zelle, S. 26 ff.; 
eulſchen Mythologie 2, S. 465 ff.; Anton Springer, Paris im drei: 
t, Leipzig 1856, S. 66 ff.; Schneegans in Ztihr. für Kulturgeſch. 1858, 3, 
urn lte, Archenlexikon 4, S. 1396 ff. DchA 1, ©. 393 ff.; Alexander Tille, 
| te ber beutichen Weihnacht, Leipzig 1893, aud) englifch 1899, ©. Aff., 31ff. (fehler: 5 
Eid, Ichief, ſuffiſant). 
De mittelalterliche Narrenfeft, festum stultorum, fatuorum, follorum, fete 
Dux, ober bejjer die firchlihen Narrenfefte find ein Fulturgefchichtlich überaus 
anter Beleg für die Feſtigkeit, mit der volfstümliche religiöfe Feſte auch nad) 
en Untergange der zu Grunde liegenden religiöfen Anschauung ſich behaupten, denn 
erde diefer Feſte gehen Ieglih zurüd auf altrömifchen Feſtbrauch und alt: 
ae Wolksalauben. Sie find nichts anders als das altrömifche Saturnalienfeft in 
ehlichem Gewande. — In altkirchlicher Zeit galt die Teilnahme an den 
alien für ebenjo verpönt, wie die Teilnahme an anderen heidnifchen Feſten. 
wohl fehlte es ſchon um die Wende des 2. und 3. Sahrhunderts nicht an Chriſten, 
ie renden dieſes Feſtes nicht entbehren zu fünnen glaubten (Tertullian de 
e. 14). ber weitere Kreife der Chriftenbeit beteiligten fich Doch daran erit 
Fr rohen Mafienbefehrung im 4. Jahrhundert. Im Dften mußten ſchon Chry- 
Frmus (Hom.,. in Kal. Opp. ed. Montfaucon I, 854ff.) und Aſterius von Amaſea 
Fam 4 MSG 10, 215 ff.) gegen diefe Unfitte auftreten, im Welten —— (Pos- : 
Fe indieulus c. 1 und Sermo 127, 128: Opp. 5, 1, p. 1311ff.), Maximus von 
Zus (Hom. 16, MSL 57, 253 ff. iventifh mit Pfeudo-Ambrojiug Sermo 7, Opp. 
Frei ed. Maur. 8, 98 FF), Petrus Chryſologus von Ravenna (Sermo 155 MSL 
re). Am Abendlande fuchte man dem Unweſen dadurch zu fteuern, daß man 
Se Famuarkalenden und hie und da auch die nächſtfolgenden Tage zu kirchlichen Felt: : 
a erflärte (val. die Predigt des Marimus), dann audy dadurch, daß man die Ka- 
m als Erinnerungstag an die Beichneidung Chrifti zum Firchlichen Feiertag erhob 


Am: €. 18 Tours 567, MG Concilia p. 126. und d. A. Neujahr). Vergeben?! Das 
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IE Tieh fidy gerade dies derblujtige Narrenfet nicht nehmen. Statt allmählich in Ver: 
renheit zu geraten, fand e8 im 6. und 7. Jahrhundert auch bei den chriftlichen Weit: zu 
* , ben dhriftlicdyen Franken, den chriſtlichen Alemannen und, wie es ſcheint, ſogar bei 
llichen Angelſachſen Eingang. Wie Cäſarius von Arles (Vita I, c. 55 SS rer. 
Merovw. III, p. 179, Sermo 129, MSL 39, p. 2001f., fo mußten aud das Konzil 
en Hunene (ec. 573—603, e. 1, Coneilia p. 179), Eligius von Noyon (Vita II, c. 16 
#5 rer. Merov. IV, p.705f.), Birmin von Reichenau (Dieta c.22 ed. Gajpart, 35 
Krcbenbiit. Anekdota I, ©. 172), Ggberbt von York (vgl. Excarpsum c.8 84, 
Sabban-Stubbs, Couneils III, p. 424) gegen die Unjitte kämpfen, an den Kalenden 
De Hanuar in Hirichmasten, Tierfellen, Frauenkleidern aufzutreten und mächtige Trink— 
ae abzuhalten. Im 8. und 9. Jahrhundert wurden daher die Saturmalien nicht nur 
Nom (val. Bonifaz epist. 30? MG EE III, p. 301 und die Antivort des Papftes u 
Hadsarias ebenda nr. 31, p. 304 ff.), ſondern aud im Frankenreiche noch überall vom 
le aefeiert (vgl. Chrodegang von Meß, regula, MSL 89, 1090, Burchard von 
burg bei Panzer a. a. O. II, S. 165f., Poenitentiale Halitgari, iudieium 
 poenitentis 36, Schmit, Bußbücher 2, ©. 256 Regino de synodalibus causis I, 
©. 215 MSL 152, p. 231). Noch im 10. Jahrhundert jah fih Atto von Vercelli ver: 45 
 anlapt, Dagegen zu predigen (Sermo 3, MSL 134, p. 43 und Capitulare c. 79, 
A f.), und noch zu Begimm des 11. Jahrhunderts glaubte Burdard von Worms, 

ı daber vorfommenden Ausfchreitungen jteuern zu müſſen (Decretum XIX, c. 5 
MSL 140, p. 965). indes bat es doch den Anfchein, als jei das Feſt bei dem Volke 
 bamals allmählich im Vergefienbeit geraten. Da bat der ——— der es ſo lange so 

eneraiich bekämpft hatte, es vor dieſem Schidjal bewahrt, indem er es zu einem ſpezifiſch 

Heritalen Seite erbob. Schon frühe muß die Sitte aufgefommen fein, daß die einzelnen 

itlihben Stände und Gruppen je einen beitimmten Tag nad Weibnachten als ihr 
eujabrfeit begingen: die Diafonen den Ztephanstag (26. Dez.), die Priefter den Johannis— 

ag (27. Dez.), die Knaben den Tag der unfchuldigen Stindlein (28. Dez.), Die Subdiafonen 65 
den Neujahrstag oder das Epipbanienfeft oder den 11. Januar. Bon diefen Feten find 
das Feſt der Kinder und das ‚seit der Zubdiafonen in fpäterer Zeit befonders aus: 
ildet worden. Tas Feſt der Kinder entwickelte ſich zu einem echten Kinderfeft. Einer 
Dom: oder Stiftsjchüler wurde zum Kinderbifchof (Apfelbiſchof) gewählt. Er bielt 

im bischöflichen Ornat des Offizium, wobei die übrigen Knaben in die oberſten Chor: en 


— — 


652 Rarrenfeft 


ftühle fich fegten, während die Stiftöherren und Vikare in den niedrigften Pla nabmen 
(fo ſchon 1136 in Straßburg vgl. Grandidier, Essais sur la cathödrale de Stras- 
bourg I, 72 und Schneegang a. a. O.). Kamen fchon bei diefem Feſte mancherlei Aus- 
ſchreitungen vor, fo waren diefelben bei den Feſten der Briefter, Diafonen und Eub: 
5 diafonen bereit im 12. Jahrhundert die Negel. Das Felt der Subdiafonen nennt ſchon 
Johann Beleth (Diöcefe Amiens) in feinem Rationale divinorum officiorum.c. 72 
MSL 202, p. 79, vgl. aud) ec. 120 ebd. p. 122 ff. um 1180 festum stultorum. Aud 
die Subdiafonen wählten bei diefer Gelegenheit einen Biſchof, den fie mit Gefang und 
und Prozeffion in die Kirche geleiteten. Dort wurde derfelbe mit dem  bifchöflichen 
10 Ornate bekleidet und hielt cine Meſſe. Die bibliichen Leftionen wurden dabei cum 
farsia rezitiert, Beifpiele bei Du Gange sub farsia. Auch trug man feine Bedenken 
durch ſchmutzige Lieder und Reden den Spaß zu erhöhen. Ya, es fam bisweilen jo: 
gar in der Kirche zu blutigen Schlägereten. E3 gereicht der Kurie zu hoher Ehre, daß fie 
alsbald den Kampf gegen dies Unweſen aufnahm. Der päpitliche Legat Peter von 
15 Capua war der erfte, der dagegen einjchritt. Auf feinen Befehl unterdrüdte das Barifer 
Domkapitel 1198 menigftens die fchlimmften Mißbräuche (vgl. Cartulaire de Notre 
Dame de Paris I, p. 72--75 Collection des Cartulaires de France t. 4). Sn: 
nocenz III. verbot dan 1210 grundfäglidy die Narrenfefte der Priefter, Diakonen und 
Subdiakonen und Innocenz IV. fette 1246 auf jedes Dunnberhanbein gegen dieſes 
20 Verbot die Strafe der Erfommunilation. Allen diefe Verbote machten ebenfowenig 
Eindruck, mie der Erlaß des Bifchofs Peter von Paris vom Jahre 1208 und die Be 
chlüffe des Barifer Konzils von 1212 und des Rouener Konzild® von 1214 (die Kanone 
find identisch Teil 4 ce. 16 Hefele 5, 871). Die Narrenfefte der Kleriker behaupteten fid, 
insbefondere das Narrenfeit der Subdiafonen. Ja, im 14. Jahrhundert wurde das Ritual 
25 diefer ;Feitlichkeiten bie und Da genau aufgezeichnet, fo 3.8. 1365 in der Diöcdle 
Viviers, vgl. den Auszug aus dem Caeremoniale Vivar bei Du Gange sub voce 
Kalendae. Es fam fogar vor, daß der Narrenbifchof durch das geiftliche Gericht „im 
Namen des Waters, des Eohnes und des hl. Geiſtes“ genötigt wurde, feinen Wäblern 
den üblichen Schmaus zu geben, vgl. die Gericht3urfunde aus der Diöcefe Viviers von 
30 1406 ebend. Diefe Konnivenz der Tirchlichen Behörden trug natürlich nicht dazu bei, den 
Geiſt des Feftes zu veredeln. Die Kleriter erfchienen in der Kirche dazu Ende de 
14. Jahrhunderts nicht bloß in Tiermasfen, fondern au als Weiber, Zubälter, Gaulle 
verkleidet. Anftatt mit Weihrauch räucherten jie mit Blutwurſt oder altem Ztiefelleder. 
Statt der Nefponforien fangen fie ſchmutzige Lieder. Statt der Hoſtie genoffen ſie am 
35 Altar fette Würſte. Auch vergnügten fie fich während der kirchliche Syeier mit Würfel: 
jpiel und führten zum Ergögen der Zufchauer fehr unpafjende Neigentänze auf. Falt 
noch ſchlimmer waren die Prozeſſionen, die ſich an die Firchlide eier anſchloſſen. 
unge Leute produzierten fich daber wohl im Adamskoſtüm und juchten den Pöbel durd 
unanftändige Gebärden und Reden zu amüfieren! — Hatte einjt die Kurie dergleichen 
40 Ausschreitungen zu Steuern gefucht, fo agitierte jeßt dagegen zuerjt die Erbin ihres Ein: 
fluffes im fatholifchen Europa, die Pariſer Univerfität. Dann erlich das Basler Konzil 
am 9. Juni 1425 ein Tategorifches Verbot (Sessio 21, c. 11 vgl. Hefele, Konzilien 
nefchichte 7, S. 596 ff). Als auch das nichts half, richtete die Pariser tbeologifce 
Fakultät am 12. Mai 1444 eine Encyflifa an fäntliche Biſchöfe Frankreichs, in der ſie 
45 ſchleunige Unterdrüdung der klerikalen Narrenfeite forderte. Aber auch dieſe Enchklila 
hätte ſchwerlich etwas gefruchtet, hätte nicht König Karl VII. von Frankreich durch Ver: 
ordnung vom 17. April 1445 die weltliden Behörden angewieſen, dieſe Feſte nicht mehr 
zu geitatten. So find die klerikalen „Saturnalien” — wenigſtens in dem Lande, wo 
fie die größte Holle fpielten — Schließlich durch die weltliche Obrigkeit abgefchafft worden. 
50 Bei den Felte des Rinderbifchofs waren fo ſchlimme Ausfchreitungen nur vereinzelt 
borgefommen. Darum wurde es auch im 13. Nabrhundert von den Päpften nicht ver: 
boten und von den Bifchöfen in der Kegel geftattet. Nur das Konzil von Cognac — 
1260 c. 2 vgl. Hefele 6, S. 66 — glaubte es ganz unterdrüden zu müſſen. Meift 
aber begnügte man fich damit, e8 von den eingefchlichenen Mißbräuchen zu reinigen, jo 
55 1271 das Konzil von Salzburg (e. 17 Sefele 6, ©. 170) und 1279 Lohn Pedbam, 
Erzbiſchof von Canterbury (Milfens, Coneilia II, p. 38). Das Konzil von Baſel 
beſchloß dann auch, Dies Feſt im Bereiche der ganzen abendländifchen Rirde abzufchaffen. 
Aber diefer Beſchluß fand nirgends Beachtung. Erft im 16. Jahrhundert wurde der 
„Kinderbiſchof“ auf den britischen Infeln, in Frankreich, in Spanien, in den proteftan- 
eo tiſchen Gebieten Deutjchlands verboten, vgl. Zt. f Phil. u. kath. Theol. NE 11 a. a. O. 


Rarrenfeft Rafiränt 663 


Aber hie und da 3.8. in Köln hielt fich die eier bis ind 17., ja vereinzelt, z. B. in Reims 
und Mainz, bis ins 18. Jahrhundert. Erſt dur) die Fransötifche Revolution tft diefer 
legte Reſt der mittetalterlihen Saturnalien auch in feinen legten Zufluchteftätten ver- 
nichtet worden. H. Böhmer. 


Narther |. d. A. Kirchenbau BP X ©. 782, 9f. 6 


Rafiräat. — J. G. Carpzov, Apparatus hist. crit. Antiquitatum s. Codicis (1748), 
p. 151; J. D. Michaelis, Mofaifhes Recht (1777), III, 18ff.; 9. Ewald, Geſchichte des 
Boltes Israel*, II, 560 ff.; und Wltertümer ©. 113ff.; 3.8. Saalfhüg, Archäologie der Hebr. 
(1855) I, 228f.; H. Vilmar, Die ſymboliſche Bedeutung des Naziräergelübdes, THStH 1864, 
S. 438 ff.; Köhler, B. Geſch. AT, I, 419ff.; 3. Grill, Ueber Urjprung und Bedeutung des 10 
Nafiräergelübdes IvrTh 1880, ©. 645 ff.; Oehler, Theol. des AT’, ©. 473ff. Vgl. überhaupt 
die Handbücher zur Altteft. Theol. von Schulg, Smend, PDillmann, und zur hebr. Archäo- 
logie von Keil, Nowad, Benzinger, ſowie die Artt. „Nafirder” im Realwb. von Winer, 
Denke Bibelleriton, Riehms Handwörterb. und Hamburger, Encyklopädie des Judentum? 
„S. 786 f. 16 


Der Naftränt ift in Israel eine althergebrachte religidje Weihe, melde, von Mann 
oder Weib freiwillig übernommen, gewiſſe Enthaltungen auferlegt, nämlich ſtrengſte Ent: 
fagung vom Genuß beraufchenden Getränk, völlige Vermeidung der Berührung mit 
einem Toten und Beibehaltung des unverfürzten Haarwuchles. Der religiöje Charakter 
tritt fehon darin hervor, daß Jahveh den Entichluß zu folchem Gelübde wedt (Am 2,11) 20 
und daß der Nafir als Jahveh Gemeihter gilt ("> AT Nu 6, 2). Das Wort TI, Na: 
firäer, ſelber bedeutet nicht: gekrönt (durch fein volle® Haar), fondern: durch Enthaltung 
abgejondert, geweiht, woraus ſich die allgemeinere Bedeutung eines durch befondere Würde 
auögezeichneten Gen 49, 26; Dt 33, 16 ableitet. Richtig erflärt daher der Talmud 
AT duch map, Abfonderung; f. die Stellen bei Garpgov, Appar. ©. 151f. — 26 
Solche Weihe und Enthaltung fommen teils als lebenzlängliche vor, teild auf beſtimmte 
Zeit, für welche man ſich bejonderem Umgang mit Gott weiht. Erfteres ift der Fall 
bei Simfon und Samuel; ähnlich) bei Johannes dem Täufer Le 1,15, wo aber vom 
Haarwuchs nicht die Rede. Diefe Beifpiele zeigen, daß jchon die Eltern, vielleicht auf 
höhere Weifung, ein Kind vor feiner Geburt zu diefem Weiheſtand beſtinimen fonnten, 30 
wobei die Mutter bereits jene Enthaltungen auf fich zu nehmen hatte Ri 13,4. — In 
der Miſchna Sota 3, 8 wird freilich nur dem Vater, nicht der Mutter, geftattet, einen 
Sohn zum Nafir zu beftimmen. Auch der Talmud unterjcheidet übrigens jene beiden 
Kategorien der Iebenslänglichen und der temporären Nafiräer: 397 TI und DER ar . 
Doch macht er noch einen Unterſchied zwiſchen dem gewöhnlichen Ca "1: und dem ss 
Simſons-Naſiräer Miſchna Nafir 1,2: Der lebtere darf fein Haar niemals kürzen, der 
erftere dagegen die Laſt feines Haares erleichtern, wobei er drei Stüde Vich als Opfer 
darbringen fol. Wenn er jich verunreinigt hat, foll er das gefeliche Opfer Nu 6,9 ff. 
bringen. Dagegen jet der Simfons-Nafiräer im Fall der Verunreinigung dazu nicht ver: 
pflichtet, weil Simſon Ri 14, 8f. feines gebracht hat. 40 

Die befondere Art diejer Enthaltung und Weihe bedarf einer näheren Beleuchtung. 
Der Genuß des Weines ift fonft dem Israeliten erlaubt und findet fogar bei den gottes⸗ 
dienstlichen Mahlzeiten reihlih Play. gl. ſchon 1 Sa 1, 13ff. Im Nafträat tritt ung 
eine ftrengere Anſchauung entgegen, melde diefen Genuß gänzlidy vermeidet. Wein 
und alles beraujchende Getränt (7% in diefem allgemeinen Sinn) durfte der Geweihte 45 
nicht anrühren, auch nicht Eſſig aus Traubentvein oder gegohrenem Fruchtfaft, ja nicht 
einmal frifche oder getrodnete Trauben fojten Nu 6, 3). Durch dieſe Entfagung follte 
er fich die volle Nüchternheit und Geiftesfraft für den Dienit Jahvehs beivahren. Alle 
Luft, die den Menichen zum Umgang mit Gott unfähig oder desfelben unwürdig machen 
könnte, foll gänzlich abgejchnitten fein. Zu vergleichen tft, daß auch die Prieſter während so 
ihrer Dienftzeit fich des Weins zu enthalten haben Le 10,9. Es jpielt aber auch eine 
uralte purijtifche Auffaſſung der ſemitiſchen Nomaden herein, wonach der raffinierte Genuß 
von Wein u. dgl. wie andere Verfeinerungen, welche die Kultur gebracht hat, von Übel 
it. Bon diefer Eeite ber iſt die Abjtinenz den Rechabitern Jer 35, den Nabatäern 
Diod. 19, 94 und den Anhängern Muhammeds zu einer religtöfen Pflicht geworden. 56 
Die Verwandtſchaft mit der Priejterregel hinwieder tritt auch darin zu Tage, daß ber 
Nafır gleich den Hohenpriefter (Xe 21, 11) die Berührung mit Toten ſchlechthin zu meiden, 
alfo auch an der Trauer um die nächjten Verwandten ji) nicht zu beteiligen hatte Nu 


654 Rafiränt 


6, 6f. Er trägt eben den Seiligkeitscharafter an fich (6, 8). Miſchna Nafır 7, 1 werden 
denn auch Hoherprieſter und Nafir zufanmengeftellt und die Frage erörtert, welcher 
von beiden fich eher verumreinigen dürfe. Zur Verwandtſchaft des Nafträats mit dem 
Prieſtertum vgl. auch Philo, de vietimis 3 13; Maimonides, More Neboch. 3, #8. 

; Einen befonderen Dienſt am Heiligtum fchloß das Gelübde des Naſir nicht in fi. Ba 
Samuel (1 Sa 1, 11) fam diefer Dienft als befonderes Gelöbnis hinzu; aud die am 
Heiligtum dienenden Weiber (Er 38, 8; 1 Sa 2,22) find nicht als Naſiräerinnen bezeichnet. 
Eimfons Beifpiel zeigt den Nafir ohne derartige Verpflichtungen, weiſt allerdings auch 
ale merkwürdigen KRontraft auf zivifchen der Weihe des Standes und der ganzen Xebens- 

10 haltung. 

Die zweite Hauptregel neben der Enthaltung von beraufchenden: Getränk ift für 
den Wafir das ungeichorene Haupthbaar. Diefes iſt Jahveh geheiligt und darf nicht 
durch ein Schermeſſer entweiht werden. Analoge Vorftellungen anderer Völker zeigen, 
dag man im ftetig tachjenden Haar eine göttliche Triebfraft wahrnahm; das Er: 

15 zeugnis diefer göttlichen Lebenskraft foll nicht gejchwächt und durch ein menſchliches 
Werkzeug fünftlich gemindert werden (vgl. als Analogie die Entweihung des Steines Cr 
20, 25). Der volle Haarwuchs iſt aljo das Zeichen der Weihe (MT2 Er 6,7) auf dem 
Haupte des Nafir, bei Eimfon die Bedingung wi Gotteskraft. Auch der im Sabbath: 
und Jobeljahr unbefchnitten wachſende Weinſtock heißt Nafir Le 25,5. 11. — Te 

20 temporäre Naſiräer hat fein Haar, jo lange die Gelübdgzeit dauert, wachjen zu laflen; 
beim Ausweihungsopfer aber es in die Flamme unter dem Friedensopfer zu merfen. 
Sit ihm aber während der Weihezeit eine mit dem Gelübde unvereinbare Verunreinigung 
begegnet, fo bat er fein Haar zu ſcheren und die MWeihezeit nochmals von vorn zu be 
ginnen, nachdem er zur Sühnung gewiſſe Opfer, zwei Turtel oder junge Tauben, ge 

25 bracht hat Nu 6,9 ff. Miſchna Themura 6, 4 jchreibt vor, dad Haar des VBerunreinigten 
jet nicht zu verbrennen, fondern zu vergraben. Das Haupthaar wurde alfo, wenn im 
Heiligtum verbrannt, als eine Art Opfer angejehen, das vom eigenen Leibe Gott dar: 
gebracht twurde. Ahnliches begegnet oft bei verwandten und fernerjtehenden Völkern. 
Sp dürfen die muslimifchen Melfapilger vom Augenblid, wo fie das Gelübde der Mall 

3o fahrt übernehmen, bis zur Ankunft am Ziel ihr Haar nicht fcheren. Dort wird es 
ebenfall8 an beiliger Stätte verbrannt. Siebe meine Algen. Religionsgefchichte ©. 370; 
über Haaropfer der Semiten im allgemeinen Robertson Smith, Religion of the 
— 1894, ©. 328ff.; Wellhauſen, Reſte des arabiſchen Heidentums?, 1897, 
S. 123f. 149. 

35 Das Geſetz Nu6 beſchäftigt ſich nicht mit dem ganzen Brauch des Naſiräats, 
ſondern regelt ihn nur, ſoweit er für die Kultusordnung in Betracht kommt; deshalb iſt 
bier nur des temporären Gelübdes gedacht. Außer den oben erwähnten Beitimmungen 
für den Fall einer Verunreinigung wird bier namentlidh (6, 13ff.) dag am Schluß der 
Weihezeit Darzubringende Opferceremontell angegeben. Sowohl ein Brand: als ein Sünd— 

10 und ein Friedens- oder Gemeinſchaftsopfer (mit Webe) famt Zubehör find dabei gefordert. 

Siehe über deren Bedeutung den A. Opfer. Nachher darf der Ausgeweihte wieder Wern 

trinken. 

So bedeutet der Naſiräat eine völlige Hingabe in den Dienſt des Herrn. Man 
beachte übrigens den Unterſchied dieſer altisraelitiſchen Askeſe von der ſonſt gewöhnlichen, 
die im heidniſchen Indien auf die Spitze getrieben wurde, aber auch auf chriſtli 
Boden (nicht ohne alle Berechtigung nad) Ausſprüchen Jeſu über das Faſten und Stellen 
wie 1 Ko 9,27) die übliche it. Hier bat die Enthaltjamfeit den Zweck, den finnlichen 
Leib zu dämpfen, damit der Geiſt übermächtig ſei; dort foll fie im Gegenteil dazu 
dienen, dem Leibe die ungeſchwächte Vollfraft zu erhalten für den Dienft Gottes. 
ri Nachdem ſich der Nafiriat dur die ganze Geſchichte Israels hindurch erhalten 
batte, fand er im nacherilifchen Judentum, das zur Askeſe neigte, bejonders reichliche 
Pflege, wobei freilich das äußerliche gefeglihe Thun den Meiſten die Hauptjache fchten. 
Man gelobte, zeitweilig ſich dieſer Enthaltung zu unterwerfen, beſonders wenn man fid 
in Krankheit oder ſonſt in Not befand (Sof. Bell. Jud. 2, 15), eine Neife unternabm 
(Miſchna Nafir 1,6) u. dgl. Oft geſchah das Gelübde aud) in Unbefonnenbheit, 3. 3. 
bei Beteuerungen („ih will Naſir fein, wenn .. .“, weshalb es eine ganze Kaſuiſtik der 
Sefegeslchrer darüber gab, welche Formeln mirklih bindend feien, welde nicht. ©. M. 
Naſir 1f. Bejonnene Lehrer warnten vor unbefonnenen Gelübden diejer Art, fo Simeon 
der Gerechte; ſiehe oft, Gefchichte des Judentums 1857 LI, ©. 171. Doch fehlte es 
co auch nicht an ſolchen, die durch ihren erniten Sinn und Wandel diefem Stand ber 


4 


ri 


Ei 


Nafiränt Natalis 655 


Nafiräer Ehre machten. Dahin gehören Geftalten wie Kohannes der Täufer, Jakobus 
der Gerechte (Hegelipp bei Eufeb. Kirchengefch. II, 23), bei welch leßteren noch weiter: 
ehende Askeſe (Enthaltung von Fleifch) damit verbunden war. — Eine befonderg cifrige 
Nafirderin war die jüdische Proſelytin Helena, Königin von Adiabene. Siche Han: 
burger, Enc. II, 373. — Philo nennt den Nafiräat 9 ueydAn eüyn de ebriet. Si. 6 
Auch der Apoftel Baulus hatte Beziehungen zu diefem Gelübde, was nicht befremden 
darf, da er den Juden ein Jude fein wollte und bei aller Betonung der Freiheit ın 
Chrifto der Askeſe nicht durchaus abgeneigt war (1 Ko 9,27). Zwar AG 18, 18 ift 
fraglich, ob die Worte „nachdem er in Kenchreä (fein Haupt) fich gefchoren hatte; er 
hatte nämlich ein Gelübde” auf Paulus gehen follen oder auf Aquilas. Auch Scheint es 10 
ſich Hier nicht um ein eigentliches Nafiräatsgelübde zu handeln, da die Haarſchur nad) 
deifen Vollendung am Heiligtum von Serufalem bätte vor ſich gehen müſſen und au 
bei einer Verunreinigung nad) talmudiſcher Beitimmung menigitens 127722, d.h. im 
hl. Lande zu vollziehen gemweien wäre. Manche nehmen freilih an, man habe damals, 
wenn man im Ausland ein folches Gelübde übernahm, ſchon zum Anfang der Weihe: 16 
zeit das Haar geichoren. Allen dies läßt ſich ſonſt nicht nachiweifen und von einer 
fpäteren Vollendung ift nichts angedeutet. Es fcheint fich aljo um eine andere Art von 
Gelübden zu gemein die damals Übung fein mochten, und wozu wie der Nafiränt 
felbft, jo auch in der griechiichen Welt gepflogene Übungen anregen fonnten. Vgl. 
Diod. Eic. 1,18; Iliade 23, 141ff. Dagegen AG 21,23 ff. übernimmt Paulus für 20 
einige arme Judenchriſten die nicht unbeträchtlichen Koften des Ausmeiheopfers, durd) 
welches fie ihren Naſiräat beendigen follten. Das war ein Liebeswerk, welches öfter 
vortam. So erzählt Joſephus (Ant. 19, 6, 1) vom König Agrippa, er babe vielen 
Naſiräern zum Vollzug ihres Gelübdes verholfen. Bol. auh M. Naſir 2,6. Dabei 
übernahm der Patron nicht felber dag Gelübde, etwa auf 7 Tage, wie man AG 21, 27 26 
veritanden hat. Dagegen zeigt jenes Beiſpiel Pauli, daß er dem Opfer beivohnte, wozu 
gewiſſe Reinigungen notwendig waren. v. Orelli. 


Nasmith, Davıd f. Stadtmiffion. 


Natalie (Noel), Alerander, geit. 1724. — Quctif und Edard, Sceriptores ordin. 
Praed. II, ©. 810ff. — Hurter, Nomenclator Bd II ©. 1136, 2. Aufl. 90 

Natalis (Noel) Alerander, wurde am 19. Januar 1639 in Rouen von Eltern aus 
dem Mittelftande geboren. Früb in die Schule der Dominikaner feiner Vaterſtadt ge- 
Ihidt, trat er am 9. Mai 1655 felbft in diefen Orden. Seine großen Talente blieben 
nicht unbemerkt; der Orden ſandte ihn nach Paris, wo er im Konvent zu St. Jakob 
Philoſophie und Theologie zuerjt hörte, dann felbjt lehrte. Won dem Orden veranlaßt, 55 
nahm er 1672 die Würde eines Licentiaten der Theologie an und wurde 1675 Doktor 
der Theologie. Seine Dilfertation handelte von der Simonie und richtete ſich gegen 
Launoy. In den von Colbert pur Ausbildung feines Sohnes (des nachherigen Erzbifchofg 
bon Rouen) veranftalteten theologischen Konferenzen, zu denen er zugezogen wurde, be: 
handelte er Tirchenhiftorifche Themata mit folcher Auszeichnung, daß ihn Colbert zur Be- 40 
handlung der ganzen SKtirchengejchichte auffordert. So entitand fein großes firchenhifto- 
riſches Denk, bon dem 1677 der erite Band in Oktav zu Paris unter dem Titel: „Se- 
lecta historiae ecclesiasticae capita et in loca eiusdem insignia dissertationes 
historicae, criticae, dogmaticae" erſchien. Natalis Alerander arbeitete daran mit 
großem Eifer und einer ſtaunenswerten Arbeitsfraft. Schon 1686 erichien der lebte ss 
24. Band, der big zum Ende des Tridentiner Konzils reiht. Später fügte er noch die 
Geſchichte des Alten Teitaments in jechs Bänden hinzu. Das Merk, das zu den aus- 
gezeichnetiten der gallikaniſchen Schule gehört, ift weniger eine fortlaufende Geichichts- 
erzählung, als eine Reihe von Einzelabhandlungen über die wichtigſten Punkte der Kirchen: 
geſchichte. Zuerft giebt der Verfaſſer von jedem Sahrhundert eine Synopsis hist. ecel., & 
dann folgen die Dissertationes, welche einen weit größeren Umfang einnehmen. Die 
Behandlung ift mebr dogmatifch-polemifch als biftorisch. Gine umfangreiche Panoplia 
adversus haereses, die dann auch auf die neueren Gegner Noms, namentlicd die Re— 
formierten, Rüdfiht nimmt, fehlt nicht. Die Haltung ift freifinnig, gallikaniſch. In den 
eriten Bänden konnte das weniger berbortreten; deshalb gefielen diefe, in denen die eriten 65 
Jahrhunderte mit großer Gelehrſamkeit, aber kritiklos, im Intereſſe der römischen Kirche 
behandelt find, in Rom, wohin Natalis Alerander fie fandte, ſehr, und trugen dem Ver: 
fafjer großes Lob ein. Ganz anders geftaltete ſich das aber, ald das Werk bis zum 


656 Natalis Nathan 


Mittelalter Fortfchritt und hier die antipäpitliche Tendenz herbortrat. Natalis Alerander 
nahm bier oft Partei gegen die Päpfte, namentlich gegen Gregor VII. Deshalb verbot 
Innocenz XI. durch ein Defret vom 13. Juli 1684 bei Strafe der Erlommunilation, 
die Schriften des P. Alerander zu leſen. Natalis Alexander gab dem Urteile jedoch nicht 
5. nach, fondern verteidigte ſich in einer 1699 in Folio erfchtenenen Ausgabe in angehängten 
Scholien gegen die religiosi censores und wies in einzelnen Punkten die faktiſche 
Nichtigkeit feiner Angaben nad, in andern, daß die Urteile, welche man verworfen batte, 
nicht Seine, fondern die angejehener Kirchenlehrer und Zeitgenoſſen „dien, die er nur auf: 
genomnen habe. Eo hatte N. A. 5. B. Gregor VII. mit den Worten charafteriftert: 
10 „virum ingenii vehementis et severae sanctimoniae“. Diefe waren beanftandet 
und N. A. antwortet darauf in den Scyolien: „Hic Gregorii VII. character. Addidi: 
eruditionis exquisitae, studii in disciplinam ecclesiasticam incredibilis, animi 
intrepidi, quem sanctissimi et purissimi consilii virum B. Petrus Damiani ad 
Nicolaum II. scribens praedicat“. Alia ad eiusdem commendationem congessi, 
ı5 ne eius effigiem ex parte tantum delineasse viderer. Namentlich hatte das Ka— 
pitel de politia ecelesiastica XI. et XII. seculi großen Anftand gefunden. Hier werden 
3.B. Ausfprüdhe, mie: „Numquid ideo malum esse desiit, quia papa tvoncessit?“ 
verivorfen, worauf N. U. einfach antwortet: „Ipsa S. Bernardi verba sunt, non 
mea“. Dagegen veröffentlichte Roncaglia 1734 in Lucca eine Ausgabe mit Berichtigungen 
und gegen N. U. felbit gerichteten Differtationen, und nun wurde das Werk dur Be 
nebilt XIII. dem Inder wieder entnommen. Außerdem exiftieren noch mehrere Ausgaben, 
Luccae 1749 sq. (durch den Erzbifchof Manſi beforgt), Venet. 17785q. (d einen 
Anonymus in zwei Bänden fortgeführt), Bingen 1784, 4°. Neben einzelnen Tleineren 
hiftorifchen Schritten giebt es von N. A. auch Schriften dogmatischen (Hauptwerk: Theo- 
35 logia dogmatica et moralis, zuerft Paris 1693, dann 1703, 1743, 1768), und bomi- 
Ietiichen (Praecepta et regulae ad praedicatores verbi divini informandos) Sn: 
halts. Endlich auch einen Kommentar über die vier Evangelien und die Briefe des Neuen 
Teftaments. N. U. wurde 1706 Provinzial feines Ordens. Schon durch die damit ver: 
bundenen Arbeiten feinen Studien entzogen, wurde er darin feit 1712 durch ein Augen: 
3 leiden noch mehr gehindert. Er jtarb am 21. Auguft 1724, 86 Jahre alt, im Jakobiner⸗ 
flofter zu Paris. Dr. Uhſhorn }. 


Natalitia f. d. U. Märtyrer Bd XII ©. 51,%. 


Nathan (hebr. 775, abgekürzt aus Netbanja, Jehonathan oder dergleichen) ift ber 
Name eines bekannten und einflußreihen Propheten aus der Umgebung Davids. Wir 
35 befigen über ihn drei längere Erzählungen, von deren Deutung bauptjächlic das Ber: 
ftändnis der Perſon Nathans und feiner Bedeutung abbängt: 2 Sa 7, Iff.; 2Sa 12, 1fl. 
und 1Kg 1. Es empfiehlt fih von der letzteren Erzählung auszugehen. Gegen Ende 
des Lebens Davids tritt die Frage der Thronfolge für den Fall des Todes des Könige 
auf, Adonia, einer der Söhne Davids, betrachtet N, auf Grund feines GeburtSporrechtes, 
40 nach Abſaloms Tode als den Erben des Thrones. Um fich den Thron zu fichern, ſam⸗ 
melt er eine Partei um ſich und hält jih Wagen und Trabanten. Ihm und feinen 
Ausfichten jtehen aber im Wege Bathfeba, die Mutter Salomos, und der Propbet Na: 
than, ehemals des Prinzen Erzieber (2 Sa 12,25). Sie wilfen eg unmittelbar vor Davids 
Tode dahin zu bringen, vap diefer plöglih Salomo die Thronfolge zuſpricht und ihn 
45 auch jofort als den neuen König proflamieren läßt. Als Mittel dazu dient Die Erinne 
rung an ein Veriprechen, das David vor Zeiten der Batbfeba für ihren Sohn Salomo 
gemacht babe, ſowie die Mitteilung an den König über ein von Adonia eben veranftaltetes 
Opferfeit, bei dein Adonta bereits als König behandelt werde. 
Für die richtige Würdigung diefer Erzählung und beſonders der Nolle, welche Na: 
so than in ihr Spielt, ift die Frage von entjcheidender Bedeutung: Hatte David eine folde 
Zufage wirklich gemacht oder haben Nathan und Bathſeba fie etma nur dem alterd- 
franfen Manne eingeredet? Ferner die andere: Hat Adonia das ihm zum Vorwurf Ge 
machte wirklich begangen oder ıft auch dies nur Dichtung eines ntriguanten? 
Man it beute vielfach geneigt, beide ragen zu Ungunften Nathang zu beantworten. 
55 Damit ift dann natürlich auch über fein Charakterbild das Urteil gejprochen. Allein es 
liegen keinerlei entjcheidende Gründe zu dieſer ungünftigen Deutung des Sachverhaltes 
vor, worüber mein Kommentar zum Königsbuch zu INg1,9u.13 (©. 4 u. 6) zu ver: 
gleichen iſt. 


Rathan Naturgeſetze 657 


Die zweite Angelegenheit, in der Nathan nach der bibliſchen Erzählung eine ent— 
fcheidende Rolle fpielt, iſt in 2 Sa 12,1 ff. berichtet. David hat ſich mit Bathjeba, Urias 
Frau, vergangen und Uria ums Leben gebradht. Er ehelicht Bathſeba und fie gebiert 
ihm einen Sohn. Jahve aber mißfiel Davids Thun (11, 27). Er fchlägt das Kind mit 

rankheit (12,15). David fucht durch Falten und Trauer Jahve zu ertweichen. Auf die Nach- 
riht von feinen Tode läßt er wider Erwarten von feiner Trauer ab und ift guter Dinge 
(12, 23). Zwiſchen 11, 27 und 12, 15 ift nun im heutigen Texte die befannte Erzäh- 
lung über Nathan zu lejen (12,1 ff.), nad) welcher der Prophet David eine Parobet vor⸗ 
trägt und, als David das Urteil über den Schuldigen geſprochen, mit den Worten „Du 
biſt der Mann!“ die Anwendung auf Davids eigenes Verhalten macht. Weil aber David 10 
Buße thut, wird ihm Jahves Vergebung — freilich auch der Tod des im Ehebruch ge— 
eugten Kindes angekündigt (12, 14). Hier haben wir es augenſcheinlich mit einer ſelbſt— 
—* Erzählung zu thun, die in den Hauptbericht eingelegt iſt. Der letztere iſt, wie 
die obige Darſtellung zeigt, in ſich geſchloſſen; vor allem aber entſpricht das Verhalten 
Davids vor und nach dem Tode des Kindes nicht dem, was man nach 11, 1ff. 14 er⸗ 15 
warten ſollte. David faßt die Sache von der natürlichen, nicht von der ethiſchen Seite. 
Iſt das Kind tot, fo weiß er ſich zu tröſten, — nicht etwa weil nun feine Schuld ge— 
fühnt ift, fondern weil er doch nichts ändern Tann. Vor und nad) dem Tode des Kindes 
iſt mit feinem Worte von feiner Schuld und der Eimficht, daß das, was über ihn fommt, 
ein Strafgericht Jahves jet, die Rede. 20 

Es muß aljo angenommen werden, daß zwei Berichte uber den Hergang umliefen, 
ein mehr profaner und ein prophetiiher. Man wird bei der Tendenz unferer biblifchen 
Berichterftatter und Redaktoren, das Religiöſe in den Vordergrund zu jtellen, im Prinzip 
geneigt fein, den Hauptbericht für den hijtorifchen und den anderen für pätere lagenhafte 
Zuthat zu erflären. Allein man wird gut thun, ſich vor Ungeredtigfeit im Urteil zu 25 
hüten. Was willen wir denn über die Auffallung und Denkweije, vor allem aber über 
die Parteiſtellung und Objektivität des Hauptberichterftatters? Wußte er um den Hergang 
mit en wenn er um ihn wußte, war er unparteiiich genug Davids Selbitdemütigung 


a 


zu berichten? Iſt e8 ferner wahrſcheinlich, daß David, falls 12,1 ff. hiſtoriſch find, jenes 
Geſpräch mit Nathan fofort audy feiner ganzen Umgebung mitteilte und daß er beim so 
Tod des Kindes vor ihr auf es Bezug nahm? Alle diefe Fragen müßten erjt erledigt 
werden, ehe man über die Gefchichtlichleit des Geſprächs mit Nathan ein rundes Nein 
ausfprechen Tönnte. 

Es kommt dazu, daß die oben gegebene Deutung von Nathans Verhalten bei Davids 
Lebensende nichts im fich ſchließt, mas fein Auftreten bier unmöglich erfcheinen liche. 35 
Man fagt: bier fer er lediglich der Mund der Gottheit, dort ein in die Händel der Welt 
verwideltes Glied einer Hofpartei (Nowack, Kommentar 194). Allein man bedente, daß wir doch 
bier von ihm und feinem Verhalten nur einen einzelnen Zug erfahren; was der Verfaſſer 
fonft über ihn zu fagen mußte, bleibt ung unbefannt. Geſetzt aber, auch 2 Sa 7 ftamme 
von demfelben Autor, wäre e8 als cin Widerjpruch zu bezeichnen, wenn ein Prophet, der 40 
zweimal feinem König als der „Mund Gottes” entgegengetreten tft, der dann zum Gr: 
zteher eines königlichen Prinzen bejtellt wird, Später für die Eicherung der Thronfolge 
feines Zöglings eintritt? Zudem darf angenommen werden, daß in 1 Kg 1 ebenfalls ein 
Prophetenwort Nathans zu lejen wäre, falls der Berichterftatter von 2 Sa 12, 1 ff. auch 
bier zum Worte zugelaflen worden wäre. — Über die dritte Erzählung, 2 Sa 7, mag a 
das Urteil aus dem Bisherigen entnommen werden. Sie ftebt 2 Sa 12, 1ff. nahe und 
zeigt in der heutigen Geſtalt manche Züge der deuteronomifchen Redaktion. 

Ziehen wir das Ergebnis, fo können wir jagen: Nathan ift unter allen Umftänden 
eine der einflußreichiten Perjonen an Davids Hofe, der Erzieher Salomos und der Für: 
derer jeiner Thrombeiteigung, dem Salomo feine Dienfte durch Berufung feiner Söhne co 
in hohe Amter gedankt haben mag (1Kg 4,5). Über jein Thun befigen wir zwei Neihen 
von Berichten, von denen die eine rein profane, von propbetifchen Einflüffen freie Zivede 
verfolgt, während die andere aus prophetifchen Kreifen, vielleicht in letzter Linie von 
Schülern Nathan, ſtammt und demgemäß dem jpezififch prophetiichen Wirken Nathan 
größere Aufmerkſamkeit zuwendet. Beide bieten naturgemäß, weil von verſchiedenen Ge: 5 
ſichtspunkten ausgehend, eine verichiedenartige Betrachtungsweife dar. Es tft aber damit 
nicht gejagt, daß fie ſich inhaltlich ausfchließen. Kittel. 


Raturgejete. — Unter Gefeß im allgemeinen wird man zu verjtehen haben die 
Regel, nach der etwas mit Notwendigkeit gefchieht, oder nach der etwas gejcheben foll, co 
Reals@ncyllopädie filr Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 4? 


658 Naturgeſetze 


gleichviel, ob es wirklich geſchieht oder nicht. Das Sollen betrifft nicht das Geſchehen 
in der Natur, ſondern es bezieht ſich auf die Geiſteswelt, und jo wird man zu unter: 
jcheiden haben zwiſchen Gefegen der Natur, die wenigftens in der Kegel als unverbrüdlid 
angefeben werben, und denen des Denkens, des Wollens, des Fühlens, oder den logifcen, 
5 ethifchen, juridifchen, äfthetifchen, die zwar auf ben betreffenden Gebieten befehlen, aber 
keineswegs immer bejtimmen, fondern häufig nicht befolgt werden. Es wird nit jelten 
falſch gedacht, unfittlich gehandelt, obgleich das logische, das moraliſche Geſetz anders be 
fieblt, dagegen ftatuiert man feine Ausnahme vom Gefeg der Schwere. Mit den Natur: 
gefegen haben es die bejchreibenden und erflärenden Wiſſenſchaften zu thun, mit den zu: 
10 legt erwähnten die fogenannten normativen. Die Naturgejege Tann man auch als die 
allgemeinen Formeln betrachten, nach denen das natürliche Gejcheben vor ſich gebt, unter 
die man alles Cinzelne unterordnet, als die allgemeinen Säte, welche das Einzelne unter 
fih enthalten. Dies Allgemeine wird von dem menjchlichen Geift in dem Einzelnen ge 
funden und bat als Allgemeines feine felbititändige Geltung, fteht nicht über den ein⸗ 
15 zelnen Geſchehniſſen, fondern erijtiert nur in diefen, wie der allgemeine logiſche Begriff 
Bein Necht nur in den einzelnen Dingen bat, nicht wie Platon mit feinen Ideen wollte, 
eine von den einzelnen Gegenjtänden getrennte Exiſtenz. 
Mie weit gewiſſe Naturgefege reichen, etwa das der mechanischen Kaujalität, ob 
dieſes auch das ganze organische Leben beberrfche, oder ob bier Teleologijches, das freilich 
20 dann auch unter der Form des Naturgefeßes betrachtet iverden müßte, hineingreife, ftebt 
noch Teineötvegs feit. Namentlich ift cs fraglich, wie meit die ganzen feelifchen Vorgänge 
den fogenannten Naturgefegen untertvorfen find, oder wie weit dieje ihre eigenen Geſetze 
haben. Es läßt ſich bierüber nichts Allgemeingiltiges jagen, weil die betreffenden ſich 
einander entgegenftebenden Ansichten metitenteils zufammenbängen mit den Weltanfchauungen 
25 ihrer Vertreter. Der Naturalift wird Das phyſiſche Gefchehen ganz in das Gebiet der 
Naturgefege rüden, während der Dualift e8 diefen entziehen wird. Es berrichen bier Vor: 
urteile, nicht Ergebniffe ſtrenger Forſchung. — Wie viel es Naturgefete gebe, d. b. wie viel 
formuliert werden fünnen, ift nicht zu beitimmen, da das Gebiet der Erfahrung, der we: 
nigftens die meilten entnommen tverden, ein äußerſt mannigfaltiges, ja ſcheinbar endlofes 
soil. Es iſt zu weit gegangen, eine gewille Anzahl von Gejegen des Entſtehens und er: 
nebeng, wie der Entmwidelung, überhaupt Des Geſchehens feititellen zu tmollen, mie das 
neuerdings gefcheben iſt. Auch die Zahl der phyſikaliſchen Ariome genau anzugeben, er: 
jcheint jchon gewagt. Scharf fcheidet man neuerdings mehrfach zwiſchen dem Geſchehen 
in der Gejchichte und den Naturvorgängen, da man mit den Gejegen und Methoden der 
35 Naturwiſſenſchaft nun und nimmer der Gegenſtände der Gejchichte Herr werben könne. 
Auch babe es der Hiltorifer mit der eigentlichen Wirklichkeit, d. b. dem Einzelnen zu 
tbun, während der Naturforfcher mit feinen Selenen nur in Abſtraktionen denke. Auch 
dieſer Streit der Meinungen it noch nicht ausgeglichen, wird aber wohl mit der Aner: 
fennung der Tifferenz der beiden Gebiete endigen. — Wie man auf dem Gebiet der Meta: 
0 phyſik der Neigung nicht zu widerſtehen vermag, alles auf ein Grundprinzip zurüdzuführen, 
wie Die Männer der Naturwiſſenſchaften beftrebt find, die Anzahl der Elemente auf we 
nige, womöglich auf eins zu reduzieren, fo bat ſich auch das Bedürfnis gezeigt, die Zahl 
der Naturgejege möglichſt zu beſchränken, ja alles Geſchehen von einem Geſetz abhängig 
zu machen, aljo ein oberites Geſetz anzunehmen. Es könnte dies nur einen Sinn haben, 
46 wenn man eine ganz allgemeine Form hinſtellte, etwa das Geſetz der Kauſalität, dem 
ich alles Vorgehen unterordnen muß, das dann auch weit über die Natur binübergriffe, 
oder Das der Entmwidelung, Evolution — ein Begriff, der in der neueren Zeit eine be 
ſonders große Rolle Spielt, es freilich immer, ſeitdem es eine Philoſophie giebt, getban 
bat, da alles Gefcheben im weiteren Sinne Entwidelung iſt. Es würde dies Geſetz, 
co ebenſo wie die Kaufalität, nicht nur das natürliche Geſchehen beherrichen, fondern auch 
alles Geiftige, ſowohl das individuelle al3 das foziale, wie es auch faktifch von feinem 
Hauptvertreter der neueren Zeit auf alle dieſe Gebiete übertragen morden ii. Wan 
würde nur mit folchen allgemeinen Formeln oder Prinzipien wenig gewonnen haben, da 
eine Erklärung der Vorgänge durch fie nicht gegeben wird: in dem Begriff des Vorgangs, 
5 des Geſchehens, liegt ſchon die Enttwidelung, liegt ſchon die Kaufalität. — Es fcheitert 
die Ableitung der einzelnen Geſetze aus einem folchen inhaltslofen Prinzip an der Mannig- 
faltigfeit der Erfahrung, ebenſo wie es nicht gelingen fonnte, die ganze Untologie auf 
einen bloß formalen Sag zurüdzuführen. Auch fogar aus dem Geſetz der Erhaltung der 
Energie, das Schon inbaltsvoller zu fein ſcheint, laſſen fich einzelne inhaltliche Naturgeſetze 
co nicht ableiten, wenngleich es ich überall realifiert. 


Naturgefete Nandäns 659 


Was die Gefchichte der Naturgejege betrifft, jo reicht jte, wie ſich denken läßt, tief 
in das Altertum zurüd. Schon bei Anarimander, bei Heraflit, kann man in der eiwigen 
Bewegung das Schema, die Form der Natur oder das allgemeinfte Gejeß bemerken, etwas 
Ähnliches in der Verdichtung und Verdünnung bei Anarimenes. Bei Platon und Ari: 
ftotele8 wird von Gefegen der Natur allerdings gefprochen, die Lehre von ihnen aber 5 
nicht ausgeführt. Woher diefe Gefege rühren, darüber finden wir wenigſtens ſchon bei 
Anaragoras eine Aufllärung: das Chaos, in dem alles zujammen war (duod navra), 
wurde von dem Geiſt, der von außen heranlam, geordnet (dıexdounge ndvra). Hiermit 
waren die Geſetze von einem höheren Prinzip, das man das göttliche nennen Tann, der 
Welt gegeben, die fich nach ihnen entwidelte, ohne daß von .außen wieder eingegriffen 10 
gu werden brauchte, eine Art Deismus, wie wir ihn zu Beginn der neueren Ahitofophie 

ei Descartes und auch fonft finden. Der Demiurg ſpielt auch in der platonifchen Kos- 
mologie, die freilich nicht ſtrenge Wiſſenſchaft fein foll, eine Rolle. Stammten fo bei 
dem Deismus, ebenfo bei dem Theismus, die Naturgefege von der Gottheit, fo maren 
fie in dem Naturalismus, der die Welt ohne Gottheit zu begreifen fucht, von vornherein 15 
in der Welt, werden überhaupt nicht abgeleitet. So iſt bei Demofrit die Beivegung ewig 
in der Welt; es ift zwar alles kauſal beftimmt, aber diefe Beftimmung oder diefes Deleh 
rührt nicht von einem Urheber außerhalb der Welt her. So hat auch nad) Spinoza die 
Natur, die bei ihm freilich gleich der Gottheit ift, die mathematischen Gefete, nach denen 
fie begriffen werden muß, in fich, fie giebt jte fich gleichſam felbft. Gegenüber beiden An: 20 
fbauungen von Gott als Gefebgeber der Natur und von der Natur als ihrer eigenen 
Geſetzgeberin, brachte Kant eine ganz verfchtevene auf und zeigte jid) darin als der wahre 
Copernicus. Er lehrte, daß der Menfch, wie fein eigener Geſetzgeber auf praftifchem Ge⸗ 
biete, jo auch der Geſetzgeber der Natur jei, indem er in feinem Berftande die Begriffe, 
Regeln, Geſetze immanent habe, durch deren Anwendung überhaupt eine Tontinuierliche 2 
ufammenfaflung der Wahrnehmungen möglich fei, oder Erfahrung und Wiflenjchaft, die 
ıh auf Erfahrung gründe, zu ftande fomme. Die Daritellung dieſes apriorischen Beſitzes 
ift reine Naturwiſſenſchaft im Gegenfag zur empirischen. zu dieſen aprioriſchen Geſetzen 
oder Grundſätzen des reinen Verſtandes gehören bekanntlich als die wichtigſten die, daß 
jede Veränderung eine Urſache habe, und daß die Subltang becharte, und die Acci⸗ 30 
denzen wechſeln. — Man wird über diefe Annahme, daß der Menich, befier das menfch- 
liche Bewußtſein, prior in ſich diefe Säte habe, verjchieden urteilen fünnen, da aud) 
das Kauſalgeſetz z. B. möglicheriveife auf Erfahrung beruht, aber ſo viel muß feititehen, 
daß die gewöhnlichen Naturgefege, die zur Erklärung einzelner Erjcheinungen dienen follen, 
nur auf Grund der Erfahrung fich bilden können, obwohl das Transfcendentale in ihnen 3: 
enthalten fein mag. 

Mit den Naturgefegen, die hier befprochen worden find und die Natur betreffen, find 
nicht zu verwechſeln die Gefeße, die von der Natur, fpeziell von der des Menſchen jelbft 
für fein Verhalten, vornehmlich für das fittliche, gegeben fein follen im Gegenſatz zu gött- 
lichen Gefegen oder Geboten oder zu folchen, die durch Willtür der Menſchen (Heoicc 40 
im Gegenfag zur ars) feitgeftellt find; auf dieſe natürlichen Geſetze gründet ſich dann 
die natürliche Sittlichleit und das natürliche Recht, worüber bier aber nicht zu ban- 
deln ift. M. Heinze. 


Ratürlihe Religion f. d. A. Deismus Bd IV ©. 533,7 ff. 


Randäns, Philippus, geit. den 7. März 1729. — Nouveau Dictonnaire Hist. et 5 
Crit. de Chaufepie Tom. III.; Firmin Didot freres, Nouvelle Biogr. generale, Tom. 37; 
Haag, La France prot.; Bibliotheca Brem. Cl. 2; D. 9. Hering, Hiftor. Nachricht v. d. Ev. 
Ref. Kirche in Brandenburg und Preußen; derjelbe, Beiträge II; J. A. Triniug, Freydencker⸗ 
Leriton; Unjhuldige Nachrichten 1708 und 1713; Al. Schweizer, Geſch. der Gentraldogmen 
der ref. Kirche, 2. Br. 


Naudäus, eigentlih Naude, Philipp, ift geboren den 28. Dezember 1654 zu Meb 
von bürgerlihen Eltern, denen die Mittel fehlten, ihren Sohn auf Schulen ausbilden zu 
lafien. Reichbegabt und voll Wiſſensdrang erlernte er für fich die alten klaſſiſchen Sprachen. 

n feinem zwölften Lebensjahre fam er an den weimarſchen Hof nad) Markſuhl, um den 
rinzen ald Page zu dienen. Hier erwarb er jich viele nügliche Kenntniffe und erlernte 55 
die deutiche Sprache. Die Verſuche, denen er bier ſich ausgejegt fand, dag reformierte 
Belenntnis mit dem lutheriſchen zu vertaufchen, nötigten ihn, die Unterjcheidungslehren 
beider evangelifchen Kirchen auf das gründlichfte zu jtudieren und zu prüfen. Bet dieſer 
42° 


60 


XRX Nundũns 


Bun . SrUNRTG Sebrr 37 tenrunze: und sugleich mit größter Yuit 

NN ta, pn Beperkifum m Te onummeerr mit einem eifernen Fleiße 
les aa sap Almen om Teunzeot verlangte ihn jein Water 
. .. . „u Zen, su Mr 222 Ti Xbematitk᷑ gebörte, fortſetzte 
Den. Son ad Az Autmiunr nee Zukes von Nantes floh er 
. 2. ogpyariman pain Dir nun Sohn in Die Deutice 

.: hud? Bann Th want: or nodbit zwei Jabre verblieb. 
tn rt. mim Me Mamoiicen as bei den großen Mur: 
- ment nach Berlin Wed ı7 aeren, was er beginnen 

. x Demon den notigen Unterhal: s2 zetäuften, traf er den Ma— 
>... Ss Vagen am Hofe in jarem Tase unterrichtete. Tiefer 
ed. mem ın Der Mathematik zu erzeccen R. hatte mancherlei Re: 
nn u .2 unterrichtet hatte, willigte ade: mb ein, als ibm jener 
. oe 87 wurde er Lehrer der Maipemast und Arithmetik am 
in. ar rin und 1696, nach Dem Tode yarzortelds, deſſen Nachfolger 

u Drrsglied der Zoctetät Der Niflenihater. acworden, wurde er 17H 

on re 2. an Der Akademie der Wiſſenſchafſten. Wan bat von ihm einige 
“wi dtend. „id eine Geometrie in Deuticher Sprache. Non unendlich größerem 

F >. sah :veologiſchen Schriften, welche er brrausucachen bat. Dieſelben 
N tet Zweck: Die Verteidigung Der jouperanen Gnade Gottes auf der 
ron er nerdhtrismtus gegen alle Angriffe univerialtiricher oder jemipelagia: 
“ron „able De Der Askeſe dienenden Werke, wie Meditations saintes sur 

. niuoe, Berlin 1690, jowie Entretiens solitaires, Berlin 1717 ſind in 
none Dabei iſt alles in fließender Sprache und vracis Dargestellt, logiſch 
te ans ilgemein derftändlid. Ein befonderes Intereſſe beanipruchen dieſe jeine 
el Me Ur Die Gegenwart für die Freunde der reformierten Theologie und 
wat saruie, ell ſie Diefe im letzten Wiertel Des 17. und eriten Biertel des 18. Jahr: 
yo sr illuſtrieren und zugleich in das Verſtändnis Der reformierten Frädeiti: 
en a Abweiſung aller falſchen Konſequenzen und V Verdächtiaungen, mie wenig, 
re Per Unmttand aber, daß ein Nichttheologe, der kein Dilenant iſt, jondern em 
>, we eaheiicbaftlich Durchgebildeter Mann, Diele Schriften ohne alte Nebenabſichten, 
hr zur Sache und zur biblijchen Wabrheit, geſchrieben bat, bat ven jeber bei 
abieziſchen Leſer Das Intereſſe an Denfelben noch mehr geiteinert. Auch it nicht 
alt, dak N. auch durch Die Thronbeſteigung Friedrich Wilbelms I. (17131, 
biedeiien Gegners der Prädeſtinationslebre, nicht im geringſten ſich in ſeiner 
yesälbspötteite einſchüchtern ließ, ſondern nach wie vor, mit Mannesmut, unbekümmert 
AR Machtigen Gunſt oder Ungunſt, ſeinen dogmatiſchen Beſtrebungen getreu verblieb. 

up Reibe ſeiner apologetiſchen Schriften zu Gunſten des Supralapſarismus, den vr 
on lei Folgerichtigen Bradeſtinatienismus anſah, eröffnete N. mit ſeiner Morale 
Aigzelique, Berlin 1699, 2 Bde, gerichtet gegen Die von der geoffenbarten Religion 
wsahte naturliche Moral, welche den Urſprung des Übels in der Welt leugnet. La 
wette Perfeetion de Dieu dans ses divers attributs, Amſterdam 170, 2 pe, 
pl mt Schärfe dieſes ſupralapſariſche Syſtem gegen alle Widerſacher Dosfelben 
patlab agent den Philoſophen Vierre Baple und gegen den franzöſiſchen Prediger 
ar Iaguelot zu Berlin, welcher mit den Waffen Des Univerfalisnmus Des ebengenannten 
jedes Dev Wahrheit Des Chriſtentums, Die in jenem Dictionnaire historique et 
lage dusgeſtreuet werden, widerlegte. Auf Die Gegenſchriften mebrerer Ungenannten 
nette W. 1708 in Récueil des Objections, worin er zugleich den Beweis lieferte, 
oc Iniralapſarier nur im Ausdrucke von den Zupralapfartern abweichen, nicht abır 
bs Zube ſelbſt. Gegen Bavles Commentaire philosophique sur ces paroles 
te Jesu Christ! Contrains les d’entrer, 1686 erſchienen, batte N. ſchon int Jabre 
one Widerlegung geſchrieben, aber durch verſchiedene buchbändleriche Machinattonen 
min dw Teruct dieſer Arbeit immer vereitelt. Grit im Jahre 1718 eridien Diele Re 
ul. du A'ommentaire philosophique sur ces paroles etc. zu ®erlin, mern 
vd len, daß Div Toleranz für alle, jelbit fur die Heiden, Die im chriſtlichen Staate 
Number, zum Indifferentismus fubre, Die Belehrung der Ungläubigen unmoglic 
ud nn legt nur Gewiſſensdruck ſtatt Gewiſſensfreibeit fordere; N. bat dabei Die 
er bins dm Reiche auerkannten Religionsgenoſſenſchaften im Auge An Examen 
to clean truités, Amſterdam 1715, 2 Bde polemiſiert N. gegen den Nopenbaaener 
area Var Placette und den bekannten ſchweizeriſchen Theologen Uftenvald, welche dir 


, 


Nandaus Raumbnrger YFürftentag 661 


Theologie ihrer Zeit neue, von der traditionellen Kirchenlehre abweichende Bahnen an- 
wiejen. Die in denselben Jahre erfehienene Schrift N.S: Gründliche Unterſuchung der 
myſtiſchen Theologie, Zerbft 1713, richtet fich gegen die völlig ungefunde myſtiſche Mich: 
tung feines Landsmannes Pierre Boiret. Im Jahre 1716 veröffentlichte N. feine: 
Anmerkungen über einige Stellen des oſterwaldiſchen Traftate von den Quellen des Ver: 5 
derbeng, und feines Katechismi, nachdem er 1714: Theologifche Gedanken über den Ent- 
wurf der Lehre von der Beichaffenheit und Ordnung der göttlichen Ratfchlüffe gegen die 
univerſaliſtiſch gerichtete theologiſche Fakultät zu Frankfurt a / O., vornehmlich gegen die 
Theologen Samuel Strimefiug, Holzfuß und Jablonsky herausgegeben hatte. Treu und 
unentiwegt in feiner Überzeugung wurde N. von feinen geitgenoften, jelbft von den 10 
Gegnern, bei feinem gottesfürchtigen Wandel hochgeadhtet. Won feinen hinterlafjenen Ar— 
beiten, unter denen ſich auch eine über “ebuige Theodicee befindet, wurde 1736 zu Leiden 
gedrudt: Trait& de la justification, eine MWiderlegungsjchrift der unklaren Gedanken 
des unioniftifch gefinnten, ſchon im J. 1675 verftorbenen Sedaner Profeſſors Louis Te 
Blanc über die Vereinigung der verfchiedenen chriftlichen Kirchengemeinfchaften. 1 
Sein Sohn, anfangs zur Theologie neigend, aus angeborner Schüchternheit aber 
vor der Ranzel zurüdfcheuend, wurde fein Gehilfe am Soachimsthalfhen Gymnaſium 
und nachher roteffor der Mathematik zu Frankfurt ad. Er ftarb am 17. genuar 
1745. un, 


{6 


Naumburg, Bistum. — C. B. Lepſius, Gefchichte der Bifchöfe des Hochftifts Naum: 20 
burg, 1 Tl. Naumburg 1846. 

Die Entftehung des Bistuns Naumburg vollzog ſich in derfelben Zeit und in der: 
jelben Weife mie die der Bistiimer Meißen und Merieburg, ſ. Bd XII ©. 512 u. 648. 
Sein urfprünglider Sig war Zeig. Es umfaßte die wendiſchen Gaue am rechten Ufer 
der oberen Saale: Weitaba, Tuchurin, Strupenize, Wuonzowa, Pliſni und Tobna. Die as 
Belehrung der Bevölferung zum Chriſtentum vollzog fich ſehr langfam; fie war im An- 
fang des 12. Jahrhunderts noch nicht vollendet; erſt im Gefolge der deutjchen Einwan—⸗ 
derung verſchwand das Heidentum. Mit den geringen Erfolgen der Miffion hängt die 
Verlegung des Biſchofsſitzes von Zeig nad) dem an der Grenze des deutjchen Spradı- 
gebiet3 gelegenen Naumburg zufammen. Sie ift das Werk König Konrads II., der die so 
Söhne des Markgrafen Ekkehard beitimmte, die ihnen gehörige „neue Burg“ oberhalb 
der Saale dem Bistum für ewige Zeiten zu überlaflen. Nachdem dies gejchehen, wurde 
die Verlegung unter Beirat der Fürften beichlofien. Papſt Johann XIX. genehmigte jte 
im Sahr 1028, Jaffé -1087. 

Bifhofslifte: Hug I. 968—979. Friedrid erwähnt 981. Hug II. zulett er: 35 
mwähnt 1002. Hildiward geft. 1030. Cadalus gejt. 1045. Eppo geit. 1079. Gunther 
1079— 1090. Friedrich. Walram 1090 oder 9I—1111. Dietrih I. ermordet 1123. 
Richwin 1123—1125. Uto I. 1125—1148. Wichmann 1149—1154. Berthold I. 
1154 oder 55--1161. Uto II. 1161—1186. Berthold II. 1186—1206. ngel: 
hard 1206— 1242. Dietrih II. 1242—1272. Meinherr 1272 oder 73—1280. Ludolf so 
1280—1285. Bather 1285. Brun 1285-1304. Udalrich I. 1304--1316. Heinrich 
v. Grünenberg 1317-1334. Wittigo I. v. Ofterau 1335—1348. Nikolaus v. Yurem: 
burg 1349—1350. Johann I. v. Miltiz 1351. Johann II. v. Neumarkt 1352— 1353. 
Gerhard v. Schwarzburg 1359 —1372. Wittigo II. v. Wolframsdorf 1372—-1382. 
Chriftian v. Mizleben 1382 —1394. Ulrih II. v. Rodenfeld 1395—1409. Gerhard 4; 
v. God 1409--1422. Johann II. v. Schleinig 1422-—-1434. Peter Schinner 1.134 
bis 1463. Georg v. Haugwitz 1463. Dietrich III. v. Burgsdorf 1464— 1466. Heinrich 
v. Stammern 1466--1480. Dietrih IV. v. Schönberg 1181— 1492. Johann v. Schön: 
berg 1492—1517. Philipp, Pfalzgraf 1517—1541. Julius Pflug ſ. d. A. Hand. 


Raumburger Fürftentag 1561. — Drei Monographien: &. P. Hönn, Historia des ww 
von denen Evangeliſchen Ständen Anno 1561 zu Naumburg gehaltenen Convents, Frankf. u. 
Zeipz. 1704; Gelbte, Der Naumb. Fürjtentag, Leipz. 1793; Robert Calinid), Der N. F. 1561, 
Gotha 1870. — Urkundliches in Neudeder, Neue Beiträge II (Leipz. 1841) 1fj. — Salig, 
Hijtorie der Augsb. Konf. III; Planck, Geſch. des prot. Lehrbegriffs III; H. Heppe, Geld. d. 
deutfchen Proteſtantismus 1555 — 81, I (Marb. 1852) 364 ff.; Beilagen 114ff. 126 ff.; M.Ritter, 55 
Deutſche Geſch. im Zeitalter der Gegenref. I (Stuttg. 1889) 1537. 209ff.; 3. Janſſen, Geſch. 
d. deutihen Boltes IV (Freib. 1885) 130. Ferner zu vgl. Bel, Roh. Friedr. d. Mittt. I 
356 ff.; Ehr. Frd. v. Stälin, Württemberg. Geſch. IV (Stuttgart 1870) 585ff.; W. Kludhohn, 
Briefe Friedr. des Frommen I (Braunſchw. 1868) 154 ff; derf., Friedr. d. Fr., Nördlingen 


662 Naumburger Tyürftentag 


1879, 79ff.; B. Kugler, Chriitoph, Herzog zu Württemb. IT (Etuttg. 1872) 183 ff.; Preger, 
Flacius II 83ff.; Sillet, Erato von Crafftheim I 300ff. II 484; O. Zödler, Die Augsb. Kon!. 
Frankf. 1870, 48ff. Die päpjtliche Botichaft: Ed. Reimann in Forſchungen 3. deutfchen Geld. 
VII 235f. — Bagenmann in RE? X 437 ff. 


5 Die alte Biſchofsſtadt Naumburg a. d. S. war im 15. und 16. Sahrbundert wieder: 
holt die Malftatt deuticher Fürftenverfammlungen und Konvente zur Beiprechung poli: 
tifcher oder Eirchlicher Angelegenheiten gewejen. Bon großer Bedeutung für Die Gefchichte 
des deutichen Protejtantismus wurde der vom 20. Sanuar bis 8. Februar 1561 bier ge- 
haltene Sürjtentag, der den doppelten Zweck verfolgte: Cinigung ber proteftantijchen 

10 Stände durch Unterfchrift der Conf. Aug. und Beratung gemeinfamer Maßregeln gegen 
das wieder einberufene Konzil von Trient. 

A. Die Borverhbandlungen Auf den Wormjer Kolloquium (Sept. 1557) 
war der Diffenfus der PBroteftanten durch die Abreife und den Proteſt der emeftinifchen 
(flacianifchen) Theologen offen zu Tage getreten. Die Verſuche, den Zwieſpalt zu bejei- 

15 tigen, waren bisher gefcheitert. Der auf dem Fürftentage zu Frankfurt im März 1558 
abgeichloffene Frankfurter Rezeß (vgl. BD VI ©. 169 ff.) war von Johann Friedrich dem 
Mittleren und feinen Theologen durch das Konfutationsbud) (28.Nov. 1558) beantwortet 
ivorden, und aud) andere Stände hatten ftatt des Beitritt3 Cenſuren des Rezeſſes über: 
ſandt (vgl. Preger, Flacius II 74). Verſchiedene Vorfchläge, um die durch die Lehr: 

0 ftreitigfeiten zerflüfteten, beſonders durch den Gegenfag und die rüdjichtslofe Kampfesweiſe 
der Flacianer gegen die Philtppiften untereinander mit Mißtrauen erfüllten Protejtanten 
zu einen, refp. der eigenen Richtung den Sieg zu verfchaffen, tauchten nebeneinander auf. 
Bon verfchiedenen Seiten, befonders aud) von feiten der Flacianer, forderte man eine Ge 
neralſynode, die den führenden Theologen das entfcheidende Wort laſſen und dem ftrengen, 

25 antimelandhthonifchen Luthertum den Sieg fichern follte (Preger II 86ff.; denne I, Beil 
114). Aber ebenfo Brenz (18. Mai 1559; Cattler, Geh. d. Herzogt. Württemberg 
IV. Beil. 157 ff.) wie Melanchthon (18. Dez. 1559, CR IX 987 ff.) Iprachen ihre Be: 
denken dagegen aus. Kurfürft Auguft_ hätte am liebſten troß bes 
Erneftiners und der Niederfachfen wenigſtens die Majorität der Stände durch den Beitritt 

zum Frankfurter Rezeß feit zuſammenſchließen und die mwiderftrebenden Elemente ifolieren 
wollen. Inzwiſchen aber hatte Herzog Chriftoph von Württemberg während des Auge: 

burger Neichstages (März 1559) als den gangbaren Weg einen neuen Konvent der evan: 
gelitchen Fürften in Anregung gebracht, und auch bereits hie und da Zujtimmung gefunden; 
aber Kurfürjt Auguft lehnte 9. März 1560 das Projekt entſchieden ab. Als aber Chriftoph 

35 im Juni mit Kurfürft Friedrich III. von der Pfalz und deſſen Schwiegerfohn Johann 
Friedrich dem Mittl. in Hilsbady bei Sinsheim zufammentraf, gelang es auch den fonft 
jo ſchwer zugänglichen Erneftiner für dies Projekt zu getvinnen. Freilich verfolgten 
Jitdrich III. und ſein Schwiegerſohn dabei ganz verſchiedene Abſichten. Erſterer, in deſſen 

ande ſeit der Vertreibung des Heßhuſen (Bd VIII ©. 9) der Calvinismus Boden ge: 

40 wonnen hatte, betrieb den Plan, der calvinifchen Abendmahlslehre, als einer durch die 
Conf. Aug. von 1540 nicht ausgejchloffenen, Raum zu fehaffen; Johann Friedrich da: 
gegen hoffte durch einen neuen Konvent den ihm verbaften Frankfurter Rezeß aus der 
Welt zu Schaffen, und wohl aud, feinen ſchwankend gewordenen Schwiegervater durd) 
eine neue Unterfchrift der Conf. Aug. von 1530 bein Luthertum feitzuhalten. Da er 

35 jeßt mit feinen Sylacianern in Konflikt gekommen war (Bd VI ©. 87), war ihm eine 
Berftändigung der Fürften untereinander gerade genehm; Theologen, meinte er, feien 
dabei nicht nötig. Er übernahm es fogar, Kurfürjt Auguft perfünlih für das Projelt 
zu gewinnen. So wurden denn zunächſt durch Chriftoph auch Landgraf Philipp und 
der Pfalzgraf Wolfgang von Sweibrüden für das Projekt eines Fürjtentages zum Zwed 

einer erneuten Unterjchrift der Conf. Aug. mit gebührlicher Präfation und Beſchluß 
willig gemacht; im Auguft aber verhandelte Johann Friedrich in Schwarzenberg mit 
Kurfürft Auguft und fchlug ihm die erneute Unterfchrift der Conf. Aug. vor, „wie fie 
dem Kaifer durch Dr. Brüd übergeben worden“. Das werde ein Weg zur Einigkeit 
fein, befonders wenn dann feiner in feinem Lande litte, was der Conf. Aug. zumiber 

5 wäre. Und Kurfürſt Auguft willigte ein: ihm fer auch von feiner andern Kontef ton be 
wußt, denn von der, fo dem Kaiſer 1530 übergeben jet; dieſe fer der Viſitation in Kur 
fachfen zu Grunde gelegt und von ihm neulich erneuert worden. Er fei zur Julammen- 
funft mit den ihm bereits als willig bezeichneten Fürſten bereit, audy Brandenburg tolle 
er dazu einladen. Mit den andern fünne man ji) hernach verftändigen. Nach meiteren 

so Rorrefpondenzen — Landgraf Philipp ſchlug vor, gleich alle Fürſten der A. E. einzu: 


Naumburger yürftentag 663 


laden; man einigte fi), zunächſt die niederen Stände nicht mit einzuladen, -— auch über 
Drt und Termin, und namentlich über Augufts Forderung, daß nichts anderes dort ver: 
handelt werden dürfe und „ſonderlich die Kondemnationen, darin ein Teil dem anderen 
eingerifjfene Korrupteln und Sekten auflegen wolle, verbleiben follten“ — wurde auf den 
20. Sanuar 1561 eingeladen: Württemberg und Pfalz luden die oberländiichen, Auguft 5 
und Johann Friedrich die norddeutschen Fürften ein. Das von Augult enttworfene Aus- 
ichreiben [ud zur Unterfchrift der Conf. Aug. von 1530 ein, um damit zugleich auf 
einem fünftigen Konzilium ein gewiſſes, einhelliges, jtandhaftes Bekenntnis vorzulegen — 
am 29. November 1560 murde das Konzil durch Papſt Pius IV. auf den 6. April 1561 
nach Trient wieder ausgeichrieben —; alle Kondennationen follten unterbleiben, auch von 
feinen weltlichen und PBrivathändeln geratichlagt werden (Calinich S. 104 ff.). 

B. Die Naumburger Berhandlungen über die Conf. Aug. Eine ftatt- 
liche Zahl von Fürften erfchien, andere ließen ſich durch ihre Räte vertreten, einzelne er: 
Härten fchriftlich ihre Bereitwilligfeit, hinterher ihre Unterjchrift zu geben (f. die Verzeich- 
nifje bet Salig III 666ff.; Galinid ©. 133ff.). Unter den erfchienenen Fürſten find vor 
allem die Kurfürſten Friedrich III. und Auguft, Landgraf Philipp, die Herzöge Ehriftoph, Johann 

riedrih und Ulrich von Medlenburg, Ernit und Philipp von Braunſchweig-Gruben⸗ 

gen, Pfalzgraf Wolfgang und Markgraf Karl von Baden zu nennen; unter den durch 
Gefandte vertretenen die Brandenburger Joachim IL, Hans v. Küftrin und Georg 
Friedrich, ferner Medlenburg, Lauenburg, Holftein, Anhalt. Noch nie hatte Naumburg 20 
eine fo glänzende Verſammlung gefehen, die e8 dann auch an allerlei Feierlichkeiten und 
Zuitbarkeiten, an Spiel und Trunf nicht fehlen ließ. Aber man war auch fleißig bei 
der Arbeit und hielt bis zum 8. Februar 21 Saunen ab. Bei Erledigung der For: 
malien in der eriten Sigung kam es zu einer Differenz zwiſchen Yuguft und Johann 
Friedrich, indem jener rügte, daß diefer in den von ihm verfandten Einladungen die aus- 25 
drüdlich vereinbarte Bedingung, Fernhaltung aller Kondemnationen und aller Brofanfachen, 
ausgelaflen habe. Diefe Differenz wurde zwar noch gütlich beigelegt, es war aber ein 
böſes Omen. Herzog Chriftoph hatte einen Memorialzettel mitgebracht, der zahlreiche 
Gegenitände benannte, die füglid gemeinfam beraten werden Tünnten: 3. B. eine ein: 
hellige norma doctrinae, einheitliche Eheordnung, Beitrafung der Lafter, VBergleichung 30 
der Ceremonien, Konkordie mit den außerdeutfchen evangelifchen Kirchen, eine deutſche, 
vom Kaifer zu berufende Nationalfunode, ein Defenfivbündnis, Verftändigung über das 
Konzil mit Dänemark, Schweden, England und Schottland — Defiderien, die feinem 
Weitblick alle Ehre machen (Calinidd ©. 136f.). Aber wie es fcheint, find angeſichts der 
felten Forderung Augufts, die im Ausfchreiben gezogenen engen Grenzen innezuhalten, 36 
alle diefe Wünfche dort unausgeſprochen geblieben. ;sriedrich III. tvurde am 22. Januar 
beauftragt, der erſten Plenarfigung des nächſten Tages die Propofittion der Beratungs: 
gegenitände gemäß dem Ausjchreiben zu ftellen. Er proponierte demgemäß 1. Vergleichung 
aller Editionen der Conf. Aug., um zu entjcheiden, welches Eremplar unterjchrieben werden 
ſolle; 2. eine Präfation, in der man fich über die Veranlaſſung diefer Handlung deutlich 40 
erkläre; 3. Aufklärung des Kaifers über den Zweck diefes Tages; 4. Beratung darüber, 
ob und wie die nicht eingeladenen Grafen, Herren und Städte ebenfalls zur Unterfchrift 
zu bewegen feien. Hier trat nun fofort die Differenz hervor, daß Friedrich felbit und 
auch Auguſt (trog des MWortlauts feines Ausjchreibene) die Conf. Aug. von 1540, die 
andern die von 1530 unterjchrieben mwiljen twollten, Johann Friedrich aber im Verein 45 
mit Pfalzgraf Wolfgang und Ulrih von Medlenburg auch die Unterjchrift der Schmalk. 
Artikel forderte. Letzteres wurde zwar, als im Ausfchreiben gar nicht vorgejcehen, von 
den übrigen abgelehnt; aber die brennende Frage wurde die nad) den beiden Ausgaben 
der Conf. Aug. Schon in den dem Naumburger Tage vorangegangenen Korrefpondenzen 
der Fürſten war die Frage nad) dem zu unterfchreibenden Gremplar aufgetaucht. Anfangs so 
hatte Auguſt die Unterfchrift einer glaubwürdigen Handjchrift gewünſcht und den Land— 
grafen um Beichaffung einer ſolchen aus feinem Archive erfucht. Diefer hatte aber vergeblich 
nach einer foldyen fuchen lafjen und nun Melanchthons Ausgabe Iegter Hand vorgeichlagen 
(Galinid ©. 116 ff.). Andererfeits hatte Friedrich III. die Unterfchrift der lateinischen 
Konfeſſion von 1530 begehrt, da der deutjche Text die anftößigen, die Transfubitantiation 55 
ulaflenden Worte „unter Geitalt des Brote und Weines” entbalte. „Damit war die 
Rlippe bloßgelegt, an welcher der Fürſtentag fcheitern mußte” (Calinich S. 114). Friedrich 
verrät feine weiteren Gedanken, die ihn bei feinem Vorſchlag leiten, wenn er binzufügt: 
außerdem fei ja auch der latein. Text des 10. Artikels hernach „wolbedechtlich emendiert“ 
und dieſes emendierte Eremplar 1541 in Worms „als ihre wahre chrijtliche Konfefjion co 


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| und 
ulen verbreitet; batte doch Corpus cine Plipieun (8 VS, 294, 8) 
als lateini en Tert der Oont. A ug. den von 1912 u enommen, en 
ı0 an die mübjame Arbeit einer Rollatio ionierung ber 2 

waren Druderemplare bon 1531 und 1542, de gegen einander vorgelejen wurden, abe 


eſitz 
ti wei doll vertvenbet dieſes G — von den 
n. 6) olle Tage e man auf ieſ eichäft on — 













nur Friedrich III. und aus, die übrigen überließen die A 

15 und etlichen — nur ungern ern — berz erzugezogenen Theologen. Friedrich ae ſich, immer 
wieder dabei für die Variata Stimmung en: die Zufäge, auf die man im ihr 
ftieß, jeien doch „ſehr gute or: chriſtliche — der erften Ko n“, Am Schluf; 


ber Tert der ©. A. durd) Melanchthons bejtändig erndes Verfahren erlitten 
20 überrafchend zu Tage trat, ergaben ſich folgende 5 ne Fragen: 1. 
gabe 1531 oder 1540 oder 1542 unterfchreiben folle; 2. ob der Tert in Art. 10 


der Invariata die Transfubitantiation zu betätigen | eine; 3. ob in Art. 22 ber 

dort gegen die Prozeffion mit der Hoftie vorgebrachte rund „quia d 

non convenit eum institutione Christi” Bedenken e, da damit eine Peogeifion 
25 mit beiden Geftalten ftattbaft KEG, 4. De — Bedenken zu heben fe j 





in Art. 21 den Satz, Kal Me d nos" unmöglich unterjcreiber 

fünne, da er im ber Malz die M fe und le om iſtiſchen Gerimonien abgeſchafft 

5. ob in der Präfation r# ee ke —— lieber der im ſächſiſchen Corpus 

doetr. aufgenommenen C. A. Erwähnun chehen folle, und ob —* die 
30 Artikel vom Abendmahl, —5 — und Meſſe in der —— von neuem u er— 


klären ſeien (Calinich S. 146). Inzwiſchen hatten anweſende und nicht a 

logen ſtreng lutheriſcher Obſervanz verfehlt, durch allerlei —— 8 —* 

einzuwirken. Der Roſtocker ——— e David Chyträus, den Herz mitgebracht 
ıtte, forderte in feinem Beden alig III 669 ff.; Calinich en Kondemnationen, 
and in dem et improbant secus ee ben usichluf aud aller Ubiquitätsleugne 

"a aud der Melanchtbonianer, rügte auch ſonſt an der Variata Melandtbonianijd 

(darunter aud das, daß die Heilswirlung des Sakraments feine andere ſei als bie des 

gepredigten ortes). Seine Forderung en daher: Unterſchrift ber Invariata 

mit der der gr Artikel; die Rräfation müſſe ausprüdlich und namentlid) Irr⸗ 

0 tümer und © befonders die Sakramentierer, verdammen. Die 
jendeten ihre bereits 1559 gedruckte Bitte um eine theologifche Gene ein, be: 






gleitet von einem Ermahnungsjcreiben (23. Jan.), in dem fie vor 
warnten und die Fürften zum Kampf gegen die Irrlehre aufriefen. Man jendete ihne 
ihre Schriften am Schluß des Konvents ah zurück (Breger IT 96f). Auf ben * 
45 ſendeten fie durch Matth. Juder ein höchſt charakteriſtiſches, von Standpunkt 
durchaus konſequentes Schreiben, in dem ſie vor der Unterſchrift - Cont. Aug 
baupt iwarnten, falls fie gemeinfam eum non recte sentientibus aut suspocie 
folgen 2. a. ebe die Unterfchrift ohne Einſchluß der viel deutlicheren 
der Schmalf. el, fo würden letztere dadurch bei jeite — die ot. Aug 
50 würde zu —9— weiten Mantel, unter den ſich allerlei Irrlehren verſteckten. Dies 
habe es mit den Papiſten und den Sekten von 1530 zu tbun; nune — Bern 
Ecelesiae nova remedia flagitant. All die neuen { Arrlebrer nennen ſich 
U. C.; was nütht alfo die Unterichrift dieſes Belenntniffes? Sie bedeutet ja nur 
ſtie für dieſe Irrlehren! (Calinich 152 ff.) Juder fand Anſchluß an Chyträus, und 
55 wirkte in einem neuen Bedenken nun auch in dem Sinne, daß es um i, 
Bekenntnis mit ſolchen gemeinſam zu unterſchreiben, die Furtumer hegen oder verteidigen 
(Bol. auch ben Brief eines Naumb. Geiſtlichen aus jenen Tagen bei Hummel, Episte 
larum Semicenturia, alle 1778 p. 19.) Am Rat der Fürften Gun aber nun dt D 
vich III. kräftig für die Unterjchrift der Conf. Aug. von 1540; | —8 
00 durch fein eignes Ausſchreiben, das die Ausgabe von 1530 genannt un gendtigt 


















4 ii A| 


Naumburger Tyürftentag 665 


gleihen Wunſch fallen zu laflen, forderte nun aber, in der Präfation die Ausgabe von 
1540 als eine Erklärung der von 1530 zu erwähnen. Johann Friedrich wollte zus 
nächſt die Unterzeichnung der lat. und deutichen Handſchrift Spalating haben; da aber 
die andern diefer Feine öffentliche Autorität beilegen wollten, jo mar er zufrieden, wenn 
das Eremplar von 1531 „der andern Edition”, d. b. der Oktavausgabe (vgl. CR XXVI 5 
337) jamt der Apol. und den Schmalf. Artikeln unterfchrieben würde; auch fünne nıan 
in der Bräfation der „lofupletierten Konfeſſion“ gedenken. Für diefe Ausgabe von 1531 
ftimmten aud Pfalz: 3weibrüden, Medlenburg, Württemberg, Helfen, mit einzelnen Sonder- 
wünſchen, andere für die von 1530. Echlieglich einigte man fih auf die Ausgabe von 
1531, auch Friedrih gab nach, unter der Bedingung, daß in der Vorrede über Art. 10 10 
und die Meile ihn beruhigende Erklärungen abgegeben würden. Betreffs der übrigen 
Borichläge kam der Kompromiß zu ftande, daß in der Präfation weder die Schmall. 
Artikel noch der Frankfurter Rezeß (den Friedrich III. erwähnt wiſſen wollte), noch die 
Repetitio C. A. genannt werden follten, wohl aber die Apol. und die Ausgabe von 
1540. Der Entwurf diefer Präfation wurde den beiden Kurfürften Auguft und Friedrich 15 
übertragen. 

Meber hat (Kritifche Gefch. der Augfpurg. Conf. II [Frankf. 1784] 336 ff.) aus dem 
Berliner Archiv-Eremplar der Naumburger Alten den Nachweis erbracht, daß zwar für 
den deutſchen Tert der Conf. Aug. der Tert der Melanchthonſchen Duart-Ausgabe 
Wittenb. 1530'31, dagegen für den lateinifchen der der Oktav-Ausgabe 1531 verwendet zu 
worden iſt. Preger bemerkt noch dazu (Flacius IT 97): „Was die Fürften dazu be- 
wogen, iſt bis jetzt nicht erwieſen“. — meinte (S. 165ff.), in einem von Kluck⸗ 
hohn (Mie ift Friedrich III. Calvinift geworden? S. 55f. und Beil. [aub in Mündn. 
hilt. Jahrb. 1866, 471. 475 ff.]; Briche Friedrihs des Frommen I 426ff.) publizierten 
Briefe Friedrihg von 156% die Yöfung des Nätjels gefunden zu baben. Hier behauptet: 
der Pfalzgraf, der erſte Trud der Conf. Aug. enthalte ja die Worte „sub specie panis 
et vini“; Calinich jchreibt ihm das nach: weil die Duart-Ausgabe papiftifch gelehrt babe 
und dieſe anftößige Stelle in der Oftav-Ausgabe getilgt worden fei, darum fei letterer 
der Vorzug gegeben worden. Aber Friedrichs Erinnerung hat ſich bier gröblich getrrt. 
Diefe Worte haben nie im lateinifchen Text, in feiner Ausgabe, geitanden; nur der deutiche 30 
Tert bietet — und zwar ebenfo 1530 wie 1540 — das „unter Geftalt des Brotes und 
Meine”. Dagegen ift das andere, was Friedrichs Brief anführt, richtig und führt auf 
die richtige Spur. Es ſtehe in der Quart-Ausgabe in der „derjelbigen angehefteten Apo- 
logie: mutato pane etc." Tas doppelte anftößige Citat aus der griechifchen Liturgie 
und aus Vulgarius (Theophylact): „mutato pane etc.“ und „panem vere in car- 55 
nem mutari“ ift in der Oktav-Ausgabe getilgt (vgl. CR XXVII 534). Weil nun in 
jenen Ausgg. von 1531 Conf. Aug. und Apologie in einem Drud vereinigt waren, 
leßtere auch felbftverjtändlich alg Kommentar der erjteren galt, außerdem die Präfation 
ausdrüdlich die Apol. in das erneuerte Bekenntnis der Fürften mit einfchließen follte, fo 
gelang g& Friedrich III. zu erreichen, daß man ibm durch Mahl der Oktav-Ausgabe für 40 
den lateın. Tert — der deutfche ift in diefer Ausgabe nicht vorbanden — einen ſchweren 
Anftoß aus dem Wege räumte. Tie von beiden Kurfürften vereinbarte Präfation (ge: 
nauer Abdrud bei Weber a. a. O. II Anhang F vif.) richtet ſich an den Kaiſer und 
erflärt diefem: fie hätten neuerdings auf Reichstagen und fonft den Vorwurf hören müffen, 
als feien fie ihrer Yehre, mie die in der 1530 übergebenen Conf. Aug. verfaßt, nicht 15 
einig, jondern zmwieträchtig und z. T. davon abgetvichen. Aber fie duldeten und verteis 
digten feine andere Lehre als die in hl. Schrift gegründete und diefer Konfeſſion einver: 
leibte. Um foldye Auflage ale beichwerliche Berleumdung zu erweiſen, bezeugten fie nach 
nochmaliger vertraulicher Unterredung, daß fte alles, was der hl. göttlichen Wahrheit 
gemäß in den propbetifchen und apoftoliichen Schriften, auch den bewährten Hauptſym- zo 

olis verfaßt und begriffen, einmütig befennten. Nachdem aber Gott das Yicht des Evan: 
gelii deutfcher Nation wieder lauter und vein babe erjcheinen laffen und ihre Worfahren, 
auch zum Teil fie ſelbſt nämlich Yandgraf Philipp und Fürft Wolfgang von Anbalt] 
auf dem Reichstag zu Augsburg ihr chriftliches Bekenntnis deutſch und lateiniſch über: 
geben, fo hätten fe nicht unterlaffen, dieſelbe Konfeffion, wie jie zu Wittenberg 15931 55 
deutfch und lateinisch gedrudt, abermals vor die Sand zu nebmen. „Denn wiewohl ber: 
nahmals A. 1510 und 12 obgemeldte Konfeſſion etwas ftattliber und ausführlicher 
wiederholt, auch aus Grund bl. Schrift erklärt und gemebrt, . . . aucb auf dem Golloquio 
zu Worms von den Ständen, folcher Konfellion verwandt, den verordneten Taiferlichen 
Präfidenten und Nollofutoren übergeben ... worden, jo baben wir doch diesmal die 6 


IS 
[ei 


666 Raumbnrger Yürftentag 


obberührte publicierte A. C.... derhalben an die Hand nehmen mwollen, damit... Daraus 
... zu jpüren, daß unfere Meinung nicht fei, einige andere oder neue ungegründete Lehre 
zu verteidigen.” „Es ift aber unfer Gemüt und Meinung gar nicht, daß wir Durdh diefe 
Subfkription von obberübrter 1540 übergebenen und erklärten Konfeffion mit dem menig- 
5 Iten wollten abweichen” ; fie jet deſto ausführlicher geftellt, damit die göttliche Wahrheit 
deito mehr an den Tag käme; fie wichen von ihr fo wenig als von der eriteren ab, wie 
fie denn auch „den mehrern Teil bei unfern Kirchen und Schulen in Gebrauch”. Ebenſo 
repetierten fie ausdrüdlich die Apologie. Auch andere auf Neichstagen und Kolloquien 
von ihnen übergebene Schriften und repetierte Konfeffionen follten biermit nicht ver- 
10 worfen, jondern in dem Verſtand der Schrift, ſowie der Conf. Aug. und Apologie vor: 
behalten fein. „Und wenn der Gegenteil etliche Artikel oder Wörter in der Conf. Aug. 
und in der Apologie — junderli von den Saframenten, der Mefle und römischen Kirche 
— zu ihrem Vorteil deuten tvollten, als wären wir mit, ihren abgöttifchen Lehren und 
Geremonien (in denen fich nachgebends allerhand chriftliche Anderung zugetragen), ſonderlich 
15 mit dem Greuel der Transfubitantiation einig“, jo weiſen fie dag zurüd, befennen ſich 
aber zugleih zur wahren, weſentlichen Gegenwart des Leibe und Blutes Chriſti im 
Abendmahl: und wie nichts Sakrament fein kann außerhalb dem Brauch der Niekung, 
fo werden die verworfen, die da lehren, daß Chriftus nicht wejentlih in der Nießung 
jet. (Dieje Erllärung übers Abendmahl wurde noch vor der Unterfehrift hinzugefügt.) 
20 Sp übergeben fie die von ihnen von neuem fubftribierte und befiegelte A. C. mit der 
Bitte, der Kaiſer wolle fie wegen der Auflage, als follten fie zwiejpältig fein, entfchuldigt 
haben, fie bei dem Paſſauer Vertrag und Keligionsfrieden handhaben, auch nicht geftatten, 
daß unter dem Schein eines angemaßten Koncilit oder in andere Wege etwas Becher: 
liches gegen fie vorgenommen werde. (Vgl. auch Hönn S. 99ff.; Gelbfe 181 ff. 232 F.; 
35 Salinih 167 ff. 171 ff.) 

Als es zur Unterzeihnung diefer Präfation kommen follte, da erbaten Johann Fried⸗ 
rich und der Medlenburger Ulrich ſich Bedenkzeit. Und dann erklärten beide gemeinfam, 
von ihren Theologen beraten, fie müßten ihre Unterfchrift vertveigern, weil Die fchäblichen 
Irrtümer, befonders die der Saframentierer, nicht namentlich aufgeführt und vertorfen, 

30 über die ftreitigen Artikel Feine deutliche Erklärung gegeben und gegen die Wahrheit der 
beftehende Zwieſpalt geleugnet worden ſei. Alle Bemühungen der anderen Fürſten, den 
Riß zu verbüten, blieben vergeblich; die fchriftliche Erklärung, die Johann Friedrich am 
2. Februar abgab (Calinih 179 ff.) wiederbolte nur feine Weigerung. Sein Schwieger⸗ 
vater Friedrich kam darüber mit ihm bart aneinander; der Verſuch dieſes, den Schwieger: 

35 vater durch Kanzler Brüd über feine eigene Stellung zur Abendmahlslehre inquirieren zu 
laſſen, verdarb es völlig. Am folgenden Morgen verließ Johann Friedrich ohne Abfchied 
heimlich Naumburg, ohne die dringende Gegenvorftellung der Fürſten zu beachten, die 
ihm vorbielten, welche politischen Folgen der Ausſchluß Friedrichs III. von ihrer Zub: 
ftription haben würde, und die ihm, wenn nur jeßt einträchtige Unterfchrift erzielt ſei, 

wo eine nachfolgende Vergleihung in der Abendmablsfrage durch gutberzige heologen und 
politische Räte in Ausficht Stellten. Dieſe Abreife erregte unter den Fürften allgemeines 
Befremden, Friedrich aber legte nun in voller Zigung fein (melanchthoniſches) Bekenntnis 
von Abendmahl ab. Unter dem Eindruck diefer Erklärung erfolgte die Unterfchrift: 
eigenhändig durch die beiden KAurfürften, den Landgrafen, Herzog Chriftoph und Markgraf 

45 Karl; durch die Näte für die 3 Brandenburger, Zweibrücken, Bommern, Anbalt und 
Henneberg. Herzog Ulrih unterzeichnete nicht ; die Räte der übrigen abweſenden Fürften 
unterfchrieben nicht, z. T. weil fie ſchon abgereift waren. Man beichloß, zu erneuter 
Unterbandlung eine Gejandtichaft nad Weimar zu Johann Friedrich zu fenden. Die Je 
nenfer Theologen aber jubelten und gaben dem nach Braunſchweig ziehenden Chyträus 

co ihren Segenswunjch zu kluger Wirkſamkeit auf dem gegen Hardenberg berufenen Kreistag 
der Niederfachfen mit (vol. Bd VII 415). Am 6. Februar ging die au 5 Näten be 
itebende Geſandtſchaft nah Weimar ab. Die Fürſten fprachen oh. Friedrich ihr Be: 
dauern über feine Abreife aus, teilten ibm die erfolgte Unterjchrift mit, bielten ihm 
beiveglich das Argernis und das Frohlocken der Gegner ſowie die politifchen Folgen feines 

55 Echrittes vor, baten ibn, wenigstens das Schmäben feiner Theologen auf ihre Handlung 
zu verhindern; anderenfalls würden ſie fich öffentlich rechtfertigen müffen. Am 11. Februar 
gab ihnen Joh. Friedrich feine Schriftliche, endgiltige Erklärung ab. Cr motivierte noch— 
mals, warum er nicht unterjchreiben könne, und übergab zugleich einen umgearbeiteten 
Entwurf der Präfation, damit fie doch wüßten, wie ein reines Bekenntnis beichaffen fern 

go müſſe. Mit der Unterfchrift dieſer Bräfation müſſe dann aber auch die Erefution in 


Naumburger Yürftentag 667 


ihren Gebieten wider alle Korruptelen und falfchen Lchren Hand in Hand gehen. Sein 
Entwurf fügte das Bekenntnis zu den Schmalf. Artikeln als der richtigen Erklärung ber 
Conf. Aug. hinzu, erklärte von der Ausgabe von 1540, daß fie gleichhelliger Meinung 
mit der von 1530 verstanden werden müſſe, und bot eine Abendmahlserflärung mit aus- 
brüdlicher Betonung der manducatio oralis und des Sakramentsempfangs auch der 5 
Unwürdigen. Aud war der Satz geftrichen, daß ihnen Feine Abweihung von der reinen 
Lehre nachgetviefen werden könne (Calinich 218ff.). Betreff der Schmähreden jener 
Theologen erklärte er, daß ja nichts von ihren Echriften ohne jeine Cenjur aus: 
gehen dürfe. 

Betreffs der in Naumburg unterjchriebenen Präfation ftreitet man noch heute über 10 
Sinn und Tragweite der Auslagen, die fie über das Verhältnis der Variata zur In- 
variata macht. Verſteht man diefe auf der einen Seite dahin, daß hier die primäre 
Autorität der Invariata, die in jeder Beziehung fetundäre der Variata beigelegt, letztere 
als unfchädliche Nebenform des Originals hingeltellt fei, die jedenfalls immer im inne 
desfelben aufzufafien ſei (fo 3. B. H. Schmid, Kampf der luth. Kirche um Xutbers Lehre 15 
vom Abendmahl 323; Calinich 171ff.; Zödler 48Ff.), fo fehen andere hier einen glän- 
zenden Sieg des Geiftes Melanchthons, eine öffentliche Autorifation feines Lehrbegrifis ; 
man habe Kurfürft Friedrich mit feiner Calvin zuneigenden Abendmahlsauffaſſung Be: 
rechtigung gewähren wollen, habe ja auch das Abenvmahlsbefenntnis der Präfation ge: 
fliffentlich in Ausvrüden gefaßt, die dem Frankfurter Rezeß entlehnt waren (vgl. Heppe 
I 406; Gillet I 303; Kludbohn, Friedr. d. Fr. 91). Zu beachten ift, daß nicht Theo: 
logen, fondern Fürften in diefer Präfation reden, von denen nur einzelne (Kurf. Friedrich, 
Landgraf Philipp, andererfeit3 Job. Friedrich) über die theologifchen Differenzen ein per- 
fönliches Urteil hatten. Kurfürſt Auguft, der durch feine Näte wohl die Präfation ent: 
werfen ließ, hatte in der Variata nie einen von Luthers Theologie abweichenden Lehr: : 
topus geſehen; ihm mar fie einfach die lofupletierte, im einzelnen deutlicher und gefchieter 
formulierte Augustana von 1530. Den Vorwürfen der Nömifchen und der verhaßten 
Flacianer gegenüber wollte er einfach diefe Zufammengehörigfeit beider Ausgaben und 
die Unanftößigfeit feines Verfahrens, die Ausgaben von 1540 und 42 in feinem Lande 
verbreitet zu haben, bezeugen: fein Land mar lutberifches Land dabei geblieben. Anders 30 
natürlich Friedrich, der feine eigene Pofition mit diefer Präfation zu deden ſuchte. So 
wird denn der Sinn, den die Unterzeichner den betreffenden Ausfagen beigelegt haben, 
je nad) ihrem Einblid in die thatfächlichen Verhältniffe und ihrer kirchlichen Stellung 
verſchieden geweſen ſein. Dem Wortlaut nach ift die Conf. Aug. 1530 als der Uriginal: 
tert, der von 1540 als eine weitere Ausführung und Erklärung jenes bezeichnet; damit 85 
follte im Sinne der Majorität nicht Melanchthon neben und in feiner Abweichung von 
Zutber anerkannt, fondern höchitens Melanchthon als der treue Interpret Yuthers be: 
zeichnet werben. Es kommt hier das günftige Urteil über die Variata zum Ausdrud, 
das noch 1575 Selneccer in feiner Historica narratio de D. M. Luthero (Bl. Hbf.) 
in die Worte gefaßt bat: Mutatum nihil adeo esse novimus, vel in minimo, 40 
quod ad res et sententiam capitum doctrinae spectat: illustrata autem quae- 
dam et interdum copiosius explicata esse non diffitemur, sed publico docto- 
rum nomine. 

C. Die Berhandlungen übers Konzil. Pius IV. hatte nah Erlaß der In— 
diftionsbulle vom 29. November 1560 die Legaten Commendone, Bilchof von Zante, 
und Delfino, Biſchof von Xiefina, nach Deutſchland gejendet, um die nieder und ober: 
deutjchen Fürften zum Konzil einzuladen. Am 5. Januar 1561 empfing fie Kaiſer Fer— 
dinand in Wien; er jchlug ihnen vor, zunächſt nad Naumburg zu geben, wo jie Die 

roteftantifchen Fürſten verfammelt fänden: er wolle gleichfall® Geſandte dorthin zur Be: 
rwortung ihrer Teilnahme am Konzil fenden. Am 28. trafen fie in Naumburg ein. bo 
Delfino machte zunächit den Verſuch, bei den einzelnen Fürſten Audienz zu erhalten; 
aber von Friedrich III. wie vom Kurfürſten Auguft auf fpätere Zeit vertröffet und zus 
nächſt an die Gefamtheit der verſammelten Fürften vertiefen, meldeten fie fich beim 
irstentage an. Die Taiferlichen Geſandten (Graf Eberftein und andere Herren) wurden 
bon zum 30. vorgeladen, die päpftlichen Boten ließ man gefliffentlich big zum 3. Februar 55 
warten. Die faiferlihe Propofition (Hönn 21ff.; Calinich 190 ff.) ermahnte zum Beſuch 
des Konzild unter Hinweis auf den Schaden des Neligionsziviefpalts fürs Neich nach außen 
und innen. Wohl hätte der Statfer lieber eine deutſche Stadt als Konzilsort gejeben, 
aber feine Bemühungen darum feien vergeblich geblieben ; aber Geleit und Sicherbeit und 
daß fie dort nach Billigfeit gehört werden würden, jichere er ibnen zu. Am >. erſchienen 60 


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668 Naumburger Fürſtentag 


auch die Legaten vor den Fürſten, überreihten die Indiktionsbulle ſowie Breven an bie 
einzelnen Fürften und luden jeder in lateinischer Anſprache zum Konzil ein, wobei fie mit 
großer Kunſt das bevorftehende Konzil weder als Fortſetzung des alten noch als ein neues 
bezeichneten, auch klüglich den Punkt umgingen, ob die früber in Trient gefaßten Be 

5 Ichlüffe als bindend gelten oder noch einmal wieder zur Verhandlung kommen jollten. 
Man empfing fie mit allen Ehren, aber ohne ihnen die Hand zu reichen. Kaum waren 
fie in ihre Herberge zurückgekehrt, jo ſchickte man ihnen die Breven ungeöffnet zurüd, 
da man die Anrede in der Adreſſe „dileeto filio“ meinte ablehnen zu müſſen. Am 6. Fe 
bruar befchieden die Fürſten die fatferlihen Gefandten: das Konzil entipreche nicht ibren 

ı0 Anſprüchen an ein Konzil: auf einem, das fie befuchen könnten, müſſe Gottes Wort 
Nichter fein, ihnen nicht bloß Gehör, fondern auch Stimmredt gewährt werden; dieſes 
fei Doch nur TAB des früheren, das ihren Glauben verdammt habe. Ihre endgiltige 
Erklärung aufs Konzil behielten fie jpäterer Verhandlung und Verftändigung auch mit 
den jetzt abweſenden Fürlten vor. In einem direft an den Kaijer gerichteten Schreiben 

15 ſetzten ſie außerdem auseinander, was ihr Fürftentag für einen Zweck verfolge. Am 7. 
erhielten auch die Legaten ihren Beſcheid --- nicht in der Berfammlung der Fürften, fon: 
dern nur durch eine Abordnung von Näten. Die Fürften Sprachen ihnen ihre Verwun— 
derung über dieje Beichidung aus; ob denn der Bapit glaube, daß fie ihre Religion ändern 
wollten? Ein vom Papſt ausgefchriebenes Konzil befuchten fie nicht, da er ja Der Urbeber 

20 aller Irrungen fei Durch feine Unterdrüdung der Wahrheit. Nur mit dem Kaiſer, nicht 
mit den: Papfte hätten fie zu tbun. Commendone meldete ſich nach diefer Abfertigung 
noch fchriftlich bei dem bereits abgereiften Sohann Friedrih an, erhielt aber nur den 
groben Beicheid, er bätte weniger als nicht mit dem römifchen Biſchof zu verhandeln. 
So zog er weiter nah Berlin, Delfino nach dem Weiten. 

35 D. Andere Angelegenheiten. Ta die verfolgten franzöfiichen Hugenotten id 
mit einem Bittgefuch an die Fürſten gewandt hatten, fo erließen diefe am 7. Februar 
Fürſchriften für fie an König Karl IX. und an König Anton von Navarra (Hönn 72 ff. 
75ff.; Calinich 211ff.). Auch erfchten ein Gefandter der Königin Elifabeth von England, 
durch den diefe angefichts der Moalition der katholiſchen Mächte zu engerem Zuſammenſchluß 

30 der Evangelischen aufforderte und fpeziell angeſichts des Konzils gegenfeitige Verftändigung 
über die Schritte, die man zu thun gevenfe, in Vorjchlag brachte. Die Fürften ver: 
jprachen darauf, gute Korreipondenz mit ihr zu balten, teilten Abſchrift ihrer jest chen 
beichlofjenen Erklärungen an Kaifer und Papſt mit. Zugleich ſprachen fie die Hoffnung 
aus, daß, ivenn die Königin beim Licht des Evangeliums bleiben wollte, fie dann auch 

35 die Augsb. Konf. vollftändig mit ihnen befennen werde. Auch dem König von Dänemark 
teilten fie Abjchrift ihrer Präfation und ihre Stellung zum Konzil mit. 

E. Schluß und Nadverbandlungen Im Abſchiede verpflichteten fich die 
‚Fürften, jeder Die ihm zugeteilten ‚Kürften, Grafen, Herren und Städte zum Anfchluß 
an die Subjkription der Conf. Aug. ſamt Präfation zu bewegen. Sie beſchloſſen ferner 

40 zur Erhaltung des Friedens forgfältige Cenſur neuer Schriften und Unterdrüdung aller 
Schmähſchriften; ſodann zur Feltfegung der dem Kaiſer in Ausficht geftellten Erflärung 
übers Konzil eine Zuſammenkunft von Räten und Theologen in Erfurt am 22. April, 
twelche ſeitens der 3 Rurfürsten, Pfalzgraf Wolfgangs, der Herzöge von Württemberg und 
Pommern und des Yandgrafen dortbin zu ſenden wären. Auch befannten fie fich nochmals 

45 zum ‚srankfurter Resch und erklärten fich bereit, mit der Minorität evang. Stände, die 
mit diefen nicht zufrieden geweſen, weiter zu verhandeln. Damit jchloß der Fürftentag 
— jcheinbar hoffnungsvoll, aber doch jtand der Zujammenbrud des Friedenswerkes un: 
mittelbar bevor. So eifrig und erfolgreihb auch namentlich Herzog Chriſtoph im Süd— 
weſten Grafen, Herren und Städte zum Beitritt betvog, jo wirkte doch der Proteſt Jo: 

so hann Friedrichs und die emfige Arbeit der Theologen der antipbilippiltifchen Richtung 
dabın, daß ſich vor allem in Niederfachfen eine geſchloſſene Gegnerfchaft gegen die Raum: 
burger Zubffription bildete. Auch Regensburg, Augsburg, und andere Städte verweigerten 
die Unterjchrift. Aber auch Joachim II. Fam jegt Johann Friedrich fo weit entgegen, 
daß er eine Jchärfere Erklärung übers Abendmahl verlangte, auch auf die Gefahr Bin, 

55 dann den Kurf. Friedrich und den Yandgrafen zu verlieren. Markgraf Hang von Küftrin 
erklärte, an der Bräfation Anſtoß zu nebmen, und wollte gleichfalls ein unzweideutig lutbe- 
riiches Abendmahlsbefenntnis. Und auf dem Yüneburger Konvent im Juli vertvarfen die 
führenden Iheologen der Städte Lübeck, Bremen, Hamburg, Roftod, Magdeburg und 
Braunſchweig einmütig die Naumburger Präfation und forderten jcharfe Kondemnie: 

vo rung der Storruptelen (vgl. Bd IV S. 359). Die niederfächfifchen Fürſten ſchloſſen 


NRanmburger Yürftentag Nanſea 669 


ſich der Verwerfung der Naumburger Präfation an. Auch in Pommern erhob ſich 
der Proteſt der Theologen gegen die undeutliche Abendmahlslehre der Präfation; die 
gürtten follten dergleichen doch nicht ohne Yuziehung erfahrener Theologen bejchließen. 
ie Fürlten des Naumburger Tages fahen mit Schreden, daß aud) diesmal wieder der 
Vereinigungsverfuch den Zwieſpalt nur fchärfte und Elagten bitter über die „mutwilligen” 6 
und „unruhigen” Theologen. Gleichwohl gab Kurfürſt Auguft die Hoffnung noch nicht 
auf, wenigſtens ob. Friedrich noch durch ein Entgegentommen im Abendmahlsartikel zu 
ewinnen. Er ließ durch feine nach Dresden berufenen Theologen einen von Eber ver: 
ten „Bericht vom bl. Abendmahl” aufjegen, der, ohne neue Formeln bieten zu wollen, 
fih einfach auf Luthers Predigten und Natechismen, die Augsb. Konf., die Loci, die 10 
Medlenb. RD und die Wittenberger Konfordie bezog — ein vorſichtiges Umgehen der 
für fie ſelbſt figlichen Fragen (vgl. Voigt, Briefiv. der berühmteften Gelehrten 392; vgl. 
auh Bd V ©. 120). Aber diefe Theologen Augufts waren ja verbädtig! Chrijtoph und 
Pialzgraf Wolfgang, denen zunächſt diefer Bericht zuging, anttworteten mit allerlei Be: 
denfen ihrer Theologen, — die Wittenberger und Leipziger aber wichen vorfichtig weiteren 15 
Disputationen aus (dad Bedenken, das Joh. Aurifaber in Königsberg im Auftrag Herzog 
Albrecht3 darauf verfaßte, ſ. bei Strobel, Beitr. zu Litt. I 500ff.). Inzwiſchen ftritten 
auch Ehriftoph und Landgraf Philipp, deſſen vertrauter Verkehr mit Bullinger längft an= 
ftößig geworden war, gleichfall® über die Abendmahlslehre. Waren hier ſchon Schiwierig- 
feiten in Menge vorhanden, jo trat nun Kurfürft Friedrich entſchieden gegen jede Kon= 20 
zeſſion auf, die man Johann Friedrich in der Abendmahlsfrage nachträglich machen würde ; 
er bleibe bei der Naumburger Präfation, mit jeder weiteren Traftation möge man ihn 
verjchonen. Die endlofen SKorrefpondenzen, bei denen man in der Berlegenheit noch den 
Verſuch machte, den Tert der Wittenberger Konfordie als Formel, über die man ſich 
vielleicht einigen könne, in Vorjchlag zu bringen, blieben erfolglos, da auf der einen Seite 26 
Johann Friedrich, um den man fich fo hoch bemühte, immer fchroffere Forderungen ftellte 
und bei deren Ablehnung im Frühjahr 1562 die Verbandlungen abbrach, andererfeitg 
auch Friedrich III. ſich auf nichts weiteres einließ. „Prinzipielle —E ſtoßen nur 
um ſo ſchroffer aufeinander, wo man fie durch äußerliche und oberflächliche Trans⸗ 
aktionen überflüften und vertujchen will; fchließlich behält der das letzte Wort, der be= 30 
barrlich und rückſichtslos zu feiner Fahne fteht” (Calinich 340). 
Auf dem im Abjchted befchloffenen Erfurter Tage (22. April bi8 1. Mat 1561), 
u dem die Näte und Theologen der bevollmädhtigten Kürften mit üblicher Unpünktlichkeit 
* einfanden, entwarf man eine Supplikation an den Kaiſer mit der Bitte, er möge 
das Trident. Konzil abſtellen und ein freies chriſtliches Konzil berufen, jedenfalls aber 35 
Paſſauer Vertrag und Religionsfrieden aufrecht erhalten, und eine Rekuſationsſchrift. Nach 
langen jchriftlichen Verhandlungen murde letztere fchlieglih auf dem Tag in Fulda 
(12. bi8 18. September 1562) definitiv feitgeftellt. Beide Schriftjtüde wurden dann auf 
dem Frankfurter Reichtstage am 25. November 1562 durch die 3 evangelischen Kurfürſten, 
Diedlenburg, Württemberg, Pfalz: Ztweibrüden und Hefjen, dem Kaiſer überreicht. Diefer 40 
gemeinfame Proteft gegen Papſt und Konzil war das einzige greifbare Ergebnis des 
Naumb. Fürftentages; Ddiefer Schritt verlor aber an Gewicht dadurch, daß das geplante 
einhellige Belenntnis mißglückt, der Ziviefpalt im eigenen Yager vielmehr bloßgelegt worden 
war. Von nun an vollzieht ſich die Scheidung: ;yriedrich III. geht offen zum Galvinie- 
mus über, im übrigen aber behält den Sieg das ſchroffe, Melanchthons Schule und Ein: 46 


flüſſe zurüddrängende Luthertum. G. Kawerau. 
Kaufen, Friegrig geſt. 1552, latholiſcher Theologe und Biſchof. — Ppistolae 
miscellaneae Frid. Nausean, libri X, Basil. 1551 fol.; W. Friedensburg, Beiträge zum 


Briefwechſel der kath. Gelehrten im Nej.: Zeitalter, ZKG XX 500ff. XXI 537 Ff.; Nuntiatur: 
berichte 1533 ff. Bd I—4; Kopallik, Regejten zur Geſchichte der Erzdiögefe Wien II (1898) co 
29f.; Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner: und Eifterz.:Orden III, 3, 162ff.; 
Joſeph Metzner, FZriedr. N., Regensburg 1884; TH. Wiedemann, Geſch. d. Ref. und Gegenref. 
im Lande unter der Enns I (1879) 227 ff.; II (1880) 27 ff.; v. Beißberg in AdB XXI 
321; Weber in KR? IX doff. 

Friedrich Grau (latinijiert Nausea |,von nauseo, es graut mir” Mebner]) wurde 65 
1480 als eines Wagners Sobn in Waifchenfeld in Oberfranfen (daber Blancicam- 
pianus) geboren (fein Geburtszeugnis Negeiten II 60f). Dem befannten Bambergi: 
chen Hofmeifter Johann von Schwarzenberg verdanfte er den Zugang zu höherer Bil: 
dung; Doch Liegen die Anfänge feiner Studien für uns im Dunkel. Nach bumaniftifcher 


670 Nanfen 


Vorbildung fcheint er unter Cochläus an der Sebaldus-Schule in Nürnberg als Yehrer 
thätig getvejen zu fein. 1514 erhielt er in Bamberg die Akoluthenweihe, war aljo damit 
im Befig der ordines minores (Regeften II 39); in demfelben Jahre zog er ale In- 
jtruftor eines Sohnes Schwarzenbergs nad Leipzig, begleitete diefen 1518 nad Pavia 
6 zu juriftifchen Studien, ſiedelte dann mit ihm nach Padua über und blieb aus Geſund— 
heitsrüdfichten bier zurüd, auch als fein Tutel im Herbſt 1521 nach Deutjchland zurüd: 
fehrte. Er hatte bereits 1519 in feinen Diftichen in Lactantii opera feinen Übergang 
von den Mufen zum Studium der Kirchenväter angekündigt, dann aber doch weiter ge: 
fchriftitellert über Poetik, Grammatif, Stiliftik, Dialeftit, Rhetorik, Muſik und Aritb: 
ı0 metik; auch ſetzte er zunächft das Rechtsftudium fort und erwarb im März 1523 ben 
juriftiichen "Doltorgrad (Reg. II 39). Nun wollte er in Siena die theologifchen Studien 
vollenden, aber ſchon nach wenigen Monaten (Febr. 1524) nahm ihn Kardinal Lorenzo 
Campegi "bei feiner Zeyation nad Deutfchland (oben Bd III ©. 701) als feinen Sekrelit 
in feine Dienfte. Dabei fiel N. der Auftrag zu, Melandithon, der gerade in feiner 
15 Heimat Bretten weilte, zur Rückkehr zur fath. Kirche zu loden, aud wurde er in bderfelben 
Angelegenheit zu Erasmus nach Bafel geſendet (vgl. awerau— Die Verſuche, Mel. zur 
kath. Kirche zurückzuführen, Halle 1902, S. 6ff.). Am 12. September 1524 machte Cam- 
pegt ihn zum Notarius papae und Comes aulae palatii Lateranensis (Reg. II 29). 
Den Gravamina, die von den Ständen auf dem Nürnberger Reichstage übergeben 
20 wurden, mußte er eine eingehende Schriftliche Prüfung widmen, die aber erft 1538 in Drud 
ausging (vgl. 3686G XX 79): Responsa ... ad aliquot Germanicae nationis gra- 
vamina, in denen er freimütig Biel e Mi bräuche in der kirchlichen Vertvaltung aner: 
fannte. Vergeblich bemübte er fich, hund eine jchmeichelhafte Oratio Erasmus sn 
Beſuch der für den Herbft 1524 geplanten Verfammlung deuticher Nation in Speier zu 
25 beivegen. Mit Campegi kehrte er 1525 nad) Stalien zurück; von drei ihm jeßt in Deutſch⸗ 
land angebotenen Pfründen wählte er die Pfarre an St. Bartholomäus in Frankfurt a. M., 
er empfing Ende 1525 in Bologna die Subdiakonats-, in Padua bie Dintonatswveibe 
(Meg. II 39). Mit welcher Gefinnung er in die Heimat zog, zeigt feine Oratio pro 
sedando plebejo tumultu (7. Oft. 1525): der Kaiſer folle mit Schwertesgemwalt ſich 
so ſelbſt Gehorſam und der Miederheritellung des fathol. Kultus freie Bahn fchaffen. Ale 
er in Fränkfurt nach Überwindung mannigfacher Hinderniffe am 25. Februar 1526 die 
Kanzel beftieg, unterbrach ibn die lutheriſch gefinnte Gemeinde fo tumultuarifch, daß er 
jeine Bredigt abbrechen mußte: am nächiten Tag verließ er die Stadt und flüchtete nad 
Aichaffenburg (Tagebud) Rönigfteins, Frankf. 1876, ©. 101ff. 205). Er erbielt die 
35 Dompredigeritelle in Mainz (noch ohne Prieſterweihe, vgl. Neg. II 40). Hier entmwidelte 
er ſich zu einen der bedeutenditen fathol. Brediger und Apologeten der Reformationzzeit 
(Centuriae IV homiliarum, feit 1530 twieberbolt aufgelegt, deutſch 1535, vgl. Reg. II 
30; über die Meffe 1527; über dag Symbolum 1529, Marienpredigten 1530; über 
Tobias 1532 u. a). AB Prediger und als Ratgeber König Ferdinands war er 1529 beim 
40 Speirer Neichstag tbätig (Homiliae XII contra Anabaptistias; 5 5 Predigten de vera 
christiani hominis institutione, vgl. Reg. II 29). Vor dem Augsburger. Reichötage begebrte 
Kardinal Albrecht jein Gutachten über Prieſterehe, Kloſtergelübde und andere Streitfragen. 
Sein ſteigender Ruf als Prediger erregte in Ferdinand den Wunſch, ihn als Hofprediger 
und Nat ganz an feinen Hof zu zieben, im April 1533 leitete er Verhandlungen Darüber 
45 ein (Meg. IT 31 FF). N. ging in diefer a ſehr gegen Ferdinands Willen, 
erit ı nach Rom; er ließ fich bier den Fortbeſitz einer Mainzer 328* ſichern und ertoarb 
in Ziena den theologiſchen Doktorhut (Jan. 15347 Reg. II 30). Aber erſt im folgenden 
Winter zog er nad) Wien; er hielt dort unter großem Beifall 49 Faftenpredigten (gebr. 
Mainz; 1535). Diejer neuen Stellung entjtanımen ferner die Advents- und Weihnacts- 
so predigten 1535 (Röln 1536), die in Innsbruck 1536 gehaltenen 50 aftenpredigten, 
Marienpredigten 1537, die in Prag 1537 gehaltenen Faſten- und Denteloftalprebigten 
Zwiſchendurch fallen Beſuche in der Stadt Mainz, wo er 1535 mit feinem Studien⸗ 
genoffen aus Padua (ZRG XX 510), dem Suntins Vergerio, zufammentraf und aud 
1537 längere Zeit weilte. Am 5. März 1538 ernannte ihn ber befannte Bilchof von 
Wien, Johann Fabri (Bd VS. 719), der ibn ſchon feit Jahren body Ichäßte (ZRG IX 
90f.), MM feinem Koadjutor; ein volles Jahr währte es, bis von Rom her die B tätigung 
erfolgte (19. März 1539; Weg. II 37 und 42 ift der 19. März 1538 wohl von 1539 
zu verſtehen). Im Herbſt 1538 trat er das neue Amt an, predigte aber auch weiter 
regelmäßig vor dem königl. Hofe. Cine kurze Evangelienpoftille — zur Verdrängung 
co der lutberifchen Poſtillen — ließ er 1539 in Leipzig erfcheinen (deutfch 560). Auf Fer: 


Nauſea 671 


dinands Geheiß erſchien er 1540 in Hagenau zum Religionsgeſpräch (Bd VII €. 355), 
wo er mit Cochläus zufammen den Tonfufen Saffauer Domdechanten Ruprecht dv. Mos— 
heim mit feinen Einigungsvorfchlägen zu prüfen und zu verbören hatte (Spahn, Cochläus 
©.283). Bor der Eröffnung des Wormſer Religionsgefpräches ließ N. jeine Hortatio ad 
ineundam in christiana religione concordiam (Mainz 1540) erfcheinen, die als Bafis 
für die Vergleihung das von den Vätern UÜberlieferte, durch jahrbundertlange Übung 
Geheiligte zur Annahme empfahl. In Worms erkrankte er, machte aber doch noch ein: 
mal den Verſuch — wohl im Einverjtändnig mit Granvella — Melanchthon und dann 
auch Buster in privater Unterhandlung zu gewinnen (Kawerau a. a. O. 67ff.; ZRO III 
514), wobei aber Melandhtbon die vorfichtigfte Zurüdhaltung bewies. Nach Fabris Tode 10 
(21. Mai 1541) rüdte er in die bifchöfliche Würde ein — nicht gerade freudig, da bie 
Berhältniffe der Heinen Didcefe — über ihren damaligen Umfang ſ. KT? XII 1523 — 
wie die pefuniäre Lage des Wiener Bilchofs gleich ſchwierig waren. Jetzt erit erhielt er die 
Prieſterweihe; die Konſekration als Bischof erhielt er mit päpftlicher Diöpenfation durch) 
nur einen Biſchof unter Affiftenz zweier PBrälaten (ZRG XX 538 ff). Auch als Biſchof 
blieb er vor allem gefeierter Prediger, nicht nur im Stephangsdom, fondern auch in Böhmen 
(1545) und in Sclefien (1547). In Breslau verfuhte man jogar, ihm zugleich die 
dortige Dompropftei zu verjchaffen, fo daß er abwechfelnd in Mien und in Breslau refi- 
bieren follte. (Über * Beziehungen zu Schleſien vgl. Soffner, Der Minorit M. Hille— 
brant, Breslau 1885 ©. 82ff.) Aber Ferdinand vereitelte das Projekt. Die Not feiner 20 
Wiener Diöcefe, die Auflöfung der kirchlichen Jurisdiktion, ſowie feine Vorſchläge zur 
Reform des Domkapitel, der Geiftlichkeit, der Klöfter, der Schulen, der Univerfität u. |. w. 
legte er in ausführlichen Auffägen (15437) Ferdinand dar, aber ohne Erfolg (eg. II 
76 ff.). Durch Ungefchielichkeiten in feiner Amtsführung infolge feiner Tranfhaften Reiz: 
barkeit und jeiner Unerfahrenheit in Geichäftsfachen geriet er in Streitigkeiten über Yabris 2 
Teitament, in Konflikt mit feinem Offizial u. a. m., wodurch auch fein Verhältnis zu 
Ferdinand fich trübte, fo daß er 1547 Ichon entjchloffen war zu refignieren; aber Coch— 
läus befämpfte mit Erfolg diefen Gedanken. Als Mittel der Reform des Klerus, reip. 
feiner Refatholifierung empfahl er ernitliche Vifitationen (Pastoralium inquisitionum 
elenchi tres, Wien 1547), fowie befjere Vorbereitung der Prieiteramtsfandidaten (Isa- so 
gogicon de Clericis ordinandis, Wien 1548). In der janımervollen Lage der Kirche 
begrüßte er die erjten Jeſuiten als willkommene Gebilfen; mit Bobadilla wie mit Gani- 
fius blieb er in enger Verbindung. — Als das fo lange verfchleppte Konzil endlich auf 
den 1. November 1542 nach Trient berufen wurde, brachte er ſchnell fein großes Werk 
Catechismus catholicus, eine unfängliche Berteidigung der katholiſchen Lehre und ihrer 35 
Geremonien, zum Abſchluß, widmete es Papſt Paul III. (1. San. 1543), außerdem Die 
einzelnen Abteilungen verjchiedenen Kardinälen und Yrälaten (neue Aufl. Antwerpiae 
1551); aud zog er felber im Frühjahr 1543 nach Trient und meiter nah Parına, imo 
ed ihm glüdte, den Papſt zu treffen (ZRG XXI 537) Außer jenem gedrudten Werke 
brachte er umfängliche jchriftliche Vorfchläge mit, in denen er die Geftattung des Laien- 10 
felches im Blick auf die Abgefallenen und die Aufhebung des obligatorischen Charakters 
des Gölibats angefichts der fittlihen Argernifje im Prieſterſtande und angeſichts des 
fchreienden Prieſtermangels empfabl. Seine Denkſchrift für Cervino, interejlant wegen 
ihrer freimütigen Äußerungen über die Urfachen der Kirchenfpaltung, ift von Döllinger, 
Beiträge zur polit. u. |. tv. Geſch. III (1882) 152 ff. veröffentlicht tworden. Das Konzil aber 45 
war inzwischen fchon juspendiert worden. Wie N. jchon 1542 auf Ferdinands Wunſch 
Regensburg als den geeigneten Konzilsort vorgeichlagen hatte, jo ließ er 1545 die Schrift 
Super deligendo futurae in Germania Synodi loco ausgehen, in der er Negeng: 
burg und Köln zur Wahl ftellte. Ferdinand wollte nun N. als feinen Orator nad) 
Trient fenden, und auch der Breslauer Bifchof übertrug ihm feine Bertretung; aber die oo 
Rückſicht auf das Wormſer Religionsgefpräh und der Widerjtand der evangelifch gefinnten 
nteberöfterreichifchen Stände verzögerten fein Erjcheinen auf den Konzil. Exit als Julius III. 
dasjelbe 1551 wieder einberief, zog er als Orator Ferdinands dorthin (Nuntiaturberichte 
XII 52; Döllinger, Ungedr. Berichte I 325). Eifrig nahm er teil an den Verhand— 
lungen über Eucariftie, Buße und legte Olung. Noch hielt er am 7. Januar 1552 einen 65 
Vortrag über Mekopfer und Priejtertum; aber das in Trient graflierende Fieber ergriff 
ihn und zehrte feine Kraft auf; am 6. „Februar ftarb er (v. Druffel, Briefe und Alten 
II 161). Die Leiche wurde nad Wien geichafft und im Stephansbom beigefegt. Ein 
Denkmal hat er fich felbft in feiner Vaterſtadt Waifchenfeld in dem von ibm erbauten 
Chor der Pfarrkirche geſetzt. w 


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672 Nanfen Nazarener, ungarifde 


Das anziehende Bild des mit unermüblichem Eifer, Ernit, Treue und Begabung an 
der Srhaltung des fathol. Glaubens und an der Abftellung der Mißbräuche arbeitenden 
Mannes, der Stark empfindet, wie ſchweren Schaden die fathol. Kirche Deutjchlands durch 
die Sittenlofigfeit des Klerus, die Schlaffbert feiner Biichöfe und durch Die Fehler der 

5 päpftlichen Politik erlitt, wird getrübt durch die felbjtgefällige Eitelfett, mit denen er von 
Seinen Verdienften und Erfolgen zu reden weiß, und durch feine unabläfjige Pfründenjagd. 
Die devoten Widniungen feiner zahlreichen Schriften an Prälaten und hohe Herren find 
für feine Zeit und ihn felbft charafteriftiih. Die Briefe aus der Zeit ſeines Wiener 
Bistums find Iehrreihe Dokumente der Auflöfung, in die fich die fathol. Kirche Ufter 

10 reichs durch die Heformation verſetzt ſah, künden aber auch bereits die Öegenbeivegung an. 

. Kaweran. 


Naylor, James |. d. U. Quäker. 
Nazaräer |. d. A. Ebioniten Bd VE. 125». 


Nazarener iſt der Name einer feit etwa 1845 in Ungarn beftehenden chriftlichen 

15 Gemeinschaft oder Sefte, welche heute 13—-15000 Mitglieder (Erwachſene) zählen dürfte 

und aus zivei Gründen Intereſſe beanfpruchen kann. Einmal wegen ihrer rührigen 

Propaganda und twachfenden Bedeutung, fodann weil in ihr der zur Ruhe gelonmene 

und ſittlich veinere Anabaptismus aus der Mitte des 16. Jahrhunderts jo unverändert 

wieder auferftanden ift, wie nirgends ſonſt, ſowohl in feinen leitenden Gedanten als aud 
a in den kleinſten Cinzelzügen. 

Dem ferner Stehenden iſt es micht leicht, ich Kenntnis von den Nazarenern zu 
verichaffen. Wenn fte auch bereit find, mündlich oder fchriftlih alle mögliche Auskunft 
zu geben, in der Preſſe findet man fat nichts von ihrer Hand, und zivar nicht nur, weil 
ihre Mitglieder vorwiegend dem Handiverferitande angehören, jondern vielmehr aus 

3 Grundſatz, denn alles nichtsinnerliche in religiöfen Saden tft ihnen zuwider. Nur ibr 
Liederbuch ift in fünf Sprachen gedrudt, deutich, ungarifch, ferbifch, rumänifch, ſloveniſch; 
dasjelbe führt den Titel: Neue Zionsbarfe ... für die Gemeinde der Glaubenden in Chriſto. 
Züri, Zürcher u. Furrer, 5. Aufl. 1889. Einige Predigten, Heinere Traktate u. ſ. w. 
über die N. find meift in ungarischer Sprache verfaßt. Nur eine einzige ausführ- 

30 lichere, mit Sachlenntnis gejchriebene und zuverläffige Arbeit ift über fie vorhanden: em 
Artikel von Balt. ©. Schwalm (nad C. S. Szeberenyi) inden IvrTh 1890, ©. 484—549, 
worin aud einige Zeitungsartifel u. |. vw. nambaft gemacht werden. Übrigens werden in 
fircbengefchichtlichen Handbüchern die N. nicht erwähnt. Dem folgenden liegen neben 
den genannten Schriften von den verfchiedenften Seiten, von Freunden und Gegnern, auch 

35 von N. jelber, zu Grunde. 

Woher der Name Nazarener ſtammt, läßt fih nicht feftitellen. Anfängli nur 
Zpottname, wird er jet Schon lange offiziell, auch von den N. ſelber gegenüber den 
Behörden angewendet. Wahrjcheinlidh haben die Brüder Hemfey, welche um 1840 in 
der Schweiz als Handwerker arbeiteten und mit Fröhlich und feinem Kreife erweckter 

40 und durch Untertauhung getaufter Ghriften in Hauptweil, Thurgau, oder in Illkirch bei 
Straßburg in Berührung famen, in ibre Heimat dies Chriftentum mitgebradht. Es ver 
lautet aber auch, dag ſchon ſeit 1815 Spuren diefer wehrlofen, den Militärdienſt ver: 
werfenden Nichtung in Ungarn vortommen. Mit den Reſten der alten Habaner (ſ. d. Q. 
Mennoniten BP XI S. 615, 11) wird feine Verbindung beftehen; ob ein Einfluß von jeiten 

35 der in der Schweiz noch beitebenden alten Täufergemeinden durch Wermittelung der 
Hemſeys angenommen werden darf, ıft fraglid. Nach 1848 treten in Ungarn N. in 
größerer Anzahl auf; ihre erfte große Gemeinde hatten fie in Pacſer im Bäcſer Ko- 
mitat. Ztepban Kalmär, ihr eifrigiter Apoſtel, geſt. 1863, ſtammt aus PB. Seitdem 
baben ſie jih in und um M. H. Väfärbely, Temeswar, in das Torontaler Komitat, in 

so die ehemalige Mülttärgrenze, überhaupt in ganz Südungarn ausgebreitet. In Bubapeft 
it ihre Zahl ſeit 20 Jahren wieder zurüdgegangen. Der Grund diefer Erjcheinung ift 
der dollftändige Wangel an irgend einer Organisation, jo daß die Gemeinden nie zu jettem 
und bleibendem Beltand kommen. Bon einigen wenigen anregenden eifrigen Verfönlichkeiten, 
die an einem Urte wohnen bezw. von dort wegzichen, hängt oft nicht nur das Gedeihen, 

55 jondern geradezu das Belteben ganzer Gemeinden ab. 

Die N. haben nur einen Glaubensartifel: die Bibel verfündet und Gottes Gebote; 
diefe treu, gewißfenbaft und mit Liebe zu befolgen ift „der Weg“ zur Seligkeit, der 


ww 
De | 


Nazarener, ungariſche 673 


ſchmale, der einzige Weg, der Weg, welcher eigentlich nur im N. ismus gewandelt wird. 
Dabei leugnen he nicht, daß auch in den Kirchen liebe Kinder Gottes ich befinden, aber 
diefe follten dann eigentlich zu den N. übertreten. Auf dag Thun von Gottes Willen 
fommt es ihnen an, ſodann bejonders auf das Leiden. Völlige MWehrlofigteit, geduldiges 
Ertragen von Beleidigungen, fogar von Mißhandlungen fennzeichnet den N. Sie Hagen 5 
daber auch nicht order über die harten Bedrüdungen, denen fie befonders früher aus: 
geſetzt waren. as gehört ja zu den Merkmalen der Kinder Gottee. Am meilten 
machten und maden be fi bemerflih durch ihre hartnädige Weigerung, einen Eid zu 
ichwören, und ihre Enthaltung von allem Fluchen und vom Militärdienft. Der lebte 
Punkt hat die N. vor allem an die Öffentlichkeit gebracht. Nicht das Waffentragen an 
fich verwarfen die meiſten; fie würden fich fügen, fall fie 3. B. zum Sanitätdienft ver: 
wendet würden oder, wenn aud mit Waffen ausgerüftet, in den Militärtverkftätten als 
Handwerker ihren Militärbienft ableiften fonnten. Aber Waffen zu tragen ausdrüdlid) 
zu dem Zweck, Feinde zu töten, das galt und gilt den N. für antichriſtlich. Es kam 
vor, daß einige N. es als einen Betrug gegen den König anfahen, die Waffen zu 
nehmen mit dem ftillen Borfage, nicht zu jchießen, und darum die Waffen zu Boden 
fallen ließen, wenn man fie ihnen in die Hand gab. — In ihren religiöfen Ausdrüden 
unterfcheiden fie ſich von anderen Pietiften nicht und benügen fie mit Vorliebe die der Bibel. 
Viele Freunde gewinnt ihnen ihr mwunderfchöner und mit großer Liebe gepflegter Gefang. 
Bei den Gottesbieniten beten fie Inteend, bisweilen ſchweigend. Die Taufe ift ihnen Taufe der =0 
Belehrung und gejchieht — dies ift ber einzige Unterſchied zwiſchen den. und dem Ana⸗ 
baptismug — durch Untertauchung; früher it aud) wohl die Beiprengungstaufe geübt 
worden. Nach derfelben folgt Gebet und Handauflegung durch die Alteſten. Es fommt vor, 
daß Leute von ehedem Tiederlichem und gottlofem Lebenswandel, jetzt aber befehrt, fich bei 
ihnen aufnehmen laſſen; aber die Gerüchte über ſchwärmeriſche Ausschreitungen (auch inbetr. 25 
der Ehe) haben felbft ihre Gegner, die dem Thatbeftand nachgeforicht haben, für bloßen 
Klatſch erkannt, mie der immer religiöfe Abfonderlichkeiten zu verdächtigen und zu ent: 
ftellen liebt. Die N. find vielmehr wegen ihres Fleißes, ihrer Nüchternheit, Ehrlichkeit 
und Sparfamfeit als Knechte und Arbeiter ſehr gejucht. Ihren Wohlitand zu vermehren 
verichmähen fie keineswegs. Daß die harten Berrüdungen oft eine gewiſſe Schlauheit 30 
bei ihnen erzeugt haben, läßt fich nicht leugnen: echt anabaptiftiih; wie das auch ihr 
Haß gegen die Kirche, gegen Prieſter und ftudierte Prediger („der Schwarze”) ift. Auf 
dieſe beziehen fie fo buchitäblich wie nur möglich alle Worte, welche Chriſtus wider die 
Phariſäer und Schriftgelehrten geredet hat. Iſt ja für fie bei ihrer innerlich gerichteten 
und nur im rechtichaffenen a fich bethätigenden Frömmigkeit alles äußere Kirchen: 3 
tum nur das Reich des Abfalls. 

Die N. bilden denn auch felber feine Gemeinfchaft, die einer Kirche (als Inſtitut) 
ähnlich fieht. Zwar befigen fie hier und dort Verfammlungslofale, führen aber nicht 
einmal Buch über ihre getauften Mitglieder. Jeder, der „fich befehrt” hat und „Zeug- 
nis in ber Gemeinde hat“, kann die Untertaucdhung erhalten. Er jchließt ſich damit so 
nicht einer organifierten, ftatutarifchen „Kirche“ an, fondern der „chriftgläubigen Gemeinde”. 
Doch kennen ſich fast alle Nazarener perfünlich, wie meit zerftreut ſie aud) wohnen, 
fie bejuchen fi und beweiſen einander teilnehmende und hilfreiche Liebe. Ihre Alteften 
genießen großes Anfehen und faft unbeſchränkten Einfluß, fie erteilen Auskunft über 
alle religiöfen Fragen, Nat und Weifung in allen möglichen Fällen, auch bei Ehe: 45 
ſchließungen. Neglementiert ift ihre Stellung gar nicht, fo wenig wie eine Kontrolle über 
die finanzielle Verwaltung, Unterjtügungen u. |. m. bejteht; alles iſt Sache des Ver: 
trauens. 

Die N. ſtehen in perſönlichem und brieflichem Verkehr mit den Fröhlichianern in 
Zürich und Straßburg, mit einigen Neutäufern in Württemberg, Lothringen u. ſ. w., bo 
mit den Amiſchen Mennoniten (ſ. d. A. Bd XII, S. 614, 51, 615, »o) in Amerika, und 
nennen fich deren Glaubensgenoffen. Dagegen ift ihr Verhältnis zu den ihnen fonft am 
nächiten ſtehenden Baptilten fein freundliches. Iſt eg, weil fie ih am meiſten Kon— 
kurrenz machen? weil den N. Spuren von jenen Tendenzen vorgetvorfen iverden, Die 
fonft der Sozialdemokratie eignen? ebenfalls ftellen die N. die baptiftischen Gemeinden s; 
der „Kirche“ gleich, taufen auch die zu ihnen übertretenden Baptiften nochmals, was im 
umgelehrten Dale die Baptiften nicht thun. Von ihren Anfange an, 1848, haben die 
N. aus den beiden evangelifchen Konfeflionen ihre meilten Anhänger gewonnen, fodann 
unter den Griechiſch-Orthodoxen, am twenigjten unter den Nömifch-Katholifchen, und immer 
nur in der geringeren Volksklaſſe. Was aus ihnen werden wird, wenn ihre ökonomiſchen co 

Mealsencyklopäble für Theologie und Kirche. 3. U. XIIT. 43 


5 


ib 
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674 Nazarener, ungariſche Nazarener, württembergifcdhe 


Tugenden und ihr wachſender Wohlſtand, ihre Mühlen, ihre Induſtrie ihnen allmählich li grüßen 
Bedeutung verſchaffen wird ( Handelsgeichäfte find viel weniger ihre Sache) und wenn 
dann ihr oft beichränkter Sinn dem bis jeßt bei vielen fehlenden Bebürfnifje nad 
geiftiger und wiſſenſchaftlicher Bildung weicht, iſt nicht abzufehen. 

6 Die politifhen Veränderungen in Ungarn haben ihre Lage gegenwärtig bedeutend 
verbejjert. Die Jahre 1848—1868 waren für die N. die ſchlimmſte — Da ſind ihnen 
wohl von der Polizei die Kinder zwangsweiſe abgeholt, um in den Kirchen getauft zu 
werden, Gefängnisttrafen wegen Verweigerung des Milttärdienites, in jedem Wieder⸗ 
holungsfall verlängert, bis zu 10, 15 Jahren waren an der Tagesordnung ; es jind mehrere 

ı0 im Kerker gejtorben, einige in Kriege 1866 wegen diefer Weigerung zum Tode verurteilt 
(auch erſchoſſen?). Seit 1868 gewährt die Verfaſſung Gemiffensfreiheit. Wenn auch damals 
Üebertritte nur von der einen „rezipierten” Neligion zur andern geitattet wurden, dieſes 
aljo den N. eigentlich nicht zu gute fam, wurde doch die Delta der Behörben gegen 
fie mohlmwollender, ſoweit das Geſetz 8 geltattete. Eine Verſchärfung trat im Jahre 

15 1875 ein: mweil jeder erſt in reiferem Alter durch die Taufe bei den N. eintreten kann, aud 
die Kinder der dr, nahm die Regierung an, die Leute handelten nur fo, um vom Waffen: 
dienfte freizufommen. Deshalb wurde die den alten galiziihen Mennoniten und deren 
Nachkommen, ferner den Lipovanern und Karaiten gewährte Vergünftigung, im Sanitäte 

weſen u. dal. ihrer Dienftpflicht zu genügen, nicht auf die N. ausgedehnt. Auch im bo& 
20 nifchen Feldzug follen Fälle borgefommen fein, daß N., die fi) weigerten, die Waffe zu 
führen, erſchoſſen tourden, und nod) jet (September 1902) befinden fich nur deswegen 
in Kerkerhaft mehrere, ſonſi gänzlich unbeſcholtene Männer, einer ſchon ſeit zwölf Jahren. 
Eine größere Zahl von ihnen wurde aber nach und nach entlaſſen und zum 
ohne Waffengebrauch angeſtellt; es ſcheint dies dem Belieben jeder Behörde von Km 

25 zu Fall anheimgeftellt zu fein. Andere Schwierigkeiten entitanden ihnen wegen 
Eheſchließungen, die den Vorfchriften des Geſetzes nicht genügten. Seit 1868 ſtand es 
ihnen frei, Geburts- und Todesanzeigen bei einer Civilbehörde zu machen, welche die⸗ 
ſelben den Pfarrämtern übermittelte; doch galten fie noch bis 1897 offiziell als Angehörige 
derjenigen Kirche, von welcher fie berftammten, mußten als folhe auch Ki 

30 bezahlen. Syn der Regel fuchten die Behörden nach Möglichkeit die Härte der Geſetze Bei 
der Anwendung zu mildern. Die N. beichweren fih auch nur über die leteren, nicht 
über die Beamten, wie fie auch immer Ehrfurcht vor der „von Gott gefegten“ Obrigkeit 
befunden, jich aber faft nie an den Wahlen beteiligen. Mit der neuen ungarifchen Ole 
gebung von 1894 und 1895 (Einführung der Zivilche u. a. m.) fiel wieder ein Stüd 

35 der die N. drüdenden Beltinnmungen. Seitdem werden fie nicht mehr zwangsweiſe einer 
der rezipierten Konfeffionen zugeteilt. Der Staat erkennt fie als font ffionalofe Bürger 
an, wenn fie ſich als foldhe melden. Und wenn auch noch Freiheitsſtrafen wegen Dienft- 
verweigerung vorkommen, ſowie Pladereien wegen Nicht-Teilnahme fchulpflichtiger Kinder 
der N. am firchlichen Religiondunterricht und am obligatorifchen Kirchenbeſuch, fo wird 

so ihnen in anderen Etüden, z. B. bei ihren Segräbniflen, Freiheit gelaflen und ihrer 
Propaganda nichts in den Wig gelegt, wenn dieſe den Kirchen auch oft unbequem wird. 
Sie bezweckt nach Auffaſſung der N. ſelbſt auch nicht die Bekehrung aller, nicht die der 
Welt, das erklären ſie für unmöglich, ſondern nur, die empfänglichen Seelen aus der Welt 
zu retten. S. Cramer. 


45 Nazarener, Anhänger des Jakob Wirz, Seidenwebers in Baſel, geb. dajelbit 
1778, geſt. 1858, auch „Neukirchliche“ genannt. — Litteratur: „Biographie von Joh. 
Taf. Wirz; ein Zeugnis der Nazarenergemeinde von der Entwidelung des Reiches Gottes 
auf Erden“; ferner die untengenannten „BZeugnifje“ 2c., endli ein a. 1852 in Barmen und 
Zürich gedructes Slaubensbelenntnig. 


Unter der Fülle der Denominationen auf dem Gebiete des Proteftantiemus 
nimmt Diefe, der Zahl nad kleine Sekte cine verhältnismäßig ertreme Stellung 
zur Stiche ein. Durcaus cfleftifcher Natur, wie fie ift, fchreibt fie ihren Stamm: 
baum von den verfchiedenften geiftigen Glementen ber; insbefondere fcheinen es zwei 
Quellen zu fein, die in ihrem Gedankenſyſtem zuſammengefio en ſind: einerſeits ſind 

55 es mittelalterlich-katholiſche und asketiſche Ideen, andererſeits ift es die Geiſtesarbeit von 
Böhme, OÖtinger, Michael Hahn, woraus es ſich aufgebaut hat: Materialien genug, um 
davon fich zu näbren und zu leben, und genügend difparate Elemente, um m ibre 
Verſchmelzung den Eindruck der Originalität und die Sondereriſtenz ald eine Sefte neben 
andern verivandten zu begründen. Jakob Wirz felbjt genoß von feinen Anhängern wegen 


Razarener, wärttembergifche 675 


feiner Enthüllungen und DOffenbarungen, aber auch wegen feiner Perfönlichkeit die höchſte 
Verehrung, denn „Jeſus wollte fih ganz und volllommen in ihm ausgebären, Wirz 
follte durch Gnade dasfelbe werben, mas Jeſus von Natur ift”. Die „Zeugnifle und Er: 
Öffnungen des Geiftes durch Joh. Jakob Wirz, Heilige Urkunden der Nazarenergemeinde” 
(Barmen, Yangewieiche 1863; I. Band — ein zweiter fcheints nicht erjchienen) enthalten 6 
folche propbetifche Offenbarungen, die er empfangen haben will, vom Jahre 1823—43, 
darunter gleich im Anfang bezeichnende fcharfe Zeugnifie „über die ee „an die 
Geſellſchaft zum Fälklein“ einschließlich der Miffionsanftalt: „Ihr folltet Xichter fein in 
diefer Stadt; aber mie oft wird nicht mein Name geläftert euertiwegen, weil ibr fo 
oft den Meltmenfchen gleich ſeid“ 2c.), „an alle Hirten aller Gemeinen”, „an die Räte, 
Kichter und Beamten und das Miniftertum der Kirche in Stadt und Landtichaft Bafel” 
— die im Prophetenton gehaltenen Apoftrophen find nicht ohne Kraft, ermangeln aber 
der Originalität und atmen eine große Beichränktheit; an der bona fides des Autors, 
der fich als göttliches Werkzeug fühlte, braucht man darum nicht zu zweifeln. Charalte- 
riftifch für dieſe Oppofition und den Proteft gegen die vermeltlichte Kirche, der ja allen ı5 
Selten gemeinfam ift, ift jedoch dies, daß er fich nicht bloß gegen die Mifchung von 
Belehrten und Unbekehrten in derfelben, ſondern ganz beſonders gegen den “Theologen- 
a die Univerfitätsbildung und wiſſenſchaftliche Forſchung richtet, in welcher ein Ab- 
all von Chriſto und ehebruchartige Untreue gegen den Herrn erblidt wird („Ein Hoc: 
gelehrter, in geiftlichen und natürlichen Willenfchaften Bewanderter, kann, auch wenn er 20 
dem Guten nadyftrebt, fein ſolcher Prieſter (tie Melchifedef) werden. Sein vieles Wiſſen 
fteht der Arbeit des Geifted Gottes im Wege”; Zeugnifje ꝛc., ©. 542). 

Fragen wir nad den Hauptgedanken, in denen fich die Nazarenerſekte beivegte, fo 
ift eine e Zufammenfaflung ſchwer zu geben. Palmer bringt in dem Buche: „Die 
Gemeinjhaften und Selten Württembergs”, in dem er ©. 143—155 die Nazarener be⸗ 25 
fpricht, das Glaubensbelenntnis der Genofjen des Reiches Gottes, wie fie es ſich auf- 

erichtet denken und aufzurichten ftreben, auf folgenden Ausdruck: „Jeſus Jehovah, Ein 
en mit dem Vater, und dem bl. Geift, ift ber Grund unseres Lebens und Wirkeng, 
den wir in Verbindung mit der hl, Muttergemeinde im Himmel und ihren mahren 
Gliedern auf Erden umfaffen, um heranzuwachſen zu einem einheitlichen Bau des so 
Tempels der hl. Weisheit in Chrifto“. In diefer Zufammenfaffung treten die oben be: 
rührten bifparaten Elemente der Gedankenwelt dieſer Sekte wenigſtens andeutungsweiſe 
hervor. Einmal bat fie einen erkennbaren katholiſchen Zug: die Verbindung mit der 
oberen Muttergemeinde hat fich in der Interzeffion der Jungfrau Maria und der Heiligen 
einen konkreten und für Kultus und Gebetsübung maßgebenden Ausdrud gefchaffen. Im 35 
Zufammenhang ſteht damit der Gebrauch des Kreusfchlagens, des Betend gegen Oſten 
und des Küfjens in den Berfammlungen. Der asfetiiche Zug geht in der Richtung auf 
die — des Cölibats ſoweit, daß ihnen der geſchlechtliche Umgang an ſich 
als was ündhaftes erſcheint, ohne daß die Ehe überhaupt verworfen oder gemieden 
würde. 40 

Andererſeits find die von den chriftlichen, genauer evangeliichen Theofophen über: 
kommenen Elemente tieferer Erkenntnis das Material, aus welchem fie ihre höhere Weis- 
beit ſchöpfen und mit dem fie einerſeits die biblifchen Begriffe und Zeugniſſe deuten 
und umbeuten, andererjeitd das chriftliche Leben, d. h. den jubjeltiven Droge der 
Heildordnung ſich zurechtlegen und konſtruieren. Die Maffivität der Begriffe erklärt ſich 45 
dabei von ſelbſt. Was die objektiven Heilsthatfachen anlangt, fo zeigt fich beiſpielsweiſe 
dieſer geiftige Materialismus in der Erllärung der Geburt Chrifti: „Maria hatte, wie 
Adam vor dem Fall, männliche und weibliche Tinkturen in fih; der Sohn Gottes nun 
faßte ſich nad) ſeiner zuſammenfaſſenden Allmachtskraft in dieſes doppelte Zeugungs- 
vermögen der Maria, wodurch die Erregung der betreffenden Organe und die bl. Be oo 
fruchtung erfolgte.” Erftaunlicher ift die Analyfe des Todes und der Auferftehung Jeſu. 
Er fei, jo wurde a. 1850 dem Jakob Wirz vom Apoftel Johannes eröffnet, am Kreuze 
äußerlich geftorben, aber fein Geiſt fet in den durch den Lanzenſtich nicht verlegten Herz 
gefäßen noch zurüdgeblieben und fo babe er am dritten Tage mit Hilfe feiner Freunde 
wieder auferftehen fönnen (vgl. Palmer a. a. O. ©. 147). Will man das aud nicht 65 
einen Standpunft nennen, der mit der Scheintodhypotheſe übereinfommt, jo verrät ſich 
doch darin die Thatfache, mie leicht der maſſivſte Cupernaturalismus in den feichtejten 
Rationalismus J lägt. 

Leichter läßt ſich zurechtlegen die mit demſelben theoſophiſchen Begriffsmaterial ge: 
handhabte Deutung des ſubjektiven Heilsprozeſſes. it das Blut Jeſu der Wieder: eo 

43* 


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© 


676 Razarener, württembergifche Nazareth 


gebärungsftoff für das ganze AU, fo muß der Menjch, der felig werden will, dieſe 
gottmenschliche Subjtanz ſympathiſch in fich bineinziehen und der Glaube iſt die magne 
tische Kraft, welche dag göttlihe Wort in den Mittelpuntt der Ecele binein führt. Da 
ber ift die Nechtfertigung nur in der niederften, anfänglichen Form eine zugerechnete; 

5 fie muß auffteigen zur Stufe der beiligenden und vereinigenden Rechtfertigung, Die eme 
Transformation in das göttliche Lichtweſen mit fich führt. 

Daß die Grundlage, auf welche diefe vermeintlich höheren Erfenntniffe fich aufbauen, 
nit das Schriftprinzip ift, jondern die Dffenbarungen und Entbüllungen, die dem 
—— Gemeinſchaft, Joh. Jak. Wirz, zu teil wurden, ergiebt ſich aus dem Geſagten 

10 von ſelbſt. 

Daraus folgt, daß die Lebens: und Entwickelungsfähigkeit diefer Sekte eine be 
ichränfte bleiben mußte. Zwar iſt fie mit dem Tode ihres Hauptes nicht untergegangen, 
ſondern friftete bis heute an zerftreuten Orten (befonders Barmen und Elberfeld?) ik 
Dafein. In Württemberg zäblte die Partei a. 1857 in fünf Oberämtern 423 Mitglieder, 

15 a. 1869 nur no 366; jest iſt die Zahl noch geringer. Man hört faun von ihnen 
mehr, nachdem ſie doch a. 1858 beim Miniſterium (freilih ohne durchzudringen) um 
Itaatliche Anerkennung als befondere Religionsgejellichaft gebeten und längere Zeit auch 
eigene Schulen im Yande gewährt befommen hatten. — So kann man fagen, daß dieſe 
Denomination zwar eine an Impulſen nicht arme Vergangenheit, aber eine ſchwache 

20 Gegenwart und feine Zukunft hat. Eigentlid neue Gedanfen find in ihrem geiftigen 
Arjenale nicht zu finden und die nach vorwärt gerichteten, auf den Neubau der Gemeinde, 
beziv. des Reiches Gottes (der mit Jakob Wirz im Gang kommen jollte!) zielenden 
Tendenzen ivaren zu allgemein und verſchwommen, um eine fruchtbringende Kraft zu 
entfalten. 3. Herzog. 


20 Nazareth. — Litteratur: Zum Namen vgl. gikig in Tübinger Theol. Jahrbb. I 
(1842), 410—413; Hengitenberg, Chriſtologie des AT? II, 124 - 129; Th. Keim, Geſchichte 
Jeſu von Nazara (1867 jf.) I, 318. IL, 18. 421; H. Ewald in GgA 1867, 1601 ff.; Hitzig in 
Heidelberger Jahrbb. 1871, 50f.; Graetz in Monatsſchrift für Geih. und Wiſſenſchaft des 
Judenthums XIX (1880), 481—484; T. K. Cheyne in Encyclopaedia Biblica III (1902) s.v.; 

30 Ab. Neubauer, La Geographie du Talmud (1868), 190 f. — Im allgemeinen vgl. Fr. Qua- 
resmii Elucidatio Terrae Sanctae, Ed. sec. Venetiis 1880-82; T. Tobler, Nazareth in Ba: 
läftina 1868; V. Guérin, Description de la Palestine III, Galilee I (1880), 83 ff.; Eber?: 
Guthe, Paläjtina in Bild und Wort I (1883), 302 ff.; G. Schumader, Das jepige Razaretb 
in BP XIII (1890), 235 ff.; Baedekers Baläftina und Syrien® (1900), 271ff. 

36 Nazaretb ift nach den Evangelien die Vaterſtadt (N zarols) Jeſu Mc 6,1; 204,23; 
Mt 13, 54. Dort lebten feine Eltern Ye 1, 26; 2, 4. 39; Mt 2, 23 und feine Ge 
ſchwiſte Me 6, 3; Mt 13, 55 f., dort iſt er ſelbſt aufgewachſen Le 2, 51; 4, 16. Da 
der Name des Orts im AT nicht vorkommt und auch in der fpäteren jüdiſchen Yitteratur 
(ſ. unten) nicht ficher bezeugt ift, fo fünnen wir feine hebräifche Form nur aus ber 

40 griechiichen Des NIS erfchliegen. Dieje lautet nach den beiten Tertzeugen Nalaoed oder 
Nadaoer, die Form Nacaooo, für die Keim I, 319f.; II, 421. unter Berufung auf 
Origenes, Julius Africanus und Euſebius lebhaft eingetreten ift, findet ſich Mt 4, 13 
und Ye 4,16. Wegen des griechifchen £ an einen bebräifhen Stamm "1: zu denken, iſt 
nicht ratſam, da die Älteften ſyriſchen Überjeger Zu (= näserat) fjchreiben und die 


45 heutige arabijche Form, die doch wohl aus dem aramäifchen Dialekte Paläftinas über: 
nommen it, en-näsira lautet. Die Wiedergabe eines bebräifchen 3 ſchwankt in der LXX 
mebrfach zwiichen a und &: Obc Gen 22, 21; Zoydo Ser 48, 34, dagegen Zdpenta 
%c 4,26 = TEE und Lıdor; das & ın Nadaped kann alfo für die Ableitung nicht 
den Ausjchlag geben. Demnach iſt als die ſemitiſche Form des Namens vermutlich I 

so anzufeben, wozu fih N°377T Joſ 19,12 und TEE 18917,9 f. vergleichen laſſen. Über 
die Bedeutung dieſes Namens ijt nichts Sicheres zu fagen (Warte oder Wacht ober Be 
zeichnung der Siegesgöttin?); unter den vielen Spielereien mag die ded Hieronymus, der 
an neser Jeſ 11, 1 (Avdos, flos) dadte, in der ep. 46 ad Marcellam erwähnt 
werden: Ibimus ad Nazareth et juxta interpretationem nominis ejus „florem“ 

65 videbimus Galilaeae. m Talmud beißt Jeſus "TI (Sanh. 43a. 107b; Sot. 47a), 
feine Jünger I’IE" (Taan. 27b); auch diefe Benennung läßt fih zu Gunſten eine 
bebräifchen PIE anführen, infofern Das a der crften Silbe zu ö getrübt und die be 
kannte Endung I unmittelbar mit dem Stamm verbunden wurde, was fehr häufig ge 
hab. Sie bedeutet Nazarener, Jeſus von N., grichiih Nalapnvos (Nebenform Na 


Nazareth 677 


Loonvös) Me 1, 24; 10, 47; 14, 67; 16, 6; Le 4, 34; 24, 19. Diefe Bildung gebt 
auf Nalapa zurüd, wie Maydalnyn auf Maydala. Daneben findet fih auch Na- 
Cwoatos Mt 26, 71; Le 18, 37; So 18, 5.7; 19, 19; AG 2, 22; 3,6: 6, 14; 
22, 8; 26,9, Nalwoaioı für die Anhänger Jeſu 24, 5. Diefe Form iſt an fich fchon 
auffällig, da man nicht einfteht, wie das lange 5 der zweiten Silbe aus dem allein be- 
fannten Namen des Orts erklärt werden Tann; fie wird aber noch auffallender dadurch, 
daß fie Mt 2, 23 mit einem propbetifchen Ausſpruch dr Nalwoatos xAndhoeraı be: 
gründet wird, der fih im AT nicht ausfindig machen läßt. In alter Zeit, 3. B. bei 
Eufebius im Onomasticon ed. de Lagarde 175. 177. 183. 195f., wird Nalwonios 
entiweder ebenjo twie Naönoatos — Nafträer (ſ. Nafiräat) als heilig, rein gedeutet, vder 10 
es wird mit dem bebräifchen "25 — Zeig, Blume (ef 11, 1) in Verbindung gebracht. 
Die eritere Deutung muß aufgegeben werben, fobald man ſich für die Herleitung des 
Namens von einer Wurzel TX2 entfcheidet, die zweite hat noch bis in die Gegenwart 
hinein ihre Vertreter (vgl. die Kommentare zu Mt 2,23). Der eigentümlichen Form des 
Worts Nalwoatos wird auch diefe nicht gerecht; denn es ift nicht abzufehen, wie ein 16 
Nalwoaios nad) den befannten Regeln der Sprache aus einem 33 (Grundforn nisr) 
fih ableiten läßt. Ewald ſchloß auf eine hebräifche Form MI: für den Ort und hielt 
Natao£ır für eine nur mundartig davon verjchiedene Ausfprache, in der demnach die 
zweite Silbe lang getvefen wäre, wie auch aus dem Wechfel von Nalwoatos mit Na- 
Capatos in den Urkunden erhelle. Aber die Iehtere Form tft nach den zuverläffigen Tert: 20 
eugen überhaupt nicht vorhanden, und die Länge der zweiten Silbe ift durch die im 
almud und im Wrabifchen überlieferte Ausſprache ausgeſchloſſen; daher iſt diefe Er- 
klärung nicht haltbar. Hitzig hat vorgefchlagen, das hebräiſche Norbild für Nalwoaioı, 
nämlich "ES, in dem (unpunftierten) Tert von Jeſ 49, 6 anzunehmen und den Plural 
AG 24,5 als „Oerettete”, owlöuevor im Gegenfaß zu den dnoAlvusvors 1%01,18.21; 25 
2 Ro 2,15; 4,3 ꝛc. aufzufaflen; Später fei dann dasſelbe Wort, als Singular, parallel 
zu 722 im vorhergehenden Gliede, auf Jeſus felbit bezogen worden, teild in dem Sinn 
„Grretteter”, teild wegen der Anfpielung auf den Ortsnamen Nazareth (Mt2,23, danach 
Le und Jo). Der Vorſchlag hat ohne Zweifel etwas Gefuchtes an fih. Aber man mird 
doch im allgemeinen zu der Annahme geneigt fein, daß ſich der Evangelift in Mt 2, 23 30 
durch irgend ein an N. anklingendes Wort des ATS zu der Beziehung aut die Bropheten hat 
leiten laſſen. Völlig anderer Art ift der Vorfchlag Cheyne’s zu Mt2,23 und Jo l, 45 f., 
daß N. urfprünglih nicht Name eines Drts, fondern, etwa in einer Urform "25, Be: 
zeichnung Galiläas geweſen ſei. Damit glaubt er, ähnlich wie ſchon früher Grätz, zu= 
gleich die befannte Frage, ob Nazareth oder Bethlehem die Geburtsftätte Jeſu fei, in eine 35 
neue Beleuchtung rüden zu können; die frühefte Geftalt der evangelifchen Überlieferung 
habe dahin gelautet, daß. Jeſus in Bethlehem — N., d. h. in Bethlehem in Galiläa = 
Sof 19, 15, geboren worden fei; diefer zufammengefegte Name habe aber Anlaß gegeben 
zur Spaltung der Überlieferung, fo daß die einen Bethlehem (in Juda), die anderen N. 
(ald Ortsname veritanden) ala Geburtsftätte Jeſu bezeichnet hätten. 40 
Über die ältefte Gefchichte N.s wiſſen wir fehr wenig. Es lag nah Me 1,9; 
Dit21,11 in Galiläa, nah Le 4,29 am Abhang eines Berges und hatte eine Synagoge, 
in der aud) Jeſus als Lehrer auftrat, freilich ohne Erfolg zu haben Me 6, 1—6; Mt 13, 
53—58; %c4,16—30. Weshalb es nicht in Anfehen ftand So 1, 45f., weiß man nicht 
recht; man hat gemeint, weil es zu Galiläa gehörte (ſ. Bd VI, 342, 12f.), oder weil 8 46 
ein unbedeutender Ort war, oder weil fpätere ungünftige Urteile der Chriften oder Juden 
in die frühere Zeit übertragen worden ſeien. Chriftliche Bewohner N.s find in der äiteften 
eit nicht bezeugt; vielmehr teilt Epiphanius adv. Haer. I, 136 mit, daß es bis auf 
onftantin nur jüdiſche Bewohner gehabt habe, und in feiner Zeit erjt wenige Chriften 
fih dort niedergelaflen hätten. Um 400 feheint es für chriftliche Pilger nur geringe An- so 
ziehungsfraft gehabt zu baben, wenigſtens fpricht Hieronymus in feiner Peregrinatio 
S. Paulae nur ſehr —** von N. Damit ſtimmt gut überein, daß nach einer jüdiſchen 
Elegie des Eleazar ha-Kalir (900 nad) Chr.), die jedoch auf einen älteren Midraid 
urüdgeht, ih in N. eine Station für Priefter (MEI 77202) befand, die fih des Tempel: 
ienfte® wegen nach Jeruſalem begaben. N: tft offenbar erſt verhältnismäßig fpät in die 55 
Reihe der von Bilgern zu befuchenden „heiligen Stätten” aufgenonmmen worden, erit 
nachdem Konftantin und feine Mutter Helena ihre Aufmerkſamkeit dem beiligen Yande 
zumandten. Daher ift auch die gefchichtliche Glaubwürdigkeit der jegt in N. verehrten 
heiligen Stätten (f. unten) gering oder gleich Null. Antoninus Martyr fand um 570 
teils Chrijten, teild Juden in N., zu denen feit der Eroberung Paläſtinas durch die Araber 60 


Fa | 


) 


678 Nazareth 


auch Muslimen kamen. Unter der Herrichaft der Kreuzfahrer war N. wohl ein rein chriſt⸗ 
licher Ort mit einem Bifchof, fpäter Erzbiichof. Durch die Siege Saladins 1187 und 
des Sultans Bibars 1263 wurde es hart mitgenommen, ebenfo durch die türfifche Erobe 
rung des Landes 1517. Es wird bald Torf, bald Stadt (mohl nad) biblifchem Sprach 

5 gebrauch) genannt, wie in den Jahrhunderten vor den Kreuzfahrern. Unter der Herrſchaft 
des Hugen Drufenfürjten Fachr ed-din (1620— 1634) blühte N. auf, doch kam es bald 
darauf teils durch Streitigleiten der Einwohner, teild durdy Angriffe von außen wieder 
fehr herunter. Unter dem ftarten Regiment des Schechs Zahir el-amr (1750 —1775) 
I fih viele Chriften in N. an; die Niederlafjung der Franziskaner ſeit 1620 war 

10 für fie ein feiter Stützpunkt. Die Schredensherrfchaft des von den Türken eingefehten, 
in Wirklichkeit aber Yelbitftändig handelnden Paſchas in Afto Ahmed el-dschezzär 
(1775—1804) brachte über N., befonders über die dortigen Chriſten fchiwere gabe. 
Nach feinem Tode trat größere Ruhe ein, fo daß ſich in den letzten 100 Jahren bat 
mehr und mehr ausdehnen können. 

15 Still und friedlih, wie in der Höhlung einer Muſchel geborgen, ruht N. in der 
Mitte eines Hügellranzes. Aus der Tiefe eines länglich geformten Kefjeld erheben ſich 
die fauberen weißen Däufer des Ortes, Neihe über Reihe, freilich nicht ohne die orien- 
talifche Unregelmäßigteit, und bededen die nörblidhen und weitlihen Abhänge bis zu ber 
Sohle des Thals, das nad) Süden zu den Ausgang in die Ebene Sefreel (j. Bd VIII, 

20 731 ff.) öffnet. Duaresmius fchildert die Lage für feine Zeit (1616— 1626) ähnlich: wie 
eine Roſe von den Blättern umgeben und verſchönert wird, fo tft N., rund wie eine Rofe, 
von Bergen umringt und beihütt. In Verbindung mit den fahlen weißen Bergen er 
wähnt er, daß nach der Ausfage der Einwohner N. früher Medinat abiat (d. i. weiße 
Stadt) geheigen habe — eine Angabe, die ſchwerlich aubertäffig Die Abhänge find 

2; nah Süden und Dften gut bebaut, Komfelder wechleln mit Weingärten und eigen: 
bäumen. Dieſe grüne Umgebung giebt namentlih im Frühjahr dem Ortebilde etwas 

eundlichee. Die meift gepflafterten Etraßen fteigen teil an; der niedrigite Punkt N.s 
liegt etwa 360 m, die höchſten Punkte 420—450 m über dem Meere. Die Einwohnerzahl 
ſchätzte Dr. Schumacher 1891 auf etwa 7500 Seelen, jest wird fie auf 11000 angegeben; 

3 davon fällt je ein Drittel etwa auf ortbodore Griechen und auf Muslimen, die Lateiner 
zählen 1500, die unierten Griechen 1000, die Proteltanten 250, die Maroniten 200 — 
Juden werden nicht geduldet. N. ift der Hauptort eines Bezirks (kada) im Mutegarziflil 
“Akkä und ein wichtiger Marktplag für die Bauern (FFellachen) der Umgegend; daher 
wohnt dort eine große Anzahl von Yanbel und Gemwerbetreibenden. Daneben befchäftigen 

35 fi die Einwohner mit Aderbau und Viehzucht. Die einzelnen Religionsgemeintchaften, 
zum Teil in befonderen Stadtvierteln wohnend, ftehen unter ihren eigenen Oberhäuptern, 
die ein Amtsſiegel führen und die öffentlichen Angelegenheiten gemeinfam mit ber Re 
gierung ordnen. Das Einvernehmen zwifchen Chriſten und Muslimen fol in letzter Zeit 
nicht mehr jo gut geweſen fein wie früher. 

40 Bon den heiligen Stätten in N. ift die den orthodoren Griechen gehörige Gabriels- 
firche oder Verfündigungsfirche infofern befonders anziehend, als fie neben einem Orte 
erbaut ijt, den das Jeſuskind mit feiner Mutter Maria ohne Zweifel oft bejucht bat, 
nämlidy neben der Marienquelle im Nordoften der Stadt. Es giebt zwar noch eine zweite 
Tuelle im Welten N.s, die neue Duelle oder Feigenbaumquelle; da fie aber im Hoch— 

35 jonımer verjiegt, twährend die Marienquelle beitändig Waſſer hat, jo iſt es im boben 
Grade wahrſcheinlich, daß Maria bier mit ihrem Sohne Waſſer geichöpft hat, mie noch 
heute die Mütter oft mit ihren Knaben zur Quelle geben. Die Kirche wird fchon von 
Arculf-Adamnanus um 670 erwähnt; der heutige Bau, der halb in der Erbe ftedt, ift 
um 1780 errichtet und liegt etwas ſüdlich von der Quelle, deren Waffer in einem Kanal 

so durch die Kirche läuft, dort neben dem Altar gejchöpft werden kann und teiter zu dem 
ſüdlicher gelegenen Marienbrunnen geleitet ift, an dem jebt die Frauen N.s fchöpfen. 
Die römiſch-katholiſche Kirche der Verkündigung liegt im Süden des Orts und gehört 
zum Sranzisfanerflofter. Der 7* Bau, eine dreiſchiffige Kirche, ſtammt im weſentlichen 
aus dem Jahre 1730 und ſoll über dem Hauſe der Maria erbaut ſein, in dem ſie der 

55 Engel Gabriel begrüßte. Nach der bekannten Legende ſoll dieſes Haus jetzt in Loreto 
in Italien ſtehen; Engel follen e8 am 10. Mai 1291, um es den Ungläubigen zu ent- 
ziehen, nach Terfato bei Fiume und dann nach Loreto bei Ancona getragen haben. An- 
toninus Martyr berichtet um 570, daß das Haus der Maria eine Batllıka ſei. Diele 
wurde von den Muslimen zerftört. Die Kirche der Kreuzfahrer ftand bis 1263. Ihre 

Nachfolgerin ift der jetzige von den Franziskanern aufgefüßrte Bau. Unter dem Hochaltar 


Nazareth Reander, Auguft 679 


öffnet fich die Treppe zur Krypta, die die Engelskapelle, die Verkündigungskapelle und die 
Joſephskapelle enthält. Eine tiefer zurüdliegende Felshöhle, eine Gifterne, wird als die 
Kirche der Maria ausgegeben. Die Synagoge, in der Jeſus gelehrt haben foll, wurde 
ſchon zur Zeit des Antoninus gezeigt; jebt liegt fie, d. 5. die neue Kirche der unierten 
Griechen, nördlich vom Klojter der Franziskaner. Weiter abwärts zeigt man das Haus 5 
und die Werkſtatt Joſephs (feit den 17. Jahrhundert genannt). Noch jünger iſt der 
Tiſch Chrifti, ein großer Felsblod, an dem Jeſus mit den Düngern vor und nad) feiner 
Auferftehung gejpeift haben foll; der Ort mit einer Kapelle gehört den Lateinern. — 
Man bat au den Berg oder den Abhang, von dem die Juden Sefum hinabſtürzen 
wollten Le 4, 29, ausfindig gemacht und zeigt ihn jegt °, Stunde ſüdlich von N. am 
Nordrande der Ebene Sefreel in dem dschebel el-kafze, der ſich 240 m hoch fteil über 
die Ebene erhebt. 

N. ift jebt der Sig eines griechiſch-orthodoxen Biſchofs und hat ein griechifches 
Klofter mit Ainaben- und Mädchenſchule. Auch die Ruflen, die fih in den lebten Jahr⸗ 
zehnten in N. fehr ausgebreitet haben, unterhalten mehrere Schulen. Die römifch-fatho- 
liche Kirche wird in N. vertreten dur die Franziskaner, die außer ihrem Klofter mit 
Kirche und Schule ein geräumiges Pilgerhaus bejisen, ferner durd) mehrere Frauenorden 
(Dames de Nazareth, Soeurs de St. Clair, Soeurs de St. Josöphe). Die Maro- 
niten haben eine Kirche. Durch die englifche Church Mission ift feit 1851 in Nazareth 
und Umgebung eine protejtantiiche Gemeinde gegründet worden, die feit 1871 eine ſchmucke, zu 
in gotischen Stil erbaute Kirche befitt. Die Female Education Society in London 
bat 1872—75 ein ftattlidhes Mädchenwaiſenhaus (mit Schule) am Abhang des Dschebel 
es-Sich oberhalb der Stadt erbaut, von deſſen Dach ſich ein weiter Überblid über die 
Umgegend darbietet. Guthe. 


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Neander, Auguſt, geit. 1850. — O. Krabbe, Auguſt Neander, ein Beitrag zu deſſen 
Charatteriftit, Hamb. 1852; C. 8. Kling, D. Auguft Neander, ein Beitrag zu deſſen Lebens: 
bilde (mit einem Nachtrag: Neanders Familienverhältniſſe, frühere Zugendzeit, Uebertritt zum 
Chriſtentum, Univerfitätd: und Kandidatenleben), ThHStft 1851, II; Zum Gedächtnis Auguft 
Neanders, Berlin 1850; Neuer Nekrolog der Deutichen, 1850, ©. 425; Hagenbach, Neanders 
Berdienfte um die Kirchengefhichte in den THStK® 1851, III; Baur, Die Ehocen der firchl. ww 
Geſchichtſchreibung; G. Uhlhorn, Die ältere Kirchengefhichte in ihren neueren Daritelungen, IdTh 
11.85, 3.Heft, S.648 ff.; 3.2. Sacobi, Erinnerungen an A. Neander, Halle 1882; 2. Schaff, 
A. Neander, Erinnerungen, Gotha 1886; A. Wiegand, A. Neanders Leben, Erfurt 1889; 
N. Er Rede auf A. Neander geb. zur Feier feines 100jährigen Geburtstags, Berlin 1889; 
8. Th. Scheider, U. Neander, Beitrag zu feinem Leben und Wirken, Schleswig 1894. 35 


Johann Auguft Wilhelm Neander ftammte aus israelitiichem Geſchlechte und führte 
vor feinem Übertritt zum Chrijtentum den Namen David Mendel. Er wurde am 17. 
(nicht 16.) Sanuar 1789 in Göttingen geboren, wo fein Vater Emanuel Mendel als 
Handelsmann lebte. Seine Mutter, Ejther Mendel, ge. Gottſchalk, war aus Hannover 
gebürtig.” Sie war verwandt mit dem Philofophen Mofes Mendelsjohn und dem Uber: wo 
medizinalrate Stieglig in Hannover und muß eine fromme Frau, eine liebevolle Mutter 
geiveien fein. Bald nach der Geburt diefes ihres jüngjten Kindes z0g die Mutter, getrennt 
von ihrem Manne, nad) Hamburg, welches Neander deshalb auc als feine eigentliche 
Baterftadt anzufehen gewohnt war. Die Familtenverhältniffe, in denen er aufwuchs, 
waren in mancher Beziehung drüdend, und nur die Unterftügung Fremder, nanıentlich 45 
Stieglits, machte eine gelehrte Ausbildung möglid. Er erhielt dieſe zuerft in einer 
Privatichule, dann feit 1803 auf dem Johanneum in gamburg, deflen damaliger treff- 
licher Direltor Johannes Gurlitt frühe die bedeutenden Anlagen des jungen Mendel er: 
fannte und unter deijen Leitung er den Grund zu einer tüchtigen klaſſiſchen Bildung legte. 
Am 4. April 1805 beitand er das Maturitätseramen und ging nun, nachdem er eine ww 
Abichiedsrede über das Thema: „De Iudaeis optima conditione in civitatem reci- 
piendis“ gehalten (gedrudt im Michaelisprogramm des Sohanneums von 1805) ala Stu- 
diosus juris auf das akademiſche Gymnafium Hamburgs über. Es war hier befonders 
das Studium des Plato, das ihn beichäftigte und ihm zu einer Vorſchule für das 
Chriftentum wurde. Nach feinen eigenen Geſtändniſſen iſt es außerbem eine Stelle in 55 
Plutarchs Pädagogen geweſen, die ihm zum Wegweiſer wurde; vor allem aber jchlofien 
ibm Schleiermachers Neden über die Religion die Erkenntnis des Chriſtentums auf (vgl. 
Strauß in der Rede im Sterbehaufe ©. 14). Im Umgange mit Sievefing, Neumann, 
Noodt, Varnhagen, die mit ihm dag Gymnafium bejuchten und ihn wieder mit Adalbert 


680 Neamder, Auguft 
nr Me A Verbindung brachten, mannigfach angeregt, lam Se en Bahr Man 
— N 






Am 15. Februar 1806 wurde David 
1 Tea damen Johann Aupuf 


= ee hi 





u vertaufehen. ier war er nur En, das | von 
* Ei ya — vgl. a. a. O. — 
leiermac * ß entfaltete. Am meiſten gewann 


e ſeines Ruhmes ſtand, Einfluß auf ihn. Er * t nur in Reander 
0 den en, ii ber ademifchen Laufbahn Re Born ern —F 
den Fe chen Arbeiten an, durch Ben 
Dr. Gottlieb Jakob Plan —* * 
he nn ir Neanders inneres Beben muß —5* en u 
1807 über Hannover nad Hamburg er "obtpohl. fir mebr 
3 tungen ſchließen fünnen. In Wandsbed hielt er — erſte Predigt über Yo 1, 
Als er zurückkehrte, bemerkten feine Mile ge eine große Veränderung an im. & Schleier 
marher, a Fichte wurden beijeite gelegt, das Neue Teftament 1 en Pla 
ein, und bie Kirchenväter füllten feine Stube. Nad einigen Monaten — 
Freunden ein Slaubensbefenntnis vor, an defien Scluffe er das Stubium der Kirchen⸗ 
10 nefchichte als das gel. ſeines — Studiums hinſtellte und den Herrn inbrünftig 
anrief, daß er ihn darin leiten und vor allen Verirrungen bewahren wolle 
Nach Beendigung feines akademiſchen Studiums kehrte Neander Oftern | 
Hamburg zurüd, Nachdem er im 2 re 1809 jein Handibateneramen — tte, 
lieb er bier 1'/. Jahre, gab Unterricht, predigte auch bisweilen und ſetzte inzwiſchen fein 
15 Studien, namentlich fi enbiftorijche, mit großem Eifer fort, ſchon j mit dem Sebanı 
an ben alabemifchen Beruf beſchäftigt. Marbeinefes und de von 
berg nadı Berlin lenkte jeine Gedanken auf die erftere Univerfität, wo er 31 
ber Differtation:; „De fidei gnoseosque christianae idea et ea, qua ad se invic 
atque ad philosophiam referantur, ratione seeundum mentem Clement 
0 xandrini (Heidelbergae 1811)" babilitierte, 

Schon im folgenden Jahre 1812 wurde er zum auferordentlichen Profeffor ern 
noch che er die erſte jeiner Monographien herausgegeben hatte. i e erichien in dem⸗ 
jelben Sabre 1812: „Über den Kaiſer Julianus und jein Zeitalter; ein biftorifches Ges 

mälde (Leipzig 1812; 2. Aufl. Gotha 1867)". Zwar dachte man jest in Heidelber 
» daran, Neander bure Übertragung einer ordentlichen Profeſſur Dort zu balten, aber ein 
auf Schleiermachers Anregung an ihn ergangener Ruf na Berlin Tolle En ei 
oͤßeren Wirkungskreis hineinſtellen. Wie die Gründung der Univerſität n mit be 
—— Preußens in der Zeit tiefften äußerlichen Drudes ——— fi 
die theologijche Fakultät Berlins vor allen geweſen, von der die Reg eneration | ver Then 
eo logie wie die Wiedererwedung des chriftlichen Glaubens ausgegangen "iR, die mit der Er 




















Neander, Auguft 681 


bebung Deutichlands in den Freiheitskriegen Hand in Hand ging. Schleiermacher, de Wette, 
Marheineke wirkten jchon dort, zu ihnen fam nun Neander, der nicht dag Wenigite zur 
Erfüllung jener Aufgabe beigetragen hat. 

Neander begann feine Wirkſamkeit in Berlm im Jahre 1813, eine Wirkſamkeit, die 
var anfangs durd die Zeitverhältniffe eingeengt, bald und raſch fich in immer größeren 
reifen entfaltete. Be Kirchengeichichte las er auch Eregeje ded Neuen Teitaments, 

beides mit großem Beifall. Daneben rubten feine litterarifchen Arbeiten nicht. Noch im 
Jahre 1813 folgte die zweite Monographie: „Der hl. Bernhard und fein Zeitalter” (neu 
herausgegeben von Deutfdy 2 Bde 1889 f.), dann im Jahre 1818 die „genetifche Ent: 
widelung der vornehmiten gnoftischen Syſteme“, im Jahre 1822 „ver bl. Chryſoſtomus 10 
und die Kirche bejonders des Orients in deſſen Den he und die „Denktivürdigfeiten aus 
der Geſchichte des Chriftentums und des chriftlichen Lebens”; endlich im Jahre 1825 der 
„Antignoftifus, Geift des Tertullianus und Einleitung in deſſen Schriften”, 2. umgear: 
beitete Auflage 1849. 

Alle diefe Monographien waren nur Vorbereitungen auf das Hauptiverk feines Lebens, 
feine „Allgemeine Geichichte der chriftlichen Religion und Kirche”. Schon längere Zeit 
hatte ſich Neander mit dem Gedanken einer foldhen getragen, ohne zu einem beſtimmten 
Entſchluſſe kommen zu können aus Scheu vor der Größe des Werks. Eine Aufforderung 
jeined Verlegers Friedrich Perthes zu einer neuen Auflage des Julian brachte ihn zum 
Entihluß, indem er, jenes Werk in der bisherigen Geitalt wieder ausgehen zu Iaffen, 30 
Bedenken trug und nun den Plan zu dem größeren Werke faßte. Im Jahre 1826 er- 
ſchien der erite Band, dann fucceffive bis zum Jahre 1845 fünf Bände ın zehn Ab- 
teilungen, welche bis auf Bonifactus VIII. reichen. Eine neue Auflage der eriten Bände 
erjchien feit 1842 vielfach umgearbeitet; einen elften Teil, der die Kirchengefchichte bis 
zum Bafeler Konzil enthält, hat Schneider 1852 aus den nachgelafienen Papieren Ne: 25 
anders Hinzugefügt. Eine dritte Gefamtausgabe des ganzen Werkes in zwei Bänden 
(4 Abteilungen) erjchien 1856 mit einem inhaltreichen Bormworte von Ullmann. Neben 
der allgemeinen Gefchichte der Kirche bearbeitete Neanver die „Gefchichte der Pflanzung 
und Leitung der chrijtlichen Kirche durch die Apoſtel, als felbitftändiger Nadıtrag zu der 
allgemeinen Gefchichte der chriftlichen Religion und Kicche” (2 Bände, Hamburg 1832) 30 
und angeregt duch den Kampf gegen Strauß, das „Leben Jeſu“ (ebendaf. 1837). Außer: 
dem haben wir von ihm eine große Zahl Heinerer Schriften, Programme, Vorträge in 
der Alademie der Wilfenichaften, Aufſähe in der von ihm mitbegründeten „deutſchen 3eit- 
ſchrift für chriftliche Wiſſenſchaft und diftliches Leben” u. ſ. w., |. Willenfchaftl. Abhand- 
lungen, berausgeg. v. J. 2. Sacobi, Berlin 1851. Eine Gefamtausgabe der Werte Ne: 36 
anders erichien 1862-1875. 

Wir haben die Eirchenhiftorifchen Arbeiten Neanders zufammengeftellt, um einen Über: 
blid über diefelben zu geben; verfuchen wir nun eine Würdigung derfelben. Um Nean- 
ders Bedeutung zu veritehen, muß man fich vor allem erinnern, wie es mit der Kirchen 
geichichte ftand, als er zu arbeiten begann. Der bebeutendite Kirchenhiftoriter jener Zeit 40 
war fein Lehrer Pland. Er gebört der ſog. pragmatischen Geſchichtsſchreibung an; diefe 
darf als die Stufe angefehen werben, auf welcher Neander die Kirchengeichichte vorfand, 
obwohl in Schellings und Marheinekes Konftruftionen der Sirchengefchichte wie in dem 
neu erwachenden gründlicheren Duellenftubium Giefelers u. a. Elemente einer höberen 
Auffaflung teils ſchon gegeben waren, teild gleichzeitig gegeben wurden. Die pragmatifche 45 
Geſchichtsſchreibung tft Die des Nationalismus wie des Supranaturalismus; erjt eine Theo: 
logie, melde fich überhaupt über diefen Gegenſatz erhob, konnte auch eine höhere Ge— 
ſchichtsanſchauung hervorrufen, und tie es vor allem Schleiermachers That iſt, den 
Fortichritt über jenen Dualismus hinaus bewirkt zu haben, fo bietet Neanders Kirchen: 
‚gefchichtichreibung dazu die Barallele in der einzelnen Disziplin. Nationalismus wie su 
Supranaturaligmus willen das Chriſtentum nur als eine Lehre aufzufaflen, mag nun 
dieſe Lehre als eine aus der Vernunft ſtammende oder als eine von oben übernatürlich 
geoffenbarte aufgefaßt werden; beide twurzeln in derfelben nur nad) verfchiedenen Seiten 
gewendeten mechanischen Weltanſchauung; beiden fehlt daher das Verftändnis einer ge: 
ſchichtlichen Enttwidelung; beiden treten die objeftiven Mächte ganz vor den Individuen 55 
zurüd. Deren Denten und Wollen, deren Pläne und Abjichten, gute und böfe, find die 
einzigen Motive aller Veränderungen. Bon höheren über die einzelnen Individuen binaus- 
liegenden Raufalitäten weiß man nichts, oder wo folche auftreten -- Vorfebung, Plan 
Gottes — da find fie tot, fchweben in unnahbarer Ferne über den Individuen. Dieſe 
zu belaufchen in ihren Plänen, darin befteht die bijtorifche Stunft des Pragmatismus, auf so 


an 


— 
oO 


682 Neander, Auguft 


pſychologiſchem Wege foll das Material gewonnen werden, während das Duellenftubium 
zurüdtritt. An die Stelle des reichen Anhaltö der lebendigen Entwidelung tritt der 
eigene arme, entleerte Begriff vom Chriftentum, in dem man fid doch fo body und reich 
bünft und mit dem als Maßftab man zulett zu Gerichte ſitzt. 
6 Bereits die erjte Arbeit Neanders, fein Julian, hat die pragmatifche Geſchichtſchrei 
im weſentlichen nach allen Seiten durchbrochen. Wenn er gleid im Cingange 
binweift, „mie wenig es in der Macht des Einzelnen fteht, etwas zu fchaffen, wie wenig 
der Sinzelne vermag im Kampfe mit der Vorfebung, die nach ihrem ewigen Ratſchluſſe 
den Seit der Zeiten leitet und bildet”, fo ijt damit der bisher berrichende Pragmatismus 
10 aufgehoben und cine höhere teleologifche Gefchichtsbetradhtung an die Stelle getreten. Daß 
Neander gerade den Julian zum Gegenftand erwählt, wie die Art, in der er ihn auffef 
daß er jelbft in dieſe feinem inneriten Leben fremde und mwiberftrebende Perſönlichklei 
(denn wenn man beide, Neander und Julian, als Romantiker einander verwandt g 
bat, jo it das mehr Schein ale Wahrheit) mit folcher Liebe und Hingabe eingeht, zeigt 
15 ſogleich Neanders glänzendfte Eigentümlichleit. An die Stelle der piochologif Künfte 
tritt ein reiches Quellenftudiun, und man braucht nur zu leſen, wie Neander im Ein- 
gange die Beitrebungen Sultans in den Entwidelungsgang der Kirche einfügt, um zu 
erfennen, daß bier eine höhere Geſchichtsauffaſſung waltet, als jene äußerliche, die Julian 
nicht zu verjtehen im ftande war, ihn entweder als a btriinnigen nur zu verabicheuen 
© twußte oder ihn gar eben wegen dieſes Gegenfages gegen die Kirche mit einer gewiſſen 
Glorie ungab. In noch höherem Maße tritt das alles in Neanders zweiter Monographie, 
im Yeben des hl. Bernhard, hervor. Hier hatte er eine ihm felbit im Innerſten ver: 
wandte Perfönlichkeit vor fih. Hier erit fteht man recht, wie er es verfteht, eine Ber: 
jönlichkeit in ihrem innerften Kern aufzufaflen und von da aus ihr Thun und Wirken 
25 darzuftellen, ſodaß es vor den Augen der Leſer aus jenem Kerne von innen beraus 
wächſt, und man von da aus auch die Einfeitigleiten und Schroffheiten begreifen lemt. 
Mit der „genetiichen Entwidelung der gnoftiihen Syſteme“ wendet er fih dann ber 
Dogmengefchichte zu, und auch bier ift feine Arbeit unzweifelhaft epochemachend. Zwar 
batten Beaufobre, Mosheim u. a. fchon die Überwindung der alten Auffaffung, nad 
3% welcher die gnoſtiſchen Syſteme nichts als Ausgeburten einer kranken Phantaſie oder 
tirchenfeindlicher Bosheit waren, vorbereitet, aber auch ihnen waren jene wunderbaren 
Syſteme doch nur vereinzelte Meinungen, die fie weder ihrem Urfprunge nach zu begreifen, 
noch in ihrer Bedeutung zu würdigen wußten. Neander hat zuerjt die Verwirrung auf 
diefem Gebiete zu lichten angefangen, er hat die gnoftifchen Eyfteme mit verwandten Er: 
35 ſcheinungen kombiniert, hat gezeigt, aus welchen Bedürfnifjen fie berborgingen, und fie 
in den Entwidelungsgang der Kirche eingereibt. Muß auch diefes Werk jetzt als 
antiquiert gelten, jo gebührt ihm doch das Verdienſt, bier viele Forſchungen angercat 
(hir erinnern nur an die Glementinen) und den Weg gebrochen zu haben. Der Che: 
ſoſtomus ift die ausführlichfte der Biographien Neanders, oft breit, zerfließend, ber 
40 Be nad mangelhaft, wie das überhaupt Neanders ſchwächſte Seite ift, aber reich an 
halt. 

Sehen wir nun zu den Hauptwerke Neanders über. „Das Chriftentum erkennen 
wir als eine nicht aus den verborgenen Tiefen der menfchlichen Natur ausgeborene, fon- 
dern ale eine aus dem Himmel, indem biefer fich der von ihm entfrembeten Menſchheit 

35 geöffnet hat, ſtammende Kraft, eine Kraft, welche in ihrem Wefen wie in ihrem Urfprunge 
erhaben über alles, was die menfchliche Natur, aus ihren eigenen Mitteln zu fchaffen 
vermag, neues Leben ihr verleihen und von ihrem inmwendigen Grunde aus fie umbilden 
follte‘. In diefem Befenntniffe, welches er im Eingange zur allgemeinen Kirchengejchichte 
ablegt, Tiegen die Wurzeln der ganzen firchengefchichtlichen Anjchauung Neanders. Das 

5 Chriſtentum iſt ihm eine Kraft, cin Leben, nicht bloß eine Lehre, und zwar nicht em 
bloß menfchliches, aus der Menfchheit ausgeborenes, fondern ein von oben hineingefenltes, 
ein göttliches Xeben, ein göttliches, das aber wahrbaft in das menjchliche eingeht, es von 
innen beraus umzubilden. „Obgleich es als höheres Umbildungselement in die Menſchheit 
eintrat, jo follte es doch nicht bloß durch Wunder fich fortpflanzen, —8 iſt denſelben 

5 Entwickelungsgeſetzen wie alles Übrige unterworfen“. Dieſes Eingehen iſt aber möglich, 
weil die menſchliche Natur nad ihrer Schöpfungsanlage zur Aufnahme dieſes böberen 
Prinzips beſtimmt, für dasſelbe empfänglich iſt. „Wenngleich das Ehriftentum nur als 
ettvas über die Natur und Vernunft Erbabenes, aus einer böberen Quelle ihr Mitgeteiltes 
veritanden werden fann, jo ftebt c8 doh mit dem Weſen und Enttwidelungsgange ber: 

© jelben in einen notwendigen Zufammenhange, obne welchen es ja auch nicht dazu be: 


Neander, Auguft 683 


ftimmt fein könnte, zu einer höheren Stufe fie zu. erheben, ohne welchen es überhaupt 
nicht auf fie einwirken könnte”. 

Die Geſchichte der Kirche ift alfo für Neander die Geichichte des Durchdringungs⸗ 
prozeſſes des von oben hineingefentten göttlichen Lebens mit dem menfchliden. Es ift 
das Gleichnis vom Sauerteig, auf das Neander immer wieder hinweiſt. „Wie das Wenige 6 
des Sauerteigs, in die große Maſſe des Mehls geisorfen, einen Gährungsprozeß in der: 
felben hervorbringt, und, durch die inwohnende Kraft darauf einwirkend, das Ganze jich 
verähnlicht ; fo rief das Chriftentum, als das himmlische Ferment, durch die Macht eines 
göttlichen Lebens einen Gährungsprozek in der menfchlichen Natur hervor, der feine Wir: 

ngen mitten aus den verborgenen Tiefen derjelben, von ihren inneriten Grunde aus, 
auf das Denken wie auf das äußere Leben verbreitete, Alles fich zu verähnlichen, Alles 
umzubilden und fich anzubilden; etwas, das nur in allmählichen Entwidelungsgange 
erfolgen fonnte und mannigfaltige Kämpfe mit den zu überwältigenden fremden Elementen 
vorausfehte”. (Vgl. außerdem „Kleine Gelegenbeitjchriften” ©. 123.) 

Sehen wir noch genauer zu, wie fid) Neander dieſe Entwidelung vorftellig macht. 16 
Das neue göttliche Leben bat ſich zunächſt in Chrifto dargeftellt. In ihm als dem Ur: 
bilde, dem anderen Adam, tft es in feiner ganzen Fülle, deshalb über alle Gegenfäge 
erhaben, die Grundelemente aller menjchlichen Eigentümlichleiten in fich zufammen- 
fchließend. Mas aber in Im ein? war, das muß nun in der bon Ei ausgehenden 
Entwidelung ſich individualifieren. Das eine Leben geftaltet ſich mannigfaltig, eingehend 20 
in die Mannigfaltigleit des Menfchenlebens. Da die natürlichen Eigentümlichkeiten der 
Individuen nicht aufgehoben, fondern verklärt werden follen, fo ftellt jedes Chriftenleben 
das eine Leben Chriſti in eigentümlicher Geftalt dar. In feinem ift e8 ganz und völlig; 
jeder bringt nur eine Seite desfelben zur Offenbarung. Einer muß daher den andern 
ergänzen und bedarf wieder des andern zu feiner Ergänzung, und erft in allen zu: 25 
jammen, erft im Lauf der ganzen Gefchichte kommt der ganze und volle Chriftus zur 
Darftellung. So ſieht Neander das eine Leben in verfchtevene Richtungen auseinander 
gehen, die unter Einwirkung ber ſtets noch eingreifenden Sünde zu Gegenfägen werden, 
die ftatt einander zu ergänzen fih ausschließen und befehden, und dann doch wieder auf 
Grund der höheren Leitung fid) ergänzen müſſen. Immer aufs neue ftellt Neander so 
foldhe Gegenſätze einander gegenüber: äußeres und inneres Chriftentum, Weltaneignung 
und Weltbefämpfung, rationaliftifche und fupranaturaliftifche, Scholaftifche und myſtiſche, 
ſpekulative und praktische Richtung. Diefe ftete Aktion und Reaktion, diefes ſich gegenfeitige 

ervorrufen, Anziehen und Abſtoßen, Anfeinden und Zufammenjcließen, Yorbern und 

rgänzen und ın dem allen die immer völligere, alljeitigere Offenbarung des gött- ss 
lichen Lebens bis zur vollftändigen Darftellung des ganzen Chriftus in der Geſchichte 
Einf ift die Bewegung der Kirchengefchichte, das darzuftellen die Aufgabe des Kirchen⸗ 
Bon bier aus verfteht man die Eigentümlichkeiten der Neanderfchen Kirchengeichichte. 
Hier murzelt zunädjft ihr erbaulicher Charakter. Neander hat jelbit darauf aufmerkſam «0 
gemacht, daß hier „ein notwendiger Zirkel für das Erkennen ift.” „Das Verftändnis 
der Geſchichte jest das Verſtändnis deilen, was das wirkſame Prinzip in ihr iſt, voraus, 
die Gejchichte giebt aber auch wieder dafür, daß ung dies gelungen it, die rechte Probe“ 
(RS I, 1). Für Neander ift die Gefchichte der Kirche dag Bemußtjein der Kirche von 
ihrem eigenen Leben, ihm ift feine Arbeit als Gefchichtfehreiber der Kirche eine Bethä- 46 
tigung feines eigenen frommen Lebens; es gilt bier fein oft gebrauchter Wahlſpruch: 
„Pectus est quod facit theologum“. Bei Neander wird daher die Kirchengefchichte 
ganz von ſelbſt erbaulich,; es iſt Das nichts von außen Hinzugethanes, ſondern der not—⸗ 
wendige Zielpunkt diefer Bewegung. Deshalb erklärt er, daß er einen Gegenſatz zwiſchen 
erbauender und belehrender Kirchengeſchichte nie anerkennen werde, deshalb fpricht er es so 
aus: „Die elhignte der Kirche Chriſti darzuitellen als einen fprechenden Erweis von 
der göttlichen Kraft des Chriftentung, als eine Schule chriftlicher Erfahrung, eine durch 
alle Jahrhunderte hintönende Stimme der Erbauung, der Lehre und der Warnung für 
alle, die hören wollen — dies war von früh an ein Hauptziel meines Lebens und meiner 
Studien”. 65 

Sin den dargelegten Grundanjchauungen Neander® wurzelt dann ferner auch die 
Eigentümlichkeit, weldye an allen feinen Werfen zunächft ins Auge fällt, die zu den 
leuchtendſten Zügen feiner Ericheinung gehört, feine Achtung vor dem individuellen Leben, 
feine Hingabe an das Individuelle, feine Fähigkeit, dieſes zu erfaffen und zur Daritellung 
zu bringen, kurz die Objektivität feiner Darſtellung. Aber diefe Achtung vor dem In⸗ 60 


dei 
© 


684 Keander, Auguft 


dividuellen rubt auf tiefem Grunde; es iſt nicht Achtung vor dem Individuum an fh, 
fondern vor dem Individuum als Träger des chriftlichen Lebens. Weil er weiß, daß 
ih das chriftliche Leben jo indiwidualifiert darftellen muß, weil er Chriftum überall ſucht 
und „die Gabe hat, ihn überall zu finden”, darum beugt er fi) vor dem Indivibuellen. 
» Daher denn dieſe Hingabe an den Gegenjtand feiner Gefchichtfchreibung. Mit aller 
Treue, mit der größten Selbftverleugnung ftrebt er die Bilder des individualifierten 
chriftlichen Lebens zu erfaflen und das Kleinod, das er gefunden, auch ungetrübt wieder 
zu geben. Aus dieſer Hingabe entipringt dann die Fähigkeit, die wir ſchon oben an 
feinen Monographien aufgewiefen baben, ſich hineinzuleben in andere Individualitäten, 
10 das chriftliche Yeben in jeder Umhüllung, in jeder auch noch fo freinden Form zu finden 
und aufzudeden; felbit den leiſen Schimmer des Lichtes, der fonit von Nacht umbüllt ift, 
noch zu erfalfen und auch andere erbliden zu laffen. Daher diefe Weitherzigkeit, Diele 
Milde des Urteils neben unbedingter Mabrheitsliebe. Daher mit einem Worte dide 
Objektivität der Gejchichtsfchreibung, bei der die verjchiedenartigften Geftalten in ihrem 
15 eigenen Lichte, in ihrer eigenen Umgebung vor uns bintreten, wie Baur ſchön gefagt bat 
(Epochen der Kirchengefchichtsfchreibung S. 206); „Frei vor dem fich ihrer Freiheit freuen: 
den Gefchichtichreiber daftehen !“ 
Doch damit ſtehen wir auch an dem jchwächlten Punkte der Neanderfchen Gefchichts- 
auffaſſung. Das Individuelle überwiegt bei weiten das Gemeinfame, das Objektive 
>» tritt ganz hinter das Eubjektive zurüd. Die Gemeinjchaft beiteht für Neander, genauer 
angejehen, eigentlich nur in den Nebeneinander von einzelnen Individuen, Die Dasfelbe 
eine Leben in Mannigfaltigkeit darjtellend, fich gegenfeitig ergänzen und im Gleichgewicht 
halten. Diefes Aggregat von Individuen tft nicht ftark genug gegenüber dem Einzelnen, 
deshalb macht fich Doc immer wieder der Einzelne, die Berfon vor der Gemeinfchaft, das 
25 Individuelle vor den Gemeinfamen geltend. Es iſt mit einem Worte der Mangel des 
Kirchenbegriffs, die Schwäche des Kirchlichen der Grundfehler der Neanderfchen Kirchen: 
gefchichte. Statt einer Kirche haben wir nur eine Sammlung einzelner, vom chriſt⸗ 
lihen Leben erfüllter Andividuen, mie denn auch die Grenze der Kirche falt ver: 
Ichwindet, indem alle Individuen, in denen nur noch die leifeften Spuren des chriftlichen 
80 Lebens fich finden, mit in den erweiterten Kreis gezogen werben, zwiſchen Kirchlichem 
u Häretiſchem nur ein völlig relativer, im Grunde nur konventioneller Unterjchied be 
alfen wird. 
Damit hängt c8 aufs engfte zufammen, daß das biographifche Element bedeutend 
vormwaltet. Die Gefchichte drobt, ſich in eine Neibe von Biographien zu zerfplittern. Die 
85 Beziehungen des Chrijtentums zu den Gefantheiten, zu den Völkern, noch mehr zu ber 
Menschheit ald Ganzem, treten zurüd. Noch weniger als das ficchliche iſt das Tatbe: 
lifche Element bei Neander zu feinem Nechte gekommen. Mit Vorliebe wendet er ji 
überall dein inneren Leben, dem Genütsleben des Einzelnen zu, hier ſucht er die Wurzeln 
aller Geſtaltungen und Bewegungen in der Kirchengefchichte, während er die objektiven 
10 Mächte nicht genug zu würdigen weiß, ja dieſe oft mißtrauifch anfieht als Beſchränkungen 
der Freiheit des Individuums. Das innere, Stille, verborgene Leben des Chriftentums 
bat er mit Meifterhand ausgeführt, aber feine weltübertoindende Kraft, feine nach außen 
bin geftaltende Macht bat er nicht in ihrer ganzen Fülle zu erfaſſen vermodt. Tas 
(Hebiet des inneren Yebens durchſchaut er und ftellt es unübertrefflih dar, das Gebiet 
45 des äußeren Xebens, das Leben der Kirche als Volkskirche, wie es fih offenbart in ber 
Bildung des Dogmas wie Des Nechts, in den Geftaltungen der Sitte, wie ın den 
Schöpfungen der Kunſt, im Bau der Sprache, wie im Bau bimmelanftrebender Dome 
— das iſt zu kurz gefommen. Deshalb mangelt bei aller lebendigen Bervegung, bei 
aller reihen Mannigfaltigfeit der Charaktere dennoch eine eigentliche Entividelung. Immer 
zo neue Individualitäten werden ung vorgeführt, aber da diefelben Eigentümlichleiten immer 
wieder da find, wenn auch anders verteilt, da fie auch nach dem Neanderjchen Geſetze 
einander immer wieder das Hleichgewicht balten müffen, jo ift es eigentlich immer wieder 
derfelbe Anblit, den man vor fi bat, Ddiefelben Elemente, nur anders gejchoben und 
fonıponiert, feine Entwidelung Die Aktion ruft immer aufs neue Reaktion bervor, 
55 Nationalismus hält dem Zupernaturalismus die Wage, Scholaftik fteht der Myſtik gegen- 
über. Immer ſind es diefelben Kategorien, unter Die Neander die Erfcheinungen bringt, 
wie er denn auch fo gem Erſcheinungen verfchtedener Zeiten vergleiht. Es werden 
immer neue chrijtliche Perſönlichkeiten, immer neu brechen fich die Etrahlen der Sonne; 
man folgt Neander fo gern, wenn er uns bindurchfübrt, und das Leben in feiner Mannig- 
eo faltigkeit aufichließt, aber man iſt Doch nicht befriedigt, weil man doch am Ende objektiv 


Neander, Auguft 685 


nichts werden ſieht. Es iſt eine Bildergallerie ohne Ende, in der die Geſtalten einander 
immer wieder ähnlich feben, in der man zulegt jeden Überblick verliert. Auch äußerlid) 
prägt ji das in der Form ab, in dem Mangel großartiger Gruppierung und in dem 
oft zerfließenden Stil. Fallen wirs zufammen, jo möchten wir fagen: Neander hat aller 
dings die Gefchichte des Chriftentums gefchrieben als Kommentar zu dem Gleichnis vom 5 
Sauerteig, welches das innere Durchdrungenwerden der Menfchheit von dem göttlichen 
Leben darftellt, aber das Gleichnis, welches ergänzend daneben jteht, welches ergänzend 
das Wachstum des Neiches Gottes nach außen darftellt, fein Wachſen und Werden als 
Organismus allerdings von innen heraus, aber nach außen hin, das Gleichnis vom 
Senflorn iſt nicht zu feinen Rechte gelommen. 10 
Vergegenmwärtigen wir uns, um dieſes Urteil zu bejtätigen und um zugleich die 
legten Gründe der beregten Mängel aufzudeden, N.s Konftrultion der Kirchengeſchichte. 
E83 iſt ein ungemein einfaches Schema der Entwidelung. Dieje vollzieht ſich in drei 
Perioden, wobei wir natürlich nicht an die äußere Vertodenabtetlung, jondern an den 
inneren Entwidelungsgang denten. Die Grenzjcheide der erften und zweiten Periode ı5 
bildet für Neander die Bildung einer Briefterichaft, auf die er nicht genug Gewicht legen 
fann, ein Umitand, der aufhört, befremdend zu fein, wenn man fich erinnert, welches 
Gewicht Neander im Zufammenhange mit dem Hervorheben des Subjeftiven auf das 
allgemeine Prieſtertum aller Chriften legt, ſodaß man wohl fagen mag, feine Kirchen: 
geſchichte ift zugleich eine Geichichte des allgemeinen Prieſtertums. Diefe Bildung einer 20 
Briefterfajte hatte einen doppelten Grund. Einmal wurzelt fie in dem Geſetze der 
normalen Entwidelung. „Auf die Zeit der erften chriftlichen Begeifterung, einer jolchen 
Ausgießung des Geiſtes, welche die Unterfchiede der Bildung in den Gemeinden mehr 
zurüdtreten ließ, folgte eine andere Zeit, ın welcher das Menfchliche in dem Entwide- 
lungsgange der Kirche fich mehr geltend machte. Die Verfchiedenheiten in den Stufen 25 
der Bildung und ber chriitlichen Erkenntnis traten mehr hervor, und daher fonnte «8 
geichehen, daß die Leitung der Gemeindeangelegenbeiten immer mehr dem Sirchenfenate, 
die Erbauung der Gemeinden durd) das Wort immer mehr jenen, ivelche als Lehrer an 
der Spite ftanden, zugeeignet wurde.” Dazu kam aber nun noch ein abnormer Faktor 
der Entwidelung, und in dem liegt eigentlich die Urfache, weshalb es zur Bildung einer so 
Vrieiterlafte fam. „Zu dem, mas von felbit aus dem gefchichtlichen Entwidelungsgange 
folgte, fam unverkennbar noch eine dem chriftlichen Standpunkte fremde Idee hinzu, eine 
dee, welche einen für Jahrhunderte nachhaltigen und fi) aus dem einmal gegebenen 
eine immer weiter entiwidelnden Umfchwung der Denkweiſe erzeugen mußte”. Das tft 
das Miedereindringen des überwundenen jüdischen Standpunktes. „Die Menfchheit 3 
fonnte ſich auf der Höhe der reinen Geiftesreligion nody nicht behaupten; der über- 
mundene jüdische Standpunkt war der erjt für die Auffaflung des reinen Chriſtentums 
u erziehenden, erft vom Heidentum entwöhnten Maſſe ein näherer; aus dem zur Selbft- 
Mändiafeit gelangten Chriſtentum heraus bildet ſich wieder ein dem altteitamentlichen 
verivandter Standpunft, eine neue Veräußerlihung des Reiches Gottes, eine neue Zucht ao 
des Geſetzes, welche eint zur Erziehung der rohen Völker dienen follte, eine neue Vor: 
munbdichaft für den Geift der Mienjchheit, bis derjelbe zur Neife des Mannesalters in 
Chrifto gelommen wäre. Dieſe Wiederverhüllung des chriftlichen Geiftes in einer dem 
alttejtamentlichen Standpunfte verwandten Form mußte fich, nachdem einmal das frucht: 
bare Prinzip hervorgetreten war, immer weiter entivideln, die darin liegenden Folgen a6 
immer mehr aus fi) berausbilden; es begann nun auch eine Reaktion des nad) Freiheit 
jtrebenden chriftlichen Bewußtſeins, welche in mannigfaltigen Erjcheinungen immer von 
neuem wieder bervordrang, bis fie in der Reformation zu ihrem Siege gelangte” (KG 
I, 106). Da haben wir das einfache Schema der Gntwidelung, auf das Neander immer 
wieder zurückkommt (4.8. II, 1, 26ff.). In der erften Periode die Höhe der reinen 50 
Geiftesreligion, dann in der zweiten eine „Wiederverhüllung des hriftlichen Geiſtes“ durch 
eine Rückkehr des alttejtamentlichen Standpunftes, daneben beftändige Reaktionen des nad) 
Freiheit ſtrebenden chriſtlichen Bewußtſeins, endlich in der dritten der Sieg diefer Reaktion, 
alfo die Wiederenthüllung des chriſtlichen Geiſtes. Fragen wir nun aber meiter, woher 
denn diefe Wiederverbüllung? fo fann die Hinweiſung auf den Plan Gottes, nach dem oo 
der dem altteftamentlichen verwandte Standpunft den toben Völkern zur Erziehung 
dienen follte, nad) feiner Seite bin ausreichen, denn abgefeben von der Richtigfeit des 
Saßes, wäre damit nur gefagt, wie Gott diefe abnorme Entiwidelung dennoch zum 
Dienfte des Evangeliums vertvandt habe, nicht diefe in ihrem Urſprunge nachgetviefen. 
Wir ſehen uns aljo auf den Satz vertiefen, daß „die Menjchheit fih auf der Höhe der oo 


686 Neander, Auguft 


reinen Geiftesreligion nicht halten konnte“, daß nad der Zeit der erften chriftlichen Be 
geifterung, wo das Menschliche vor dem Böttlichen zurüdtrat, eine Zeit folgen mußte, 
wo umgelehrt das Menſchliche vor dem Göttlichen bervortra. Es ruht alfo die Ent 
twidelung auf einem Schwanken zwifchen dem Göttlichen und Menfchlichen, die einander 
6 widerſtrebend gegenüberftehen, twehfelstveife einander überwältigend und verbrängend. Wir 
ſehen uns im mejentliden auf den Standpunkt der Genturien oder richtiger Amolds, 
dem Neander am meiften verwandt ift, zurüdgetvorfen. Nicht daß wir damit Neanders 
Arbeit als eine mißlungene darftellen wollten, nur das muß gejagt werden, Daß Neander 
am Anfange einer Ehodıe der Kicchengefchichtsichreibung Ieht, noch nicht deren Bollendung 
10 bietet. Sein in ga Injet Jugendfrifche gegebener Verſuch, die große Aufgabe zu Löfen, ift 
noch nicht deren wirkliche Löfung. Wie das Leben des Chriftentums überall zuerft inner: 
liches Leben ift, zuerft in Perfünlichkeiten als individuelles Leben fich darftellt, fo ‚mußte 
bon da auch zuerft die Gefchichte des Chriftentums angejhaut werden, und mie in 
gen en Theologie feit ihrer Wiederbelebung immer mehr die objektiven Saktoren” * 
10 echte fommen, fo wird e8 auch in der Kirchengefchichte fein mühlen. Der Weg dahın 
geht durch neue Einzelarbeit, auch durch neue GEinfeitigleiten. Die Elemente, die m 
teander zufammenliegen, ohne vollkommen geeint zu fein, müflen aufs neue aus 
einanbertreten, jchärfer und meiter als früher, um dann einer höheren Einigung zu 
zuftreben. Aber an der Spige diefer Entwickelung als der, welcher zuerſt die neu 
20 Epoche der Theologie in einer neuen Gefamtdarftellung der rhengefbichte vertreten 
ee Ir Neander. Mit Recht gilt er darum als der Vater der neueren Kirchen: 
geſchi 
Der litterariſchen Thätigkeit Neanders ging eine nicht minder bedeutſame önliche 
Wirkſamkeit zur Seite, ja man kann —— t ſein, durch welche er mehr gewi zu 
25 Wiederbelebung des Gi aubens, jedenfalls hätte ſeine litterariſche Thätigkeit ohne dieſe 
perſönliche nicht den großen Einfluß üben können. Achtunddreißig Jahre Bat Neander 
in Berlin gewirtt. Schon bei Lebzeiten Schleiermacdhers las er neben feinen kirchen⸗ 
hiftorifchen und neuteſtamentlich eregetifhen Vorträgen auch Dogmatik. Die Greaete trug 
einen praftifchen Charakter, wie die zu eingeinen Epifteln auf Grund der Borlefungen 
30 erfchienenen Kommentare darthun. Nach Schleiermachers Tode übernahm Neander auch 
Vorleſungen über Ethik. Reiches bibliſch— theologiſches Material zeichnen feine Vorträge 
aus, doch war Neanders bogmatitche Bildung zu wenig felbitftändig, zu jehr von Schleier: 
macher abhängig, über den er jedoch auch in mejentlichen Punkten, namentlich in der 
Chriftologie hinausging. Von feinen Vorlefungen find nach feinem Tode mehrere heraus 
36 gegeben von J. Müller: Bd I u. II Chriftl. Dogmengefch. von 3.2. Jacobi, Berlin 1857, 
Bd III Auslegung der Briefe an die Corintber von W. Beyihlag 1859, Bd IV 
Katholicismus und Proteftantismus von H. Mehner 1863, Bd V —— ber duit 
Ethik von D. Erdmann 1864. Außerdem der erſte Brief Johannes erläutert durch 
A. Neander, herausgegeben von K. F. T. Schneider, Berlin 1851, Dogmatik, herausg 
40 v. Gloatz, Braunfchtveig 1898. 
Ungemein bedeutend war auch Neanders Einfluß im Verkehr mit den Studierenden. 
In weiteren und engeren Kreifen ift er Unzähligen zum reichen Segen geivorben, mie 
denn überhaupt die Macht feiner großartigen Einwirkung auf feine Zeit in ber Dayı 
feiner Perjönlichkeit liegt. Eine durch und durch einfahe und kindliche Natur, 
en nad) außen, faft unmündig in äußeren Lebensverkehr, treu im Beruf, ftreng Yen 
ich ſelbſt, voll Milde und Liebe gegen andere, ein ganz und rüdhaltslos dem Herren hin: 
gegebenes Leben, fo fteht feine Berfönlichteit bor und. Seine ganze Theologie trägt 
einen perfönlichen Charakter. Peetus est quod facit theologum, bas ift fein sah 
ſpruch, der feine Theologie charakteriſiert. So mild und weitbernig | jein Urteil fonft if, 
co jo tritt er mit einer gewiſſen Heftigfeit auf, fobald er etwas ein die Entwickelung 
des chriftlichen Lebens Verderbendes erkennt. Da wirft er das ganze Gewicht feiner 
Perfönlichkeit in die Wagfchale, und je weniger der Gegenfa aus feften bogmasiihen 
Prinzipien beruht, deito mehr trägt er einen durchaus perjönlichen 1 Charalter. ee 
gegen die evangelifche Kirchenzeitung proteftiert und von ihr fich losgefagt, als fee leier- 
656 macher angriff, fo bat er * der pantheiſtiſchen und —E Spekulation mit 
großer Beitimmtheit nicht ohne Schärfe und Reizbarkeit entgegengefegt aber auch der ich 
ſtrengen Richtung, die auf Firierung des Dogmas drang, wobei er denn leicht Beichrä 
der individuellen Freiheit fürchtete und ſehr geneigt war, von Menſchenknechtſchaft zu reden. 
Sein ganzes Leben und Arbeiten, feine ſchrifiſtelleriſche wie feine akademiſche Thätig⸗ 
60 keit und fein perſönliches Leben find ein großes, lautes und lebendiges Beugnis von 


Neander, Auguft Neander, Joachim 687 


Chriſto dem Herrn, und auf dieſem Zeugnis hat ein großer Segen geruht für Tauſende. 
Unter den Perſönlichkeiten, an welche ſich die Wiederbelebung des Glaubens und der 
Theologie in den erſten Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts knüpft, nimmt er unzweifelhaft 
einen der erſten Plätze ein, ſieht man auf den praktiſchen Erfolg, vielleicht den erſten. 
Neander hatte ſchon während ſeines ganzen Lebens mit mancherlei Leibesſchwachheit, 
die oft zu Beſorgniſſen Anlaß gab, zu kämpfen gehabt. Seit dem Jahre 1847 befiel 
ihn ein Augenleiden, das ihn an der Fortſetzung ſeiner Kirchengeſchichte hinderte. Von 
der Brechruhr ergriffen, wurde er nach einer Krankheit von wenigen Tagen am 14. Juli 
1850 heimgerufen. Schon erkrankt, hatte er noch ſeine Vorleſungen fortgeſetzt; in den 
Phantafien der Krankheit beſchäftigten ihn noch die Gedanken an die Fortſetzung ſeiner 10 
Kirchengeſchichte, von der er ſogar eine Schilderung der Gottesfreunde diktierte. Als er 
zu Ende war, fragte er nach der Zeit und antwortete dann: .„Ich bin müde, ich will 
nun jchlafen geben. Gute Nacht!” Sein Kampf war zu Ende, fanft fchlummerte er hin- 
über. Am 17. Juli ward er beftattet. Am Sterbehaufe hat ihm Strauß die Leichen: 
rede gehalten über den Tert So 21,7: „Da fprad der Sünger, welchen der Herr lieb 16 
—* Es iſt der Herr!” und beſſer läßt ſich ſein Leben und Wirken nicht zuſammen— 
aflen, alg in dieſes eine Wort. G. Uhlhoru }. 


a 


Neauder, Joachim, get. 1680. — 3. H. Reitz, Hiltorie der Wiebergeborenen u. ſ. w., 
Spitein 1717, IV. Teil, ©. 44-57; Mar Göbel, Geſch. des chrijtl. Leben? in der rheiniich- ao 
weitfälifchen Kirche, 2.8, S. 322 -358; J. Fr. Zen, Soahim Neander, Bremen 1880; 
u. Ritſchl, Geſch. des Pietismus, Bonn 1880, 1. Bd, S. 383ff.; K. Krafft, Joachim Neander 
(Theol. Arb. a. d. rhein. will. Pred. Ver. 4.85, ©. 46ff., Elberfeld 1880; vgl. auch 3. Bd, 
S. #93), NE, A. Neander von J. Herzog; AdB 23. Bd, A. Neander von C. Berthenu. 


J. Neander wurde 1650 in Bremen geboren. Das läßt ſich feititellen, obwohl das 25 
Taufbuh um diefe Zeit eine Lücke enthält. Er war der. ältelte Sohn von Johann 
Joachim N., der feit 1636 dritter Lehrer am Pädagogium, der lateinischen Schule in 
Bremen mar, und befjen zweiter rau, Katharina Kinipping. Ein Joachim Nigemann 
(Neumann) aus Wismar, von Melanchthon nad Stade empfohlen und dort Super: 
intendent geworden, mwahrfcheinlidy identiſch mit Ulrich von Huttens gleichnamigen Freunde so 
(AdB 23, 326), wird als das älteite befannte Glied der dem Pfarrer: oder Lehrerſtand 
angehörigen Yamilie genannt; noch heute foll ein Zweig unter dem Namen Nymann 
in den Niederlanden blühen. Wie ber zuverläffigen Nachrichten über N. überhaupt nicht 
viele find, jo mangelt e8 befonderd an folchen über feine Sugendzeit. Er beſuchte das 
Pädagogium und feit 1666, dem Todesjahr des Waters, das Gymnasium illustre, die s 
Hochſchule feiner Vaterſtadt, an der die Theologie in ausgeiprochen reformierter Form 
durch Profeſſoren von Ruf vertreten war; von feinen Studiengenofjen haben nachher mehrere 
im Pfarramt oder im Rat eine angejehene Stellung eingenommen. Reitz, der N. aber 
erft nach deilen Studienzeit kennen lernte, erzählt: „Seine Studentenjabre brachte er 
nach der gemeinen Weiſe zu, das ift in Eitelkeit des Sinnes, in Unandacht gegen Gott 40 
und fein Wort und in Haß gegen die, ſo man Heterodore oder Srrgläubige nennt, und 
in Liebe zu den Lüſten der Jugend und thörichten Divertiffementen und in bloßem 
Geſuch der fih aufblähenven, falſch berühmten Wiſſenſchaft und Erkenntnis” ... 
Man wird in diefer Beurteilung einerſeits die unfreiwillige Anerkennung wiſſenſchaft⸗ 
lichen Strebens zu beachten, andererſeits nicht zu vergeflen haben, daß ein Pietift und «s 
Separatift wie Reit (über ihn ſ. ten ©. 255 und Cuno im Ev. Kirchenboten für die 

falz 1880, Nr. 29—34) ſchon harmloſe ſtudentiſche Fröhlichfeit als Liebe zu den 

ten der Jugend betrachtet haben fann. Allerdings enthalten einzelne Äußerungen 
im N.s Liedern, namentlidy aber das Lied über Bj 25, 7 ſtarke Anklagen gegen jeine 
Jugendzeit. Es ift jedoch auch hier zu bedenken, daß die dichteriiche Wahrheit nicht co 
immer mit der hiftorischen Wirklichkeit zufammenfällt, das Ich aud) diefes Dichters etwas 
vom Typus annimmt, und daß es zum Schema gehörte, die Zeit vor der —R 
in möglichſt dunklem Ton zu halten, um durch den Kontraſt zu wirken. N.s Bekehrung 
erſcheint bei Reitz in zweifacher Form. Die eine iſt eine auf Verwechſelung oder legen⸗ 
dariſcher Tradition beruhende Jagdgeſchichte, nach der anderen iſt N. überwältigt worden 56 
durch eine Predigt von Theodor Undereid, der, feit 1670 Paſtor zu St. Martini in 
Bremen, von Coccejus, Lodenſteyn und Labadie beeinflußt, auf Untericheidung der Aus- 
erwählten von den Zeitgläubigen drang, und in der Bereinigung zwiſchen Chriſtus, dem 
Bräutigam, und der gläubigen Seele, feiner Braut, das Kriterium der Ermählung 
fab (über U. f. bei. Göbel S. 300ff.; Ritſchl S. 371 ff). Schon ald Prediger zu oo 


688 Neander, Joachim 


Mülheim a. d. Ruhr hatte Undereid Privatverfammlungen, die erjten in Deutjchland, 
eingeführt, dabei aber davor geivarnt, fih von dem öffentlichen Gottesdienft zurüdzuzieben. 
Ob es nun eine einzelne Predigt oder eine Neibe von Predigten und die durch fie bin: 
durch wirkende Perfönlichteit des Mannes var, N. ift von ihm, den er früher gebakt 
5 hatte (Reit), aufs Stärkfte beeinflußt und in die Bahn des reformierten Pietismus ge 
zogen worden. Ob er auch ald Liederdichter Anregung von ihm empfing? Das Elder: 
felder Privatgefangbuh von 1721 enthält mehrere Lieder, die Undereid zugeſchrieben 
werden, aber ihr dichterifcher Wert ift gering. Undereick wurde fein „geiftlicher Water“. 
Als Informator einiger Söhne vornehmer Frankfurter Kaufleute, aber auch zur Fort: 
10 ſetzung feiner Studien ging N. nach Heidelberg. Hier hat ihn Weit zuerſt gejeben (bie 
Heidelberger Univerfitätsmatrikel fehlt für diefe Zeit); was er über feinen dortigen Ber- 
kehr mit Ezechiel Spanheim mitteilt, ift irrtümlih. Dagegen muß R. dem —**— 
Joh. Ludwig Fabricius näher bekannt geworden ſein, denn dieſer empfahl ihn Aa der 
beimlichen deutjchereformierten Gemeinde in Köln als Prediger. Das innige Berbältnis 
15 zu feinen Zöglingen, das die Heidelberger Zeit überdauerte, bezeugt ein Brief aus dem 
Jahre 1675. Mit großen Ernſt bittet er fie, 2 Ti 2, 22f., Kol 2, 8 zu beberzigen, in 
dem Buch der Schrift, der Natur, in fich felbit zu ftudieren, „auf das einfältigfte und 
doch allerbeiligite Leben und Muſter unferes großen Emanuel” zu jehen. Einige Jahre fpäter 
ging er nach Frankfurt, ob auf Veranlajlung der Eltern feiner Zöglinge, ſteht dahin. 
2 Daß N. als Neformierter der dortigen deutjchreformierten Gemeinde angebört habe, ift 
wahrfcheinlih. Die Gelegenheit, Spener perfönlich kennen zu lernen, wird er ſchwer⸗ 
lich verfäumt haben. Reitz fchreibt, er babe genauen Umgang mit ihm gehabt. Tod 
findet fih in Speners Briefen aus feiner Frankfurter Zeit N. nicht erwähnt, und dab 
Spener N.s Bundeslieder liebte und einige in den Betitunden fingen ließ (J. U. 
2, Schamelius, Evangelifcher Lieder-Commentarius, 2. Aufl. 1737, in dem Abfdhnitt: 
Kurtzgefaſſete Hiftorie der Hymnopoeorum ©. 128), beftätigt die Neigiche Angabe nod 
nicht. Auch mit Speners Freund, dem Juriſten 3. 3. Schüß, dem Dichter des Liedes Sa 
Lob und Ehr dem höchſten Gut, fol N. verkehrt haben. Im Frühling 1674 wurde er 
von ber reformierten Gemeinde zu Düfleldorf an ihre lateinifhe Schule als Rektor be 
go rufen mit einen Gehalt von 100 Thalern. Sein Bremer Landsmann Sylveſter Lürfen 
war Prediger der Gemeinde. N. balf ihn gelegentlich durch Predigen aus und in einer 
Zeit anftedender Krankheit durch Beſuche bei Kranfen und Sterbenden. Aber feine 
Stellung wurde erfhüttert. Daß er gleich beim Antritt fjeined Amtes ſich gemeigert 
hatte, den Heidelberger Katechismus und die Kirchenorbnung unbedingt zu unterjchreiben, 
batte man ihm nachgeſehen; als er aber, nach Undereids und Speners Beispiel im Jahre 
1676 Brivatverfammlungen veranftaltete, geriet er mit Prediger und Konfiftorium (Brei 
byterium) in Konflilt. Zwar hatte die Generalfunode für ülich-Cleve-Berg und 
1674 die Privatverfammlungen unter gewiſſen Bedingungen erlaubt, aber keinenfalls 
follten fie dem öffentlichen Gottesdienſt Abbruch thun. N. jedoch nahm feltener an diefem 
40 teil, ja er bielt fih vom Abendmahl fern, weil er es nicht mit Untviedergeborenen zu 
ſammen feiern wollte, und veranlaßte feine Anhänger zu gleihem Thun. Einige Eigen 
mädhtigfeiten in der Verwaltung des Schulamtes durch den an die dortige ftramme pree- 
buterinle Aufficht und Leitung nidt Gewöhnten famen hinzu. Das Konfiftorium ging 
zuerft gegen Ddiefe vor, dann (ob auf Yürfens Betreiben? ſ. zu deſſen Charakteriſtik Krafft, 
S. 51ff.; Reitz berichtet über die Düſſeldorfer Vorgänge teild unrichtig, teild ungenm) 
verbot es die „heimlichen Zufammenfünfte”, verbot ihm wegen feines ganzen Auftretens 
die Kanzel, forderte ſeine Unterichrift unter eine neue Schulordnung, und als er fid 
weigerte, feßte es ibn ab. Da unterwarf ſich N.; noch che das Abdankungsſchreiben ihm 
eingebändigt war, unterzeichnete er am 17. Februar 1677 eine Erklärung, in mel 
wer u. a. die von Labadie und feineggleichen angerichtete Trennung von der äußeren 
Kirchengemeinſchaft verdammte und einräumte, der Grund der Trennung fei, daß 
einige ſich als Wiedergeborene anfähen mit Verurteilung der anderen. Auch ent 
fagte er darin den abjonderlichen Verſammlungen und der „Abhaltung der Glied⸗ 
mapen vom bl. Abendmahl”. Daraufhin ließ man ihn im Amt, jo daß die Abſetzung 
ss ihrer Wirkung nah bloße Sufpenfion war. Ob Undereid ihn zu der Retraftation be 
ſtimmt hatte, wie Krafft vermutet, läßt fich nicht feitftellen. Die Sage hat aus biefem 
Zuſammenſtoß einer fubjektiviftifch gerichteten Syrömmigteit, die fih in jugendlichen Über: 
eifer des Richtens und der Nüdfichtelofigfeiten nicht enthielt, mit einer wohlgefügten 
und bewährten aber jchroff gehandhabten Gemeindeordnung, die darum zu erſtarren 
co drobte, eine Verfolgung durch Die Katholiken gemacht, fie läßt N. in ciner Höble 


* 


a 


Neander, Joachim 689 


im Düſſelthal ſich verbergen und hier ſeine Lieder dichten. Daran iſt richtig, daß er in 
„dem Geſteins nicht weit von Düſſeldorf“, dem heutigen Neanderthal, wohl auch in der 
leider jetzt der Induſtrie zum Opfer gefallenen Neanderhöhle geweſen iſt, und ſein 
Trieb zu ſingen und zu dichten ſcheint hier Nahrung empfangen zu haben (ſeine eigene 
Anmerkung zu dem Lied Unbegreiflich Gut weiſt darauf hin). Aus der auch nach Yür ; 
ſens Weggang recht unerquidlichen Lage in TDüfleldorf wurde N. 1679 durch die Be- 
rufung nad) Bremen befreit; er wurde dritter Prediger („Gehülfsprediger”, „Früh: 
brebiger an St. Martini mit einem Gebalt von 40 Thalern und freier Wohnung. 
ber Icon 1680, am Pfingftmontag, dem 31. Mai, ftarb er, nad) Turzer, heftiger Krank⸗ 
heit. Reit nennt als eins feiner lebten Worte: Sch will mich lieber zu Tode hoffen, 10 
als durch Unglauben verloren gehen, als das legte: Berge follen weichen und Hügel bin- 
fallen, aber meine Gnade will ich nicht von dir nehmen. Verheiratet war er nicht. 
Sein Grab iſt unbelannt. In der alten reformierten Kirche zu Düffeldorf und über 
einem Eingang der Martinikirche in Bremen find ihm Geventtafeln beezt In Elberfeld 
befindet ſich in Privatbeſitz ein Olbild, niederländiſcher Schule, das nad der Familien⸗ 15 
überlieferung N. darftellt. Yanges dunkelbraunes Haar umrahmt ein jugendliches, aber 
durchgeijtigtes Antlig mit lebensvollen eindringenden Augen; e8 find die Züge eines 
Menichen, der gelämpft und gelitten bat. Auf dem Bilde fteben oben die Worte 1. Cor. 
15, 58 ’Austaxtvntos 29 Kvoiw, rechts (1.0) 16, 1 (13) yonyogeize, unten Ni lou- 
ange, ni mensonge. 20 
Die erite von N. jelbft beforgte Ausgabe feiner Lieder erichten 1680 (nicht 1679) 
in Bremen (Er. in Berlin und Hamburg). Sie hat den Titel: A & Q2 | Joachimi 
Neandri | Glaub⸗ und Liebes-Übung: | Auffgemuntert | durch (Hamburg: Durch) | Ein- 
fältige | Bundes Xieder | und | Dand:Pfalmen: | Neugefeget | Nach befant: und un- 
befandte Sangs-:Weifen: | Gegründet | Auff dem zwiſchen Gott und dem | Sünder im >»; 
Bluht Jeſu befeftigtem | Friedens-Schluß: Zu lefen und zu fingen auf Reifen, zu 
Hauß o= | der bey GChriften-Ergegungen im Grünen, | durch ein gebeiligtes | Herken®- 
alleluja! | Cant. II, 14 | Meine Taube, in den Felßlöchern, in dem Verborgenen | der 
teinrigen, laß mich hören deine Stimme | Bremen, gedrudt bei Herman Brauer | Im 
Sabre 1680. (16 und 192 ©. fl. 8°) Das Buch ift den Predigern, Bauherrn, Diaken 30 
und Subdialen der Martinigemeinde und einigen mit Namen genannten „jehr vornehmen 
Handelöherren in Frankfurt am Main und Köln am Rhein” gewidmet. Auf eine in 
3. T. recht fteifen deutjchen Reimen verfaßte Dedicatio folgt eine eindringliche Vorrede. 
Hier heißt es u. a.: „Was ift gemeiners be denen, die weder kalt noch warm ſeynd, 
als auff diefe Weiſe fich zu entichuldigen: Man folte es bey dem Alten laffen... Mit s; 
all dem neuen Werd, davon haben die Vorfahren ja nichts gewußt 2. ... Wer aus 
Gott gebohren ift, läſſet ſich von diefen Striden nicht fangen und ſiellet fich der Welt nicht 
gleich, fondern rudert mit aller Macht Strohm⸗auff.“ Daran fchließt ſich ein unbeholfenes, 
nicht von N. verfahtes, Auffmunterungs-Madrigal. Bon den 57 Liedern gehören 2, ale 
Seufzer und Antwort, zufammen. Die 41 erjten und das lette haben Melodien, und zwar so 
fteht die Melodie auf der einen Seite, auf der gegenüberjtehenden der Tert, über der Melodie 
meift die Überſchrift des Liedes, gewöhnlich in Partizipialform („nach damaliger Art der 
fruchtbringenden Geſellſchaft“ Schamelius a. a. O. S. 404, 3. B. Der Verficherte, Der 
Zobende, Der feine Tage Zählende), über dem Tert das den Grundton angebende Schrift: 
wort, welches dann gewöhnlich auf der folgenden Seite über der Melodie im Urtert er: a5 
cheint. Bis 1712 werden 10 Ausgaben, bis 1730 mindefteng ebenfoviele gezählt. Die fünfte 
usgabe, 1691 durch G.Chr. Strattner, Rapellmeijter, beforgt und nit neu fomponierten 
Melodien verjehen, enthielt 8 weitere Lieder, „die bei fleißigem Nachjuchen gefunden und von 
vertrauten Händen kommuniziert waren.” Bon jtarfer Subjektivität und darum nicht als 
Kirchenlieder gemeint, wie auch ihr erfter Titel beweiſt, mit labadiftiichen Anklängen und coc= zo 
cejanifchen Hintergrund nicht verleugnend, wurden die Lieder zuerft in Privat-, z. T. aber 
auch bald in Kirchengefangbücdher aufgenommen, 1694 in das Herborner, 1698 in dag 
Bremer und das Darmitäbter u. |. w. In dem 2. Teil des Gefangbuches für Cleve, Jülich, 
Berg und Mark v. 1738 ſteht Neanders Name fogar neben Lutber auf dem Titel. Iſt 
auch die immer noch wiederholte Behauptung, er habe die Feſſel ausschließlichen Pſalmen- 55 
geſangs bei den Heformierten durchbrochen, nicht richtig, fo iſt er Doch, nach langer Pauſe, 
wieder der erjte geiftliche Dichter aus der reformierten Kirche und zugleich in ihr dem 
Range nach der erfte. Zwar find feine Dichtungen von verjchiedenem Wert, es find in 
der Form hölzerne, ja geichmadlofe, im Inhalt auf Spielerei der Einbildungstraft be: 
ruhende darunter; in einigen jtören uns Heutige die Beziebungen auf Ezechiel 16 und oo 
NealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 44 





690 Neander, Joachim Nebo 


—8 die 
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ornen und witbergebornen Stuffus“ hat —* au ih Sich, von von den 


Linen n ftanmen 10 m ihm, ————— 
a be Sur Wdktmng un bei uhren slide — ng 
16 fesgen ne von — Ed. Simons. 


BE: ſ. d. A. Arabien BB I ©. 767 2ff. 


Nebo, babylonifhe Gottheit. — Kitteratur: — Jeremias, Monographi 
über Nebo in Roſchers Lexikon der ——— III, Sp. 45—08. — 9. Simmern in Schrade 
Keilinfchriften und das AT’, ©. 309 

20 Nebo i ———— von — erſtadt von Babylon. 1 zen 
ihn neben — —— — erodach % KIT ©.609), Stabta 
bon —5 Sin & eß E-zida mit dem TQTempelturm E-ur-imin-an-k 
„Tempel der 7 Shen (*) N Ohne und der Erde”, deſſen Trümmer von den "Ein. 
ebornen Birs, von den „Aranfen“ Birs Nimrüd genannt. werden (}. —5 Lexilon 
»» III Fe 53, two auch die Trümmer —— find). 1, 
hilderten Turmbaues ift jedoch rn e — * er "Turm von 
wibechait Heißt, man habe „hine Epigr Den Gimme eweife fen. — 
o t, man e „jene en Himme en 
Der Name Nabü (bebr. 2 Form Na-bi-u(m) bedeutet 
so iſt verwandt mit dem bebräifchen Worte für Propbet: 0, 

— —* 2200), en Gen 14,1 — — Abrahams 

oben und dem © 














2 $ ie feftgeftellt worden, — Mi Nebo urft rünglic 
Seitdem Babylon Metropole ift, erfcheint er als | | 
2 Sohn des Merodach, dem auch nadı dem ———— bon Babplor 
0 die Schidjalstafeln übertragen worden find. Daß Nebo in einer für uns prähtftorifcher 
eit den Vorrang vor „jeinem Vater” Marduf gehabt hat, ſchließen wir —* folgenden 
Imftänden: 1. in Heldengedichten über die —— — die der Hammur bi it vor 
ausgingen (hir beſitzen allerdings nur neubabyloniſche Recenſionen), 
„Hüter der Melt”; 2. die Inſchriften des Halbahen (neuba Lonieen) N 
1 chaismen lieben, dam Nebo und Mardul ftatt der früher üblichen R 
und Nebo; 3. Adadnirari IIT., dejjen Politik eine Vereimigung des ı 
Babylonien anftrebe, bebt in auffälliger Weiſe Nebo hervor (vielleicht im Aa 
die Marduf-Hierarchie von Babylon); er bat dem Nebo einen Tempel in Kelad geba 
und der Statthalter von Kelach bat auf zwei Statuen jchreiben laſſen? —* kuͤnflige 
so Men: auf Nebo vertraue, auf einen andern Gott vertraue nicht“. — * 
Rebo iſt der „Schreiber“ im höchſten Sinne. Er bat die Ghreibfu —* („eis 
Nebos”) ber Menjchen übermittelt, und er Sr auf jeine Tafeln die Geſte 
Menſchen, insbeſondere ihre Lebensdauer. Die —— vom Ki 
vom unwandelbaren Geſchick der Menjchen, die im Islam or Y * et iſt, f 
55 mit dem Mardut:Nebo:Kultus verbunden. Darum beißt er: y — e 
Dinge”, „der den Stift der Schidſalstafel ergreift“, „ber * der © Scidjalstafel ber 
Hötter“. "Affurbanipal fagt: „Mein Leben ift von dir gefchrieben“ ( en — ruhm 
ſich der große Litteraturlbnig, „Nebo, der Allſchreiber, babe ibm das { Nerftändnis feine 
ei 





















. hc 


Nebo 691 


Weisheit gejchenkt”) ; Nebukadnezar bittet: „O Nebo, verkünde auf deiner unabänderlichen 
Tafel Länge meiner Tage, fchreib auf Nachkommenſchaft.“ Umgekehrt wird auf den 
Feind als Fluch herabgewünſcht, daß „Nebo als Schreiber von Efagil (Tempel Marduks) 
die langen Xebenstage verkürzen möge.” — Da die Schreibfunft wejentlid in den Händen 
der Prieſter lag, ift Nebo auch Schubgott der Briefter. Die Unmenge der mit Nebo zu: 
fammengefegten Namen erklärt fih aus dem Einfluß der Priefterfamilien. 

Unter den Planeten ift dem Nebo der Merkur geweiht, d. h. der Merkur wird als 
der Planet angefehen, deſſen Erfcheinungen und Lauf die Macht und den Willen dieſer 
Gottheit in befonderem Sinne offenbarte (Marduk offenbart fih in Jupiter, Ninib im 
Mars, Nergal in Saturn). — Auch die Araber fennen die Verbindung von Nebo und 10 
Merkur, |. unten ©. 692,2ff. Noch in der Planetenlifte der Mandäer, die bis auf den 
heutigen Tag (f. X. Mandäer Bd XII ©. 155) babyloniſche Gedanken lebendig erhalten, 
erfcheint N’bü, der Schriftlundige und Weife, und in den Höllenfahrten des Hibil-Ziva 
(d. i. Marduf) wird erzählt, daß Hibil⸗ giwa Samas bei ſeinem Namen rief und Sin 
und Kewan und Bel und Dlibat und Nbu und Nireg (Nergal), und ihnen „Glanz gab, 15 
I leuchten in diefer Melt“ (in den antichriftlichen Lehren der Mandäer iſt Enbu, Webo: 
Merkur, der falfche Meſſias, Mesihä daggälä, d. i. Jejus!). 

In nachchriftlichen aramäifchen und palntyrenifchen Infchriften begegnet der Name 
Nebo häufig als Beitandteil von Eigennamen. Man findet das Material bei Lidzbarski, 
Handbuch der Nordfemitifchen Epigraphif (Weimar 1898) und in Cook, A Glossary 20 
of the aramaic inscriptions, Cambridge 1898. Unter anderem lieft man dort die 
Namen 2: — Nabü-düri, Nebo, meine Burg; joa: —= Nabü-Sar-iddin, Nebo 
bat den König gegeben; 20a: —= Nabü-Sar-ugsur, Nebo, ſchütze den König, 2727 
— Arad-Nabü, Diener Nebos (in aramäiſchen Inſchriften; der Gottesname kommt 
auch allein vor, gefchrieben 2:) —; 72722 879923 72772 (in palmprenifchen Inſchriften). 25 

Die Griechen identifizierten den Nebo mit Hermes oder auch mit Apollo (Strabo 
16, 1 p. 739: ta ôb Böpomna leoa nölıs Eoriv ’Aor&udos xal ’AnoAAwvos) wegen 
feiner Eigenjchaft als Orakel. und Weisheitögott. Die Notiz in den griechifchen Glofjen 
des Heſychius giebt als babylonifchen Namen des Hermes Zeyds an; das entſpricht dem 
„ſumeriſchen“ Planetennamen SAK-US be. SA-GAS. 

ALS Planet Merkur (er fteht der Sonne am nächſten und iſt ald Morgenftern Tag- 
verfündiger) war Nebo auch chthonifche Gottheit. „Er öffnet die Duellen, läßt das Ge: 
treide fprießen, Waflergräben und Kanäle würden ohne ihn austrodnen”. Auch die Zeugung 
und das Leben der Neugebornen ſteht unter feinem Schuß. 

Nebo im Alten Teftament. — Jeſ 46, 1f. redet vom Fall Babylons und 3; 
nennt deshalb den Thatjachen entſprechend Bel (Marduk) und Nebo, die beiden Haupt: 

ötter von Babylon und Borfippa. Der Sprudy, von dem mwahrjcheinlich der Anfang 
eblt (ſ. Windler, Altorientaliihe Forſchungen III, 226f.) jagt: „.. . Zuſammen— 
gebrochen ift Bel, es krümmt fich Nebo. Ihre (die Babylonier) Götterbilder find zu 
Laftvieh geworden, beladen wie mit Laft, zu müdem (Vieh). Sie krümmen ſich und 40 
ftürzen zufammen, vermögen nicht heil ans Ziel zu bringen die Laft, und fie jelbit ge: 
raten in Gefangenschaft.” Bon Götterprozeffionen (gegen Delitzſch, Babel und Bibel I, 
S.20, 59) ift alfo hier nicht die Rede. Wohl aber Jeſ 45, 20: „Ohne Erkenntnis find 
bie, welche tragen ihr hölzernes Schnigbild, und flehen zu einem Gotte, der nicht bilft.“ 

Ez 9, 9f. kommen 6 Männer mit Zerftörungsiverteugen bon Norden her (aus der 
Gegend der überirdiichen Geilter). In ıhrer Mitte fchreitet einer einber in linnenem 
Vrieftergewand, mit dem Tintenfaß im Gürtel. Er foll mit feinem Griffel vor Ber: 
nichtung der Gottlojen auf die Stirn der Gerechten das Tau, das Jahvezeichen, ein: 

aben. Gunkel (Archiv für Religionswiſſenſchaft I, 254 ff.) hat richtig erfannt, daß dieſer 
—* Bote der Gottheit Die Züge des Nebo trägt (eines der vielen Zeugniſſe, wie das co 
Begriffsalphabet und die Karben der religiöfen Bilder im AT der babylonifchen Welt 
entnommen find). Derjelben Vorftellungswelt ift jener Erzengel des Buches Henoch, der 
„alle Werke des Herrn jchreibt”, entnommen (f. jedoch H. Zimmern 1. ec. ©. 40417.) 

Den Namen Nebo ſoll auch der Berg des Oftjordanlandes Dt 32, 195 34, 1 ge: 
tragen haben, von dem aus Moſes die zukünftigen Gefchide Israels ſah. Der Erzähler 5; 
bat dabei gewiß an den Namen des altorientaliichen Gottes der Geſchicke gedacht. Nad) 
einer anderen Duelle bieß diefer Gipfel des Abarim-Gebirges Pisga. Auch die Städte 
Nebo und Nob find Zeuaniffe dafür, daß die Belanntichaft mit Nebo frühzeitig ins 
„Weſtland“ gedrungen ift (j. meinen A. Nebo bei Nofcher, 1. e. S. 66f.). Nah einer 
fpätern Tradition follen in dem moabitiſchen Nebo Ruinen eines Nebo-Tempeld gezeigt co 

44” 


a 


30 


* 


692 Nebo Negeb 


worden fein (Abd-el-Chakk bei akut, ſ. Gejenius ef 15, 2). Eine Ausbreitung 
des Nebo-Stultus bis Arabien 8 — enbaott Ein) ) bezeugt eine aus alt= 
babyloniſcher Zeit ftammende Inſchrift, die auf der Inſel Babrein gefunden wurde und 
lehrt ferner das Vorfommen des Gottes Anbaj (vgl. ©. 691 mand, Enbu) als bes 
5 Götterboten der Katabanier in Südarabien (Hommel, Aufl. u. Abh., S. 150 und. 156), 
—— "ben en —— ums Be ben Namen 
en theopboren —— Nebo: 
| (Naba-kudurnl.us j-usur, or h J— Nebuſaradan 
er a) 2 fg 25, 8ff.; Der ee af, d. 1.6. ie a hate Rachkommenſchaf 
jegeben“); Nebusasban der 39, 13 (Nabüdeni banni, d nich”). Daf 
Abednego, der Name —— —— * der Beruf aufgezwunge 
— —5 abe N ee — 
er om ame 
Name Samgar-Nebo. Ser 39, 3 beruht auf einem Textfeh * Hifred Jeitli 


15 Nebufadnezar j. Ninive u. Babylon. 


Negeb. — Litteratur: Edw. Robinfon, —— (1841), ie Im (aa), 
175f.; Wilten, The Negeb or „South Country“ 1863; 

Schauplaß ber vierzigjährigen Wiiftenwanderung Seracis 1er, J. G. —— leber Sn den 
XIV, 7 und Paläftinasg Südgrenze Jof XV, 1—4 in Deligic Kommentar über die Geneſi 
20 (1872), 574 ff.j Fr. Buhl, Ge li von Raläftina (1896), 877.; — — wi des Pi⸗ 
ſtorius era bie Being Tajel, hera or as 8. Di Ergebni 

ber Reiſe, die Profe —— — in Olmü — h 
noch nicht — icht; vgl. Anzeiger ber pl —— ne ie der faif, 
* ——— Fa a vom RT re —— 5, ee — und X. 
25 Zu ber of ff.: er, vorexiliſche Israele 
und feine Erweiterungen (1874), 108: Joh. Hollenberg, Der Eharatter ber alexandriniſchen 
— a des —— —2* u. ſ. w. 6 14. — Bu Be 1 


‚ Memoirs III (1883), —— und 
DEN 00.80. 6: — — * 
30 *— ni —— 















* aus der en Abrahams Gen 0, 1, ‚beffen Yu 

Punkte Kades, Sur und Gerar be — wird ( ſ. unten). Dem ent 
40 ſehr haufig neben den anderen jüdlichen Teilen 5 iSraelitifchen 

neben bem Berglande (77) und dem Unterlande (TEE) i 1, 


40; 11, 16; 12, 8; Ser 17, 26; 32, 44; 38, 13; 2 Chr 28, 48: 
Lombrhaft, * fi * nur * allgemeinen beftimmen. — 


1 — — ſich nicht. zu — 5 Es i 
„Wüſte“ Jo 15, 61 wie auf den nördlichen, ebenſo au — den An 
banges zwiſchen der Wafferiheide und dem Toten Meere, der hier nur 25—32 
it, angeivanbt wurde; ferner wird Die Salzjtadt Joſ 15, —* die 25km öſtlie X 
ſeba (ſ. Bb IX ©. 571, 34-37) und noch im Weſten der Waſſ 

zur „Wüſte Juda“, nicht zum N, von Juda (Jof 15, 21-32) 


Negeb 693 


fih daraus, dab der Ort Arad, der Doch wohl dem heutigen tell “aräd auf ber 
Waſſerſcheide zwiſchen chirbet el-milh und es-sebbe (= Maſada Bd IX ©. 572) 
entfpricht, dem N. zugeichrieben wird Nu 21, 1; 33, 40, der gerade entgegengefeßte 
Schluß ableiten, daß fich nämlich der N. mindeitend bis zur Waflerfcheide ausgedehnt 
habe. Vielleicht war die Dfjtgrenze des N. in Mirklichleit eine ſchwankende. Es kann 5 
daher auch nicht gejagt twerden, two fie in die Südgrenze Judas Sof 15, 1ff. ein: 
mündete. Dieje lief vom Toten Meere an im heutigen wädiel-fikra aufwärts, be- 
rübrte den dschebel madara und erreichte durch den wädi marra über Zin die 
Gegend von Kades (j. unten). Neben diefem Orte darf auch Gerar für die Südgrenze 
des N. genannt werden. Es wird Gen 20, 1 noch zum N. gerechnet, bezeichnet nach 
Gen 10, 19 die Südgrenze der Kanaaniter und lag an der Straße von Kanaan 
nah Agypten 2 Chr 14, 12. 13. Es bat mit der Ruine chirbet umm dscherrär 
füdlih von Gaza nichts zu thun, fondern gehört in den heutigen wädi dscherür weſt— 
lich oder füdtveltfich von Kades, deſſen Name ohne Zweifel an das alte Gerar erinnert, 
bejonders in der freilich weniger bezeugten Form dscherär (vgl. Gen 26, 17; 1 Chri: 
4, 39 1.75). In der Erzvätergeſchichte wird Gerar als der Ort genannt, mo Abraham 
und Iſaak wegen ihrer Weiber mit dem Bbilifterfönig Abimelech Schwierigkeiten haben 
Gen 20 und 26. Der wädi dscherür mündet weſtlich in den wädi esch-scheräif, 
und diefer in den wädi el-arisch; in dem leßteren ift der „Bach Agyptens“ des AT 
zu erfennen, in dem die Südgrenze Israels an das Mittelmeer geführt wird Joſ 15,3f.; 20 
Ez 47, 19; Nu 34, 4f. Zum Teil menigftens wird die Grenze des N. damit zu: 
fammengefallen fein, ganz wohl nicht; denn es ift unwahrscheinlich, daß man den binnen: 
ländifchen Namen N. auch auf das Küftengebiet an der Mündung des wädi el--arisch 
ausgedehnt hat. Ob der Name Sur Gen 20,1 gerade mit der Weſtgrenze des N. etwas 
zu thun bat, läßt fich nicht feftitellen; der Name des Ortes, den man durch die alte 35 
„Mauer“ an der ägyptiſchen Grenze zu erflären pflegt, wohl nicht, eher die Wüſte, Die 
nad dem Orte benannt war Er 15, 22. Vielleicht kannte man nad Weften bin eine 
fefte Begrenzung des N. noch weniger als nach Oſten bin; N. hieß vermutlih im all: 
gemeinen die flachere Abdachung des Landes im Welten der Waſſerſcheide, und mo dieſe 
N ohne mwejentliche Unterbrechung in die Ebene verlor, hatte auch der Name feine feſte 30 
renzen. 

as Wort Negeb iſt urſprünglich kein Eigenname, es hat im AT meiſt noch den 
Artikel. Sein Stamm findet ſich auch im Aramäiſchen und hat dort die Bedeutung 
„vertrocknen, austrocknen“, ſo daß N. das trockene, dürre Land bedeuten würde, was 
feiner Beſchaffenheit vollkommen entſpricht (vgl. Paläſtina). Die LXX hat teils ss 
ben Namen umjcrieben (vayep), teild dem Sinne nad) durch Zomuos = Wüſte oder 
durch »dros und Aly —= Süden überjeßt, die Vulgata hat im Ynkhlup daran häufig 
meridies oder terra (plaga) australis (meridiana) oder austrum gejett, Luther 
danach Mittag oder Mittagsland. Tiefe Überfegung ftört an einigen Stellen das Ver: 
ſtändnis in empfindlicher Weile. Sp heißt es 3. B. Nu 13, 17. 22, daß die Kund- «0 
ichafter von Kades (oder der Wüſte Paran) „an den Mittag” oder „gegen dem Mittag” 
nach Hebron ziehen; man follte danach meinen, ihr Weg ginge nach Süden, in Wahrheit 
aber zogen fie nach Norden! Die durchgefehene Ausgabe (1892) will durch den Ausdrud 
„Mittagsland“ bier helfen, er macht aber der Unklarheit nicht völlig ein Ende. Das 
Befte ift wohl, den Namen N. im Deutfchen beizubehalten, wie man e8 mit Saron (d. i. 45 
Flachland) 3. B. von vornherein gethan bat. 

Die Geſchichte diefer durch ihre Stürme bekannten Landfchaft (vgl. Jeſ 21, 1) Tiegt 
zum größten Teil im Dunfeln. Das begreift fih aus ihrer geringen Bedeutung; fie iſt 
immer mehr ein Gebiet der Hirten als der Bauern und Städte geweſen. An lebteren 
bat es freilich in alter Zeit nicht gefehlt (f. unten), aber im AT werden wiederholt die so 
EIN im N. erwähnt Sof 19, 8; Gen 25, 16, d. i. eingebegte Niederlaffungen, wie fie 
die Hirten zum Schub gegen Feinde oder wilde Tiere aus Steinen und Dornen in der 
Müfte herzuitellen pflegen. Palmer a. a. U. 247. vergleicht damit die von ihm gefun= 
denen großen Gehege aus Steinen (arab. duwär), die fihb am weſtlichen Rande des 
inneren Hochlandes, des dschebel el-makräh, an dem Austritt der Thäler befinden. 56 
Der N. war immer nur ein Anbängjel des von der Kultur feit gewonnenen Gebiets, 
bald mehr den Beduinen preisgegeben, bald mehr durch feftbeftedelte Punkte dem fichern 
Verkehr und regelmäßigen Anbau erfchlojfen. Eine Erwähnung auf einer Infchrift des 
ägyptiſchen Pharao Thutmoſis III. lehrt bisher nur, daß der Name der Yanbichaft alt 
ft. Im AT wird der I. nad den Stämmen, die ihn durchzogen oder beberrfchten, im 60 


0 


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694 Negeb 


n ra eng Se ) Weife benannt 1 Sa 27, 10; AO 
Sem m Ban — a 69 I Du 
lich von -milh w 2 
der Keniler —*— ug Fo diefe nad) den 
5 98 und M = 
A, often Des Gebiets, etwa i mo gegen  ift zu be 
len, dab die LXX 1 ©a 27, 10 (und 30, 29) „Kenifiter‘ jtatt Keniter * un 
Yesart, Die u die ———— e ohne Zweifel empfohlen erg no 
5, 19 der Keniſiter l in den N. 
des N. an den N, der Halebiter, und unter diefen beiden Teilen 


würden wir Be u ie en u. das nad Süden zu an die eigentlichen Wohn. 


 einliher In als Sr 
—— — 1 1 16 







ı Gebiet des N. — feine Berührung, der N. grenzte Norden an 
Wohnſihe des Stammes Kaleb ol, 3 Bd IX ©. 713), der bis zum Königtum 2 
25 von son völlig unabhängig tar. —— uda der ende Stamm 
war, und bejonders nachdem es ein Königreid J a gab, läßt ſich verjteben, wenn ei 
Teil des N. nad Juda benannt wird So et | x 
30, 14 fofort, daß die Worte TI” — — Zuſatz ſind, der zur i 
mit ®. 16 (Land der Philiſter und Land Judas) dienen foll, ſowie weiter, daß ber N 
30 Judas nur mit dem N. Kalebs zufammenfallen foll. Danadı it aud 1 Sa 27, 10 zu 
Beulen; ber Wer, färbt S. Judas nach dem Spruchgebrnu, feiner Jet der 
dem Königtum Davids undenkbar ift, und meint ven N. Kalebs. Außer 
werden im AT für den N, noch genannt bie ee — 1f) und Geffu- 
riter (ſ. Bd IX S. 739, 48 ff); in ber gel Gloſſe Nu 13, 29 (vgl. 14, 25% > 
3 und in ber —— —— Sen 14, 7 find wohl die Zuftäne gemeint, Die vor den 
Siegen Israels Er 17, 8ff, und 1Ca 15 vorhanden waren oder wurden, 
vend 1 Sa 27, 8 vermutlich die füdlicheren Gegenden des N. nad) der eigentlichen 
zu im Auge bat (j. unten zu Telaim und Telem). Auch ismaelitische —— 







nach Gen 21, 21; 25, 18 wenigſtens bie ſüdlichen Teile des N. durchzog 

w So lange die Macht der davidiichen Könige noch nad außen bin Bebeutung 
itanden die Verkehrswege durch den N, unter ihrem Schuß, befonders bie, die für 
Handel nach Agypten * nad Elath am Rothen Meere (ſ. Bd V ©. — i 
Zeit wichtig waren, Der erftere lief über Hebron nad) Beerjeba und in | 
tung weiter bis über die Gegend von Gerar hinaus, wandte dann mad) 

45 erreichte die Grenze Ägyptens an der alten Grenzfeftung nörblid von dem ** 
mäilije. Dieſer Weg * ſchon früh feine Bedeutung verloren zu haben; die ägup: 
tijchen Heere, die im 8. Jahrhundert 9 gegen die Afiyrer in Kanaan kämpfen, erſcheinen 
auf der Kuflenſtra e, in Raphia und Gaza. Der zweite reg fit Feine teils von Beer 
teild von der Salz tabt (= tell el-millh dDIX ©. 571 ‚ ff.) über 

so an der Feſtung Thamar (f. unten) vorüber in das Gebiet der Goomiter und 
am Noten Meere. Schon unter Joram, dem Sohne Jofaphats, dieſer bi 
Zandelsweg den Jubäern verloren 2 Kg 8,20; Ufia bemächtigte fich feiner — 










14, 19—22, doch va. unter Aas gelang e8 den Edomitern, die Judäer endgilt 
Glath zu vertreiben (2 16, 6; 2 Ebr 28, 17). Damit wird der gi arö here ei 
55 nn Handelsweges den ken entriff en worden jein. Vermutlich Y * 
Jahrhunderts der N, immer mehr unter den Einfluß der Edomiter und 
* nach Norden vordringender Stämme, bis ſich die —— tm Anfane 
6. Jahrhunderts, nach der Eroberung Jerufalens, vollends im N. en und jogar I 
Hebron vordrangen (ſ, Bd V ©. 1697). Der N. gilt daber in den nacerilifchen Schrifte 
so des AT nicht mehr als judäiſch Ob 197. (val. Ser 13, 19; 32, 44; 3313: Sadı 7 


Regeb 685 


Der Handelsweg vom Roten Meere mündete ſeitdem hauptfächlic in Gaza. Die fpäteren 
Hasmonäerfürften und auch Herodes jcheinen fih um die Zuftände im N. nicht viel ge= 
fümmert zu haben; dennoch werden fie Tribut von den damals dort lebenden Stänmen 
erhoben haben. Erſt die Nömer haben fi) durch die Anlage von Straßen und burd) 
den Bau von Städten fowie Kajtellen um diefen Teil Kanaans verdient gemacht und 5 
diefen von der Natur ärmlich ausgeftatteten Landitrih auf eine Höhe gebracht, die er 
wohl niemals fonft in der Gefchichte gehabt hat. Palmer bat 1870 in der Nähe der 
alten Straßen und Ruinen deutliche Spuren davon gefunden, daß die Thäler einit forg- 
fältig bebaut und mit Dämmen zur Verteilung des Waſſers verjehen waren; felbft an 
den Hügeln finden ſich noch die Reſte von Terrajien, ald ob fie für den Weinbau ein 10 
gerichtet getvefen wären. Die Römerftraße nach dem Noten Meere fernen wir aus der 
Tabula peutingeriana (ed. Miller 1888). Sie lief von Hebron teils in einem öſt— 
lichen Zweige über Thamar (f. unten) und Petra (f. Bd V ©. 170, 15ff.), teils in einem 
weitlihen Zweige über (Beerjeba und) Eluja (heute el-chalaga), Oboda (heute “abde), 
Lyſa (heute charabat lussän), Cypſaria, Raſa (2) und ad Dianam nad Haila (d. i. 15 
aila oder Elatb). Ptolemäus rechnet ven”. teils zu Idumäa, teil zu Arabia petraea; 
das Onomasticon des Eufebius (ed. de Lagarde 240; 299) hat in der Hauptfache dafür 
den Namen J['soaoırıxn (Geraritica regio) mit Beerjeba, fo daß zu der Daroma ge: 
nannten Gegend höchftens ein ſchmaler Strib des N. im Norden gehört; im 5. und 
6. Jahrhundert bildet der N. einen Teilvon Palaestina tertia oder salutaris. Nach der 20 
Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert, befonders aber infolge der durch die Kreuz: 
züge entfachten Kämpfe find die Bauten der Römer verfallen und die Bebuinen die eigent: 
lichen Herren des Gebiets geivorden. 

Die Städte des N. find im UT teils unter Juda, Joſ 15, 21—32, teils unter 
Simeon, Joſ 19, 2—8 (vgl. 1 Chr 4, 28—33) aufgeführt worden. Es bat fid darin 26 
die Erinnerung erbalten, daß einzelne Gefchlechter Simeons, nachdem der Stamm dur 
die Ranaaniter (Gen 34, 25--30; 49, 5 ff.) zerfprengt war, im Süden und zwar außer: 
halb des Kulturlandes ſich hielten, bis fie fich Ipäter dem Reihe Juda anfchloffen (oder 
auch nah 1 Chr 4, 42f. forttvanderten). Diefe Berzeichniffe verhalten fich wie folgt zu 
einander. Joſ 19, 2—8 finden ſich mit einigen Abweichungen und Zufäßen noch einmal so 
in 1 Chr 4, 28—33, und zwar hat der Chronift aus dem Buche Joſua das Verzeichnig 
abgefchrieben.. Joſ 19, 3 (won 733 an) —7 (MT 72) finden ſich mit einigen Ab- 
weichungen wieder in Joſ 15, 29—32; die Lifte der judäiſchen Orte Sof 15, 21—32 
ift erweitert durch fünf Namen, die wahrfcheinlih aus dem Neh 11, 25ff. erhaltenen 
Verzeichnifje genommen find: Sema (= Jeſua Neh 11, 26), Molada, Beth Pelet, Hazar 35 
Sual und Beerjeba. Hinter Beerfeba findet ſich nämlih Sof 15, 28 der auffallende 
Name Bisjothja; die LXX bat dafür xal al x@ua adıav, ie las aljo in ihrem 
bebrätfchen Driginal FI = und feine (Beerjebas) Töchterftädte. Dieſe Verbindung 
jteht nun fo wörtlich Neb 11, 27; daraus hat man mit Necht geichloffen, daß die Lifte 
Joſ 15, 21. aus jenem Berzeichniffe Neb 11 eriveitert fer. Ber diefer Annahme erklärt wo 
fi) auch der Unterſchied zwifchen der Joſ 15, 32 angegebenen Zahl von 29 Städten 
und der wirklich vorhandenen Zahl von 36 Städten: 5 Namen aus Neh 11 ſowie Big: 
jotbja gehen ab, und die Namen Yin und Rimmon find in einen zufammenzuzieben — 
En Rimmon Neb 11, 29. Es kann feinem Zweifel unterliegen, daß alle dieſe Liſten, 
auh Neh 11,25 Ff., vorexiliſche Verbältniffe im Auge baben; denn nad dem Exil haben 
nicht Yudäer, fondern Idumäer in der Gegend um und füdlih von Hebron gewohnt. 
Es iſt ein Irrtum des Chroniften, daß er das Verzeichnis Neh 11, 25 ff. auf die nad): 
erilifche Zeit bezugen hat. 

Die tertkritifchen Fragen, zu denen diefe Varallelliiten Anlaß geben, laſſe ich bier 
bei feite und befpreche noch diejenigen Orte, über deren Lage wir etwas wiſſen oder w 
wenigſtens vermuten fünnen. Unter den für Simeon genannten Orten ift wohlbekannt 
Beerfeba Sof 19,2; 15, 28; 1 Chr 4, 285 Neb 11,27. Er war in alter Zeit berühmt 
durch feine Kultugftätte, die fogar von dem Nordreih Israel aus befucht zu werden 

flegte Am 5, 5; 8, 14. Die beilige Legende dort wußte von einem Baun, den Abra= 
—* gepflanzt Sen 21, 33, und von einem Altar, den Iſaak gebaut Gen 26, 55, auf os 
dem aud Jakob geopfert baben jollte Gen 46, 1. Die „Stadt“ (Gen 26, 33) lag am 
füdlichen Ende des von teraclitiichen Stämmen feſt befeßten Yandes — daher die Formel 
„ganz Israel von Dan bis Berrjeba” 2 Sa 17, 115 24,2. 15; 18a 4,25 5,5) — 
one Zweifel lagen eine Anzahl feit bewohnter Orte noch füdlicher, aber wahrſcheinlich 
galten ihre Einwohner nicht als teraelitiich. Die Mutter des Königs Joas, alſo cine der co 


wen 
\ 


10 


du Regeb 


Frauen Bea Abasja, ſtammte aus Beerfeba 2 Kg 12,2. Bon großer Wichtigkeit war 
ſchon im Altertum der Brunnen, von dem der Ort feinen Namen hatte. Israel und Die 
Philiſter ſtritten ich um feinen Beſitz; man erzählte in Israel, daß der Brunnen von 
Abraham (Gen 21, 30) oder Iſaak (26, 32F.) gegraben und von dem Philifterfönig Abi⸗ 
melech durch beſchworenen Bertrag an die Erzpäter abgetreten worden fei (in der LXX 
ypeag 10d Ögxov, Tod 6oxıouod). Euſebius und Hieronymus kennen den Ort noch 
ale ein großes Dorf mit römiſcher Befagung 20 römische Meilen oder 32km füdlich von 
Hebron. Die heutige chirbet bir es-seba® liegt an der Norbfeite des wädi es-seba’ 
I8km ſüdweſtlich von Hebron, bis vor kurzem nur geringe Reſte von verfallenen Ge 
ww bäuden. Wilhelm von Boldenfele (1332) und Ludolph von Subheim (1335 — 41) baben 
noch einige Kirchen bier gefehen, wenn auch der Ort fchon unbetwohnt war; es wird in 
alten kirchlichen Verzeichniſſen als Bifchofsfis angeführt. Die Kreuzfahrer kannten dieſe 
Ztätte nicht, legten aber den Namen dem jegigen bet dschibrin (j. Bd IX ©. 573) 
bei. Zeit 1897 bat ein Schech der “azazime-Bebuinen drei Brunnen neu berrichten und 
15 1898 einen Chan daneben bauen lafjen; er erlaubt den Hirten gegen eine Abgabe, bier 
ihr Vieh zu tränken. Molada bat man mehrfadh mit Malatha, Malaatha des Ono- 
masticon (ed. de Yagarde 214, 255; 266, vgl. Joſephus Antig. XVIII 6, 2) zu: 
ſammengeſtellt, doch fehwerlich mit Recht; denn Malaatha entfpricht nach den Lauten der 
aramäiſchen Aussprache des hebrätfchen 727=°7 "2, der Salzitadt (f. Bo IX S. 571, 34—37), 
aber nicht dem hebräiſchen Molada, deffen Lage ſich bis jet nicht nachivetfen läßt. Mit 
Hazar Sual hat man einen bei Robinfon, Paläftina III, 862 aufgeführten Ort et-tali 
verglichen, da die Bedeutung „Fuchs“ zu dem Namen „Fuchshof“ zu paflen ſcheint; doc 
ift ferne Lage nicht befannt. Yzem oder Ezem erinnert an Azmon, einen Punkt ber 
Südweſtgrenze Kanaans Nu 34, 4f.; Sof 15, 4, der vom Thargum durch kesam ober 
 köopam twiedergegeben wird; man bat den Namen einer Duelle nordweſtlich won Kabes 
Barnea (j. unten), “ain el-kasäme, damit verglichen, doch muß der biblifche Ort wohl 
weiter nordweſtlich gefucht werden. Horma Sof 19, 4; 1 Chr 4, 30; Sof 15, 30 ift 
wohl der auh 1 Sa 30, 30 erwähnte Ort, wohin David Geſchenke von der Beute ber 
Amalekiter fandte, aber von Horma in Seir Dt 1, 44 ꝛc. zu unterfcheiden. Zillag mar 
wnah I Sa 27, 6 cine dem Philifterlönige Achis von Gath gehörige Stadt, Die id 
ale Wohnort angewiefen wurde und fpäter Eigentum der Könige von Juda blieb. Nadı 
1a 230, 14.16 lag fie in dem philiſtäiſchen N. der Krethi (vgl. ©. 694, 19), nördlich vom 
Bach, richtiger Thal Beſor, das vielleicht dem heutigen wädi esch-scheri’a entipridt, 
und tvar von Aphek in der Ebene Jeſreel (f. Bd VIII ©. 733) in drei Tagen zu er 
s reichen 1 Sa 30, 1. Diefe Angaben laffen auf eine Lage nordweitlich oder weſtlich von 
Beerſeba Schließen. Deshalb ift der Vorfchlag von Rowlands, die chirbet “aslüdsch in 
dem wädi “aglüdsch 20km füdlih von Beerjeba als die Stelle des alten Zillag an: 
yuleben, chtwerlich richtig. Eher könnte die Vermutung Conders, e8 in der chirbet zu- 
heilike füdlich von hüdsch und oftjüdöjtlich von Gaza zu fuchen, die richtige Gegend treffen. 
ao Für Beth Markaboth Joſ 19, 5 ſteht Joſ 15, 31 Dabmanna, dad nad 1 Chr 2, 49 
falebitifhb war, für Haar Suſa (1 Chr 4, 31 9. Sufim) Sanfanna. Sa (Zof 
15, 31 Silbim, 1 Chr 4, 31 Saarain) entfpricht wahrfcheinlich dem ägyptiſchen Namen 
scha-ra-ha-n, der als Urtöname auf einer Inſchrift Thutmofis’ III. zwiſchen Tanis 
und Gaza erwähnt wird. Ain und Nimmon find mwahrjcheinlib zu einem Namen zu 
10 verbinden und En Rimmon Neh 11, 29 auszufprechen; die LXX hat of 19,7 ’Eoen- 
uov, Joſ 15, 32 ’Eowu@d, was im Unomaftiton des Eufebius und Hieronymus ed. 
de Yagarde 256; 120 als ’Fosußav, Eremmon erfcheint und als ein fehr großes Dorf 
16 römiſche Meilen oder 24km füdlih von Eleutberopolis im Daroma bezeichnet wirt. 
Es entspricht wobl dem beutigen umm er-ramämin 27km jüdöltlih von böt dschibrin 
wo und 15km nördlid von Beerfeba an der Grenze des eigentlichen Berglandes (ſ. ©. 692,4 ff.). 
Dasd tft alles, was fid über die Yage der zu Simeon gerechneten Städte jagen läßt. Es 
ergiebt fih Daraus, daß ihr Gebiet in der nördlichen, tweitlichen und ſüdweſtlichen Umgebung 
von Veerfeba geſucht werden muß und teils mit dem N. der Kretbi, teild mit dem. der 
Keniſiter (ſ. jedoch o. S. 691,7 ff.) oder Nalebiter zufammenfällt. Von einer Erweiterung 
desd Gebieto Der ſimeonitiſchen Gejchlediter bören wir 1 Chr 4, 38ff. Um gutes Weide: 
land für ibre Herden zu Juden, zieben fie im Thal von Gerar (jo it nach LXX für 
(Nedor zu leſen, ſ. o. S. 693) oftwärts, d. b. in die S. 689,37 ff. beichriebene waſſerreichſte 
(Hegend Deo N., wo ca wirklich gute Weidepläge giebt. Leider läßt fich nicht feftftellen, 
in welche Zeit dieſe Belegung Gerars durch fimeonitifche Gefchlechter fällt. Wenn man 
mi, II ſur die Datierung verwerten darf, käme man in die Zeit des Königs Hiskia um 


Regeb 697 


700 v. Chr. und würde geneigt fein, in den früheren bamitifchen Bewohnern der Gegend 
(B. 40) arabifche Kufchiten zu vermuten. Da an der Nadricht im allgemeinen nicht zu 
zweifeln ift, fo hat man Gerar für eine nicht näber zu beftinnmende Zeit zu den von Simeon 
beſetzten Gegenden des N. zu zählen. 

Die unter Juda aufgeführten Städte Sof 15, 21—27 bleiben für den N. der Kale- 6 
biter, der Serahmeeliter und Keniter (vgl. oben ©. 694) übrig. Die Aufzählung beginnt 
nad) Joſ 15, 21 an der Grenze Edoms. Kina V. 22 könnte mit dem Nomadenftamme 
Kain (ſ. Bd IX S. 698) zufammenhängen, dem I Ca 30,29 auch Städte zugejchrieben 
werden. Kür Adada hat LXX Aoovnd, es ift daher wahrſcheinlich “ar'ärä A lefen und 
dag heutige “arrära 3 Stunden füdöftlih von Beerjeba und 10 km füdtweitlich von tell ı0 
el-milh zu vergleichen, deſſen Name nad Robinfon, Baläftina III, 181 Waffergruben 
(für Anfammlung des Grundwaſſers) bedeutet. Ob das in der Regel verglichene Aroer 
1 Sa 30, 28 wirflih mit diefem Orte identisch ift, läßt fich bezweifeln. Kedes V. 23 
fol von dem befannten Kades Barnea V. 3 offenbar unterfchieden werden, obwohl die 
LXX für beide Orte die gleiche Ausſprache Kadns hat; vermutlich gehört zu dieſem 15 
Drte das von dem arabifchen Geographen el-Mukaddasi erwähnte kadüs eine Tage: 
reife füböftlih von Hebron (doch it der Name nicht ficher überliefert ZUPV VII, 226). 
Bu ER läßt fich der bei Robinson, Paläſtina III 862 verzeichnete Ort el-hudera, 
öftlih von chirbet el-karjaten (f. 3.47), vergleichen, zu Ithnan das kalebitiſche Ge: 
Ihleht Ethnan 1 Chr 4, 7. Siph V. 24 ift nicht mit dem falebitifchen Orte gleichen 20 
Namens zwifchen Karmel und Jutta Sof 15, 55 (ſ. Bd IX S. 569,45) zu vermechfeln. 
Telem ift allem Anſcheine nach derjelbe Ort, der 1 Ca 15,4 in der Ausſprache Telaim 
begegnet und in den verwandten Glofien 1 Sa 27, 8 (LXX ano Teldu — Teidu), 
ſowie 15, 7 ftatt des jeigen bebräifchen Tertes berzuftellen iſt (vgl. Wellhaufen und 
Driver a d. St.); er würde dann die Oftgrenze des Gebiet ver Amalekiter bezeichnen 25 
(vgl. 0.©. 694,33 ff.). Bealoth wollte Kinobel von der kubbet el-baul nördlich von dem 
Anitieg Akrabbim verftehen (ſ. Robinfon, Pal. III, 179), Wetzſtein hingegen von dem 
dschebel ‘aräif, der noch etwa 8 Etunden füdlicher liegt als Kades Barnea, und dort 
auch die Sof 19, 8 genannte Stätte Baalath Beer Namath im N. fuchen. Allein diejes 
Namath im N., 1 Sa 30,27 Ramoth imN., muß wohl nordweftlicher angejegt werden, zu 
da e8 zu dem Gebiet Simeond gerechnet wird (f. oben), und Bealotb Joſ 15, 24 lag 
wahrjcheinlich norböftlicher. Karioth (Kiriotb) V. 25 ift mit dem folgenden Wort zu 
einem Namen zu verbinden, nämlich Karioth Hezron, wie fchon die LXX und die ſyriſche 
Überfegung gethan haben. Das Wort Rarioth bedarf der näheren Beſtimmung durd) 
ein anderes Wort; es bedeutet nach Wetzſteins Vermutung Schluchten, das Ganze dem= 35 
nad) „die Schluchten von Hezron”. Hezron ift nun ein belanntes kalebitiſch-judäiſches 
Geſchlecht, nach Gen 46, 12; Nu 26, 21; 1 Chr 2, öff. der Vater von Serahmeel, 
Ram und Kaleb. Der Name Hezron ift in feiner modernen arabiichen Form, nämlid) 
hadrä, durch Wetzſtein nachgewieſen worden, er bezeichnet nach Palmers Beobachtungen 
etwa das Hochland nördlich vom wädi marra zwiſchen den nakb el-gharb (Weſtpaß) 0 
und dem nakb el-jemen (Südpaß). Die Nordgrenze fcheint der wädi rachame zu 
bilden, der bereit3 von Palmer mit Jerahmeel zufammengeftellt worden tt. Diefe Ver: 
mutung gewinnt buch die Gleichung Heron — hadrä an Wahrſcheinlichkeit; zugleich 
ließe ſich nach diefen beiden Namen der N. Jerahmeel (S. 694,2) ficherer bejtinnmen. Der 
hebräiſche Tert erläutert (Kariotb) Hezron durch Hazor; mit welchem Necht und in weldyem 45 
Sinne, läßt fih nicht erfennen. Nobinfon III, 11f. bat diefen Ort des N. mit der um: 
fangreihen Trümmerftätte chirbet el-karjaten 6 km ſüdlich von tell main, alfo im 
äußerjten Norden des N., verglichen; aber karjaten würde auf ein bebräifches EN” 
zurüdmweifen, es liegt wohl auch zu nördlich. Ob gerade dieſes Karioth mit dem Bei: 
namen des Jüngers und Verräters Jeſu, Iſcharioth — Mann aus Kariotb, zufammen: sw 
hängt, läßt ſich nicht entſcheiden. Wir fennen freilih nur noch ein Karioth in Moab 

m 2, 2; es kann jedoch auch andere Orte dieſes Namens in Juda gegeben baben. 
Sema B. 26 ſcheint mit Simeon zufammenzubängen; in der Yifte Neh 11,26 fteht dafür 
Jeſua, das Conder mit chirbet sa’we nörblich von tell el-millı verglichen hat. Ver: 
mutlich handelt es ſich jedoch um einen ſüdlicher gelegenen Urt. 65 

Von einigen anderen Orten, die im Altertum entweder zum N. gerechnet oder zur 
Beitimmung feiner Grenzen verivendet wurden, ift ſchon oben die Rede geweſen, näntlich 
von Arad ©. 693, 1 ff. von Gerar S. 693, 9 ff. und von Sur ©. 693,24 ff. Es erübrigt, noch 
zivei Orte zu nennen, die das AT freilich nicht ausdrüdlic in den N. verlegt, Die aber 
jedenfalls feinen (Srenzen nabe lagen. Der erfte iſt Thamar. Von ibm gebt Ez 47,19; w 

















—— — 
a nakb 3 uſammenfall 
ſons (Paläjtina III, 186), daß das * — dns 
15 wähnt wird, zur — —— — beſtimmt war. 
kurnub, Man wird bei ana Straße für < Salomog 
18 (Ketib) rn 
ier anzufegen. Bon der Yesart d 
a —— ern: Namen Palm —— 
20 N befeftigt hätte, 8 abzufeben, er 
Feng Salemos sand fen La, et ; zu feinem 
wer weite Ort, der in Verbindung mit dem 555* re iſt 
BEN ades Barnca Dt 1, 19. 46; 2,14. Er la re der Au 
20, 1b, alfo an der — israelitiſchen Landes, nach m 47, 2 
693,19 








je Eboms 
u 
mar und — 


Ban * es ih na van Dt aa Zeit der Aufenthalt der aelitife 
Nu 20, 1b; Dt 1, 46; A 11, 167. und der Ort, von dein bie Runbfchafter ihren: 
duch den N. bis nach Estol in per Gegend bon Hebron (j. Bd IX ©. 568, ») antvraten 
Nu 13, 26; 32,8; Di1,20ff. ; Sol —* von dem ferner die Boten an den nig von 
Edom wWoeſaubt wurden, um freien durch deſſen Gebiet zu | erbitten Run 20 20, 14 f.; 
Ri 11, 16f. Diefen Merkmalen, vor — em für einen längeren Aufenthalt‘; ablreid dvet 
35 Menfchen erforderlichen Wafferreichtum ee die Gegend von "ain kadis, einer Zur Ale 
— Rowlande 1842 entdeckte und H. Clay Trumbull 30. März 1881 wiederfand. Yet 
erreichte von der Lagerſtätte im wädi dscherür, "sei vom wädi esch-scheräif, ir 
Sie —— nach drei Kamelſtunden den wädi kadis, eine von fe mag CR 2 chloſſe 
bene mit unregelmäßiger Bodenfläche, 4—5 km breit und bon Diten ein 
10 kurze Tagereife lang, in der Mitte von einem breiten Waflerbett 
um Aderbau benußt wird und durd feine en icharf 
—* Nach 1'/, ſtündigem Ritt verloren ſich die Zeichen ber 
wurde jteinig, * wieder nach anderthalb Stunden ſah Trumb vie Duke 
am Fuße von Kalkfelfen bervorbrechen. Die reichliche Duelle fpeift une in — 
friſch grünent 





45 liegende Brunnen und Teiche und verwandelt ihre nächſte — in eine 
Oaſe. Das treffliche Waſſer verliert ſich weiterhin in dem dürren 
wädi kadis führt ein Meg über die Berge nad) Norden, wie es Nu 13, 17. 22; 14, 
40. 44 angenommen wird. Bon bier gelangte Trumbull nad) 2°), Stunden im den 
wädi el-kadörät, ein Tbal, das nordnordweftlih vom wädi kadis ebenfalls | 

so nad Dften ſich ausbehnt und durd feinen reichen Pflanzenwuchs an die — 
der Sinaihalbinſel erinnert. In einem der von Norden oder Nordoften b 
Seitenthäler fand Trumbull eine andere Quelle, “ain el-kadörät, die iſt als "ain 
kadis, aus einem Abbang bervorfommt und ji in einem alle von ettoa 2m in ein 
bon dichtenn Grün umrabmtes Beden ergieht, aus dem das Maffer als lebhe ufchen 

55 der Bach, abwärts dem Haupttbal zufließt. Die Gegend ift — we in S | 
punkt der unterirdisch fließenden Mafler zu betrachten, da audı andere Seitentbäler: 
Pflanzenwuchs aufweiſen. Bon bier aus erreichte Trumbull in mordt licher Nicht 
den wädi es-seräm in 3 Nameljtunden. Am folgenden Tage bejuchte er er bon bort a 
nad 2ftündigen Mitt die. dritte Quelle jener Gegend, “ain el-kasäme, die‘ 

«0 lich und auch nördlicher gelegen iſt als die beiden oben erwähnten Quellen u 













Negeb 699 


fächlich, abgefehen von einem mäßigen Wafferausfluß aus der Felswand, einige größere 
und kleinere Waflergruben umfaßt, alfo von weit geringerer Bedeutung iſt. Etwa 5 km 
weftlich befindet jich die Duelle “ain el-muwelih und ctwa 12km ſüdlich die bijar 
(d. i. Brunnen von) mäjin am Fuße des dschebel “aräif, die ſchönes Waſſer ent: 
halten. Reſte alter Anlagen und Bauten find in diefer Gegend zahlreih. Aus dem allen 5 
ergiebt fich, daß hier die waſſerreichſte Gegend des N. ift. Eine ſolche Ausstattung ift 
aber unbedingt für den Ort erforderlich, den man fi als längeren Aufenthalt einer 
trößeren Anzahl von Menfchen denken fol. Dazu kommt der Namen kadis, der dem 
Biblifchen Kades entfpricht, ſowie die Lage der Duelle, die zu den Angaben des AT gut 
paßt. Daher ift faum daran zu zweifeln, daß “ain kadis die Stätte ift, an der Mojes 10 
lange Jahre hindurch im Namen Jahwes Necht ſprach und dadurch den felten Grund 
für das Wolf Jsrael und defjen Neligion legte, wo zugleich der erjte Anfang des ſeß— 
haften Wohnens gemacht und der fpätere Übergang zur Kultur für die Hirtenſtämme 
vorbereitet wurde. Die Umgegend von Kades het Pf 29, 8 die Wüfte von K., im 
Prieſterkoder die Wüfte (von) Zin Nu 27, 14; Dt 32, 51; Nu 20, 1. 22, ähnlich aud) ı5 
Nu 33,36. Es ift begreiflich, daß im AT verfchiedene Erzählungen von dem Aufenthalt 
Israels in Kades handeln, bejonderd von der Duelle, deren Waller die Müfte bier fo 
überrafchend freundlich geitaltet. Mofes Toll nah Nu 20, 2ff. durh die Munderfraft 
feines Stabes das Waller dem Felfen entlodt haben. Mit diefem Vorgang wird ein 
anderer Name der Quelle ın Verbindung gebracht, nämlich Haderwaſſer, hebr. AS 2, 20 
die Deutung dieſes Ausdruds erfolgt jedoch in verfchiedener Meife: nach dem Jahwiſten 
Nu 20, 13 (vgl. Pi 81, 8; 95, 8; 106, 32), weil Israel mit Jahwe haderte; nad) 
den Priefterloder Nu 20, (12) 24; 27,14; Dt 32, 51, weil Mofes und Aaron gegen 
Jahwe widerſpenſtig waren; und in dem Leviſpruch Dt 33, 8, weil Jahwe dort für 
Mofes tritt. Während Ey 47, 19; 48,28 diefer Name ebenfalls von Kades veritanden 25 
wird, ift er Er 17, 2—7 mit Mafla verbunden und an den Horeb V. 6 verlegt. Auch 
bier handelt e8 fi) um die Öffnung einer Duelle aus dem Geftein dur den Etab 
Mofes’, und die Namen werden damit erklärt, daß die Israeliten mit Mofes (oder Jahwe) 
germert (hebr. 2°) und Jahwe verjucht hätten (hebr. 1?2, davon 1972), Hingegen wird 
ala (neben Meriba) Dt 33, 8 fo veritanden, daß Jahwe den Mofes verfudht, auf die so 
Probe geitellt habe. Maſſa findet fich jedoch auch allein Dt 6, 16; 9, 22, an legterer 
Stelle zwiſchen Thabeera und den Yuftgräbern, aber vor Kades V. 23, fo daß der Drt 
bier deutlich von Kades unterjchieden wird (vgl. auch die Anfpielung auf den Namen in 
Er 15,25 "79 DO) Wahrſcheinlich war Maſſa urfprünglic in der Überlieferung ein von 
Meriba (= Kades) verfchiedener Ort, ift fpäter aber mit ihn verbunden worden. Kades 35 
lt auch als die Stätte, an der Wirjan, die Schwefter Mofes, ftarb und begraben wurde. 
er Name Born Mispat, CEO TE Gen 14,7 d. i. Gerichts: oder Orafelquelle, bezieht 
fih entweder darauf, daß Mofes dort Necht gefprochen hat, oder darauf, daß dort von 
alters her göttliche Beſcheide oder Drafel erteilt wurden. Es liegt die Annahme nabe, 
daß fi der Kampf Israels gegen die Amaleliter Er 17 um den Beliß diefer Quellen⸗ 10 
gegend drehte, vielleicht hing aud der Zug Sauls 1 Sa 15 damit zuſammen, daß 
die Amalekiter diefe Befisfrage im N. wieder geitört hatten. Doc giebt uns die 
jeßige Geftalt unferer Nachrichten feinen Auffchluß darüber. Die Beichaffenheit des 
Landes lehrt aber, daß es ohne dieſe Quellen für den Befiter feinen Wert bat, ſowie 
daß der Kampf um das Land ein Kampf um diefe Quellen fein muß. Die Amaleliter, 45 
in deren Bereiche fie nad) 1 Ca 27,8; 15,7 (1. S. 694,33 ff.) lagen, werden fie im Altertum 
ebenso eiferfüchtig geführt haben, wie heute die beni “azzäm oder “azäzime-Beduinen. 

Endlich fallen in das Gebiet des N. die Brunnen, die Gen 26, 19-—22 die Sklaven 
Iſaaks gegraben haben follen, namens Eſek, Sitna und Rehoboth. Zu den beiden letz— 
teren haben Robinfon I, 324 ff. 332 und Palmer 296f. die Namen wäadi schutön mit oo 
Nuinen (oder wädi schutnet er-ruhäbe) und er-ruhebe, Reſte einer alten Stabt mit 
Brunnen etwa 30km ſüdweſtlich von Beerfeba, verglichen. 

Bon der Lage der bier behandelten Yandichaft leitet ſich ein anderer, allgemein geo— 
graphifcher Sprachgebrauch des Wortes N. ber, der den Bewohnern Kanaans eigentümlich 
iſt. Wie der Ausdrud ©) — Meer häufig Weſten bedeutet, jo bezeichnet 223 die fübliche 55 
Himmelgrihtung Gen 13, 145 28, 145 Nu 35, 55 Joſ 11,2; 15,45 17, 9f.; Ez 
21, 2f. Die gejuchte Sprache des Danielbuches gebraucht N. jogar für Agypten Da 
11, Sff., und auch in der rätjelbaften Überschrift Jeſ 30, 6 baben einige Gelehrte dieſe 
Bedeutung finden wollen. 1 Sa 20, 41 ift ftatt 232 nach der LXX zu leſen AF7ET, 
Erdhaufen, Steinhaufen. Guthe. 60 


- 
2 


Hemso Achemia 
nf. 


“ern, unter Esra und Nehmia Die bemeitens 
. zz Wiederherſtellung des jüdiſchen Gemeinwmeſens 
—ers bibliſchen Studien V, 2. 3, 10 und dazu 

. 2.2 und über die bibliihe Quelle nach Text und Kom: 

= zart es bier nur nod einer kurzen Erzählung ber 

‘= rm Jeitgenoſſen Zerubbabeld a7: Car 2, 2; Web 
— 2 mn Neb5, 16, den Namen san 02 uam (Nch 
77 Meh 12,26 und ITETRT (Neh 8, 0: 10, 2) führte, 

.. 14; Esr 5. 15 und Esr 2, 63 — Wch 7, 15). 


7,298 Der erſte Dem Sinne nach jo viel wie Bezirks oder 
- ‚oerung nad \eahricheinlich babplontiih oder Doch ſemitiſch; 
 rticher Würdename. Der den königlichen Bevollmächtigten 
h Ardes antareysathra (Zvmmifta 1, 60) mir ſehr zweifel— 
“pe JIon Esra) Durch Ableitung dieſes Titels von aramäiſchem 
. An aunben Sinn erreicht, außerdem aber ibn mit Dem Wein 
oz ar Fombinierend von 777 und STE abgeleitet (Qidduſchin 
euer, der die Erlaubnis batte, von heidniſchem Weine zu trinken. 
ron, u te der Des Batera 7727 (Sept. dyadia 3. B. nad C. A., 
wur. errtas nach ec. B., Lucian u. Vulg. was jonft 1.2 M6 22! 
ru at Der maſſoretiſchen Ausſprache bebandelt, wie wenn er 


m En 


"73200 Nummer gebildet ſei; aber nach der Redensart 2 737 „auf je 


—zeph 3,85 Hab 2,51 iſt er yoeifellos urſprünglich gemeint 
2” arre Des Deren“, wie aud Böhme erfannt bat (1. Ryjſels 


D 
u 


anni Kemmentars 2. XXXID); der Name tft alfo Dem Zinne 


NORD 27T warte auf Bott” zu vergleichen. Schwieriger iſt 


oa TI u erflaren, nicht zwar Den Monfonanten nach: Denn wie 


A. 


Dan we 


entstehen av. DD mit beziehen können. Wobl aber ſpricht 


re dveil Troſtes“ oder "TI NXcnavt (Neh 7, 7) t„Gott) hat 
ut at ausdgedruckt „Jahbwe bat getröſtet“ IT E77, mie in dem 
entps Jahwe bat, Gnade erwieſen“ 777775775 wohl aber 
an wn Mennt 9272, 28 vergleicht. Es jcheint, daß bei der 
wg TEE das bebrätjche Piel STE emem Dal 275, fo bier Das 
won ST mit intranſitiver Ausſprache gleichgefegt und Dann nad 
ei Unterdruckung Des» der eriten Silbe und Kürzung Des zweiten 
onetinßt worden iſt. Daß Hakalija und fein Sohn Nehemia 


Su part und Der Araber (ſ BDV 2.502) aus falſcher Deutung 


el nehmen und Die Vulgata mit ibrem iussit sacerdos Nee- 


os erig Nesiitas D> Matt, 21 zu beitätigen Scheint, kann, 
rest Nut aus Veh 10, 9 geichloffen werden, Ivo Die Worte 
ir uiebt aui den von den folgenden Subjekten durch feinen 


un Keen 5, LE von ſeiner perfönlichen Nichtberechtigung in den 
sa iberzeugt NE ale don der Echtheit des propbetiichen Wortes, 
ua cvitenbeiieber iſt Die Schon tm Altertum gelegentlich zu Tage 
win Nrssakae der jedenfalls einer vornehmen jerufalemiichen Familie 
din usde geherte. Dem er nennt \erufalen „Die Stadt Des 
the, man balt es für wubrjcheinlich, daß er ſich unter 
enteo zum Könige proßlamieren werde (6, 7); und endlich 
ven Nebemias am perſiſchen Hofe bei der Neigung Der 
aarliit Jurſtengeſchlechter um ihre Perſon zu baben (Ta 
1.8, pn leichteiſten, wenn er Dafür galt, unter den ;Fürjten 
nenn Mer antter Dielen Umſtänden iſt es nicht befremblid, 
rm eninfdungeit, Die Israel ins Unglüd gebracht haben, 
ea rhbe bezeichnet, Die Die Minder Jorael und er und 
ars sg St Daß wir hierüber und über die Vorgänge, 
Von Vergintanus, ſ. unter Cara BD VS. 516 u 518) 
in. obepa tea beſißen, bat jenen Grund in der Urgani: 
ho breit Bor Web, Vermöge derſelben konnte erjt von 
enpipiundy Erzablung Des Nebemia dem Verf. Die Yalt 


Nehemia 701 


des eignen Berichtes abnehmen, wo feine Berfon für die Schidfale der Reftauratione- 
gemeinde im heiligen Yande entjcheidende Bedeutung gewann. 

Es war im Kislev des 20. Jahres des Artarerres — 445 v. Chr., daß Nehemia 
im Königsſchloſſe zu Suſa von feinem Bruder Hanani und von einigen Juden, oder rich: 
tiger: von aus Juda gelommenen und durch feinen Bruder Hanani bei ihm eingeführten 6 
Leuten, von der üblen und fchimpflichen Lage hörte, in welcher die heimifche Gemeinde 
fh (jeit dem nah Eör 4, 17 ff. den Übermut ihrer Feinde begünftigenden Erlafje des 
Artarerres ſ. meine Gefchichte Israels S. 252 ff.) befinde, und wie fie es nicht habe ver- 
hindern fünnen, daß in die Mauern Serufalems Breichen gelegt und ihre Thorgebäude 
in Brand geftedt wurden (1, 1--3). Ergriffen von dieſer jchmerzlidhen Kunde rang er 10 
fib in mehrmonatlidem Falten und Beten (1, 4) zu dem Entichluffe durch, deſſen Aus— 
führung 8. 2, 1ff. berichtet wird. Da nämlid das Gebet (v. 5--11), weil es für 
„heute“ Gelingen feines waghalſigen Schritte beim Könige von Gott erbittet (v. 11), 
als Abschluß feiner Faften aufzufallen ift, und da die Worte Tab pw rm nn im 
Unterfchiede von 7227 77p0r O8 und von 727 757202 IR offenbar fagen wollen „an 
mid) war die Reihe gefommen, dag Amt des Mundſchenken zu verwalten”, fo muß man 
den Tag, an dem er fo betete, und den (wahrſcheinlich erſten) Nifanstag, an dem das 
Amt des Mundfchenten ihn zum erften Male feit dem Kislev in den unmittelbaren per: 
ſönlichen Verkehr mit dem Könige brachte, für identifch anfeben. Um den König zu teil: 
nebmender Frage zu veranlaffen, reichte er ihm den Becher in einer für ihn auffallenden 20 
Weiſe. Bisher hatte er dabei nie gefntet (2, 1 I. E3F? 22 NT N Statt des unver: 
ſtändlichen >=); dieſesmal fiel er in die Knie, ehe er den Becher erbob und ihn dem 
Könige reichte (betrachte - als übel entzifferten Reft von ausgefallenem "3 22 EIER). 
Das machte den König in Verbindung mit dem fummervollen Gefichte, das er zu fehen 
befam, ftußig; jo daß er den Nehemia darauf direft anredete. Wenn dieſes auch im 25 
Tone des Vorwurfs über das Verdrieglichbliden als einen Verſtoß gegen die Etiquette 
geſchah — denn Neh. erichraf darüber (2, 2’) — fo gab die Notwendigkeit einer recht: 
fertigenden Antwort ihm doch die erfehnte Gelegenheit, das Unglüd Jeruſalems als eine 
Schändung der Gräber feiner Väter und darum als genügenden Grund ſeines Unmutes 
auh für die Empfindung des Königs zur Sprache zu bringen (v. 3) und auf befien so 
Frage, was er denn nun (lies 32 ft. >? ın v. 4) verlange, unter ſtillem Gebete, meil 
im Bemwußtfein der Größe und Bedeutung des Verlangten, ihm die Bitte vorzutragen, 
als töniglicher Legat mit dem Auftrage der Wieverheritellung nad Jeruſalem entfandt 
zu werben (v. 5). Denn daß feine Milfion die eines außerordentlichen Legaten mar, 
beweiſt die Frage des Königs nad) der Länge der Zeit, die er abivejend zu fein gedenke, 36 
und die Bezeichnung des Terming feiner Wiederlunft, mit welcher N. darauf antwortet 
(2, 6). Wenn er aljo nachher 12 Jahre als Becha in Juda fungiert (5, 14), jo müflen 
wir in Ermangelung ausdrüdlicher Angaben fchließen, daß zu dem anfänglichen Kom: 
mifjortum die Gnade des Königs Später die Bekleidung mit dem dauernden Verwaltungs: 
amte des Pecha hinzugefügt hat. Ausgeltattet mit föniglichen Geleitsbriefen an die Prä- 40 
feften von Eberhannahar, mit Vollmacht aus dem föniglichen Forſt das nötige Bauholz 
zur Herftellung der Thore und Mauern der Stadt, ſowie der Amtswohnung de N. zu 
beziehen (in 2, 8 tft 7=°277 ebenfo wie 7, 2 materiell identifch mit „der Stadt“, mit 
„Jeruſalem“, aber ein amtlicher Mürdename für fie ald Stadt früher der jüdifchen, jetzt 
der perfifchen Könige, die in ihren Beamten dort refidieren; ferner iſt ftatt mr25 zu s 
fchreiben Mi>22 in demjelben Sinne wie 2, 5, und ber Relativſatz „welche bergeftellt 
werden follen” auf „die Thore der Bira zu beziehen”), endlich gededt durch eine vom 
Könige mitgegebene militärische Eskorte (2, 9) kam N., wir wiſſen nicht, nach wie langer 
Reifezeit, doch ficher vor den Anfang des 5. Monates in Serufalen an (2, 11). Aber 
erſt nad) drei Tagen, nachdem er heimlich auf einem unauffälligen Ausgange (daher nur co 
wenige Begleiter, und dieſe unberitten mitnchmend, 2, 12) bei Nacht die Mauer und 
insbefondere die Stellen in Augenjchein genommen batte, wo Brefchen (I. EIEIE SO TOR 
v. 13) und die Thore durch Feuer zerftört waren, forderte er unter nachdrüdlichem 
Appell an das nationale Chrgefühl die Juden auf, die Mauern Jeruſalems wieder her: 
zuftellen; zugleich ermutigte er fie durch Mitteilung der glüdlichen Fügung, die ihm für fein 66 
Werk die Gunft und Gutheißung des Königs verfchafft hatte (v. 18), dem böfen Scheine 
rebellifcher Unternehmung energisch Troß zu bieten, welcher dem früheren Verſuche mit 
Erfolg angeheftet worden war, und auch jebt wieder auf ihr Vorhaben geivorfen zu 
werden drohte (2, 19. 20). Wie jebr er den Eifer zu entfachen und wie Hug und ener= 
giſch er ihn zum praftifchen Erfolge zu leiten verftanden bat, fann man einerfeit aus co 


[5 


5 


gen 


.t> das 5, Kapitel darbietet at Dan 
eꝛrordentlichein Fleiße alles Reachtene 
. 7a der zeit, in welcher Jeruniaten: u 
SRpergeſtellt wurde. Ter Mauerbau tell: 
»ubeſtimmtes Stuck vollbracht zu baden, 
And Berufsgenoſſenſchaften, Die Zunite, du 
neten. Und was Das andere anlangt. 
„nn Me Mauer vollender wurde, Der 52. Im 
. Setepbus ſ. u. Die Daran gelchlefienen 
rten. gerieten ſie in yurdit” iprich: NT" -- 
son wurden, DD es verging ihnen Der Var 
....7 Adenn alle Beiden um uns ber taben vo 
7. EIN” vorber, verwechſelt und desbalb 
:oaltig daruber il. R°E ſt. 20 und faben 
ande gebracht jet” verraten mit Dem Gefubl Der 
zit Das Gelingen Des ihm von Gott einge 
ne Düs des Triumphes uber Die Hinderniſe, 
2er ebhrgeiziger Nachbaren, teils De inneren Su 
si,titı hatten. 
von Anfang an bewußt, daß Die Mustruhre: 
.  n der Gegner ſeines Volkes durchkreuzen werde 
zer unter Den Verdacht einer rebelliſchen Be 
„nd ſuchten durch Hohn und Spott über Die ver 
ir Arbeitern zu erwecken (3, 33 379: ale aber 
Erreichte Den Eifer um Die Vollendung itarkte 
Uberfallen Den Fortgang zu ſtoren und den R. 
1,2. Je energiſchere militäriſche Gegenmaßn 
"mer durch perſonliche Liberalitat und Furſorge 
orte, deſto eifriger trachteten ſie nun danach, Diet 
a Handſtreich bei einer mit freundlichen Erbietungen 
Jeruialems (6, 11), ſei es durch Intriguen im Jeru 
EIN M. zu Handlungen zu verlocken, De ihm den 
yo geraubt hatten (6, 12. 135. Beſonders nambai: 
tr Stelle Sanballat, danach Tobia und Welchen 
sa vermuten, daß er Div Intereſſen der vom Suden 
i Nachbaren vertrat; vom zweiten, Der mit zwer 
Heiraten eng verwandt War und mit vielen Juden 
“48 Der, wenn ich mit meiner Vermutung au 15, | 
"one Kleinodien beim Tempel in Dépöt gab, Tun 
ender, Das Uierland des Jordans verwaltender Mann 
dazcaen, daß er als Oberprieſter in Samaria Autorita: 
Ber Mondgott, Der in Harran verehrt wurden und 
SELL" aussutreden iſt 0). Weich. Israels 2.26 
sro, welche nach > No 17,28 die religiöſe Pflege 
nam. Wenn in Ami Div alte ehrgeizige Eiferſucht 
io begreift ſich am leichteſten, daß er Familienverbin 
tr Nubte 15, 280, daß aus Jeruſalem verjagte VPrieſter 
rc am hartnäckigſten Die Autorität Nehemias u 
birhinit des neuen Juda su bindern ſuchte. 
oa at bekampfen galt, beſtanden teils in Der Mutloſia 
ech 15 und die dabei zu furchtenden, Durch über 
ar vorgemalten Angriffe Dev feindſeligen Nachbaren 
a alle wie Bruder zuſammenſtehen ſollten, beſonders 
| RR der armeren Klaſſen; Datten Diele Doch, um ibhre 
le verpianden und ihre Kinder an ihre vermögenden 
ve. und ſaben ſich nun unter Dem doppelten Drucke Der 
ge der Glaubiger dem Hungerelend preisgegeben 
zuanebt bloß durch krajtigen Juſpruch und kluge 
belebte, ſondern mit Den Seinen überall felbit 
zragen aalteent. 1. Dieſe beſſerte er, indem u 


Nehentia 703 


wieder unter eigenem Vorangehen in ber opfertoilligen Verzichtleiftung auf feine Rechte, 
die Gläubiger zu einem generellen Schulderlaß bewog (5, 6— 19). Bei dem allen konnte 
er fih unbedingt verlaffen nur auf feine eigenen Leute. Denn fo fügſam die VBornehmen 
fih auch äußerlich gegen den jegt in Gunſt ſtehenden königlichen Yegaten erzeigten, jo 
gab es doch viele unter ihnen, die mit der Abficht, zwei Karten in der Hand zu baben, 6 
eimlid ihre Verbindung mit den feinplichen Rivalen fortjegten und ihnen Spionsdienfte 
eifteten (6, 17—19). Ja fogar prophetifch begabte und als Propheten angejebene Männer 
gaben fich dazu ber, den unter ſolchen Umſtänden des prophetiichen Zufpruches wohl be: 
bürftigen Mann (6, 9: „es wäre wohl an der Zeit geivefen, meine Hände zu Stärken‘ 
I. "TR PMINT) zu fchreden und irre zu machen (6, 14), ja in einem Falle unter 10 
dem Scheine göttliher Erleuchtung und eines mohlmeinenden Rates zu einem für feine 
Autorität verderblichen Schritte zu verleiten. Hier konnte er feitjtellen, daß der Mann, 
dem er vertraut hatte, mit Geld beftochen worden war (6, 10—13). 
Aber wenn mit der Schließung der Mauern die Ehre der Stadt wiederhergeitellt war, 
o galt es nun ihr die Möglidykeit der Erhaltung in ihrer Ehre zu verfchaffen. Die im ıs 
Vergleich zu ihrer Größe nur fpärli bewohnte und in geringem Maße wieder auf: 
ebaute Stadt mußte bevölkert werden (7, 4). Auch die darauf bezüglichen Maßregeln 
bet N. auf göttliche Eingebung zurüd (7, 5). Dabei mußte das in der Vergangenheit 
begründete Recht und der faftifche Beitand der zur Gemeinde gehörigen Bevölkerung 
berüdfichtigt werden. Daß Nehemia dazu die alten Urkunden erforfchte, zeigt der Ab: 20 
ſchnitt 7, 6—73, und daß er eine Volkszählung anordnete, jagt 7,5 ausdrücklich. Die 
Vorbereitungen aber und die Durchführung diejes zweiten großen Werkes erforderten 
neifel1os eine längere Zeit, und es iſt wahricheinlidh, daß aus diefem Grunde er das 
mt des Peha nachträglich erbeten und übertragen befommen hat. Xeider iſt uns die 
Fortjegung, welche das K. 7 in der Denkichrift des Nehemia hatte, nicht erhalten, indem 25 
der Vf. des Esr-Neh.buches von ihr abgebt und jene auf Grund der Esramemoiren be 
richtete große gottesdienjtliche Verfammlung im 7. Monate in den Vordergrund rüdt, 
welche ke zu einem Tage der Gejegeöfreude geftaltete, die fchriftgemäße Begehung des 
Laubenfeftes nach fich zog und fchlieglich in dem großen Beichtafte und Gelübde gipfelte, 
durch das ſich die Gemeinde verpflichtete, in dem Geſetze Jahves zu wandeln und das so 
Haus ihres Gottes in feinen Rechten und Ehren zu erhalten (8, 1—10, 40). Daß Nehemia 
den Esra bei jener VBerfammlung unterftüßt hat, wird 8, 9 ausdrüdlich gejagt, und daß 
jenes Gelübbe — Sinne entſprach, geht aus dem Umſtande hervor, daß in dem Ver: 
zeichnis der Beliegelnden (I. mit Syr. Ar. 10,2: Sen TER ftatt Dr) „Nehemia der 
Tirſchatha“ obenanfteht ; ja nad) 13, 31 darf man fchließen, daß einiges, wie 3. B. die 86 
Drdnung der Holzlieferungen 10, 35, auf feine jpezielle Anregung in jenes Gelübde auf: 
enommen tft. Aus dieſer unter anderem Geſichtspunkte orientierten Erzählung iſt aber 
ein deutliches Bild über feine nah K. 7 zu erwartende Negierungsthätigfeit zu gewinnen. 
Wir erfahren hinter derfelben in 8. 11, 1—2 nur, daß die Häupter des Volkes in Te: 
rufalem Wohnung nahmen, und daß die übrige Bevölkerung durdy dag Los ein Zehntel 10 
ihres Bejtandes zur Uberfiedelung nad Jeruſalem „der heiligen Stadt” ausſonderte. 
Das ift außerordentlich wenig im Vergleich zu der Ausführlichkeit, die der Anfang diefer 
Erzählung verſprach, und zu der nah 5, 14 zmwoölfjährigen Dauer feiner Verwaltungs: 
thätigfeit ale Pecha. Man könnte zwar in fie noch die große Feier der Mauerweihe 
12, 27 ff. bineinlegen wollen, aber davon erzählt Nebemia felbft nur in unmittelbaren 45 
oe (87T 292 13, 1) mit einem Borlommnis, das diesfeits jener zwölf 
Jahre fällt, und binte einer — bei der Natur der eingeriffenen Unordnung ziemlich 
lang zu denfende — Abweſenheit Nehemias am perfifchen Hofe, wie es der Ausdruck 2m y"p> 
13, 6 erlaubt. Die ganze Art, wie er ſich ausprüdt, erwedt die Vorftellung, daß er 
vom Amte des jüdifchen Pecha in den unmittelbaren Dienjt beim perfiichen Könige zurüd: 59 
getreten, und nach geraumer Zeit gegen die Erwartung 3.B. des Hoheprieſters Eljajchib 
auf beitimmten Anlaß und zu beſtimmtem Zweck mit begrenztem Urlaub vom Könige in 
Jeruſalem wiedererſchienen fer. Eben deshalb habe ih (a.a.D. 266) die Vermutung 
ausgeiprochen, die Mauerweibe gehöre in diefe zweite Anweſenheit Nehemias, und zwar 
in das Jahr 430, welches ebenjo ein Sabbathjahr war, wie das Jahr 444, in deilen 55 
7. Monat wahrſcheinlich die großern Feiern des Abfchnittes K. 8— 10 hineinfallen. Was 
uns außerdem Nehemia aus der Zeit dieſes ziveiten Aufenthaltes von fich erzählt, find 
lauter einzelne Maßregeln der Zenfur und der Korrektur gegen Verlegung der von ihm 
und unter ibm getroffenen Ordnungen, wie fie Die natürliche Trägbeit und Bequenlich- 
feit, die fih dadurch geniert fühlte, wie bei der Sabbathsordnung (13, 15ff.), die auf co 


— ⸗ 
or 
w 


704 Rehemia 


eignen Vorteil bedachte Licbedienerei gegen die Ausländer (13, 4ff. und v.28) in Berbin- 
dung mit Gleichgiltigfeit gegen die Ehre des Gotteshaufes und feine regelmäßige Be 
dienung (v. 10ff) und der Mangel an religöfem und nationalem Ehrgefühl (v. 23 ff.) 
troß des früher von ihm gewedten Eifers ſich wieder hatten zu fehulden fommen laſſen. 

5 Abgejehen von der Mauerweihe, bei der er nicht fehlen wollte, dürfen wir feine Wieder 
fehr nach Jeruſalem daher aus der Abjicht einer Bifitation und einer ſolchen Stärkung 
des von ihm in einer langen Amtsthätigfeit Gegründeten und Geordneten ableiten, 
welche geeignet war, jeine gedeihliche Fortentwickelung auch für die Zukunft und Die Zeit 
feiner zukünftigen Abweſenheit zu fichern. 

10 Hiernadb darf man das eigentliche Verdienft des Nehemia darin ſehen, daB er 
das nationale Ehrgefühl der Gemeinde des Tempels und des Gefehes geweckt, daß er 
Jeruſalem in den Stand gefegt hat, der maßgebende Vorort und der fefte, jelbftftändige 
Mittelpunkt für alle Glieder der Gemeinde im Yande zu werden. u der von Era 
unternommenen Unteritellung der Tempelgemeinde unter dad der Diaspora ie der 

15 Kolonie in Juda gemeinfame Moſegeſetz fügte Nehemia „die nationalpolitifche Organifation 
derfelben als der Amphiktyonie der bl. Stadt”. Seinem Charakter nad) zeigt er ſich als 
en Mann von Keohamtem Ehrgefühl und echter Vornehmbeit. Er bält auf feine Ehre 
ald Angehöriger feiner Familie, als Belenner des in Israel offenbarten und angebeteten 
Himmelsgottes Jahve, als Glied feines beruntergefommenen und doch zu Großem be 

> ſtimmten Volkes und fucht fein Volk zu gleihem Chrgefühl enıporzubeben. Seine wahre 
Bornehmbeit zeigt fich darın, daß er feinen hohen Rang, fein Amt und jein Vermögen, 
die ihm erlaubten, ſich ale durchaus felbitftändigen und unabhängigen, nur feinem Ge 
willen verantwortlichen Herrn in der jüdischen Umgebung zu zeigen, ganz in den Dienft 
der Sache Stellt, welche er zu feines Gottes Ehre und der Gemeinde Beitem unternommen 

35 bat; daß er ſich durd feine Drobungen, Yäfterungen, Intriguen und perfünlicde Müben 
und Entbehrungen aufbalten oder irre machen läßt; daß er ınit Zurückſtellung der eigenen 
Intereſſen großartige Liberalität übt und wie er ftreng gegen fich jelbft iſt, jo auch mit 
ſcharfer Zucht gegen die Pflicht: und Ehrvergeſſenen einfchreitet. In dem allen. ift er 
bemüht geivejen, ein gutes Gewiſſen zu Gott zu betvahren, und wie um fein gutes Ge 

30 willen feitzubalten, bat er im Angefichte Gottes, den er öfter anruft, am Ende feines 
Lebens fein Werk und feine Erlebniffe noch einmal prüfend überblidt und davon eine 
Schriftliche Daritellung gegeben, welche den Leſern, für die fie zunächit beftimmt war, 
trog aller Gerüchte und Nachreden über feine ehrgeizigen Pläne und die rückſichtsloſe 
Härte feiner Amtsführung ermöglichte, wie er felbit mit dem Gefühle des Dankes und 

3: der Befriedigung auf jein Werk zurüdzubliden. Die Schrift übt Schon ale eine im WAT 
feltene Autobiograpbie einen eigentümlichen Reiz aus; ebenfofehr aber durch die einfache, 
rein auf die Sache gerichtete Darftellungstweife, bei der es unausbleiblih ift, daß die 
Spannung der Seele des Helden und Erzählers auf das glüdliche Gelingen feines großen, 
vielfach bedrohten und angefeindeten Unternehmens ſich auch dem Leſer mitteilt. Für das 

4 Nähere vgl. m. Geſch. Israels S. 218--220 und 252—268, mo auch der größte Teil 
der bier angedeuteten oder vorausgefegten Tertesbefjerungen neben anderen für die Eregeie 
des Buches wichtigen begründet find. 

Von gar feinem oder geringem Werte find die Nachrichten des Joſephus und der 
Apokryphen. „jener nennt den König von Perſien, dem N. als Mundicent diente, Xerxes 

45 (ant. 11,5, 6) und verjtebt darunter nicht etwa Artarerres; denn diefen läßt er unter 
feinem Namen in 11,6, 1 jenem Kerres folgen. Trotzdem aber Xerred gar nicht jo 
lange regiert bat, jegt er die Entjendung des Nehemia in das 25. Jahr feiner Regierung 
(11,5, 7), und die Vollendung des Mauerbaus, den er zwei Jahre und vier Monate 
dauern läßt, in den 9. Monat des 28. Jahres des Xerres (11, 5, 8). Nach diefer Ver: 

co wirrung der Chonologie kann man fich ein Urteil darüber bilden, welcher Wert dem bei: 
zumeljen ift, wenn er Zanballat, „den Kuthäer“ 11, 7,2 von dem lebten Darius ale 
Satrapen nach Samaria gelandt werden läßt, und 11, 8,2 den Schwiegerfohn San: 
ballat3 (durch feine Tochter Nikaſo) aus der bobepriefterlicben Familie zu Serufalem, den 
er Manaſſe nennt, und der wegen feiner Ehe aus Jerufalem vertrieben wurde, al® Bruder 

5 des Hobepriefters Jaddus bezeichnet, während N. (13, 28) ihn einen Nachkommen Jojadas 
nennt. Auf der anderen Seite fcheint die don mir vertretene Meinung, Sanballat fe 
nicht fotwohl als Zatrap, denn als Oberprieſter zu denken, fo ſehr Joſephus ihn direkt 
als Satrapen bezeichnet hat, indireft dur ihn ſelbſt betätigt zu werden, wenn er 
11,8, 2 erzäblt, Manaſſe babe dem Verjprechen Sanballats, er werde ihm von Darius 

co die Oberprieſterwürde verjchaffen, geglaubt und um fo ficherer diefes Amt bald zu gt: 


Nehemia Nektarius von Jernſalem 705 


halten gehofft, als „Sanballat ſchon alt geweſen fer“. Wenn er im übrigen unter dem 
Eindrude der eigenen Erzählung Nehemias ihn als eimen gerechten, fein Volk Tiebenden 
Mann charakteriftiert und ihn durch das Prädifat auszeichnet (11, 5. 8) urnusiov alovıov 
abıo xaralınav ıa za “legoooAvuwv teiyn, jo führt diefes fofort zu dem Satze des 
Siraziden (49, 13): Neewiov Erl noAv Tö uynudovvov Tod Eyeigavros Aulv eiyn 
nentwxödta xal orhoavros nölas xal uöxAovs xal üveyelpavıos ra olxöneda Auav. 
Penn in Pfeudoesra (ed. Fritzſche) 5, 40 Neeulas[ö] xal Ardaoias (denn o ift nach 
e ausgefallen), oder richtiger nach Lucian (den Guthe in Kautzſchs Apokryphen bier 
nicht gegenwärtig gehabt hat) N. ö xal ’Arapaodas ericheint, und der Tirjchata der 
eriten Rückwanderung (nämlich Serubbabel) mit Nehemia ibentefgient iit, jo Hat das 
feine Analogie in den Sept. codd. (ſ. Bd V, 514, 25ff.), welche den Tirſchata in Neb 7, 65 
nah 8, 9 ald Nehemia zu erfennen durch den angenommenen Zujammenbang diefer 
Stüde verführt wurden. Auf diefelbe Fdentifizierung des Nehemia mit dem Tirichata 
Meh 7, 70 wird auch die gelegentliche Ausfage in dem Sendfchreiben der Serufalemer 
2 Mak 1,19 zurüdgehen, daß Pehemia den Tempel und den Altar gebaut und durd) 
Dpfer eingeweiht habe. Denn „nad Perjien” find die Väter weggeführt (v. 19) und 
vom perjiichen Könige wird N. nach langen Jahren nach Serufalem geichidt, um dann 
das verſteckte Altarfeuer zum Dpfer in der Geftalt einer diden Flüſſigkeit holen zu lafjen 
(v. 20ff.). Wenn diejes in der gemeinen Sprahe Newdal-aeı] d. i. Naphtha Pit, N. 
es aber Nepdao in der Bedeutung xadapıouds genannt haben fol, I liegt bier eine 20 

iechifche Etymologie vor, bei welcher Napda mit virzto-ov oder -a — Reinigungswaſſer 
ombiniert und danach unter dem Borbilde von vextao rektifiziert wurde. Der Wechſel 
der Tenuis und Aipirata hat dabei ebenfowenig zu beveuten, wie bei der Gleichung 
bon griech. vagpda und aram. NZE? und NSEr. Von Nehemia und feiner Zeit, heißt es 
weiter, erzählen gewiſſe, auf feine Zeit bezügliche Schriften, unter anderen ſpeziell auch diefeg, 
„daß er die von den Königen und den Propheten handelnden Schriften und die Davids und 
königliche Schreiben über Stiftungen geſammelt und fo eine Bibliothek begründet habe” (v. 13). 
Um diefe Worte zu verjtehen, muß man fich erinnern, daß Dar 27 723 Eſt 2,23 im 
Griechiſchen 7 — 2* heißt, und daß nach altpaläſtiniſcher Ordnung die jenen hebr. Titel 
tragende Chronik an der Spitze und Esra-Nehemia am Schluſſe der Kethubim ſtanden (ſ. so 
Chronik in Bd IV, 87, 3off.). An dem Schlußbuche ſtechen als bedeutungsvoll die könig⸗ 
lichen Schreiben zu Gunſten des Tempels und Jeruſalems hervor; in dem Anfangsbuche 
bilden die Erzählungen über die Könige und allerlei Propheten die Hauptmaſſe, und auf 
dasſelbe folgt der Pſalter Davids. Es iſt nicht zu beyweifefn, daß in der citierten Schrift, 
der diefe Nachricht entnommen fein fol, die wirre Vorſtellung berrfchte, mie die große 35 
Synagoge, die den Kanon abjchloß, fo gebe auch die Gründung der „Ketbubim” auf 
Nehemia zurüd. 

Aus den geringen Nachrichten des Talmud, die man bei Hamburger (Wörter: 
buch 3. Aufl. I, 1892 unter „Nehemia“ und in Bd II unter „Tradition“ nachſehen 
kann, bebe ich als bemerkenswert die Stelle Sanhedrin 93b hervor: Nehemia habe 40 
vieles geſagt, was Esras Worte feien vet. Neh 7 mit Er 2 und Neb 8-10). „Und 
was it der Grund, daß das Buch (sc. Nehemia, welches bei den Juden Esra heißt) 
nicht auf feinen Namen genannt iſt? Deshalb weil er das Gute für fich felbft in 
Anſpruch nahın und meil er gefchrieben bat unter Bloßftellung feiner Vordermänner.“ 

U. Kloftermann. 45 


Nektarins, Patriarch von Serufalem feit 1661. — Le Duien, Oriens 
christianus III, 1740, ©. 520—522, Satha8, NeoeiAnvıxı) Dılokoyla, 1868, ©. 319 ff.; Le Grand, 
Bibliographie Hell&nique ou description raisonnde des ouvrages publié s par des Grecs 
au XVII siöcle, an verjchiedenen Orten in Bd II, III, IV (1894—1895), ſ. Regifter. 
Sathas bezieht ſich auf einen Bios Nextapior, der einer hernady zu nennenden Schrift des 60 
N. beigegeben war und von Le Brand II, 404—407 neuerdings abgedrudt ift. Vermutlich 
hat aud das Wert des Dofitheus Jleoi tw» &v ’IeooooAbuoıs narpıapyevoarro» mandjes iiber 
N., doch konnte ich es zur Zeit nicht einjehen ſ. Bd VIIL, 697, 5—12. Val. nod) da3 mir 
unbekannt gebliebene Wert eines Anonymus: ‘II Exxinola “IeooooAluwr xara ToVs Teocapas 
zeievralovs alövas 1517-—-1900, Athen 1001. 63 


Nektarius gehört nicht zu den hiftorifch bebeutjamen Patriarchen von Serufalen. 
Er ift hauptſächlich befannt geblieben durch ein Schreiben, durch welches er die Confessio 
orthodoxa des Mogilas empfiehlt und welches der erjten griechifchen Drudausgabe der: 
felben beigegeben wurde; ſ. dasſelbe bei Kimmel, Monumenta fidei ecelesiae orient. 
I, ©. 45 ff, bei Mefolorad Svußoien Tjs Öododvkov Ararolıns Exxinolas Ton. 
Neal⸗GEncytlopädle für Theologie und Kirche. 3.4. XIII. 45 


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706 Nektarius von Jernſalem Nektarins von Ronftantinopel 


A’, oe. 370 373, Xe Grand II, 208 7. Es ift datiert vom 20. November 1662. Um 
diefe Zeit war N. bereits Patriarch. Er wurde geboren 1605 und hieß mit urjprüng-: 
lichem Namen Nixödaos Ilelonlöns. Seine Heimat war Kreta. Gr fcheint von guter 
Familie geweſen zu fein und war wiſſenſchaftlich mannigfach intereffiert. Er beherrſchte in 
5 |päterer Zeit neben der griechiichen die arabifche, türfifche und lateinische Sprache. Seinen 
Sugendunterricht genoß er in einem oyodsiorv, das von Sinatmöndyen geleitet war, fam 
dann felbft auf den Sinai und wurde dort Mönch, als welcher er den Namen Nextagıos 
erhielt. In reiten Jahren („teooapaxovrra xal nevre Ein teAav") treffen wir ibn ın 
Athen, wo er naoa Geopikw Koovöaller Euadhtevoe. Theophilus Korydalleus war 
ıo als Philoſoph (Erneuerer des Ariftotelismus) berühmt, ift aber als Freund des Cyrillus 
Lucarig zum Häretifer geitempelt worden (j. über ihn Ph. Meyer, Die theol. Litteratur 
d. griech. Kirche im 16. Jahrh. S. 9 ff). Um 1660 war N. in Angelegenheiten feines 
Klofters in Konftantinopel. Seine dortigen Freunde lenkten dann, als im Dezember 
1660 der Patriarch Paiſius von Jeruſalem jtarb, die Augen des ökumeniſchen Patriarchen 
15 auf ihn als deſſen zwedmäßigen Nachfolger. N. war bereits wieder auf dem Sinai und 
eben jeßt dort zum Abt gewählt. Auf der Reiſe nach Jerufalem, um dort xara tiv 
üvmder ovvideay jeine Weihe zu holen, erreichte ihn die Nachricht, daß er zum Patriarchen 
der hl. Stadt erwählt fei. Er wurde als foldher im April 1661 gemweibt. In der neuen 
Etellung befuchte er abermals Konftantinopel und befonders die Moldau, mo der Etubl 
20 von Jeruſalem beträchtliche Güter beſaß. Nicht ohne Intereſſe find feine Beziehungen 
zu Moskau, wo ein gewiſſer Yigarives (Asıyagiöns), der ald Metropolit von Gaza ab: 
gejegt worden war, in dem Nilonjchen Streit bei Zar Alexis Michailowitſch eine un: 
rühmliche Rolle fpielte (f. Ye Grand, IV, ©.21, 28, 38 ff). N. jcheint nur ungern die 
Würde eines Patriarchen getragen zu haben. Schon feit 1666 betrieb er feine Ent: 
25 lajjung und 1669 treffen wir bereits den Dofitbeus als feinen Nachfolger. Doch blieb er 
in Jeruſalem, im Kloſter des "Aoyaypyelos. Nur vorübergehend „floh“ er einmal vor 
den Umtrieben der lateinifchen Mönche nach dem Einat. Er jtarb nadı Sathas „nzeoi ro 
1680", nad) Le Quien bereits 1675. An der Synode zu Serufalem 1672 (|. den 
A. Bd VIII, 703.) nahm er teil und unterzeichnete mit ihre Beichlüffe (ſ. Kimmel 
30 I, 487). 

Sathas giebt ©. 320/21 ein Verzeichnis der Schriften des N. Am wichtigſten iſt 
die dyriooyaıs mit der er den HEoeıs des Petrus, ualorwo r@v Ev Ieoooolvuos gYoa- 
roowv, bezüglich des Primats des Papftes begegnete. Erſt Dofitheus brachte Diele 
Schrift zum Druck (und gab ihr den oben erwähnten Bios des N. bei; ed war die eritc 

35 Schrift, die in der 1680 von Dofitheus zu Yaſſy errichteten Druderei erſchien, 1682; 
ſ. Ye Grand IE, 402). Pichler, Geſchichte der Eirchlichen Trennung zwiſchen dem Orient 
und Occident I, S. 474—A181 bietet eine fehr ausführliche Jnbaltsangabe. Die Schrift 
ift eine der beiten Kontroversschriften, gelehrt und maßvoll; fie bat auch Eindrud ge 
macht. Ye Quien bat unter dem Namen Altimura eine Gegenfchrift veröffentlicht 

4 (Panoplia contra schisma Graecorum adv. eriminationes Nectarii, Paris 1718; 
j. Pichler). Intereſſant ift die Bemerkung des N. über den Unterfchied der Haltung des 
riechen und des Yateiner: „Die Yateiner gleichen im Kampfe den entgegenlaufenden 
lärmenden, wie Vögel pfeifenden Trojanern, die Griechen dagegen den ernit, ſchweigend 
und bedäctig anrüdenden Achäern“. Bei Eus. Renaudot, Gennadii patriarchae 

s: Cpolitani homiliae de sacramento encharistiae, Meletii Alexandrini, Neetarii 
Hierosolymitani, Meletii Syrigi et aliorum de eodem argumento opusecula 
graece et latine, Paris 1709, S. 171—183 trifft man einen Brief, den N. an die 
Mönche des Zinat wider J. Claude (f. Ye Grand III, 259f.) richtete. In der Abend: 
mablslebre war N., twie fein Nachfolger Doſitheus, ftrifter Anhänger der orthodoren Lehre 

co und aufs tieffte mit erregt durch Cyrillus Lucaris und die „calviniftifchen‘ Beftrebungen. 
F. Kattenbuſch 


Nektarius von Konſtantinopel, geſt. 27. September 397. — Tillemont, M£- 
moires etc. IX, X, XI, Benedig 1732; Fabricius-Harles, Bibliotheca graeca 1X, 309, 
Hamburg 1504; 8. Rauſchen, Jahrbücher der chriſtlichen Kirche unter dem Kaiſer Theodoſius, 

55 Sreiburg i. B. 18975 I. Kunze Das nicänijdy:konftantinopolitanifche Symbol, Leipzig 1898; 
K. Soll, Enthuſiasmus und Bußgewalt beim griechiſchen Möndtum, Leipzig 1898. 

Als während des Konzils von Konftantinopel im Jahre 381 Gregor von Nazian; 
auf den Biſchoftsſtuhl der Hauptitabt verzichtet batte (vgl. Bd II, 44,33 u. VII, 143,31 ff.), 
wäblten Die Synodalen, wie Die Synode von 382 (vgl. Bd II, 45, 10) jagt, di ti 


Nektarins von Konftantinopel 707 


olxovusvırjs ovv6öov (vgl. Bd XL, 24, 28) era xowijs Önovoias in’ Öyeor xal 
roõ deopıleorarov Baoılews Geodociov den Nektarius zum Bilchof von Konſtantinopel 
(Theodoret 5, 19, 15 == Mansi III, 585D). Die „allgemeine Zuftimmung“ wird 
man in Zimeifel ziehen müfjen, wenn zur Zeit der Mahl die ägyptiſchen Biſchöfe ſchon 
mit tagten (vgl. Bd II, 44,3). Denn diefe werden gedacht haben, wie ihre oeciden= 5 
talifchen Gefinnungsgenofjen, die noch im Jahre 381 (Bd II, 44, 51; Rauſchen ©. 109f.; 
Herbit 381) in dem Briefe „Sanetum“ (Ambr.ep. 13 — Mansi III, 631 D) die Recht⸗ 
mäßigfeit der Wahl bemängelten (vgl. Bd II, 44, ssf.). Wäre aus dem Briefe „Sanc- 
tum”, der Flavian v. Antiochien (vgl. Bd II, 44, 20f.) consensione et consilio 
Nectarii gewählt fein läßt, mit Sicherheit zu folgern, daß die Bejegung des Stuhles 
von Konftantinopel der von Antiochien vorausgegangen iſt (Rauſchen (©. 95, 9, Jo 
könnte man die Agypter noch als fehlend denten (Bd II, 44, 32); allein Gregor carmen 
de vita sua fpridt m. €. dagegen (vgl. Bd II, 44, 31ff.). Jedenfalls N das Edikt 


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0 


des Theodoſius vom 30. Juli 381 die Einjegung des Nektarius [aber wohl auch fchon 
das Ende der Synode] bereit? voraus (vgl. Bd II, 45, 2— 7). Die Genejis der Wahl 15 
ift ung dunkel. Nach Sokrates (5, 8, 12) war Nektarius — „ein Mann von jenatorijchem 
Geichlecht, angenehmen Weſens und durchaus der Bewunderung tert, obwohl er Prätor 
(alfo Laie) war” — der Kandidat des Volkes; und dag iſt glaublich, weil die Prätur 
in damaliger Zeit den, der fie mit obligater Liberalität verwaltete, populär machen mußte 
(ogl. Schiller, Kaiferzeit II, 40f.). Was Sozomenos (7, 8) ſich hat erzählen laſſen — 20 
Nektarius, ein Mann jenatorifchen Geſchlechts aus Tarjus, der damals in Konftantinopel 
weilte, habe, im Begriff, nach feiner Heimat aurüdzufehren, von Diodor von Tarjug ich 
Empfehlungen erbeten, fer in der Würde feines Alter (7 vgl. Gregor Naz. ep. 185, 
MSG 37, 304A) dem Diodor als geeigneter Kandidat erfchienen und von ihm dem 
Biſchof von Antiochien (Sozomenos denkt dabei wohl an Meletius! vgl. Märcellinus 25 
Comes ad annum 381 ed. Mommfen p. 61) empfohlen worden ; diejer habe dann, 
obwohl er die Kandidatur belachte, un Diodors willen den Nektarıus als legten auf 
die Liſte der Kandidaten geſetzt, die Theodoſius von den Bilchöfen einforderte, und 
Theodoſius habe Nektarius erwählt, obgleich diefer, wohl auch zu Diodors Überrafchung, 
ih als ungetauft erwies; Neltarius jet getauft und noch im Tauffleide xouvzj 30 
pw riijj ovvddov zum Bilchof gemacht —, das hat ſchon Tillemont (IX, 486 ff.) mit 
Ste t beziweifelt. Die Herkunft des Nektarius aus Tarſus braucht mit der Gefchichte nicht 
zu fallen. Bedenklicher ſchon ift das an fich nicht unmögliche, aber auch nur durd 
Sozomenos [und den von ihm ſchwerlich unabhängigen Marcellinus Comes] verbürgte 
und in die Situation jchlecht paſſende Neophytentum des Nektarius, die Vorausfegung 35 
der ſonſt anfprechenden Hypotheſe Kunzes (S. 32f.), nad) welcher das ſog. Nicaeno- 
Constantinopolitanum als Taufbelenntnis bezw. als das fein Taufbelenntnis wieder: 
bolende Synodalbetenntnis] des Neftarius in die Akten der Synode von 381 gefommen 
it (vgl. Bd XI, 28, 30). — Ein hervorragender Wann iſt Nektarius gewiß nicht getvefen. 
Daß er mit dem Nektarius identiſch ift, an den nnd an deſſen Gattin Baſilius gelegentlich 40 
des Todes ihres Sohnes einen Troftbrief richtete (ep.5 u. 6 MSG 32, 237 ff; vgl. 
ep. 290 p. 1027 }f.), it möglich (Tillemont IX, 486), aber nicht erweislich, ja Ivegen 
der Altersverbältnijfe der beiden kaum fehr wahrscheinlihd. Die Briefe, die Gregor von 
Nazianz an feinen Nachfolger richtete (epp. 88. 91. 151. 185. 202), laſſen troß aller 
Komplimente vermuten, daß Gregor von Nektarius nicht entzüdt tvar (Tillemont IX, 4 
488); andernfalld hätte fein carmen de vita sua aud) wohl die Einſetzung des Nek— 
tarius erwähnt. Was Sozomenos den Wektarius gelegentlih (7, 10, 2) über jein Vor: 
leben jagen läßt, it, wenn es zuverläflig ift, nur unrühmlich. Auch aus feinem Epiffopat 
it nichts Rühmliches zu melden: für die Verhandlungen mit den Parteihäuptern im 
Jahre 383 (vgl. Bd V, 600,7) läßt er ſich durch den Novatianerbifchof Agelius beraten 50 
(Soer. 5, 10, 7ff.); bei der ſynodalen Entjcheidung über das Bistum Boftra (29. Sept. 
394 in Konftantinopel, Mansi III, 851ff.; befjerer Tert bei Leunclavius, Jus graeco- 
romanum ed. Freher, Frankfurt 1596 ©. 247 ff.; zum Tagdatum vgl. Naufchen 
©. 420), um das Gabadius (Mansi: Bagadius) und Agapius fich ftritten, iſt er Xeiter, 
aber nicht spiritus rector; die in feine Amtszeit fallenden Xeichenreden am Hofe hielt 65 
für ıhn Gregor von Nyſſa (vgl. Bd VII, 150, 57 ff.); und daß er das „Bußprieſter“-Amt 
aufbob (Soer. 5, 19; Sozom. 7, 16), it, wie auch dies Amt verjtanden werden möge 
(ogl. Raufhen ©. 537 ff.; Hol ©. 216 ff.), auch nach dem Urteil des Sofrates ſchwerlich 
teife geivefen. Das Ehrenvollite, was ihm nacherzählt werden fann, fagt Tillemont 
(IX, 458), tft, daß die Arianer 388 fein Haus anitedten (Soer. 5, 13, 6; Waufchen co 
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NEBEN, rejpeftvoll erwähnt, wie ma on geachteten 
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— 2.007) Dagegen feblt jede Best: 
. erzus und Der entſcheidende Ausdru? 
. 2 md nad ibm Seller (griech. Em. 


Mllız ui ĩpätere 
‚pr: Marurın“. 
Mar. III, ? 


zone. Jahrhundert verweiſen, mei >: D:ucDonemtt: 


rag don der Vereinigung Des A0ros 


n I hr en. 


. Nele laſſen ſich als neuplatoniſche —— rucke, von 


Uender 2.25) und andererſeits aebrauc: 


rät, UND Die ganze Beweisfübrung: 
eblichen Natur, wie die Seele mit der. 


arm tus ebeno 
I TE NT 


2.2 07T Ren: 


>, Schrift ut cin beinerfenswerter Vernd 7 ortid. 
rnopologie zu ſchaffen, Daber Die biftortich-!77>2 2.7. erende 
Aung belleniſcher Geiſtesarbeit neben enuced zuticter 
sr Zweck. Moſes und Paulus erſcheinen aut 2.2202 Ebene 


der 12. ID, Die zoagal der Hebräer mt: 


2 — —RX 


ui guitere geben den Ausſchlag. Bei entſchiedenc: Yazzenz ü 
id Seelenwanderungslehre werden Anſtöße, mie He Ürgenes 
abgelehnt. Sonſt, bejonders in phyſiologiſchen ezzen. uber 
zei In Der Menſchwerdung Gottes liegt der Febr: Aeweis 


we und Die erbabene Beſtimmung des Menſchen. 


Ns ıT such Bir 


si anınaen Zchöpfung, HOTE nam era al UTErT, tr zAonr 
Se PDrenihen (cap. I S. SO8) > Wird begeiitert geprieſen; Die 


1 
u‘ 
% 
. 


yo kalt iſt entivertet, wie bet allen Spefulativen Theologen, x 3. 
NS brife iſt ein Beweis, wie ſtark und voll im 4. Aabrbundert 
. Alum ineinander floſſen. Zie wurde ſehr viel bemügt, offenbar 
Amen Gregors v. Nyſſa, mit Dem fie auch viel N 


derwandtes bit 


Wender 2.7 ff. .. Insbeſondere im MA. genoß Nemeſius unter 


my Anſeben, von Joh. Damascenus bis Albertus Magnus und 
d Me zur Humaniſtenzeit. Die oben angeführten lateiniſchen Über: 


Nr vw. [} 


die des Alfanus fiammt aus dem 11., Die des Burgundie von 


Nemefins Neostadiensiunm admonitio 709 


Piſa aus dem 12. Jahrhundert. Ihnen fchließen ſich an die Überfegungen der Humaniften 
Gono und Balla, ſowie eine altarmenifche und eine italienische von 1509. 
(Möller 7) R. Schmid. 


Neophyten. — Litteratur: Suicer, Thesaurus? II, 394 ff. 

Neophyten hießen in der alten Kirche feit mindeftens dem Anfang des ziveiten Jahr: 5 
bundert3 (ſchon 1 Tim 3,6) die neugetauften Chriften. Das Wort fommt im eigentlichen 
Sinn, in der Bedeutung „friſch gepflanzt”, in der LXX und fonft (vgl. Deißmann, Neue 
Bibelftudien ©. 47 f.) vor; in übertragener Bedeutung iſt es bis jegt nur als chriftlicher 
terminus technicus nachgetviefen. Übrigen? war es nicht immer, oder nicht überall im 
Gebrauch. In manchen Teilen des Orients, h B. in Sprien, fcheint veopwrioros ge: 10 
bräuchlicher gemwejen zu fein. Es wurde fpeziell auf die Täuflinge angewandt während 
der octo dies neophytorum, fo lange fie die weißen Taufgewänder trugen, fcheint aber 
auch allgemeiner die an Anciennität jüngften Mitglieder der Gemeinde bezeichnet zu haben; 
wo ein einmaliger jährlicher Tauftermin, um Oftern, üblid) war, werden wohl die Ehriften 
des legten Jahrgangs fo geheißen haben. Die Neophyten waren nicht im Beſitz der vollen 15 
firhlichen Rechte, vor allem mar ihr paffiveg Wahlrecht beichräntt. Die „apoftolifche 
Verordnung“ 1 Ti 3, 6, daß ein Neophyt nicht Bischof werden Tann, tft oft wiederholt 
worden, 3. B. Syriſche Didaskalia c. 4, can. apost. 79; in ec. 2 Nicäa 325 (er ift in 
das Corpus juris canoniei aufgenommen als c.1 dist. 48) wird das Verbot auf das 
Presbyterant ausgedehnt; und c. 10 Sardica 343 (im Corpus juris canoniei c. 10 20 
dist. 61) beitimmte gar, daß ein Biſchof alle Grade, Lektorat, Diakonat und Presbpterat 
durchlaufen haben müffe. Eine harte Borfchrift, wenn man ſich erinnert, daß man damals 
mit Vorliebe angefehene Perfönlichkeiten, die fih in hohen meltlichen Amtern oder fonftwie 
bewährt und ausgezeichnet hatten, zu Bischöfen wählte, vielfady ohne darauf Rüdficht zu 
nehmen, ob fie Stlerifer waren; und berühmte Beifpiele, wie das des Ambroſius (f. oben 25 
Bd I ©. 444) oder Synefius (j. den betreffenden Artikel), die noch nicht einmal getauft 
waren, ald man fie zu Bilchöfen wählte, zeigen, daß die Negel nicht überall galt oder 
dody Ausnahmen zuließ. Im Orient war man milder; Juſtinian beſtimmte, ein Laie folle 
wenigſtens drei Monate lang Kleriker fein, che er Bifchof würde (Nov. 123 c. 1). Über: 
haupt jcheint man, wenn man den Titel Neophyt gebrauchte, zunächit nicht daran gedacht 30 
zu baben, daß er die nicht vollbürtigen Glieder der Gemeinde bezeichne. Die zahlreichen 
Grabfchriften mit neophytus vder veop@toros zeigen, wie großen Wert man darauf 
legte, wenn der Verftorbene erſt kurz vor den Tode die Vergebung der Sünden in der 
Taufe erhalten hatte. Daher pflegten viele, die fich zur Gemeinde hielten, die Taufe big 
zum legten Krankenlager zu verjchieben, wie ſich ebenfall3 aus den Inſchriften ſchließen 3ö 
läßt (vgl. die Spnfchriften im Museum Lateranense Wand XI; und die Indices im 
Corpus inscriptionum latinarum V. IX. X. XII, Corpus inser. graec. IV, Inser. 


graecae Siciliae et Italiae s. v. neophytus u. a.). H. Achelis. 
Neostadiensium admonitio. — De libro Concordiae quem vocant, a quibusdam 


Theologis, nomine quorundam Ordinum Augustanae Confessionis edito, Admonitio Chri- 40 
stiana: scripta a Theologir et Ministris Ecclesiarum in ditione Illustrissimi Principis Jo- 
hannis Casimiri Palatini ad Rhenum ... Neustadii in Palatinatu 1581; 3. G. Struve, 
Ausführliher Bericht von der Pfälziſchen Kirchen:Hijtorie, Frankfurt 1721, ©. 301 ff. 359. 
371; A. Schweizer, Die prot. Gentraldogmen, Zürid) 1854, I, 491ff.; K. Sudhoff, Olevianus 
und Urfinus, Elberfeld 1857, ©. 432 ff.; H. Heppe, Geſchichte des deutfchen Proteftantismug, 45 
Bd 4, Warburg 1859, ©. 277 ff. 


Bon allen Gegenſchriften, melde die Konfordienformel bervorrief, iſt die Neosta- 
diensium admonitio die gründlichite: fie umfaßt 455 eng bedrudte Quartſeiten. Als 
nad) dem Tode Friedrich des Frommen unter Kurfürft Ludwig Stadt und Univerfität 
Heidelberg vorübergehend (1576---1583) zum Luthertum zurüdfebren mußte, fanden die so 
reformierten Theologen, an ihrer Spige Urſinus, in dem kleinen Gebiete des Pfalzgrafen 
Johann Gafimir, des geiftlihen Waffenträgers feines Vaters, zu Neuftadt a. d. Haardt 
eine Zuflubt und an dem neubegründeten Gymnasium illustre Casimirianum eine 
Wirkſamkeit. Sie empfanden die Pflicht ihrer gefchichtlichen Lage, die reformierte Theo: 
logie gegen das fich jett jtreng und einheitlich zufammenfaljende Luthertum zu behaupten. 55 
So jchrieb Urfinus in ihrem Namen feine Gegenfchrift wider die Konfordienformel. Einen 
Eindrud des Inhalts gewähren die Kapitelüberjchriften: 1. De persona Christi, verae 
doctrinae repetitio. 2. De coena Domini, verae doctrinae repetitio. 3, Dilutio 


710 Neostadiensium admonitio Nepos 


accusationis falsae nostrarum ecclesiarum de quibusdam falsis dogmatibus. 
4. De autoritate Confessionis Augustanae. 5. De vera sententia Confessionis 
'Augustanae. 6. De autoritate D. Lutheri. 7. De iniusta condemnatione no- 
strae doctrinae in libro Concordiae. 8. Monstratio falsarum assertionum in 
slibr. Conc. 9. Monstratio antilogiarum libri Conc. 10. De processu Theolo- 
gorum in Concordiae negotio, et de magistratus christiani officio in contro- 
versiis ecclesiastieis. 11. De incommodis exsequutionis huius Concordiae. 
12. Epilogus de vera christianae Concordiae in ecclesiis constituendae ra- 
tione, — Die Differenzlehren, um melde ſich alles dreht, find die Xehren von der Perfon 
10 Ehrifti, vom Abendmahl und allenfalls noch von der Prädeftination: die übrigen Stüde 
werden faum erwähnt. Bon Chriſti beiden Naturen beißt eg: unitas pariter et di- 
stinetas essentias, et essentiales proprietates, et operationes in aeternum re- 
tinent. Die unio personalis befteht nicht in reali transfusione proprietatum, sed 
in subsistentia et constitutione substantiae unius personae. Zur Abendmahlslehre 
15, wird nachdrücklich feftgeftellt, daß die reale Gemeinschaft mit Chrifto fich nur durch den 
Glauben vermittelt, tworauf fih dann die Yolgerung gründet, daß an eine Gegenwart 
des Leibes Chrifti, welche einen einfach mündlichen Genuß ermöglicht, nicht gedacht werben 
darf. Dem Prädeſtinationsartikel der Konfordienformel können die Neuftädter nur Un: 
Harheit und unrichtige Tarftellung der Gegenlebre vormwerfen. Aft doch in der That die 
20 reprobatio das einzige, was die Konkordienfornel im Vergleidd mit der Tonfequenten 
reformierten Orthodorie vermiffen läßt: und gerade auf diefen Punkt, fo gewiß “he ihn 
lehren, wollen die Neuftädter felbjt mindeſtens fein befondere® Gewicht legen. Höchft 
inftruftiv für die Stimmungen der deutſchen reformierten Theologen find die Rapitel üb 
die Autorität Luthers und namentlich der Augsburgifchen Konfeffion: bei allem ehrlichen 
35 Zufammenfchluß mit der deutfchen evangelifchen Art will man doch nit an den Bud 
itaben eines Partitularbefenntnifjes gebunden fein. So führt der Zwang der hiftorifchen 
Lage zu evangelifch-freien Urteilen über die Belenntnisautorität und zu klarer Betonung 
des quatenus. ine ähnliche, nur ausführlichere Ausſprache in diefer Richtung bietet 
das wenig früher zu Neuftadt erjchienene Buch des Cyriacus Herdejtanus (Pfeudonym: 
0 Ambroſius MWolfius): Hiftoria von der Augsb. Konfeffion u. f. w. 

Kurz nach der lateinifchen Ausgabe der Admonitio erſchien eine noch ausführlichere 
deutfche, mit welcher dann auch der lateinische Tert in Ursini opp. II, 486 ff. weſentlich 
übereinftinnmt. Mehrere Gegenfchriften, wie namentlih die zu Erfurt von Selneder, 
Chemnig und Tim. Kirchner aufgejegte Apologie des Rontordienkuche empfingen ihre Ant: 

35 wort: Examen recitationum D. Nic. Selnecceri 1582. Defensio Admonitionis 
Neustadianae contra Apologiae Erfurtensis sophismata . .. 1586. Überhaupt 
befand fih in den Kämpfen diefer Jahre das reformierte Hauptlager zu Neuſtadt: aud 
eine Anzahl von Schriften der anbaltifchen und bremifchen Theologen find damals dort 
gedrudt worden. E. F. Karl Müller. 


4 Nephilim ſ. d. U. Kanaaniter Bd IX ©. 737,3 ff. 
Nepomuk |. Johann v. Nepomuf Bd IX ©. 306. 


Nepos, ein ägyptiſcher Biſchof vor der Mitte des 3. Jahrhunderts. — Duelle: 
Eufeb. KG VII, 24. Val. Gennadius, De dogm. eccl. 55. — Litteratur: Tillemont, Mem. 
IV, 261 ff.; Wald, Kegerhijt. II, 152--167. Die Schrift J. ©. Schuparts, De chiliaamo 

45 Nepotis, Gießen 1724 (mir unbefannt), ward Anlaß zu einem Streit mit D. Beterfen. 

Von Nepos erfahren wir durch das 2. Buch des Dionyſius von Alerandrien zei 
enayyeiior, ein Werl, das gegen eine Schrift des Nepos ZAeyyos dAAnyopuoraw (zur 
Sache vgl. Iren. V,35, 1) gerichtet war. Was Dionyfius über dieſe Schrift berichtet, zeigt 
mehr, wie die Urigeniften die chiltajtifche Lehre beurteilten, al8 was deren wirklichen 

so Inhalt bildete. Sie erblidten in ihr eine Beifeitefegung des A. und N. T.s und eine Ber: 
führung der Cinfältigen, über die Wiederfunft Chrifti und die Totenauferftehbung nict 
Hohes, fondern Irdiſches zu Sinnen. Die Anhänger aber des Chiliagmus in Arfinoe 
unter der geiftigen Führung eines Diakons Korakion faben in dem Werk des Nepos den 
unwiderleglichen Beweis für ein zufünftiges Neich Chriſti auf Erden und für ein re 
55 liftifches Verſtändnis der Apokalypſe geliefert und das göttliche Zukunftsgeheimnis offen: 
bart. Der Chiliasmus ſoll nad) Dionyfius dort jogar zur Separation ganzer Gemeinden 
geführt haben. Nach Gennadius hat Nepos zwifchen der Auferſtehung der Gerechten und 


Nepos Nergal 711 


der der Gottloſen zeitlich unterſchieden; neben den auferſtandenen Gerechten werde es 
während des Millenniums eine noch unbekehrte Völkerwelt geben, die ſich nach demſelben 
wider jene erhebt, aber von Gott vernichtet wird. Dionyſius giebt dem Nepos das 
Zeugnis eines durch Glauben und chriſtlichen Eifer bewährten, ſchriftkundigen — alſo 
offenbar durch exegetiſche Schriften ausgezeichneten — Mannes, der ſich beſonders durch 5 
die Dichtung geiſtlicher Lieder verdient gemacht; er muß damals bereits einige Zeit ge— 
Itorben geweſen fein (yalumdias 7 u£xoı vüv nolMloi r@v ddeApiv ebdvuovvtaı). 
Es handelt ſich hier um einen Zufammenftoß der altirchlichen Eschatologie mit der durch 
Origenes zur Herrfchaft gelangten fpiritualifierenden Denkweiſe. Erinnert die Perſönlich— 
feit und Stellungnahme des Nepos in etwas an die des Methodius (ſ. d. A. ob. S. 25), fo iſt 10 
diefer letere doch fchon jelbft ftart von Origenes beeinflußt. — Die Nepotianer des Ful- 
gentius (Adv. Pint. Arian. 2, MSG 65, 709) find, falls wirklich eriftierend, ficher nur 
überhaupt Chiliaften, ohne Zuſammenhang mit Nepos. Bonwetſch. 


Nergal, babyloniſche Gottheit. — Litteratur: Alfred Jeremias, Monographie über 
Nergal in Roſchers Lexikon der Mythologie III, Sp. 250—271.— H. Zimmern in Schrader, 15 
Keilinfchriften und das Alte Teftament ?, S. 412 ff. 


Nergal war der Stadtgott von Kutba. Der Kult von Kutha hat mit dem von 
Babylon (Marduf, |. Art. Merodach Bd XII S.643) und Borfippa (Nebo, f. Art. ob. S.690) 
don der aſſyriſchen Zeit an eine politiiche Trias gebildet, deren Sinn und Bedeutung 
noch nicht feſtgeſtellt iſt. 20 

Der Name Nergal (2 Kg 17, 30: die Leute von Kutha machten den >37) wird 
in den aſſyriſchen Götterliſten als Ne-uru-gal „Herr der großen Wohnung (d. i. des 
Totenreiches)” gedeutet. Sein Tempel E-Sitlam, deſſen Baugelchichte wir bis in die ſog. 
erſte Drnaftie von Ur (ca. Mitte des 3. Jahrtauſends) verfolgen fünnen, ift noch nicht 
wieder entdedt worden. Die fonventionelle Annahme, daß der öjtlib von Babylon ge= 25 
legene Ruinenhügel Tel Ibrahim die Stadt Kutha birgt, entbehrt des Beweiſes. 

Nergal ift die Gottheit der verzehrenden Sonnenglut, dann Gott des Krieges und 
der Jagd, Gott der Seuchen (insbejondere der Fieber) und der Peſt, vor allen Gott des 
Totenreiched. Sein Tempel iſt das Abbild des Totenreiches, die Unterwelt heißt geradezu Kutha. 

Wie Nebos Wirkſamkeit im Merkur fich offenbart, jo offenbart ſich Nergal nad) der wo 
Lehre der babylonischen Aitrologen im Saturn, dem Unglüdsftern, dem im fiebenftufigen 
Tempel die fchwarze Stufe geweiht iſt. Später wechſelt Saturn mit Mare, der mit 
feinem voten Xichte ebenfalls, wie 3. B. die arabifche Anfchauung zeigt, Unglüdeplanet 
ft. Die mandäifchen PBlanetenliften bezeichnen Mars mit >72 und 2°3°2 (die letztere 
Leſung nur in der noch ungebrudten Handichrift Derae de Malache, Pariſer Hand: 35 
fchrift fol. 76a, ſ. bei Roſcher 1. c. Sp. 268). 

Als Gott der Glutfonne ericheint Nergal dem Babylonter in Löwengeftalt verförpert. 
Die Löwenkoloſſe in den Thorlaibungen beißen deshalb ur(nir?)-gallu und in der Be: 
jchreibung der aſſyriſchen Göttertypen (Zeitſchr. für Aſſyr. IX, 114 ff. veröffentlicht von 
C. Bezold) Scheint Nergal unter der folgenden Beichreibung, die zu den Löwenkoloſſen 40 
jtimmt, zu figurieren: „Horn eines Stiered; ein Haarbüfchel fällt auf feinen Rüden 
berab; Dienjchenantlig und Stärke eines ..., Flügel... . feine VBorderfüße und einen 
Löwenleib, der auf vier Füßen (ruht)“. Daß der Löwe den Nergal darftellt, ſtimmt zu 
feinem Charakter als Gott der Glutfonne. Der Löwe iſt in ganz Vorderafien Symbol 
der Sonnenglut. Den beißeiten Monaten Juli und Auguft gebört das Bild des Löwen, 45 
die Sonne befindet fih während der Hundstage im Zodiafusbilde des Löwen, dag felbit 
die Sonnenglut des Hochſommers darftellt. 

Die Belanntichaft mit Wergal ijt wie die der anderen babylonifchen Hauptgötter 
über den ganzen vorderen Orient verbreitet. In einem der Amarnabriefe (um 1150), 
der von dem König aus Alasdia (Cypern) ftanımt, beißt es: „Die Hand Nergals, feines cv 
Herrn, hat alle Leute des Yandes getötet” (Keilinſchriftl. Bibliothek V, Nr. 25). - - Der 
arabiiche Tert der Chronologie des Biruni (192) bezeugt den Gottesnamen Nirghal für 
Syrien. — Nah Zidon war wirklicher Nergal-Kultus (vgl. auch S. 691 u ff. im Artikel 
Nebo die allerdings ſpäten Zeugniſſe für Nebo:Verehrung in Phönizien) durch Asar- 
haddon gefommen und er bat ſich dort lange erhalten. Eine aus fpäter Zeit ſtammende 55 
Inschrift im Grabe einer Sidonterin erwähnt einen Oberprieſter (7722°) des Gottes 
Nergal (Freiberr von Yandau, Beiträge II, phöniziſche Inſchriften Wr. 177). 

Nergalim Alten Tejtament. — 2Kg 17, 30 bezeugt beim Bericht über das 
aſſyriſche Exil den babyloniſch-aſſyriſchen Nergal-Kultus. In einem Kommentar zum Pen: 


712 Rergal Reri 


tateuch beruft ſich Nachmonides (12. Jahrh.) auf uralte Bücher der Heiden (er meint 
nabatäiſche Schriften), nach weldyen die Kuthäer Sonnenfultus trieben (Babba Bathra 
91a vgl. Herrichenfohn Y22N 330 S. 222). Das ift richtig, denn Nergal ift, wie oben 
gezeigt tuurde, Sonnengott. Im Hinblid auf die israeliſchen Erulanten galt den fpäteren 
5 Juden das Yand der Kutim als rein (im Gegenfag zum SHeidenlande), vgl. Traftat 
Mikwot 6 (Serrfchenfohn a.a. 0. ©. 139). Andererjeit3 wurden die Samariter wegen 
ihrer Bermifchung mit den Heiden verächtlih Kutim genannt. — Die rabbinifchen An- 
gaben zu 2 Kg 17, 30 bringen willfürlih den Nergal von Kutha mit, dem Bilde des 
Hahnes in Verbindung (f. Burtorf, Lexikon s. v. =3%2), weil der Hahn >" heißt. 
10 HR 6, 4. 10 Scheint eine Spur der fiderifchen Beziehungen, die mit dem Namen 
Nergals verfnüpft find, vorzuliegen. Wir ftimmen der ermutung H. Windlers, Altor. 
orfch. I, 293 bei, wonach ftatt M1>372 vielmehr 273%: zu Iefen ift. „Wer ift, der da 
erborleuchtet gleich der Morgenröte, ſchön wie der Mond, lauter wie die Sonne, furchtbar 
wie die Nergale?” Gemeint find die „Zmillinge” des Tierfreifes, die dem Nergal ge 
15 weiht find. 

335,7 it unter 27% (opp. BAR) wohl eine Perſonifikation der Wüftenglut zu ver: 
jtehen. Auch hier verbirgt fich der Gedanke an Nergal. Eine babylonifche Götterlifte 
fagt, Lugalgira (d. i. Nergal) wurde im Amoriterlande (Mar-Ki d. i. Amurrü) Sarrabu 
genannt (ſ. Zimmern J. e. S. 415, der wohl mit Necht, wenn audy die Leſung Sarrapu 

v möglich ift, die Heranziehung des hebrätfchen 97% ef 6 ablehnt). . 

Der Name Nergals felbft findet fich noch in den altteftamentlichen Namen TERTS"37: 
Ser 39,3.13 — babyl. Nergal-Sar-usur, „Nergal ſchütze der König”, dem bei Berofus 
NneıyAloagos entipridht. 

H. Zimmern fagt 1. ec. ©. 415: „Es iſt fehr wahricheinlih, daß die Geftalt des 

25 babylonifchen Totenreich- und SFieberglut - Gottes Nergal in mehrfacher Hinſicht als 
das Vorbild des ſpätjüdiſchen, vom Chriftentum ohne weiteres übernommenen SHöllen: 
gottes zu gelten hat.” Aber mo redet das Chriftentum von einem Höllengott?! Mt 10,28 
bezieht ſich auf Gott ſelbſt; Mt 25, 41 bezieht fih auf das Endgeriht. Ferner fagt 
Zimmern 1. c.: „Speziell auch die Vorftellung vom Höllenfeuer könnte ſehr wohl darauf 

30 zurücdzuführen fein, daß Nergal, der Gott des Totenreiches, zugleich ald der Gott der 
glühenden Sonnenhite, der Ficberglut, alg ein tütender Feuergott gedacht wurde.“ 
Sicherlich gehört das Bild vom Feuer der orientalifchen Gedanfenwelt an, ebenjo mie 
1 Sa 18 der Schrecken vor dem Tode im Bilde vom altorientalifchen Totenfluß aus- 

edrüdt wird: „Die Bäche Belials ſchreckten mich.“ Aber der religiöfe Gedanke, der 

35 N im Neuen Teltamente mit dem Bilde vom Höllenfeuer verbindet, hat nichts mit Ba- 
bylon und Nergal zu thun. In demfelben Sinne müflen wir die Vermutung ablehnen, 
dag „zwiſchen gewiſſen chriftologifchen Vorftellungen und dem babylonifhen Nergalkult 
eine Verbindung befteht” (l.c. ©. 387. 414). Chriftliche Weltanfchauung iſt nicht ber: 
feinerte Mythologie. Alfred Jeremias. 


10 Neri, Philipp, geſt. 1595, und die Oratorianer. 1. Neri und das italie— 
niſche Oratorium. Anton. Gallonius, Vita Ph. Nerii (ital.) Rom 1600; auch lat. Mainz 
1602 und deutſch durch Aegid. Albertinus München 1611, zuſammen mit der wenig jüngeren 
Vita von Girol. Barnabei in ASB t. VI Maii, 460ff. — Spätere Neri-Biographien von * A. 
Bacci (Rom 1622, 1645, 1703; deutſch durch Reiching, Regensburg 1869), von A. du Sauſſay 

4 (Epitome vitae Nerii, Tulle 1664), von Pösl (deutich, Regensburg 1847; 2.4. 1857), von 
P. Guerin (Vie de St. Ph. N., Lyon 1852), von Kardinal Capecelatro (8. Filippo Neri, 
2 voll., Mailand 1884; deutfc) durch Zager, Freiburg 1886 ; engl. durch Th. A. Pope, 2 vols., 
London 1894). Vgl. die Fleineren, mehr oder weniger nur für Erbauungsziwede gejchriebenen 
Lebensbilder von Kard. Wifeman (Panegyrice of St. Ph. N., London 1856), Zampini 

50 (S. F. N., discorso, Turin 1884), Stomtejje d’Ejtienne d'Orves (Saint Ph. de N., Paris 1900, 
zu der Sammlung Les Saints gehörig), Augujte Zreiin v. Pechmann (D. hl. Ph. N., Freibg. 
1901), F. Bazet (Vie etc., Albi 1902) etc. 

Ueber Neris Uratorium: Joa. Marciano, Memorie istoriche della Congreg. dell’Ora- 
torio, 5 voll., Neapel 1693—1703 (Säkularſchrift, dag erite Sahrhundert oratorianifcher Ge: 

55 ſchichte darſtellend). Billarofa, Serittori Fillipini, 2 voll., ebd. 1837—42 (Litteraturgefchichte 
der Kongregation). Jourdain de la Pafjardiere, L’oratoire de St. Ph. de N., Paris 1880. 
Adalbert Ebner, Propjt Seidenbuſch und die Einfiiärung der Kongr. des h. Ph. N. in Bayern 
und Deiterreih, Köln 1891. — Bal. die AM. „Ph. N.” von Hilger S. J. in KARL IX md 
von Littledale in d. Encyl. Britannica; auch E. Sothein, J. v. Loyola u. die Gegenreformation 

so (Halle 1895), S. 198— 207. 

2. Berulle und das franzöfifhe Uratorium. Franzöf. Biographien Berulles 


714 Neri 


trat bei dieſer Genoſſenſchaft Die Pflege der Pilger in den Vordergrund. Im Jubel— 
jahre 1600 wurden im Hofpiz der Brüderjchaft 270 000 Pilger meift je einige Tage be: 
berbergt, im Jahre 1650 ihrer 334000, im Sabre 1720 an 382000, dann nabm die 
Zahl der Pilger ab, bei dem Jubiläum von 1825 war es der Beherbergten wieder 

5273000. Die angefebeniten Damen und Männer Roms, Päpſte und Laien, verbanden 
bier die Wunden der Pilger und pflegten fie. Noch in neueren Zeiten wurden anglı: 
fanifche hohe Offiziere und Staatemänner in die Brubderfchaft aufgenommen, was mancen 
eine Brüde zur Konvertierung wurde. 

Wir verweilen nicht bei dem, mas Filippo mit anderen „Heiligen“ gemein bat, 3.8. 

1» den in Kirchen oder Katakomben durchbeteten Nächten. Er verfammelte Alte und Junge, 
Prieſter und Yaien zu allabendlichen Andachtsübungen und Betrachtungen, welche fett 
1556 eine charafteriftiiche Geftalt annabmen. Abends verfammelte man fich in einem 
Betfale (Uratortum). Gebete, Vorleſen aus der hl. Schrift, aus Kirchenvätern, Märtyrer: 
geichichten, Geſänge, welche von dem gregorianifchen Geſang volkstümlich abwichen, eine 

15 Art von Natechifationen wwechjelten miteinander ab. Kein Vortrag durfte eine balbe 
Stunde überfteigen ; alles NRhetorifche, alle Spisfindigfeit war entfernt. Der familiäre 
Ton war der Grundton. Aus den apologetiichen Vorträgen über Kirchengefchichte, welche 
Gäfar Baronius bier zu balten beauftragt wurde, entitand deſſen großes Werk, die Ann. 
ecclesiastiei (j. d. A. Baronius, Bd II, S. 115). Aus dem Schade der Kirchenmufif 

2» wurde das anfprechendite herausgenommen, um jene Andadıten zu heben. So entitanden 
die „Oratorien“. Noch jetzt werden von den Mitgliedern der danach fo benannten 
Kongregation bei Chiesa nova oder St. Maria in Vallincela in Rom, vom Aller: 
heiligenfonntag (1. November) bis Palmſonntag abends, ſolche heitere kirchliche Muſikſtücke 
mit Inſtrumentalbegleitung aufgeführt und zwar über bibliihe Gegenftände, z. B. die 

25 Schöpfung, den Auszug aus Ägypten, Tod Mofis, über David, Efther, Daniel in der 
xöwengrube, Tod der Makkabäer bis Chriltus am Ulberg. Ein Knabe fpricht dazwiſchen 
ein kurzes Gebet, einer der Brüder hält jtet eine kurze Ansprache. (Näheres bierüber 
bietet Irz. W. Böhme, Gef. des Oratoriums ꝛc. (2. Aufl., Gütersloh 1887) ©. 18 ff. 

In allem galt ein freundliches Coge intrare; es wurde nichts genommen, obne 

3 daß etwas Geläutertes dafür gegeben worden wäre, immer heitere Nordergründe mit 
ernſtem Hintergrunde und tbätiger Ausübung der Nächftenliebe. Die Woche ein paarmal 
309g Wbilipp - - il buon Pippo, wie ihn das Volk damals nannte, il Santo jchledt- 
weg oder il apostolo di Roma nad jpäterer Bezeichnung — mit feinen fämtlichen 
Andachtsgenoſſen in die verwabrlofteiten Hofpitäler, um die Kranken zu reinigen und zu 

35 pflegen. Im Bruderbaufe verrichteten alle Brüder ohne Ausnabme der Reibe nad alle 
für dasfelbe nötigen Dienfte. Noch zeigt man im Kamin die Inſchrift von der Hand 
des großen Kirchengefchichtfchreiberg : Caes. Baronius, cocus perpetuus. Dafür reinigte 
und ordnete ibın, während er in den Archiven forjchte, beimlih Philipp mit Hilfe eines 
Nachichlüffels das Zimmer, bis Baronius, unverjebens beimfehrend, den brüderlichen 

40 Scherz wahrnahm. 

Filippo war überzeugt, ein fröhliches Gemüt fei viel eber für die chriftliche Tugend 
zu gewinnen, ala ein melancholifches, dem auch dieſe bald entleive. Er behauptete, die 
Seelenkrankheit der Strupulanten laſſe zwar manchmal einen Stillitand boffen, aber 
wahre Heilung könne mur gründlide Demut bringen. Während man ihm die Gabe zu: 

45 ſchrieb, Beſeſſene zu beilen, fagte er, man dürfe nicht leicht an Beſeſſenheit glauben, oft 
fomme es nur von Melancholie, von Kopffchtwäche u. dgl. ber; nach Umſtänden jeien 
(Heduld oder Schläge das befte Mittel dagegen. Einem Schiwermütigen gab cr wohl' 
einen Badenftreih -- er fagte, man müſſe den Satan im Menſchen jchlagen — over 
fagte er lachend: „fer fröhlich”, oder „es iſt nichts!“ Die meiften ihm zugefchriebenen 

so Wunderbeilungen vollbradte er mit Dem Worte: gebe nur fröhlich bin und zweifle nicht! 
Auch Bekümmerte an entfernten Orten glaubten ibn mit diefen Worten vor fich zu feben 
und zu bören. — Sah er jemanden über fern Verbrechen niedergedrüdt, jo rief er friſch: 
O, bätte ich nichts Schlimmeres getban! Gr wußte die Yeute aber auf die Probe zu 
jtellen, ob fie felbjt unter Schmäbungen, unter ungerechten Nachreden heiter blicben, mie 

55 er denn auch jelbjt einen großen beiteren Gleichmut und guten Humor in folchen Fällen 
bewies. So ſcherzte er oft luftig Darüber, als er mit den Seinigen ſelbſt beim Wolke 
mehrere Jabre lang Start im Geruche der - - Schwelgeret Stand. Dazu gaben die oft 
tagelangen Umzüge VBeranlaffung, welde er, ſpäter zumal in der Faltnachtzeit, mit No: 
vizen anderer Orden, ınit Yaten durch die Vignen nad den fieben Kirchen Roms oder 

vonach Kapellen um Nom, etwa bis Zt. Paolo machte Die Billa Mattei, von welcher 


Neri 715 


aus ein herrlicher Blick auf die Kampagne mit ihren antiken Waſſerleitungen und dem 
Albaner Gebirge als Hintergrund ſich eröffnet, war ein Lieblingsziel. Man ſang Hymnen, 
hielt andante kurze Betrachtungen, ſpeiſte und trank im Freien ein Glas Wein. Philipp 
arrangierte Partien Bocceſpiel (das Kugelwurfſpiel); mar es im Gange, fo Stahl er ſich 
bei jeite, betete in der bl. Schrift und hatte oft Verzüdungen. 6 

Den Heiligen, welche die Kirchliche Neftauration mit ſauertöpfiſchem Eifer anfaßten, 
mußte dies großes Argernis und bittere Galle erregen. Philippus wurde beim Kardinal: 
vifar von Rom, meldyer die Stelle des Papftes in Tirchenpolizeilichen Dingen vertritt, 
hart angellagt, er habe den Seinigen zum Tanze gepfiffen; um eitler Ehre willen und 
weil er nach hohen kirchlichen Würden trachte, halte er diefe Zuſammenkünfte ꝛc. Er 10 
trug es geduldig, daß er von Beichtftuhl und Kanzel fuspendiert wurde. Die Anklage, 
er wolle damit eine Sefte ftiften, kam bis vor den Papſt; feine Rechtfertigung ſoll durch 
den feltfam plößlichen Tod des Kardinalvikars befchleunigt worden fein. Die Anklagen 
fehrten auch fpäter noch einigemal wieder; es iſt aber, als hätte Filippo ſich abfichtlich 
je länger je mehr auf feine heitere, humoriftiiche Meife der Frömmigkeit gelegt. Nach 15 
dem Zeugniffe Theiners Furfierten im Echoße des Oratoriums noch neuerdings zahlreiche 
beitere Züge aus dem Leben und Verhalten des genialen Stifter. Er ſoll zur Ehmmere- 
zeit im Pelze ausgegangen fein oder andere fo ausgeſchickt haben, felbit in die Kirche; 
oder er jet wiſſentlich einfeitig rafiert Auenenannen, Sabe zumeilen öffentlich getanzt u. f. f. 
Geine Biographien fchreiben dieſes und vieles ähnliche feiner Demut zu, er habe alles 20 
Dienfchenlob von fich werfen und es dahin bringen wollen, daß man ihn „für einen 
alten Narren” halte. Allein wahrſcheinlicher ift, Daß er durch folchen Humor die fauer: 
töpfifche, phariſäiſche Scheinheiligfeit, welche in Rom mit der gewaltigen Reftauration 
feit 1560 fiegte, geißeln und die Seinigen davon reinfegen wollte. Darüber, daß mit 
feiner humoriftifchen Laune doch ein ftrenger asketiſcher Ernft gepaart war, teilt Bifchof 25 
Palafor von Osma (in einer Anmertung zu Ep. 26 der Briefe der hl. Therefia) die 
intereflante Anekdote mit: er habe einft einen 12 jährigen Knaben vor allzu vertraulichen 
Scherzen und Spielen mit feiner eigenen Schweſter gewarnt, und zivar Dies, indem er 
auf des Knaben Einwurf „Sie fer ja doch feine Schwefter” entgegnete: „Nimm dich in 
adıt, mein Kind; der Teufel it ein großer Logiker, der dir diefen Sab umftoßen und so 
dir jagen wird: obgleich deine Schweiter ſei fie doch dein Weib!” — Es erſcheint be- 
deutfam, dag Neri und der fürchterlich ftrenge Papſt Sirt V. (1585— 1590) Zeitgenofjen 
waren; auch diefer hat zum Teil durch feinen unverwüftlichen Humor fih dem Andenken 
ber römischen Volkes tief eingeprägt, gleichwie unfer Neri zu deſſen Lieblingsbeiligen 
gehört. 35 

MWiederholten Anträgen von päpftlicher Seite, ihm den Kardinalshut zu erteilen, 
mußte er fich auf humoriftifche Weiſe zu entziehen. Als ihm ein fchlichtes Mitglied 
feiner Bruderfchaft zufprach, er folle Doch um des Vorteils diefer willen den roten Hut 
annehmen, antwortete er: Aber das Paradies, das Paradies! — Verzeihet, Pater, fagte 
der Bruder, daran habe ich nicht gedaht! — Einem PBapfte küßte er die Füße, fchrieb 40 
7— ne ipäter: Erinnern Sie fc, daß es ich für einen Papft ſchickt, fein Verfprechen 
zu balten. — 

Theiner teilt aus den Schägen feine archivalifhen Wiſſens mit: umfonjt habe 
König Heinrich IV. von Frankreich 1593 ſich wieder zur katholiſchen Kirche befannt und 
der ranzöfiiche Epiffopat ſich umſonſt beim Papft verwendet, daß er den König von der #5 
Exkommunikation entbinde ; die Gefahr eines Abfall der franzöfifchen Kirche habe infolge 
hiervon gedroht. Da habe Neri dein Baronius befohlen, fo lange dem Papfte die Abjolution 
nach der Beichte zu verweigern, bis er verfpreche, fie Heinrich zu erteilen; zitternd habe 
Baronius gehorcht, Clemens VIII. aber bald darauf dem Könige die begehrte Abfolution 
geipendet, worauf diefer dem Oratorium in Rom zum Dante koſtbare Meßgeräte und co 
Gewänder geſchenkt habe. 

Die Bruderſchaft des Oratoriums erhielt 1575, und dann nochmals 1612, die 
äpſtliche Beſtätigung für ihre Ordnungen, welche völlige Gleichheit aller Glieder feſt— 
etzen; auch der Superior muß der Reihe nach zu Tiſch dienen. Alles geht durch 
Stimmenmehrheit. Erſt mit dem vierten Jahre nach der Aufnahme erhält man be—⸗ bö 
ratende, mit dem zehnten entjcheidende Stimme. Die Brüder haben eine gejeßgebende 
und richterliche Geivalt auch über den Superior. Die Mitglieder, lauter Weltgeiftliche, 
nicht Mönche, zahlen monatliche Beiträge zur Hausbaltung ; nur die nadte Wohnung 
haben fie frei. Man verzichtet nicht auf perfünliches Eigentum und kann jederzeit aus: 
treten und all das Zeinige mitnehmen; dena man ift durch feinerlei Gelübde gebunden. sa 


716 Neri 


Doc enthält die Institutio Congregationis Clericor. secul. de Oratorio (bei Holft.: 
Brodie, Cod. Regull. VI, 214 -263) in digziplinarischer und liturgiſcher Hinficht mande 
recht harte Vorſchriften (u. a. tägliche längere Gebetslitancien der Prieſter vor einem 
Marienaltar, ſowie wöchentlich dreimal Mont., Mittm., Freit.) Geißeldisziplinen „ob 
ö memoriam flagellorum, quibus innocens pro nobis Deus Dominus caesus fuit 
(f. das Nähere bei Zödler, Krit. Geſch. der Askeſe, S. 60f.). — Die casus conseientiae 
und dubia, welche noch vor Tiſch vorgetragen und aus Tirchlichen Autoritäten gelöft 
werden, Sind befonders auf Beichtväter berechnet. Neri wollte nicht, Daß Die Seinigen 
vielerlei Thätigfeiten trieben; nur Gebet, Saframentsipendung, Verkündigung des Wortes 
tw Gottes, aber dies gründlich und nachhaltig, follten fie üben. Damit fie nicht zerftreut 
würden, ließ er fie nicht gerne in Urlaub, felten zur Gründung eines Bruderbaufes 
in anderen Städten. Neugegründeten Häuptern ließ er mehr oder weniger ihre Sonder: 
ftelung unter ihrem jeweiligen Bilchof, jo daß die italienischen Uratorien feinen 
General, feine Abgeorpnetenverfammlungen, überhaupt keinerlei Gentralifation kannten, 
15 noch Tennen. 

Zum Mutterhaufe der Kongregation in feiner jegigen Geitalt, der prächtigen im 
Gentrum der Stadt Nom belegenen Kirche S. Maria in Vallincella, wurde 1576 der 
Grund gelegt; doch bezog Filippo felbft das mit diefer „neuen Kirche” (Chiesa nuova) 
verbundene Wohnhaus erſt 1583. Drei Jahre fpäter gründete Tarucci die Oratorien 

2 zu Neapel und Mailand, tvelches letztere bald wieder einging; um diefelbe Zeit ent- 
ftanden die Häufer von San Severino, Fermo, Walermo. Gin 1595 erlaſſenes Defret 
des römischen Mutterhaufes lehnte es zwar ab, dieje oder jonjtige neugegründete Oratorien 
in centralifierender Weile von Rom aus zu verwalten; doch wurden Ausnahmen bierbon 
gemacht. So gleich drei Jahre nah Erlaß jenes Defrets, wo man das neu entitandene 

25 fehr reihe Haus von Lanciano in den Abruzzen mit feinen beträchtlichen Gütern dem 
römischen Oratorium einverleibte. 

Drei Jahre zuvor, am 26. Mat 1595, war Neri, gegen 80 Sabre alt, aus dem 
irdiſchen Leben gejchieden. Seine Haupttbätigfeit blieb bis zu feinem Ende die Seelforge 
und der Beichtſtuhl. Das Superiorat über den Orden trat er einige Jahre vor feinem 

3 Tode an Baronius ab, der dasfelbe bis zu feiner Erhebung zur Kardinalswürde befleibete. 
Zahlreihe erbaulie Züge erden aus Neris paftoralem Wirken erzählt, desgleichen 
merkwürdige Proben eines berzdurchdringenden propbetifchen Tiefblids, kraft deſſen er 
manchen Sündern, ſchon bevor fie Beichte abzulegen begonnen, ihre DBergebungen 
aufs genaueſte fagte, bei andern die Art ihrer Cünde durch den Geruch erfannte u. \. f. 

35 Dabei benahmen weder feine gewaltigen Erfolge auf diefem Gebiete, noch die vielen 
wunderfamen Gelichte und Verzüdungen, womit er begnadigt war, ihm jeine Demut und 
faſt findliche Einfalt. 

Er, der im Gebete oft ſtundenlang verzüdt war, bat junge Anfänger um ihre Für: 
bitte und war ftets bereit, aus foldhem Gebete fofort fröhlihb zur thätlihen Hand- 

40 reichung überzugeben. fters foll er vor den Mugen anderer im Gebet leiblich mehrere 
Fuß ber dem Boden ſchwebend gehalten worden fein; fo in einer Krankheit ein Jahr 
vor jenen Tode, als er zugleich eine Viſion von Maria batte, welcher er zurief: Sch 
bin nicht würdig; o meine beiligfte, ſchönſte, füßefte, gebenedeite Krau, wer bin ich denn, 
daß du zu mir kommſt?“ Ein Bild in der Kirche S. Maria in Ballincella ftellt den Heiligen 

15 während einer folchen Bebetselevation jchivebend dar. — Im übrigen finden wir felten, daf 
er fih in feinen Gebeten an Maria wandte. Als er 1595 öfters ſtarke Blutjtürze batte 
und zum letzten Mal das bl. Abendmahl empfing, rief er: „Herr, ich bin nicht würdig; 
niemals war ich würdig ; ich babe nichts Gutes gethan. Wer etwas anderes ſucht, als Chriftum, 
der weiß wahrlich nicht, was er ſucht“. — Gefichte und Wunder follen unmittelbar nad 

so des Heiligen Tode erfolgt fein. Wie feinen (und anderer) Tod foll er mitunter aud 
feine Heiligſprechung, die Schon 1622 auf Betrieb Ludwigs XIII. von Frankreich erfolgte, 
bumeriftifch vorausgejagt baben. Seine Yandeleute, die Florentiner, hatten ibm ihre 
1564 in Nom zu Ehren Sobannis des Taufers erbaute Kirche übergeben. Auf die 
Frage, warum er feine Vaterſtadt nicht auch einmal wieder bejuche, antivortete er: im 

55 Florenz werde ich aufgebängt werden. Als infolge feiner Heiligfprechung eine Fahne mit 
feinem Bilde in der florentiner Kirche dies twiederfubr, erfannten feine Jünger den Sinn 
feiner Morte (vol. Gothein S. 206f.). — Bildliche Darftellungen find ihm mehrfach aud 
von berübmten Malern zu teil geworden, u. a. durd Guido Rent in der Kapelle 
©. Filippo Neri (Detzel, Ikonogr. II, 585). 

A Mehrere namhafte theologiſche Schriftiteller find aus der Kongregation der italie: 


718 Neri Nero 


Übrigens zählte das franzöfifche Oratorium im Jahre 1760 in Frankreich 58, in den 
Niederlanden 11, in der Grafſchaft Venaiſſin (päpftlichese Gebiet in der Provence) 2, 
in Savoyen 1, im Lüttich 1, im ganzen 73 (reip. 75) Häufer mit Weltprieftern, teils 
Seminare, teild Kollegien (ſ. über diefe Verbältniffe bei. Lallemand a. a. D.). 

6 Die Erbitterung und das Gefühl der Unmacht, wieder den Stachel Der vereinten 
Papſt- und abjoluten Königsmacht zu löden, ließ die „Pbilofophie” des vorigen Sem 
bunderts in die Kongregation fich tief einjenfen. So fchloß fie fih teilweiſe Den befieren 
Anfängen der Revolution an; die der Givilordnung der Kirchenfachen günftigen Geift: 
lichen bejchiworen die Givilverfaflung für Frankreich in der Kirche des Sratoriums (der 

10 jeigen reformierten Kirche, in der Nähe des Louvre), bei deren Aufbau Berulle als 
Handlanger gearbeitet hatte). — Während der eriten Hälfte des 19. Jahrhunderts ver: 
barrte die Kongregation im Zuftande der Auflöfung, bat fich jedoch feit dem Beginn ber 
fünfziger Jahre unter Führung des frommen P. Petstot, Pfarrers zu St.-Roch (geft. 
1887), wieder aufgethan, auch bereits Schritte in der Richtung auf Wiederberftellung 

15 ihres alten Gelehrtenruhms getban ; wie denn Gratry, H. de Valroger und einige andere 
auf apologetifchem Gebiete verdiente Schriftiteller zu diefen Uratorianern der Gegenwart 
gebören. Bon Englands Uratorianern, in deren Verband befonders zahlreiche Puſeyiten, 
dem Vortritt Newmans folgend, eintraten, war oben bereits bie Sede. Schon 1850 
befand ſich bier je ein Bruderbaus in Liverpool, Birmingham, London. In England 

20 dürfte dieſe Kongregation wegen entſprechender Elemente in den nationalen Traditionen 
mehr Ausficht auf Verbreitung haben, als die meilten anderen römifchen Körperjchaften. 
Cie hat bier zur Beförderung der römijch-katholifchen Propaganda bereit? manchen wirt: 
famen Beitrag geliefert — auf litterarifchem Gebiete u. a. durch fleißige PBublilation von 
Dokumenten zur Märtyrergeichichte des britifchen Katbolicismus unter den QTubors, wo: 

26 von das Londoner Dratorium bereits mebrere Bände (unter dem Titel Records of the 
English Catholics under the penal laws) herausgegeben bat (vgl. Heimbucer 
S. 347). (Rendlin +) BZödler. 


Nero. — LKitteratur: Schiller, Gefchichte des römiſchen Kaiferreich® unter ber Re: 
gierung des Nero, 1872. Vgl. Comment. philol. in honorem Th. Mommsenii 1877, p. Al 6qq.: 
30 Renan, L’Ant£christ, 1873, 4. Band der mit der Vie de Jesus beginnenden Origines du 
Christianisme; Niſſen in Sybel3 hiftoriiher Zeitſchrift 1874, ©. 337 ff.; Holtzmann, Nero 
und die Chrijten, in der gen. Zeitichr. 1874, ©. 1ff.; Aubé , Comptes rend. de ‚l’Academie 
des Inscriptions 1866, p. 194 sqq. und in der Histoire des persecutions de l’Eglise 1875, 
p. 421; Hausrath, Neutejtamentliche geitgefehichte III®, 1875; Langen, Gejhidhte der römi: 
36 ſchen Kirdye bis zum Pontifikate Leos I., 1881; Hilgenfeld, Nero der Antichriſt, Zeitſchrift 
für wiilenfchaftlihe Theologie 1869, S. 421 ff.; Hildebrand, Das römiihe Antichriſtentum, 
ebenda 1874, ©. 94 ff.; Hilgenfeld, Die neronifhe Ehriftenverjolgung, Zeitſchrift für wiſſen— 
iyaftliche Theologie 1890, ©. 223 ff.; E. Zeller, Das odium generis humani der Ghrijten, 
Zeitſchrift j. willenfchaftl. Theologie 1891, S. 357 ff.; C. %. Arnold, Die neroniſche Chriſten⸗ 
40 verfolgung 1888. 

Nero, römischer Kaifer, regierte 54— 68. n. Chr., an defjen Namen ſich die erfte große 
Ghriftenverfolgung fnüpft, welche die Gefchichte fennt. Dieje den meltbewegenden Kampf 
zwwifchen dem antifen Staat und dem neuen Glauben einleitende Verfolgung — zugleich 
die einzige Thatſache der Negierungsgefchichte Neros, welche für die Gefchichte der chrift: 

45 lichen Kirche unmittelbar in Betracht kommt, — fällt in die ſchlimmſte Epoche des Lebens 
Neros und fteht in unmittelbaren Zuſammenhange mit der fchredlichen Kataſtrophe, welche 
den Ghriften der Zeit wie „eines der Gerichte Gottes über die große Babel” erfchien 
(Apk 18, 19— 20): mit dem Brande Noms, der in der Naht vom 18. auf den 19. Zuli 64 
am Züdabbang des Palatin entjtand, 6 Tage und 6 Nächte hindurch wütete und — 

so nachträglich auch in den nördlichen Stadtteilen unvermutet nochmals losbrechend — in 
drei weiteren Tagen zehn von den vierzehn Regionen Noms mehr oder minder vollftändig 
einäfcherte. Inwieweit cs begründet war, wenn die Volksſtimme den Kaifer felbft als 
Urheber des Brandes bezeichnete und die Schriftiteller der flawifch-trajanischen Zeit dieſe 
Anklage mwiederbolten, läßt ſich mit völliger Evidenz nicht mehr erkennen; wie denn felbit 

55 Tacitus — mit den Worten: „sequitur clades forte an dolo principis incertum“ 
(Annal. 15, 38) — auf ein entjcheidendes Votum in der Frage verzichtet bat. Doc 
Sprechen gegenüber der apologetifchen jede Schuld ableugnenden Daritellung des neueiten 
deutichen Biographen Neros die von Nenan, Niſſen, Holgmann und anderen geltend ge 
machten Gründe entfchieden dafür, daß die Bau: und Verfehönerungspolitit des Katfers 

co in frevleriſchem Yeichtfinn die Kataſtrophe abfichtlich herbeigeführt hat, wenn auch vielleicht 


Nero 119 


der Brand größere Dimenfionen annahm, als man urfprünglich beabfichtigt haben mochte. 
Thatſache iſt nad) dem Berichte des Tacitus 15,44, daß die auf fo draftifche Meife erfolgte 
Erfüllung des Herzenswunſches Neros, der ſich in feiner Außerung über die Vollendung 
der domus aurea: „se quasi hominem tandem habilare coepisse" (Sueton Wero 31) 
fundgiebt, mit dem Blute der Chriſten Roms bezahlt ward, und daß die äußere Ber: 6 
anlaffung dieſes Martyriums der römischen Gemeinde feine andere war, als das Beltreben 
Neros, den Verdacht der Branditiftung und die Volkswut von ſich auf andere abzuleiten, 
nachdem ſich alle fonftigen Beichwichtigungsmittel, wie Spenden, Prozeſſionen, Kultusakte 
und anderes der Art unzureichend eriviefen, die Grbitterung der Menge zu befänftigen 
und das Gerücht zu eritiden. 10 
Aus melden Gründen nun aber gerade die Ehriften zum Opfer auserforen wurden, 
darüber laſſen fih nur mehr oder minder mwahrfcheinliche Vermutungen ausfprechen. Ab: 
zulehnen als völlig unerwiefen find jedenfalls die Motive, welche franzöfiiche Schriftiteller, 
jo bejonders Aube, aus Neros Privatleben herangezogen haben, indem fie dem befannten 
judenfreundlichen Einfluß der Kaiferin Poppäa und ihrer Eiferfucht gegen Alte, Neros 15 
Freigelaſſene und Geliebte, für deren angeblidhes Chrijtentum nur ein ſehr ungenügendeg 
Zeugnis vorliegt (Johannes Chryfoftomos Homil. 46 ad Act. Apost.) eine romanbafte 
Bedeutung für die Zees beilegen; eine Vermutung, der ſich übrigens auch Hausrath nicht 
zu entziehen vermochte, indem er derſelben wenigſtens ſo viel einräumt, daß „es vielleicht 
jener judenfreundliche Hofſtaat geweſen, der auf die Chriſten deutete”. Recht künſtlich iſt 20 
auch die Motivierung Renans, der in dem oben aufgeführten Werke (S. 153) von einer 
„infernalifchen dee” Spricht, welche dem Kaiſer gefommen, „die Verächter der Heilig: 
tümer für den Untergang derfelben verantwortlich zu machen”. Danach wäre der religiöfe 
Gefichtspunft das Ausschlaggebende geweſen. Die Chriften feien als pafjendes Piaculum 
erjchienen, ihre Hinrichtung fei zu einer öffentlichen Verſöhnungsfeier geworden. Dem 26 
entipreche auch die Strafe, da nad) dem Juriſten Paullus: sent. V, 29. 1, wie auf dem 
Majeftätsverbrechen, jo auch gerade auf dem sacrilegium bei Leuten niederen Standes 
(humiliores) der Tod durd Feuer oder Beltien ftand. Gegen diefe Auffaſſung ſpricht 
aber ſchon das Verfahren gegen die Beklagten, welches nach allem, was wir darüber 
willen, ein rein polizeiliche war. Wenn auch zuzugeben iſt, daß die Angaben, wonach 30 
der Präfelt der Prätorianer Tigellinus die Unterfuhung führte und das Urteil fällte 
Schol. Juvenal I, 155), feine abfolute Zuverläffigfeit befist, jo ift doch andererſeits Ge: 
wicht darauf zu legen, daß von einem bejonderen Gerichtshof nirgends die Nede ift, 
während die Kompetenz des Senates für die auf religiöjen Motiven beruhenden Anklagen 
außer Zweifel Steht. Vgl. Schiller a. a. O. ©.433. Daß übrigens im erften Jahrhundert 36 
das Belenntnis zu Chriſtus an und für fih noch nicht unter den Begriff der religio 
illieita fiel, geht zur Genüge aus der befannten Anfrage hervor, welche Plinius d. 5. 
als Prokonſul von Bithynien nad) Rom richtete: nomen ipsum, si flagitiis careat, 
an flagitia cohaerentia nomini puniantur (ep. X, 96). Daher iſt es auch verkehrt, 
wenn Hilgenfeld das Motiv in dem „Zelotismus des inftinktiv feinen Untergang ahnenden 40 
römifchen Heidentums“, in der unbewußten Eiferfucht gegen die beneidensiverte Religion 
der Zufunft fucht. Fragen wir nun, welche Motive fonjt es geweſen fein können, durd) 
Die gerade die Chriſten in die Unterfuchung verwidelt wurden, jo hat die fombinierende 
Kritif wohl nicht mit Unredt vor allem auf den tiefgebenden Haß des Volkes zunächft 
gegen die Juden (Friedländer, Darftellungen aus der Sittengefchihte Roms, IIT?, 581), 46 
dann gegen die Orientalen überhaupt bingewiejen, eine Antipathie, bei der es fehr nahe 
lag, den verhängnisvollen Umftand, daß der Brand am Zirkus Maximus gerade bei den 
teilmeife orientalischen Handelsleuten gebörigen Buden ausbrach, zu Ungunſten diejes Be: 
völferungselementes auszubeuten. Daß dabei aud) der chriftliche Beitandteil desfelben in 
Duitteiven\caft gezogen iverden mußte, begreift fich leicht daraus, daß die römijche Ge: so 
meinde allem Anjcheine nach überwiegend eine judenchriftliche war, jedenfalld aber die 
Zrennung von dem Judentume äußerlih noch viel zu wenig hervortrat, als daß das 
Chriftentum für das heidniſche Bewußtſein etivas anderes, denn eine bloße Sefte des 
leßteren gemwejen twäre. Wie auf der einen Zeite der Durch die Gährung in Judäa und 
durch falſche Propheten und trügerifche meſſianiſche Erſcheinung lebhaft gefteigerte Fana- 65 
tismus des Judentums jih in unvorfichtigen Außerungen Luft machen mochte, die jchivere 
Gem luchungen des Heidentums durch Jahve verfündeten und in der Cinäfcherung der 
MWelthauptitadt eine ſolche begrüßten, fo mochte man ſich dergleichen Wünſche und Er: 
twartungen eines baldigen Gerichtes über die Heidenivelt im Kreiſe der des nahenden 
Weltendes getvärtigen Anhänger des kommenden Chriftus potenziert denken; und Daß Dies co 


1720 Nero 


geſchah, Liegt unzweideutig in dem Vorwurf eines „allgemeinen Haſſes gegen das Menfchen: 
geichlecht” angedeutet, den nad Tacitus (a. a. O.) die öffentlihe Meinung peziell den 
Ehriften machte. Denn man wird jchwerlich mit Zeller annehmen wollen, daß in dieſem 
Falle das „Odium humani generis“ nicht mehr zu bedeuten hatte, als etwa bei Cicero, 

5 der das griechiiche „wuoavdomria" in diefer Weiſe überjegt hat. Minucius Felix (Oftav. 
11, 1) erwähnt ausbrüdli als ein Motiv der Abneigung gegen die Chriften ibre Er- 
wartung des baldigen Weltuntergangs durch Feuer; und in der Apofalypfe (18, 9 ff.) 
wird der Brand Noms, „des Babylons aller Laſter, deflen Sünden zum Himmel fteigen“, 
direft ald Vorbote und Sinnbild des göttlichen Strafgerichts über die Heidenwelt dar: 

10 geftellt. Ber diefer Stellung des Ghrijtentums lag für das Volksbewußtſein der Zeit der 
Gedanke gewiß außerordentlich nahe, daß die verhaßte Sekte vielleicht ſelbſt das ihrige 
dazu gethan, die Norherfagungen von hereinbredhenden Strafgerichten, insbejonderd vom 
Feuer, das vom Himmel fallen und die Heiden vertilgen wird, in Wirklichteit umzufeßen. 
Wurden doc jpäter auch die Juden in Antiochta aus ähnlichen Motiven morbbrennerifcher 

15 Abfichten beichuldigt (Joſephus, Bell. Jud. VII, 3.2—4). Daß die Anklage damals aus- 
ichlieglich die Chriften traf, lag wohl nicht an einer Denunziation von feiten der Juden, 
die das Verderben dadurh von fihb auf jene abgemwälzt hätten, wie Schiller, Renan, 
Hausrath, Langen anzunehmen geneigt find, jondern daran, daß man bei der Größe der 
jüdischen Gemeinde Roms und der ohnehin aufs höchſte geleigerten Erbitterung Judäas 

20 don einer allgemeinen Verfolgung der gefamten Judenſchaft abfab und fih an die Fraktion 
bielt, welche als die fanatischite erfchten, der die Volksſtimme ohnehin die ſchmählichſten 
Laſter zutraute, und die ſelbſt ein Tacitus als einen fcheußlihen Auswurf orientalifcher 
Verſunkenheit anfab (Ann. 15,44 — quos per flagitia invisos vulgus Christianos 
appellabat), Wird doch fchon bei den früheren Unruhen unter der Judenſchaft Roms 

35 und der Ausweifung derfelben unter Kaifer Claudius gerade dem chrijtlichen Elemente 
eine gebäffige Rolle zugejchrieben (Sueton, Claudius25: Judaeos impulsore Chresto 
assidue tumultuantes Roma expulit). Den Berlauf der Unterfuhung charakterifiert 
Tacitus mit den Worten: Igitur primum correpti qui fatebantur, deinde indicio 
eorum multitudo ingens haud proinde in crimine incendii quam odio generis 

80 humani convicti sunt. Ganz aufgeklärt ift das Dunkel, dag auf diefer berühmten 
Stelle rubt, no nicht. Daß fatebantur, auf deffen Deutung alles ankommt, nicht im 
Sinne der neueren Herausgeber Nipperdey und Dräger von dem öffentlichen Bekenntnis 
zum Chriftenglauben verstanden werden fann, jondern nur in der gewöhnlichen Bedeutung, 
„lich eines Verbrechens fchuldig bekennen“, bat Schiller (S.435) aus dem Eprachgebraud 

35 des Tacitus und aus inneren Gründen wohl zu erweiſen verjucht, aber keineswegs zur 
Genüge feitgeftellt, wie denn auch feine weitere Erflärung die Schwierigleit nicht völlig 
befeitigt. Wahrfcheinlich will Tacitus jagen, daß zunächſt einzelne als Chriften ſich be 
fennende Individuen verhaftet und daß auf deren Nusfagen bin, — inwieweit Diefelben 
freitvillig oder durch Folter erzwungen waren, wird nicht gefagt, — die Chriften in Mafle 

40 eingezogen und verurteilt wurden, wobei die Behörde nicht einmal die Beweiserbringung 
für die Brandftiftung überall für nötig bielt, fondern die Zugehörigkeit zu ber Sekte, aus 
der man eine Anzahl für fchuldig befunden, und deren feindfeliger Stimmung gegen bie 
übrige Menfchheit man das Schlimmſte zutraute, für ausreichend erachtete, die Schuld: 
frage zu bejahen. 

45 Die Hinrichtung geftaltete fih zu einem vom Kaiſer den römischen Pöbel gegebenen 
Feſte. In den Gärten Neros auf dem heutigen St. Betersplage ftarben die Unglüdlichen 
den Tod am Kreuze oder in Tierfelle eingenäbt und von Hunden zerfleifcht, andere bei 
einbrechender Duntelbeit als Pechfadel brennend. So erzählt Tacitus mit den Worten: 
et pereuntibus addita ludibria, ut ferarum tergis contecti laniatu canum in- 

so terirent aut crucibus affixi aut flammati atque ubi defecisset dies in usum 
nocturni luminis urerentur. Es beißt daher zuviel in die Stelle hineinlefen, wenn 
Hausratb (S. 410) meint, dap „auch andere Unbill den PVerurteilten zugefügt morden“ 
fei, von der Tacitus „epigrammatifch” berichte: „pereuntibus additit ludibria”, und 
daß diefe Judibria mythologiſche Scenen im Stile der Pantomimen geivefen feten, tie 

65 ſie nad Sueton (Nero ec. 12) unter Nero aufgeführt wurden und unter welchen felbft 
Paſiphae mit dem Stier nicht ausgefchloffen war. Für diefe Annahme, für die Tacitus 
mit Unrecht in Anfpruch genommen wird, könnte höchſtens die Notiz einer chriftlichen 
Quelle: Clem. ad Cor. I, 6 angeführt werden, welche das Martyrium chriftlicher Frauen 
feiert, die „als Dirfen und Danaiden” eingeführt worden feien. Da ſich diefe Angabe 

eo unmittelbar an den Hinweis aufs Ende des Paulus (I, 5) anreiht, deſſen lebte Lebens: 


Nero 721 


[puren unmittelbar auf den Schauplag und in die Zeit der neronifchen Kataftrophe führen, 
und der allem Anfcheine nad) ebenfalld derjelben zum Opfer fiel, jo mag man immerhin 
mit Holgmann (a. a. O. ©. 12) an die neroniſche Verfolgung und jene jcheußliche Er: 
findfamteit denken, welche die Tortur als Sluftration zur Mythologie auf die Bühne 
brachte und Hinrichtungen zu einen Gegenitand des Gelächter und Applaudierend machte. 5 
Gewagt bleibt aber bei diefem einzigen jo unficheren Anhaltspunkt die Annahme immerhin; 
jedenfalls genügt fie nicht entfernt zu Schilderungen, twie fie Nenan im Gejchmad mo: 
derner franzöfticher Malerei von den Hinrichtungsfcenen entworfen bat. 

Nach Tacitus erfchien Nero felbjt zu dem bei genannter Gelegenheit gegebenen Zirkus- 
fpiele im Koftüme eines Wagenlenters, wobei er fogar den Wagen verließ und fich unter 10 
das Volk miſchte. Daß übrigens die beabfichtigte Wirkung nicht vollftändig erreicht wurde, 
giebt felbit Tacitus zu. Obwohl er an der Schuld der Chriſten nicht zweifelt und fie 
der äußerften Strafen für würdig erklärt, unterläßt er es nicht hinzuzufegen, daß ſich 
im Publikum das Mitleid regte „in dem Gedanken, daß fie nicht dem gemeinen Belten, 
fondern der Graufamfeit eines Einzelnen geopfert wurden”. Dieſe Bemerkung mit dem 15 
Biographen Neros (S. 437) einfach abzulehnen als Ausdrud der perfönlichen Gehäffigfeit 
des Siftorifers „der nur den Zweck habe, Nero zu belaften”, dürfte wohl kaum gerecht: 
fertigt erfcheinen. Dagegen ftimmen wir mit Schiller um fo entſchiedener in einem andern 
Punkte überein, daß nämlich die Verfolgung der Chriften nicht auf Stalien und die Pro: 
vinzen ausgedehnt wurde, fondern auf die Stadt befchränft blieb, an der fie gefrevelt 20 
haben follten. Gegen Tacitus und Sueton, aus denen dies klar hervorgeht, können die 
fpäteren gegenteiligen Angaben von Oroſius 7, 7 und Sulpictus Severus 2, 28 nicht in 
Betracht kommen. Ihnen fließen die chriftenfeindlichen Aktionen Neros, Domitians und 
der fpäteren Kaifer durchaus in Eines zufammen; und daß aud die Angabe der Apofa- 
lypſe (12, 13) über die Hinrichtung des Antipas zu Pergamos nichts für eine allgemeine 25 

erfolgung beweilt, — ganz abgejehen von anderen teild völlig allgemein gehaltenen, 
teild direft auf die römische Kataftrophe zu beziehenden Stellen der Apokalypſe, — das 
wird gegen Hausrathd (S.412) und Renans (5.183) gegenteilige Anficht auch von Holt: 
mann (a. a. D. ©. 16) mit Recht im Einne Schillers eingeräumt. — Vgl. über den 
Charakter der neronifchen Verfolgung als einer Iofal beſchränkten Kataftrophe: Schwegler, 30 
Nachapoſtoliſches Zeitalter, II, 14; Hilgenfeld, Apoftoliiche Väter ©. 160; Lipfius, Cle- 
mentis epistola p. 141; Über den Urfprung und den älteiten Gebrauch des Chriften- 
namens ©. 18. — Eine Berallgemeinerung der Verfolgung hätte nur dann einen Sinn 
ebabt, wenn die Religion das Moͤtiv derfelben geweſen märe, in welchem Falle 
Nero Ana wie feine Vorgänger in ähnlichen Fällen einen Senatsbefchluß provo- 35 
ziert hätte. 

Erjcheint aber auch der Schauplak der Verfolgung als ein lokaler, jo war doch die 
Wirkung des Ereigniſſes eine um jo gewaltigere und allgemeinere. Sin dem Brande der 
Welthauptitadt und der blutig inaugurierten Reaktion des heibnifchen Staates gegen bie 
Chriftengemeinde fchten fih der aufs höchſte geſpannten meffianifchen Erwartung das 40 
nahende Weltende unverkennbar anzufündigen, zumal die nächiten Jahre weitere bedeu- 
tungsvolle Ereigniſſe brachten: den jüdischen Krieg, in dem fich das Geſchick des Volkes, 
das feinen Meſſias verworfen, zu erfüllen begann, Nero Sturz und Tod und den blutigen 
Bürgerzwift um den Thron der Cäfaren. Aus den Stimmungen und Erwartungen, die 
fih an diefe Thatfache anknüpften und die fih am lebhafteiten in dem Klaggeſang der 45 
Apokalypſe (18) reflektieren, begreift «8 fich, daß Neros dämoniſche Geftalt, die im Mlittel- 
punft der Ereigniſſe ſteht, unmittelbar in den eschatologischen Vorftellungsfreis der Zeit 
verflodhten ward. Den Mördern entronnen oder nad) anderer Berfion vom Tode erivedt, 
follte er wiederfommen als der Antichrift, der den lebten großen Vertilgungstampf gegen 
die Belenner Ehrifti führen, dann aber von dem zum Gericht erjcheinenden Meſſias ſieg- 50 
reich überwunden werben wirt. 

war hat man neuerdings gemeint, zwifchen der Verfolgung und der Erwartung der 
Wiederkunft Neros beftehe kein Zufammenbang. Diefelbe ſei vielmehr in der beibnifchen 
Bevölkerung entftanden und von da in die jüdischen Sibyllinen übergegangen. In den 
eigentlich chriftlichen Kreifen babe ſie erſt jpät Eingang gefunden und zivar erft dann, 55 
nachdem fie vorher von häretiſch und feparatiftiih gefinnten chrijtlihen Sibylliſten ver- 
wertet und umgebildet worden jet. — Allein diefe Anſicht tft von Hilgenfeld zur Ge: 
nüge zurüdgemwiefen worden. Das von dem Blute der Heiligen und der Zeugen Jeſu 
trunkene Babylon (Nom) der Apofalypfe (17, 6; 18, 24) redet Doch eine zu deutliche 
Sprade! Robert Pöhlmann. 60 

Neal⸗Encyklopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 46 


722 Nerſes Neſtor 


Nerſes ſ. d. AU. Armenien, und zwar für Nerſes Clajenſis Bd II ©. 73, 10; 
Nerſes d. Gr. ©. 76,395 Nerſes Lambron ©. 73, 36. 


Nerva, Kaiſer 96-—98. -- Bgl. C. Beter, Gefchichte Roms unter den Kaifern, Halle 
1871, 1II, 507 ff.; Overbed, Studien ©. 100 ff.; Aubé Histoire des pers&cutions de l’&glise, 
6 Baris 1875, I, 195 ff; Görres, Chriftenverfolgungen in Kraus Nealencyklopädie der drift: 
lien Altertümer ©. 225; 8. Wieſeler, Die Ehriftenverfolgungen der Cäfaren, Gütersloh 1878, 
S. 12; 8. O. Neumann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche I. 1890, ©. 16. 
M. Coccejus Nerva wurde fofort nad) der Ermordung Domitians (am 18. Cep- 
tember 96) zum Kaifer ausgerufen ımb ale folder alljeitig anerfannt. Ohne Zweifel 
10 hatte die Verſchwörung, der Domitian zum Opfer fiel, Mitwiſſer und Leiter in den höheren 
Ständen, und dieje hatten fich mit Nerva, der fich ſelbſt durch Domitian bedroht glaubte, 
über die Annahme des Thrones verftändigt. 
Seine kurze Regierung (er ftarb am 27. Januar 98) beſteht faſt ausfchlieglih in 
einer Reihe von Handlungen der Verföhnung und Milde. Nach Hegefipps Angabe (Euseb. 
ı5 H. E. III, 19. 20) fowie nach Tertullian (Apolog. 5) hatte Domitian felbft bereit3 die 
Verfolgung aufgegeben und die Verbannten zurüdgerufen, nad Dio Caſſ. (68, 1) tbat 
diefes erjt Nerva. Beide Nachrichten find wohl vereinbar, denn jedenfalld erfolgte die 
Zurüdberufung erſt ganz gegen Ende der Regierung Domitiand und die Werbannten 
fehrten tbatfächlich erft unter Nerva zurüd; diefer erjegte auch die Vermögensverlufte und 
20 ſuchte das Unrecht feines Vorgängers wieder gut zu machen. Er fteuerte dem Unfug der 
Delatoren, ließ feine Anklagen wegen ddedrns und lovdaixa Ndn mehr zu und machte 
auch den fisfalifchen Bedrückungen der Juden, unter denen auch die Chriften gelitten 
hatten, obne übrigens den jüdischen Leibzoll abzufchaffen, ein Ende (Dio Cass. 68, 1 
— Eus. H. E. III, 20 — vgl. die Münze vom Sahre 96 „Imp. Nerva Caesar 
25 Augustus P. M. Tr. P. Cos. II Fisci Judaici calumnia sublata‘“ und dazu Eckbhel 
Doetr. Numm. VI, 404). Die Humanität des Katjers zeigt ſich aud darin, daß er 
den Grund legte zu der Anftalt für die Verforgung armer Kinder, die, von Trajan fort: 
gebildet, von großer Bedeutung wurde. 
Zu weit würde man übrigens gehen, wenn man die Lage der Ehriften unter Nerva 
so ale Zuftand völligen Friedens oder gar der Anerkennung jeitens des römischen Staates 
betrachten wollte. Die dabın gebende Angabe des Lactanz (de mort.pers. 3,4: „Res- 
ceissis igitur actis tyranni, non modo in statum pristinum ecclesia restituta 
est, sed etiam multo clarius et floridius nitdit“) berubt auf einer falfchen Beur: 
teilung der damaligen Zeit. Im Gegenteil, die rechtliche Stellung der Chriften blich 
35 diefelbe. Wie Nervas Regierung den libergang bildet zu einer neuen Periode der römi- 
chen Gejchichte, die mit dem von ihm adoptierten Trajan beginnt, fo bezeichnet fie aud 
einen Wendepunkt in der Gefchichte der Verfolgungen. Die aus bloßer tyranniſcher Laune 
unternommenen mebr zufälligen Verfolgungen, wie die Neros und Domitians, find zu 
Ende, und es beginnt mit Trajan die Verfolgung auf Grund und zunächſt auch in den 
so Schranfen der beftehenden Geſetze. G. Uhihorn}. 


Neftor und der ältefte rufftihe Annalift um 1100. — Kitteratur: A. L. Schlöger, 
Ruſſiſche Annalen in ihrer ſlaviſchen Grundfpracdhe, Göttingen 1802—1809, 5Bde; PH. Strahl, 
Beiträge zur ruſſ. Kirchengeſchichte, Halle 1827; 3.3. Ereznevffij, Die Erzählungen v. d. Hl. Boris 
u. Gleb (ruſſ.), St. Petersburg 1860; Monumenta Poloniae historica, heraudgeg. von Bie 

45 lovffi, Lemberg 1864; Makarij, Geſch. der rufj. Kirche? (Abdrud der 2. A., rujj.), St. Peters⸗ 
burg 1889, I, 249 ff. II, 133. 324 ff.; €. Golubinffij, Geſch. der ruf. Kirche (rufj.), Moskau 
1880, 1,1, 194 ff. 207 ff. 615 ff. (2.9.1901, I, 1, 224 ff. 238 ff. 742 ff.); Levitikij, Die Quellen 
für die Taufe Wladimirs (ruſſ.), St. Petersburg 1890; Schachmatov, Das Baterifon und die 
Annalen des Kiewer Höhlenflofters, St. Petersburg 1897 ; mehrfadhe Unterfuhungen über die 

50 Chronologie der Annalen und iiber ihre ältejte Nedaktion im Jahrgang 1897 des Journals 
des Minifteriums der Volksaufklärung; und Die Sammlung der anfänglichen Kiewer Annalen 
und ihre Quellen (Arbeiten der ethnograph. Abteil. XIV); Zur Frage nad) der Herkunft des 
Chronographen, (Nbteil. der ruſſ. Spr., Bd 66) 1899 (alles ruil.); ®. % Sreznevftij (rufl.) 
in Memviren (Zapiski) der Et. Petersb. Akad. der Wiſſ. Bd 72 (1893) und in Memoiren 

65 der hift.philof. Abt., Bd 1 (1897); Abramowitſch, Zur Frage nad) den Quellen des Lebens 
des Theodoſ. Petſcherskij von Nejtor (Nachr. der Abteil. der rufi. Sprache und Titt. der Atad. 
d. Wiſſ., ruſſ., 1898, I, 243). Einiges habe id) aus Berlin erhalten, anderes blieb mir un: 
zugänglid). 

In dem Mönch des Höhlenklofters bei Kiew Neftor pflegte man lange den ältejten 

co Annalijten und Bater der ruffiichen Gefchichtichreibung zu erbliden; jedoch mit Unrecht. 


Nero Neftorianer 7123 


Der erfte ruffifche hiſtoriſche Schriftfteller ıft wielmehr der Mönch desfelben Höhlenkloſters 
Jakob, deſſen Erzählungen zuerft der fpätere Moskauer Metropolit Mafarij 1849 ver: 
öffentlicht bat. Vermutlich it diefer Mönch Jakob identifh mit dem Presbyter dieſes 
Namens, der mwahrfcheinlid aus dem perejejlanichen Klofter des Boris und Gleb in das 
Höhlenklofter gelonmen war, und den der Abt Theodoliug bei feinem Tod 1074 zu feinem 5 
Nachfolger vorſchlug. Ebenjo ift es wohl derfelbe Mönch Jakob, auf deilen Fragen der 
Metropolit Johann II. feine Antworten: „Kurze Kirchenregel“ (Mafarij, Geſch. d. ruf). 
Kirche? II, 352 ff.) gefchrieben. Jener Jakob hat nad) feinem eigenen Zeugnis wenige 
Sabre nach. der Ermordung des Boris und Gleb feine Schilderung ihres Endes verfaßt; 
jedenfalld noch vor 1072, denn fonft hätte er der Kirche Erwähnung gethan, die 1072 
in Wyſchgorod zu ihrer Ehre erbaut wurde. Jene „Erzählung des Martyriums und 
Zobrede auf die ermordeten heiligen Märtyrer Boris und Gleb” berichtet über dieſe Er— 
mordung und den Kampf zwiſchen Svjatopolk und Jaroslav bis zum Sieg des letzteren 
und der Überführung der Leiche des Gleb zu der des Boris nad) Wyfchgorod. Die andere 
gleichzeitig geplante, aber etwas fpäter verfaßte Schrift Jakobs ift deſſen „Gedächtnis 
und Lobrede auf den ruffiichen Fürlten Wolodimer, wie Wolodimer getauft wurde und 
feine Kinder taufte und das ganze ruſſiſche Land von einem Ende zum andern, und iie 
getauft wurde Wolodimers Großmutter Olga vor Wolodimer” (Makarij, ebd. I, 249 ff.; 
Golub. I, 207 ff. [238 ff.)). 

Etwas jünger als Jakob ift Neftor. Nach) feinen eigenen Angaben ift er bald nad) 20 
dem ‘Tode des Theopofius ins Höhlenklofter gefommen und fehr bald darauf zum Diakon 
oder Archidiakon geweiht worden. Seine „Lektüre vom Leben und Umfommen der feligen 
Märtyrer Boris und Gleb“ will ein wirkliches Heiligenleben bieten. In möglichiter Nach— 
ahmung feiner griechifchen Vorbilder hat er es unter Verwiſchung des Hiltortichen auf 
erbauliche und künſtleriſche Darftellung abgefehen. Auch in feinem „Xeben des Abtes 25 
Theodofius” (über diefen vgl. Koſtomarow, Ruff. Geſch. in Biographien, überf. v. Henkel, 
Gießen 1891, ©. 18 ff.) herriht die Schablone des Hetligenlebens (Abramowitſch meist 
bin auf Anlehnung an das Leben des Sabbag von Gyrill v. Scythopolis), aber bei den 
reihen Daten, die ihm bier zu Gebote ftanden, tritt das rhetorische Element mehr zurüd. 
Im ganzen ift doch ein maßvoller Gebraudy von Fünftlicher Rhetorik anzuertennen. (Die 30 
„Übertragung der Gebeine des Theodofius”, herausgegeben 1890 von Xeonid, ift nicht 
von Neftor, jondern ein Auszug aus den Annalen.) 

Dit dem Namen des Nejtor find fchon fehr früb, nämlich ſchon im Pateriton des 
Kiewer Höhlenklofterg um die Mitte des 13. Jahrhunderts, die älteiten ruffiihen Annalen 
verbunden worden. Dennoch ift die Identität Neftors mit dem ältejten ruſſiſchen Anna-= 35 
liſten ausgeſchloſſen, denn der leßtere bezeugt felbit ebenfo bejtimmt von fich, daß er noch 
bei Lebzeiten des Theodofius Mönch feines Klofterd geworden, mie Neftor von fich das 
Gegenteil ausſagt. Siebzehn Jahr alt, bald nad) 1065, trat der Annaliſt, wie es jcheint 
ein geborener Kiewer, in das Höhlenklofter ein; 1091 zeigt ihn die Betrauung mut der 
Aufgabe, die Gebeine des Theodoſius heimlich auszugraben, als den befonderen Bertrauten 40 
feines Abtes. Er iſt wohl ficher der Silvelter, Abt des Klofters des hl. Michael, der 
1116 felbit von fich jagt, daß er die Annalen gejchrieben habe. Denn, daß diefer 1116 
nur eine Abfchrift der Annalen angefertigt babe, iſt ſchon dadurd jo gut wie aug- 
geichloffen, daß dieſe ältejten Annalen Vorgänge bis 1114 berüdfichtigen (Golubinflij 
©. 646}. [780f.]). Beionders an Johannes Malala und Georgios Hamartolos hat der 45 
Annalift ſich angelehnt, aber ſich an der einfacheren Form der Annalen genügen en 

onwetſch. 


Neſtorianer, die, als Kirchenpartei. — Litteratur: Die Hauptquelle für innere 
und äußere Geſchichte des Neſtorianismus iſt noch immer der umfangreiche 4. Band von Sof. 
Sim. Aſſemanis (as Sam’äni) Bibliotheca Orientalis; enthält auf 962 Seiten Fol. eine Disser- on 
tatio de Syris Nestorianis, Romae 1728, vom Verf. als tomi tertii pars secunda bezeichnet 
und fo von ung fortan citiert; dazu tom. III, p. I, mit unſchätzbaren Ausziigen aus Werten 
neſtorianiſcher Schriftitellerei. Zu beachten ift nur, daß der Verfaſſer, ein gelehrter Maronit, 
eifriger römifcher Katholik ijt und im Vatikan und jür den Vatikan fchreibt. Ferner Le Quien, 
Oriens christianus tom. II, 1740. Sept find mehrere von Aſſemani handſchriftlich benutzte 55 
umd erzerpierte Quellenwerke volljtändig ediert, jo das wichtige jyrifche Chronicon ecclesiasti- 
cum des Gregorius Barhebräus, edd. Abbeloos et Lamy, Parisiis et Lovanii 1872—77, 

3 voll., mit latein. Weberjegung. Bd III handelt fpeziell von den Primates Orientir, den Bi: 

ſchöfen von Seleukia, und von den Catholici Nestorianorum big auf den 56. Saballaha III. 

Die Heraudgeber führen die Reihen bis auf die neuere Zeit, ins 19. Jahrh., fort und führen 60 

auch die haldäifchen Batriarchen vor. Sodann Tiegen gedrudt vor die arabifchen Berte über 
46 


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5 


os Neitorianer 


bb owen mwetkan.enondön better yon Märl ibn Sulaiman, "Amr ibn Matta und 
NM: Anne Dh de pain che N. eHanrum eommentaria, ce codd. Vatic. ed. 


Mose eanbo aror Mars texins arabieus, Romae 1869, Dazu Die 

\ oa vo 2 mesnaun Arr ct Scöae textus Romae I896, versio latina 

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: Auszlige aus den einzeinet Za:reilern die Juri: 
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. or nm 1864, amd der der gi. hie ueer su Verlin von 


„Närtften, Wd RL 2, Berlin Kun ve re reitorianiichen 
> 12. 122}; Bibliſches. &: BEIDE : Dis Merten, Ge⸗ 


s. . Bioln, ie Deiligenlegenden, Kin Hm merzie, Togmatit, 
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des inneren Lehens der nejtorianiider x :2e VSericüung, fa 

a. md die Sammlungen dev Znnofz.2!T:r Eize ſolche von 

vis ſgew. Ebedjeſus genannt, geit. — > Zur Berichä von 

a an son Wat in Seriptt. vet. nova ellaed 2 N ISSN Dazu 

. endtikation von Cotar Braun, Tas Sur ir Zozzcher Nach 

one ——— überſeßt und erläutert, Ztung. an! Serm Zee Ferner 

u. voomiides Nedtsbuc aus dem 5. atıtandar Nessig 1880: 

zer und Biſchofsſiße im V., VI. VN. Qırer. 7 Ra Rp 43, 

x arcen Orientale ou Reeneil de —* Nesturler: nal. trad.ete. 
N et Extraits tom. 37. 1900, 005 5, 4°. “ 

x Surbreiting des Nejtorianismus nach Mittel. und Dinterztien iſt ein 

x wer Die Schrift von W. Wartbold, sur (eihiz:e des Kbriitentums 

0. zenmolifden Eroberung. Teutiche Bearbeitung nd dem ruſſiſchen 

nr Stübe, Tübingen und Leipzig 1901: ſ. bei. S. 2Mñ.: vgl. auch 

BHa—uunen und Türken Bd Tu. NH IV. 

. 2.,: TDomim, Hist. du Nestorianisme, 16580; Zmitb und Tight, 

ni. Bolton 185552 Rich, Narrative of a residence in Koordistan and on 

Norrch, London 1835, 2 voll: Ninsworth, Travels and researches in 

serve, Uhaldaca and Armenia, London 1842, 2 voll.: Juſit. Perkins, 

hde vrars In Persia among the Nestorian Christians, New: ort 1843: 

NV rien or The Jost Tribes, London 1513, deutic von Preiswert, Yajel 1543 

de neruatiſznen nach der Theorie von der Identität der Neſt. mit den Zehn 

erid. Niniveh and its remain», London, 6. Aufl. 1854, deutſch von N. 

hal ISO: WM. umd jeine lleberreite. Nebjt e. Berichte über einen Beſuch 

on. gproten in Nuudiitan ‚über fie >. 120f..; George Percy VBadger, The 

ma Bituals, Yondon 1852, 2 voll, noch jetzt in Sachen des Kültus der 

yo wuptiperf; Martin, La Chaldéc. Tsquisse historique, Rome 1367. — 

Sn Atuyjjath tin Rom erzogener und daher im römiſchen Intereſſe jchreiben- 

giyeoboj von Amadia), Syrioorientales seu Chaldaei Nestoriani et Roma- 


Neftorianer 725 


norum pontificum primatus, Rom. 1870. — Ed. Sachau, Reife in Syrien u. Mefopotamien, 
Reipzig 1883 (bei. ©. 358fj.); Hyvernat, Du Onucase au Golf Persique, ä travers l’Ar- 
menie, le Kurdistan et la Mesopotamie, Wafhington 1892; Raſſam, Assur and the land of 
Nimrod, New-York 1897; W. Köhler, Die kathol. Kirchen de3 Morgenlandes. Beiträge zum 
Verfajjungsreht der fogenannten uniert:orientalifhen Kircdyen, Darmitadt 1898. Aug älterer 5 
Zeit find noch jeßt beacdhtenswert: Bruns, Neues NRepertorium für theol. Ritteratur und kirch— 
liche Statiſtik Bd 1, 2, 3, 5, 6 und namentlich C. Ritter, Erdkunde, 882,7, 9—11 an vielen 
Stellen. — Ueber die gelehrten Studien der heutigen Chaldäer und Neftorianer, namentlid) 
auf dem Gebiete der ſyriſchen Sprachkunde und deren neuere und heutige Vertreter, wie 
Khajjät, Audo, Samuel Giämil, Rev. Paul Bedjan handelt der Aufiag von Rev. Gabriel 10 
QOuffani, John Hopkins University, Baltimore, Md., im Journal of the American Oriental 
Society vol. XXII, first half, 1901, wiederabgedrudt in den Sohn Hopkins Semitic Papers 
1908, * 73—90 („„The modern Chaldeans and Nestorians, and the Study of Syriac among 
em‘). 

Endlich ift für die Geſchichte der Beziehungen Roms zu den Neftorianern jet Hinzus 15 
weijen auf die Urkundenfammlung von Samuel Giamil, Genuinae relationes inter Sedem 
Apostolicam et Assyriorum orientalium seu Chaldacorum ecclesiam etc. (aud) mit fyrifchem 
Zitel) Roma, E. Loescher ct Co. 1902. XLVIII, 648 ©., gr. 8. Dazu vgl. Brodelmann 
im Archiv für Religiondwifjenihaft Bd 6 ©. 198 ff. und Chabot in der Revue critique 1902, 
Nouv. Serie, Bd 54 ©. 441 ff. 0 

Bal. auch den Artikel „Nejitorianer” von v. Funk in WW, 2. Aufl. Bd IX 1895 ©. 166 
bis 180 u. den Art. Nestorians in der Encyel. Britann., 9. Aufl, vol. XVII p. 355— 358. 

In den chriftologischen Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts hatte ſich die oftiyrifche 
Kirche für die Lehre des Neftortus entichieden. Bon da an bildete ſich der Neftorianis- 
mus zu einer mächtigen Kirchenpartei aus, die, infolge des gänzlichen Abbruchs des Ver: 25 
fehrs mit der monophufitifchen und der katholiſchen Kirche Weſtſyriens für fih abgefchloffen, 
in Lehre und Praxis felbitjtändig fich weiter entwidelte und in großartiger Entfaltung 
der Miffionsthätigkeit über Perfien und Indien nad Often bis mweit nad) China hinein 
Verbreitung gewann. Berdrängt aus dem Occidente haben die Neftortaner im Driente 
bis an die Grenzen der damals befannten alten Welt ihren Einfluß geltend gemacht und 30 
ſich noch lange auch unter den Stürmen der verjchiedenen islamitiſchen Eroberungen be: 
hauptet. Nette beitehen noch heute. — Zunächſt hat ſich der Neftorianigmus aus den 
öftlichen Grenzmarken des römischen Reiches über Perfien verbreitet. Den erjten Impuls 
dazu gab der berühmte Brief des gelchrten Presbyters Ibas von Edeſſa (f.d. A. Bd VIII 
©. 612) an den Biſchof Mari (Mares) von Harbafher in Perſien; ſ. die Analyfe der 35 
vier Artikel dieſes Sendfchreibens bei Assemani, Bibliotheca orientalis, tom. III, 
p. II (de Syris Nestorianis), p. LXXsqq. Ibas, fpäter für feine Perſon gleich dem 
Theodoret auf dem Konzil von Chalcedon freigefprochen und feit 435 n. Chr. Nachfolger 
des Rabulas auf dem edeſſeniſchen Biſchofsſitze, ſchrieb diefen Brief kurz nah der Ver: 
einigung des Patriarchen Johannes von Antiochien mit Cyrill von Alerandrien und feste s0 
darin den Streit auseinander mit fichtbarer Abneigung gegen Cyrill und Vorliebe für 
Neftorius, doch ohne diefen zu ſchonen; zum Schluffe drüdt er feine Freude darüber aus, 
daß der Friede zwiſchen Cyrill und den Orientalen wieder hergeftellt ſei. Dieſer Brief 
ſowie die Überfegungen der Schriften des Diodorus von Tarfus und Theodorus von 
Mopfuefte in die perjiiche Kirchenſprache, das Syrifche, verbreiteten die Lehre des Nefto- 45 
rius im ganzen perfiicen Reihe. Dazu famen nody die von dem (anfangs neftortanifch 

efinnten) Rabulas von Edeſſa vertriebenen Lehrer der edeſſeniſchen hohen Schule, die 
jih in Niſibis niederließen ; der hervorragendfte war Barſumas (fyr. Bar-gaumä), welcher 
als Biſchof oder Metropolit von Niſibis (435—489) einen wahrſcheinlich von den Geg⸗ 
nern, den Katholiken und den Monophyſiten, übertriebenen Eifer in der Augrottung der so 
cyrilliſchen Partei entfaltete, twober er die politifche Abneigung des perjifchen Hofes (des 
Könige Perozes, perſ. Peröz, arabifiert Firüz) gegen die Römer für feine Zwecke gefchidt 
zu benußen verjtand. Ihm fchloß fich Nerfes „ver Ausfägige” an, ebenfalld aus Edeſſa 
vertrieben, welcher die aufgelöjte Echule in Niſibis auf perfischent Gebiete neu gründete, 
und mehrere andere, welche in Perſien Bistümer erhielten. 65 

Nach Perſien war das Chriſtentum ſchon fehr frühe, vielleicht ſchon in der nad 
apojtolifchen Zeit, gedrungen, aber die Nachrichten über Diele eriten Yeiten find, wie Die 
gleichzeitige Gefchichte des partbifchen Reiches überhaupt, in tiefes Dunkel gebüllt. Wäh— 
rend der Herrichaft der partbifchen Arſaciden, welche in Neligionsfachen ganz indifferent 
geweſen zu fein jcheinen, hatten ſich die Chriſten wahrſcheinlich ungeftört ausbreiten können, 60 
und nur eine kurze Verfolgung derfelben wird von Barbebräus und anderen (j. Assem. 
B. Or. III, II, p. XXXIX) erwähnt, aber Trajan verfolgte die Chriſten, ſoweit er 


726 Neftorianer 


auf feinem Zuge in das parthifche Neid) eindrang, von Edeſſa anbebend. Eine jtarfe 
Verbreitung des Chriftentums bis in die Oftprovinzen des perfifchen Reiches ſetzt ficher 
der jedenfall® noch in das 3. Jahrhundert gehörige pfeudobardefanifche Dialog „über die 
Gejete der Länder” voraus; vgl. auch Euseb. Praep. evang. VI, 10, 46 und Vita 
5 Constantini II, 53 (geflüchtete Chriften in der bdiofletianifchen Verfolgung von den 
„Barbaren“ d. i. Perſern aufgenommen und bei freier Religionsübung belaffen). Gegen 
die Mitte des 4. Kahrhunderts ist, wie aus Afraates und den alten Märtyreraften (ed. 
Bedjan) hervorgeht, das Ehriftentum in den Tigrisländern mweit verbreitet und organifiert. 
Dieſe bildeten aber noch feine gejchloffene Kirche unter einem Katholikos mit Bifchöfen 
ıv und fonftigem Klerus; |. A. Harnad, Die Miſſion und Ausbreitung des Chriitentums 
in den erjten drei Jahrhunderten, Leipzig 1902, ©. 442 ff. bei. ©. 444 Anm. 3 (von 
Nöldele). Der Biſchof der Haupt und Hefibenzftabt, der Doppelitadt Seleucia-Ktefipbon, 
deren Batriarchat von den vielleicht hiſtoriſchen, am Tigris miffionierenden Mär Märi 
(f. Raabe, Die Gefchichte des Dominus Mari 1893; Weftphal, Unterfuchungen über die 
15 Batriarchenchronifen 1901, S. 30ff.) geitiftet fein fol, den die Legende wie einen ber 
12 Apoftel anfieht und zum Stifter des Chriftentums im ganzen entfernteren Orient 
macht, erhob fich allmählid zum Oberhaupte der Chriften dieſes Reiches und des dhrift: 
lichen Orientes weithin, obwohl ihm dies lange Zeit von dem Bifchofe von Perfien 
jtweitig gemacht wurde. Simeon bar Sabbä’&, der Märtyrer, Nachfolger des Papa, 
» war nur Bifchof von Seleucia und Ktefinbon, fein anerfannter Katholilos; die leicht zu 
durchichauende neftorianifche Legende wollte dem fpäteren Centralſitze Sel.Kteſ. einen be: 
fonderen Glanz (mie die römifche Xegende Rom) und der neftorianiichen Kirche ein apoſto— 
liches Seitalter verfchaffen, vgl. Harnad 1. c. ©. 443 Anm. 3. Als Papa, der Bilchor 
von Seleucia (F 326 in hohem Alter; feine Perfönlichkelt und wohl audy die von ihm 
3 im Jahre 313/14 gehaltene Synode ſtehen hiſtoriſch feit, vgl. Weitphal 1. c. S. 60ff.) 
den Simeon und den Schahduſt als feine Vertreter zum nicänifchen Konzil ſandte, mar 
aud unabhängig von ihm Johannes, Bifhof von Perfien, der ald der Nepräfentant der 
Kirchen von ganz Perfien und Großindien angefehen wurde, zugegen; und obgleich aud 
Jahballaha, Erzbischof von Seleucta, auf der Synode 420 n. Chr. diefen Bilchöfen von 
30 Perſien die Würde von Metropoliten verlieh, fo brachte fie doch erſt Jeſchujahb von Adia- 
bene (654— 660) oder fein Schüler und Nachfolger Georgius (660—680) und dauernd 
endlich Timotheus (778—820) zur Unterwürfigfeit unter den Stuhl von Seleucia. Beide 
Bistümer ftanden erft faktifch, dann nur nominell unter den Patriarchen von Antiochien, 
von denen fie die Weihe erhielten, wenigſtens von dem Biſchofe von Seleucia wird Dies 
35 ausdrüdlich bezeugt. Da aber die öfteren Kriege der Römer mit den Perſern Die Reife 
nach Antiochien erfchwerten oder ganz unmöglich machten, fo unterblieb ſie auleit und 
Schachlüfä, welcher nad) den Hiltorifern Amr und Märi 244 ftarb, vgl. aud) . 
B. O. III, II, p. XLVI, war nad Barhebräus der erfte, welcher in Seleucia jelbft 
von den orientalifchen Biſchöfen geweiht wurde. Dadurch gelangten die Bilchöfe von 
jo Seleucia frühe zu einer gewiſſen Gelbititändigfeit und Unabhängigfeit. Schon Papa, der 
Nachfolger des Schadhlufa (f. über einen angebl. Brieftwechjel von ihm Braun in ZkTh 
Bd 18, 1894, ©. 167 ff.) wird Erzbischof genannt, die Späteren nahmen den Titel eines 
Patriarchen oder Katholikos an und ftellten fi dem Range nad) den Patriarchen des 
Occidents gleih. Dies geſchah nad) Aſſemani (B.O.III, I, p. 427; III, II, p. LXXX) 
4 zuerft von Babäus (fur. Bäbhäi), welcher 198—503 den Stuhl von Seleucia inne 
hatte, auf einer von ihm im jahre 499 gehaltenen endemiſchen Synode. Ihn nennt Af. 
als den erſten ſchismatiſchen nejtortanifchen Bischof von Eeleucia, während feine drei erften 
Vorgänger, Dädhishö, Babäus und Aeacius der katholiſchen Lehre treu und dem Pa- 
triarchate von Antiochten gehorſam geivejen ferien. Allein fchon Dädhishö (430-465) 
zo hielt eine Synode, auf welcher feitgejcht wurde, daß man den Erzbifchof oder Katholikos 
von Seleucia weder verklagen noch richten dürfe, fondern ihm unbedingten Gehorjam zu 
leiften babe. In dem arabifchen Synodilon und dem Nomokanon iſt noch hinzugefügt, 
daß es nicht verftattet fei, ihn bei den Patriarchen des Occidents zu verklagen ober von 
ihm an dieje zu appellieren, — was Aſſemani freilich für eine ſpätere neftortanifche Inter: 
5 polation hält. Tie beiden anderen Biſchöfe Babäus und Acacius waren gewiß jehr 
ſchwache Kirchenfürften, die 3. B. eine große Sittenverberbnis unter der Geiſtlichkeit dul- 
deten (f. den ziveiten Kanon der Synode des Babuäus, Ass. B.O. III, I, p. 436), und 
Acacius (ec. 484— 196) bleibt dauernd in dem Verdacht, ein Anhänger der neftor. Lehre, 
was er anfangs obne Ziveifel war, bis an fein Ende geweſen zu fein, er, ein Zögling 
eo der Schule von Edeſſa — obivohl er als perjiicher Sefandter in Konftantinopel das Ana- 


Neſtorianer 727 


thema gegen Neſtorius ausſprach. Jedenfalls hat er nach feiner Rückkehr gegen die An— 
hänger des Neſtorianismus nicht das Geringſte gethan und ſeine Klage (bei Barhebräus, 

ſ. Assem. B. O. III, I, p. 383 not.), daß Xenajad von Mabbugh — d. i. Philo— 
renus, der ſyr. Uberjeger des Neuen Teftaments — ihm und den Seinigen den Namen 
„Neftorianer” gegeben habe, da er doch von Neftorius gar nichts wiſſe (!), zeigt gerade 5 
das richtige Verhältnis; |. gegen Aſſemanis Reinigungsverfuche Wright, Syriac. literat. 
p. 60; Abbeloos zu Barhebr. Chron. eccles. III, 74 Anm. 2. Der Name „Nefto: 
rianer” kommt bier zum eriten Male vor, Scheint alſo von beſagtem Xenajas herzurühren. 
Sie jelbit nennen ſich immer „Chaldäer“, chaldäiſche Chriften, ein Name, welchen man 
in der neueren Zeit nur für die mit der römischen Kirche unierten Neftorianer gebraucht. 10 
Bei den älteren Syrern beißen fie auch „Urientalen”, madenhäje, bei den heutigen 
Türfen Nagärah, d. i. Chriſten. Gegen den Namen Neftorianer legen die Angehörigen 
diefer Kirchenpartei Verwahrung ein, fie jagen (nad) Ebedjeschü bei Assem. 1. c. III, 
I, p. 354 sqgq.), Neftorius ſei gar nicht ihr Patriarch geweſen, ja fie verftänden feine 
Sprache gar nicht, er fer vielmehr ihnen gefolgt, nicht fie ihm, nur da fie gehört, daß er 15 
diefelbe Lehre wie fie vorgetragen, hätten fie die feinige durch ihr Zeugnis beftätigt. 
Neitorius kommt jedenfalld in den heiligen Büchern der N. häufig vor. 

Jedenfalls war der Patriarch Babäus im Unterfchiede von feinen noch ſchwankenden 
Vorgängern der erite, welcher ohne Scheu den offenen Bruch mit den Dccidentalen voll: 
zog. Babäus (f. über ihn Barhebr. chron. chron. eccles. edd. Lamy et Abbeloos »» 
t. III S. 79) war urſprünglich Laie und als folcher verheiratet. Nach einer zweijährigen 
Vakanz auf den Sig von Seleucia gelangt, hielt er eine Synode, auf welcher feftgefett 
wurde: 1. daß alles, was zwijchen Barfaumas und Acacius (die fich gegenfeitig anathe: 
matifiert hatten) vorgefallen jet, vergefien, und deren Briefwechjel vernichtet werben folle; 
2. daß es dem Patriarchen wie den Biichöfen, Prieftern und Mönchen verftattet fei, ſich: 
mit einer Frau zu verheiraten und den Presbytern geboten jet, nad) dem Tode der Frau 
eine andere zu heiraten; 3. daß man dem Patriarchen von Seleucia unbedingten Gehor: 
fam zu leiften babe, und 4. daß die Bifchöfe bei ihren Metropoliten nicht zwei⸗-, jondern 
nur einmal jährlich, bei den Patriarchen aber nicht, wie bisher alle zwei, fondern fortan 
alle vier Jahre einmal, und zwar im Monate Oftober, zuſammenkommen ſollten, um fich zu 
über firchliche Angelegenheiten zu beraten, wenn der Patriarch nicht befondere Gründe 
bat, fie früher zu berufen. Was den zweiten Kanon betrifft, jo follte deſſen Feſtſetzung 
einem weit eingerifjenen Übel im Klerus fteuern, nämlich der unfittlichen Verbindung von 
Kleritern mit mehreren Frauen zugleih; ſ. J. A. Assemani, De catholicis seu pa- 
triarchis Chaldaeorum et Nestorianorum commentarius, Rom. 1775, 4°, p. 18. 35 
Zugleich aber erfolgte diefe, übrigens fchon von Barfaumas mit Rüdfiht auf 1 Ko 7,9 
poftulierte Freigebung der Ehe von Geijtlichen nicht ohne Rückſicht auf die gleichzeitige 
Verordnung des Perſerkönigs Kobadh (Cavades), die Gemeinſchaft der Frauen betreffend 
— ein Erlaß, welcher ohne Zweifel auch unter den Chriften, ja jelbit den Geijtlichen des 
perjifchen Reiches die Sittenverderbnis fehr vermehrt hatte. Die Behauptung des mono⸗ 40 
phyſitiſchen Mafrian Barhebräus bei Ass. B. O. III, I, 429, Babäus babe in feinem 
zweiten Kanon ſeinen Nachfolgern im Patriarchate bei Strafe der Exkommunikation ge— 
radezu befohlen, Frauen zu nehmen und den Biſchöfen und Presbytern geradezu geboten, 
ſich nach dem Tode ihrer Frauen wieder zu verheiraten, iſt alſo offenbar, jedenfalls 
was die höheren Grade betrifft, nur eine gehäſſige Verdrehung. 45 

Babäus’ Nachfolger waren ihm gleichgefinnt, alle Bistümer wurden mit Nejtorianern 
bejegt, und fie waren eifrig darauf bedacht, ihr Gebiet nach allen Richtungen bin zu er: 
weitern. Außer ihnen verbreiteten aber auch das Chriftentum und die neftorianische Lehre 
zablreihe Schriftiteller und namentlich die Mönche mehrerer Klöfter in Aſſyrien, ſowie 
die Zöglinge verfchiedener Schulen, die an vielen Orten gegründet wurden, die ältefte, bo 
die von Nifibis, überftrahlte bald alle anderen an Berühmtheit. Es gingen aus derfelben 
aber nicht nur gelehrte Theologen und tüchtige Geiftliche hervor, fondern auch bedeutende 
Ärzte und Philoſophen; fie überfegten die griechiſchen Klaſſiker, namentlid) Ariftoteles, 
Hippokrates und Galenus, und maren überhaupt in jenen Zeiten ber Finſternis auf 
geiftigen Gebiete fast die einzigen Bewahrer der Wiffenfchaften im Uriente und die Lehrer 55 
der Barbaren. 

Nach Arabien, in die weiten Negionen füdlih von Baläftina, Damaskus und Meſo— 
potamten, war das Ghriftentum Schon in der Anfangszeit gefommen, vgl. Pauli Aufent- 
balt in „Arabien“ dv. i. in dem Gebiete ſüdlich von Damaskus, nad) feiner Belehrung 
Sa1,17. Zur Zeit des Origenes gab es in den Städten fühlid von Haurän zahlreiche w 


* 





10 Mer ngel e ſtindien, 
des 7. — — a —— ii 
alten Tradition nt je alten 


der Evangelift der —— tli Nee) und 3 
San Be a man * hifen —— fie be Bel Thom 
15 







* 3 (im 6. Jahrh. um 
— —— * N Galfann war ein Bikhef der in 
der Se robane (Geblon) war eine Kirche mit einem in 


* einem Diakonus u. ſ. w., aber nur für Die dort jtationierten perfticher 
‚ wie Kosmas binzufeßt, die Eingebornen mit ihrem Fürſten eine andere Religion 
nad) Kosmas, um das Jahr 570, hatte der Presbyter Bödh als Periodeute: 
„ag: Indiens zu infpizieren |. Wright 1.0. ©. 123. —* aber Jeſujahl von Adinbene 
(Batr. 650—60) klagt in feinem Schreiben an Simeon, den Meitopoiten von Perſien 
da durch feine und feines Vorgängers Schuld die Kirchen von Indien ganz verwaiſ 
jeien — erſt der Patr. Tim gab ihnen einen Metropoliten — und das 
tum —* Merv in — fa —— ſei; den Lektoren aber befiehlt er, 
* Rn * nicht me — neue zu er⸗ 


ingan⸗fu ec 
De AL — en Fehr ausführliche Inſ in ſyriſcher und dhinefifcher Sprache: 

3 funden, — eine lange Liſte von Namen von — Geiſtlichen enthält und —— 
großen Ver und Blüte der neſtor. Kirche in China zur daı | | 
abl Die — wurde im Jahre 1625 von Ab Jeſuiten 
* en Echtheit mehrfach erfolgt, aber jegt wohl auf Der 

ber ni ri it ausführlich bebandelt von Ass. B.O. II, II, p. 539 Bad; 
vo Rifie On the Nestorian tablet of Se-gan foo, ©. 284. J in der 







eſſchen Inſchrift von Kara Balgassun (befamnt ſeit —* vorkommenden 
Jünger des Mo-ni nicht Neſtorianer ſondern Manichäer, ſ. Bd XII (3.9) 
.224.— Sölibhäzöchä (d. i. „ver Gekreuzigte bat gefi 2 — ernannte 
— einen Metropoliten für Ehina. Um Diebe. Er erbielten in a dt und Samar- 

d Metropoliten; in Balkh, von wo aus mehrere Biſchöfe nach China gefandt 
war jchon frühzeitig ein Bistum errichtet. In der Folgezeit verbreiteten fie ſich 

— * Tartarei. 

uſtand der Neſtorianer war in den verſchiedenen as und unter den ven 
—** egenten und Dynaſtien, welche nach und nad; den Orient beherrſchten, ein 
so ſehr verſchiedener. Vertrieben aus dem oſtrömiſchen Reiche, fanden fie — eine will⸗ 
fommene Aufnahme bei den Perſern, welche fait in fortwährender rd mit den romi⸗ 
ſchen Katfern lebten. Allein diefe Nube konnte nicht von langer Dauer fein, ba bie 
Safaniden, welche unter Wiederbelebung des zoronftriichen Kultus das parthiſche Neich 
geftürzt hatten, diefen Kultus auch nicht allein zum berrichenden, jondern zum alleinige 
55 in ihren Staaten zu machen ftrebten. Jedoch jcheinen die päteren — ieſer D 
naſtie mehr die Politik als die Religiyn im Auge gebabt zu haben, und es wurben babe 
bie Ehriften, d. i. die Neftorianer, faft nur bebrüdt, wenn Kri mit den griedhiicher 
Kaifern ausgebrochen waren. Firuz Cheroged) war vielleicht du unftig fü 














‚ii 


die Neftorianer geitimmt worden, während er die Katbolifen ausrotten KHavı 
sn fing erjt nach nach jener Nüdtebr von den Hunnen, ju denen er aus Beni,“ Sefänani 


geflohen war, Krieg mit dem hiſchen Kaiſer w vier dauerte und die 








3 
23 
B 
7 ® 
7 
se 
5 


welcher aber nur wenige Monate regierte und Mar Aba I. oder „den ro einen 
Chriftentum befebrten Magier, zum "ine Sure hatte 536—62. Diefer 
Pituegie der Ref aus bem Griedjif a , eine a Den e er. 


ingen des He, Kanbte Hirtenbriefe an die ent- 
—— Ye Giltigtei bat, —— — — Yo bie 
ag er e t t wu a er ec» 
Bijchöfe verheiratet fein dürfen; zugleich ee er die ne eanones und verord⸗ 
nete, daß man ſich fit an das micäntfche in ing 
bi. Schrift aber an die Korte des Theodorus von Mopfuefte u halten habe. Da aber 
3 vorhergehenden Schismas an vielen Orten zwei Metropoliten oder zwei Bi— 
waren, jo ſetzte er die Unruhe ftiftenden und unwürdigen Beamten ab, s0 
nn gleich Rürdigen fieß er den Älteren im Amte, der andere aber mußte bis 
Kia 30) Erledigung in feine frübere Stellung zurüdfehren. Der Patriarch Ezechiel (577 
— hielt gleich im erſten Jahre, Februar 577, eine Synode, beren er 
gegen die Mejjalianer war. Da unter Kobad und mehr noch unter 
Rufehirvan di die Monophyſiten ich in dem perſiſchen Neiche weit verbreitet he part jo er 86 
—— damals Jakob Baradäus als —— Metropolit in Stellvertretung des ein: 
gekerlerten Patriarchen einen Metropoliten des Orients Achudemes (ſyriſch eig, mars 
tn ——— Achüh d’emmeh d. i. „frater matris suae“, jo en ber 
Nehnlichkeit), den Barbebräus als den erjten a. Des Orients, anfübrt. U Dies 
zeichbab unter der Regierung von Chusrav IL., nn nad) einer Vol ge am Ende 1 
eines Lebens Chrift geworden jein und feinen Nachfolgern alle ferneren e mit ben 
riechen unterfagt baben joll. Er jelbit führte Ze. 8* mit jenen und ſcheint dann 
jedesmal die —* verfolgt zu haben Hormizd IV Sohn, und Chusrav II. be: 
zünftigten die Neftorianer ſehr, namentlich der Yebtere, Lie alle übrigen Ebriften feines 
Neiches van, 3 zu ihnen überzutreten; zulegt jedod verfolgte und bebrücte er fie, da fies 
gegen ſeinen Willen den Gregorius zum Patriarchen erwählt hatten, nad) deſſen 608 er- 
olgtem Tode er ihnen verbot, einen anderen zu wählen. So blieb der Stuhl des 
riarchen 20 Jahre erledigt, bis Siro&s an des ermordeten Vaters Stelle trat, w er 
| ı alle Ehriften glei günftig geltimmt mar. Seine Nachfolger unternahmen "ebenfalls 
an g bie Chriften, da fie mit der Sicherung ihres Thrones und Yebens vollauf wo 
Er und auch zu kurze Zeit regierten. 
den Mubammedanern fanden nur jelten Bedrüdungen der Nejtorianer ſtatt; 
— rühmen ſie ſich mehrerer Freiheitsbriefe, deren Echtheit aber jedenfalls mit 
weifelt wird. Den erſten erlangte nach ihrer Angabe der Patr. Jeſujahb von 
Gabala, welcher von 628—47 regierte und die legten perſiſchen Kriege ſah. Bon Mus 5 
ed wird erzählt, er babe mit einem neftorianifchen Mönche, namens Sergius, in 
bindung geſtanden und verdanfe diefem fein traditionelles MWiffen von den dhriftlichen 
An. So foll denn aud der gleichzeitige neſtorianiſche Patriarch Jeſujahb jelbit zu 
gegangen und von ibm einen Freibrief erlangt baben, welcher noch vorhanden 
und von Gabriel Sionita (Paris 1630) ediert worden iſi. Einen zweiten erhielt derfelbe o 









Neſtorianuer 


Hamm Son Sara oz: Treenes wur Der geiſtige Leiter von Synoden zu Boitra. 
Sr. iron ST Tanken der romücen in Verbindung; |. Sarnad 1. c. 
=, 3 rang „zı Sairzem Fass Spaten ihren Dogmen bier Eingang zu ver: 
im DD, er. Smmenar zuamam acır die Erſteren, unter den Khalifen Dehnten 
3. um os, 2 Er 5 zus um unter dem Batriarhen Mar Aba II. 
2 ar rn or Deo Zrhım Aropen zerſtreut lebenden Neſtorianer er: 
ern me un Ne Dosrnnm sn Tamaälud tand; jpäter werden auch Metro: 
son gr Bun men 2. >Fe mu Damaslus wreinigt war. Die Biſchöfe 
one ner ee D- Arne Auto rrengs unter dem Metropoliten von 
ne ‘_ mr Sprr. rmm 22 Taken, deilen ganze Weftfüfte zu Anfang 
u lm 2 ITIE ren hm mer Der Apoitel Thomas tft in einer 
ne se Done mern α ze Nm 3. Aubrbundert ſtammenden Acta 
Teumas Ir min. Ir mer Ne zoometlicen Indiens) und Begründer 
F ner rmeomam D. ymTe "nme sseereich „Thomaschriften“ nennt. Über 
P d . Tu szae Ne Thomaschriſten, Gütersloh 1877 
un > tur e2 Tıe Srrar Tzzre in India, Edinburgh and London 
x “rom DOTDOTT 2 mn Sam our Jet der perfiichen Berfolgungen 

. 1... m penromm Üvener zus Jeruſalem nah Malabar ge 

. Oo nern Drmasteormo. Sars. um 530) ſpricht von ciner Kirche 
—V————— -5723 Siioi, Der in Perſien ordiniert war, auf 

\ Ier2ze0z.noneosrohmmeomeocmem in Perſien orbinterten Pres: 
"Ta... om ur Ne dort fationierten perfiichen Raufleute, 

x 2.02 8m n. ron ihrem surfen eine andere Religion batten. 
, — wm Ar Bresbyter Bödh als Veriodeutes die 
a “te S. 23. 1243 aber Jeſujabb von Adiabene 
- Srteret an Simern, den Metropolisen von Perſien, 
SU 8ur ee on.hss Swrud Me Rirchen von Indien ganz verwaiſt 
= nr Tore enen einen Metropoliten — und das Chriften: 
" nn . amt£ptker ſei; den Veltoren aber beñeblt er, ihren 
Ser aut Brfchofen nicht mehr zu geboren, neue zu er: 

>. an sbim su jenden. Won Ghoralan aus, vielleicht 

ü on de obriſtennum auc nad China. Hier bar ſich aus 

_ . nr. nt 810. Chr, zu Si-ngan-fu ein unbeiträtbar echtes 

\ mt Inſchrift in ſyriſcher und chinefticher Sprache ge: 


. 2 0 Kamen von neſtor. Geiftlichen entbält und von ber 
soo wer Kirche in China zur damaligen Zeit Zeugnis 
te Iz25 von Den Jeſuiten wieder entdedt und iſt 

nd erfolgt, aber jeßt wohl aufgegeben. Der ſpriſche 
aa unadelt von Ass. B. O. III, II, p. 539 sqq.:; j. auch 
ame det HE Segan foo, S. 281 ff. Dagegen find Die in der 

j .1.% Baigassun (befannt feit 1895) mehrfach vorkommenden 

warnte Sendern Manichäer, |. d. U. Dani Bo XII. X 


om N Nr Biefreusigte bat geſiegt“) (Pate. 714--26) ernannte 
> „Puma. Um Diefelbe Zeit erbiehten auch Herat und Samar— 


Sl ven pe aus mehrere Bischöfe nach China geſandt wurden, 
entun errichtet. In Der Folgezeit verbreiteten fie ſich aud 


x wewwrstiltt war in Den derichiedenen Zeiten und unter den ber: 
‚ Nenettten, welche nach und nad den Orient beherrfchten, ein 
x yanswrel gie dem eſtrömiſchen Neiche, fanden fie anfangs eine will: 
Sa ever. welche faft in fortwäbrender Fehde mit den römi: 
ers Min Rube konnte nicht von langer Dauer fein, da die 
„oe Wndvtbelstung Des zoroaſtriſchen Kultus das parthiiche Reich 
se tal nicht allen zum bherrſchenden, fondern zum alleinigen 
era bien Jedoch Fcheinen Die fpäteren Regenten diefer Dr: 
oa ce Si Also im Auge acbabt zu baben, und es wurden daber 
elite AD nur bedrückt, wenn Kriege mit den griechijchen 
oa ti iKerozes war vielleicht Durch Barſaumas günftig für 
wordt enbtend er Die Natbolifen ausrotten ließ. Kavades 


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oa res Naltie pet den Hunnen, zu denen er aus dem Gefängniſſe 
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Neftorianer 729 


geflohen war, Krieg mit dem griechifchen Kaiſer an, welcher vier Jahre dauerte und die 
Veranlaſſung zu einer Chriftenverfolgung gab. Er hatte die Gemeinfchaft der Frauen 
geboten. Deshalb hatten fich die Großen des Reichs gegen ihn empört und ihn in das 
Gefängnis geworfen, aus dem er durch die Lift ferner Schweiter entlam. Sein Bruber 
Dſchamasp, welcher an feiner Stelle regierte, hob fogleich dieſes Gebot wieder auf, und 
da dasſelbe auch auf die Chriften einen entfittlichenden Einfluß ausgeübt hatte, fo bielt 
Babäus im Einverjtändnis mit Dſchamasp jene Synode, durch deren Belchlüffe er dem 
Unweſen zu jteuern ſuchte. Nach Barhebräus (B. O. II, p. 409) foll Kobad mit Hilfe 
der Griechen wieder zum ‚Throne gelangt fein und infolge deſſen die Nejtortaner mit Ge- 
walt zum Tatholifchen Glauben aurlicgefübrt haben; doch berichten die älteften Autoren 10 
nicht3 davon. Gegen Ende der Regierung des Kobad trat ein Schisma bei den Neito: 
rianern ein, welches 12 Jahre gedauert haben fol, indem zwei Patriarchen, Nerjes und 
Elifäus, von verfchiedenen Parteien zugleich gemählt wurden und jeder von beiden wieder 
Bilchöfe feiner Partei ernannte. Nachdem Serfes im Gefängnis geftorben und Elifäus 
in einer Synode von den Bifchöfen abgefegt worden mar, erwählten diefe den Paulus, 
welcher aber nur wenige Monate regierte und Mar Aba I. over „ven Großen“, einen 
um Chriftentum befehrten Magier, zum Nachfolger hatte 536—62. Diefer überjegte die 
iturgie der Neft. aus dem Srieciicen ins Syriſche, eine Liturgie, welche noch heute in 
den nejtorianischen Kirchen gebraucht wird (vgl. G. Diettrih, Die neſtorian. Taufliturgie 
ins Deutſche überfegt und erforfcht, Gießen 1903), und entwidelte, abgejeben von vielen 20 
anderen litterarifchen Arbeiten, eine außerordentliche Thätigkeit, um die Kirchenzucht zu 
heben und Friede und Ordnung aller Orten mieberherzuftellen. Er machte zu dieſem 
Zwecke Rundreifen in verfchiedene Provinzen des Reiches, fandte Hirtenbriefe an die ent- 
fernteren Gemeinden und hielt 544 eine Synode, auf welcher, mas bis auf den heutigen 
Tag in diefer Kirche Giltigfeit hat, beftimmt wurde, daß weder der Patriarch nod) die 26 
Biſchöfe verheiratet fein dürfen; zugleich beftätigte er die früheren canones und verord- 
nete, daß man fich ſtreng an das nicänische Glaubensbefenntnis, in der Erklärung der 
bl. Schrift aber an die Worte des Theodorus von Mopfuelte zu halten babe. Da aber 
infolge des vorhergehenden Schismas an vielen Orten zwei Metropoliten oder zwei Bi: 
ſchöfe eingefegt waren, jo feßte er die Unruhe ftiftenden und unmürdigen Beamten ab, so 
und von zwei gleih MWürdigen ließ er den Alteren im Amte, der andere aber mußte bis 
zu deſſen Erledigung in feine frühere Stellung zurüdtehren. Der Batriarch Ezechiel (577 
bi® 580) hielt gleich im erften Sabre, gorunt 577, eine Synode, deren Hauptgegenftand 
ein Edikt gegen die Meflaltaner war. Da unter Kobad und mehr noch unter Chusran I. 
Nuſchirvan die Monophyſiten ſich in dem perfifchen Weiche weit verbreitet hatten, fo er: 85 
nannte damals Jakob Baradäus als ölumenischer Metropolit in Stellvertretung des ein- 
ekerkerten Patriarchen einen Metropoliten des Orients Achudemes Gyriſh eig. IITITR 
ur 1387 7778 Achüh d’emmeh d. i. „frater matris suae“, jo benannt wegen der 
Aehnlichkeit), ven Barhebräus als den erſten Mafrian des Orients, anführt. Alles dies 
geſchah unter der Regierung von Chusrav I., welcher nad einer Volksſage am Ende 40 
feine Lebens Chriſt geworden fein und feinen Nachfolgern alle ferneren Kriege mit den 
Griechen unterfagt haben fol. Er felbft führte viele Ariege mit jenen und jcheint dann 
jedesmal die Ehriften verfolgt zu haben. Hormizd IV., fein Sohn, und Chusrav II. be: 
grinftigten die Nejtorianer fehr, namentlich der Letztere, welcher alle übrigen Chriften feines 
Reiches zwang, zu ihmen überzutreten; zuletzt jedoch verfolgte und bevrüdte er fie, da fie #6 
egen feinen Willen den Gregorius zum Batriarchen ertwählt hatten, nach deſſen 608 er: 
Igtem Tode er ihnen verbot, einen anderen zu wählen. So blieb der Stuhl des Pa— 
triarhen 20 Jahre erlebigt, bis Sirv&s an des ermordeten Vaters Stelle trat, welcher 
gegen alle Ehriften gleich günftig geftimmt war. Seine Nachfolger unternahmen ebenfalls 
nichtS gegen die Chrilten, da fie mit der Sicherung ihres Thrones und Lebens vollauf so 
zu thun hatten, und auch zu kurze Zeit regierten. 
Unter den Muhammedanern fanden nur felten Bedrüdungen der Neftorianer ftatt; 
im Gegenteil rühmen fie fich mehrerer Freiheitsbriefe, deren Echtheit aber jedenfalls mit 
Recht bezweifelt wird. Ten eriten erlangte nach ihrer Angabe der Patr. Jeſujaht von 
Gadala, welcher von 628—47 regierte und die letzten perſiſchen Kriege ſah. Von Mu: 56 
mmed wird erzählt, er habe mit einem neſtorianiſchen Mönche, namens Sergius, in 
erbindung geſtanden und verdanke dieſem ſein traditionelles Wiſſen von den chriſtlichen 
Lehren. So ſoll denn auch der gleichzeitige neſtorianiſche Patriarch Jeſujahb ſelbſt zu 
Muhammed gegangen und von ihm einen Freibrief erlangt haben, welcher noch vorhanden 
und von Gabriel Sionita (Paris 1630) ediert worden iſt. Einen zweiten erhielt derſelbe eo 


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132 Neftorianer 
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Denhä Bar Mämä mit Hilfe des einzigen noch übrigen Metro lite, Ananjeiu, die 
ürde in Anſpruch. Cs —— Nic daran die drei nod übrigen 


2 Biſchofe von Arbela, Salamäs und Adherbaidſchan mit Pri n und i 
Y in® und wählten den | —* Sulläka, Mönd oder Abt des Alofters 
Hormiz ’ zum Dar Dana’ Um dieſer Wahl einen befonberen Nachdru — 





ig * Jahre 
erwählte Part XL. abermals einen —— ee in Amid vefibierte 
jeine Vorgänger, und fich Joſeph nannte. Diejen Namen führen von da an —— 
10 tria der mit der römifchen Kirche unierten Neftorianer, der ſog. Chalbäer. — 
des chaldäiſchen Patriarchen wurde 1830 von Moſul nad) Bagdad verlegt. — 
der Sprengel 4 Erzdiöcefen und 17 Didcefen mit etwa 33000 Seelen; vgl 
Orbis terrarum catholieus 1890 S.165—171. Inzwiſchen iſt es bei der riarchen— 
wahl nicht ſelten zu Streitigkeiten gekommen, und dann Rom ein und beeinflußt 
45 fo das innere Leben der neitoriantchen Kirche. Am allgemeinen batten übrigens ti 
Brälaten der römischen Propaganda bis in die Tage der Aſſemani — 
fallende Unfenntnis von ben etfächlichen Verhältnifjen der ortentalifi 
eigten eine dem entſprechende Ungeſchicklichkeit in den Unionsverhanblu 
* Tendenz heraus, alles zu latiniſieren. Dies erſieht man beutli 
50 gebrudt vorliegenden (nit ganz vollftändigen, für Nom Oianifhen Kin 
Sammlung der zwifchen dem heiligen Stuble und ber neftorianischen = her 
der Union getverbfelten Driginaldo mente aus den Archiven Des und b 
paganda, darunter viele forifche Urkunden, herausgegeben = "Sam Giamil (f. oben 
bei Litteratur). Des in Nom lebenden * ebers a Tendenz, Die römi- 
55 ſchen Bejtrebungen zu fördern, beraubt ibn des! Perftändni 2 * Die l bewunder 
werte, ſelbſtſtändige Entwickelung und eigentliche Blütezeit feiner Kirche; er übert bt Die 
nen mit Stillſchweigen. > 
Es erijtiert alfo ſeit Ende des 17. Jahrhunderts ſowohl —— arch Für Diel 
bäer, welcher i in Moſul reſidiert, als ein anderer für die nicht Neſtorianct, de 
so den Namen Simeon führt, ſich aber ebenjo „Patriarch der Chaldäer“ nennt. Lebter 











— — 


732 Refterianer 


den zwei gleichzeitigen Schreiben des jakobitischen Patriarchen Ignatius und des Mafrian 
Johannes. — An den Patriarchen Sabballaha (1281— 1317) hatte der Bapit Nikolaus IV. 
im Jahre 1288 ein Schreiben nebit Glaubensformel gejandt, und fein Nachfolger Bene 
dikt XI. erhielt von demfelben im Sabre 1304 ein Antwortfchreiben, worin er die römifche 
b Kirche „Die Mutter und Lehrerin aller anderen“, den Papſt aber, den „Oberbhirten der 
ganzen Gbriftenbeit” nennt. Doc ſchließt Affemanı aus diefen Außerungen ſowie dem 
beigelegten orthodox fcheinenden Glaubensbefenntniffe mit viel zu großer Sicherheit, daß 
der Neftorianer ich der römijchen Kirche angejchloffen babe. Jedenfalls hatte dies feinen 
weiteren Einfluß auf feine Nachfolger. Dagegen ſteht feit, daß unter Papſt Eugenius IV. 
to füntliche Neftorianer auf der Inſel Cypern 1445 mit ihrem Metropoliten Timotbeus von 
Turfus dur den Miffionar, Erzbiſchof Andreas, zum Übertritte bewogen worden find. 
Kine nacbaltigere Vereinigung mit der vömifchen Kirche fand in der Mitte des 16. Jahr: 
bunderts jtatt. Die Neftorianer tvaren damals ſchon auf ein Kleines Häuflein zufammen- 
geſchmolzen, welches — abgejehen von den Thomaschriften in Indien — mit wenigen 
1» Bifchöfen fajt ganz auf die Turdifchen Gebirge zurüdgedrängt war. Das Patriarchat mar 
frit geraumer Zeit ſchon erblich geivorden, indem den Cheim der Neffe zu folgen pflegte. 
Als der Patriarch Simeon Bar Mämä 1551 geitorben war, nahm deflen Neffe Simeon 
Denhä Bar Mämä& mit Hilfe des einzigen noch übrigen Metropoliten, Ananjefu, die 
Yatrtanbempürde in Anspruch. Es verjanmelten fid) aber darauf die drei noch übrigen 
so Wijchöfe von Arbela, Salanıds und Adherbaidſchan mit Prieftern, Mönchen und Gemeinde: 
vorſtehern in Moful und wählten den Johannes Sulläk&, Mönch oder Abt des Klofters 
Hormizd, zum Patriarchen. Um diefer Wahl einen befonderen Nachdruck gegen jenen Sı- 
won Denba Bar Mama zu geben, fandten fie ihn zur Weihe nad Rom, wo er von 
Julius IL. als Patriarch der Chaldäer proflamiert wurde. Indeſſen, nach Moſul zurüd: 
sa gefebrt, erlebte er 8, daß der Pafcha von Dijär bekr(Amid) ſich gegen ihn und für 
Simeon Denhä entjchied, und fo wurde er ſchon nach zwei Jahren, edenfalls auf Anitiften 
feine Hegenpatriarchen, in Amid (Diarbefr) gefangen genommen und im Gefängnifie 
ermordet. Sogleich wurde ein anderer an feine Stelle erwählt, und fo erhielt fich dieſe 
katholiſche Partei genen 100 Jahre und betbätigte ihre Verbindung mit Rom durch Über: 
so ſendung von Slaubensbefenntniffen. Sener Simeon Denha hatte aber deshalb, da er bie 
treu gebliebenen Neſtorianer binter fich hatte, fein Patriarchat nicht aufgegeben, ſondern 
bebielt 8 bie au feinem Tode 1559, worauf feine Anbänger fogleich einen anderen er: 
walten, welcher ebenſo wie feine Nachfolger den Namen Elias führte. Der mit Bapit 
RPaul V. gleichzeitige neftorianische Patriarch fandte in den Jahren 1607 und 1610 auf 
ko Aufforderung des Papſtes Schreiben mit ortbodoren Glaubensbefenntniffen nach Rom, 
wid gewährte 1617 Kurz vor feinem Tode auf einer Synode zu Amid die Forderungen 
tes Rapſtes, ſeine Nachfolger entjagten aber wieder der Vereinigung. Im Jahre 1684 
erwablte Papſt Innocenz XI. abermals einen Patriarchen, welcher in Amid refidierte mie 
ſeine Vorgänger, und fi \\ofepb nannte. Diefen Namen führen von da an alle Ba: 
wo hriarchen Dev mit der römiſchen Kirche unierten Nejtorianer, der ſog. Chaldäer. Der Sit 
dev chaldäiſchen Patriarchen twurde 1830 von Moful nad) Bagdad verlegt. 1888 umfaßte 
ber Zprengel 6 Erzdiöcefen und 17 Diöcefen mit etwa 33000 Seelen; vgl. Werne, 
Orbin terrarum ceatholicus 1890 S. 165--171. Inzwiſchen ift es bei der Patriarchen: 
wabhl wicht ſelten zu Streitigfeiten gelonmen, und dann griff Rom ein und beeinflußte 
ba ſo dus innere Leben der nejtortanifchen Kirche. Im allgemeinen hatten übrigens dic 
Yale der vömifeben Propaganda bis in die Tage der Aſſemani hinein eine auf 
fallende Unkenntnis von den tbatfächlichen Berbältniffen der orientaliihen Kirchen und 
zeigten wine dem entfprecbende Ungefchidlichkeit in den Unionsverhandlungen aus ber ein: 
ſelligen Jendenz heraus, alles zu latinifieren. Dies erfieht man deutlih aus der jebt 
A gebrudt vorliegenden (nicht ganz vollftändigen, für Nom Unliebfames ift weggelaſſen) 
—IAmmlung Dev zwiſchen dem beiligen Stuble und der neftorianifchen Kirhe in Saden 
ter Union gewechſelten Originaldofumente aus den Archiven des Vatikans und der Pro: 
paganda, Darunter viele furifche Urkunden, herausgegeben von Samuel Giamil (f. oben 
bei vuteraturſ. Des in Mom lebenden Herausgebers ausgefprochene Tendenz, die römt- 
a ſchen Veſtrebungen zu fürdern, beraubt ihn des Verjtändnifjes für die lange, beivunderns- 
werte, ſelbſtſtandige Entwickelung und eigentliche Blütezeit feiner Kirche; er übergebt diefe 
Meriode mit Stillſchweigen. 
Wo eriſtiert alſo ſeit Ende des 17. Jabhrhunderts ſowohl ein Patriarch für die Chal: 
däer, welcher in Moſul vefidiert, als ein anderer für die nicht unierten Neftorianer, der 
den Namen Simeon führt, ſich aber ebenjo „Patriarch der Chaldäer” nennt. Xeßterer 


Neftorianer 733 


bat feinen Wohnſitz in dem faſt unzugänglichen, in wilder Gebirgsgegend verftedten 
Thale von Kotannes im kurdiſchen Gebirge, nahe bei Dichulamarg am mittleren Xaufe 
des großen Zäb, an der Grenze Perfieng und der Türkei. 

Hier im kurdiſchen Gebirge und dann in der Ebene am Sce von Urmia tft über: 
haupt, abgejehen von wenigen Gemeinden in Oftindien, heutzutage alles zufammengedrängt, 5 
was ſich ala kümmerlicher Reit der einjt Mittel: und Hocafien umfpannenden neftoria- 
nischen Kirche noch erhalten hat. Sim Jahre 1833 wurde die Zahl der dortigen Nefto- 
rianer auf 14054 Familien oder 70000 Seelen angegeben (Smith and Dwight 1. c. 
II, p. 218sq.). In diefem abgelegenen, übrigeng gewiß ſchon feit alten Zeiten (4. B. 
Er 1111 n. Ebr., |. Aſſem. II, 449) von neftorianifhen Syrern bewohnten Gebiete 10 
ind die Nejtorianer feit 1834 von amerikanischen Mifftonaren, Perkins, Stoddard u. a., 
aufgefucht worden und dieſe haben durch eine umfichtige, in jeder Hinficht ſegensreiche 
Thätigfeit unter den Neitorianern nicht wenig dazu beigetragen, daß diefer Reit neltoria= 
nischen Glaubens nicht auch bereit? von der umlagernden römischen Miffion abforbiert 
worden ift. Gegen die Amerikaner entfandte Nom die Dominikaner nad) Mojul, deren ı5 
Wirkſamkeit dort noch im Jahre 1875 den Patriarchen Sofepb VI. Audo zu lebhaften 
Klagen (f. Giamil ©. 424ff.) nah Rom veranlaßte; darauf wurde er durch eine En- 
cyklika mit dem Banne bedroht. Diefe amerikanische Miſſion brachte dem Abendlande 
auch die erfte Kunde von der intereflanten Thatfache, Daß diefe Neftorianer in Kurbiftan, 
in der Ebene von Moful und in Urmia noch einen Dialekt der alten aramätfchen Sprache ao 
als Mutterfprache im lebendigen Gebrauch hätten — eine Thatjache, welche bei der 
Überflutung des Gebiets durch andere Sprachen, bei. das Perfifche und Kurdifche, nur 
aus der Anhänglichleit der Neitorianer an ihren alten Glauben und deſſen Neligions- 
bücher in altiorifcher Sprache zu erklären iſt. Die Miffionare haben diefen Volksdialekt 
nach Errichtung einer Druderprejfe in Urmia fünftlidy zur Schriftiprache zu erheben ge: 3 
wußt, und es find in diefer gewöhnlich „Neufyriich” genannten Sprache — übrigens 
feiner unmittelbaren Tochter des Altſyriſchen — abgejehen von der Bibel A und NT 
eine ganze Reihe von Überſetzungen englifcher Erbauungsbücher, 3.8. von Bunyan, The 
pilgrims progress (Urmia 1848), von Barter, The saints’ everlasting rest (ibid. 
1854) u. a., ſowie felbitftändige theologifche Traftate, Erzählungen, ja auch eine Monats- 30 
fchrift zur Beförderung der Volfsbildung aus der Miſſionspreſſe hervorgegangen, bejon- 
ders unter der Leitung des verdienten Rev. Perkins. Die Hebung der ziemlich tiefftehenden 
Moral diefer neftorianischen Bevölkerung, deren Charakter unbeitändig und ſinnlich iſt und 
die zu allerlei Aberglauben neigt, ift übrigens eine ſchwere Aufgabe für die Mifftionare. 
Doch fchreitet die Bildung vor; ſonſt fonnte von 200 Neftorianern faum einer lejen und 36 
jchreiben, was jest anders it. Im Jahre 1853 gab der gelehrte Miſſionar Stoddard 
die erite zufammenbängende Darjtellung von diefem in vieler Hinſicht dem Altjyrifchen 
gegenüber originell geformten Tialefte in feiner Grammar of the modern Syriac 
language (in Bd V des Journal of the american oriental society). Auf biejer 
Arbeit und einer Reihe der erwähnten neufyriichen Terte bafiert die meifterhafte „Sram: 40 
matik der neufgrifchen Sprache” von Theod. Nöldefe, Leipzig 1868, die erfte wiljenihaft- 
liche Bearbeitung des Neufyrifchen. Seitdem iſt das jprachlihe Material durch Prym⸗ 
Soein, Duval, Sabau, Lidzbarsli (Die neuaramäifchen Handfchriften der Kal. Bibliothek 
zu Berlin, Bd 1. 3 mit inhaltlich interefjanten Märchenterten) u. A. fehr erweitert und 
die Thatjache feitgeftellt worden, daß die lebende Sprache wieder in mehrere Dialefte, 4 
namentlid) nach dem Gebirge und der Ebene geichteden, die eriteren Dialekte mit volleren 
Formen — zerfällt. Dem jegigen Wiſſen entjpricht die Srammatif von A. M. Maclean 
(Grammar of the dialects of vernacular Syriac, Cambridge 1895) und desfelben 
Verfaſſers Dictionary of the dialects of vernacular Syriac, Orford 1901), — 
Conft jchreiben die fchreibfundigen Nejtorianer und „Chaldäer”, 3. B. in Briefen an oo 
Abendländer, ein mehr oder weniger korrektes Altſyriſch, ſ. als Probe die Patriarchen: 
briefe in Bd 2 der Zeitjchrift für die Kunde des Morgenlandes, ©. 229 ff. ſowie Joſeph 
Guriel (d. i. Gabriel, chald. Patriarch), Elementa linguae chaldaicae, Rom. 1860. 
Altſyriſch find auch die liturgischen und fonftigen Ritualbücher der Neftorianer und Chal⸗ 
däer, deren mehrere in diejem und dem vorigen Ssahrhundert in der Propagandapreffe zu 55 
Hom gedrudt worden find, 3. B.ordo chaldaicus ministerii sacramentorum sacro- 
rum, iuxta morem ecclesiae malabaricae, Rom. 1845. Die Namen der 8 Rang: 
Haflen des Klerus bei den Chaldäern find: 1. katholik& oder patrijarkä, 2. mutran 
oder metropolitä, 3. episkopä, 4. arkidjakonä, 5. kaschschischä, Prieſter, 
6. schammäschä, Diafon, 7. huhpodjakonä, Subdiaton, 8. kärojä, Vorleſer. — co 


Leriurianer 


77 2er Int oftforiichen Zweige Der ſyriſchen Zunge an 

- ° 2 Teroen wie es dor allem die Jakobiten vertreten, 
„  en.xcner Der Ausſprache, wie bärtere Pronunciation 

„2 selere der Vokale (reines & ftatt Ö, ö jtatt ü). 

° zmezensurden leben Die Neſtorianer faft ſtets in offener 

i .z RNoſul jeben den Anfendungen mit bämifcer 
78.2 und 1846 wurden fie von jenen Durch ein fürd- 
“nz, 20 welchen Die fanatifierten Kurden unter ibrem 
nuran am BONN Neftorianer jedes Alters und Geſchlechtes 
z.r2 oben) beſuchte bald darauf Die Gegend und giebt 
- m Wucht unbemerkt bleibe übrigens, daß Die Bejucher 

. nme spart judenchriftlichen Charakter betroffen wurden, 
.„. war Schismatiker noch jegt bervortritt und auch aus 
denen ijt. Damit baben aljo die Neitorianer bis beute 

Zus der alten oſtſyriſchen Kirche bewahrt, Die, auf einem der 
Soon aufgebaut, von jeber einen Zug zur Seftenbildung 

Die Homilien und Nefognitionen des Clemens Nomanus, 

re Neftortaner bezeichnen ſich (außer als Chaldäer) als 
eo VNeſſias, ale Nasräni (arab. d. i. Chriſten), Syrer, 
Zengiien. Die Bezeichnung „Neftorianer”, Die ihnen ver: 
zen wrfallen die heutigen nordmeſopotamiſchen Neftorianer 
nn, Bechöfen u. ſ. w, |. von Funk, in WW 2. A. Art. 


orten Multuseigentüntlichkeiten gehört die Abneigung gegen 
mt allein deren Verehrung, jondern auch die einfache Auf: 
.... va Die Melfiten und Jakobiten. Nur das Kreuz und das 
pt ıbren Gottesbäufern.  Ubrigens iſt ihre Saframentenlebre 
ide aus der Kirche ſchwankend. Ibhre mittelalterlichen 
.. >, Siebenzahl, aber deren Inhalt iſt nicht derſelbe wie im der 
m. m Timotheus II. (1318-—-1360) ſchrieb (nach Assem. B.O. 
| aber Die 7 Sakramente unter den Überichriften: 1. de 
..„meratione ecclesiae et altaris; 3. de baptismo et sacro 
‚..» sau’äihentis corporis et sanguinis; ». de benedietione mo- 
tue ro defunctis; 7. de sacramento desponsationis; dazu 
A.A euil3!a seu poenitentia et remissione peccatorum. Aſſemani 
ran wur 3 Zaframente, nämlid Taufe, Cucariftie und Ordi— 
. Aciterianern iſt das Abendmahl eine magische Ceremonie mit 

an — 
20.» de Faſten der Neſtorianer. Der Genuß von Fleiſch iſt für 
nn Zoyrpnterletich ejfen je, wie Die Juden und Muslime, überhaupt 
022,90. ar ihnen ein Wochentlicher Feiertag, ebenſo wie der Sonntag. 
'.. napie, ſie wiſſen nichts vom Fegefeuer. Ihren Prieſtern ift Die 


n 


st 


as Degen, in Zitten und äußeren Gebräuchen baben Die heutigen 
aan, Die Neſt. Der Ebene äbneln in der Tradt den Ver: 
yaeteert ſind Die Beinkleider und Die runden Hüte Es finden Jic 


Nas 


un. .n. 8 


» N u I » eo . . .. - 
\ So wgenettent intelligenter und begabter find als ibre Brüder auf den 
—grde Brlüchter, aber nicht von jüdiſchem Typus; fie baben fehr oft 
- Toner Mugen Die Geſichtsfarbe der Bergbeivohner iſt ge 


5 RAWtull. Intereſſant ſind ihre Hochzeitsgebräuche, ebenſo einige 
77 a, die in der Urmia⸗Ebene wenigſtens mit ausgelaſſener Luſtig⸗ 
we ange Haufereien begangen werden. Die Bergbewohner haben zur 
0. ar art Viehzucht. Sie tragen gejtreifte Jacken, umſäumte Mützen 


Nun ST Taex um Die Straßen ihrer Sebirgsortichaften, Die mehr jteinige 
nn ss vvaltigen zu fünnen. Die Wiebberden werden im Zommer 

" PUT. — . > - “ " - R - ne 
an Nut x alfüch großartig alpinen Landſchaft gebracht, wo jie aber 


' . ‚ua AIR: | 1a : 
NEN E15 RN Se omiieht ſind. In einzelnen Tbälern, bejonders denen am 


un at Die gewöhnlichen Häuſer find böchſt armjelig, oit 

Ni N xtebend und bin und wieder unterirdifch angelent. Ihre 

— Darcedner meiſt ſelbſt. Sie verdienen ſich eine Kleinigkeit 
R 


N Zn 


Neftorianer 7135 


dur) Sammeln von Galläpfeln, die fie dann verkaufen, berühmt find fie aber durch ihre 
Korbmacherei, namentlich der Diftrift Tſcheba; Korbmacher aus dieſer Gegend durchziehen 
ganz Weſtaſien. Sonſt wird Handſpinnerei und Strumpfwirkerei getrieben, worin auch) 
die Briejter jehr beivandert find. Die Nahrungsbeihaffung ift in dem nejtor. Gebirge ſehr 
fchwer; die Bewohner find, da der Weizen nicht gut auf den künſtlich hergeitellten Ter- 5 
rafjen gedeiht, angewieſen auf Hirfebrot, geröftetes Mehl, getrodnete Maulbeeren ; font 
Milch und deren Produkte; auch Bienenzucht wird getrieben. Bei aller Armut, die die 
Leute zwingt, zeittveife auszutwandern, um nach einigem Erwerb wieder in die lieb behal: 
tene Heimat zurüdzufommen, find fie höchſt gaftfreundlih und teilen millig mit dem 
Fremden den legten Biſſen. — Der Klerus, der übrigens von feinen Gemeindeleuten mit 10 
deren Anhänglichfeit an den alten Glauben, auch durch Handkuß und durd) die fonjt im 
Drient nicht übliche Begrüßung durch Xüften der Mützen, boch verehrt wird, iſt höchſt un- 
wiſſend und kümmert fih um die Volfserziehung Kan gar nicht. Die Bergneftorianer 
ftehen unter erblichen Dorficheichen, genannt (arab.) melik, d. i. Könige. Die bürgerliche 
Gerichtsbarfeit bat der Patriarch in Kotannes. 15 
Es erübrigt noch eine nähere Mitteilung über die Neftorianer Jndiens Die 
„Zhomaschriften” in Indien erhielten zuerft unter dem PBatriarchen Timotheus (778 bis 
820) einen Metropoliten und von diefer Zeit an auch ihre Bilhöfe unmittelbar vom 
Patriarchat. Sie erlangten von den einheimifchen Fürften bedeutende ‘Privilegen, welche 
groenteils aus dem Anfange des 9. Jahrhunderts berrühren und auf Thomas Kananäus, 20 
auch Mar Thomas genannt, zu bezieben find, der aber wahrfcheinlich nicht Biſchof, fon- 
dern ein fehr begüterter und einflußreicher Kaufmann war. Durd) diefe Privilegien und 
ihre große Vermehrung gelangten ſie allmählich dazu, einen eigenen Staat zu bilden und 
eigene Könige zu ernennen, nadı deren Ausjterben ihr kleines Neich durch Erbichaft an 
die Beherrſcher von Kochin überging. Durch die Streitigkeiten und Kämpfe der kleinen 25 
indischen Fürſten untereinander, welche die Muhammedaner gefchidt zu ihrem Vorteile 
benugten, wurden die Thomaschrijten jehr gedrüdt und boten deshalb 1502 dem dort ge: 
landeten Vasco de Gama die Krone an. — Ihre Verbindung mit dem neftorianifchen 
triarchat jcheint bald unterbrochen worden zu fein. Um 1120—30 ſoll ihr geiftliches 
berhaupt, Johannes, nach Konftantinopel, um dort den Biſchofsmantel fich zu erbitten, so 
gelommen und von da nach Rom gereilt fein. Später war die indiſche Kirche ganz ver 
waiſt, jo daß nur noch ein Diakonus übrig war, welcher alle geiftlichen Funktionen zu 
verrichten hatte. Daber wurden 1490 Georgius und Sofeph zu dem neftorianischen Pa: 
triarchen Simeon gefandt, um ſich einen Biſchof von ihm zu erbitten. Beide wurden zu 
Prieſtern ordiniert und ihnen die beiden Mönche, Thomas und Johannes, als Riſchote 35 
beigegeben. Johannes blieb in Indien und refidierte in Kranganor, Thomas aber Tehrte 
bald zurüd. Der Patriarch Elias (geit. 1502) fette 3 Mönche, Jahballaha als Metro: 
politen, Jakobus und Denha als Bifchöfe ein und jandte fie mit Thomas nach Indien. 
Sie fanden Mar Sobannes noh am Leben und berichteten dem Patriarchen, daß fie 
an 30000 chriftliche Familien dort gefunden hätten, weldye in zwanzig Städten zeritreut 40 
lebten, am zahlreichiten in Garangol, Valor und Colom, aber chriftliche Kirchen jeien in 
allen Städten, Ass. B.O. III, II, 446—451. Spätere portugtefifche Berichte geben 
teilweife nur 16000 chriſtliche Familien an. Bald verarmten fie fehr, gedrüdt von ver: 
fchiedenen Seiten, daher jie die Portugiefen um Schuß baten, und ihnen verfprachen, den 
König Emmanuel als ihren alleinigen Herrſcher anzuertennen. Dies gereichte zu ihrem 45 
DVerderben. Denn bald wurden fie wegen diejes Schuges von den einheimischen Fürften, 
bald aber auch von den VBortugiejen felbjt hart bevrüdt. Es kamen päpftliche Emilläre, 
namentlich Jeſuiten, welde Yilt und Gewalt anwandten, um fie dem Papſte zu unter: 
werfen. Der Erzbiihof von Goa, Alexius Menezes, zwang fie mit Gewalt, die Bejchlüffe 
der 1599 zu Diamper gebaltenen Synode anzunehmen, fo daß nur wenige Gemeinden co 
in den Gebirgen treu und ſtandhaft bei dem Glauben ihrer Väter verharrten. Die Geift- 
lien der Thomasfirche ertrugen die durch die Union ihnen auferlegte untergeordnete 
Gtellung und die Abhängigkeit von den Jeſuiten mit Widermillen. Aber im Jahre 1653, 
faft zu derſelben Zeit, wo das chaldäische Patriarchat wieder einging, fehüttelten auch die 
mit Gewalt zu dem Übertritte Gebrachten in einem allgemeinen Aufitande das römifche s5 
Joch der ihnen verhaßten Jeſuiten wieder ab, welches ihnen wieder aufzubürden ſeit diefer 
Zeit die Barfüßer-tarmeliter mit mehr Eifer ald Glück ih bemüht haben. Seit 1665 
verbreitete ſich auch die jakobitiſche Nichtung unter den ſchismatiſchen, nicht mit Rom 
unierten Thomaschriften, als, vom Batriarchen Ignatius von Antiochien gejandt, der ja: 
fobitifche Metropolit Gregor von Serufalem an der Malabarfüfte erſchien und für Die co 


736 Neftorianer 


eutychianiſche Lehre, als das direkte Gegenftüd der bisher 
l An um, die 
Anden When da Er — 







Die Zahl der Neftorianer in Kurdiftan und Perfien ift nach Ouffani 1 
etwas — 150.000 mit 250 Kirchen, 12 — und —— und über 300 Prieſter 
die Zahl der „Chalväer” über 100000 mit 150 Kirchen und über 250 Prieftern. In 
Indien find etiva 120000 Neftorianer und 250000 mit Nom Unierte nad) J.B. Chabot, 

ı5 Les chrötiens de Malabar Rev. de l’Or. ehröt. 1, 406 ff. 


(Betermann +) 8. Kefler. 


—— Patriarch von Konſtantinopel (geft. nad) 439) und ber neſtoria— 
niſche Streit. — J. Garnier, Praefatio historica in posteriorem partem operum Marii 
ur und dissertationes tres de haeresi et libris — de synodis ..., de libris a 
20 defensoribus fidei eodeın tempore conscriptis (Opp. Mari Mereatoris,, Paris — 
P. I-LX u. 281 - 364 * — L. Douein (8. J., geſt. 1726), Histoire du Nestorianisme, Pari 
— Tillemont (gejt. 1698, vgl. db. W.), M&ämoires pour servir ete., bejonders tom. XIV ı 
Acacius von Bervea, Corill, Proft ——— —— de Venise 1732. — 7.8. (vgl 
A. Bd II, 144— 146), talis I—III, Nom 1719-1728. 2%. a. Fabricius 
25 Bibliothen graeca (u70s nes, * nova von ®. Ch. Harles X, 529-549, Hamburg 
1807. — €. 3. F. Wald, Entwurf einer volljtändi —— —* Regereien u 289 — 936 
Leipzig 1770. — 3. Hefele, Konziliengeihichte IT?, Freiburg Se 
der Kirchengeſchichte I*, bearb. von H. v. Schubert, übingen pi Bei J 
die Litterafur vor den Artikeln „Chriſtologie, Kirchenlehre“ (Bd —5 von 
30 Alexandrien“ (Bd IV, 377), „Dreisfapitelftreit” (Bd V, 21), „Eutyches“ BY 
Quellen: Die Akten des Ephejinum und die ihm eingefügten Biete aus = Beit vor 
der S obe Mn IV u. V) jowie verwandte Dokumente in ben —* —— 

u. VII) und des Dreifapiteljtreitö (Mansi IX). — Die Werfe E br 
ipeziell Die antineftorianifchen Schriften (MSG 76) und die Briefe 
35 * Reſte der Werfe des Neſtorius (vgl. unten Wr. 3), — Die Opera (vgl. 

db XII, 342—344; fe dürfen, wenn Verwirrung vermieden — ſoll, nicht nad) 
Garnier [= MSG 48], ion tn nur nach Baluze Mar. Merc. upp., Paris 1684] eitiert 
— — Joannis Cassiani (vgl — Bdb III, 746— 749), de incarnatione eontra Nestorium 
.M. Petichenig (CSEL vol. — Die Urkunden und Briefe in dem — 
40 * b. der zur Zeit bes Dreitapitefftrei veranstalteten lateimijchen Ueberjegung ausgen F ie 
und mit Zwiſchenbemerkungen verjfehener] Abſchnitte aus der „ “ bes Sreni 
rus (vgl. Bd V 638, 26ff.), zuerſt ediert von Ch. Lupus (®oli, O.8. Aug, gef 
Ad Ephesinum eoneilium variorum patrum epistolae Löwen 1682; eg bei 
_V, 731—1022). — Theodoret3 Werke, befonders die Streitihriften und ERS — 
45 MSG 80—84). — Vincentius x, 008 Commonitorium mp ee 
richte (vgl. Fabricius-Harles 538—543) bei Gofrates e, T, ff.) — 
— bularum —— ium (4, 12 zeoi — uhe lv. a 365 fj., einem 
Nbjchnitt, den man nur von Theodoret herleiten kann, wa man —— für einen ve 
Re ar Hält), bei — v. — anz (vgl. d. A. Bo XI, 394 5), 9 
cd. ee — (h. e. 6, 2 p. ish), bed JIeju (vgl. d. A. 
* et iblioth ECH N III, 1, u.a. 


1. Schon Luther, der in jeiner Be „Bon den —— —* 
25, 302 ff., 2. Aufl. ©. 362 ff.) zuerft dem Nejtorius mehr G bat 
laffen, als es im großen und ganzen (anders Soer. 7,32, — ele 
55 Anm. 4) in den Jahrhunderten vorher ber a geweſen war, fühlte fi id a je 
dem Streit, der mit dem Namen des Neftorius verknüpft ift. Die 
feinen Bifchöfe, jo meinte er (EAN 25°, 362), feien dabin geweſen und an ib 
gar ungleiche Väter aufgekommen. Auf das „böje Gebeiß“, 3 
habe, wendete er Giceros Wort an: Jam diu torquet — Verb 
co graeculos, eontentionis cupidiores quam veritatis (a. a. O. ©. _ Unje 
enntnig der eriten, Yutber = unbekannten Quellen nötigt uns, nod ' = 
urteilen. Die Überlieferung über feine der altkirchlichen Sehrftreitigfeiten a J ich 























| —F 
le | 


Reftorins 737 


durd blinden Parteihaß wie die über den neftorianifchen Streit ; ein Bartei-Coneiliabulum, 
das gewiß nicht unter dem Einfluß des zvevua dAndelas ftand, das cyrilliiche Konzil 
von Ephefus i. J. 431, ift zur dritten heiligen öfumenijchen Synode geworden; und ber 
Mann, deilen ftrupellofe Rückſichtsloſigkeit es fertig brachte, auf dieſem Konzil die ihm 
zugedadıte Rolle des Amboß mit der des Hammers zu vertaufchen, Cyrill von Mlerandrien, 6 
gilt ald einer der größten unter den „heiligen“ Vätern, während fein ihm fittlich gewi 
überlegner Gegner Neſtorius nur in einer jet gänzlich verfallenen Gegenkirche (vgld. A. 
Neftorianer) ein Andenken als „Heiliger“ bebalten bat, in der großen Chriftenheit aber 
einer der verfluchteiten Ketzer geworden ift. Katholischer Gejchichtöbetrachtung find bier die 
Augen gehalten ; doch dem, der ſehen Tann, müfjen nad) den primären Quellen die Dinge 
ſich anders darſtellen, als es der Firchlichen Tradition entfpriht. Schon viele ältere 
Vroteftanten (vgl. die Verweiſe bei Giefeler KG I’ S.457), ſpäter Ch. W. F. Wald) 
und G. D. Fuchs (Bibliothef der Kirchenverfammlungen III und IV 1783 u. 84) und 
zurüdhaltender zahlreiche neuere evangelifche Kirchenhiftorifer haben ähnlich geurteilt. — 
Da der allgemeine dogmengefchichtlihe Rahmen der Streitigfeit fchon in dem M. 
„Shriftologie” (Bd IV, 47, 2°—51, 9) gezeichnet iſt, und der Streit feit der Union von 
433 jchon in dem U. „Eutyches“ (Bo V, 636, 46 ff.) eine kurze Beiprechbung erfahren bat, 
fo handelt e8 ſich bier nur um den Verlauf des neftorianischen Kampfes bis zur Union 
von 433 und um die perjönliche Geſchichte des Neſtorius felbit. 

2. Als Atticug von Konftantinopel, der zweite Nachfolger des Chryfoftomus (vgl. 20 
Bd IV, 107,2), am 10. Oftober 425 geftorben war (Socr. h.e. 7,25, 21), find nad 
Sofrates (7, 26) zwei Presbyter, der neuerdings mehrfach genannte Philippus v. Side (|. d. A., 
vgl. TU V, 2 ©. 165ff.) und Proklus, die Gegenkandidaten des neu ertwählten Biſchofs 
Siſinnius geweſen. Und diefe Nachricht des Sofrate® ruht zweifellos (vgl. Soecr. 
7,26, 5) auf der yowomarıxn loropla des Philippus felbit. it fie demnach zuverläffig, 25 
fo wird man auch der Angabe des Sokrates (7, 29, 1) trauen dürfen, daß nach) dem 
baldigen Tode des Sifinnius (geit. 24. Dez. 427; Soer. 7, 28,4) jene beiden abermals 
die Kandidaten je einer zahlreichen Gruppe von Konitantinopolitanern waren. Proklus war 
freilich inzwifchen von Sifinnius zum Biſchof von Cyzicus ordiniert; aber die Gyzicener 
batten nicht Luſt gehabt, von Konftantinopel einen Biſchof fich ſchicken zu laſſen: fie hatten, 30 
ebe Proflus kam, einen andern eingeſetzt (Soer. 7 28, ıf.). Proklus war in Ronftantinopel 
geblieben und hatte in den Kirchen der Hauptitabt Proben feiner blumenreichen Kanzel: 
rhetorik gegeben (ib. 7, 28,3). Daß er nad) dem Tode feines Gönners Sifinntus in 
Hoffnung auf den Bilchofsftuhl machte, den er nach einem dritten vergeblichen Kandi- 
dieren (Soer.7, 35, ı) bei dem vierten Anlauf auch glüclich erlangt bat (434—446;; vgl. Bd 35 
V, 637, su), ijt begreiflich ; und daß Philippus mit Sijinnius zerfallen war (Soer. 7,26, ö), 
hat vielleicht feine Ausfichten gemebrt. Aber der Hof (Soer. 7,29, 1; vgl. Vincent. 
commonit. 11 al. 16 und Cyrill apol. ad Theodos. MSG 76, 464 D) wollte feinen 
Konftantinopolitaner und entichied fih — wohl auch in Rüdficht auf die Verehrung, die 
orpoftomus beim Volle genoß (Cassian 7, 30, 2) — für Neitorius, einen antiochenifchen 40 
Presbyter, der in Germanicia — in Syria Euphratensis, nicht weit von der Grenze 
Giliciend und Kappadoziens (Theodoret h. e. 2, 25,1) — geboren (Soer. 7, 29,2; 
„Theodoret“ haer. fab. 1, 12), aber in Antiochien ausgebildet und in den Klerus 
aufgenommen war („Theodoret“ a. a. O.; Cassian 6, 3, ı) und ald Mönch in einem 
Klojter vor den Mauern Antiochiens lebte (Evagr. h. e. 1,7 MSG 86,2 p. 2436 5 
nad) Neftorius felbit; — daß 18 das Euprepiosklofter mar, fügt Evagrius als ihn zus 
gefommene Kunde hinzu). Ein außergemwöhnlicher Ruf ging diefen Panne felbit nad) 
den Ausſagen der ihm feindlichen Quellen voraus (Vincent. comm. 11 al. 16; Cae- 
lestin ep. Jaffé: Nr. 374 = Mansi IV, 1026C; Gennad. de vir. ill. 53). or: 
nehmlich galt er feiner Kanzelberedſamkeit; das Volk hoffte deshalb in Neftorius einen 50 
zweiten Chryſoſtomus zu erhalten (Cassian 7,30, 2). Und als er im April 428 (Soer. 
7,29, 4; vgl. Wald V, 324) die Weihe erhielt, war der Eindrud, den er auf Die 
gegenwärtigen Bilchöfe machte, ſelbſt nach römischen und alerandrinifchem Zeugnis ein 
vortrefflicher (Caelestin ep. Jaffé 374; Cyrill apol. ad Theod. MSG 6, 464 D). 
Nach Sokrates (7, 29, 5) batte der neue Biſchof in feiner Antrittspredigt — vielleicht 5 
rhetorifch in persona dei redend — dem Kaifer zugerufen: „Gieb mir, o Kaifer, die 
Erde rein von Kebern, und ich werde dir den Himmel dafür geben! Hilf mir die Keßer 
vernichten, und ich werde dir helfen, die Perſer zu vernichten!” Großen Kegereifer zeigte 
der von Natur rechtbaberifche und leidenjchaftliche Neſtorius (Joann. Ant. ad Nest. ce. 3 
Mansi IV, 1064 D) in feiner neuen Stellung in der That ſehr bald. Schon am xo 

Real⸗GEncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XTIT. 47 


— ⸗ 


0 


[_y 


b 


738 Neftorins 

| iA Tr ee een antinopel 
'ichten, ſelbſt die 9 | igte er (Soer. 7,29 s—11); er rübım 
Synodie. 5 Mansi V, 32.) inter ipsa ordinationis initia das | 


has am 30. ai 428 
an i 





























‚ 153 A), Ric ift er in den Huf gefommen ein Da . * 
3. Bevor bies —— wird, muß hier über die her der 

— eingefü Ben le ie — Geſchichte des jan 
Streites ift bi islang ER nicht der igt, die fie verdient. 

—— 
ebenſo — F —— e = EN | 

I: yulban Sabilt neauilie Anfudit posten — — 

in 88 venena. 

an abe, er dann als ofmer Feind der fi — indem x ibrum 

de incarnatione domini — et duobus di‘ ‚scriptura 

ei Sagen — suo sensu construetum. —— 







ich tragoedia 
us, L oben ©. 36 a, ben te ſeiner 
— 


— — die * Namen — nur mit d 


35 * bie impios libros nefandi Nestorii adversus "Venerabilem 
seetam decretaque sanetissimi eoetus antistitum Ephesi habiti zu verb: 
bot (eod. Theod. 16, 5, 40), noch energifcher gewirkt, als fr Ehe A Wir ba 
—— der Xiturgie] nur feine Anathematismen gegen Cyrill in beriegung 

Mercator (Baluze 142ff.), zwölf andere De yriſcher Leberjeb 
so (ſyriſch und lateinifch bei Aſſemani III, 2 p. CIC—CCIN), — Fragmente be 
er (im Synodieon, Mansi V, 762—764 und bei Eragrius 4 14 
— Brieffragmente (Nr. 1—13 der bei Wald V, 345 ff. | 
ercator überjegte Predigten und nicht wenige Gitate aus Neftorius bei e 
Nestorium (f. Garnier II, 106110) und in andern Chi ib 

4 in den Alten des Epbefinum (ib. 96— 102), in bes Marius Diercator „Exeerpta ex 
codieibus Nestorüi“ (ib. 103—106), in den Gloſſen des Marius Mercator su ber 
Anathematismen des Nejtorius (Baluze 143f.), bei Johannes Cajfianus, bei „Arnobius 
dem Jüngern“ (vgl. Bd II, 117,21; Garnier II, 323), im ſog. Synodilon (vgl. € 

©, 736,39), bei Yeontius u. a. Garnier, der das Synobilon noch nicht lannte und 

50 —— erſt nachträglich aufmerkſam wurde, bat mit der Herausgabe der von 
Diercator überjegten Predigten eine Sammlung der „Citate” 1, Die verdie 

geivefen wäre, wäre er nicht von einer konftwuftionsiuftigen Willlur eher] = Jeweſe 
die bis zum heutigen Tage die größte Verwirrung ang ius 
bietet nämlich außer vier jog. antipelagianiſchen yaeın cn Baluze 120-1: 

ss nier I, 76—85, bezw. 94, doch mit willfürlicher Umftellung von Ne. £ 
fünf sermones adversus dei genitricem: I Baluze p. 3—56 —1 Ga r 
5—8; II Baluze p. 56—70 = VII Garnier II, 34-41; III Baluze ꝑ 
IV Garnier II, 26—28; IV Baluze p. 74—87 — 'XH Garnier — 98: 
p. 87--90 — XI Garnier II, 93--94 (eine andere Überj J 

J— 


etzung 
eo 754 f.). Garnier bat num nicht nur die auch von einer Hanbfeiei 


la = en 44 





Reftorins 739 


gebotene Reihenfolge diefer fünf Predigten willkürlich abgeändert: er hat ſich auch aus den 
„Sitaten” acht neue Sermone konſtruiert (II: 8—11; III: 11—17; V: 29:--31; VI: 
31—33; VIII: 65—66; IX: 66—67; X: 67; XI: 68), melde Marius Mercator 
nicht bietet; wenigſtens ſtammt das Latein, das den griechifchen Fragmenten beigefügt it, 
nur zu einem Zeile aus den Excerpta des Marius Mercator oder der von Garnier 5 
irrig ihm zugejchriebenen Überfegung der Synodus Ephesina (Baluze p. 171---218), zu 
einem Drittel iſt eg, wie eigentlich ſchon die gewaltige Verſchiedenheit der Sprache hätte 
verraten jollen, das Yatein der von Garnier benugten Pariſer Cyrill-Ausgabe von 1638 
(fo natürlih au „sermo III“ Gamier II, 13 alinea 2 bei ’Anedn yao, xri.). Weil 
man dies nicht bemerft hat, bat man über die „vollftändige” griechiſche Erhaltung der 10 
meisten von Martus Mercator überfegten Predigten des Neftorius ſich gefreut (Fabricius— 
Harles, Walch), hat mit „hom.“ II, III, V, VI, VIII, IX, X und XI bei Garnier 
operiert iwie mit den übrigen (Wald V, 343ff.; Hefele IT’, 152ff.); ja man bat ge 
legentlihh na MSG 48, wo Garnier Tert obne das Griechifche abgedrudt iſt, alg 
„Marius Mercator“ citiert, was lediglich eine von Garnier einem Gitat aus Gyrill 15 
mitgegebne mobdern:lateinifche Überfegung ift 3. B. Hefele IT’, 153 Anm. 1 und ich felbft 
oben Bd V, 640,2, wo MSL 48, 749 Drudfehler für 48, 769 it). Auch bei den von 
Garnier wirflih nah Marius Mercator gedrudten Predigten ift man viel zu vertraueng- 
jelig geivefen. Die Terte befinden fich in einem Zuftande heillofer Verwirrung, für den 
zum Teil wohl fchon der Überjeper ſelbſt verantwortlich zu machen iſt. Dafür hier nur 2 
ein Beifpiel, das für die Geſchichte wichtig ift. In der erjten Predigt über das Yeo- 
töxos muß Neftorius das yosororoxos empfohlen haben (vgl. Nest. ad Joann. Mansi 
V, 753f. und historia Evagr 1,7 MSG 86, 2 p. 2436); aber der sermo I bei 
Marius Mercator, der mit Recht als der primus impietatis in ecelesia ad popu- 
lum sermo bezeichnet ift, in quo primo de virgineo partu disputavit (vgl. 
Baluze p.53 u. 157) bietet nichts derart, er iſt alſo unvollftändig. Es it wahr: 
jcheinlich, Daß von den Eyrillcitaten einige aus dem verlorenen Teile dieſes sermo ſtammen. 
Die Fragmente des Neftorius bedürfen dringend erneuter Unterfuchung; ich hoffe, in 
dem Oſterprogramm der Univerjttät Halle für 1903 und 1904 einen Beitrag dazu geben 
zu können. 20030 
4. Der neſtorianiſche Streit wurzelte zweifellos darin, daß die antiochenische Bildung 
des Neitorius und der mit ihm gekommenen Klerifer auf dem neuen Boden ihrer Wirk: 
famfeit mit Traditionen alerandrinifcher Herkunft oder gar echt apollinarijtifcher Färbung 
in Spannung geriet (vgl. Nest. ep. 1 u. ?2ad Cael. Mansi IV, 1021 ff.). Aber daß 
die Gegenfäße, um die es fich dabei handelte, ſchon vor Ankunft des Neitorius in Kom: 35 
ftantinopel Vertreter hatten, iſt an fich fo wahricheinlih, dag man es dem Nejtorius 
glauben darf, er babe bei feiner Ankunft innerhalb der Gemeinde, bezw. neben ihr - 
denn das Gros läßt er unbeteiligt erjcheinen - -- einen Spaltungen drohenden Streit 
darüber vorgefunden, ob die Darin Yeoröxos oder dvdownoröxos zu nennen ſei (ep. 
‘ad Joann. Mansi V, 753f.; historia bei Evagr. 1, 7 MSG 86, 2 p. 2436; vgl. a0 
sermo I Baluze p. 54). Ehe Weftorius ſelbſt eingriff, ſoll nach Sokrates (7, 32) der 
ihm nabheftebende und ibm gleichgefinnte Presbyter Anaftafius (vgl. Cyrill ep. 10 
p. 644; Acta Eph. Mansi IV, 1345A u. D) gegen das Heoroxos ih ausgefprochen 
haben. Die gleichzeitigen Quellen wifjen nichts davon. Wenn e8 doch Thatjache iſt, 
iſts eine relativ bedeutungslofe Thatſache geweſen. Denn der ſcharf erkennbare Anfang 46 
der „Tragödie“ war die oben in Wr. 3 bereits erwähnte Predigt, in der Neſtorius felbft 
zu jener Streitfrage Stellung nahm (sermo I Bal. p. 53 - 56). Daß fie am 25. De: 
zember 428 gehalten ſei, iſt eine unbeweisbare Annahme Gerniers (II, p. VII u. LIII); 
jpäter war es gewiß nicht, wie der weitere Verlauf der Sache beweiſt. Ihr find bald 
andere gefolgt ; was in der erften bereit gejagt tit, läßt fich nicht ficher gegen die nächſt— 
folgenden abgrenzen (vgl. oben 3. 26f.). Es iſt das auch unnötig, denn daß ſchon 
an diefe erjte Predigt allein ſich eine Oppofition angefchloffen habe, jagt feine Quelle. 
Mehrere Predigten jet bereits der öffentliche Anfchlag voraus, der „160 „Sabre nach der 
Verurteilung des Paulus von Samofata”“ (Mansi IV, 1009A; vgl. oben S. 320, 22) 
— alſo vielleicht nohb 428 — den Bilchof des Samofatenismus anflagte (Mansi IV, 6 
1008— 1012). Die bl. Synode von Epheſus behauptet, diejer Anjchlag rühre von den 
Klerifern der Hauptitadt ber; allem es iſt ein einzelner, der in ihm redet. Diefer einzelne 
war nach fpäterer Überlieferung der damals noch im Laienftande lebende Spätere Biſchof 
Eufebius von Dorpläum, „der erjte, der Neſtorius überführte“ (Evagr. 1,9; vgl. Leon- 
tius adv. Nest. et Eut. MSG 86, 1 p. 1389AB). Star ift es möglich, daß der wo 
47° 


[2 


13 
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Neitorins 
mit dem 1% N ee er et 
— dien —— en De 

















—— 


non 
sahen, (Bal. 55). 
ern 2 — * Contest. a 
"1,8 p. 50) flle Die Werfehter des Pnordios den Apanem zur denn diel 
Dedrnros Bee are ei en —— — | } ale. 
47 erregt dem Neftorin 
Fir ie — —60 





RE never pooem. 2p.t 

— = — — eat. oben & 739,22). 

3 * t t er dieſen inus it begrü u baben, da 
wie die Termini »vids« und »xugros«, auf beide Naturen —— hinwe 
Darlegung der Zweinaturenlehre und die auf ihr fußende Begründung 
200 kn —— — bei Neſtorius ganz in den ber & 

ich ernftlich, den Vorwurf zu vermeiden 
— u Be ann (vol, Bo W. 49, 15 ff.), den Vor 
— Ted, orög mal ds mügios” dAl' Eni 100 


kovoyErvoVUs ums 
Tos, more Ö8 rs —5 — deörnros Akyeraı (be u 
2 pooem. an. p- 64) und: 6 (gıorög zara To »Aotorös« ddtaiperos’ oo 
#5 Fyoner dvo X; —— obde Övo viovs’ oo dor re DT 
TeDoc, obde »al ällos, oböb zalın viös zal Add 
ö eis dom denkoüs, ob dfia, alla 7 güoeı (ib. 2,5 p. 84). 
Nejtorius, obwohl er in Fan einen individuellen Menſchen fat 
vioi (vgl, Bo IV, 49, ı0f.), die bei Diodor von Tarfus und Theodor von Mo 
so unleugbar bervortritt, zu vermeiden ſuchte, jo fann man dem Marius Miere 
änzlich widerfprechen, wenn er bei Nejtorius dadurd an Marcel (®d XII, 261,38 ff, 
* erinnert ſieht, daß Neſtorius confitetur in verbo substantivo —— lilium 
raro, licet argute, quia non expresse ab aeternitate filium dieit verbum esse, 
sed verbum tantum, quod in substantia patris manens deus sit consubstan- 
ss tivus ... filium vero illum esse et diei debere adserit, qui ie matten Biden 
(Compar. dogm. Baluze p. 50f.). In der That bezieht N die meifte 
Aus jagen von dem vlös ob Dsod auf den Adyos Evoanxos. iſt die 
des Marius Mercator nur dann richtig, wenn mar, wie auch er mit dem „raro" yugiebt, 
anerkennt, daß Neſtorius gelegentlich auch den Adyos Acapaog den Sohn Gott nennt 
we ν ydo ö Veös Aöyos zal po rjc vrandownanoeos vis xal Deds uvam 








H 
ul 


Neftorins 741 


narot, ävelaße ÖE &v DorEpoms xaıpois mv Öovlov uoppnv. Aber feit der Menich- 
werdung iſt der vios Beod nicht der Adyos an fih: AM’ GV oO Tovrov viös xai 
xalovusvos uera ınv9 üvdinyıv od Övvaraı xaleiodaı xexworousrws viös, va um 
ÖvVo viovs Öoyuariowuev (bei Cyrill adv. Nest. 2, 7 p. 88), viov yao £y&vynoe 
Veov xal N yorororöxos napdEvos (ib. 2, 1 p. 69). Die nähere Begründung diefer 5 
Behauptung if freilich wieder rein antiocheniſch: Zreudnneo 6 vios tod Beod Öinloüc 
Eotı xara as pvoeıs, Ey&vınoe ev (scil. q xorotoröxos) Tov viöv Tod Veod,|oüx 
EyEyynnoe Ö& ımv Deödınra,| Aid’ EyEvvnoe ınv dvdownöınta, Ns Eoriv viös did 
tov ovynuu£vov viöv (ib. p. 69) und: dia To» YoooÜUVra ToVv Pogovusvov o8ße, 
dıa TOV xEx0vuUUuEvVov N000xVv@ Tv paıwdusvov' AXWOELTTOS Tod pawoutvov Beös' 10 
dia Todüro Tod un xworLousvov ımv uunv od —* w' xwoilw tüs poaeıs, AM’ 
ED mv n000xUvnow (ib. 2, 10 p. 100). Aber eine Modifilation der antiochenifchen 
„Zweiteilung“ Chriſti liegt doch vor: wie Leo I. erflärte: agit utraque natura cum 
alterius communione, quod proprium est, fo jagt au Neſtorius; 00x EZorı TOV 
Deov Aödyov ävev is Avdownöıntos noäfai ı (bei Cyrill 2,7 p. 89). Hätte ı5 
Nejtorius zur Zeit des Chalcedonenfe gelebt, er bätte eine Säule der Orthodorie werden 
fönnen. Zwar von einer Einigung (&vwars) der Naturen redete er felten (Marius Merec. 
Bal. p. 145), fein Terminus tar, wie der der älteren Antiochener: ovvdgpera ; aber diefer 
Terminus war an fih unanftößig — auch Proflus, der bochgepriefene Gegner Des 
Neſtorius, gebrauchte ihn (hom. ce. 8 Mansi IV, 585 B) — und für Weftorius war diefe 20 
ovvyapeıa der Grund einer perfünlichen Einheit des gejchichtlichen Chriftus; dem 2» 
ÖVo pVoeoıw dovyyüross, Argkntos, ddaıpkrws, dyweiorws des Chalcedonenſe (Bd V, 
646, 15) hätte er gern zugeltimmt. eine Ghriftologie ruht auf der uralten doppelten 
Beurteilung des geichichtlichen Chriftus, die auch das Fundament der abendländifchen 
Chrijtologie war (vgl. Bd V, 637, 1ff.; X, 263, 36 f.): duoloyodusv rov vr dvdoano % 
Deov, oEßousv Töv Ti; Vela ovvagpeia To navroxgdrooı VE OVUNGOCKVVOUUEVOV 
äydowrov (bei Oyrill Apol. c. Or. anath. 8 MSG 76, 349D u. adv. Nest. 2, 12 
p. 109). Was an diefen Morten und an der gefamten Chriltologie des Neftorius vom 
Standpuntte der jpäteren Ortbodorie aus anftößig erfcheinen fann, entfpringt teil3 der Un- 
möglichkeit, im Schema der von dem Adyos doapxos ausgepenben Naturenlehre den 30 
legtlih an die religiöfe Beurteilung des hiftorischen Chriſtus anfnüpfenden Glauben an 
die Menjchwerdung Gottes verftändlich zu machen (vgl. BD X, 250, wff.; 253, 17 ff.; 
Bd IV, 49, 2ff.), teil®, wie es fcheint, den Inkonſequenzen, welche die twahrjcheinlich nicht 
tiefe theologiſche Bildung des Neftorius fih zu Schulden kommen ließ. Wie ernitlich er 
ſich bemüht hat, troß feiner Zweinaturenlehre in dem gefchichtlichen Chriſtus ein ein= 35 
heitliches gottmenschliches Subjekt zu jeben, zeigt fih am deutlichiten darin, daß er — 
gleichtwie Paul v. Samoſata (vgl. oben ©. 324, 18 ff.) — von der antimonotbeletifchen 
Synode von 680 als Monvihelet denunziert iſt, weil er gefchrieben hatte; 00x dAlos 
nv ö Veös Adyos xal Akkos 6 Ev ad yEyover Ävdownos‘ Ev yao Tv Auporlowv TO 
no0ownov dfia xal Tun), N000xVvoVuevov napa ndons xrioews, underi Tod 7) 40 
geöv &regdımu Bovins xal Veinuaros Öimpovusvov (Mansi X, 1120BC). Man 
ann Theodorets Urteil verſtehen, wenn er den Neſtorius als einen Mann bezeichnet, qui 
nihil praeter doctrinam sanam novi aliquid docuit (Fragm. einer ep. ad Alex. 
Hierap. bei Mar. Merc. Baluze p. 3:38). 

5. Wenn diefe dogmengeſchichtliche Beurteilung des Neftorius richtig ift (vgl. oben 5 
©. 737, 11), wie erflärt fich dann feine Verurteilung? Hat die Lehre des Neftorius wirklich, 
wie die Spätere Tradition behauptet, alsbald einen Sturm der Entrüftung hervorgerufen? 
Erit dann, als Gyrill von Alerandrien dafür geforgt batte, daß er entjtand! Zwar hat 
es in Konftantinopel dem Neftorius nicht an Widerſpruch gefehlt: Eufebius von Doryläum 
unterbrach ihn einmal im Gottesdienft und denunzierte ihn in einem öffentlichen An: so 
ichlage als Samofatener (vgl. oben ©. 739, 58); unter den Mönchen fanden fich eifrige 
Opponenten (supplie. Bas. Mansi IV, 1102 ff.), und es ıft dem Neftoriug zuzutrauen, daß 
er diefe ihm entgegentretenden Mönche -— wie fie lagen — nicht ſänftiglich angefaßt 
bat. Auch die beiden Nivalen des Neftorius bei der Bifchofswahl traten auf den Plan. 
Schroff opponierte der den Alexandrinern nabeftebende Philippus: er machte dem Neftorius 55 
den Vorwurf der Ketzerei. Neſtorius vergalt Gleiches mit Gleichem: er ſah in Philippus 
— wohl weil er die Gottheit für leidensfählg zu balten ſchien — einen „Manichäer“ 
und ließ ihn mit einigen Sefinnungsgenoffen durch eine endemifche Synode verurteilen 
(Cyr. ep. 11 ad Cael. common. 5 MSG 77,88f.; Nest. ad Cyrill. Mansi IV, 
897 D). Proflus muß perfönlich dem Neftorius näber geftanden baben: er bat — wohl eo 


742 Reftorins 


noch 429 —, wie die alte Ülberfchrift der betreffenden Predigt fagt, „in Gegenwart des 
Neftorius (alfo ſchwerlich gegen deſſen Willen) in der großen Kirche zu Konftantinopel“ 
an einem Marienfeite gepredigt (Mansi IV, 577--588). Diefe durch ihre maßlofe 
Rhetorik in hohem Maße abſtoßende Predigt ſteht auch theologifch dem Neftorius nicht 

5 fo fern, wie zumeiſt angenommen wird (vgl. neben dem mehrfach vorlommenden „Eywous“ 
die „ovvapera“ c.8 p. 585B und c.2 p. 580 B die Rechtfertigung des Yeoroxos durch 
den Hinweis darauf, daß der Logos feinen Tempel in der Maria fich gebildet habe). 
Dennoch iſt die Predigt eine faktiſch gegen Neſtorius polemifierende Rechtfertigung des 
Veoröxos (vgl. die Nachweiſungen in den Noten bei Garnier II, 25f.); Neſtorius bat 

10 auch im unmittelbaren Anſchluß an dieſe Rede in einer Predigt ihre Ausführungen zu be: 
richtigen gejudit (sermo III bei Baluze p. 70— 74, vgl. die Nachweiſungen bei Garnier 
II, 27f.; die weiteren Predigten „gegen Proklus“ find Garniers Konftruttion.. Allen 
wenn auch den Neſtorius aus all diefem, mie er jelbit an Gäleftin von Rom fchreibt, viele 
Känıpfe und Mühen erwuchſen (ep. 1 Mansi IV, 1022D u. ep. 2 p. 1024C), fo darf 

ıs man doc dieſe Konftantinopolitaner Wirrniffe nicht überjhägen: nicht nur Cyrill gegen: 
über (ep. 1 Mansi IV, 897 D) behauptet Neitorius, die Kirche der Hauptſtadt jer in 
blühendem Zuftande; er fchreibt auch den Gäleftin, daß viele der Irrenden Vernunft 
angenommen hätten (ep. 1 MansiIV, 1022 D), und unverkennbar ift die Polemik zwiſchen 
Proflus und Neftorius (vgl. namentlich die Nede des leßteren) in der Form fern von 

u aller Berbitterung. Neftorius bat auch Ende des Jahres 430, fchon ehe er von Johannes 
von Antiochien darum gebeten war (Joann. ad Nest. Mansi IV, 1062 ff.), mit feinem Klerus 
eine Erklärung darüber aufgejegt, in welchen Sinne das Beoröxos gebraudyt werden 
dürfe und folle, bat feinen Widerfpruch gegen den Terminus aljo aufgegeben (Nest. 
ad Joann., Mansi V. 753 D), und Johannes von Antiochien meinte damals, die Un- 

35 ruhe in Konftantinopel habe fich gelegt (Mansi V, 7560). Was Cyrill (ep. 11, 3 ad 
Cael. MSG 77, 81BC) und die gegen Neftorius Tlagenden Mönde (Mansi IV, 
1101AB) von einer großen Spaltung in Konftantinopel vermelden, verdient deshalb 
feinen Glauben (Mal V, 448), und die oft und gern nacherzählte Mär der erwähnten 
Mönce, „das Boll” habe geklagt: „Wir haben einen Kaifer, aber feinen Biſchof“ (Mansi 

3 V, 11040), kann höchitens in Bezug auf den fleinen Bruchteil der Bevölkerung wahr 
fein, der zu jenen Mönchen in Beziehung ſtand. Und diefe wußten, wenn fie fo ſprachen, 
nicht, wie viel erbärmlicher ihr Kaiſer mar, als ihr Biſchof (vgl. die Charalteriftit 
Theodoſius' II. bei Gibbon überfegt von Sporſchil ©. 1093 ff.). — Ohne Cyrill wäre fein 
nejtorianischer Streit entitanden. 

36 6. Neſtorius fcheint Schon in Antiochien Predigten für die Veröffentlichung vor: 
bereitet zu haben (vgl. Gennadius de vir. ill. 53, oben S. 738, 1). Nach feiner 
Biſchofsweihe hat er — fpätjtens Anfang 429 — diefe älteren Predigten [und Abhand- 
lungen?] mit neueren, zu denen auch mehrere über das Heoroxos gebürten, zu einem 
viele Quaternionen zählenden Bude vereinigt, und nach) Ausgabe desfelben find fpätere 

40 Predigten des Neftorius wie weitere Lieferungen des bereits veröffentlichten Buches in 

Girkulation gefegt. Nach Nom bat Neftorius ſelbſt einzelne Predigten oder jenes ganze 

Bud früb bingejchidt (Cael. ad Nest, Mansi IV, 1027A, vgl. Cyrill ep. 13 

p. 95 B); nad Aegypten kam eine Sammlung feiner Predigten wohl ohne fein Zutbun, 

aber anfcheinend noch früher. Cyrill nahm daran, daß „einige leichtfinnige Leute ſich 

durch fie einnehmen liegen,” - - wohl nicht lange nach Oſtern 429 (Garnier II, 41) — 

Neranlafjung, in einem Briefe an alle ägyptifchen Mönche ohne Nennung des Neitorius, 

aber in Auseinanderfegung mit jenen Argumenten, die Berechtigung des VJeoroxos Par: 

zuthun. Abſchriften dieſes Briefes kamen nach SKonftantinopel und brachten denen, die 
jte lajen, nach Gyrill (ep. 11, 1 MSG 77, 81C) fehr großen Nußen, d. b. fie ftärften 
so Die dortige noch ſchwache Oppoſition, und brachten deshalb den Neftorius gegen Eyrill 
auf (Cyrill ep. 2 ad Nest. p. 10 0). Einer der Presbyter des Neftorius, Photius mit 
Namen, ſchrieb nun gegen Cyrills Brief; Neftorius lich ſich die Angriffe der „Häretifer“ 
gegen ihn einen Anlaß werden, in einer Predigt (sermo II bei Baluze p. 56—70) mit 
Schärfe auszuführen, daß der Heös Adyos weder das Geborenwerden, noch das Leiden 

55 babe erfahren können (vgl. Cyrill ep. 10 p. 64f.) Jene Schrift ſowohl wie dieje 
Predigt wurde nad Alexandrien gejchidt, die Predigt unter dem Titel Z/oöc tovs dia 
up» orvaqeıar i) TI)7 Vedınra Tod IoVoyevoüs ojuxgovvras N) Anodeouvıas rip 
dvdownöry;ta (Cyrill ep. 10 p.65A) Noch ehe Cyrill von diefer Sendung erfuhr, 
börte er von Alerandrinern, die in Nonftantinopel geivefen waren, von dem Untmillen des 

ww Neftorius. Er fchrieb ibm deshalb --— etwa im Spätſommer 429 (Garnier II, 41) — den 


[, 
[ei 


.- 
. 


iu Neſtorius 


bonn hin Aegleitſchreiben an Cäleſtin (ep. 11 p. 80-89). Sn dieſem Briefe 
ont ber gegen Eyvrill Jelbit ſchwebenden Klage woblweislich fein Wörtlein geſagt; Eyrill 
into ade der eue und geduldige Hüter Der Orthodoxie: er würde geſchwiegen und 
au Aeyerung Dev Neſtorius gewartet baben, bätte nicht kürzlich — Cyrill bat das erſt 
il irn —patola dogmatiea um XNeſtorius erfabren — ein Biſchof Dorotheus in einer 
Kude Kontantuopeld it Gegenwart des Neſftorius, der ſich Dadurch mitſchuldig gemacht 
by. vun Anaidem UNE dielenuten ausgeiprechen. welche die Maria Veorbxoc nennen 
NEUSS A, Den Velinker Errill erfennt man aber auch in dem Tugend: 
Bin x NSS zer. daß ale Binbere im Urnente!) und in Macebonien mit ihm 


RNKEPRAUIENGE BU XABK.. zube aber dem Cäleftin doch zu verfteben, daß es nötig jein 


Sn. Ne ce Nulelbur Scne ibn, dem Corll, zuftimmendej Geftinnung den macebonifchen 
ad du deiutiitöindin Yrbeoren ihriftlic zu erkennen gebe (p. 85 A). — Dieſer 
Suin Zulnkug Seile, wie Zundung nach Hom, but vellen Erfolg gebabt. Wie das 
N) te, JE anDter a TORE, de su ugen. Term, wenn auc im Abendlande dant 


Ne une Imynputg Den Nr Finpert Nr gerichtlichen Terton Jefu das „deus natus“ 


an Duden site BO IV ne and V oT. T.:: were aud bier die Zenſurierung 
Nv \upretar IN RV.L sr. in Name KR ummerue burte, daB die al endländiſche 
Xruwialinaltusi Ne iius dei and Ns ame Cerito Bd—V, 41, 2ff. und 42, 1ff.) 
ann α— Suriumn ie Zune men: ma EV, »,n ft.) verloren batte: 
OU NW rerieriee — NDe Senpupe Dur Chalsefonamks kur es beivteien —, daß abenb- 
sadiün Duni Nat Ydunfen Ne XNcittorius viel naher und als denen Cyrills. Hat 
Sin vatltab ueltrdeit „ANT, Xcjtorius „made ml mn bloßen Menichen aus 
Dein dot nom mn Anteil an Gott zu” (Q ad cleric. Const. Saife? 
Mama), 0, 0° mark ent es fo. Denn die von Eileitin — wohl gleich nad) 


e ine tens un Avsterrue durch den fpätern Papiı zer L ıngl. Bd XI, 368, 5f.) 


pwerntue nd det set Nm Kenzil don Epheſus aeidrichmen Libri VII de incar- 
νν „otra Nestorium des Johannes GCaifiamm: wuL Bo III, 748,35) find 
“ste ra tin, Suben durch Gyrill und durch den dfintlichen Anjchlag des 
Starte Da gelten une, vgl. 6, 3 mit Mansi IV, 1% D. Tab die Wege meifen 
“hen Des went ech ein Umſtand den Gäleftin gegen Nowerius eingenommen zu 
wa Non Abendiande verurteilten Pelagianer Cäleſtius um> Julian jamt drei an- 
a. ünselen wenn nach Stonftantinopel gekommen und bartzen dert den Slaifer wie 
x ooyhareber ui Sub zu gewinnen verfucht. Neftorius Dachte ie wenig pelagianiſch, als 
a Dtirnateit moglich war (vgl. feine ſog. antipelagianiſchen Vredigten bei Marius 
ku. Neue p. 119 130), aber er ivar von den Ereigniſſen im Tecident nicht unter: 
ne den Ealeſtius, tie ein Brief an ihn (Baluze p. 131) beweiſt, für unfchuldig 
J Sm romiſchen Biſchof in dieſer Sache entgegenzutreten. war freilich ſeine Ab: 
ai ben in ſeinem erſten uns erhaltenen Brief an Cäleitin, der den Anfängen 

.  ebtwe angehören muß (Mansi IV, 1021 f.), erfundigt er ſich, was gegen Sultan 
a wenöoſſen vorliege. In einen ziveiten auch noh aus Dem Jahre 429 ſtam⸗ 
oa Atarnier I, 70) Briefe, den mindeftene noch ein verlomer gleichen Inhalts 
all, Wirderbolt er Die Anfrage. Wenig fpäter - - auch noch 429 — muß er übe 
bBelagianer aufgeklärt jein dur) das Commonitorium des Marius Mercator (Ba- 
up. 1221425 vgl. BD XIL, 343,207), Das nad) Marius Mercators eigener Angabe 


 Bial gr 152 Die Vertreibung der Belagianer aus Konftantinopel (ſchwerlich noch 129, 


wa Garnier 1, > und 71 meint, fondern erft 430) zur Folge batte: jein dritter Brief 
un Calekiin, der etwa in derfelben Zeit gejchrieben tft, da Gäleftin gegen ibn Stellung 
min Auguſt 450 oder wenig jpäter), erwähnt die Velagianer nicht mebr. Gäleitin 
willig. baß Neſtorius nicht pelagianiſch dachte (ad Nest. \affe? 374; Mansi IV, 1033 A), 


abe ben ber Bertreibung der Pelagianer hatte er noch nichts gebört (ib. p. 1033 B). 


Yu Keſterius dieſe Verurteilten ſchützte, batte ibm offenbar bei Gäleftin längſt geſchadet 
db p 10); Cäleſtin hätte jonft auch wohl feine mehrfachen Briefe beantwortet, 
ainflall taub Marius Mercator (vgl. BD XII, 343, 15f.) und fen Commonitorium ihn 
une tn Kaiſer aufklären zu laſſen. Genug, Gälejtin bielt im Augujt 1430 — die Ey: 


Hnobailbrieſe ſind vom IT. Auguſt Datiert - eine Synode in Nom (Cyr. ad Joann. 


ep 15p. 96 BI und jchlog Den Nejtorius von der Kirchengemeinſchaft aus, falls er nicht 
in ven nachſten zehn Tagen, nachdem ihm dieſer Beſchluß befannt geworden wäre, 
»NRentlah widerruſe. In dieſem Sinne ſchrieb er an Neſtorius ſelbſt (Mansi IV, 1025 ff.), 
a dan Klerus von Konſtantinopel (ib. 1035ff.), an Johann von Antiochien (ib. 1047), 
an Juvenal don Jeruſalem und an Die macedoniſchen Bifchöfe (vgl. ep. ad Cyrill., 


746 Neftorins 


Tert derfelben Uberjegung bei Mansi IV, 1099 f.), die feine Lehrweiſe zu ſcharfem Aus: 
drud bradıten, zwar nicht das Beoröxos (fo ſchon Marius Merc., Bal. p. 144), aber 
die Bezeichnung der Maria als mater dei verbi unter Anatbem ftellten. Und Ne 
ſtorius war nicht der einzige, der an den Anathematismen Cyrills Anftoß nahm: Jo— 
> bannes v. Antiochien fand, fie ſeien apollinariftiich und Cyrill kaum zuzutrauen (ep. ad 
Firmum, Mansi V, 756); Theodoret (ed. Schulze V, 1 ff.) und Andreas v. Samojata 
(vgl. Cyrill ep. 41. MSG 77, 228 C) ſchrieben gegen fie. Cyrills Verteidigungsichriften 
gegen beide (MSG 76, 385 —452 und 316---385) find vielleicht noch vor dem Konzil 
von Epheſus gejchrieben (vgl. Garnier II, 132; Wald V, 681). jedenfalls war jebt 
m aus. dem „Wortjtreit” (Nest. ad Cael., Mansi V, 725D) eine die Kirche beivegende 
Frage geworden. Und wie giftig die Gegner des Neftorius von ihm fprachen, zeigt die 
„Widerlegung“ feiner Anathbematismen durch Marius Mercator (Baluze p. 112). Tod 
wiſſen wir über die der Synode von 431 vorausgehenden Monate des Jahres 431 ſehr 
wenig; die Nachricht des Marius Mercator, daß Rom die Anathematismen Cyrills ge 
15 billigt babe (Bal. p. 142), ift uns deshalb unfontrollierbar. 

8. Kaiſer Theodofius hatte in feinem Ausfchreiben die Metropoliten aufgefordert, mit 
einigen „wenigen“ geeigneten Bilchöfen ihrer Provinz in Ephefus ſich einzufinden (Mansi 
IV, 1113C). Zuerſt traf NReftorius mit feinen Bifchöfen in Epheſus ein (Soer. 7,34,2; 
Evag. 1,3); daß «8 16 geweſen find, fchließt man ohne alle Sicherheit au Mansi V, 

770. Gleichfalls noch vor dem vom Kaifer genannten Termin (Pfingiten; 7. Juni) fam 
Cyrill mit nicht weniger als 50 Bilchöfen (Evagr. 1,3; Mansi IV, 1277 A u. 1381 D). 
Johannes v. Antiochien mit den Bischöfen der Diöcefe Oriens ließ auf ſich warten, doc 
langte jpäteftens anı 20. Juni (Mansi IV, 12720) ein Brief von ihm an Cyrill in 
Epheſus an (Mansi IV, 1121), in dem er von unterwegs nach angeblich 30tägigem Reifen 

>; (vgl. Die 40 Tage bei Mansi IV, 1272E) fein Kommen in 5—6 Tagen in Ausficht 
ftellte. Auch die Gefandten des römifchen Biſchofs verzögerten ſich. Daß auf die Feblenden 
gewartet werde, war die energifche Forderung des Comes Gandidian, den der Kaiſer 
als feinen Kommiſſar nach Epheſus gejchidt hatte (Mansi IV, 1120A und V, 770Of.. 
Allein Cyrill und feine Parteigänger --- Memnon von Epheſus war fein Hauptbelfer, 
su und 40 Bilchöfe aus Alien und 12 aus Pamphylien führte er dem Cyrill zu (Mansi 
IV, 1381 D) — ließen ſich nicht zurüdbalten: troß fchriftlichen Proteſtes von 68 difjen- 
tierenden Bifchöfen und troß aller Segenvorjtellungen des fatferlichen Kommiſſars (Mansi 
V, 765. und 770f.; — beide Aktenſtücke fehlen in den corilliihen Alten!) eröffneten 
fie am 22. Xuni mit 198 Biſchöfen die Synode (Mansi IV, 1123 ff). Daß Neftorius 

35 troß mehrfacher Aufforderung diefer „Synode“ fich nicht ftellte, war nur korrekt. Man 
verurteilte ihn gleich am eriten Tage, und nachdem über jeine Verhandlungen mit Cyrill 
bis zu deſſen epistola synodica referiert und aus feinen Predigten [vor 430] eine Reibe 
von Stellen vorgelefen ivar - - feine fpäteren, fonzilianten Ausführungen find ebenſowenig 
erwähnt wie feine Anathematismen! - -, entfchied die „Synode“, daß der von Neſtorius 

1 geläfterte Jeſus Chriftus durch die beiligfte Synode den Neftortus der bifchöflichen Würde 
und überhaupt des geiftlichen Standes verluftig erfläre (MansiIV, 1212 D). Man fchlug 
dies Urteil öffentlih an und ließ es auf den Plätzen ausrufen, doch Gandidian verbot 
das Ausrufen, ließ den Anfchlag abreigen und fchidte ihn an den Hof (Mansi IV, 
1264AB). Schon am 29. Juni fertigte der Kaifer ein untoilliges Schreiben aus, das 

45 die Entfendung eines zweiten Kommiſſars ankündigte, energisch gemeinfame Beratungen 
forderte und den Biſchöfen ftreng gebot, Epbejus nicht zu verlafjen, ehe die Sache unter: 
jucht fei (Mansi IV, 1378f.). Schon ehe dies Schreiben erging, waren in Epheſus die 
Antiochener angelommen, und am 27. Juni eröffneten fie zunächſt in Gegenwart des 
faiferliben Kommiffars ihre Synode (Mansi IV, 1259 ff). Tiefe Synode erfommuni- 

so zierte Die Bifchöfe, die mit Cyrill getagt hatten, und ſprach über Cyrill und Memnon 
das Abjegungsurteil aus. 13 Biſchöfe unterzeichneten diefen Spruch (Mansi IV, 1268 .). 
Non beiden Synoden gingen natürlich Berichte an den Kaiſer, und beide Parteien fuchten 
durch Geſinnungsgenoſſen ibre Sache am Hofe zu führen. Wir haben über die Gefcheb- 
nifje der nächſten 3— 1 Monate viele urkundliche Quellen, aber fie find zufammenbangles 

55 und zumeiſt undatiert. Will man nicht in weitſchichtigſte Detatlunterfuchungen ſich ver: 
kieren, jo mug man auf die Erzählung weniger Sauptjachen fich beſchränken. Erft im 
Juli famen die römischen Geſandten. Sie ſchlugen ich auf Cyrills Seite, und die cyril⸗ 
liſche Partei bielt nun am 10. Juli mit ibnen eine zweite Sitzung ab (Mansi IV, 
1279--91). In einer dritten Sitzung, am 11. Juli, traten die römischen Gejandten 

so dem Abſetzungsurteil über Neftortus bei (Mansi IV, 1291—1305). Eine vierte, fünfte 


748 Neftorins 


Abſchluß. Cyrill bat zwar zu einem Widerruf feiner Anathematismen fich nicht verftanden, 
ſonſt aber hat er mehr nadhgegeben, als er thun durfte, wenn Neftorius mit Recht ver: 
urteilt war (vgl. Bo V, 637,36); und Johannes von Antiodyien Tann fih mit ibm in 
den Ruhın teilen, auf Kojten feiner perjönlichen Ehrenhaftigfeit Frieden geitiftet zu baben. 
5 Der Friede wurde, nachdem Paulus von Emeja ald Unterhändler Ende 432 in Aleran- 
dria mit Cyrill einig geworden war, nad) Erledigung einiger durch zu weites Entgegen: 
fommen Pauls geichaffener Schwierigkeiten perfett durch einen Brieftvechfel zwiſchen Cyrill 
und Johannes (Joann. ad Cyrill., Mansi V, 289 ff.; Cyrill. ad Joann. ep. 39 
MSG 77,175 ff.) und durch ein Schreiben, das Johann außer an Cyrill aud an Sirtus 
100. Rom und Marimian v. Konſtantinopel richtete (Mansi V, 285 ff.): Cyrill acceptierte 
ein von Johann ihm vorgelegtes Bekenntnis — es iſt bis auf den neuen Eingang und 
den zum Charakter des Ganzen paſſenden Schlußfa das nach glaubwürdiger Nachricht 
(Mansi V, 878EE, vgl. Wald) V,602) von Theodoret verfaßte, oben S. 747,» erwähnte orien- 
taliiche Belenntnig von 431 (Hahn, Bibliothek, 3. Aufl, S. 2157.), das auch Neftorius 
15 hätte unterjchreiben können; Johannes v. Antiochien genehmigte das Urteil der „heiligen 
Synode“ (d. i. des cyrilliihen Coneiliabulum!) über Neitorius, belegte feine Lehre mit 
dem Anathem und erfannte Marimian v. Konftantinopel an (Mansi V, 285 DE). Die 
Forderung der Rehabilitation der auf Maximians Betrieb abgejesten vier Bifchöfe (oben 
©. 747, 50 hatte Johannes v. Antiochien fallen laffen müffen; das Anathem über die Lehre 
u des Neftorius war ihm fauer geworden. Daß Ddiefer „Friede“ der Anlaß zur Abiplitte: 
rung der |perfifchen] Neftorianer von der Kirche wurde, iſt bier nicht zu verfolgen (vgl. 
den Art. Neftorianer oben S. 723 ff.). Auch im Reiche waren viele Antiochener mit dem 
Frieden unzufrieden (vgl. die intereflanten bei Wal V, 625. aufgeführten Briefe im 
Synodikon); die Ehrlichen empfanden die Verurteilung des Neſtorius und feiner Lehre als 
35 eine Schmach. Auch Theodoret, der bei Einleitung der Unionsverhandlungen ebenſo wie 
der alte Acacius v. Beröa, das Orakel der Antiochener, einer Einigung geneigt geivejen 
war, gehörte zu den Unzufriedenen. Nicht menige der Widerſpenſtigen bat Johannes v. 
Antiochien im Bunde mit dem inzwischen in Konjtantinopel erhobenen Proflus (vgl. oben 
©. 737,35) Ichließlich zur Anerkennung des Friedens gezwungen (Wald V, 630 ff.); ein 
30 Theodoret und ein Andreas v. Samofata gaben gutivillig nad, da man ihnen mie an- 
deren nachträglich Zuſtimmenden die Verurteilung des Neftorius erließ (vgl. Theodoret 
ad Nest., Mansi V, 898f.); andere haben ſich abfegen laflen. Doc war eg möglid, 
daß nach einigen Jahren ſelbſt entichtedene Freunde des Neftorius, tote der Comes re: 
näus, Biſchofsſtellen erlangen fonnten (vol. Bd V, 638, 18 ff). Die dogmatiſche Frage 
35 war nicht ausgetragen und bat erit im eutyebianischen Streit ihre, für die antiochentfchen 
Traditionen günstigere Erledigung erfahren (vgl. den Art. Eutuches Bd V, 635 ff.). Aber 
das Ephefinum Cyrills, das fein beſſeres Urteil verdient als das Ephejinum von 449 
(Bd V, 642,12 ff.), war eine heilige Synode geworden, — und Neſtorius blieb verurteilt. 
10. Ya in noch höherem Maße, als bis jett erfichtlich ift, hat Neftoriug die Koſten 

10 des Friedens tragen müfjen. Gr lebte feit Herbit 431 in Antiochien (vgl. oben ©. 747,33), 
nicht als Verbannter, fondern, wie er jelbit fagt, im Genuß aller Ehre (bei Evagr. 1,7 
MSG 86, 2 p. 2436 C). Gäleftin v. Rom wünjchte freilid am 15. März 432 in einem 
Briefe an die längſt aufgelöfte] Synode von Epbejus (Saffe* Nr. 385, Mansi V, 268 BC) 
und in einem Schreiben an den Kaiſer (ib. 386; Mansi V, 271 B), daß Neftorius aus 
45 Antiochien vertviefen und von aller menjchlichen Gefellfchaft entfernt würde. Doch Theo: 
doſius iſt zunächſt nicht gefolgt: vier Jahre genoß Nejtorius den Frieden des antiocheni- 
chen Klofteraufentbalts (Nest. bei Evagr. 1, 7 p. 24360). Am 30. Juli 435 aber 
bat Theodofius ein ſcharfes Edikt erlaffen, das die Neftorianer mit dem Ketzerſcheltnamen 
der Simonianer belegte und die Schriften des Neftoriug zu verbrennen gebot (vgl. oben 
50 S. 738,54), und wohl zu ungefähr der gleichen Zeit ift Neftorius, wahrſcheinlich unter 
Abänderung einer Berfügung, die ihn nad Petra [in Arabien?] verbannte (Mansi 
V‚,255D; vgl. Wald V, 565), nad Oaſis in Agypten eriliert (Nest. bei Evagr. 1. c.). 
Was den Hof jegt zu dieſer harten Maßregel beitinmte, wiſſen wir nit. Wenn Zada- 
rias Rhetor jagt, Cyrill babe den Neſtorius nad Oaſis vertrieben (ed. Abrens und 
5 Krüger ©. 92, 10f.), fo wird dies zu Cyrills Ehren als eine in honorem Cyrilli gebildete 
monopbofitiiche ‚Fabel angejeben werden dürfen. Doc kann zuverläflig fein, was Eva: 
grius (1, 7 p. 2437 A) berichtet, daß Johannes von Anttochten bei dem Kaifer die Ver: 
bannung des Neſtorius beantragt babe. Denn Gvagrius fannte die „Tragoedia“ bes 
Neitorius, und daß der edle antiochenische Bilchof durch feinen von ihm verleugneten 
so Freund in Antiochien ſich geniert ſah, iſt begreiflih. Möglich iſt aber auch, daß Neito: 


Neſtorius Netter 749 


rius ſelbſt durch ſeine Tragoedia, die vor den Edikt vom 30. Juli 435 geſchrieben fein 
muß (vgl. oben S. 738, 36), den Zorn des Kaiſers erregt hatte. — Im Exil in Oaſis lebte 
Neitorius noch, als Sokrates bei dem Jahre 439 feine Kirchengefchichte abichloß (h. e. 
7, 34, 11). Die Schaudergefhichten von dem Tode des Ketzers bei den Späteren find 
wertlos (Wald V, 561 f.), die Nachricht des Zacharias Rhetor, Neftorius fei von Theo 5 
dofius zum Konzil dv. Chalcedon berufen, aber unterwegs verendet (ed. Ahrens und Krüger 
©. 4,18 ff.), iſt auch in ihrem eriten Teile nicht glaublicher; fie ift nichts als ein mono: 
phufitiiches Zeugnis gegen das Chalcedonenfe. Neftorius ift früher geitorben: Schenute (geft. 
1. Juli 451) jeßt in einer Predigt feinen längſt erfolgten Tod voraus (J. Leipoldt, Schenute, Diss. 
phil. Leipzig 1903 ©.46). Was wir aus der Zeit nad) feiner Verbannung noch willen, hören 
wir aus zwei Briefen von ihm bei Evagrius (1,7 MSG 86, 2 p.2440 f.): er ift bei einem Ein⸗ 
falle barbariicher Nomaden in Dafis gefangen und befreit worden, hat ſich dann felbit, „um nicht 
der Flucht oder fonft eines Verbrechens verdächtigt zu werden“, dem Statthalter der Thebais 
geitellt und iſt in deilen Auftrag binnen kurzer Zeit von einem Verbannungsort zu 
einem zweiten, dritten und vierten gefchleppt worden. Ob er noch weitere Erbärmlich- 
feiten hat erleiden müſſen, wiſſen wir nicht. Auch ohne dies ifts ein Schlußwort zu 
feiner Geichichte, mas er nach feiner Befreiung durch die Barbaren dem Statthalter als 
Begründung feiner Bitte um neue gejegmäßige Inhaftierung ſchrieb: va un naoaıs 
&x rooᷣrov yevcals Toaymöntaı xpeirtov eivaı Bapßdowv alyudiwrov N) nodopvya 
Baouelas dwualixnjs (Evagr. 1, 7 p. 2440C). Und jene Nomaden werden Heiden 20 
geweſen fein, das römische Reich aber war „hriftlich” ! Loofs. 


Nethiuim ſ. d. A. Levi Bd XIS. 421,0. 


Netter, Thomas, auch Thomas Waldenſis genannt, geſt. 1431, der hervor⸗ 
ragendſte theologiſche Bekämpfer des Wiclifitismus. — Sein Hauptwerk: Doctrinale anti- 
— fidei ecclesiae catholicae wurde gedrudt zuerſt in Paris, und zwar zuerit die 25 

eiden legten die Sakramente und Salramentalien behandelnden Bände 1521 und 1523, der 
erite Band erft 1532. Zum zweiten Mal wurden herausgegeben der 2. und 3. Band in 
Salamanfa 1566. Die dritte volljtändige Edition, die im folgenden benügt wird, veranjtaltete 
der Karmeliter oh. Baptijta Rubeo, Venetiis 1571 (3 Yoliobände). ine vierte Ausgabe 
erfolgte ebenfall zu Venedig durch T. Bonav. Blandivtti (1757—59). Die ebenfall® ge: 30 
wöhnlich Netter zugefchriebenen „Fasciculi zizaniorum Mag. Johannis Wiclif cum tritico*“ 
gab W. Waddington Shirler) heraus (London 1858). — Ueber Netter3 Leben und Schriften 
handeln Blandiotti in der VBorrede zu feiner Ausgabe, Leland, Scriptores brittanici ed. 
Hall, p. 441; Cave, hist. litt. II (1743), 112; „Shirley“ 1. c. p. LXXfj.; Lechler, Joh. 
v. Wiclif und die Vorgeſchichte der Reformation II (1873), 327 ff. 35 


1. Über das Leben Netters willen wir nur wenig. Ex mag gegen 1380 geboren fein 
und zwar zu Saffron-Walden in Efier und führte nach feinem Geburtsort den Zunamen 
Waldenfis. Seine Bildung erhielt er in Oxford. Er trat in den Orden der Kar: 
meliter ein und wurde 1414 englifcher Provinzial des Ordens. Nachdem er Schon 1409 
dem Konzil zu Piſa beigeiwohnt hatte, beteiligte er fih auch 1414 als Provinzial an 40 
dem Ronftanzer Konzil, zugleich ale Mandatar Heinrichs V. Bei diefem König (1413 bis 
1422) nahm er als Beichtvater und Geheimfefretär eine einflugreihe Stellung ein. An 
der Verfolgung der Lollarden unter diefem König hatte er erheblichen Anteil, 3. B. bei 
den Prozeſſen wider Lord Cobham (1413) und wider Wilhelm Sartor (1422). Im Jahre 
1419 unternahm Netter eine Reife nach Lithauen, um den König Jagello mit dem Sroß- 45 
meifter des Deutichordend auszujöhnen. Im Jahr 1431 begleitete er den jungen 
Heinrich VI. zur Krönung nad) Frankreich und ftarb dort am 3. November 1431. 

2. Bon feinen Schriften nennt Sixtus Senensis in ber Bibliotheca: Super 
Sententias libri quatuor, Super omnes bibliorum libros postilla scholastica, In 
libros ethicorum, In libros physicorum, In libros de coello et mundo, In libros so 
de generatione, In libros meteororum, In libros de anima. Auf uns gekommen 
find nur die beiden eingangs erwähnten Werke. Die Faseiculi, eine Sammlung von 
Urkunden zur Geſchichte Wiclifs und der Lollarden, find nad) Shirleys Nachmweifungen, 
denen Lechler zuftimmt, Netter mit größter Wahrfcheinlichkeit zuzufchreiben. Über die Ab: 
faſſungszeit des Doctrinale antiquitatum fidei ecelesiae catholicae gibt das Werk 66 
jelbft Auskunft. 1. Das erfte volumen, das die Bücher 1---4 des Werkes umfaßt, ift 
Martin V. (feit 11. November 1417 Bapft) gewidmet. Die Widmung beivegt ſich in 
Ausdrüden, die zeigen, daß der Papſt erſt feit kurzem feine Würde inne hat. Das führt 
etwa auf das Jahr 1418, dazu würde im allgemeinen die Angabe der Widmung plus 


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750 Metter 











ird. geb ra 1) { 

su ka ve des britten Feen (= * 6). vi 
ee ee a ee (Beide Urkunden zu Beginn des 2. 
10 bezw. 3. Bandes der Ausg. von 1571.) Das geohe Werk wird Bea in Be 
F ea. 1415 —— ea. 1429 entſtanden ſein. dies Werk knüpft ſich die geſchichtlich 













wir den Inhalt der Schrift zu charakteriſieren. Das ı 
ber — bei Wielif, daß er fidem denen dimidiat. — 
1 seripta gelten; was Die fides illa ecelesiae communis aus den Vätern, ber 
— sehen ftlichen Defreten angenommen bat, wird verworfen. Wichf maße 





nis der Offenbarung an, jeine Anhänger wollen allein die heilige 
—— — ſeien unbeilig (I praefat.). Die © werben: 
finde prima ergo doctrina omnium haereticorum est transformare serip- 
»o turas sacras ad detestabiles sensus suos, eadem verba dei sed alieno sensu 
vestire (V praefat. doetr. 1). Dieſe Härefie bat ſich nun meit ausgebreitet, ganz Eng: 
land iſt von ihr erfüllt, ebenjo Böhmen: Boemiae regnum totum y Wit- 
elevistas esse possessum (V praefat. doetr. 10). — Dieſe Lehre will‘ wider⸗ 
legen. Er — ſich gewifjermaßen dem Maßſtab des Gegners, indem aus er bon 
5 der Schriftlehre ausgebt, Ra dieſe ſoll verſtanden * nach der der älteren 
Väter, Der Grundſatz des großen Biblieiſten nur seripturae auetoritas ‚ober ‚aber 
revelatio a spiritu saneto speeialis reiche aus zur gu ng von Glaubensjä 
er 


F 









will Netter im Prin ap nicht verdammen, aber er meint, d doch mus nur in der a . 
aller Häretifer zur Dedung der Arglift dienen foll: non — tz ** sed 
0 latentem damno eg —* astutiam versipelle arum ol denn ) 






5 eordi intelleetu. ecclesiae (IT, 8* Be an bie tatholiihe Kine ee 
Wichf eben nicht thue (TI, 23) —, der verfteht die Schrift im Sinne der 
Kirchenlebrer und der Hierarchie (ar, 24, 26). Will man, ee 
anerkennen, jo werde Chriſtus, dag Haupt von jeinem Leibe, aejchn 
Wohl könne man an der Autorität nur eines Vaters sweifeln, 1 = — 
10 das Rämliche, jo: fidei robur habet (II, 25.21). Dayı fommt die kirchliche Gewohnbei en 
dort eintritt, wo es an Urkunden feblt ober diefe voneinander abweichen. Ipsa- 
tudo est animata fides ecclesiae (V, 109). Somit iſt qunächit — ci I F 
— daß die Schrift nad) der Auslegung der katholiſchen Väter 
eten der Hierarchie zu verſtehen ift, das Haupt mit feinem Xeibe i j ini 
46 kommt ein zweites: erſt das Zeugnis der Kirche giebt den Büchern bie 
ergo sine auetoritate testificantis ecelesiae non potest liber — esse aucto- 
ritatis canonicae, Nun fann aber die Kirche nicht etwa auf Grund dieſer 
den Autorität z. B. den vier kanoniſchen Evangelien das Thomasevangelium hing fügen 
und zwar deshalb nicht, weil die Schrift einen abgejchlojjenen vollfommenen O —* 
so mus bavjtellt: non posse iam augeri librorum numerum — lex Christi ia 
attigit ad perfectum. Das Geſetz Chrijti befand ſich im AT im gendſtadium, in 
Zeitalter Chrift: und der Mpoftel erreichte es den Abſchluß seine ; = bstums. Es iſt 
jetzt vollendet; daher non dubium libri non reeiperentur in auctoritatem saeri 
canonis nisi qui de illis temporibus apostolieis agerent et tune temporis essent, 
ss quia aliter non facerent de divinis rebus fidem summam. Summa * 
praesumptio foret, eos libros nunc probare, quos patres certa ratione — 
quos libenter recepissent, si digni fuissent (II, 20). Die Kirde war al 
einer inneren Notwendigkeit geleitet, wenn fie gerade diefe Bücher recipierte, Sera 
jih dur ein Wort mie das Auguſtins „evangelio non erederem, nisi 
so eatholicae commoveret auetoritas" jo wenig über die Schrift, als Philippus oder 






















GE. 


152 Netter 


zwei Drittel des Werkes aus. — Hinfichtlich der Kirche wird auf hiſtoriſchem Wege der Primat 
des Petrus erwiefen (II, 1—7. 30ff.); gegen Wichfs Definition: ecclesia est prae- 
destinatorum universitas iird gelehrt: ecelesiam militantem esse congrega- 
tionem omnium vocatorum catholica societate iunctorum ..., et sic huius 
5 ecclesiae membra sunt reprobi dummodo per se societatem non exeant vel 
per censuras ecclesiae eiecti non fuerint (II, 9). Die Ratholicität und Apoftolicität 
der Kirche haftet an ihrer Ausdehnung (II, 17. 18). Dann mird eingehend von der 
von Chriftus gebotenen und von der Gefchichte anerfannten Autorität der Päpfte gehandelt 
(II, 31ff.), von den beiden Schwertern (II, 49), den Bilchöfen (56 ff.), den pastores 
10 secundi ordinis (Il, 63), dei Zehnten (II, 64), der graduatio scholastica (II, 67) x. 
Die religio perfectorum wird bis auf das Alte Teftament zurüdgeführt (Setbiten, 
Nechabiten, Samuel, III, 2ff.). Auch Chriſtus habe gebettelt (bei der Samariterin IV, 3) 
und e8 auch die Apoftel gelehrt (IV, 5). Wichfs Grundfag nur befannten Armen etwas 
zu geben, wird ebenjo vertvorfen, wie die von ihm und Wilhelm de s. Amore aus 
15 gefprochene Forderung, daß die religiosi von ihrer Arbeit leben follen (V, 11. 22). — 
Wichf ift der modernus hostis sacramentorum, der jchlimmer als alle Häretiler vor 
ihm wider die Saframente wütet (V, 1. 17). Gegenüber der PVerflüchtigung der Safra- 
mente in Symbole gilt: non est diffidendum in sacramentis salutis concurere 
caput ecclesiae Christum ad salutem plebis .... nobiscum in pronunciatione 
2» evangelii pacis, nobiscum indubie in sacramentis conficiendis, quia nobiscum 
est in minoribus sanctificandis (V, 1). Auch ungläubige Priefter, auch praeseiti lünnen 
die Sakramente Tonfizieren (V. 5 ff.) Die Abendmahlslehre Wichfs ftamme von Berengar 
ber (V, 20). Dagegen: Hoc est, inquit, corpus meum; surge miser et rudis hae- 
retice, tolle micas figuralium praedicationum tuarum, quae tibi sunt suaves. Nos 
3 non audivimus, Christum dicere: hoc est corpus meum figuraliter, sed quid? 
Hoc est corpus meum (V, 23). Die ſymboliſche Auffaſſung ſei vielleicht bei den 
Chriſten nicht ganz jelten, aber foldhe jind infidelitate paganis peiores (V, 25). 
Die Hoftie ift nicht nur ein efficax signum (V, 27); das Brot bleibt nicht (V, 35. 48), 
aber eine Adnihilation an Materie findet nicht ftatt (V, 68). Die Hoftte ift anzu: 
30 beten, da Ghriftus aud nad) feiner Menfchheit wegen der hypoſtatiſchen Einigung An- 
betung gebühre. Ein Wiclifit babe freilich einst in der Kirche der erhabenen Hoftie den 
Rücken gewandt und gemeint in eines dabeiftehenden hübſchen Mädchens Geficht fer Gott 
befler als in der Hoftie wahrzunehmen (V, 26). Auch die utraque species wird be- 
fampft, nur Matthäus ſage, alle ſollen trinfen, und werden „alle“ abjolut genommen, 
35 jo müfle es auch von Kindern und groben Sündern gelten (V, 90). Nun fei zwar 
die Transjubitantiation, wie Wichf jagt, fein articulus fidei trium symbolorum, 
aber doch fei fie in der communio sanctorum enthalten, die Die communio omnium 
fidelium in omni re sancta bezeidine, sed maxime in participatione sacramen- 
torum, inter quae maxime servit articulus ille communioni eucharistiae (V, 
#95 vgl. hierzu Seeberg, DG II, 127 Anm.). — Auch über die Taufe wird die übliche 
Lehre vorgetragen und dabei — nad) jcholaftiicher Tradition — der Begriff „character“ 
unterfudt. Die Schrift, wie Epb 4, babe den Begriff, ebenjo die prisci patres und 
die kirchliche Gewohnheit (V, 109). Der Charakter difponiert die Geele für Gott, ferne 
Gebote zu erfüllen und die ſakramentalen SHeiligungen zu empfangen (V, 110). — Im 
15 Abjchnitt über den Ordo wird die hierarchiſche Abftufung als urfprünglich erwieſen, und 
zwar ſoll nicht die Demut und der Dienſt, wie Wichf will, jondern die differentia 
graduum et honorum dieſe Abjtufung berftellen (V, 118). Zurückgewieſen wird der 
bäufige Vorwurf Wichts, daß ſeit Konſtantin Prälaten und Kleriker caesarei geworden 
jeten (V, 120). Im Bußfatrament wird bejonders die Ohrenbeichte als bibliſch begründet 
so eriviefen, ſchon im Alten Tejtament komme fie vor (V, 135f.); und daß die Juden fie 
noch heute haben, bat Netter auf feiner Reife nad Volen in Erfahrung gebradt (V, 
137). Die potestas elavium iſt nicht, wie Wichf will, die potentia praedicandi 
et exemplar virtutum praebendi fidelibus, ſondern die Gnadengabe zu löſen und 
zu binden (V, 145). Nicht um eine bloße Kundmacung handelt es fich dabei, fondern 
55 Gott wirkt Durch die Prieſter, obne daß der Wandel des Prieſters dies beſchränkt oder fürbert 
(V, 146). Tie reservatio casuum diene der Ehre Gottes (V, 149). Die Unter 
iheidung von Todfünden und venialen Sünden ſei zwar nicht dem Wortlaut nach in der 
Schrift enthalten, wohl aber der Sache nad, fo ſchon in der Geichichte Kains, quia 
nolens homo ad peccatum trahitur, non erit ipsi mortale quod non feeit, sel 
ww quod patitur (V, 154). Die ventalen Sünden geſchehen per ignorantiam, non 


Netter Nendeder 753 


sponte, aus Schmwachheit wird das Gebot übertreten, während es bei der Todfünde ver: 
achtet wird (V, 155). 

Das lebte Buch handelt eingehend von den Saframentalien. Da ift etiva die Rede 
vom Gebet, von den jakramentalen Riten, von der Meile, den Fürbitten, der Heiligen: 
verehrung, der Kanonifation, den Wallfahrten, von der Heilighaltung des Sonntags durch 
Ruhe (VI, 140), dem Kirchbau, der Bilderverehrung (das übliche Bild der Trinität VI, 
155), der Anbetung des Kreuzes ıc. 

4. Die yeichichtliche Bedeutung des großen Werkes beiteht darin, daß es 1. dem 
MWichfitismus gegenüber den theologischen und praftiichen Standpunkt der fatholifchen 
Kirche feitlegt; 2. daß dies in zeitgemäßer Form geichieht: nicht fcholaftiich, fondern 10 
biblisch-patriftiich it das Beweisverfahren; nicht um fpelulative Dogmen, fondern um 
die Feſtſtellung der Autorität der Kirche, um den Erweis des Rechtes der faframentalen 
Praxis mit allen ihren Anhängjeln, um die Lebensleitung und Lebenshaltung handelt es 
fih bei Netter. Eine Reduktion findet ftatt mie hinſichtlich der Gegenftände, fo auch der 
Beiveismittel, bemefjen an der Zeit der großen Scholaftifer. 3. Dadurch hat Netter 16 
die Konzentration der Tatholifchen Theologie anzubahnen geholfen, die das Tridentinum 
fpäter durchführte. 4. Zugleih hat er aber ein Arfenal von Waffen für die katholiſchen 
Polemiker der Gegenreformation gefchaffen — tie Bellarmin — und ijt vorbildlich für 
ihre Stoffauslefe und Beweismethode geworden. Wie hoch man in diefer Zeit das Wert 
hätte, bezeugt feine Geſchichte. Es iſt im 16. Jahrhundert nicht weniger al3 dreimal, 20 
und dann noch einmal im 18. Jahrhundert gebrudt worden (j. oben und Lechler, Wichf 
II, 329 f.). N. Seeberg. 


Nenbrigeufis, Wilhelm von Newburgh oder Nemborough, englifcher Ge: 
ſchichtsſchreiber, geit.1198 (2). — Ausgabe der Historia und der Sermones von Th. Hearne, 
3 vols, Ogford, 1719; der Historia allein: von Sylvius, Antwerpen 1597, Commelinur 25 
Heidelbergae 1587; 9. &. Hamilton in den Ausgaben der English Historical Society. 2 vols 
1856; R. Howlett in Chronicles of the reigns of Stephen, Henry II and Richard I vol. I 
and II, Rolls Series 1884/85; ausgewählte Stellen edierte R. Pauli in SS 27, 224 ff. Zur 
Bibliographie vgl. Hardy, Descriptive Catalogue of British History II, 513 ff. Zur Biogra- 
phie: F. Liebermann, R. U. 4, ©. 18; R. Pauli a. a. ©. ©. 221 ff.; Howlett in der Intro: 30 
duktion feiner Ausgabe; Kate Norgate in Dictionary of National Biography 61, ©. 360 ff. 

Wilhelm, mit dem Zunamen Parvus (Petyt oder Short), wurde im 1. Jahre 
König Stephans (26. Dezember 1135 bis 25. Dezember 1136) zu Bridlington in Nort- 
ſhire geboren. Als Oblate in dein 1145 gegründeten Auguftinerhorberrnitift Newborough 
bei Coxwold erzogen trat er fpäter felber in das Stift und ftarb dafelbjt als Chorherr 36 
nah Mat 1198. Er hinterließ mehrere theologische Werke: 1. einen Kommentar zum 
hohen Liebe, noch ungedrudt, Handſchrift Cambridge Univerfity Gg. IV, 16, drei ser- 
mones und 2. ein großes hiſtoriſches Werk, Historia rerum Anglicarum, verfaßt 
wifchen 1189 und 1198 Mat auf Anregung des Zilterzienferabtes Ernald von Rievaulr, 
Horfihire: Buch 1 fummarifche Darftellung der Zeit von 1066—1154; Buch 2 die erften 40 
20 Jahre Heinrichs II. 1154—1172; Bud 3 das Ende von Heinrichs Regierung; 
Buch 4 die Zeit Richards I. bi8 1194; Buch 5 die Ereigniffe bis Mai 1198. Der 
Ruhm Wilhelm! gründet ſich vor allem auf die fcharfe Kritil, die er in dem Prooe- 
mium an ven „lächerlichen” und „unverſchämten“ Dichtungen des großen walliſiſchen 
Lügner Geoffrey von Monmouth übt. Freeman preift ihn deswegen geradezu als eriten «s 
kritiſchen Gejchichtsichreiber Europas. Aber nıan darf nicht vergeflen, daß diefe Kritik 
nicht von der Liebe zur Wahrheit, fondern vom Haß infpiriert if. Denn W. haßte die 
Kelten faſt ebenfo wie die Heiden und Juden. Immerhin übertrifft er an Weite bes 
Blid3 und Beionnenheit des Urteils fämtliche Hiftoriter des 12. Jahrhunderts. Dan hat 
ihn wohl geradezu mit feinem großen Landsmanne Baeda verglichen. Er hat von Baeda 50 
in der That gelernt und erinnert auch injofern an ihn, als er Hiftorie im großen Stile 
fchrieb, ohne je die Grenzen feiner Heimatprovinz überfchritten zu haben. H. Böhmer. 


Neuburger Religionsgeipräd |. Bd III ©. 707, 18. 


or 


Neudeder, Johann Chriftian Gotthold, geit. 1866. — Netrolog in der Go: 
thaiſchen Bund r. 163 v. 14. Juli 1866. AdB XXI ©. 479 ff. Der folgende Artitel 66 
beruht außer auf dem angef. Nekrolog auf Mitteilungen von Frl. E. Neudeder in Berlin, 
Dr. &. Schneider, Dr. H. Georges u. Fr. Hennide in Gotha. 

Johann Chriftian Gotthold Neudeder, ijt den 10. April 1807 in Gotha geboren. 

RealsEncyllopäbdie fir Theologie und Stirche. 8. A. XI. 48 


754 Neudecker 


Er empfing in der Taufe die Namen Johann Gotthold, die auch ſein Grabſtein auf dem 
dortigen Friedhofe trägt, wurde aber von ſeinen Eltern, Johannes N. und Anna Dorothea 
geb. Rus, mit dem Rufnamen Chriſtian belegt und hat ſich ſelbſt auf den Titeln der 
von ihm verfaßten Werke ſtets „Chriſtian Gotthold N.“ genannt. Er beſuchte das hei— 
b miſche Gymnaſium, welches damals F. W. Döring mit glücklichem Erfolge leitete, in den 
Jahren 1816— 1826. Zu Oſtern 1826 bezug er die Univerſität Jena, mo er drei Jahre 
lang der Theologie und daneben der Gefchichte und Pädagogik oblag und am Ende feiner 
Studienzeit als Doktor der Philofopbie promovierte. Nachdem er in Gotha das theo- 
logiſche Kandidatenexamen bejtanven batte, ging er nad) Leipzig, um fih als Dozent an 
ı0 der dortigen Hochjchule niederzulaflen; da aber feine befchränkten VBermögensverbältnifie 
die Ausführung diefes Planes vereitelten, fo übernabm er nad einer miflenfchaftlichen 
Reife in Süddeutſchland und dem Elfaß die Stelle eines Hofmeilters in der ‘Familie der 
Reichsgräfin Heſſenſtein zu Kaſſel und bielt auf diefem Poſten mehrere Jahre aus, teil 
ihm die an Urkunden der Neformationszeit reiche Bibliothek erwünſchtes Material für 
1 N Lieblingsjtudten darbot. 1832 nach Gotha zurüdgelehrt, lebte er bier bis 1842 als 
rivatgelehrter und beichäftigte fich teils mit der Ausarbeitung Firchengefchichtlicher Werke, 
teils lieferte er Beiträge zu 8. G. Bretichneiderd „Corpus Reformatorum“, ſowie in 
H. Gräfes „Neue allgemeine Schul-Zeitung“, die Darmitäbter „Allgemeine Kirchen-” und 
„Allgemeine SchulzZeitung“, F. W. Coof8 „Pädagogiſche Litteratur- Zeitung” u. |. m. 
0 Den Gedanken an eine geiſtliche Yaufbahn hatte er inzwifchen fo vollftändig aufgegeben, 
daß er felbit einen an ihn ergangenen Ruf als Superintendent in Altenburg unbedenklich 
ausſchlug. Geiner äußeren Stellung nad immer noch Kandidat der Theologie, trat er 
endlich im November 1842 in ein jeiner Neigung zufagendes Amt ein, als ihn nämlid 
das herzoglihe Oberkonſiſtorium zum eriten Lehrer an der von A. M. Schulze geleiteten 
25 Rnabenbürgerfhule in Gotha ernannte. Im Sanuar 1843 erhielt er den Titel eines 
Konreftors, ohne daß fein fpärlicher Gehalt von 300 Thalern dadurch geftiegen wäre, 
wurde am 1. April 1855 zweiter Rektor der Garnifon- und Erfurter Vorſtadtſchule mit 
einem mäßig erhöhten Sabreseinfommen und im Oftober 1860 mit einer Einnahme von 
800 Thalern Direktor der Bürgerfchule. Nachdem er vorher noch im Auftrage des berzog: 
30 lihen Miniſteriums die Mufterfchule in Frankfurt a. M. befucht hatte, um fich mit deren 
Einrichtungen befannt zu machen, wirkte er fortan als Leiter des umfangreichen ftädtifchen 
Schulweſens mit pädagogischer Einfiht und bedeutenden Erfolge bis zu feinem Tode am 
11. Juli 1866. Indem cr bemüht war, die von feinem Amtsvorgänger angebahnten 
Verbejferungen iveiter zu führen, befeitigte er Mängel und Gebrechen der verfchiebeniten 
35 Art und erſetzte Veraltetes durch beiferes Neues, wodurch er das Schulweſen Gothas auf 
eine rühmliche Etufe emporhob. Auch als Yebrer wußte er jeine Schüler anzuregen und 
zu begeiſtern; vornehmlich geſchah dies int Neligionsunterrichte. Neudeders fchriftitellerifche 
Arbeit trat neben feiner Lehr: und Auffichtsthätigfeit mehr in den Hintergrund, und fein 
umfangreicheres Werk ift in diefer legten ‘Periode feines Lebens von ihm vollendet worden. 
40 Dagegen bat er immer noch feine Beiträge in Zeitfchriften gejpendet und auch eine Reibe 
firchengejchichtlicher Artikel für die erfte Auflage diefer Enchklopädie geliefert. Won felbit- 
jtändigen, meist Tirchengefchichtlichen IBerten aber bat er in früheren, von der Schule 
weniger beengten Jahren die nachbenannten herausgegeben und namentlih dur die auf 
die Reformationszeit bezüglichen der Miffenfchaft fich fürderlich erwiefen: „Allgemeines 
5 Lerilon der Religions: und chriftlichen Kirchengefchichte für alle Konfeffionen“ (4 Bde, 
1834. 35; Zupplementband 1837); „Urkunden (212) aus der Reformationszeit” (1836); 
„Merkwürdige Aktenftüde aus der Zeit der Neformation“ (2 Abt., 1838); „Lehrbuch der 
bijtorifchefritiihen Einleitung in das Neue Teftament mit Belegen aus den Duellen: 
jehriften und Gitaten aus der älteren und neuen Litteratur” (1840); „Neue Beiträge zur 
bo Geſchichte der Reformation, mit biftorifchekritifchen Anmerkungen“ (2 Bde 1841); öe 
ſchichte der deutſchen Neformation von 1517— 1532” (1842); „Die chriftliche Kirchen: 
gejchichte der neueften Zeit von Niffel, oder das neuefte Schmählibel auf Luther und 
die proteftantische Kirche, twiljenfchaftlih beleuchtet und widerlegt“ (1843); „Geſchichte 
des evangelifchen Protejtantismus in TDeutjchland für denfende und prüfende Chriften“ 
5(2 le, 18:41— 46; wohlf. Musgabe, 1850); „Die Hauptverfuhe zur Bacifilation der 
edangeliich -proteftantifchen Kirche Deutichlande von der Neformation bis auf unfere 
Tage” (1816). Kerner lieferte er eine Fortfegung von W. Münfchers „Lehrbuch der 
hriftlichen Dogmengefchichte” (3. Aufl, 1832—34) von der 2. Hälfte der 2. Abteilung 
an (1838), bearbeitete die 3. Auflage von Chr. Defers „Weltgefchichte für Töchterfchulen 
vo und zum Privatunterricht für Das weibliche Geſchlecht“ (3 Tle, 1848) und die 3. Auf 


Nendeder Nenjahräfeft 755 


lage von desjelben Verfaſſers „Kurzer Leitfaden der MWeltgefchichte für Töchterfchulen” 
(1850) und gab heraus: „Handfchriftlihe Geſchichte Matthäus Nabebergers über Luther 
und feine Bett, mit litterarifchen, kritiſchen und hiltorifchen Anmerkungen“ (1850), ſowie 
gemeinschaftlich mit Ludwig Preller: „Georg Spalatins bijtorifcher Nachlaß und Briefe” 
(1. Bd: Friedrichs des Weifen Leben und Zeitgefchichte, 1851). Was er fonjt noch an 
bandichriftlihenm Material für das letzte Werk zufammengetragen hatte, das vermachte er 
vor jenem Tode der berzoglichen Bibliothef in Gotha, wo es als „Neudederjche Sanım- 
lung Spalatinifcher Briefe und Schriften” zu fünftiger wiſſenſchaftlicher Benugung bereit 
liegt. A. Schumann. 


⁊ 


Neues Teftament |. Kanon des NTs Bd IX ©. 768ff. 10 


Nenjahrsfeft, chriſtliches. — Vgl. die Artikel Feſte, kirchliche, Bd VI, S. 52 ff. und 
Kirchenjahr Bd X, ©. 393 ff., und die bei ihnen erwähnte Litteratur. Aus dieſer iſt beſon— 
der? zu verweilen auf: Bingham, Origines vol. IX, p. 6 8q.; NRheinwald, Die kirchliche Ar— 
chäologie, Berlin 1830, ©. 223 ff.; Achelis, Lehrbud) der praktiſchen Theologie?, I, Yeipz. 1898, 
©. 278 ff.; Weber und Welte, Kirchenleriton ?, IX (1895) Sp. 183 ff.; Grotefend, Zeitrechnung I, 
©. 22, u. IL, b ©. 191 Cireumeifionsitil, I, S. 89 Jahrestag, S. 134 Neujahrstag; aud) 
©. 61 festum calendarum. Ueber die voltstümlichen Feiern und ihre Bekämpfung durch die 
Kirche vgl. auh Du Gange unter cervulus und kalendae; außerdem C. P. Bafpari, eine 
Auguftin fälfchlich beigelegte homilia de sacrilegiis, Chrijtiania 1886, ©. 10, 12f., und be: 
fonder3 die Anmerkungen ©. 33 ff. und ©. 49. 0 

Schon in vordhrijtlicher Zeit und fodann in den erften Jahrhunderten unferer Zeit: 
rechnung wurden in Rom und im römischen Reiche die calendae Januariae als ein 
Öffentlicher Feittag begangen. Die Feier galt dem Anfang des neuen Jahres, der ich 
auch namentlich dadurch bemerkbar machte, daß die höchſten Staatsämter von den zu 
ihnen Erwählten an diefem Tage angetreten wurden. Die Seit geihah im: Anfchluß 
an die Satumalien und auch in ähnlicher Weife. Bei den Kaifern fand ein beſonders 
feierliher Empfang jtatt; fie nahmen Neujahrögefchenfe (strenae), auch in Geld, an und 
erwwiderten fie teilmeife. Das Volk überließ fih lauter Freude; man befchenkte ſich, be= 
luftigte fi) mit Spielen, Gefängen, Scherzen und Mummereien aller Art; beſonders be- 
liebt wurden auch allerlei abergläubifche Gebräuche und Berrichtungen, durch welche man wo 
bewirken wollte, daß das Jahr ein glüdliches werde, oder aus denen man die Zukunft 
erforjchen wollte; nur zu häufig arteten dieſe in Nohheiten und unfittliches Treiben aus 
und waren mit vügellofen Ausschweifungen verbunden. Gegen foldyes heidnifches Un- 
weſen fonnte fih die chriftliche Kirche nur abwehrend verhalten; und weil auch getaufte 
Chrilten an ihm teilnahmen, wurden vielfach in den Kirchen gerade am 1. Januar ernite ss 
Straf: und Bußpredigten gehalten, in denen die Ghriften vor diefem Unfuge gewarnt 
und zum Halten am Belenntnid ermahnt wurden; es ward ihnen Almofen ftatt der 
Neujahrsgeichenfe, Falten ftatt der Schwelgereien, Leſen in der Schrift ſtatt Singens 
fhänblicher Lieder empfohlen. Solche Neujahrspredigten haben wir von Ambrofiug, 
Auguftin, Petrus Chrofologus, Maximus Taurinenfis u. a.; in ihnen wird die übliche 40 
volfstümliche eier der calendae Januariae wegen ihrer Ausartung jcharf getadelt und 
in der Teilnahme an ihr ein Rückfall ins Heidentum gefeben, wie das auch ſchon Ter: 
tullian that (de idololatria cap. 14, in Corpus sceriptorum ecclesiast. lat. vol. XX, 
p. 46); aber einen Hinweis auf den Anfang eined neuen Jahres finden wir in ihnen 
nicht. Vol. auch Auguftin contra Faust. XX, + (Migne patrol. Bd 42 Sp. 370): 4 
solemnes gentium dies cum ipsis celebratis, ut calendas et solstitia. — 

Eine Aufforderung zur Begehung einer Neujabrsfeier im chrijtlichen Sinne finden 
wir zuerſt (2) in einer Homilie des Chryſoſtomus (387%), die fih im übrigen auch gegen 
jene heidniſchen Unfitten wendet; vol. Rheinwaldt a. a. D. S. 230, Anm. 6 (deutſch in 
Augufti, Denkwürdigfeiten LS. 314 ff). Da die Teilnahme der Chrijten an diefen Feiern co 
fortdauerte, wurde jpäter zu Neujahr ein dreitägiges Falten (31. Dezember bie 2. Januar) 
angeordnet, durch welches die 14tägige Feltzeit von Weihnachten bis Epiphanias unter: 
brochen ward. So jeßte dad Coneilium Turonicum II. vom Jahre 567 im 17. Kanon 
feſt: ..., et quia inter natale domini et epiphania omni die festivitates sunt, 
itemque prandebunt. Exeipitur triduum illud, quo ad calcandum gentilium :; 
consuetudinem patres nostri statuerunt privatas in calendis Januariis fieri 
litanias, ut in ecclesiis psallatur et hora octava in ipsis calendis ceircum- 
cisionis missa deo propitio celebretur; — vgl. aub im 22. Kanon: Enimvero 
quoniam cognovimus nonnullos inveniri sequipedas erroris antiqui, qui ca- 

48 


ur 
— 


1) 


5 


756 Nenjahrsfeit 


lendas Januarii eolunt, eum Janus homo gentilis fuerit, ...., eerte hie non 

potest integer Christianus diei, qui aliqua de gentilitate custodit (Bruns, Ca- 

nones apostolorum ete. II, Berolini 1839, p. 227 und 235 d). Aud in den Yetim: 
mungen jpäterer Konzilien, wie in denen der Konzilien Narbonne 589, Rheims 624 

5 oder N A 650, wird unter andern verbotenen * Gebräuchen auch die 

Feier des 1. Januars und die bei ihr übliche — änner in — oder 

alte Meiber erwähnt und den Prieftern eingefiärht, & eichen nicht zu dulden ( 

—— Inquiſition und Hexenprozeß im M X, Münden und Sehgig 1900, .43). 

in einem Formular für das Verhör von folchen, die der dololatrie und des Ma- 

10 Tefichume verbä tig waren, durch bie ns haereticae pravitatis aus der Zeit 


ropter annum novum feeit aliquid —— boni fati, dando * invicem ali- 
wid pro —— (Hanfen, Quellen und Unterſuchungen zur —— Hexenwahns, 
onn 1901, ©. 43, 3. 19 ff). — Inzwiſchen war, nachdem bi * des Weihnacht 
15 feſtes am 25. Dezember in der Kirche angeorbnet war (um die Mitte des 4. 
vgl. Bd VI, ©. 55,15 ff.; nach Ujener im Jahre 353, Adelis a. a. D. 
1. Januar zur oetava natalis domini geivorden und dadurd) wurde er 
e eircumeisionis et nominis Jesu. Als —* Zuee dafür, 
rd jo als Nachfeier des Weihnachtsfeſtes beging, ein ° aus dem 
0 in nfang des 5. Jahrhunderts genannt, Almachius ic — oder —— der 
am 1. Januar den Märtyrertod erduldet haben jo 
minici diei sunt, cessate a superstitionibus idolorum et a sacrifieiis - 
vgl. Acta sancetorum ,,.collegit... Bollandius, Januarius Tom. I, Antw. 1643, 
fol., p. 31. Der eodex Fuldensis aus Mia Jahre 546 giebt in einem en 
25 firchli er Xeltionen für Die verſchiedenen age auch eine de eircumeisione do 
nämlich Nömer 15, 7 u. 8; vgl. die abe. dieles Koder von Ranle, Marburg, = 
Leipzig 1868, ©. 165 u od. Da Das Kl zu Tours 567 eine missa eircum- 
cisionis anordnete, Kaben wir ſchon oben. Beda (geit. 753) bielt am 1. Januar eine 
omilie de eireumeisione (deutſch bei Augufti a.a.D. ©.317 ff). Im rö * 
»0 framentarium des Thomaſius, im Missale Gothicum bei Mabillon, im 
Karls des Großen ift der Tag als eireumeisio domini bezeichnet, in ber Ehre 
er (get. 766), in den Kapitularien der — ** in ben | — * 
ode zu Mainz (813), auch bei Beda und Aelfrik als oetava domini, octava na- 
domini oder ähnlich. Hier überall wird, wie — den Homilien — 
35 Zeit, wieder nirgends auf den Jahresanfang Nücficht genommen; die Kirche 
eigned Jahr, das in Deutſchland meiftens mit Weihnachten begann, Bergen auch ‚ni a bem 
1. März, mit dem 25. März oder mit —— ſpäter mit dem 1. Advent begonnen wurde 
vol. Bd IX, ©, 718, aff. Deshalb konnte Martin von Bracara etiva 572 von bon 
error ſprechen der ignorantibus et rustieis hominibus subrepit, ut calendas Ja- 
40 nuarias putent anni esse initium, quod omnino falsissimum est; val. E. P, Ga- 
Ipati, Martin von Bracaras Schrift. de correctione rusticorum, Shriftiania 1883, 
©. 12f. Und fo it denn auch un Missale Romanum und im Breviarium Roma- 
num ber 1. Januar nur als eireumeisio domini bezeichnet und in den —* 
beſtimmten Sprüchen, Lektionen und Gebeten auf den Anfang eines neuen Ja 
15 Ruckſicht genommen. Da aber im bürgerlichen Leben das Jahr nad wie vor 
mit dem 1. Januar begonnen wurde, wie denn auch, fo viel uns befannt, alle Hal 
an diejem Yabresanfange — und im bürgerlichen Rechte, ja fpäter auch im # 
lichen Rechte (vgl. Grotefend a. a. O. I, ©. 22» unten) nur diefer Jabresanfang ge 
jo fonnte auch die Kirche ibn ie t auf ‘die Dauer unberü ichtigt laſſen. Als frübjte: 
so Zeichen einer Beteiligung der Kirche an der Feier des Neujabrstages im Abendland 
wohl das festum calendarum gelten, auch festum fatuorum vder 
festum hypodiaconorum genannt, das fid) namentlid in Frankreich vom 10, Jabrh. 
an?) nachweiſen läßt, bis die Sorbonne es im Jahre 1444 verbot (vgl.ob.S.651f.); — 
eine Überbietung jener erwähnten heidniſchen Volksfeiern verbunden mit Verzerru g und 
65 Merböhnung kirchlicher Gebräuche, Die u ar nievere Klerus erlaubte, eine bäßli 
Karrifatur einer erniten kirchlichen eier. Weniger anftößig war die Sitte, „Das ‘ teuja | 
bon ber Kanzel auszuteilen“, die jih in den legten Jabrbunderten des MA, aus sbildete 
und von den Predigermönden aufgebracht fein joll. Sie beitand darin, daß der Predige 
am Neujahrstage feinen Zubörern nad ihren verſchiedenen Ständen border 9 teujabrs 
co wünfche auf der Kanzel ausſprach. Es konnte das außerordentlich geichmadles und ohne 


&3 
























— An 


Nenjahrsfeft Neumanicdhäer 757 


den rechten fittlichen Ernſt gefchehen, wie z. B. in einer Predigt des ſonſt als Prediger 
berühmten Auguftiner-Eremiten Gottſchalk Holen, Lektors im Kelofter zu Osnabrüd, geft. 
nad) 1481 (vgl. diefe PRE* XVII, 5i1f.; Cruel, Gefchichte der deutfchen Predigt im 
MA., Detmold 1879, S. 505; AdB XI, 758; jeine sermones fcheinen exit 1517 ge 
drudt zu fein). Gegen folden Mißbrauch der Karel ſprach fi) dann befonders auch 5 
Luther aus. In der Tore ee beginnt feine Neujahrepredigt über das Evangelium 
Le 2, 21 mit den Worten: „Auf diefen Tag pflegt man das Neujahr auszuteilen auf 
der Kanzel, ala hätte man fonft nicht genug nügliches heilfames Dings zu predigen, daß 
man ſolch unnüte Fabeln anjtatt göttlich Worts vorgeben müßte und aus folchem ernten 
Amt ein Spiel und Schimpf machen. Von der Beichneidung fordert das Evangelium 
zu predigen und von dem Namen Jeſu, da twollen wir auf ſehen.“ (Außlegung der Epifteln 
und Evangelien, Wittenberg 1522, Blattyy IIr; Erl. Ausg.” X, 319). Er felbit ſpricht 
dann mit feinem Wort vom Anfang eines neuen Jahres, wie er denn ja auch das Jahr 
vom 25. Dezember an rechnete. Ebenſo ift e8 in dem Sermon am Jahrestage (d. h. 
Neujahrstage) 1523 (Erl. Au⸗g XV, 193 ff. Weimarer Ausgabe XII, 400 ff). Und 
in der Hauspoftille jagt er: „Dan heißt diefen heutigen Tag den neuen Jahrstag nad) 
der Römer Weife. Wir Chrijten fahen len neuen Jahrstag an am heiligen Ehrift- 
tage, ... Denfelben en Sahrstag und anderes, jo wir von den Römern 
haben, laſſen wir ist fahren. eil man aber auf diefen Tag geleget hat das Feſt der 
Beichneidung Chrifti, ifts billig, daß mir heute davon predigen” (Erl. Ausg.” IV, 178). 20 
Als dann um die Mitte des 16. Jahrhunderts für Deutichland ganz allgemein der 1. Ja— 
nuar als Sahresanfang angenommen wurde, fing man aud an, in den Gottesdienften 
auf ben pabeestvehe Bezug zu nehmen; mo die altkicchlihen Perikopen beibehalten 
wurden, fonnte aus Le 2, 21 der Name Jeſu in mannigfachen Weiſe dazu verwandt 
werden. Auch die Sitte des Neujahr-Austeileng auf der Kanzel kam wieder auf; Jo— 25 
hann Arndt bat in feiner Boitille für jeven Stand einen bibliſchen Wunſch; die Perüden: 
und Zopfzeit erging fih mit Genuß in umftändlidhen Kanzelneujahrswünjchen. — In der 
fatholifchen Kirche wurde im Jahre 1721 das festum nominis Jesu vom festum 
eircumeisionis getrennt und auf den zweiten Sonntag nad Epiphanias verlegt. In 
der griechifchen Kirche wird am 1. Januar 7 nregiroun Tod Xoıorod gefeiert, zugleich 30 
aber und noch mehr das Gedächtnis des Schutzherrn aller Klöfter, Baſilios des Großen. 
Daß der 1. Januar ald Tag Basilii gefeiert wurde, fam einzeln auch im Abendland 
vor, fo nach Aelfriks Homilien bei den Angelfachfen (vgl. Piper, Die Kalendarien . . 

der Angelfachfen, Berlin 1862, ©. 74). (H. Merz +) Carl Bertheau. 


Nen⸗Manichäer (Katharer). — Quellen: 1. Zur Gefhichte der Euchiten u. Bo: 3 
omilen: Michael Pſellos, /lzoi Eveoyriac daruovor (MSG 122. 537 f.). Euthymios Ziga— 
enos, Ilavonkia doynarıxı (MSG 130); — daraus befonders ediert der Abfchnitt tit. 27 wider 

die Bogomilen (c. 4, col. 1290—1332) durch Gieſeler (Narratio de Bogomilis, Göttingen 
1841.) und der wider die Meffalianer (tit. 26) durch Tollius (Victoria et triumphus de 
impia Massalianorum secta, in ſ. Insignia Itinerarii ital., Utrecht 1696). Anna Komnena 40 
in d. Alexias (MSG 131, p. 59ff.). — 2. Betr. d. abendbländ. Katharer: Petrus Bene: 
rabilig, Epistola adversus Petrobrusianos (MSL 189, 719). Hugo Rotomagenfi3, Contra 
haereticos sui temporis 11. III (MSL 192, 1255). Efbert, Sermones XIII adv. Catharo- 
rum errores (MSL 195, 11). Evermwein von Steinfeld, Epist. ad Bernardum (MSL 182, 
676). Eberhard v. Bethune, Liber Antihaeresis (Bibl. Patr. Lugd. t. XXIV). Alanus, 15 
Summa quadripartita contra haereses (MSL 210, 305). Bonacurjus, Vita haereticorum s. 
manifestatio haeresis Catharorum (MSL 204, 775). Joh. Moneta (geit. 1250), Adv. Ca- 
tharos ct Waldenses (ed. Richini, Rom 1743). Rainer Sacdjoni (geil 1250), Summa de 
Catharis et Leonistis in Martene und Durand, Thesaur. nov. anecd. t. V (Paris 1717). 
Der Paflauer Anonymus (Pfeudo-Rainer — vgl. K. Müller, D. Waldenjer [1886], ©. 147 f.). so 
— Dr aud) C. Dupleſſis d’Argentre, Collectio iudiciorum de novis erroribus, qui ab initio 
saec. XII usque ad an. 1632 in ecclesia praescripti sunt, Bari 1726, jowie die Urkunden: 
Auzziige bei Döllinger und Fredericq (f. u.), joweit diefelben das Katharertum betreffen. 
Neuere Darftellungen. 1. Euditen und Bogomilen: Stirecef, Gefchichte der Bul: 
naren (1876), ©. 175 ff.; J. Jacobi, Ueber d. Euditen, ZKG IX (1888), ©. 507 ff.; Schniger, 55 
Studd. d. Beiftl. Württembergs, II, 1; after, Greeko-Slavonic litterature and folklore, 
Zond. 1887, (p. 15ff).; Karapet fer Mkrettſchian, Die Paulikianer, Lpz. 1897 (bei. ©. 86 if. 
119 .).— 2. Zufammenfajiendes über abend: und morgenl. Katharer: 3. C. Füsslin, Unpar: 
teiiihe Kirchen: und Keperhiftorie der mittleren Zeit, 3 Bde, Lpz. 1770; J. G. V. Engel: 
Hardt, in ſ. Kirhengeihichtlihe Abhandlungen, 1832; Ulr. Hahn, Geſch. der Keßer im MA., 60 
3 Bde (insbeſ. Bd I), Stuttgart 1845; Charles Schmidt, Urſprung d. Katharer, in Niedners 
3. f. 8& 1847, IV; derſelbe, Histoire et doctrine de la secte de Cathares, 2 vols., Paris 


[N 


0 


et 


5 


768 Nenmanichãer 


1849; derſ., Art. „Katharer“ in Aufl. 1. u. 2 d. Encytktl. — ODſokina, Geſch. d. Albigenſer, 
2 Bde, Kaſan 1869 (ruſſifſch); Razki, Bogomili i Catareni, Agram 1869; U. Lombard, Pau- 
liciens, Bulgares et Bons-Hommes en Orient et Occident, ®enf 1879; G. Comba, Storia 
della riforma in Italia, v. I, Slorenz 1881: el. Tocco, L’eresia nel medio evo, ebd. 1884; 

5 Guſt. Steude, Ueber den Urjprung der Katharer: RS V, S. 1—12; 3. v. Döllinger, Bei: 
träge zur Sektengeſchichte d. MA.s 2 Bde (I: Geſch. der gnoſtiſch-⸗manichä. Sekten [bier bei. 
©. 34—51]; II: Dotomente, vorzüglidy 3. Gefch. der Baldefier und Katharer), München 1890; 
K. Miller, Krit. des Döllingerfhen Werts: THLZ 18%, ©.353 ff. Derf., Grundriß der &W, 
$ 138. 152. 175 (Freiburg 1892 f.). 

10 Aus der Litt. über Jngquifition im MA. (Benrath, Art. „Snquif.“, Bd IX ©. 1527.) 
find als befonders wichtig hervorzuheben die Arbeiten von Havet (1881), Douaid (1881), Lea 
(1888), Frederichs (Robert le Bougre, 1892) und Frederieq (Corpus documentor. haer. pra- 
vitatis Neerlandicae, t. I und II, ®ent 1889. 1896); aud) des lebteren Geschiedenis der 
Inquisitie in d. Nederl., I, ebd. 1892. — Bgl. aus nenejter Zeit noch C. Douais, Docu- 

156 mentes pour servir à l’bist. de l’inquisition en Languedoc, Baris 1900ff.; F. Zocco, Nuori 
documenti sui moti ereticali etc. (im Archiv. di studi ital. 1901); ®. Flade, Da3 römifde 
Anquifitionsverfahren in Deutichland bis zu den Hexenprozeſſen, Lpz. 1902. 


Für die dualiſtiſche Ketzerſekte des Mittelalters, welche in den beiden früheren Auf: 

lagen der PRE der Artikel „Ratharer” behandelte, erfcheint der Name „Neu:-Mani: 

20 häer” ganz ebenfo berechtigt. Denn ſowohl hinſichtlich ihrer jchroff dualiftifchen Lehre, 

wie in ihrer Urganifation und ihren asketiſchen Grundſätzen ftellt fie ſich als eine Er: 

neuerung der Härcfie Manis dar (f. Kepler, Bd XII ©.225f). Daß fie auch genetiſch 

mit derfelben zufammenbängt, ift vielfach beftritten worden, aber mit Unrecht, tie die 
nachfolgende Darftellung dies zeigen wird. 

25 I. Neu: Manidhäer des Orients (Eudhiten und Bogomilen). Die dua 
liftijch Lehrenden Häretiker, welche jeit Beginn des 12. Jahrhunderts unter dem Namen 
Bogomilen in Bulgarien und den angrenzenden Gebieten in beträchtlicher Stärke aus 
gebreitet waren, find nachweislich durch Verjchmelzung zweier älteren Selten, der Pauli: 
fianer und der Euchiten oder Mefjalianer (f. d. m Bd XII ©. 667 ff.) entftanden. Beide 

30 waren aus ihren Urfigen in den byzantiniſchen Oftprovinzen (Armenien, Mefopotamien, 
Nordiyrien) während des 8. bis 10. Jahrhunderts nach Thracien verpflanzt worden, wo 
fie mit dem dort anfäfligen flavifchen Volle der Bulgaren in Eins zuſammenwuchſen, 
nicht ohne in religiöfer Hinficht umbildend auf dasſelbe einzuwirken. Der Prozeß wechſel⸗ 
jettiger Annäherung und Jneinsbildung beider Sekten, der mohl ſchon während ihrer 

35 früheren Entwidelung auf aſiatiſchem Boden begonnen hatte, gedieh jet zu Ende. Dem 
dogmatiſch⸗ethiſchen Tualismus, den die aus marcionitifchen Grundlagen erwachjenen 
Baulifianer nach der neuen Heimat am Balkan mitgebracht, gefellte unter Einwirkung des 
Euchitismus ein asketiſch-enthuſiaſtiſches Element fih hinzu, das mit jener bualiftifchen 
Welt: und Lebensanſicht um jo leichter ſich vermählte, da auch fchon den früheren Bil- 

40 bungepbajen der paulifianifchen Sekte ein asketiſcher Rigorismus (gnoftifierenden oder 
manichäifchen, nicht etwa Tirchlichen Urfprungs und Charakters) eigen geweien war. Die 
Frage, in weldyer Meife der Einfluß des eigentlichen oder perfifchen Manichäismus in 
den früheren Stadien des betreffenden Bildungsprozeſſes fich bethätigt habe, mag binfichtlich 
der einzelnen Probleme ſchwer zu beantworten fein; daß aber ein folcher Einfluß wahr: 

35 ſcheinlich jtattgefunden bat, lehrt dag Endergebnis des Prozeſſes, das und im bogomi: 
liſchen Syſtem bedeutſame Anklänge ſowohl an die Glaubens: wie an die Sittenlehre des 
alten Manichäismus wahrnehmen läßt. Das Wichtige wird jedenfalls fern, diefe mit dem 
Manichäertum gemeinjamen oder an es erinnernden Züge im Bogomilismus nicht ein 
jeitig nur von Einem der bei feiner Entjtehung wirkſamen Faktoren berzuleiten, fondern 

so fie beide bierfür in Nechnung zu zieben - - den Paulikianismus befonders hinfichtlid 
dejlen, was in feier Urganifation an die gefellfchaftliche Gliederung und Te anlin der 
Sekte Manis erinnert, den Euchitismus namentlich in Bezug auf feine ſchroff dualiftifche 
Hamartologie und feine Damit motivierte entbufiaftifche Gebetsasfefe. Teils altmanidät- 
jcheg, teils marsionitisches Erbgut, das den bulgarischen Ketzern durh paulikianiſche 

55 Vermittlung zugelommen war, ſcheint (neben der Vertverfung des ATS, der fleifchverbie 

tenden asfetifchen Diät und der Verabſcheuung Des Kreuzes) namentlich die hohe Autorität 
und Starte Machtftellung ihrer „Apoſtel“ vder Perfecti geweſen zu fein. Als euchitiſch 
verntitteltes Llberlieferungsgut altmanichäifchen Urjprungs wird namentlich die Lehre von 
der ſataniſch erzeugten böfen Zeele im Mienfchen, die nur durch Gebet und Fürbitte der 
so asketiſch Vollkommenen übertvunden werden fünne, zu gelten haben. — Übrigens erfcheint 
dieſen Yebrelementen und Grundſätzen von älterer dualiftifcher Provenienz vieles Jüngere 


Nenmanichäer 759 


beigefügt und angebildet, was wohl erit im Laufe der frübmittelalterlichen Zeit teilg aus 
ſlaviſch-heidniſcher Religionsüberlieferung übernommen, teil durch ſelbſtſtändige religiöfe 
Spekulation der Häupter der Sekte erzeugt worden war. Das voll ausgebildete Lehr: 
gebäude der Bogomilen des anhebenden 12. Jahrhunderts Stellt ſich daher als ein „fünft: 
liches mythologifchphilofophifches Syſtem“ (Müller, KO I, 496) dar, dag nur in feinen 5 
einfacheren Grundgedanken die Verwandtichaft mit dem alten gnoſtiſch-manichäiſchen Dua⸗ 
lismus noch unvermwifcht zu erfennen giebt. 

Als noch etwas einfachere Vorftufe des eigentlichen Bogomilismus erjcheint die Lehr: 
weile jener thraciſchen Euciten um das Jahr 1050, die des Pſellos Dialog „Von der 
Wirkſamkeit der Dämonen“ (f. o. d. Litt.) beichreibt. Ihre Gottes: und Weltanficht war 
die eines relativen Dualisınus. Dem höchften Gotte, der die überweltlihen Negionen be 
herrſcht, entitammen zwei Söhne, deren älterer, Satanael, über die irdiſche Welt, der 
jüngere, Chriſtus, über die himmliſche Welt gebietet. Weil beide als göttlichen Ursprungs 
gelten und ihre dermalige Entzweiung als nur vorübergehend gedacht wird, wird von 
einem Teil der Euchiten dem einen wie dem anderen göttliche Verehrung erwieſen. Andere 
verehren nur den jüngeren Sohn, vermeiden es jedoch, deſſen älteren Bruder Satanaöl 
zu ſchmähen oder zu läjtern, weil derſelbe fonft ihnen zu ſchaden vermöchte. Eine dritte, 
religiögjittlich entartete Eucdhitenpartei foll nur den Satanadl, al3 dem Erjtgeborenen 
des höchſten Vaters und Cchöpfer der fichtbaren Welt, göttliche Verehrung erzeigt, ja 
Chriſtum als Urheber gewiſſer ſchädlicher Naturwirkungen (Erdbeben, Hagel, Belt u.) be: 0 
tradhtet und daher verflucht haben. Auf diefem letzteren Punkte mag Pſellos etwelche 
entitellende Berichterjtattung aufgenommen haben; cbenfo vielleicht betreffs deſſen, mas 
er über geheime Unzucht der Sekte im Gottesdienst, über Kindermord, Genuß von Blut 
und Ajche zu fultiihem Zwecke u. dgl. meldet. 

Diefe Euchitenfelte des Pſellos, in der ein jüngeres Entwidelungsproduft der alten 25 
Euciten oder Meflalianer zu erbliden fein wird, fcheint bis gegen Ende des 11 Jahr: 
bunderts ihren, gewiß ſchon früher begonnenen Prozeß der Verſchmelzung mit den thra— 
ciſch-bulgariſchen Paulikianern vollendet und fo die große Sekte der Bogomilen 
gebildet zu haben. Den Namen diefer Partei erflärt Euth. Zigadenus eingangs feines 
Berichts über diejelbe (MSG 130, 1290) irrigeriveife als zufammengejegt aus Bog „Gott“ 30 
und milui „erbarme dich”. Er bedeutet vielmehr „Sottliebende, Sottesfreunde” (Schmidt, 
Hist. des Cath. II, 284), iſt aljo wohl Spezialbezeihnung der Perfecti der Sekte, die 
fih wohl gern „Freunde Gottes” (Bedgpedoı) nannten; -- weniger wabrfcheinlich iſt Die 
von Siredet und Lombard (f. oben) verfuchte Zurüdführung des Namens auf einen an 
geblichen Stifter der Sekte „Gottlieb” (Bogumil), der ſonſt auch Jeremias geheiken habe 86 
(Döl. I, 35). Ein des öfteren ihnen beigelegter Name, der auf ihr fleißiges Umher— 
wandern Bezug zu haben jcheint, iſt Fundaitae (Dovvöaitaı) „Beutelträger”, von 
funda, Tajche. Unkritiſcherweiſe werden fie zuweilen auch Euchiten, Enthufiajten oder 
Marcianiften genannt (nad) dem euchitiſchen Parteihaupte Marcian im 6. Jahrhundert, 
vgl. Bd XII S. 664, 63f.). — Die unter Alexius Kommnenus auch in der oftrömifchen 40 
Hauptitadt zu bedrohliher Stärke herangewachſene Sekte wurde durch eine Liſt des ge- 
nannten Kaiſers im Sabre 1111 zur Kundgebung ihrer Geheimlehre verlodt. Von ihrem 
Oberhaupt, dem Arzt Baſilius — der jeit 52 Jahren, unterftüßt von 12 Schülern oder 
„Apoiteln” für ihre Ausbreitung thätig geivefen — wurde dem Katfer und deſſen Bruder 
Iſaak, die ſich ala zum Übertritte geneigt anjtellten, umfaſſende Mitteilung über ſämtliche 
Hauptlehren und Grundfäge der Bogomilengemeinde gemacht. Dieſes authentifche, von 
Bafilius ſpäter durch ftanphaftes Erleiden bes Syeuertodes im Hippodrom zu Konftantinopel 
bejiegelte Belenntnis, das ein hinter emem Vorhange verborgener Schnellichreiber auf: 
gezeichnet hatte, liegt der von Euthymius im vorlegten Abjchnitt der Panoplia gegebenen 
Koftematifchen Daritellung zu Grunde. 50 

Danach verwarfen die Bogomilen zivar nicht das ganze Alte Teftament, aber doch 
die mofaifchen Schriften, die ihnen als ſataniſch inſpiriert galten (während ſie den Pfalter 
und das „Buch der 16 Propheten” famt den 4 Evangelien, den Schriften der Apoſtel 
und außerdem verfchiedene Apofrypben in ihrem Kanon hatten). Ihre Lehre von Gott 
in feinen Beziehungen zur Welt ijt die nämliche, relativ dualiftiiche wie die der Euchiten. 65 
Der Mythus von den ungleichen göttlichen Brüdern Satanael und Chriftus erjcheint in 
ihr ausgelponnen zu einem pbantafievollen fosmogonifchen Drama, für deifen Eingangs: 
alt der Scöpfunge- und Sündenfallsbericht des 1. Buches Moſe (mit Deutung Des 
Schöpfergottes Elohim auf Ehrifti älteren Bruder Satanaël) ausgebeutet wird. Der aus 
dem Himmel entfallene Satanaël jiebt fi) auf der noch ungeformten, wüſten und leeren « 


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“ ere Sim unb Er eg fen Mor Abel haßt und „oläg 


Beſetzes 
Keen Eh ten und ein un hsbollen & ıngen über Che ar Tiero 
10 Eid x.) ji runde gerichtet werden. Um en Berderben u * — 
Satanasls entgegenzuwirken, und den —— Teil der Menſchheit zu retten 
—* Jahre nd Cr 


46 "Enge * großen Nates“, bald le < — * — Vom — 


geht er durch das rechte Ohr in die Nungfrau Maria ein und nimmt 
irdiſch⸗ menſchlichen Leib an, in Mahrheit aber bringt er einen 
aus der höheren Welt mit, In demfelben verkündet der fe ein 
Jungfrau Geborene den Menfchen das Evangelium und — ſo den — * 
so nun ſein — El gänzlich verliert und zum en st Satan wird ho 8, ze 
1306), Auch das Leiden, Sterben und Auferftehen Chrifti erfolgt nur fd einba 
Zum Sieger über Satans Neid und Werke getvorden, et der Heiland | 
Satanaëls einftige Stelle zur Nechten Gottes; zulett jedoch (vgl. 1 Ko 15,28)" 
bes Vaters Schoß, von wo er ausgegangen, wieder zurüd. Die — I 
55 milen (wenn man bon einer jo a reden darf) gleicht ber ——— | 
fängliche Erweiterung — göttli n Monas zur Trias folgt ſchließl wieder die ie Kom 
traftion der Trias zu Monas. Br: 
Sp weit der dogmatifche Teil des bogomilifden Syſtems. Ihrem Kultusweſen um 
ihrer Ethil Liegen mehrfach Gedanken, die aud) beim Euditismus begegnen, zu Srunde 
» Da nach dem Ratſchluß des böchiten Gottes den Dämonen während des gegenwärtigen 








Neumanichäer 761 


eitlaufs noch Macht über die irdiſch-menſchliche Welt verbleibe, fo ſei dieſen unſichtbaren 

dächten, die viel Schaden anzurichten vermögen, eine gewiſſe Verehrung zu erzeigen, in 
Gemäßheit des apokryphen Herrnworts: Tıuäte ra dauuövıa, oox va dipeindite rap’ 
abzav, AAN va un Bildaywow Duäs (c. 10, col. 1315M). Gemeint it die darın 
enthaltene Vorſchrift als der gute Nat, Konflikte mit den Behörden und Ordnungen der 
Staatsfirche zu vermeiden; denn an dem apofryphen Spruch ſchließt ſich die erläuternde 
Bemerkung des Bafılius an: es gelte diejenigen Dämonen, die in den von Menfchenhand 
gemachten Tempeln (b.i. in ben Ariftlichen Kirchen) wohnen, zu ehren, damit fie mit ihrer 
immer noch geivaltigen Macht nidht Echaden zufügen (vgl. auch c. 18: Adyovaıv &v näcıv Tois 
leoois vaois xaroıxeiv tous Ödaluovas, xri.). Alfo eine Empfehlung heuchlerifcher Ak⸗ 
fommodation an das firchliche Geremoniell, von derfelben Art, wie fie feinerzeit von den 
Baulifianern geübt wurde! Echt euchitiih Dagegen Klingt die in dem nämlichen Zu- 
a nie begegnende Echilderung: Dämonen des Satan wohnen in allen Menfchen; 
e find die eigentlihen Urheber aller von den Menfchen verübten Verbrechen; auch na 
dem Tode deren, die fie zu Freveln verführt haben, bleiben fie in oder bei deren Leich- ı 
namen als Werkzeuge der Beitrafung für fie. Nur vor den Bogomilen fliehen Diele 
Plaggeilter und bleiben auf Bogenjchußtveite von ihnen entfernt; denn ihnen ald wahren 
Gottesfreunden wohnt der vom Sohne erzeugte heilige Geift inne; deshalb heißt jeder 
Bogomile mit Necht ein Gotteögebärer (deordxos), denn er trägt den göttlichen Logos 
in eh und gebiert ihn, indem er Andere lehrt. Die Bogomilen fterben deshalb auch 20 
nicht eigentlich, fondern fie werden fchmerzlos umgewandelt, vom ſchmutzigen Gewand 
ihres fündigen Fleifches befreit und mit dem Gewand Chrijti (einem ätherifchen Xeibe, 
wie diefer ihn auf Erden getragen) befleivet. — Die Saframente der Kirche murden von 
der Selte verivorfen — das Abendmahl als ein „Opfer der Dämonen” (Sef 65, 11), 
die Taufe als bloße Wafjertaufe ohne miedergebärende Kraft. Statt ihrer bewirkt die 2 
Aufnahme in die Gemeinfchaft der Gottliebenden eine Geiftestaufe, vorbereitet durch 
Sündenbekenntnis und ein 7tägiges Gebet, vollzogen durch ein Schweigfamteitsgelübde 
(nebſt handichriftlicher Beteuerung, nie wieder zur katholiſchen Kirche zurückkehren zu wollen) 
und durch Auflegung des Johannesevangeliums auf? Haupt des Täuflingd unter An: 
rufung des bl. Geiſtes und PVaterunfergebet. Später, nad) nochmaliger Prüfungszeit, zu 
folgte auf diefe Geiltestaufe die abfchließende eigentliche Weihe (Teieiwars), wobei die 
Auflegung des Evangeliums auf das (nach Oſten zu gemwendete) Haupt wiederholt wurde 
und die anivefenden Witglieber der Sefte alle, Männer wie Frauen, dem neuen Mitglied 
die Hände auflegten. — Se den das fchroffe Gejchiedenfein der Sekte von der Tatholi- 
chen Kirche befundenden Bräuchen und Grundfägen gehört noch Einige, mas an den 35 
—— erinnert, bezw. als Fortentwickelung von deſſen Sitten gelten kann; ſo 
die Verabſcheuung des Bilderkults und auch des Kreuzes als eines Zeichens des Fluches, 
die Geringachtung der Ehe und Verwerfung des Fleiſchgenuſſes, dreimaliges Faſten in 
jeder Woche bis 3 Uhr nachmittags, Verbot aller ſonſtigen Gebete (als unnützen Lippen⸗ 
werkes) bis auf das Vaterunfer u. ſ. f. Die Heiligen und Väter der Rinde wurden 40 
verabicheut, als die „falſchen Propheten”, vor welchen Ehriftug gewarnt habe; fo nanıent: 
lich die Kappadofier Gregor der Theologe und Bafılius, ſowie Chryſoſtomus, der, als an⸗ 
geblicher Fälſcher vom Tert deg Neuen Tejtaments, vielmehr gYvoodorouos zu heißen 
verdiene. 

Durch jenes Kebergericht unter Alerius, bei welchem Baſilius Märtyrer wurde und +5 
feitens eines Teils der Sekte Abſchwörung ihrer Irrtümer erfolgte, während viele andere 
ihre Hartnädigkeit mit Icbenslänglicher Kerferbaft büßten, wurde der Bogomiligmus im 
byzantinischen Reiche nur äußerlich unterbrüdt. Er bat ſich noch Jahrhunderte hindurch 
hier erhalten — zum Teil wobl nicht obne einige Veränderungen oder Reduktionen feiner 
Dogmatifchzethifchen Tradition; wie denn die unter Kaiſer Kalojobannes (um 1140) auf: wo 

efpürten und durch eine Eynode verdammten Schriften des bogomilijchen Theologen 

onftantin Chryfomalos mehr nur Anklänge an das ältere Syſtem der Sekte enthielten. 
Auch nah Kleinafien hinein war bogomilifche Häreſie Damals verbreitet, denn zivei kappa— 
dokiſche Biſchöfe wurden, als von derfelben angeftedt, 1143 durch eine konſtantinopler 
Synode abgeſetzt Manfi XXI, 583). Noch während der Zeiten des lateinijchen Kaiſer- 55 
reichs Konſtantinopel betrieben, twie Patriarch Germanus II. damals (um 1230) zu Klagen 
hatte, Sendlinge der Sekte ihre Bekehrungsverſuche durch nächtlidhes Sicheinfchleichen in 
die Häufer und durch Gewinnung vieler für ihre Irrlehren (Germanus, De exalt. crucis 
und De imaginibus, bei Öretfer, Opp. t. II, 439). Ueber die Ausgänge der Betvegung 
im 14. und 15. Jahrhundert |. unten, am Schluſſe d. A. 60 


a 


On) 
— 
— 


— 


762 Neumanichãer 


II. Abendländiſche Neu-Manichäer (Katharer). Mit größerer Sicherheit, als 
dies betreffs der orientaliſchen Dualiſtenſekten möglich iſt, läßt ſich für die entſprechende 
Häreſie des abendländiſchen Mittelalters außer der allgemeinen Übereinſtimmung in Yebre 
und Grundſätzen auch cin genetischer Zufanımenbang mit den alten Manichäern bebaupten. 

5 Von den Zeiten Augufting und Leos d. Großen an, wo manichätfche Gemeinden über 
Nordafrila, Spanien, Gallien und Italien in beträchtlicher Zahl verbreitet waren, bis 
zum Anfang des 11. Sabrhunderts, wo das Einfchreiten der weltlichen und der kirch⸗ 
lichen Inquifition gegen „manichätfche” Ketzer in Frankreich, den Niederlanden und ın 
Deutſchland anbebt, erftredt fich eine ununterbrodhene Neibe von Spuren, die auf das 

10 frühzeitige Vorbringen manichäifch-dualiftifcher Häretifer von den Mittelmeerländern aus 
nach Norden zu bindeuten. Die PBriscillianiftenfefte Spaniens mag mittvirfende Beiträge 
zu der betreffenden Bewegung geliefert haben; fie jedoch allein, oder auch nur haupt: 
fächlib ala Verurſacherin derjelben anzufeben, ift ſchon megen ihrer immer nur beichränft 
gebliebenen Berbreitung und wegen des Verſchwindens ihres Namens aus der Gejchichte 

15 nah dem 6. Jahrhundert ſchlechthin unmöglid. Daß eigentliher manidhäifcher Dualismus 
ſchon im Laufe des 4. Jahrhunderts bis ins nördlichere Gallien vorgedrungen tft, haben 
die Nachweife S. Brandt3 über das Herrühren mehrerer dualiftifcher Interpolationen in 
Lactanzs Schriften (Inst. div. II, 8, 7; VII, 5; de opif. Dei 19, 8) von einem um 
380 in Trier lebenden manichäiſch gefinnten Laien zienlich mwahrjcheinlich gemacht (Brandt, 

9 Über die dualiftifchen Zufäge und die Kaiſeranreden bei Lactanz, Wien 1890; vgl. 
dazu Guft. Krüger in IhYZ desfelben Jahres, S. 202). Für ein weites Merbreitet- 
fein manichäiſcher Häretifer in Jtalien und Gallien während des 6. und 7. Jahrhunderts 
zeugen Rundgebungen von Päpiten wie Gelafius I, Gregor d. Gr.; vgl. den um das 
Jahr 700 entftandenen Lib. diurnus Rom. Pontificum VI (p. 26 ed. Roziere) und 

2: die von Gieſeler (RG IL, 1, 105) beigebradıten Zeugnifje für das Vorkommen der Sckte 
in Urkunden aus den nächitfolgenden Jahrhunderten. Auch das Selbitzeugnis der feit 
Sec. IX firchlicherfeit8 verfolgten franzöfifchen Ketzer, wonach ihre Xehre und Gemein: 
ſchaft von Mani berrühre, darf Ichwerlich als ganz wertlos betrachtet werden (vgl. Sie: 
feler, ebd. 104). — Andererfeits liegen gewwichtige Zeugnijle dafür vor, daß das abent- 

so ländiſche Manichäertum des MA.s in einem Zufammenbang mit den bdualiftifchen Häreſien 
des byzantiniſchen Reichs, alfo mit den Euchiten und Bogomilen geitanden bat. Nach der 
Epiſtel Gverweins dv. Steinfeld an St. Bernbard vom Jahre 1146 (ſ. o. die Yitt.) batten 
die damals am Niederrhein verbrannten Ketzer über ihre Herkunft ausgeſagt: hanc hae- 
resin usque ad haec tempora occultatam fuisse a temporibus martyrum, et 

3: permansisse in Graecia et quibusdam aliis terris etc. Mas diefer Zeuge über 
die Grundſätze und Einrichtungen der betr. Häretiker, die er ald Pauperes Christi be: 
zeichnet, im einzelnen berichtet, weiſt mit unmiderfprechlicher Evidenz auf orientalifchen Ur: 
fprung bin; fo ihre Berwerfung der Eirchlichen Abendmahlsfeier, ihre Erfegung der Wafler: 
taufe durch eine Geiſtestaufe doppelter Art, ihre Vermeidung des Fleifchgenufles, ihr 

10 dielmaliges Vaterunferbeten x. Von den neben den Namen Manichaei und Cathari 
(Steger, niederl. Ketters, ital. gazari) üblib gewordenen Bezeichnungen für die Sekte 
weiſen zivei befonders oft und viel gebrauchte auf die Ballanlande als Stammfig der: 
felben bin: der Wanıe Publicani oder Popelicani (= Pauliciani — wovon das nor: 
franzöfifche Piphles |Piphili] wohl auch nur eine Nebenform if) und die befonders in 

35 Nordfrankreih und Flandern verbreitete Benennung Bulgari (franzöf. Bougres). Eben: 
dahin mweift der als Bezeichnung für einen anfehnlicen Teil der Katharerſekte vorfom: 
mende Name Druguria (oder entftellt Dugrutia oder Dugunthia — von welchen Miß— 
formen die erftere bei Bonacurfius, Die andere bei Nainer Sacchoni fi findet); denn jo 
bieß ſchon in altrömischer Zeit eine tbraciiche Yandfchaft, die unter den byzantiniſchen 

so Kaiſern (im der Namenform Drugubitia) zum Exarchat Bbhilippopel gebörte und mit 
dualitifch-bäretifchen Bewohnern bejfonders ſtark bevölfert war. Mas fonft noch vor dem 
13. Jahrhundert an Geſamtnamen oder an Teilbezeichnungen für das abendländtjche Ka: 
tbarertum vorfommt, weiſt auf Oberitalien bin; fo der Geſamtname Patareni (Paterini), 
der von der Anhängerſchaft Arialds und Erlembalds um 1060, der fog. Volksrotte, in 

55 Matland und Umgebung frübzettig auf Die neumanichäiſchen Neger, als Vertreter einer 
übnlichen antiklerifalen Oppoſition wie Die Jener, übertragen wurde, und die Teilbenen: 
nungen Mlbanefen (nad der Stadt Alba in Piemont), Goncorrezaner (nach Concorrezzo 
bet Monza) und Bagnoleſer (nad Bagnolo bei Brescia) — über melde unten noch nät 
‚u bandeln fein wird. Erſt etwas fpäteren Urjprungs find die fühfranzöfifchen Lotal- 

0 benennungen, wie namentlich Albigenjer (nad) Albi in Languedoc), auch Tolofaten, Agen: 


Nenmanichäer 763 


nenjer, Provencalen, und der den Angehörigen der Sekte in diefer Gegend mehrfach bei: 
gelegte Zunftname Tisserands oder Texerants (= textores, Weber). — Was fich 
aus dem fucceffiven Auftreten diefer Benennungen betreffd des Ausbreitungsprozeſſes der 
Härefie mwahrjcheinlich machen läßt, ift jedenfalls ihr teilweiſes Eingewandertfein aus dem 
iechiſch-ſlaviſchen Dften, wo bejonders ſeit der Kommenendynaftie ein andauernder Ver: 5 
olgungszuftand über beide dualiftiiche Sekten, die Euchiten mie die Bogomilen, herein: 
brach. Und zwar werden die von dort vertriebenen Flüchtlinge, als in apoftolifcher Armut 
und Stiebrigteit miffionierende Wanderapoſtel (vgl. jenen bogomilifchen Nebennamen Fun- 
daitae) ihren Weg aus der Bulgarei über Bosnien und Dalmatien zunäcft nad) Über: 
italien genommen und bier zum Teil fi) niedergelaffen, zum Teil ihre Wanderungen 
über die Alpen entiveder nad Südfrankreich, vder auch rheinabwärts bis nach den Nieder: 
landen fortgefegt haben (vgl. Lombard, p. 85 ff, — mo übrigens der Einfluß diefer „apö- 
tres bulgares“ mohl etwas überſchätzt iſt). Empfänglichen Boden für ihr Miffionteren 
fanden fie in allen diefen Gebieten. In der Lombardei hatte nicht bloß die patarenifche 
Bewegung ihnen vorgearbeitet, ſondern ſowohl hier, wie auch im ſüdlichen und nördlichen ı 
an eich, ja bis nach Weit: und Norddeutſchland hinein, waren Überlebfel altmanichät- 
cher Gemeinschaften, nachdem ſie jahrhundertelang eine verborgene Erxiftenz geführt, ſchon 
um den Anfang des 11. Jahrhunderts an verfchiedenen Orten aus ihrem Dunkel hervor- 
getreten und hatten ſich in mehr oder minder lebhafter Oppofition gegen das ſtark ver- 
weltlichte katholiſche Kirchentum erhoben. Der Zeugniffe über diefe früheren fporadifchen 20 
Vertreter des abendländiichen Katharertums liegen fo viele vor, daß fih aus ihnen eine 
ziemlich inhaltreiche, wenn auch manches Dunkle und Unklare umfchließende Borgefchichte 
des eigentlichen, in Geſtalt größerer Gemeinschaften organifierten Neumanichäismus des 
Weſtens konſtruieren läßt. 
Wir weiſen bier wenigſtens auf die Momente dieſer abendländiſch-kathariſchen Vor: 26 
eſchichte in Kürze hin, für welche keine beſonderen Artikel in der Encyklopädie vorgeſehen 
—* Schon gegen das Jahr 1000 trat (nach Glaber Radulf, Hist. II, 11) unweit 
Chalons in Weſtfrankreich ein gewiſſer Leutard mit dem Verſuche einer Sektenſtiftung 
auf, der in ſeiner teilweiſen Verwerfung des Alten Teſtaments, ſeiner Verabſcheuung des 
Kreuzes: und Bilderkults und feiner ſtürmiſchen Geltendmachung der Virginitätspraxis so 
(mitteld Berftogung feiner Gattin) ſich als mwahrfcheinlih von manichäiſchen Einflüfjen 
berührt zu erfennen gab. Die 1022 zu Orleans entdedte Sekte des Chorherrn Stephan 
und des Scholaftifus Liſoy, von deren VBorlämpfern nicht weniger ald 10 Kanoniker diefer 
Stadt den Feuertod zu erleiden hatten, vertrat und verbreitete gleichfalld (nach Glaber 
Nadulf III, 8 und nad den Alten einer damaligen Synode in Orleans, bei Manfi 35 
XIX, 376) weſentlich manichäifch-tatharifche Lehren und Grundfäge, wozu u. a. Verwer⸗ 
fung der kirchlichen Taufe und Meſſe, doketiſche Leugnung der jungfräulichen Geburt, 
ſowie des Leidens und Auferftehens Chrifti, Auflehnung gegen die Tatholifche Heiligen: 
verehrung und die von der Kirche geforderten guten Werke, Verbot des Fleiſchgenuſſes 
als verunreinigend gehörten. Cine um eben diefe Zeit (1025) in den Bistümern Lüttich 40 
und Arras auftauchende Sekte, die ſich auf einen aus Italien gelommenen Lehrer namens 
Gundulf zurüdführte, ericheint als Belämpferin der Kindertaufe, Verächterin der Kirch: 
ebäude und des Kreuzes, Predigerin von apoftolischer Armut, Gegnerin des Ehelebens u.f.f. 
Nur wenig jpäter (1030) trat im Schloffe Monteforte bei Turin eine fegerifche Gemein- 
ſchaft and Licht (unterfucht und vergebens zu befehren gefucht durch Erzbiſchof Heribert 45 
von Mailand — vgl. Yandulf, Hist. Mediolan. bei Muratori, Ser. Ital. IV, 88 ff.), 
bei welcher der fanatifche Gegenfag gegen die fatholifch-firchlichen Xebensordnungen einen 
beionders heftigen Charakter geigte, Sie forderten gejchlechtliche Enthaltung auch jeitens 
ber Berbeirateten, gänzliche Vermeidung des Fleiſchgenuſſes, beitändiges Gebet bei Tag 
und Nacht, Gemeinſamkeit alles irdischen Befiges. Lebensgefährlich erkrankte Mitglieder vo 
ihrer Selte töteten fie, weil ein gewaltjamer Tod ihnen als der ficherfte Weg zur Selig: 
feit galt. Statt des Papſtes, deſſen Autorität fie veriwarfen, behaupteten fie der Aufficht 
und Seelenpflege eines anderen und bejjeren Uberhaupts, das fie täglich beſuche und 
ihnen den Troft der Eündenvergebung bringe, unterftellt zu fein; ob damit der bl. Geift 
(Baraklet) gemeint war oder (nad) Ch. Schmidts und Döllingers Annahme) ein heimlich 55 
umberwanderndes menschliches Sektenhaupt, bleibt ungewiß. Gleich den Firchlichen Sa: 
framenten fcheinen fie auch die Trinitätslchre vertvorfen, bezw. ihren fonfreten Sinn ver: 
flüchtigend umgedeutet zu haben. Als, nah jenem fruchtlofen Befchrungsverfuche des 
bischof3, die jamt ihrem Vorſteher Girardus verbafteten und nah Mailand gebrachten 
englieder dort in die Witte zivifchen ein aufgerichtetes Kreuz und einen brennenden ca 


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764 Nenmanicnäer 


Scheiterhaufen geftellt wurden, wählten nur menige dag rettende Kreuz; Die meilten 
fprangen mit vors Gelicht gehaltenen Händen in die Flammen. — Sogar ın Norddeutſch- 
land hatte bie und da jektiererisches Treiben ähnlicher Art um jene Zeit Eingang ge 
funden. In Goslar bat Kaifer Heinrich III. um Weihnachten 1052 „quosdam hae- 
s reticos, inter alia pravi erroris dogmata — Manichaea secta — omnis esum 
animalis execrantes, in patibulis suspendi iussit“ (Hermann Contr., Chron., MG. 
VI, 130). — Wenn in den bier berührten Fällen durchweg Spuren manicdhäifchen oder 
gnoſtiſch-dualiſtiſchen Einfluffes deutlih zu Tage treten, fo gilt das nicht gleichermaßen 
von einigen der erjten Hälfte des 12. Jahrhunderts angehörigen bäretifchen Erjcheinungen. 
10 Ber dem Niederländer Tanchelm (1115— 1124) und dem Bretonen Eudo de Stella 
(c. 1148) nimmt die antiklerifale Oppofition den Charakter wilder Schwärmerei an, die 
beim erfteren verbunden mit geheimen Unzudhtsgreueln, beim leßteren in Geftalt eines 
wahnwitzigen apokalyptiſchen Enthufiasmus auftritt (j.d.A.Bd V ©.575). Mehr biblild: 
ſpiritualiſtiſch geartet erfcheint die revolutionäre Agitation des Abälardiften Peter von Bruis 
15 (geit. auf dem Scheiterhaufen 1137 oder im folgenden Sahre; |. Döllinger I, 81) und 
die des Ex-Cluniacenſers Heinrich von Lauſanne (im Kerker get. 1149; vgl. den betr. 
Art. Bd VII, ©. 606f.); Ddesgleihen die der Häretifer von Monttoimer (Diödcefe Cha⸗ 
long) und der, ähnlidy wie fie, gegen Kindertaufe, Mönchsgelübde und Ehe auftretenden 
Apostolici in der Bretagne um 1145 und ber gleichnamigen Sekte des Aquitaniers Bon: 
0 tius in Perigueur um diefelbe Zeit (vgl. Sachſſe, Art. „Apoftelbrüder”: I, 701,55 ff., und 
befonders Döllinger, Sektengeſch. I, 98 ff.). Das dualiftiich-Tatharifche Element tritt bei 
biefen dem Zeitalter Bernhards v. Clairvaux angehörigen häretifchen Erfcheinungen mehr 
zurüd (am meiſten bei den Henricianern, ſ. Haud, 1. c.), fehlt aber doch auch bei ihnen 
nicht ganz — fo daß eine die abendländiſch-neumanichäiſche Bewegung in umfaſſender 
25 Vollſtändigkeit darftellende Schilderung ſie nicht unberüdfichtigt laflen darf. Für einen 
Zufammenhang aud Peters und Heinrichs mit der tatharijchen Partei fprechen immerhin 
doch einige der zeitgenöfltichen Zeugen (außer Bernhard beſonders Alberih und Petrus 
Benerabilis). Döllinger mag, wenn er geradezu eine Identität der petrobruſianiſchen und 
der benricianischen Richtung mit der Neumanichäerjefte behauptet (I, 96), zu weit geben; 
30 aber für ein wenigſtens lokales Zufammenfließen beider Richtungen zu einer Einheit (fo 
namentlich bei den bäretifchen Webern oder Tirerands von Orléans) Iaffen ſich Doch triftige 
Gründe geltend machen (vol. W. Möller, AG II, 378). 
Bernhards und feiner Freunde Bemühungen um Zurüdvrängung der häretifchen Be: 
wegung blieben erfolglos. Gerade in den nächften Jahrzehnten nad) der Rernharbieen 
35 Epoche ſieht man diejelbe einerſeits in Flandern, andererjeits in Weſt- und Südfranfreid 
und in Überitalien ji) Mi großartiger Stärke entwideln, und nicht nur ihre dualiſtiſchen 
Lehren offen und rückhaltslos befennen, fondern auch nach äußerem Zujammenfchluß und 
einheitlicher Organifation ihrer Anhänger ftreben. Die flandrifchen Katharer follen 1162 
von Erzbifchof Heinrich v. Reims öffentliche Anerkennung oder wenigſtens Duldung ver: 
#0 langt haben. In Südfrankreich wird 1167 ein großes kathariſches Konzil zu St. Felir 
de Caraman beit Touloufe gehalten, bei welchem fogar ein „Papſt“ der Ketzer auftritt, 
der einige Zeit vorher aus Konftantinopel gelommen und unter den Katharern Zombar: 
diens und Piemonts thätig geweſene Niketas (alias Niquinta); von demfelben wurde auf 
der genannten Verfammlung mehreren kathariſchen Biſchöfen die Weihe in Geftalt de 
5 jog. Consolamentum, d. h. der Geiftestaufe mitteld Handauflegung erteilt. Hier tritt 
alfo das Unternehmen der Errichtung einer kathariſchen Hierarchie gegenüber der katholiſch⸗ 
kirchlichen zu Tage; wie denn von Biſchöfen der Sekte als in verſchiedenen ſüdfranzöſiſchen 
Städten refidierend (3.8. in Touloufe, Carcafjonne, Albi) auch fpäter noch die Rede iſt. 
Ebenſo hatten die überaus zablveichen oberitalischen Keßer Thon vor Nifetas Ankunft einen 
zo Biſchof gehabt namens Marcus. Auch die mittel: und unteritalifchen Katharergemeinden 
waren unter einige „Diöcefen” verteilt; Namen von bifchöflihen Vorftehern diefer Div: 
cefen begegnen bis tief ins 13. Jahrhundert hinein. Bosnien foll (nad) einigen Angaben) 
der eigentliche Sit de Papa oder oberſten Bifchofs der Sekte — des wahren vicarius 
Christi und successor Petri, tie diefe ihn nannte — geivefen jein. Ein Stellvertreter 
55 dieſes Wapites, der Biſchöfe zu weihen und die Verbältniffe der Gemeinden zu orbnen 
hatte, ſcheint namentlihb in Südfrankreich ftetig gewirkt zu haben. Zu den die lokale 
Gemeindepflege wahrnehmenden Gliedern der kathariſchen Hierarchie gehören der Filius 
maior und Filius minor, die den einzelnen Bifchöfen beigegeben waren. Auch von 
kathariſchen Diakonen und Diakoniffen iſt gelegentlich die Nebe. 
u Die bei jenen früheren Vorgängern des abendländifchen Neumanichäismus noch wenig 





























vier 
o die ewige Koeriftenz 
— ———— 
nſequen ie nur 
enter Rat. überhaupt die 
| öl. I, Smilfhen Site 


: z ü | | * 
Satana ogomi — Dieſer ur glich gute 
— Geil iR der Got des Alten ments, w n One 

e Propheten find nur Diener des bö v 

Kin hen u ——— Huch beireffs der Erfchaffung der toi eicher 

nejen und Albigenjern gelehrt: der Böje babe bie Beiber ve ende Menſchen— 

u gebildet, Gott aber die Seelen in fie hinein — und von den Seelen Ada ie 
so und Evas ftammen die aller ihrer Nachkommen ab. traduzianiſche 

lehre — im Gegenſatz zur präexiſtenzianiſchen jener abfoluten Dualiten! 

auch nicht Annahme F Seelenwanderun — oftrin, und 0 — 

Lehre vom Tod und vom irn Mrs enſchen in die —— 1 

weniger bofeti Chriftologie huldigten von diefen milderen Dualiften wenigſtens die 
35 > nolefen, während die Goncorrezaner ihrer Mebrbeit nad) —— der Mutter Jeſu wie 

jelbft eine wahre Menſchennatur beilegten. Betreffs des Verhältniſſes von Vat 
ea Dane Ben ve Sa Pe 
en — ähnliche monarchiani elliani ungen wie die Bogomilen ge 

einige aber mehr arianiſch Darüber gedacht zu haben (f. überhaupt DEU, 15741 
40 Größere Übereinjtimmung als betreffs diefer theologiſchen Leh und Sch ulfrager 

bericht auf dem Gebiete der Kultusbräude und Sitten, bie ! 

legende und direft Beitimmende für die Lebensorbnung der Sette b Tief 
ihr Begriff vom Weſen der Sünde, als des Zugs zur Materie bin, in ihr ganzes! 
en. Als Todfünden galten ihnen: Beſitz indifchen, Buts, Umgang mit Weltmenſchen 

15 Yüge, Krieg, Töten von Tieren (mit Ausnahme der fchlangenartigen Reihe Genuß 
von animaliichen Speifen, mit Ausnahme von Fiſchen; biete —— waren 3 eſſen ne 
ſtattet, weil fie angeblich nidht, gleich den übrigen Tieren, ex | nden, | 
als größte aller Sünden galt die geſchlechtliche — ob in als * hal 

Ebe; den Volllommenen der fatbarıichen Gemeinfchaft war leiztere —— 
so den übrigen einftweilen noch geftattet. Den Eintritt in den Volltommenbeitsita 

mittelte nicht irgendwelche W —— nach Art der katholiſchen, ſondern die durch 

auflegung ſeitens der Vollkommenen bewirkte Geiſtestaufe, Consolamentum ge 
weil durch fie dem Empfänger der Tröſter zugeſellt werde (welchen Parallet die ge 
teren Dualt Deikhen Gott den bl. Gerft, die aus für einen der himmliſchen Schub: 

55 engel, die den Menjchenfeelen vor deren Fall beigegeben waren, erflärten). Na Empfang 
dieſer Geiftestaufe —* das Mitglied der Sekte zum Stande der wahrbe t Neinen (C 
thari im eigentlichen Sinne), der Perfecti, oder — tie fie beim franzöftichen € 

Sekte ur — ber Bons hommes. Nur dieje Vollfommenen durften dem übrigen 

Seltenglievern oder „Gläubigen“ (Credentes) daS Consolamentum — mb fiben 
oo haupt die kultiſchen Gebräuche verwalten; fie waren zu ftrengiter Vermeidung jeder A 


Neumanichäer 767 


von Todſünde, vor allem der Geſchlechtsgemeinſchaft verpflichtet, mußten bei ihren Wan— 
derungen ſtets zu Zweien ſein, alſo einen Socius bei ſich haben, der übrigens auch ein 
bloßer Gläubiger ſein durfte. Auch zu nicht einſamem, ſondern ſtets gemeinſamem Brot- 
ſegnen (vgl. u.) und Eſſen waren fie aufs ſtrengſte verpflichtet — weshalb in Einzelhaft 
gefangen Gehaltene nicht felten jede Nahrung vertveigert und ſich zu Tode gehungert haben 6 
follen. Die Strenge der durch dad Consolamentum übernommenen Verp ichtungen 
war überhaupt eine derartige, daß auch nur Eine Übertretung derſelben als den Verluft 
der Seligkeit nad) ſich zichend galt; daher einerjeits die Gläubigen den Empfang jencs 
Sakraments möglichſt lange hinausfchoben (indem fie durch einen Vertrag, die jog. Con- 
venenza, fid) fir den Fall gefährlicher Erkrankung zu feinem Empfange verpflichteten), 10 
andererjeitö manche Perfecti durch freiwillige Übernahme des Tods fich gegen Todfünden 
und Seligfeitöverluft gejichert haben follen. Dieje jog. Endura, tvelche meift als Hungertod 
vollzogen wurde und inäbefondere an gefährlich erfrankten und deshalb mit dem Conſo— 
lament verfehenen Kindern vollitredt worden fein fol, jcheint eine aus Oberitalien (mo 
jene Sekte von Monteforte ſchon um 1030 fie ausübte) in Südfrankreich eingewanderte 
©itte geweſen zu fein, die außerhalb des Gebiet? der albigenfifchen Katharer Teine Aus: 
breitung erlangte (vgl. Ch. Molinier, L’Endura, coutume religieuse des derniers 
sectaires Albigeois, Bordraur 1881, ſowie K. Müller, Th23Z 1890, 356). — Bon der 
Gliederung der fatharifchen Hierarchie und deren Beamten iſt fehon oben die Rede ge: 
weſen. Als befondere Kultusakte und Geremonien der Sekte mögen hier noch erwähnt 20 
werden: die Beichränktung des Rechts zum Beten des Vaterunferd auf die Perfeeti, die 
daher von den Credentes nur um ihre Fürbitte angegangen wurden; die VBerrichtung 
von Gebeten für ſolche veritorbene Gläubige, die das Gonfolament noch nicht erlangt 
hatten (und daher noch das Überwandern in andere Leiber fortfegen mußten); die Brot: 
fegnung durch Gebet der Perfecti — welchem Akte man eine ähnliche befondere Kraft: 25 
wirkung zufchrieb, wie die Katholiken ihrer Weihmafjerbeiprengung (meshalb man in Ver: 
folgungszeiten oder bei plöglicher Todesgefahr womöglich geſegnetes Brot zu erlangen 
fuchte, ja dasjelbe wohl gar als vermeinten Erſatz für das Gonfolament genoß); das 
Brotbreden oder apparellamentum, ein allmonatlich wiederkehrender, der Fatholifchen 
Beichte verwandter feierlicher Akt, wobei ein öffentliches Sündenbefenntnis abgelegt und so 
die dasjelbe entgegennehmenden Vollkommenen jeiteng der täubigen durch Kniebeugung 
(melioramentum, adoratio) geehrt wurden; ferner beim Vollzug des Conſola— 
mentum teilmeife ähnliche Riten wie bei dem entiprechenden bogomilifchen Sakrament 
(Auflegung nicht bloß der Hände, fondern aud des Evangelienbuchs aufs Haupt des 
Empfängers; Lektion des Eingangs des Sohannesevangeliums; Erteilung des Friedens: 35 
kuſſes an den Geweihten, bezw. bei Aufnahme von Frauen die Berührung von deren 
Ellbogen oder Schulter). Ber Empfang des Conſolaments pflegten bejonders Kranke ihr 
Vermögen ganz, oder wenigſtens teilmeife, den Perfeeti zu ſchenken, da diefe, als ausschließlich 
der Gemeindeptlege Obliegende, von der Sorge für ihren Lebensunterhalt entbunden waren. 

Wie aus dem Bisherigen erhellt, find einerjeit3 Oberitalien, andererjeits Südfrank- 40 
reich zu Hauptichauplägen für das Wirken der abendländifchen Katharer geworden. Im 
eriteren Gebiete hat ſich die Sekte, objchon heftig verfolgt durch die weltlichen Machthaber 
(bejonders Kaifer Friedrich IL.) und durch die päpftliche Inquifition feit Gregor IX., 
während des ganzen 13. Jahrhunderts in anſehnlicher Stärke behauptet. In Städten 
wie Mailand, Brescia, Viterbo, Ferrara, Florenz zählten ihre Anhänger nad vielen 45 
Hunderten, ja Taufenden. Das megen feiner Woblthätigfeit und Frömmigkeit in weiten 
Kreifen angejebene und beliebte kathariſche Sektenhaupt von Ferrara, Armanno Bunzilovo, 
wäre, zumal fich nach feinem Tode (1269) Wunder an feinem Grabe zutrugen, beinahe 
unter die Heiligen der römischen Kirche aufgenommen worden; erjt unter Papſt Bonifaz VIII. 
(1301) kam e8 an den Tag, daß er ein heimlicher Katharer geweſen. Florenz fol um co 
das Jahr 1228 fat zu einem Drittel feiner Einwohnerſchaft fatbarifch geweſen fein. Ein 
Biſchof Philipp Paternon wirkte dort längere Zeit an der Spite der Sekte. Daß fogar 
Dante zu derfelben gebört und feine Divina Commedia als ein allegorifches Schmäh- 
gedicht gegen die katholiſche Kirche verfaßt habe, iſt zmar eine leere Phantaſie (vorgetragen 
von dem franzöftichen Katholiken Arour in einigen Schriften, befonders in „Dante h&- 5 
retique, r&volutionaire et socialiste”, Paris 1854); doch gab es noch im Zeitalter 
Dantes, und darüber hinaus, ſowohl in Florenz mie anderwärts in Mittel: und Ober: 
italien fatharische oder (wie fte dort gewöhnlicher heißen) patarenifche Ketzer. Erſt bis 
gegen Ende des 14. Jabrbunderts hatte hier die Inquifition ihr Vertilgungswerk an der 
Sekte ganz vollfübrt. | 


— 
[0] 


60 


768 Reumanichäer 


Zu den großartigiten Dimenfionen entwickelte ſich ſeit dem letzten Viertel des 
12. Jahrhunderts das Keßerivefen in Südfranfreih. Elf Jahre nad) jenem Konzil zu 
St. Felix verfuchte der vom Grafen Raimund V. von Touloufe geladene päpftliche Legat, 
Kardinal Petrus a S. Chryfogono, die duhrer der dortigen Häretiker durch ein Religions: 
5 gefprädy in Touloufe (1178) zum Tatholifchen Glauben zurüdzuführen, richtete aber went 
oder nichts aus; Meder Predigten der ihn begleitenden Mönche und Prälaten, —* 
Drohungen und Urteilsſprüche konnten das in ſchwärmeriſcher Verehrung an den Bons 
hommes hängende Bolt abwendig maden. In Gemäßheit des wider die Ketzer 
gefürchteten Erlaſſes des dritten öfumenifchen Laterankonzils (1179) fandte Aleran- 
10 der III. den Kardinal Heinrich, früheren Abt von Clairvaux, an der Epite eines 
Kreuzheeres nach Languodor, wo damals Bicegraf Roger von Bezier (geft. 1194) 
ale Beihüser der kathariſchen Bewegung auftrat. Aber auch diefer erite Ketzerkreuz⸗ 
zug (1181f.) richtete nichts aus. Man eroberte ein paar feite Pläge, brachte einige 
Bons hommes zum Abfall, tötete mehrere andere — aber die Keberei blieb nad mie 
15 vor übermächtig. Der politische und kirchliche Zuftand des Landes, die fittliche Kor: 
ruption des fatholifchen Klerus, die freieren Sitten und der höhere Bildungsgrad der 
Provengalen — alles vereinigte fih dazu, die Sekte zu erfolgreihem Widerltand gegen 
die Unterbrüdungsverfuche aufzumuntern. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts gebörten 
faft fämtliche Fürften und Barone des Südens zu den Gläubigen. In Schlöfjern und 
20 ın Städten hielten die Bons hommes öffentlih ihre jtart bejuchten Verfammlungen; 
in vielen hatten fie Bethäufer und Schulen für Knaben und Mädchen. Die Latholifche 
Kirche war zum Gefpötte geivorden; fie war herabgejunfen zu einer nur noch gebulbeten, 
überall mit Verachtung behandelten Anſtalt. — Bald nad Innocenz' III. Stublbeitei: 
gung begann jener von Rom aus mit eiferner Konfequenz betriebene Kampf auf Leben 
25 und Tod wider die Härefie, dem diefe troß tapferfter Gegenwehr jchließlich erliegen 
mußte. Legaten mit unbejchränftefter Vollmacht wurden in das Land entjandt, die an- 
fänglich mit Drohungen und harten Strafmaßregeln zu Werte gingen, dann eine Zeit lang 
(1206—8), folange Biſchof Didacus v. Osma und fein Subprior Dominitus [vgl IV, 
770, 83ff.]) beim Ketzerbekehrungswerke mitwirkten, nah Grundſätzen apoftolifcher Milde 
30 handelten, zulegt aber zum gewaltſamen Unterbrüdungsverfahren mit verdoppelter Härte 
zurüdfehrten. Die Ermordung des Legaten Peter von Gajtelnau (1208) wurde dem 
die Häretiker bejchügenden Grafen Raimund VI. von — Schuld gegeben und da⸗ 
ber auf Befehl des Papſtes abermals ein Kreuzheer ausgerüjtet und der Führung des 
fanatifchen Abts Arnold v. Citeaux unteritellt. —**8* ein von Raimund unter demü— 
35 tigenden Bedingungen mit der anrüdenden Feindesmacht abgejchlojlener Separatfriede die 
Widerſtandskraft der Häretifer in erheblichen Maße geſchwächt hatte, fiel Arnold über 
das Gebiet des treu und feit zu den letzteren ftehenden VBicegrafen Raimund Roger II. 
von Bezierd her und richtete fürchterliche Verwüſtungen hier an. Über fein Verfahren 
bei der Erftürmung der tapfer verteidigten Stadt Bezierd berichtete er (inter epp. 
40 Innoc. III., 1. XII, ep. 108) trumpbierend an den Papſt: „Nostri non parcentes 
ordini, sexui vel aetati, fere viginti milia hominum (?) in ore gladii pere 
merunt: factaque hostium strage permaxima, spoliata est tota civitas et 
succensa, ultione divina in eam mirabiliter saeviente.“ Unter ähnlichen Greueln 
wurde Garcafjone verwüftet und überhaupt das ganze Land erobert, das dem Hauptfeld 
45 herrn des Kreuzheeres, den Grafen Simon von Montfort, als Lohn für feine tapfer 
Führung zugeſprochen wurde. Seit 1211 wendete diefer fih dann auch gegen Raimund 
von Touloufe; vergebens hoffte dieſer vom Papſte, dem er fich früher — in die 
Arme geworfen hatte, Schutz und Rettung. Auch ſein ganzes Gebiet fiel dem gierigen 
Räuber Montfort in die Hände und wurde durch Beſchlüſſe eines Konzils zu Montpellier 
co und der noch im nämlichen Jahre gehaltenen vierten Lateranſynode (1215) ihm förmlid 
als Beſitz zugefprochen. Eine günftige Wendung für die Sache der Albigenfer führte der 1218 
erfolgte Tod Simons von Montfort herbei. Raimund VI. tritt während feiner leßten 
Sahre mit wachfenden Glüd gegen deijen Sohn und Nachfolger Amalarih ; ja der 1222 
auf jenen gefolgte Raimund VII. entriß diefem Gegner fein ganzes väterliches Erbe 
65 wieder. Aber die päpftliche Politik hielt auch unter dem fanften Honorius III. g 
1216) unausgeſetzt auf ſeiten der katholiſchen Gegner der ketzerfreundlichen toloſaniſ 
Grafen. Auf dieſes Papſts Betrieb führte Louis VIII. von Frankreich ein neues Kreuz 
heer gegen die Albigenjer, und eroberte, bevor er gegen Ende 1226 ftarb, wenigſtens 
einen Teil der Grafſchaft. Nach weiteren drei Jahren blutiger Kämpfe fette endlich ber 
co Friedensichluß von Toulouſe 1229 dem 20 jährigen Religionstriege ein Ziel Schlimmer 


Neumanichäer 769 


für die kathariſche Sache als die Abtretung eines beträchtlichen Teils der Grafſchaft an 
die franzöſiſche Krone ſeitens Raimunds VII. waren die dieſem auch ſonſt noch auf— 
erlegten demütigenden Bedingungen. Es gehörte dazu vor allem die Genehmigung eines 
ſtehenden Inquiſitionsinſtituts, das laut Beſchluß des Toloſaner Konzils von 1229 (ſ. 
die 45 Capp. desjelben bei Manſi XXIII, 192ff.) zunächſt den Biſchöfen der Gegend 5 
unterftellt, fpäter aber durch Gregor IX. (1232) in ein von Dominifanern zu leiten: 
des päpftliches Inftitut umgewandelt wurde. Raimund VII. mußte felbjt eine Reihe 
von Geſetzen zur Förderung dieſer Anftalt erlafjen (Manſi XXIII, 265) und zu 
dem blutigen Werke der Ausrottung feiner früheren Schüglinge mitwirken. Der Reft 
der in kriegeriſcher Erbebung ſich ihm Miderfegenden flüchtete jchließlich in das auf hohem 10 
Felſen gelegene feite Schloß Montjegur, nach deifen Erftürmung durch Raimunds Truppen 
nicht weniger ald 200 Vollkommene den Feuertod erleiden mußten. — Selbjt nad) diejer 
legten friegerifchen Kataſtrophe hörte die Sekte der Albigenfer nit auf. Eine lange 
Reihe von actus fidei, bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts ſich fortziehend, bemeift, 
wie hbartnädig ſie den zu ihrem Untergang verſchworenen Mächten widerſtand (j. bef. den ı6 
Liber sententiarum Inquisitionis tolosanae aus den Jahren 1307—1323, hinter 
Phil. v. Limborch, Hist. Inquis.,, Amfterdam 1692; au Füßlin I, 417, ſowie Douais 
a. a. O.). — Später findet man in Südfrankreich zwar noch Waldenjer in ziemlicher 
—— aber keine Katharer mehr. Als letzte —* dieſer letzteren haben wohl die 
gots der Pyrenäen zu gelten, die durch rote Kreuze gekennzeichnet und von ihren 20 
katholiſchen Nachbarn als eine Art von Parias mit Abſcheu gemieden, an die aus 
Schreden bekehrten Credentes jener Kreuzzugsepoche erinnern. Noch während des 
vorigen Jahrhunderts follen diefelben ſich Christaas genannt und ald Nachkommen der 
einftigen Anhänger des Raimund von Touloufe bezeichnet haben (j. außer Ch. Schmidt 
[II, Anm. 14] bef. Lombard p. 108 u. 285f.). 25 

Ungefähr fo lange wie in Südfrankreich fcheint das Katharertum im nördlichen 
Spanien fich gehalten zu haben. — Schon etwas früher find die nordfranzöfifchen, flan- 
driſchen und rheinländischen Katharer den Streichen der Inquifition erlegen. In Nord» 
frankreich und Flandern wütete unter Gregor IX. mit befonderer Graufantkeit der domi- 
nifanifche Inquiſitor Robert, dem man, weil er felbjt 20 Jahre lang Mitglied der Tatha= zu 
rifchen Kirche getwefen, den Beinamen „der Bulgare” (le Bougre) erteilte. Er foll einft, 
furz vor Pfingiten des Jahres 1239, 183 Häretifer auf einmal dem Feuertode über- 
liefert haben, zog ſich übrigens zulegt (wie Matth. Baris berichtet) das Mißfallen feines 
päpſtlichen Gönners zu und wurde zu ewiger Kerkerhaft verurteilt, in der er jtarb (vgl. 
außer Friedrichs ſſ. o. d. Litt.) C. H. Hasfıns, Robert le Bougre and the beginning ;; 
of the inquisition in Northern France, im Americ. Hist. Rev. 1902, 631 ff.). 
Über den deutjchen Zeit: und Schidfalsgenofjen (aber wohl nicht dominifanifchen Ordens- 
genofjen) dieſes Nobert, den Kegermeilter Konrad von Marburg (gejt. 1233) handelt ein: 
gehend der Artikel von Benrath) X, 747— 751. Zu den Opfern, die fein fanatifches 
Wüten hinraffte, fcheinen neben dualiftifch-fatharifchen auch waldenſiſche Häretiker gehört wu 
zu haben. Eigentliche Katharer oder Neumanichäer dürften in Deutichland während des 
13. Sabrhunderts überhaupt nur ganz fporadifch Gegenftand inquifitorifcher Belangung 
geworden fein; die freibeitliebenden friefifchen Stedinger find ficher ganz ungerechtfertigter: 
weile als „albigenfische” Keger angellagt und verfolgt worden. Und von den Straf 
maßregeln der feit der Epoche der Avignonenſer Päpfte (Clemens VI, Urban V., Gre u 

or XI.) auch für die deutfchen Lande organifierten päpjtlichen Inquiſition find weſent— 
ih nur Waldenfer und diefen nächſtverwandte Häretifer, nicht mehr Vertreter dualiftifch- 
tathariicer Lehren betroffen worden (vgl. H. Haupt, Waldenfertum u. Inquiſition: DIZWG. 
, 1889). 

Am längften bat der Neumanichäismus als kirchlich organifierte Gemeinschaft fich co 
auf der Baltanhalbinfel behauptet, und zwar in Bulgarien ale Bogomiliemus bis in die 
zweite Hälfte des 14. Jahrbunderts, ja in Geftalt einzelner Eleinerer Gemeinden bis in 
Die neuere Zeit hinein, in Bosnien aber als ftreng dualiſtiſch lehrende, den Albaneſen 
Oberitaliend mehr oder weniger gleih geartete Sekte. Dieje bosnifchen Katharer oder 
Paterini (ie jie in den betr. abendländifchen Quellen fonftant genannt iverden) wurden 565 
feit der Zeit Innoncenz' III. und Honoriue’ III. von Ungarn aus durch iwiederbolte 
Kreuzzüge, durch jtrenge Gewaltmaßregeln, welche die Erzbifchöfe von Colocza und die 
ungarijchen Könige wetteifernd über fte verbängten, fowie durch die zum Teil milder ge: 
arteten Bemühungen franzisfanifcher Miffionare zu unterdrüden verſucht. Sie behaupteten 
fih aber bis in das 15. Jahrhundert hinein an als die jtärkite kirchliche Gemeinſchaft ww 

Reals@ncpllopädie für Theologie und Kirche. 3. W. XIII. 49 


770 Neumanichäer Neumann 


des Yandes und batten an mebreren der bosnijchen Bane, namentlih an dem 1376 zum 
König gefrönten Stephan Tyoartko, fräftige Beichüger. Sie ftanden unter mebreren 
Biſchöfen als geiftliden Iberbäuptern ; vier dieſer bosniſchen Bilchöfe jollen 1433 beim 
Basler Konzil erſchienen, aber wegen ihres Feſthaltens an der „paterinifchen” Xebre von 
6 den Konzilspätern zurüdgewiefen worden fein. Der unaufbaltfame Niedergang der Sekte 
begann mit dem Übertritte des ibr angehörigen, aber ſchon ein Jahr nach feiner Thron— 
beiteigung (1444) ihr untreu geiwordenen König Stephan Thomaſch zum Katbolicismus. 
Nachdem ſchon diefer Herricher mit einem Verbot des Kirchenbaus und mit anderen Be 
ſchränkungen gegen fie vorgegangen war, erließ fein Nachfolger Stephan Thomaſchewich 
10 1459 ein Edikt von barbarifher Härte, das ihnen nur die Wahl zwiſchen Uebertritt zum 
Katbolicismus und zwiſchen Auswanderung ließ. An 40000 ypaterinifchen Bosniaten 
jollen damals nad) der Herzegowina übergewandert fein. Seit der Eroberung des Yandes 
durd die Türken (1463) verſchwindet die bosnische Katharerſekte äußerlih aus der Ge 
ſchichte. Die Mehrzahl der bis dahin ihr anbängig Gebliebenen dürfte fich unter den 
15 demnächſt mafjenbaft zum Islam abgefallenen Yandbewohnern befunden haben; doch mill 
man Spuren einer verborgenen Fortexiſtenz der Sekte noch während der legten Jahr: 
zehnte des 19. Jahrhunderts wahrgenommen haben (Zireied, 1. c. ©. 367ff.; Döllinger 
Il, 242 —252). Zödler. 


Neumann, Caſpar, geit. 1715. — AdB 23, 532ff. — Koch, Kirchenlied 5, 456 ff.; 

20 Fiſcher, Kirchenlieder-Lexikon, S. 459 ff.; Bed, d. rel. Volkslitt. d. ev. Kirche Deutſchlands, 

S. 250ff.; Große, Die alt. Tröſter, Hermannsb. 1909, ©. 528ff. — Bon ält. Arbeiten: 

Acta erudit. (deutſch) Bd 33, 728ff. mit Nachtrag S. 943 ff. ein Lebensabriß mit Angabe der 
Werte N. s. -- Zöcher, Gel.-Lex. 1751, 3, Sp. 881. 


Gafpar Neumann wurde am 14. September 1648 in Breslau als der Sohn eine 

25 Natsfteuereinnebmers geboren. Nach dem frühen Tode des Vaters für den Apotbefer: 
beruf beftimmt, wurde er von der Mutter in Erfüllung des dem Gatten gegebenen ®er: 
iprechens den gelehrten Studien zugeführt. Von 1667 an widmete er fich in Jena 
unter Mufäus und Gerhard (d. jüng.) der Theologie und Philoſophie und babilitierte 
ih 1670 ale magister legens. Cr las unter großem Beifall über Politik, Rhetorik 

und Homiletit. Won Herzog Ernſt dem Frommen wurde er 1673 als Neifchegleiter 
für den Erbprinzen Chriftian erwählt. Als folcher lernte er das weſtliche Deutjchland, 
die Schweiz, Südfrankreich und UÜberitalien tennen. Auf die ihm übertragene Hof: 
predigeritelle in Altenburg verzichtete er nach Turzer Zeit, um (1678) einem Rufe an die 
Maria Magdalenakirche feiner Vaterſtadt zu folgen; 1689 wurde ihm das Pfarramt an 

36 diefer Kirche verlichen. Als er eine Berufung als Superintendent nach Lüneburg aus: 
ſchlug, wurde er (1697) zum Pfarrer an ©t. Elifabeth in Breslau befördert. Damit 
überfam er zugleihb die Inſpektion über ſämtliche Kirchen und Schulen der Stadt und 
die erſte Profeſſur an den beiden ſtädtiſchen Gymnaſien. In dieſer Stellung wirkte 
Neumann im Segen bis zu ſeinem Tode am 27. Januar 1715. 

40 Neumann, der in Jena Baco und Descartes ftudiert hatte, verfügte über ein reiches 
Kiffen nah dem Maße feiner Zeit; er bat fih befonders auf dem Gebiete der Staats: 
wiljenschaft einen Namen gemacht. Ber der Errichtung der Berliner Akademie der Willen: 
ſchaften wurde er von Yeibnig in erfter Linie als Mitglied vorgejchlagen. Leibnig war auf 
N. aufmerkſam getvorden durch feine Denkſchrift: Reflexiones über Leben und Tod bei 

46 denen in Breslau Gebornen und Geftorbnen (1689), in der N. mit wifjenjchaftlicher 
Schärfe über die Zablenverbältnifje der jährlichen Geburten und Todesfälle Beobad- 
tungen anftellte Er bejchäftigte Tih auch mit meteorologifchen Studien. Mir beftsen 
von N. einige theologiſche Arbeiten gelebrter Art, die wohl nicht mit Unrecht der Per: 
geſſenheit anbeimgefallen find; fie bewegen fih auf dem Gebiete der hebrätfchen Sram: 

o matik und Yertfograpbie. Dem Pietismus abbold und im Kampfe gegen ihn auf Löſchers 
Seite jtebend iſt Neumann doc von tiefer Herzensfrömmigfeit, der man es abfühlt, daß 
jie vom Geiſte Speners berührt worden iſt. Es ift etwas Ruhiges, Mildes, Abgellärtes 
an dem Manne, der um destwillen von der Achtung und Liebe der Gemeindeglieder in 
Altenburg und dann in Breslau getragen war. Man fehägte ihn vor allem wegen 

65 feiner Predigten; ſie zeichnen jih aus durch gründliche Tertunterfuchung, wohlthuend 
natürliche, veine Sprache, kurzen Ausdruck, trefflih gewählte Bilder. In feiner Grab: 
jchrift wird er überſchwenglich als Chrysostomus Vratislaviensis gepriefen. Wir be: 
jigen von Neumann GEvangelienpredigten u. d. T. Yicht und Necht (1716 und 1731) 


Neumann Nenmeiſter 771 


und Geſammelte Früchte (2 Teile 1707 und 1733), unter denen ſich feine berühmten 
Trauerreden befinden. 

Mehr noch als durch feine Predigten iſt N. durch fein Gebetbudy: Kern aller Ge: 
bete befannt geworden, in der erjten Geftalt (1680) ein für den eigenen Gebrauch 
niedergefchriebenes Gebet. Es umfaßt kurze nad dem Schema: Bitte, Gebet, Fürbitte, 
Dankfagung geordnete im Tone und Rhythmus der Litanei gebaltene Einzelbitten in 
edler Sprache, voll reichen bedeutenden Inhalte. Als das Gebet durch Unberufene Zu: 
fäße und Erweiterungen erfuhr, nahm Neumann die Sadje ſelbſt in die Hand und er: 
meiterte e8 zu einem umfänglichen Gebetbudhe nach der Sitte und dem Geſchmacke der 
Zeit (2,—4. Aufl. 1686— 1693); es wurde bis zu Neumanns Tode 22 mal aufgelegt. 10 
Auch Überfegungen in faft alle europäiſchen Sprachen wurden veranftalte. Benjamin 
Schmolk hat ihm die Ehre angethan, e8 in Verfe zu bringen (abgedrudt in der Aus: 
gebe der Schmolfichen Lieder und Gebete von Grote, Leipzig 1855, ©. 241ff.). Neue 

usgabe: K. N.s Kern aller Gebete und Gefänge, Eisleben 1882, chriſtl. Ver. i. nördl. 
Deutichland. Die Gebete tragen biblifche Färbung und find würdig und bewegt im Aus: 15 
drude, doch werden fie im Gegenfabe zu der urfprünglichen Geltalt des Kerns durch 
Breite und Umftändlichfeit beeinträchtigt. — Im Wechſel mit der alten Xitanei und 
dort, mo das Nefpondieren der Gemeinde nicht üblih iſt, eignet ſich unter gewiſſen 
Modifikationen Neumann Kern in der eriten Faſſung trefflicd zum Gebrauche in Gebets- 
gottesdieniten. 20 

In der evangelifchen Kirche lebt das Andenken Neumanns vor allem durch feine 
Kirchenliever fort (31, nad) andern 39). Etwa 10—12 haben ſich bis heute in den 
landeskirchlichen Geſangbüchern erhalten. Zu den befanntelten zählen: Großer Gott von 
alten Zeiten; Herr, du haft für alle Sünder; Herr, es ift von meinem Leben; Mein 
Gott, nun iſt es wieder Morgen; O Gott, von dem mir alles haben, Nun bricht die 25 
finjtre Nacht herein. Die Lieder faſt durchweg im Tone des Gebet? gehalten, ſind 
fließend in Rhytmus und Reim, voll warmer religiöfer Empfindung, ohne dabei in Die 
füßliche Empfindfamfeit der pietiftifchen Liederdichtung zu geraten. Freilich iſt auch ihr 
dichterifcher Gehalt nicht groß; fte tragen etwas nüchtern=verjtändiges an ſich, das Iyrifche 
Moment tritt zurüd. In Neumann Proſa ſteckt mehr Poefie als in diefen feinen 30 
Liedern. — Neumann hat fi) auch durch die Herausgabe eines Kirchengeſangbuchs für 
Schleſien (1703) verdient gemadht. Hermann Bel. 


© 


Nenmart, Seorg, geit. 1681. — AdB 23, 339ff.; Koch, Kirchenlied, 3, 410ff. und 
4, 146ff., beide mit Angabe der älteren LXitt. u. ber Werte N.s. — Vgl. auch die Litteratur: 
geſch. v. Kurz, Gervinus u. a. 95 

Georg Neumark, geb. 1621 in Langenſalza und dort am 7. März a. St. getauft, 
war in Schleufingen auf der Schule, von wo er ih auf mühfeliger, langjähriger Wan- 
derung, von S. Dad) angezogen, nach Königsberg begab. Er ftudierte hier Rechtswiſſen— 
ſchaft und beichäftigte fich mit Dichtlunft und Muſik. Nach ungefähr fechsjährigem Auf: 
enthalte in Königsberg zog er in die Heimat zurüd und fand in Weimar eine Anjtellung 40 
als herzoglicher Biblivthefar und Regiſtrator. Er ftarb als Archivfelretär und Taiferlicher 
Pfalzgraf am 8. Juli 1681. — Bon Neumark zahlreichen mweltlihen Dichtungen Tann 
bier abgejeben werden; er war unter dem Namen: der Sproflende Mitglied der frucht: 
bringenden Geſellſchaft. So hochtönend und zugleich troden und matt, weil von kalt 
berechnenden Berftande eingegeben feine Neimereien auf dieſem Gebiete find, jo wertvoll 45 
it ein Teil feiner geiftlichen Lieder, in denen ſich ein ftarfes in der Tiefe der Erfahrung 
wurzelndes Gottvertrauen und innige Empfindung ausſpricht. Unter den Liedern iſt 
das bebeutendite und befanntejte, von unvergänglichem Werte: Wer nur den lieben Gott 
läßt walten, zu dem Neumark aud die Melodie erfunden hat. Es ıft wahrſcheinlich in 
Kiel auf der Wanderung nach Königsberg Ende 1640 oder Anfang 1641 entitanden so 
nad Errettung aus großer Not. Ferner find zu nennen: Es bat uns heißen beten, 
o Gott, dein lieber Sohn (Morgenlied); Sch bin müde mehr zu leben; Sch laſſe Gott 
in allem walten; Sei nur getrojt und unverzagt; So begrabt mich nun immerhin (vom 
Chor im Wechſel mit dem Gemeinlied: Nun laßt uns den Yeib begraben gejungen; 
Sächſ. Gefangb. Nr. 650); Wie mein gerechter Gott nur will. Einige diefer Lieder 55 
haben ſich bis auf den heutigen Tag im Gebrauche erhalten. Hermann Bel. 


Nemmeifter, Erdmann, gelt. 1756. — AdB 23, 543 ff. — Koch, Geſch. d. Kirchenl. 
5, 371; Fiſcher, Kirchenlieder:Xeriton 8. v.; Ritſchl, Piet. 2, 422. 423; Bed, d. rel. Volks: 
49* 


Kenmeiiter Nenplatonismus 


. d. u: N Hamb. Schriftſteller V: Wetßzel, Bene 
>. E >, 222. Ein großer Zeil ſeiner diber Zee 


nn So. ln Mr on aa bei Weißenf ifels als 
“nor Iemer 14. Lebensjabr feine Studien 
nn SO pmerin LeznE Su Nach einer furzen ale: 
ou Siprrone > Tirhe Amt. Im Jahre 1701 
—W On mit Wrzeiser Cherboivrediger, Mon: 


>. tm To munm. dr Bemirung an St. \ulob 
— ern s Ilm IT, 


n ann mo gem Zronzfetn eine gewiſſe 
On Ser 3 > Ferm: anzeregt, fehrte er 


. S . man tm» zur auch in voller 
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Sulmamuan on vommn Zen: Zcriften 

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ya Werber. Deib, Is Blenmenmus 2 Th. Götiinaen 1834: M. Deine, 
s 5 NYtieloi, Plilvi., Ten? 1872. Ueber Ammonios, E. gelier, Am— 


Nenplatonismns 773 


monius Saffas und Plotinus, Arch. f. Geſch. d. Philoſ, VIL 189. Ueber PBlotin: C. 
Herm. Kirdiner, Die Philoſ. des Plotin, Halle 1854; Arth. Richter, Neuplatoniſche Studien, 
1.—5. Heft, Halle 1864—1867; Herm. Yerd. Müller, verjchiedene Abhandlungen, von denen 
bejonders zu erwähnen Ploting Forſchung nad) der Materie, Slfelder Progr. 1882, Dispofi: 
tionen der drei erjten Enneaden des Pl., Bremen 1883; H. v. Hleift, Bloting Kritit des Ma: 5 
terialismus, Philoſ. Monatsh., Bd 14, 1878, und andere Abhandlungen; 2. Piſynos, Die 
Zugendlehre des Pl. mit befonderer Berücdjihtigung des Böfen u. der Katharfig, Lpz. 1895. 
Veber Hypatia: Rich. Hoche, H., die Tochter Theons, Philologus, 15, 1860. Ueber Damas- 
kios: E. Heiß, D. Bhilofoph D., in Straßburger Abhandlung. zur Philof., Ed. Zeller zu f. 
70. Seburtstage, Freibg. u. Tüb. 1884. Ueber Boethius, Fr. Nipih, Das Syitem bes B., 10 
Berlin 1860; U. Hildebrand, B. und feine Stellung zum Chriftentum, Regensb. 1885, u. a. 
Ueber die gejchichtliche Stellung ded Neuplatonismus überhaupt und über jein Verhältnis 
zum GChrijtentum ſ. die größeren Kirhen: und Dogmengeihichten, ferner Tzſchirner, Fall des 
Heidentums, Lpz. 1829; Jean Réville, La religion de Rome sous les Severes, Par. 1886, 
überf. v. G. Krüger, Lpz. 1888 u. a. Weitere Litteratur über die Neuplatoniter ſ. bei Ueber- 15 
weg-Heinze, Srundr. d. Geſch. d. Vhilof., I, 9. Aufl. 1903. 


Der Neuplatonismus ift die legte Form der griechifchen Philoſophie, in welcher fich 
der antife Geift unter Benugung vieler Elemente der vorhergehenden Lehren, namentlich) 
ber platonifchen, mit Überfchreitung der realiftifchen Richtungen der Stoa und Epikurs, 
ſowie dogmatifcher Überwindung des Skepticismus, zu bochfliegender, zum Teil myſtiſcher: 
Spekulation erhob, auf meldye orientalifche, auch chriftliche Einflüffe ftattfanden. Das 
forichende Denken richtete fich in ihr befonders auf die Gottheit und das Verhältnis der 
Melt und des Menfchen zu diefer, ohne daß Phyſik, Ethik und Logik vernachläffigt worden 
wären. Im Gegenfaß zu dem früheften Tosmozentrifchen, dem fpäteren anthropozentrifchen 
Standpunkt der griechiſchen Philoſophie, tritt in dieſer fpäteften Phaſe der theozentrifche : 
mehr bervor, woraus es erflärlich ift, daß in ihr das veligiöfe Element ſich ſtark geltend 
machte. Freilich iſt es unrichtig, Die ganze neuplatonifhe Nichtung als Religion und 
nicht als Philoſophie zu bezeichnen, da vielfach das Irdiſche überfliegendes Denken ohne 
religiöje Motive, rein dem Trieb nad Erfenntnis entfpringend, vorkommt. Allerdings, 
fobald das Myſtiſche hervortritt, hat auch das Neligiöfe die Oberhand, das ja ſchon bei 30 
Platon deutlich eine Nolle fpielte, und mit biefer theofophifch.myftifchen Nichtung bängt 
es zujammen, daß der Neuplatonismus nicht mit der gleichen wiflenfchaftlichen Strenge 
verfuhr, wie frühere griechifche Philoſophen. Schon daß Platons Schriften für ihn gleich: 
ſam als Offenbarungsurfunden galten, die dunfelften, wie der Parmenides, von ihm am 
höchſten gefchäßt waren, läßt ihn die gefchloffene philoſophiſche Methode oft und weit 35 
überſchreiten. Nah Blaton wollen diefe Philoſophen auch genannt fein, wie Auguftin 
Deciv. Dei, VIII, 12 berichtet: recentiores tamen philosophi nobilissimi, quibus 
Plato sectandus placuit, noluerint se dici Peripateticos aut Academicos, sed 
Platonicos. Ex quibus sunt valde nobilitati Graeci Plotinus, Jamblichus, Por- 
phyrius. Dem Gedanken nad jteben fie dem Philon fehr nahe, näher, ald man in der w 
Hegel meint, aber der äußere Zufammenbang tft nicht nachgetwiefen, abgefehen davon, daß 
Philon in Alexandria gelebt hatte, wo auch Ammonios lehrte. Gefchichtlih knüpft der 
Neuplatonismug unmittelbar an die Neupythagoreer und die pytbagorifierenden oder eklek— 
tischen Platoniker an, unter welchen legern namentlich Numenios als Vorgänger des 
Ammonios und des Plotin anzufehen it. Behaupteten doch manche, Plotin mwiederhole 45 
nur die Lehren diefes Philofophen, der Pythagoreifches mit Platoniſchem vermifchte, die 
griechifchen Philoſopheme auf orientalifche Wersheit zurüdführte und den Platon felbft 
einen attiſch redenden Moſes (Mwvons Aärrıxilwv) nannte. Daß aber der Neuplatonie- 
mug viel mehr Eigenes und Selbititändiges hatte als diefe feine Vorgänger, läßt fich leicht 
erfennen. Er bradte troß allem Anschluß an frühere das ganze philofophifche Wiſſen so 
in FH neues philojopbifches Syſtem, in dem nicht nur die Form den Unterſchied aus: 
machte. 

Der Neuplatonismus entftand in Alerandria, wo mit dem Völkergewirr auch die 
damals noch geltenden philoſophiſchen und religiöfen Richtungen zufammenliefen und fich 
vielfach vermifchten. Sein Begründer war Ammonios Sakkas (etwa von 175 bis 
242 n. Chr.), für den es bezeichnend ift, daß er ın der chriftlichen Neligion erzogen 
worden var, päter jih aber dein Hellenismus wieder zuwandte. So ftand der Neu: 
platonisinus ſchon von feinem Begründer ber in Beziehung zu dem Chriſtentum, die nicht 
ausgeiprochen feindlich ageivefen zu fein braucht. Ammonios hat ferne Lehre nicht nieder: 
gejchrieben, fondern fie nur mündlich überliefert, woraus es erflärlich ift, daß wir ſehr so 
wenig von ihr wiſſen, namentlich nicht beurteilen fünnen, wie ſich die plotinifche zu ihr 


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774 Neuplatonismus 


verhält. Seine Schüler waren der bedeutendſte unter den Neuplatonikern überhaupt: 
Plotin und neben diefem Origenes, der Neuplatonifer, und Drigenes, der Chrit, 
fowie Konginos, der Philolog. Von diefer alerandriniichrömischen Schule unterjcheidet 
man die furifche, deren Haupt Jamblichos, der phantaftifche Theurg tft, und die athenien: 

5 fifche, Die fich wieder mehr der theoretischen Spekulation zumandte und in Proklos ihren 
Hauptvertreter fand. Wenn man von neuplatonischer Philoſophie redet, fo verftcht man 
vor allem die Yehre Plotins darunter, deifen tvefentliche Lehren auch im ganzen von 
den fpäteren Neuplatonifern wiederholt tvurden. Sie wird deshalb aud hier vornehmlich 
zur Darftellung fommen; bat fich doch in ihr noch eine herrliche Blüte des griechifchen 

10 Geiftes entfaltet. 

Nlotin war 204 in Lykopolis in Oberägypten geboren, ſprach über Vaterſtadt, 
Eltern und Zeit feiner Geburt nie, da er das alles für zu irdiſch achtete, wie er ſich ſogar 
zu fhämen fchien, im Leibe zu fein. Erft mit 28 Jahren fing er an, ſich der Bhilofophie 
zu widmen, hörte in Alexandrien unter andern namentlich den Ammonios, der feinen 

15 Miffensdurft befriedigte, und bei dem er etwa 10 Jahre ald Schüler blieb. Dann fchloß 
er fi dem Kaiſer Gordianus auf deſſen ſchließlich verunglüdtem Zug gegen die Perfer 
an, um die perjiiche Philofophie Tennen zu lernen. Dieſe Abficht erreichte er nicht und 
wandte fih etiva 244 nach Rom, wo er für feine Lehren Anhänger, unter dieſen ſogar 
den Raifer Gallienus und deſſen Gemahlin Salonina, fand. Der Blan, mit Unterftüsung 

2 des Kaiſers in Campanien eine Philoſophenſtadt Platonopolis zu gründen, die nach Pla- 
tons Beltimmungen eingerichtet werben follte, fcheiterte, mie berichtet wird, am WMWiber: 
ftreben der fatferlichen Natgeber. In Rom lehrte Plotin in einer aufs höchfte anregenden 
und die Fragen feiner Schüler fehr eingehend berüdfichtigenden Weife bi8 zum Sabre 
268, bielt fid dann in Campanien auf dem Landgute eines VBerehrerd auf, mo er fchon 

3 im Sabre darauf ftarb. Erſt ziemlich Spät ftellte er feine Lehre ſchriftlich dar, veröffent- 
lichte aber feine Schriften nicht felbit, fondern Died that nach dem Tode des Meifters 
jein Schüler Porphyrios, der die 54 von Plotin verfaßten Abhandlungen in 6 Enneaben 
zujammenjtellte, wobei er das Zufammengebörige vereinigte und vom Leichteren zum 
Schwereren fortging. Doc kennen wir durch denfelben auch die chronologifche Folge ver 

3» Schriften. Herausgegeben find fie zuerft in lateinifeher Überfegung von Marfilius Fieinus, 
Florentiae 1492, griechifch und lateiniih Basileae 1580, in neuerer Zeit von A. Kırd- 
boff, Yeipz. 1856, von H. F. Müller, Berl. 1878 und R. Volkmann, Leipz. 1883, 84. 
Sins Deutſche find fie überjegt, zugleich mit der Lebensbeichreibung des Plotin von Por: 
phyrivg, von H. 5. Müller, Berlin 1878, 80. 

35 Was den Plotin weſentlich von Platon ſowie von feinen unmittelbaren Vorgängern 
unterscheidet, ift die Annahme eines über dem vods ftehenden Prinzips, während noch 
bet Numenios der vods als das Höchite gegolten hatte. Plotin glaubt freilich in dieſer 
Beziehung die Lehre Platons zu vertreten, da dieſer auch noch einen Vater des vous 
oder des Demiurgen, nämlich das Gute, annehme, während in Wahrheit bei Platon das 

10 Gute mit dem »odös oder der Gottheit zufammenfällt. Der fpelulative Drang nad der 
Einheit des böchften Prinzips lies den Plotin mit der Annahme des vods als eines 
ſolchen nicht zufrieden fein. Der voös iſt ihm feine volllommene Einheit, genügt ın 
dieſer Beziehung dem Denken als höchſtes Prinzip nicht, da er zugleih Subjeft und Ob- 
jeft des Erkennens iſt, vooOv und vooVuevor, alfo in eine Zweiheit zerlegt werben mus 

5 Es fommt darauf an, über diefer Zweiheit noch etwas Höheres zu fuchen (Enn. III, 
8, 8: xai olros voüs xal vontöv Ana, el ôè Övo, dei ro noö Övo Jaßeiv. Ebd.: 
To noÖTEOOoV Twv ÖVo Tottwr Ennexeıwa Tod vod elvaı). Ties iſt das abjolut Eine 
oder das Eins (TO £r), das Höchite, mas überhaupt gedadıt werden kann. Wenn e8 nicht 
die Vernunft ift, fo iſt es damit nichts Unvernünftiges, vielmehr ein Übervernünftiges 

(Hrtepßeßnxös ty? voor qotv), einfacher al$ der vods, ibentifch mit der Gottheit, das 
böchite, als durchaus tranſcendent gedacht, da das erfte Sein über dem abgeleiteten, vielen 
jein muß. Das Eine oder die Gottbeit näher poſitiv zu beftimmen, kann dem Blotin 
nicht gelingen, da es über alles Denken, über alles Sein hinausgeht, da es über dem 
Guten, als welches «3 freilich öfter bezeichnet twird, über allem Schönen, über aller Thätig- 

5 feit ftebt, obwohl es Öivaus 7 roW@rn genannt wird. Iſt es dies alles nicht, Tommen 
ihm überbaupt feine pofitiven Eigenſchaften zu, fo gebt doch alles Denfen, alles Sein, 
alles Gute und Schöne, auch alle Thätigfeit von ihm aus; es iſt die Urfache, Die Duelle 
von allem. Damit wäre eigentlih das einzig Poſitive von ihm ausgefagt. Wollte man 
nit dem Namen „Eins“ ſein Weſen bezeichnen, jo gebt aud das nicht, da mit dieſem 

so Namen nur angegeben werden joll, daß es ohne alle Vielheit, ohne allen Unterſchied in 


Nenplatonismns 775 


ih, ohne alles Sleichartige außer fid) gedacht werden muß. Es iſt alfo aud) dies eigentlich 
nur eine negative Beitimmung: das Höchite ift eben ohne pofitiven Inhalt, obgleich alles 
von ihm ausgeht, geradezu ein Wunder. 

Die Tranfcendenz Gottes war jchon bei Vorgängern von Blotin, 3. 3. bei Bhilon, 
bei Plutarch u. a. sehr beſtimmt feitgebalten, welch leßterer bereits lehrt, dag Weſen 5 
Gottes ſei nicht zu erkennen und nicht durch Denken zu erreichen, es könne nichts 
von Gott ausgeſagt werden, als daß er ſei. Namentlich war auch die Kluft zwiſchen 
dem ewigen unveränderlichen Sein und der Welt des Werdens, der Vielheit, ſehr ſcharf 
hervorgehoben, und der Verſuch gemacht, durch die Mittelweſen ſie zu überbrücken. Das 
oberſte Prinzip Plotins iſt aber noch mehr tranſcendent, noch mehr von allem geteilten 
Sein und Werden entfernt, wenn es auch Befriedigung gewähren mochte, mit feiner Feſt⸗ 
jtelung bi zum Außerjten, Höchſten und Lesten gekommen zu fein. Wie ift nun aber 
aus dem unveränderlichen Sein das Werden, aus dem Einen die Wielbeit entftanden? 
Diefe am ſchwerſten Lösbare aller metaphufifchen Fragen, warum das eine Sein nicht in 
fih verharrt, jondern „eine Menge oder Zweiheit oder Zahl” aus ihm feine Dafeins- 
form erhält, erjcheint dem Blotin mit menfchlicher Kraft nicht zu beantworten. Er meint 
(Enn. V, 1,6), in der Weiſe müßten mir hiervon \prechen, vah wir Gott felbjt anriefen, 
nicht mit lauten Worten, fondern indem mir unfere Seele jtredten zum Gebet, die wir 
ir Gott nur dann beten fünnten, wenn wir allein ihm allein gegenüberträten. — Das 
Viele in feiner Mannigfaltigkeit entjteht aus dem Einen, das durchaus in Ruhe bleibt, zu 
durch Emanation, Ausftrahlung (neollauwyıs), gleichwie aus der Sonne der fie um: 
gebende Glanz. Es it nidhts in dem Eins, aber es iſt Alles aus ihm, es tft feins von 
den Dingen und doch Alles, keins, fofern die Dinge fpäter find, Alles, weil fie alle aus 
ihm hervorgehen; es ift eigentlich nicht richtig zu jagen, daß es Alles ift, womit ber 
Pantheismus abgemiejen wird, es ift vielmehr vor Allem. Mit diefen Annahmen tft 25 
aber immer noch nicht erflärt, twie das Eins dazu fommt, die Vielheit auszuftrahlen. 
In Anlehnung an Platon fagt Plotin, die Urſache davon jet die Güte, die in Gott 
ruhen müfje und zur Hervorbringung des Vielen bringe Ale Weſen, nit nur die 
befeelten, fordern auch die unbefeelten, bleiben nicht bei fich, fondern bringen Anderes 
bervor. Wie jollte da das vollendetite Mefen, welches zugleich das erfte Gute und die 30 
höchſte Macht ift, in ſich beharren, als ob es Neid empfände und ohnmädtig wäre? Es 
ift dies freilich mehr eine anthropomorphifchzethifche als eine metaphyſiſche Erklärung. Die 
letztere wird darin gefunden werden, daß das höchite Sein übervoll iſt und als das Höhere 
das Geringere zivar nicht gerade in ſich hat, aber doch aus feiner überquellenden Voll: 
fonımenbheit hervorgehen läßt (Enn. V, 2, 1: dv yao r&lsıov to undev Inteiv unde 36 
Eyeıv umde Öslodaı olov bnegeodin al ro Öneoninges alrov nenolmxev Aldo). 

terin liegt auch die Löſung der Schwierigkeit, twie die Vielheit aus der Einheit, obwohl 

ſie nicht in ihr enthalten war, hervorging. Diefer Emanationsprozeß, der dem Plotin 
wie auch andern Neuplatonikern ficher zugefprochen werden muß, fett fich für die von 
dem &» entfernteren Prinzipien fort, indem das Niedrigere immer aus dem Höheren ber: 40 
vorgeht. Es kann fih in diefer Lehre ein Einfluß aus dem Orient zeigen, aber ber 
Emanationsgedanfe tritt ſchon in der Stoa, freilid noch mehr bei Bhilon auf, wenn auch 
in beiden Lehren nicht fo durchgeführt wie bei Blotin. 

Das, was aus dem Eins zunächit hervorgeht, ift der vods, der jchon das Anders- 
jein in ſich aufweist, da ihm die Zweiheit des Erkennenden und des Erfannten zulommt. 45 
Er denkt ſich felbjt als Erzeugnis und Abbild des Eins und wendet fich feinem Urbild 
p um es zu erfaſſen. Hierdurch erhält er die Kraft zu erzeugen, die er in Vieles zer- 
egt, da er fie in ihrer ganzen Fülle weder in fich ertragen nod erhalten kann. So 
entjteht als fein Inhalt die Ideenwelt, der xoouos vontös, die intelligible und zugleid) 
wahrhaftige Welt, während die Erjcheinungswelt nur ein trügendes Abbild von diefer ift. bo 
Der vods ift nicht nur Denken, fondern wirkliches Sein, indem er alles Seiende umfaßt 
wie die Gattung die Arten; Alles hat er in fich zufanımen und dod als Geſchiedenes, 
wie die Seele auch Vieles weiß, ohne daß dies miteinander vermischt wäre. Die Ideen 
ind im voös enthalten, nicht diefer in einer dee, wie das bei Platon der Fall ift, der 
den vods in der der des Guten befaßt denkt. — Ein großer Unterſchied zu Platon 55 
findet fich bei Blotin darın, daß es bei Platon nur Ideen giebt für ſolche Gegenftände, 
die einem gemeinfamen Begriff oder Namen angehören, während bei letterem es deren 
von allen Einzelweſen giebt. Es werden nicht zwei Dinge in der Melt gefunden, 
die einander ganz gleid wären, weshalb jedes Einzelding auch fein cigenes Urbild 
haben muß. Freilich kommt dies in den aufeinanderfolgenden Weltperioden zur Nach= 60 


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bildung feiner felbft. Hierbei bat fich ee 
Aus dem weiterhin die Seel das dritte De bei Blotin. Wi 
—— voũg u Dam — — jo aus üm be hie gr 
dem Brinzip 1 Denten, | m ‚eb * efle 
— — 









logiſe gr est 1 * (eins —— als er von ibm ausgehende Se h 
zum Niebrigeren = die Erjchei t überhaupt * — en 
ei ae Vermittlerin et der intelligiblen und der menalen % 
— Seele aus * Emanation weiter zur äußer 


das —53 —— 
Tas Rn die Dre, | die alerbinge bei Rlotin in der Hegel nicht ald aus der Seele 
H vend angej — vielmehr meiſt nach der Weiſe? ——— 
15 gleihjam » rinzip gegenüber dem formgebenden aftiven, jo daß jogar Art 
| —S——— ähnlich wie die Stoiler das zoodr und zd- 
oxov In dual tn etonen, aber von einem wirklichen Dualismus de⸗ * 
entfernt find. Die Materie — bei Platon qualitätslos, 
om —— das durch das zdoas feine Form erhalten, der dunkle d, ber Yıcht 
"net — Die ug vi öglichteit na Seite s, Die abe durch fich 
n iv ondern ie ‚ea Leben t. igt | er be 
der ber Wiaterie ein Aiberfpruc —— der 
— "Syiens Ben — — noch bei anderen a un bei de 











30 * ordnet * beberrfcht fie (Enn. IV * 3: — 
= Eu a — — = — 
—  VOEL, nv OLE auUTH 
»oouel re »al Ötorzei xal Goyeı adrod). Wie geſchieht dies aber? —* daß 
Inhalt der Seele in das Niedrigere hinabſteigt. Der Inhalt des vous die It 
35 R — ter "ie Adyon — Ki * Seele, a efafung, de der | tl 
ein. ind dies die ot, Die 6 eren 3 amm — 
Seele ſelbſt, aus dem voũ eis 3080 


ov vod —— zal del —— 
Enn. III, 2 u der voüg in reiner ET aufgeht ft di die Seele ver- 
10 nünftiges, d. b. —* wes Dean Sie ift auch gewiſſ vods, 
er eben — — Es *— über die —— ei Aöyoı * —— — 











— oder de Fe — darin, * bie ® — 
Ariſtoteles feine Materie exiſtiert. Cine bloße Materie ie 53* wie — fan 1 
fern und bei Aristoteles nichts als eine Abjtraftion. Ebenſowenig fönnen die — 
Materie wirkſam ſein; nur in ihr erfüllen fie ihre eigentliche —— 

so Kräfte. Sie haben offenbar Ännlichteit mit den Adyor aneouarıxol kr Stoie, tl 
nur mit diefen nicht die Eigenfchaft des Materiellen; jeder Körper muß einen Logos 
baben, als Inbegriff der Qualitäten. Die Aöyoı fi nd das We —— ig der & —* tu e 
Der Materie, die in organifcher, nicht in per 3 Weiſe ih et wird; dieſe Bil- 
dung allerdings Zwede voraus, aber nicht Wiſſen oder Überlegung, hie nad 

> Heraflit alles Werden vernünftig vor fich gebt, und doch feine bewußte 
twaltet. 7 — 

Iſt Alles von den vernünftigen Kräften gebildet und durchdrungen, indem ie Se 

mit ibrem Anhalt überallbin reicht, jo muß auch Alles vernünftig ober fein, 
wie ein befannter Ausſpruch Plons lautet: doyn ob» Ädyos zai —— y 

«» Enn. III, 2, 15. Wenn aud die Yogoi niedriger find als ihre Urbilder, und ibre 


Nenplatonismns 177 


bindungen mit der formlofen Materie noch tiefer ftehen, fo zeigen fih doch bei Plotin 
aud in diefer Erſcheinungswelt nody Spuren von dem dochſten Die Begriffe können 
ſich nicht rein zur Darſtellung bringen, da ſie zerteilt ſind, aber das Schöne und Gute 
iſt doch noch ſichtbar in der Sinnenwelt. Der Geiſt Platons, wie er ſich zum Schluß 
des Timaios ausſpricht, daß dieſe ſinnliche Welt ſehr groß und ſehr ſchön und ſehr voll- 5 
endet, ja ein ſeliger Gott ſei, hat den Plotin noch erfüllt, ſo daß er trotz der das Böſe 
erzeugenden Materie dieſe Welt keineswegs als ſchlecht oder häßlich anſah. Er hat eine 
längere ſehr beachtenswerte Abhandlung gegen die Gnoftifer oder gegen die, welche jagen, 
der Weltbildner ſei fchlecht, und die Welt fer jchlecht, gejehrieben (Enn. 11, 9), offenbar 
unächſt gegen die Valentinianer gerichtet, in welcher er e8 als Thorheit bezeichnet, dag 10 
* der Götter zu mißachten, da hierbei die Verehrung der Götter nicht beſtehen könne. 
Er meint, wer die Natur der Welt tadle, wiſſe nicht, was er thue, noch wieweit er ſich 
in ſeiner Kühnheit verſteige. Dies komme daher, weil er das Geſetz der Stufenfolge 
vom Erſten, Zweiten, Dritten bis zum Letzten nicht kenne, weil er nicht wiſſe, daß man 
es den Dritten nicht vorwerfen dürfe, wenn ſie ſchlechter ſeien als das Erſte daß man 15 
ſich geduldig in das Naturgeſetz des Alls zu fügen habe, rüſtig zum Erſten empor— 
eilend. Auch könne man ein Walten des Göttlichen im Menſchen nicht annehmen, wenn 
man es im Weltganzen leugne, das doch noch viel mehr Ordnung und Vernunft auf— 
weiſe. Er vertritt bier den im ganzen das griechiſche Denken beherrſchenden Upti- 
mismus gegenüber der chriftlichen tveltverachtenden Richtung (vgl. Neander, Über die zu 
welthiftorische Bedeutung des neunten Buchs in der zweiten Enneade des Plotinos, ABA 
1813). 

Geradezu eine Theodizce, die ausgeführtejte im Altertum, giebt er in feinen Büchern 
ITeot roovoias (Enn. III, 2u.3). Niemand, fagt er da, könne der Welt vortverfen, daß 
fie nicht fchön oder von allem Körperlichen nicht das Beſte fei; ebenſowenig könne man: 
die Urſache ihres Seins anklagen, da die Welt aus Notwendigkeit, nicht aus Reflerion 
geworden fei, und nur das höbere Prinzip fie naturgemäß ſich ähnlich machte. Indem 
er will, daß die Welt in ihrer Geſamtheit betrachtet werde, nicht nur ein Teil von ihr, 
etiva wie bei einem Organismus ein Haar oder eine ehe, läßt er dieje felbit ihre Ver: 
teidigung übernehmen: „Mich hat Gott geichaffen und ich bin von dort geworden, voll: 
kommen unter allen lebenden Wefen, mir jelbit genug und ausreichend, nichts bebürfend, 
weil alles in mir ıft: Pflanzen und Tiere und die Natur alles Gewordenen; viele Götter 
und Scharen von Dämonen und durd Tugend glüdjelige Menfchen. Nicht iſt es fo, 
daß nur die Erde geſchmückt ift mit allerlei Pflanzen und Tieren, und ſich die Kraft der 
Seele bi zum Meere ausdehnt, während die ganze Yuft und der Ather ohne Seele wäre, 35 
fondern dort find lauter gute Scelen, die den Sternen Xeben geben und dem twohlgeord- 
neten ewigen Umſchwung des Himmels, der den Geiſt nachahmend fich. um denſelben 
Punkt ftets im Kreis mit Bewußtſein bewegt. -- Alles in mir ftrebt nach dem Guten, 
und alles Einzelne erreicht es je nach feinem Nermögen. — Das Eine jcheint nur am 
Erin teil zu haben, das Andere am Leben und zwar Einiges mehr an der Empfindung, 40 
Anderes bat Schon Vernunft, wieder Anderes hat das ganze Yeben. So darf man nicht 
Gleiches verlangen für das, mas nicht gleich iſt. Eignet doch auch das Sehen nicht dem 
Kinder, ſondern dem Auge, dem Yinger aber, feine befondern Cigentüntlichkeiten zu haben.” 

an muß die Teile in Beziebung auf das Ganze betrachten, ob fie mit ihm jtinmen, 
da es auf die Harmonie des Ganzen ankommt, dem das Einzelne fich einfügen muß, zu 45 
welcher auch das Schlechte gehört, damit das Gute zur Geltung komme. Auf einem Ge 
mälde ſeien nicht überall ſchöne Karben, in einem Drama träten audı nicht nur Helden, 
fondern auch Sklaven und Bauern auf; nähme man dieje weg, fo würde es fein jchöneg 
Kunſtwerk mehr fein. Im ganzen fließt fih Plotin in feiner Erklärung des Übels in 
der Welt und in der Nechtfertigung der böberen Prinzipien eben wegen des Übels an die 
Stoiker an, unter denen Chmfipp fehr ins Einzelne ging, ja ſogar Lächerliches vorbracte. 

Betreff des Verhältniffes der Einzelfeelen zur Weltſeele berricht bei Plotin Feine 
volle Klarheit. Während die Gefamtfeele nirgends wurde, auch nicht irgendwoher kam, 
da fie an feinem Orte war, geben die anderen, d. b. die einzelnen Seelen, von ihr aus, 
find aber nicht Teile von ihr. Sie fallen die Ideen in zweifacher Weiſe in ſich, einmal 55 
alle zufammen, wie der göttliche vovs fie alle zuſammen in fich bat, fodann in der Seele 
ſelbſt als getrennte, ettwidelte Begriffe, wie fie in der Weltjeele entbalten find. Mit Diefen 
Aöoyoı oder Begriffen arbeiten fie beim Denken. Da fie herab in die Körper gejtiegen 
find, vergaßen ſie des Höheren, Göttlichen, von dem fie gekommen, glaubten felbjtjtändig 
fein zu fönnen, gerieten jo immer tiefer binab und bielten fih an das Niedere und Ber: 60 


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gay: unfreitilig, und mir bas vernünftige in der Mat dei 
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ae Sie ie auch eine . Einheit, bat einen — und ſo F es mög 
40 Biefe hnlichkeit, daß, fie in Gemeinfchaft mit dem Höchſten kommt. Alle 
in dieſer aufgelöft; wir ar en das KHöchite in einem Ga, um Reigentanze, und 
bliden iebe die Duelle d Kibens, bie | we ber Einficht, Prinzip Nein, 


bedarf. Da —— wir ibn und uns et bee leicht, Gott geivorden ober 
vielmehr Gott feiend. Nachdem der Menfch ſich ſelbſt erblickt Kable „= er mit elbit 
als einem ſolchen verbunden fein und ſich als einen foldhen fühlen, der einfach g worden 
it, ohne allen Unterfchied im fih und andern gegenüber. Ja es lann von Schauen be 
so biefem ganzen Zuftande nicht mebr die Rede fein, da bei dieſem ein | 
Gejchautes wäre, bier aber volle Einbeit herrſcht; am beiten wird er I seid net r rc 
ünkaaıs. otin ſelbſt ift zu Diefer Einigung mit Gott nah dem Zeugn ; Bor: 
pbyrios in den ſechs Jahren, die diefer bei ihm war, nur viermal gelangt. © * d, 
warum ein irbifcher sap nicht ſtets in diefem Zuftand verharren kann, ing Mu rin, 
55 daß er fidh noch nicht vollitändig vom Irdiſchen abgewandt hat. Die Zeit == 
Vereinigung wird fommen, wenn er von feiner Unrube des Körpers —— 
(Enn. IV, 9, 9 u. 10). Weſentlich unterſcheidet ſich dieſer von —— 
geprieſene Zuſtand nicht von dem unmittelbaren Ergreifen des un 
wahren Seins bei Philon. Auch bei dieſem ſtirbt der —S 
so Bewußtſein wird aufgegeben, es tritt eine Art korybantiſchen Mabnfinns "ei 



























Nenplatenismns 779 


I ganzen Vorgang ausführlicher gefehilvert, tie der Menſch fih ſtufenweiſe 
* Sinnlichteit bis zur engiten Gemeinſchaft mit dem Höchiten. Daß bier 
N Beer des Orients jtattfindet, läßt fih kaum leugnen, wie Philon be⸗ 
5 2 Ko 12, 2f, vgl. ebd. 5, 13, wenigſtens einmal in einen 
nd Fam, im dem er das Bewußtſein verlor, in den dritten Himmel 
ibies entrüct wurde und da unausjprechliche Worte hörte, die fein Mensch 
4 kamen bei den Griechen im Dienſte des Dionyſos und in den Pin: 
Bam den vor, die den Plotin als Mufter neben anderen gegolten 
| ſt auch Enn. VI, 9, 11 der Myſterien erwähnt. 
— der Seele hat Plotin ein eigene® Buch gefchrieben (Enn. 
pe 1 er ſich an Platon meift anfchließt und befonders hervorbebt, daß die 
liches, nichts Zufammengejeßtes, demnach ale einfach tnauflöglich ſei. 
———— der Seele mit dem Körper in einer Auferſtehung des 
1 denken unmöglich, dem vielmehr das wahre Erwachen ein Auferſtehen 
hr mit dem Körper ift. Die vollftändige Trennung der Seele vom 15 
tt ‚ da ja diefer das der Seeld Entgegengefegte zu feinem Weſen hat. 
Stel ng Plotins zur Religion anlangt, jo ift ſchon oben von vielen Göt: 
Dnen, welche die ® Kelt in fich habe, die Rede geweſen. Es ift ja offenbar 
Einheit des höchſten Urweſens der Monotheismus beftimmt zum Aug: 
aber unter diefem ſtehen bie Jämtlichen — aus ihm, die als Gott: vv 
I Werben, der vos und die yon, und ber reiche Inhalt biefer beiden, 
Knight nur Gedanken in dem voüs, fondern gleichſam perjonifiziert find, 
ie ähnlich betrachtet werden müſſen. Neben diefen metaphyſiſchen Po— 
afiert werben, giebt es auch noch fihtbare Götter, die Geftirne. Außer 
eren noch Dämonen, die als niedere Weſen in der Region unter dem: 
Wie nun die Stoifer die Götter der Volksreligion in ihre Philo— 
Mn hatten, fie allegoriih (ratio physica) umdeutend zu Naturmächten, 
1 die philoſophiſchen Begriffe und Beitimmungen in ben Mythen zu 
% Be“ eine Urtvefen Uranos, und Kronos, der feine eigenen Kinder 
er die intelligible Welt als jein Erzeugnis in fich — jo be: w 
* von Minos als Tiſchgenoſſen des Zeus, daß dieſer die Ge⸗ 
en genofien, und daß er von dieſer Berührung voll ausgerüſtet zur 
egeben babe (Enn. VI, 9, 7). Die Mytben müſſen, was fie aus: 
N: erlegen und vieles Seiende, was zwar zugleich aber nach Kraft 
ſchi den ih voneinander trennen, wie fogar begrifläche. Darftellungen das 35 
titeben lajien und das zugleich voneinander trennen müfjen, um fo dem 
‚gu ammenfafiung zu überlaffen. Daß diefe Faſſung des Mythos dag Ver: 
tellung zum Begriff bei Hegel gewiſſermaßen vorausgreift, iſt leicht er: 
bon von Andern bemerkt worden. Wie die Mythen in die Philofophie 
den, jo juchte ‘Blotin auch den Glauben feiner Zeitgenoffen an Magie, 10 
| Meiefagungen, Gebetserhörungen auf vernünftige Weife zu rechtfertigen, 
<= Zioa bier, wie auch ſonſt, vielfach eine Führerin war, der er gern folgte 
erb bei namentlich die Lehre von der Sympathie aller Dinge untereinander. 
Mefen im Meltganzen feelifche Kräfte zu, e8 wird daher jedes von alleın 
geidicht es, daß die Sebete von dem Betenden nach den Geftirnen fich 15 
b * diefen eine entiprechende Wirkung ausgeübt wird, ohne Willkür und 
ft bie Künfte der Magier find nur möglich dur die Harmonie des Alle, 
 wechjeljeitigen Sympathie der Kräfte, da auch der Erbe Empfindung 
muß, zunächſt eines Teils mit dem Teil, Sodann auch des Ganzen mit 
nb ben übrigen Dingen, damit fie Die menfchlichen Dinge, ſoweit fie ihr zu: 60 
I orbnet, d. b. in ſympathiſcher Weiſe, auch an e Bitten erhört und fich den 
J jeboch nicht in unferer Weiſe (Enn. IV, l, 26). 
? Schülern des Plotin find zu nennen Aniclios (jeit 246 in Nom), der 
Adıem von feinem Meiſter abtvich, und als der bedeutendfte der Sprer Por: 
ehr als Plotin fib nach der praktischen und religiöfen Seite hinwandte, 55 
berhältnismäßig frei von Aberglauben bielt. Um 262 wurde er Anbänger 
m und ſoll dafelbit 304 geftorben fein. Er wollte nicht ſowohl Fortbildner 
ad Apologet der plotinifchen Lehre fein, bat ein Yeben feines Meifters ge: 
e dag Leben des Pythagoras, Abhandlungen De abstinentia und De an- 
um, einen Brief ad Marcellam, ſowie cinen de diis daemonibus ad 6o 


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780 Neuplatonismus 


Anebonem, ’Ayopuai noös ra ronra (ein kurzer Abriß der plotiniſchen Lehre), eine 
Fioaywyı) eis tags ("Apıorot£Äovs) xarnyopias (neol yEvovs xal eldovs xal Ötayopäs 
xai lölor al ovußeßnxoros), die und noch erhalten find. Eine Anzabl anderer 
Schriften tft uns verloren. Won großer Bedeutung für die Gedichte der Philoſophie 

5 ft die Einleitung zu den Kategorien, an welche fich der ganze Streit des Nominalismus 
und Realisinus fnüpfte, indem Porphyrios jelbft ſchon die Frage aufgeivorfen batte, ob 
die „quinque voces“ fubjtantielle Exiſtenz hätten, oder nur in unfern Gedanken jeien, 
fie aber ala zu ſchwierig für feine einleitende Schrift anfah. — Der religiöje Charakter 
des Philoſophierens zeigt fih bei Porphyrios fehon darin, daß er den Zweck desfelben in 

10 die owrnoia ns ypuxis ſetzte. Die Mittel zur Befreiung der Seele von dem Böfen, 
das in ihrem Hange zum Niedrigen, nicht im Leibe liegt, find die xddapaıs und die 
Erkenntnis des Höchften, indem Porphyrios viererlei Tugenden annimmt, die politischen, 
die einen rechtichaffenen Dann machen, die reinigenden (xadaprıxal), durch die der Menſch 
ein dämoniſcher wird, die der Seele, die fich dem voöc, d. h. ihrer Urfache, zuwendet, 

15 das ift die vernünftige Scelentbätigfeit, und zu viert die Tugend des vods als foldhen, 
das ijt die paradigmatifche. Mit der Reinigung, die Porphyrios ald die dem Menſchen 
nottvendige Tugend bezeichnet, da er fie erlangen kann in diefem Leben und durd fie 
um Höheren auffteigt, hängt die ftarfe Askeſe, die Porphyrios empfahl, zufammen, bie 
* namentlich auf Enthaltſamkeit vom Fleiſchgenuß und vom Geſchlechtsgenuß bezog. Der 
20 erſtere beflecke ung, weil er die ſinnlichen Triebe nähre und uns in Berührung mit Toten 

brächte, der letztere, weil er die Seele durch die Luſt niederbrüde und durch Erzeugung 
neuer Menſchen geiftige Kräfte an die Materie feſſele. Das höchſte Ziel, das dem 
Plotin vorjtand, erreichte auch er einmal; freilich, al3 er fchon 68 Jahre alt war, wurde 
es ihm erſt zu teil, jich dem höchſten Gott, der über alles Denken und Denkbare hinaus: 

25 geht, zu naben um mit ihm fich zu vereinigen. Während Porphyrios die National: 
religionen als berechtigt anerfannte und bierbei feinen Unterfchied zmifchen griechifchen 
und barbartichen machte, trat er mit der größten Entjchiedenheit gegen das volllommen 
Neue des Chriltentums in feinen 15 Büdern xara Xorotiav@v auf, die uns verloren 
gegangen find, nachdem fie der Kaiſer Theodofios II. im Jahre 335 hatte verbrennen 

3 laſſen. Sie find ein Zeichen dafür, daß die Neuplatoniker den ganzen Hellenigmus und 
ihre eigene Stellung durch das Chriftentum für fehr bedroht hielten‘ und erfchienen den 
Ghriften jo bedeutend, daß eine Anzahl Widerlegungsfchriften gegen fie veröffentlicht 
wurden, fo von Metbodios, Eufebios von Cäfarca u. a., die uns aber auch nicht erhalten 
fund. Die ganze Abficht des Porphyrios iſt uns aber aus Berichten der Kirchenväter 

35 befannt: Er beitreitet namentlich die Gottheit Chriſti, den er jedoch für einen frommen und 
ausgezeichneten Menjchen anfiebt, deſſen Seele auch uniterblicd geworden ſei (ſ. die rag: 
mente aus des Porphyrios Schrift regi ins Ex Aoyiwv pilocopias bei Eus. De- 
monstr. evang. III, 7 und August. De eivit. D. XIX, 23), während er die ihn als 
einen Gott verehrenden Chriſten für tböricht bält. 

40 Zeigte ſich Porphyrios in Anlehnung an feinen Lehrer verhältnismäßig befonnen 
in feinen Spekulationen, fo ging fen Schüler Jamblichos aus Chalkis in Cöleſyrien, 
der ſich eutige Zeit in Rom aufbielt und um 330 im Sprien ftarb, in feinen fublimen 
Gedanken und in feinem Glauben an Magie, Wunder und namentlich Theurgie, d. b. 
die Nunft, Durch gewiſſe Zeremonien Tämonen und überirdifche Mächte zur Herbor: 

35 bringung übernatürlicer Wirkungen zu zwingen, über alles Maß hinaus. Eunapios bat 
in den Yebensbeichreibungen von Philoſophen und Sophilten auch die Biographie des 
Jamblichos gegeben, aber darın falt nichts weiter als die munderbarften Beispiele von 
feiner übernatürlichen Mraft mitgeteilt, wozu gehört, daß er 10 Ellen über der Erde ge 
ichwebt, jein Gewand in Gold geglänzt und fein Geſicht in einem göttlichen Lichte ge: 

zo Itrablt babe. Die wunderfüchtige Umgebung, befonders feine Verehrer glaubten an fein 
böberes Weſen und nannten ihn den „Böttlicben” oder auch den „Göttlichiten” (Yeıo- 
taros). Bon feinen Werfen find uns fünf Bücher aus einer größeren Schrift: Zure- 
yoyı) av Ildayogeiwr Öoyuarwr erbalten, von denen die Vita Pythagorica und 
die Adhortatio (Hooroertuxöe) ad philosophiam hervorzuheben find. Das Werl 

» De mysteriis, das Broflos dem Jamblichos zugefchrieben haben fol, ftammt keineswegs 
von ibm, jondern tft wahrſcheinlich in feiner Schule entjtanden. Es iſt voll des müfteiten 
Aberglaubeng, indem es namentlich Die Mittel angiebt, mit der unermeßlichen Melt der 
Dämonen und Götter in tbeurgifeben Verkehr zu treten, aber doch noch falfhe Theo: 
phanien von den wahren, von der wirklich göttliben Magie die gewöhnlichen Zauberkünſte 

so unterscheidet. Die UÜbervernünftigkeit wird nicht nur dem böchften Weſen, fondern allen 


Reuplatonismus 781 


Göttern zugeteilt, auf welche zugleich der Eat des Widerfpruchg feine Anivendung finden 
lol. Jamblichos jelbft macht den Verſuch, den ganzen Volytheismus zu begründen und 
zu rechtfertigen, indem er die ſämtlichen griechijchen und orientalifchen Götter hereinzo 
und die oberen Gottheiten Plotins nod) vermehrte. Ihm war das Eins des Plotin noch 
nicht erhaben genug; er fette über dieſes noch ein fchlechthin erites &u, welches über 5 
allen Gegenfägen ſtehe, auch über dem Guten, völlig eigenjchaftslos, zavın äpentos 
doyn. Unter diefem fteht das Eins des Plotin, das identiſch fein joll mit dem dyador 
und zwifchen dem höchiten Einen und der Vielheit die Mitte bilde. Diefes läßt aus ſich 
die intelligible Welt (xbouoc vonrös) emanieren, aus welcher meiterhin die intellektuelle 
Melt (xöouos vocods) hervorgeht. Das Antelligible will Jamblichos möglichſt einfach 10 
halten, alle Bielheit und Zufammenfegung von ihm verneinen. Trotzdem nimmt er eine 
Dreiheit in ihm an: Bater oder Wirklichkeit, Kraft und Nus oder Thätigkeit (rzarro, 
Övvauıs, vods, oder Unapkıs, Övvanıs ins Indofews, vonaıs Tis Övvduews). Ferner 
werden diefe einzelnen Glieder wieder in Triaden geteilt. Diefer höchften Götterordnung 
folgt die zmeite, die intelleftuelle, die abermals als Trias gefaßt wird, nämlich ald vods, 16 
Övvaıs und Önmovoyös, die wieder in Triaben geteilt werden, oder aud) in eine Heb— 
domas. Diefe intelleftuelle Welt ift die der Ideen, indem bier erft Scheidung in Gat— 
tungen und Arten ftattfindet, während in der intelligiblen fic) die Urbilder finden. Auf 
die intellektuelle Melt folgt das Phyſiſche, ebenfalls dreigliederig gedacht, indem die über: 
weltliche Seele zwei andere Seelen aus ſich bat emanieren laflen. Der Welt gehören 20 
an, aber über dem Menſchen ftehend, die Seelen der Götter des Volksglaubens, der 
Engel, der Dämonen und Heroen, von denen Jamblichos ganze Reihen kennt, indem er 
fie pythagorifierend nad) einem Zahlenfchematismus ordnet. So werden von den Göttern 
wieder drei Klafjen angenommen: zuerjt die 12 oberen Götter, die aber in Triaden zer: 
fallen, jo daß zunächſt 36 und weiter 360 werden; von diefen 36 jtammen zu zweit 2 
72 Ordnungen unterhimmlifcher Götter ab; zu dritt fennt Jamblichos 21 Weltberricher 
(Hysuöves), und diejen entfpredhend 42 Ordnungen von Naturgöttern (Beoi yeve- 
orovoyol). Zu diefer großen Zahl famen noch die Schutzgötter von Völkern und Ein- 
zelnen, jo daß es ihm möglich wurde, die ganze Mythologie in feinem Syſtem unter: 
zubringen. Mit dem Hang zur Theurgie jteht der Glaube in Verbindung, daß aud) die Götter: so 
bilder, mögen jie vom Himmel herabgefallen oder von Menſchen gebildet fein, an der 
Gottheit ſelbſt teil hätten und fo Wunder verrichten könnten. Das ficherjte Mittel, den 
göttlihen Schuß zu gewinnen, it das Gebet, das die Götter auch ohne Sinneswerkzeuge 
vernehmen können. Die Rückkehr zur überfinnlichen Welt kommt durch die Tugenden 
zu Stande, für die Jamblichos zunächſt die 4 Klaſſen des Porphyriog annahm, denen 55 
er aber nod) eine fünfte hinzujegte, nämlich die priefterlichen oder einfachen (ieoatıxal 
oder Eraiaı, auf das &> bezügliche), durch die ſich die Seele zu dem höchſten erhebt, d. h. 
die myſtiſche Vereinigung erreicht. 

Unter den Schülern des Jamblichos, die ſich mit wiſſenſchaftlicher Beweisführung 
kaum abgaben, tritt gegen die anderen durch einigermaßen ſelbſtſtändiges Denken hervor 40 
Theodoros von Aſine, der das höchite Er des Jamblichos nicht mehr annahm, ſondern 
mit dem einen &» über dem Intelligibeln fich begnügte, aber das Triadenſyſtem meiter 
ausbildete. Außer ihm find noch von der ſyriſchen Schule zu nennen: Dexippos, Aide— 
ſios aus Kappadozien, der lange eine hochangeſehene Schule in Pergamum leitete, 
Chryſanthios aus Sardes, Eunapios, befannt durch feine Biographien von Philoſophen 45 
und Sophilten. Durch Schüler des Aideſios wurde der Kaiſer Julian unterrichtet, dem 
die Philioſophie als Mittel dienen follte, mit Göttern und Dämonen zu verfehren, ohne 
daß er etwas eigenes Philoſophiſches in feinen Schriften gebracht hätte. In feiner ver: 
loren gegangenen Schrift wider die Chrilten, gegen die Kyrillos von Alerandrien eine 
nod vorhandene Entgegnung verfaßte, betont er befonders die Herrlichkeit der heidniſchen so 
Bildung und Religion im Gegenſatz zu den armfeligen Chriſten. Sein Verſuch, das 
Heidentum mit Gewalt wiederberzuftellen, mußte an der Schwäche auf der einen Seite 
und der aufiteigenden Kraft auf der andern fcheitern. Berühmt mar zu ihrer Zeit wegen ihrer 
Gelehrjamteit und der Anziehungskraft ihrer Vorträge die Philoſophin Hypatia, ermordet 
415 von dhriftlichen Pöbelhaufen, Tochter des Mathematifers Theon in Alerandria, die von 65 
dem Phantaſtiſchen der ſyriſchen Schule jich frei gehalten zu baben fcheint, ſich mit Er: 
Härung des Platon und Ariſtoteles vornehmlich beichäftigte, eigenes Philoſophiſches 
aber faum gebracht hat. Ihr Schüler und Verehrer Syneſios, der Chrift und Biſchof 
wurde, bat in feinen Schriften, auch in feinen Hymnen, viel Neuplatonifches, fo daß 
man ihn beinahe ala Neuplatoniter bezeichnen fan. Das Chriftliche zeigt ſich bei ihm wo 


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182 Nenplatonismus 


nur als u Se San ee Philoſophie. Bon ihm ift es erlaubt, einen 


nu 2 Pen Side N — die ihr hu arm 









2 voll, Beibyie 1899, 
r⸗ xard —— Deoloylas. Die fü mtlichen 
en von Diet. Coufin, 6 voll,, 2. Aufl,, Paris 1862. | 
patoniter ie —* der zweitbeden tendſie indem er ſich dure 
„dus — raft und Tiefſinn auszeichnete, womit er 
ae Vi und zu —— —— c verfuchte als es 


rung er u en Ir Bm * —— im bie ot mi 
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> han) , und bor Jembtios hat Sr 


— a die ganze — des 


4 nach 
inen, vor ſi —— 















— von beiben abweid) — in, het rweſen fiebt 
40 die Einheit an, die Quelle aller ielheit, die Urfache alles Seienden und alles Guten, 
der ſich auch Alles wieder hinwendet. Als „Einheit“ ul. man dies über jede Bejabung 
und Verneinung Erhabene nicht in entjprechender Weiſe en, aud) nicht als , —* 
oder als "Uriacıe”, es it dramios almıov und ndons —— [7 v . Aus 
diefem Höchften gebt nach Proklos eine Vielheit von Einheiten eg (Evades), die Ib 
15 alles Sein, Leben, über aller Vernunft und Erkenntnis jteben, eine Art Nangverbält 
untereinander baben, auf die Melt einwirken und Götter in es Wort 
find. Auf fie folgt die Trias des ntelligibeln, des —— 
Intellektuellen: die Weſen dieſer drei * iedenen Reiche gliedern 
das vonror und das vonror üna zai woegdv, nach Triaben, das 9EoÖ», 
co in eine Hebdomas, von deren Gliedern wieder jedes in fieben geteilt wird So it, di 
Möglichkeit gegeben, auf dieſe große Anzahl von Gliedern Volfsgötter und fpekulativ-fingiert 
Weſen allegorifch zu beziehen. Das Intellektuelle läßt aus fih das Seeliide bevor 
gehen, das alles jeinem Weſen nad ewig, feiner Thätigkeit nad in der Zeit iſt und ſich 
gliedert in görtli e, dämoniſche und menjchliche Seelen. Am ibrem Unheil find bie 
5 Yeßteren felbit © uld, fie vermögen fi) aber zum Göttlichen —J——— Die dre 
Hauptgattungen gliedern ji) wieder in Unterarten, 3.8. bie ichen in Wsol yes 
noviroi, Veol Andkvroı und Deoi Eyxöauor, die abermals weiter eingeteilt werden. Di 
innertveltlichen Götter unterfcheiden ſich dadurch von den anderen, daß fie ‚einen Yeib 
haben, und find geteilt in Sterngötter und die unter dem Monde, oder Elemeniargötie 
co Jeder der Deol dyrdazuoı bat eine Anzabl von Dämonen unter ich, welche y die Verwa 


Neuplatonismus 783 


tung der gefamten irdifchen Welt vermitteln. Die Materie geht nicht wie bei Plotin 
aus dem früheren Brinzip durch Abſchwächung hervor, ſondern fie entſteht aus der ur 
Iprünglichen Unbegrenztheit, ift auch weder gut noch böfe, jondern nur Quelle der Natur: 
notwendigfeit. In fie gehen Begriffe, Formen (Aöyoı) ein, indem fie vom Demiurgen 
nach den transjcendenten Ideen gebildet wird. 5 
Viel weniger als Proflos fpekulierten feine Nachfolger im Scholarchat zu Athen: 
Marinos aus Sichem und Zenodotos, Iſidoros aus Alerandria, Hegtas und der leßte 
Damaskios aus Damaskos, der in feinen Aropiaı xai Avoeıs negi Tav nowwy doxW@v 
bejonders danad) ftrebt, das Urweſen über alle Gegenfäte zu erbeben. Belanntlid) wurde 
529 vom Kaifer Juftinian der philofophifche Unterricht in Athen verboten, ſowie das 10 
Vermögen der Schule eingezogen. Zwei Jahre fpäter wanderte Damaskios mit dem be 
rühmten Kommentator des Artjtoteles Simplifios und mit anderen fünf Neuplatonitern 
nach Berfien aus in der Hoffnung, in dem Könige Chosroes einen wahren Freund der 
Philofophie zu finden. Bitter enttäujcht, Tehrten fie 533 von dort nad Athen zurüd. 
Pie Schon vielfach vorher, wandte fih nun der Fleiß der Erklärung früherer Philoſophen, 15 
namentlich de3 Platon und Ariftoteleg, zu. Hier jind nod der jüngere Olympiodoros 
und der Ehrift Philoponos vor anderen zu nennen. Die Philoſophie wurde jo mehr und 
mehr Sache der Gelehrſamkeit. Kommentare zur ariftoteliichen Schriften jchrieb Boethius 
(480— 525), wie er auch einzelne® von Ariſtoteles überſetzte; jo übermittelte er die 
ariftotelifche Logit dem Mittelalter als formale Grundlage für die Scholaftil. Ob er 20 
Chriſt geweſen iſt, ſteht noch nicht ganz feit, doch iſt es wahrſcheinlich; jedenfalls zeigt 
ſich in ſeiner auf neuplatoniſcher und ſtoiſcher Grundlage beruhenden bekannten Schrift 
De consolatione philosophiae von dem Chriſtentum nichts. — Der Neuplatonismus und mit 
ihm die helleniſche Philoſophie löſte ſich auf und verfiel teils durch die eigene Schwäche, 
die 19 beſonders in der maßlofen Phantaſterei zeigte, teild durch die fittliche und religiöfe 25 
Kraft‘ des Chriftentums. Der neuplatonischen Schule half zu ihrem Grlöfchen der Um: 
ftand, daß vorzügliche und wertvolle ihrer Lehren als dauernder Beſitz von der dhrift- 
lichen Theologie aufgenommen worden waren, in der fie gleihfam zu neuem Leben 
erwachten. War es der Stoa doch Schon ähnlich ergangen, nachdem hauptfächliches von 
ihr in die neue fräftigere Bewegung übergangen war. Wie neuplatoniiche Gedanken 30 
und Strebungen im Chriftentum meiter wirkten und fo ıhre Kraft veibätigten, zeigt die 
Gefchichte der chriftlichen Dogmen und der chriftlihen Philoſophie. Daß Auguftin die 
neuplatoniihen Lehren bedeutenden Einfluß auf feine chriftlichen Anjchauungen gewinnen 
ließ, ijt befannt; er that dies auch mit flarem Bemwußtfein. In vielen Teilen jeiner 
Doktrin ift er geradezu als Neuplatoniker zu bezeichnen. Was er alles in den Schriften 35 
der Blatoniker, d. h. der Neuplatoniter, gefunden habe, giebt er felbft am deutlichjten an 
in feinen Confessiones, VII, 9ff., wo er aud, an den Anfang des Evangeliums 
Johannis anfnüpfend, genau bezeichnet, worin ſich das Chriftentum vom Platonismus 
unterjcheide. Die Sauptjache it: Quia verbum caro factum est et habitavit in 
nobis, non ibi legi, ebenfowenig: Quod secundum tempus pro impiis mortuus 40 
est. Vielfach erhielten ſich neuplatoniiche Anfichten in chrijtlichem Gewande, wie bei dem 
ſchon erwähnten Synefios, mehr noch bei dem fogen. Dionyfios Areopagita, der eine Ver: 
bindung der neuplatonifchen Lehren mit dem Chriſtentum verfuchte, die myſtiſche Erhebung 
annahm und fie als VBergottung bezeichnete. Sobannes Eriugena überjegte die pjeudo- 
dionyſiſchen Schriften, nachdem Marimus Confeſſor einen Kommentar zu ihnen geichrieben, «5 
und lehnte fi) im ganzen Aufbau feines Syſtems, den Begriffen der resolutio oder 
analysis und reversio oder deificatio, an den Neuplatonismus an, indem er den 
chriſtlichen Cchöpfungsbegriff nad) der Emanationglehre umdeutete. Auf die Entwidelung 
der chriftlihen Richtungen des Mittelalters geivannen die dionyſiſchen Anfchauungen, 
namentlich durch das Mittel des Eriugena einen bedeutenden Einuk- die Myſtiker wie co 
die Pantheiſten des Mittelalters (Amalrich von Bennes, David von Dinant) wurden in 
ihrer Richtung durch fie beftimmt. Neuplatonisc find auch die viel benußten pfeubo- 
ariitotelifchen Werke: Theologia, wahrjcheinlich aus dem 8. Jahrhundert, und das Bud) 
De causis, etwa im 9. Jahrhundert von einem Juden oder Muhammedaner verfaßt. 
Araber und Juden nahmen vielfach neuplatonifche Anfichten auf, jo Alfäräbi, Averroes, 65 
Avicebron u. a., aber ſelbſt chriftliche Kirchenlehrer verſchmähten fie nicht, um Dogmen 
zu begründen, ſo Anſelm für die Trinität und die Inlarnation, ja Albertus fieht die 
Schöpfung ale Ausfluß aus dem notwendigen Sein vermittelft der oberjten Intelligenz 
an. Eine Auferjtehung erlebte geradezu der Neuplatonismus, vielfadh vom Platonismus 
nicht - unterfchieden, in der Menaiffance, wo die Namen der Medizeer, des Marſilius co 


Sk Nenplatonismus Midraſch 


mus, der Pico von Mirandola beſonders bervorleudhten. Von bier aus haben ſich die 
rapisitoittichen (Gedanken vielfach in die neuere, ja bis in Die neue Zeit fortgepflangt, 
schutiehs Durch Giordano Bruno vermittelt, haben auch cin Gegengewicht im Bunde 
1 der innen verwandten Magie und Alchymie gegen den trodenen Rationalismus ge 
um Im neunzehnten Jabrbundert nimmt Schelling neuplatonifche Anſchauungen auf 
an Kroudung mit ſolchen Jakob Böhmes, nanentlih in feiner Schrift „Philoſophie 
ind Religion“, Tübingen 1804, wo er die Leiblichkeit und Endlichkeit als em Produkt 
v Abjalls vom Abjoluten anjiehbt und e8 als die Endabficht der Gefchichte beitimmt, 
Aeſjen wieder gut zu maden. Wenn wir bei Fichte Die Trias eine jo große Rolle 
vieien ſehen, bei Hegel ebenjo in feinem dialektifchen Prozeß, jo werden wir zu ftarf an 
Ir Neuplatoniker, namentlib an Proklos erinnert, als daß wir nidht einen Einfluß 
von Diefer Seite anzunehmen geneigt fein Tönnten. Wollte man bei Hegel und anderen 
udn, jo würde man nod viele Spuren der legten griechiſchen Cpelulation ent: 
len. M. Heinze. 


ä Nen⸗Seeland ſ. d. A. Auſtralien Bd II ©. 299. 





Midraſch. Inhaltsüberſicht I. Bedeutung des Wortes (S. 784. A. des 
Midraſch (S. 785). III. Schriftliche Fixierung des Midraſch (S. 7881. IV. Bemefturzen 
zur Struktur der Midraſchim (S. 786). V. Die drei thannaitifhen Midraſche: Meklbiitur. Huöre 
und Siphra (S. 787). VI. Die vier anderen alten Midraſchim: Gen Rabba, Thyren. Ke— 
sigtha, Selamdenu (S. 788). VII. Homilien-Midrafhim (S. 791). VIII. Andre sep ibe 
Widraihim (S. 793). IX. Sammelwerte (©. 795). X. Erzählungshaggada (E.:%,. XI. 
Ethifhe Midrafhim (S. 797). XII. Geheimlehre (S. 795). XIII. Midraihfammliungen 
(5.798). XIV. Ueberjegungen (5.798). XV. Hilfsmittel zum Berjtändnis (S. 98}. 

Da dieſer ganze Artikel einerjeit3 im Hinblid auf die überwiegende Mehrzahl der Leiter, 
> andererjeits wegen der Notwendigkeit räumlicher Beichräntung den Charakter einer Titteratur: 

überficht tragen mußte, ijt zur Erreihung größerer Ueberjichtlichkeit und zur Vermeidung von 
Wiederholungen Die zu vergleihende Litteratur niht am Anfange des Ganzen, jondern am 
Schluß der einzelnen Abjdnitte genannt worden. Aus bdenjelben Gründen babe id von 
bebrüifch gejchriebenen Büchern und Aufſätzen nur eine Auswahl citiert, auch ſonn nidyt nad) 
w Boltftändigfeit, fondern nur nah Marer Zuſammenſtellung des Wichtigſten geitert. Gern 
danke ich auch hier Herrn Rabbiner Dr. %. Theodor für brieflidy mir gegebene Anregung. — 
Pauptwerk: 2. Zunz, Die gottesdienitlichen Vorträge der Juden, hiſtoriſch entwidelt, Berlin 
[832 (die 2. Auflage, Frankf. a. M. 1892, ijt nur um einige aus dem Handexemplar des Verf. 
herrührende Zufäße und ein Negiiter vermehrt). || Aus 3.9. Weiß Pan “77 711, Zur 
+5 Bejchichte der jüdiſchen Tradition, Wien, vgl. bef. II (1876), 225—239 (Mekhiltha, Sipbra, 
Siphre), — (Megillath Tha anith, Geber “Olam); III (1883), 252—297, IV (138%), 
208 218. 
Abkürzungen: JQR = Jewish Quarterly Review (2ondon). R&j. = Revue des Etudes 
juives (Paris). MyWI — Magazin für die Wiſſenſchaft des Judenthums (Berlin 1874— 1893). 
WEHR — Monatsihrift für Geſchichte und Wifjenichaft des Judenthums (Breslau). . 
Catal. Bodl. = M. Steinichneider, Catalogus librorum Hebraeorum in Bibliotheca Bod- 
Iojana, Berlin 1858—1860. | Wolf, B. H. = J. Chr. Wolf, Bibliotheca Hebraea, 4 Quart: 
bände, Hamburg 1715—1733. 


Midraſch. I Bedeutung des Worted Das Wort M. findet ſich zuerit 
32 Chr 13, 22, wo in Betreff des Königs Abia auf 779 8257 0772 vertiefen wird, 
und 24,27 als Quelle für die Gefchichte des Könige Jehoas von Juda a2 “es “n 
(bier iſt D wohl eine Gloſſe; LXX bat nur 779 yoapıjv, Zufianog yoaypnv Pußliov, 
ſ. Fields Hexapla I 749%); doch ift Die Bedeutung an diefen beiden Stellen zweifel— 
haft. gm nacbibl. Hebr. bedeutet ET: (eine Schriftitelle) „erforfchen, erläutern”, 
waneb: etwas Durch Deutung finden Soma 8,9. Tas Subft. Wy72 iſt zunädft all: 
gemein „Forſchung“ und zwar ſowohl in Dem Einne von „Studium, Theorie”, 3. B. 
Abotb 1,17 „Nicht der M. iſt das Wejentliche, fondern das Thun "792727 (Daher 
mehrfach ſynonym mit 77222, 3. B. pal. Pesachim III, Blatt 30®, 3. 41ff.), als auch 
in der Bedeutung „Auslegung“, z. B. Kethuboth 4, 6: „er wana m alfo deutete er“ 
als Objekt das Gedeutete). Speziell wird dann M. auf die Beichäftigung mit Der 
bi. Schrift bezogen, 3.8. pal. Joma III, 40°, 3.23 „er222 7210252 jede Schriftdeu— 
tung muß ſich nach dem Inhalt richten” ; Gen Rabba 42: „Diefe Schriftdeutung "> haben 
wir aus den babyloniſchen Exil mitgebracht, daß überall, wo in der heiligen Schrift 
sy 99 vorkommt, eine Leidenszeit gemeint fer.“ Daher 3 2 Xehrbaug, Haus ın 


= 
— 


[3 
- 


- Midraſch 785 


dem man dem Gejeßesitudium —— Sabbath 16, 1, Plural NEIT: Pesachim 4,4. 
Endlih wird Midraſch, Mehrzahl Midraſchim, auch konkret zur Bezeichnung älterer Werte 
gebraucht, die haggadiſche, feltener halachiſche Schriftdeutung enthielten, zum Teil ſo, daß 
die gemeinten Schriften auch den Titel M. haben, z. B. Midraſch Ruth. (Nicht wird der 
Name M. angewendet auf die ganz oder doch im weſentlichen halachiſchen Werke Miſchna, 6 
Thosephtha und Thalmud, |. d. U. Thalmud.) — Schriftdeutung: RNIT (Aram.); 
Schriftdeuter, Prediger: NY (Aram.) und: 7xN)757 (Hebr.). — Vgl. auch W. Bacher, 
Die älteſte Terminologie der Jüd. Schriftauslegung, Leipzig 1899, ©. 25ff. 103 ff. 

II. Wefen des Midrafch. Auf die Königsherrichaft folgte in Israel nicht, mie 
man vielfach jagt, die Periode der Hierofratie, fondern die Zeit des Nomismus, der 10 
Geſetzesherrſchaft. Seit der Rückkehr aus Babel bildete das Oeleh mehr und mehr die 
Richtſchnur, nach mweldyer fi) das gejamte äußere Leben regelte, war das Geſetz das 
Centrum alles geijtigen Lebens in Israel. Schon Haggai (2, 10ff.) prägt die mahnende 
Belehrung, daß es Gott gegenüber auf die rechte Gefinnung ankomme, dem Gedächtniſſe 
der Juden dadurch ein, daß er an Stellen des Ceremonialgeſetzes (Le 6, 20; Nu 19,22) 15 
anfnüpft, bei welcher Gelegenheit er die Prieſter als die anerlannten Rehrer dieſes 
Geſetzes vorausſetzt. Esras, des Schriftgelehrten ("PIO nicht „Schreiber“), ganzes Streben 
ging darauf, das vorhandene Geſetz Moſes auch gu thatfächlichen Befolgung zu bringen. 
Die Erinnerung an den äußeren Glanz des Königtums verlor mehr und mehr an 
Lebendigkeit, die Ausficht auf dauernde Wiederberitellung des alten Glanzes rüdte in 20 
immer nebelhaftere Ferne; nur einige Sahrgehnte beitand unter den Hasmonäern nationale 
Selbftftändigfeit in einem gegen früher Heinen und unfcheinbaren Gemeinweſen, und im 
Jahre 70 n. Chr. ſank mit Serufalem des Tempels Heiligtum in Trümmer: it e8 da 
zu verwundern, daß das gejchriebene Geſetz, das einzige aus der vorerilifchen Zeit ge- 
rettete Heiligtum des Volkes (Bundeslade, Urim und Thummim u. |. w. waren zu Grunde 25 
gegangen), der Juden Ein und Alles wurde, daß die ganze geiftige Thätigfeit des 
Judentums den Charakter der Schriftforichung, des Schriftitudiumg annahm? 

Die gefchriebene „Ihora Moſis“ war fein vollftändiger Geſetzeskoder, fie war nicht 
für die Verhältniffe in den erften Sahrhunderten nad) dem babylonifchen Exil, noch 
weniger für die Zeit nad) dem völligen Aufhören des jüdiſchen Staates berechnet. Sie so 
mußte daher erſtens den fpäteren Zeiten angepaßt, zweitens in nicht wenigen Punkten 
ergänzt werden. Beides geichah durch Midraſch, Schriftforichung, Schriftauslegung. 

iefe auf. die Normierung des Lebens durch das Geſetz bezügliche Thätigkeit beißt 
die nie die aus ihr fich ergebende fefte Norm: Halakha 727, eine Samm- 
lung halachiſcher Säge: Salatbeth N1227, Die erite erhaltene und zugleich autoritativ 35 
gewordene Sammlung folder Säge ift die Mifchna des Jehuda ha⸗naſt; eine andere 
Sammlung ift die Thosephtha; viel altes halachiſches Material findet ſich auch in den 
in F ne aufgenommenen Baraithoth, in den Midraſchim Mekhiltha, Siphra, 
iphre u. |. mw. 

Das Geſetz (Gefe hier in weiterem Sinne — Bibel, Sammlung der heiligen s0 
Schriften; über die Bedeutung von Tmın und vduos |. „Kanon des AT” PRE* IX, 
767, ff.) galt den Juden aber auch als Summe und Inbegriff alles Guten und 
Schönen, alles Wiſſenswerten: darum mußte e8 auf alle Zebensverhältniffe anwendbar 
fein, es mußte tröjten, ermahnen und erbauen, es mußte als alles, wenn auch nur 
feimartig, enthaltend nachgewiefen werden, vgl. Aboth 5, 22 2 85157 72 Tem 2 797 6 
(f. auch Taylor zur Stelle). 

Diefe Verwertung der bl. Schrift geichah gleichfalls durch Midraſch; aber diefe 
midraſchiſche Thätigfeit wird jet gewöhnlich mit dem Ausdruck Haggada bezeichnet: 
1337; im peräluiniieen TIhalmud "758 (wörtlich: das Ausjagen, das Lehren des Schrift: 
wortes; vgl. W. Bacher, JQR IV [1892], 406—429). Die H. fchloß fich teils eng an oo 
den Bibeltert an, oft aber bildete diefer nur den Anknüpfungspunkt für Darlegungen 
verichiedenfter Art. „Die Haggada, die der Gemeinde den Himmel näher bringen und 
den Menfchen wiederum zum Himmel emporheben foll, tritt ın dieſem Berufe einerſeits 
als Gottes Verherrlihung, andererfeits als Israels Troft auf. Darum find religtöfe 
Wahrheiten, Sittenlehren, Unterhaltungen über gerechte Vergeltung, Einfchärfung der die 56 
Nationalität beurkundenden Gefete, Schilderungen der vormaligen und dereinftigen Größe 
Israels, Szenen und Sagen aus der jüdischen Gefchichte, Parallelen der göttlichen und 
ber israelitiichen Inſtitutionen, Lobpreiſungen des bl. Landes, aufrichtende Erzählungen 
und Troft aller Art der Vorträge mwichtigfter Inhalt“ (FJunz, GV 349 |.) Über diefe in 
Synagoge oder Lehrhaus, geeignetenfall8 aud in Privathäufern oder im Freien, vor= 60 

NRealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 50 











Thätigkeit bald 
h — —— — * 
ur mſchaften: —— 


en —* LITE a . * 
Fr Bencrtungen zur Struftur der —— — Et A 


e Aust en B des zu Grunde gelegten 


i Rabba; Sipbre. 
en bie Homilien ſich an —— an den — Kon dei 
46 an —— eſttage (Pesi — cha an in ung er 154175 bichni 
in bie die ea sum Smede ber Ye an den I 
Pe — in JOR V dis 93) 






d | 
120408), — er Klarheit ge g —— zu haben nor das Verdi 







die Abhandlu * ie Midrafchim zum Pt und der — palät. Cyflus“ in UM F 
ee bei. 1885, ©. 356, (Der Wiperfpruch A. Berliners, Über den Cinfluf, be 
bebr. Buchdrudes — a: D. 1896, ©. 36. 37. —— 
— beginnt —* einigen Proömien ( ER von ae d. — ber 


des Tertes an einen meift nichtpentateuchif 
Die Proömien find einfache oder erg 0 —* ie — ins 
— erſe eine fortlaufende Erklärung zu teil wird, d g —— 
Kane, 0 Teile auf das Thema id) bezieht (vgl. ING —— + 9, ©. 169; 
— 1880 — 200. 202), Zuweilen finden nur $ hitüide, ı * ng 
ift nu deſſen Anwendung auf das au fü iden Dem —* | 
rm a) überlaffen bleibt, Hupe find diejenigen Proömien, fü rt 
verſchiedene, in fich jelbitftändige Auslegungen verjchiedener Hagga A 














Midraſch 787 


wurden. Die letzte Auslegung oder doch deren Schluß muß auf das eigentliche Thema 
überleiten (Theodor 170, Lerner 204). Die Autoren der homiletiſchen Midraſche waren 
bemüht, zu jedem Abfchnitte (Paraſcha, Pisqa) mehrere Proömien zufanmenzuftellen. In 
der von Buber edierten Pesiqtha hat jeder Vortrag Due th vier Pethichoth, Vor⸗ 
trag 11 und 25 haben je ſieben; in Gen Rabba ſchwankt die Zahl zwiſchen 1 und 7; 6 
Seftion 53 hat 9, wohl mweil der Abfchnitt Gn 21,1ff. am Neujahrstage verlefen und 
deshalb vielfach ausgelegt wurde (Lerner 169). Beſonders reich an Einleitungen ift der 
Midrafh Klagel. Rabba. Genauere Unterjuchungen über die Prodmien in der Pesigtha 

ſ. bei Theodor 108. 110-—113. 164--175. 271—278, über die in Gen Rabba bei Lerner 
168— 174. 197—207. In Betreff der Proömien vgl. noch S. Maybaum, Die älteften 10 
Phaſen in der Entwidelung der jüd. Predigt I (Berlin 1901), ©. 14—27. 

Schon von R. Meir wird berichtet (Sanhebrin 386 Ende), daß er feine Vorträge 
aus Halachiſchem, Haggadiſchem und Gleichniffen zuſammenſetzte. Bon R. Thanchum lefen 
wir, daß er einen halachiſchen Vortrag haggadiſch einleitete (Schabbathb 30%). Cine 
Eigentümlichfeit der jüngeren Midrafche aber Kun „GBV 234) ift die (freilich jehr ıs 
verfchieden erklärte, vgl. Zunz 354 und Öräb, b SLR 1881, ©. 329) Sitte, den bag: 
gadiſchen Vortrag durch Erörterung einer leichten halachiſchen Frage einzuleiten, vgl. 
Nu Rabba Sekt. 15—17 u. 20—23, Dt Rabba, Zelamdenu und Pesigtha Rabbathi 
(Zun; 258; 252; 227. 231; 242. 243). Das halachiſche Erordiun beginnt in den 
beiden erftgenannten Werken mit 7257, in den beiden anderen mit der Formel 1-75" 20 
12% unjer Rabbi lehre und. Die Pesigtha de Rab Kahana hat noch fein haladhifches 
Erordium, vgl. Theodor, MEWI 1879, 166 gegen Zunz 195. 227. 355. 

Auf die Prodmien folgt die Auslegung In den Homilien-Midrafchim (Pesigtha, 
Thanchuma, Le u. S. w.) erjtredt fich die eigentliche Auslegung nur auf wenige (etwa 3 
oder 4) Verſe, und zwar wird die längite haggadiſche Ausführung in der Negel an den 2: 
eriten bedeutfam erfcheinenden Vers oder Versteil des Tertes angefnüpft, während die 
Auslegungsfäge zu den übrigen Verſen oder Versteilen mehr oder minder Turz find. 
Geſchloſſen werden die meilten Vorträge mit Anführung von Bibelverfen, welche die 
hoffnungsreiche Zukunft Israels verfünden, |. Theodor, WOW 1879, ©. 108. 109. 

V. Die drei thbannaitifhen Midrafche Mekhiltha (Er), Siphre Nu, Di) w 
und Stphra (Le). Vgl. 3. Sranfel, Hodegetica in Mischnam, Leipzig 1859, ©. 307 bi8 
3115 3.9. Weiß, Dann 77 77 (Zur Gefchichte der jüdischen Tradition) II, S. 225 big 
239 (Wien 1876); D. Hoffmann, Zur Einleitung in die halachiſchen Midraſchim, Berlin 
1887. — Die Autoren der in ihnen enthaltenen Säge find falt durchweg Thannaim, 
die legten Nedaktoren aber waren Amoräer. Zwei Strömungen geben, wie D. Hoff: 35 
mann erfannt bat, nebeneinander her: die des Lehrhauſes 27 2, d. i. der Schule R. Aki⸗ 
bas, und die der Schule feines Zeitgenoflen und Gegners R. Ismael. Von Midrafchim 
der erjtgenannten Richtung find ung erhalten: a) zu Le der unter den Namen Siphra 
oder Thorath kohanim befannte Midraſch; b) zu Dt der das eigentlich Gefetliche des 
Dt, die Kapp. 12—26 erörternde Teil des Siphre zu Nu-Dt; c) zu Er die im Midrafch su 
ha-gadol erhaltenen Excerpte aus der Mekhiltha des Simon ben Jochai (f. I. Lewy, Ein 
Wort über die Mechilta des R. Simon, Breslau 1889 [40 S.)); d) zu Nu die im Jalqut 
Schim'oni und im Midraſch hasgadol erhaltenen Auszüge aus Siphre zuta (f. N. Brüll 
in: Jubelſchrift für Graeß, Breslau 1887; B. Königsberger, Sifre futa ... herausgeg., Frank⸗ 
furt a. M. 1894, Lief. 1; S. Schedter in JQR 1894, 656—663). Der Schule des R. Is⸗ 4; 
mael entjtammen: a) zu Er der Mekhiltha genannte Midrafh; b) zu Nu der Midraſch 
Siphre zu Nu; c) zu Dt die haggadifchen Partien des Midraſch Siphre zu Dt und die 
im Midrafch ha-gadol entvedten Auszüge aus der Mekhiltha des NR. Ismael zu Di 
(f. D. Hoffmann, Likkuté Mechilta, Collectaneen aus einer Mecilta zu Dt, in: Aubelichrift 
für J. Hildesheimer, Berlin 1890 [S. 83—98 ; hebr. Teil S. 1—32]; Neue Coflectaneen aus 0 
einer Mechilta Bir Dt, Berlin 1897 [36 S.; Jahresbericht des Rabbinerfeminarg zu Berlin 
für 1895 u. 96]); d) auch zu Le hat es eine Mekhiltha des R. Ismael gegeben, aus der 
namentlich in den beiden Thalmuden Stellen angeführt find (ſ. D. Hoffmann, Zur Einleitung 
S. 18—20. 73—77). Die Midrafhim der Schule Ismaels find für den Kundigen leicht zu 
erfennen namentlich erfteng an den Namen der genannten Lehrer, z. B. R. Sofia und 5 
R. Jonathan, melde weder in den anderen thannaitifchen Midraſchim noch in der Miſchna 
oder der Thosephtha vorlommen, zweitens an fehultechnifchen Ausdrüden (f. Hoffmann, 
Zur Einl. ©. 43f.). 

Nenn man von Mekhiltba, Siphre und Siphra fpricht, meint man gewöhnlich folgende 
Midraſchim: co 


IE 


788 Midraſch 


a) Mekhiltha wdr272 bedeutet eigentlich: Maß, Form, Regel für Ableiten der Ha- 
lakha aus der Schrift, bebr. "772; dann geradezu: Midrafch (nad) Güdemann in NEW 
1870, ©. 283, eigentl.: Kompendium, v. >12). Als Name des thannaitifchen Midraſch 
zu Er aus der Schule Ismaels findet fih M. im Arukh und bei Raſchi; in älterer 

5 Zeit iſt dies Buch in der Kollektivbezeichnung Siphre mit gemeint. Jetziger Inhalt: Midraſch 
zu Er 12, 1—23, 19; 31, 12—17; 35, 1—3. Urſprünglich follte diefer M. wohl nur 
Halachiſches enthalten, twie aus feinem Anfange geichloflen werden kann; doch tft, zur 
Gewinnung einer zufammenhangenden Auslegung, aud der Erzählungsitoff 13, 17 ff. mit 
in den Bereich der Exegeſe gezogen worden (nad 3. Frantel, NOMS 1853, ©. 391, 

10 erſt fpäter). Das auf 23, 19 Folgende ift mit Ausnahme zweier Heiner Stüde verloren 
gegangen; daß nämlich einjt noch mehr vorhanden var, ergiebt fih aus manchen Spuren, 
befonders einigen im Siphra angeführten Stüden. — || Ausgaben: Konftantinopel 1515 
Sol. Venedig 1545 Yol., Wien 1865 mit Kommentar von 3.9. Weiß, Wien 1870 mit 

ommentar von M. Friedmann. | Sonit vgl.: Wolf, B. H. II, 1349 ff.; III, 1202; IV, 1025; 

15 3. Frankel in MEWJ 1853, ©. 390 ff.; 1854, 149 ff. 191ff.: H. Almypift, Mechilta Bo 
[d. h. zu 12, 1—13, 16], Pesachtraktaten med noter.... inledning ock glossar, Lund 1892 
(XVI, 158, 128 ©.); derf., Mech. Bo ... översatt, Lund 1892 (147 ©.). 

b) Siphre (eigentl.: Bücher, thalmud. Plural von 20), anfangs Kollektivbezeichnung 
der thannaitifchen Mibrafchim zu Er, Nu, Dt im Gegenfat zu Siphra, fpäter, ald der 

HM. zu Er Mekhiltha genannt wurde, Name nur für die thann. Midrafhim zu Nu, Dt; 
weil mit Nu 5 beginnend, auch ES = genannt (Nu 5,2). Das jet Siphre ge: 
nannte Werk iſt nicht einheitlich, fondern Siphre-Nu ſtammt aus der Schule Ismaels; 
Siphre-Dt nur in den haggadiſchen Partien, während das die geſetzlichen Kapp. 12—26 
behandelnde Stüd der Lehrweiſe der Schule Akibas entfpricht.— || Ausgaben: Benedig 

25 1545 %ol.; Dyhrenfurt 1811 (Teil I) und Radawel 1820 (Teil II) mit Komm. von Abr. 
Lichtſchein; Wien 1864 mit Komm. von M. Friedmann (die ausführlide „Einleitung“, Zeil II, 
ift nicht erjchienen). | Sonft vgl.: Wolf, B. H. II, 1389; IV, 1030f.; über Melt. und 
Siphre ſ. Abr. Geiger, Urichrift und Ueberjegungen der Bibel, Breslau 1857, ©. 434450 
und (mit befonderer Rüdfiht auf Weiß und Friedmann) Jüd. Ztſchr. IV (1866), 96—126; 

3% IX (1871), 8-30. 

c) Siphra ned, d. i. das Buch, auch DrI7> nn genannt, Midrafch zu Le, mit 
Ausnahme weniger Stellen (j. bei. 8, 1—10, 8;. 18, 1—5; 26, 3—46) halachiſch, aus 
der Schule Alibas. Der Name Siphra ftammt daher, daß man (fo berichtet der dem 
weiten Amoräergefchlechte angehörige R. Aſſi als längſt feititebende Gewohnheit Ye 

35 Rabba 7) den Schulunterricht mit dem dritten bibl. Buche, nicht mit dem eriten begann. 
Im Thalmud Soma 27a ift uns noch ein Stüd aus dem Unterricht, den Abaje feinem 
Sohn erteilte, erhalten. „Ganz folgerihtig nannte man nun dem Buche (d. 5. dem 
dritten) gegenüber alle übrigen Bücher insgefamt "EI "RE oder 37 27 ed. Allmäh⸗ 
lidy wurden dann diefe Bezeichnungen, welche urſprünglich nur für die biblifhen Bücher 

40 ſelbſt galten, auf die dazu gehörigen Midrafchfammlungen übertragen” (Güdemann, MERIS 
1870, 281f.). Vgl. jedoch Raſchi zu Chullin 66°; D. Hoffmann, Einl. in die halach. 
Midr. ©. 15. 20. — Als Grundbeitandteil des Siphra it wohl die Auslegung des 
R. Jehuda, eines Schülers des Alıba, anzujehen, (Thalm. Sanhedr. 86° "= nmed ons 
7177); der Schlußredaftor war R. Chijja der Ältere, Schüler und Freund des Rabbi 

4 Jehuda ha-naſi. Der Midraſch der Schule Ismaels iſt ſchwerlich anders als indireft 
benugt, |. Hoffmann, Zur Einl. ©. 27f.; Geiger freilich meinte, viele den Anfichten 
Ismaels entfprechende Elemente feien durch fpätere Umarbeitungen unfenntlid) gemacht 
worden. — || Ausgaben: Venedig 1545 Fol. Venedig 16091611 (Titel AR Jar ‘o) 
mit Komm. von Naron ibn CHajjim; Bulareit 1860 mit Komm. von M. L. Malbim; Wien 

50 1862 Fol. mit wertvollen Kommentaren von Abraham ben David und dem Herausgeber 3.9. 
Weiß; Warſchau 1866 Fol. mit Komm. von Simfon aus Send; eine neue Ausgabe, bei der 
zwei Kodices der Vatikaniſchen VBibliothef zu Grunde gelegt werden follen, hat M. Fried— 
mann angekündigt. | Sonit vgl.: Wolf, B. H. II, 1387 ff.; ILL, 1209; IV, 1030f.; 8. Frankel 
in MGWgJ 1854, ©. 387 ff. 453 ff.; Geiger, Jüd. Ztſchr. XI (1875), 50-60. 

b5 VI. Die vier andren alten Midrafhim: GenRabba, Threni, Pesiqtha, 
Selamdenu. 

a) Genefis Rabba, Bereihith Rabba xa7 norn2 (fo, Ran mit Nam Ende, ift 
die beſtbezeugte Schreibweife), d. i. wahrſcheinlich: großer Midraſch zur Gen, vermutlich 
zum Anterjchied von einem fürzeren älteren Midrafch, deſſen Grundlage ganz wohl von 

Rabbi Ofchafja RWR berrühren kann (M. Lerner, MMS 1880, ©. 157, 3. Theodor, 
MGWg 1894, 518). Dem der erften Generation der Ymoräer angebörigen in Pa— 
läftina wirkenden N. Ofcha'ja oder Hofchafja, mit deſſen Namen das erjte Brodmium in 


Midraſch 789 


GenR beginnt, nämlich ſchreibt eine weitverbreitete Tradition die Abfaſſung dieſes 
Midraſch zu. Die Bezeichnung Rabba wurde ſpäter auf den je verbreitetſten haggadiſchen 
Midraſch zu den anderen Büchern des Pt (Tan amen im Arukh, Tan oma rar im 
Jalkut) und dann auch zu den fünf Megilloth (HL, Ruth, Klagel,, Prd, Ejft) über: 
tragen, leßteres zuerft wohl in der Ausgabe Venedig 1545, Teil I: >> man wenn; 6 
man warnen, Tel II: anan mom won won. Nur bei zwei der Midrafche zu 
den fünf „Rollen“ Iautet die Überfchrift: 734 oma mo, bezw. na ; bei 
den drei anderen einfadh: ma 7, Amos n5aa und nor =. Erit die Ausgabe Amſter⸗ 
dam 1641 hat Tan =, erit die Wilnaer Ausgabe jet 73% auh zum Midraſch 
über das Buch Eſther. (Der erſte Drud diefer Midrafhim zum Pt, 1512, beginnt 
„an mronea derms an dr wa; der Titel des erften Drudes des M. zu den Me: 
gillotb, 1519, lautet na wen wer). Nichts zu thun hat die Bezeichnung Rabba mit 
dem Beinamen 727 „der Alte” oder „der Große” des Ofchafja. — GenR bietet teils 
einfache Wort: und Satzerklärungen, teils, in oft nur loſer Anfnüpfung, kurze oder 
ausführliche haggadifche Deutungen und Darlegungen, wie fie für öffentliche Vorträge 15 
üblich waren; häufig find Gentenzen und Gleichniffe hineinverflochten. (Selten find ha: 
lachiſche Erörterungen, |. zu Gen 2,24; 4,4; 8,17; 9,6. 24; 12,3.) Der Umfang der 
Erklärungen ift jehr verfchieden, je nad) der Anregung, die der Inhalt bot, und nad) 
dem dem Bearbeiter (den Bearbeitern) befannten Stoffe. Was urfprünglich Beitandteil 
diefes M. war, läßt fich nicht mehr genau angeben. Das Zunehmen an Umfang liegt 0 
in der Natur der haggadischen Auslegung. Die Grundlage kann von R. Ofcha’ja 
ftammen. Die kunſtvolle Geftaltung vieler Broömien iſt ein Werk fpäterer Zeit, jedoch 
nad %. Theodor nicht viel fpäter als die Zeit der Redaktion des paläftinischen Thal: 
muds. Danad) ift wohl noch) manches —8 ſpätere Schreiber (Erweiterer) hinzugefügt 
worden: von (dev jetzigen Sabbathperikope now) 32, 4ff. an tragen umfangreiche Stücke 25 
den Charakter der jüngeren Haggada; viele noch fpätere Zuthaten in den jüngeren Hand- 
fchriften und den bisherigen Druden merden durdy Theodors kritiſche Ausgabe als folche 
für alle kenntlich gemacht werden. Wie es fcheint, ift die Redaktion von Gen nicht 
zum Abfchluß gefommen: von wa 44, 18 an geht die Auslegung nicht mehr von Vers 
zu Vers; einiges fcheint aus Thanchuma:Homilien entlehnt (31 Ende, 7 Anfang) ; zu 
zu 18, 1—14 fehlt die Auslegung in den Ausgaben, zum ganzen Kap. 48 fehlt fie ın 
allen Handichriften; die Auslegung von Kap. 49 bieten fajt alle genbfehriften in einer 
junge Zufäge enthaltenden Necenfion. Nicht zureichend ift die Begründung, mit der 
S. Maybaum, Die älteften Phaſen in der Entividelung der jüdiichen Predigt I (Berlin 
1901), ©. 43 die Anficht verficht, der ganze Midrafh Gen fei erjt Ende des 7. Jahr- 36 
bundert®, möglicherweife fogar erft in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts redigiert 
worden: Die haggadiichen Deutungen von Gen 16, 12 und 25, 18 beweiſen weder für 
damalige Herrichaft der Araber in Paläftina noch gar für dag Geftürztjein der Ommajaden; 
nad Threni R 1,5 (Buber 338) haben ja fremde Heerführer, fo der KOT 97377, 
alfo ein Ismaelit, im Heere Vespaſians mitgefämpft. Gent ift in den meilten Druden wu 
in 100 Parafchen eingeteilt; Handfchriften und Auegaben ſchwanken zwiſchen 97 und 101 
(vgl. MEOWdJ 1895, 488 #), doch Stimmen faft alle Zeugen in Bezug auf die erften 96 
überein, fo daß Parafche 96 mit 7 47,28 beginnt. Zu Grunde liegt die Einteilung 
nach den Heinen Barafchen (mirmne und mimnnd, deren die Gn 43 +48 hat), teilmeife 
auch die nach den Sedarim des dreijährigen paläft. Cyklus der Sabbathlektionen; am + 
Anfange find Teilungen auch durch die Stofffülle veranlagt (die jetige Sabbathperifope 
Bereichithb hat 29 der 100 Barafchen und füllt etwa den vierten Teil des Midraſch; 
bier finden ſich Barafchen, die nur wenige, ja nur Einen Vers behandeln, |. Nr. 1, 2, 
9, 11, 12, 14, 28, 29). J. Theodor meint, diefer Teil ftamme vielleicht aus einem 
anderen, größer angelegten und unvollftändig gebliebenen Midrafch zur Gen, ſ. MEWX 5 
1885, S. 364 ff. und 1894, ©. 518. Ausgaben. A. Rabboth, gum Pt: Konitantinopel 
1512; zu den Megilloth: (Peſaro?) 1519, Konitantinopel 1520. — Gelamtausgaben: Venedig 
1545. Mit Kommentaren: von Iſſachar Baer ben Naphthali Kohen aus Szezebrzescin 
372 mına (1550 vollendet) Kralau 1587/88; von Samnel Sapheh Aſchkenazi “un 19", 
Venedig 1597 ff. (zu Gen), Ven. 1657 (zu Er), Konftantinopel 1648 (Te); von David Luria 55 
u. Samuel Strafhun, 3. B. Wilna 1843/45; von Wolf Einhorn z. B. Wilna 1855 ff. Andere 
Ausgaben mit Kommentaren 3.8. Berlin 1866, Wilna 1878. Vgl. noch Cat. Bodl. Nr. 3753 
big 3784, und M. Roeft, Catalog der Hebraica und Judaica aus der L. Rofenthalfhen Bi- 
blivthet, Amsterdam 1875, ©. 808—813 [der Kürze wegen wird diefer durch Reichtum des 
Inhalts wie durch Genauigkeit ausgezeichnete Katalog (1729 Seiten!) nur bier eitiert]. Außer: wo 
dem vgl. Wolf, B.H. II, ©. 1423—1427; III, 1215; IV, 1032. 10587. 


— 


Ö 


790 Midraſch 


B. GenR allein: Venedig 1567 mit dem fälſchlich Raſchi beigelegten Kommentare in dem 
Saw IR genannten Buche, das, von Abraham ben Gedalja ibn Aſcher herausgegeben, auch 
deflen 572 7372 betitelte Auslegung enthält, f. A. Epitein in Mag, f. die Wiſſenſch. des 
Judth. 1887, S. 1—17, und %. Theodor, MEWI 1893, ©. 171. Bon der auf reichem 

5 handichriftlidem Material ruhenden neuen Ausgabe „Berefhit Rabba mit kritiſchem Apparate 
und Konımentare von J. Theodor” ift fveben 11903) die erite Lieferung erfhienen (80 ©. 
r. 4°, Eelbjtverlag de Verf, Bojanowo, Prov. Poſen). — Zur Einleitung: M. Lerner, 
nlage des Berefhith Nabba und feine Quellen, in: MgWT 1880. 1881 [Sonderausgabe 
Berlin 1882, 145 ©.]. 3. Theodor, Die Midrafhim zum Pt und der dreijährige paläjtinen: 
10 ſiſche Eyklus, in: MEWA 1885, 363—366. 408—421. 454-467; Der Midrafh BR. dai. 
1893 (über die Londoner Handidhrift) und 1894. 95 (über das Uebereinſtimmen diejer Hand: 
ihrift mit den Citaten im Arukh). N. Netter, Die Gedichte Noah und der Sündflut, 
Midraſch Rabbah Geneſ., Straßburg 1891 (132 ©.) ©. Auſcher, Die Geſchichte Joſefs ... 
Bereſchith Rabba, Berlin 1897 (47). M. Margel, Der Segen Jakobs, Midraſch Bereſchith 
15 Rabba, Frankf. a. M. 1901 (82). 

b) Midrafh Threni 78, Aggadath Ekhah (N. Chanan’el), auch Megillath Ekhah 
Arukh) und Ekhah Rabbathi (Raſchi, Jalqut), meld) legterer Name anfangs nur den M. zum 
1. Kap. bezeichnete; einer der ältelten Midraſche paläftinifchen Urfprungs, wofür auch die 
Dienge der griechiichen Fremdwörter ſpricht. Die große Zahl der am Anfange ftehenden 

20 Proömien (36) erklärt fich daraus, daß man feit früher Zeit, beſonders am 9. Ab (Tag der 
Zerftörung Jeruſalems) Vorträge über die Klaglieder pepalten hat, vgl. das im paläftın. 
Thalmud Schabbath 15° von Jehuda ha-Nafi, Ismael ben Joſe und Ehija Erzäblte. Aus 
folchen Vorträgen ſtammt wohl auch der größte Teil der nad) ver Reihenfolge der Verſe 

eordneten Auslegung. Die Redaktion gehört zwar einer jüngeren Zeit an als der paläftin. 

25 Thalmud: doch Kind ältere Quellen benußt und zwar wahrſcheinlich, wenigſtens teilweise, 
diefelben, welche den Eammlern des M. Gent, der Pesigtha de Rab Kabana und, viel: 
leicht, auch des paläft. Thalmud vorgelegen haben; die genannten Autoritäten find nicht 
jünger als der paläft. Thalmud. — Die Auslegung zeigt denjelben Charakter wie in 
GenR: neben fchlichten Erklärungen haggadiſche Stüde, die oft nur loſe angereiht find 

30 und durch melde die Behandlung der einzelnen Abſchnitte ungleihmäßiger erjicheint, als 
fie in Wirklichkeit ift; mancde Wiederholungen. Die Vermutung von Zunz, daß unfer 

M. „nicht vor der zweiten Hälfte des 7. Säkulums“ redigiert worden 3 * ſich auf 

die Vermutung, daß an einer Stelle ſchon auf die Araberherrſchaft angeſpielt werde; aber 
nad) richtiger Lesart iſt zu 1,15 (Ausgabe Buber Bl. 39) Seit, nicht Ismael, neben Edom 
genannt. Ausgaben, ſ. bei GenK; S. Buber, Tan IR 277, herausgegeben [nad einer 

Handſchrift in Rom und einer im Britiſh Muſeum], commentirt und mit einer Einleitung. 

Wilna 1899 (76 und 160 ©.). || Zunz, GV 179-181; of. Abrahams, The sources of the 

Midrash Echah rabbah, Deſſau 1881 (60 ©.). 

c) Pesiqtha. Den älteften Midraſch dieſes Namens, daher jchlechtiveg die P. ge: 
nannt, auch P. de-Rab Kahana, kannte man lange nur aus Citaten, befonders im Arukh 
und im Salqut. Zung verſuchte in einer meifterhaften Abhandlung, GB Kap. 11, ibren 
Anhalt zu vefonftruteren. Daß ibm dies im weſentlichen gelungen, bat die auf Grund 
vier nachher befannt (benugbar) gewordener Handjchriften von ©. Buber veranftaltete 
Ausgabe betätigt (gegenüber der Geigerfchen Überfhägung der Darlegungen Zunz' vgl. 
45 die 135 Berichtigungen durd) Buber in Hasfchadar III [1872], S. 13—66). Diefe P. 

beitebt aus etiva 32 Homilien, welche an Feſttagen und ausgezeichneten Zabbathen vor: 
getragen zu werden bejtimmt twaren (Buber zählt 31, aber die Nummern 22 und 30 find 
doppelt; 1877, bei Buber Nr. 24, ift nicht urfprünglid. Weiteres über die Frage nad 
der Achtbeit einzelner Vorträge ſ. bei Theodor, MERKT 1879, ©. 104f). Sie fcheint 
so aus zwei Sammlungen zufammengefegt, von denen die eine mit dem Neujahrstage 
(1. Thiſchri) begann, während die andere aus Vorträgen über die 11 (12) Hapbtaren nad) 
dem 17. Ihammuz beftand (3 ftrafende 3. vor dem 9. Ab, dem Tage der Zerftörung 
Jeruſalems, 7 tröftende nah dem 9. Ab und 1 [2] Bußhaphtare gegen Neujahr). Den 
Anfang der erftien Sammlung erſchließt man daraus, daß im “Arufh (on, TrO= 

55 zwei zur Neujahrshomilie gebörige Stellen als „am Anfange der Pisqas“ ſtehend citiert 
iwerden; den Anfang der zweiten Samınlung daraus, daß die Homilie zur erften der 
3 ftrafenden Haphtaren (7727 737 Ser 1, 1) mit den Worten NE 8273-2 an 
beginnt. Als eine aus diefem Anfange ftanımende Abkürzung nämlich erklärt man jetzt 
gewöhnlich die bei Mejchullam ben Moje (ein Geſchlecht vor Raſchi) und anderen ich 

so findende Bezeichnung unferer B. als 8273 277 872°02 (Buber, Einleit. Nr.2; W. Bacher, 
Agada der paläjt. Amoräer IL, S. 50H. Koder Carmoly, der freilid) viel Unächtes ent: 
hält (.. NGWJ 1879, 109. 166), beginnt wirklich mit dem Vortrage über diefen Zab: 


& 


J 


De) 


Midraſch 79 


bath, und Koder de Rofji Nr. 261, der Hapbtaren-Midrafch betitelt ift, enthält nur bie 
zu diejen elf Sabbathen gehörigen Homilien (Buber S. XLIX). Die von Buber nad 
Koder Luzzatto und Kodex Orford befolgte Anoronung, welche mit dem Chanuffafelte 
beginnen läßt, ift ſonach nicht urſprünglich. Doc, verdient Erwähnung, daß die Reihen: 
folge in Pesigtha Rabbathi mit der in der Buberfchen B. in mehreren Yuntten, befonders 5 
in der VBoranftellung des Chanuffafeftes, auffällig übereinjtimmt, vgl. Zunz, GB 240.241. 

Die Schägung des Alters der B. hängt ab von dem Urteil über die litterarifchen 
Beziehungen. Zunz, GB 195 meinte, die P. fer abhängig von Gent, LER, Threni Nabba, 
und bielt das Nabı 700 für bie ungefähre Zeit ihrer Abfaſſung. Buber, Einl. Nr. 9, 
erklärt die B. für älter, und Theodor hat meines Erachtens die Abhängigkeit namentlich 
der Midrafche XeR und Threni Rerwieſen MGWJ 1879, 102—104. Es bedarf nod) 
der Aufklärung, wie alt der Cyklus wo zer m mon ift, d.h. der Gebrauch an den 
12 Sabbathen vor dem Hüttenfefte die Hapbtaren Ser 1, 1; 2,5; Jeſ 1,21; 40,1; 
49, 14; 54,11; 51,12; 54, 15 60,1; 61,10; 55, 6; Hof 14,2 zu lefen, |. Theodor 
S. 105 Anm, 2. Offenbar bejigen wir die P. nicht mehr in der Gettalt, in der fie aus 15 
der Hand ihres erften Urhebers hervorgegangen, jondern fie hat mandjerlei Zufäge und 
Veränderungen erfahren; mas ſich namentlich daraus leicht erflärt, daß fie eine Samm- 
lung von Vorträgen für Felttage und ausgezeichnete Sabbathe ift. 

Der Name P. ift mit Pasuq, Paseq, Pisqa verwandt und bedeutet Abſchnitt, 
Seltion. „Urfprünglich hat daher nur jeder einzelne Abfchnitt den Namen PBesigtha oder u 
Pisqa erhalten und zwar mit Beifügung des Titeld, welches bei den älteften Schrift: 
ftellern, infonderbeit beiR. Nathan, falt ohne Ausnahme vermittelft der Präpofition ... 7 
ausgedrüdt wird. Das Geſamtwerk wurde daher Pisqoth, d. h. Pisqas genannt. Als 
man aus diefem ohne Angabe des Abjchnittes citierte, ging der allgemeine Name Pe- 
sigtha auf den Geſamtinhalt, folglid) auf dag ganze Buch über.” (Zunz 192; vgl. aud) 
Buber, Einl. Nr. 1. || Ausgabe: ©. Buber, unpce, Peſitta, die ältefte Hagada, redi- 
giert in PBaläftina von Rab Kahana [nad Handichriiten, mit Anmerkungen und Cinleitung. 
Leider hat B. nicht die Orforder Handichrift zu Grunde gelegt], Qyd 1868 (L ©. u. 207 Bl.). 
Dazu Abr. Geiger, Jüd. Ztſchr. VII (1869), 187—195. | Zur Einleitung: J. Theodor, MGWJ 
1879, 97—113; 164-175; 271— 278; 337—339 ; 455 — 457 (namentlid) über die Broömien), 30 
Bloc), daf. 1885, 166-184; 210 -224; 257— 269, 385 —404 u. 1886, 165—187;, 389—405. 

d) Midraſch Kelamdenu (fo befonders im “Arufh und im Jalqut), nad) der 
halachiſchen Introduktion 7:32 729) (es belehre uns unfer Meifter); au Midrafch 
Thbandhuma genannt (jo 3. B. bei Raſchi und auch im Salqut), weil mehrere Bor: 
träge beginnen xas "a nıııren nme >, oder — (jo W. Bacher, Agada der paläft. 35 
Amoräer III, 502.) weil der genannte Amoräer felbjt die Grundlage zu diefen Mi- 
draſchim gejchaffen babe, umfaßt den ganzen Pt. Urfprünglich enthielt diefer M. zu 
jedem Seder (ſ. oben ©. 786,45) oder jeder Zabbathleftion nur Eine Homilie. Charafte- 
viftiich ift die Anlage diefer Homilien: Halachiſches Erordium, mehrere Proömien, Aus: 
legung der erſten Verſe des Ptabjchnittes, meffianifcher Schluß. Nach diefen Typus find a0 
mehrere Sanımlungen veranftaltet worden, oder es fonnte aus Einer urfprünglichen 
Zanmlung (Jelamdenu) durch Weglaſſung mancher Homilien und Aufnahme anderer 
Homilien von gleicher Form (ſolche H. haben wohl in großer Zahl anonym cirkuliert) 
mehrere Werke entjtehen, die ſtark voneinander abwichen. Dem Autor des Jalqut 
lagen wenigſtens zwei Sammlungen vor: die eine (die eine Art) heißt bei ihm Than: & 
duma, die andere \selamdenu. 2. Grünhut, np ‘do, Teil IV. V (SZerufalem 1900. 
1901), hat die an verſchiedenen Orten zerftreuten Citate aus dem Selamdenu, bejonderd zu 
Yu, zu ſammeln verfuht. — Ausgaben de! M. Thandhuma: Konftantinopel 1520/22, Be: 
nedig 1545, Mantua 1563, Verona 1595 und ſonſt; mit den Kommentaren om Yr und 
or Wilna:Grodno 1831, Stettin 1864; Cat. Bodl. 3795—3801. | &. Buber, Midrafd) so 
Thanchuma [nad Handidriften zu Oxford, Ron, Parma, München. B. hätte die Vatikaniſche 
Handihrift zu Grunde legen follen]), Wilna 1885 (5 Teile in 3 Bänden). Der von B. ver: 
öffentlichte Text weicht zu Gen und Er ftark von dem der anderen Ausgaben ab, während er 
zu Le, Nu, Dt im wejentlihen übereinjtimmt. Vgl. W. Epitein, vrman nam Prekburg 
1886 (Sunderdrud aus Bet Talmud, Bd V). ıı Jur Einleitung: Zunz, GV 226—238; %. Theo: 55 
dor in MGWJ 1885, 34 ff. 405 ff. 424 ff. und Jahrgänge 1886. 1887 (über die Anknüpfung 
an die Sedariım des Pt); Ad. Neubauer, Le Midrash Tanhuma et extraits du Yelamdenu, 
in: Réj. XIII (1886), 224—238, und XIV (1887), 92 - 107. 111—114. Bgl. auch 8. Grün: 
hut in Sepher Hazligqutim I (1898) und N. Epftein, daſ. II (1899). 


VI. Homilien-Midraſchim (außer Pesigtha und Selamdenu). Zuerjt gedenken 60 
wir der ſog. „Rabboth“ zu Er, Le, Nu, Di. a) Exodus Rabba, Schemoth Nabba, 


— 


Ö 


26 


IS 


192 Midraſch 


in 52 Abſchnitten. In den erſten 14 Abſchnitten fortlaufende Auslegung zu ſämtlichen 
Verſen jedes Seder; von Abſchnitt 15 an (Er 12, 1) nur Proömien und Auslegungen 
der je eriten Verfe. Demnach wird man zwei Teile zu unterjcheiden haben, für dera 
erften wohl ein alter Auslegungsmidrafch die Duelle gebildet hat, während Der zweite 
z von Tanchuma-B. (Ausgabe Buber) abhängig ift und zweimal auf eine Homilienjamm: 
lung vermweift (Abjchnitt 15 und 39, |. MEMWN 1886, 256. 299; wenn Diele „Ber: 
weifung” nicht Abkürzung feitens jpäterer Abfchreiber iſt. Ausführliche Analyfe giebt 
Theodor in MEWA 1886, 212—218. 252—262. 299306. Wal. noch 1885, 405. 
Nach Zunz, GV 256258, mahrfcheinlich aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. || gun 
10 ae Bord, Bodlejana Nr. 147 und 2335 des Neubauerſchen Katalogs. de 
. bei VIa 


b) Leviticus Nabba, Bajjigra Rabba, beiteht aus 37 Homilien zu Sebarim und 
u Feittagsleftionen, die dem Le entnommen find (vgl. Abfchnitt 20. 21 zu Le 16, 1; 
bien. 28 zu Le 23, 9). Vgl. Theodor in MG 1886, 307—313. 406—415; 
15 vgl. auch 1885, 353. 405 und 1881, 500—510. Die Abfchnitte 20. 27—30 find, von 
einzelnen Abweichungen abgefeben, gleich Pesigtha de-Rab Kahana Nr. 27. 9. 8. 28. 
28. Zunz 181—184: „jcheint etiva der Mitte des 7. Jahrhunderts anzugehören”. Hand: 
ichriften: Bodlejana Nr. 147 u. 2335 (Kat. Neubauer); Britiſh Mufeum Add. 27169; 
Pan, Cat. des mss. h&breux de la Bibliothöque Imp£riale Nr. 149. PDrude 
20 |. bei VIa. 
c) Numeri Rabba, Bemidbar Rabba over (jo im eriten Drude Konftantinopel 
1512) Bemidbar Sinai Rabba, in 23 Abfchnitten, beſteht aus zwei fehr verfchiedenartigen 
Teilen. Der erite (Abfchnitt 1—14, etwa drei Viertel des Ganzen) tft eine junge bag- 
gadifche Bearbeitung von Nu 1—7; in Nu 1-4 (Sabbathparafche Bemidbar) erkennt 
35 man durch ſtarke Erweiterungen hindurch noch die Homilien der Thanduma-Plibrajchim 
% Nu 5—7 (Sabbathparafche Nafo) tritt das Beſtreben, einen den ganzen Text beban- 
enden Midraſch zu liefern, noch mehr hervor. „Statt der furzen Erläuterungen oder 
Allegorien der Alten, Statt ihrer teten ung uf Autoritäten, lefen mir bier Kom: 
pilationen aus halachiſchen und haggadifchen Werken, untermifcht mit  fünftlichen, oft 
30 fpielenden Anwendungen der Schrift und finden viele Blätter hindurch feine Duelle nam: 
baft gemacht“ (Zunz). Diefer Teil wird nicht älter fein al3 das 12. Jahrhundert. Nur 
in ihm finden ſich die umfangreichen Vermehrungen, die teild aus Pesiqtha Rabbathi, teils 
aus Werken jpäterer, namentlich franzöfifcher Rabbiner geflofjen find (von den bei Zunz 
259. d angefürten Stellen ift nur die von ihm felbjt befprochene Deutung des Zahlen: 
35 wertes von MER ficher älter). Aud) der Midrafch zum Hohenliede ift benußt, |. Theodor, 
MGWg 1879, ©. 276. — Der zweite Teil (Abjchnitt 15—23 iſt weſentlich der Mi— 
draſch Thanchuma zu den acht MWocenabfchnitten von Nu 8 nay2 an, wie fhon M. 
Benvenifte im Vorwort zu mas mas, Salonifi 1565 erkannt hat. Statt der im M. 
Thanch. üblichen halachiſchen Introduftion 122° 177297 haben die Trude von NuR 7535; 
so nach dem Zeugnifje A. Epfteind aber bat die Pariſer Handichrift Nr. 150 (des Catal. 
des mss. hebreux de la Bibl. Imper.) die hier ältere Formel 1:2” era. Die 
9 Hauptabfchnitte entiprechen je einer Sabbathperikope des einjährigen Cyklus, nad) dem 
unfere Bibeldrude eingeteilt find (nur die Perikope TIP erjtredt fich über die zwei Ab: 
Schnitte 16 und 17); man kann in ihnen aber 30 Homilien unterſcheiden. Über die im 
15 Thanchuma:B., im Tanch. der anderen Ausgaben und in NuR erkennbare Einteilung 
in Homilien |. Theodor in MGWI 1886, 443-459. 558, vgl. aud) 1885, 405f. 427 
bis 430. || Sandichriften: Bodlejana Nr. 147 und 2335; Abſchnitt 1—5 in Cod. Paris 
149. Drude |. bei VIa. 
d) Deuteronomium Rabba, Tebarim Nabba, ift in den Druden nad) den 
5 Sabbathperikopen des einjährigen Cyklus in 11 Abjchnitte geteilt (die Ausgaben Kon: 
ftantinopel 1512 und Venedig 1545 haben nur 10, da erax: Dt29,10 und 75 31,1 
verbunden find). In Wirklichkeit befteht DER aus 27 in fich abgefchloffenen Homilien 
(darunter 2 Fragmenten), die auf Terte des drejjäbrigen Cyklus ſich beziehen; Die Aus- 
nahmen erklärt man am beften durch die Annahme, daß eine von der uns früher allein 
55 befannten abweichende Einteilung der Sedarim zu Grunde liegt. Die Homilien beginnen 
mit einem halachifchen Erordium (Einführungsfornel ftet3 1297, wie oft in NUR); dann 
ein oder mehrere Proömien, die hier jchon ziemlich felbitftändige homiletiſche Gebilde find; 
Auslegung des Anfangs des Schriftabſchnittes; verbeißender oder tröftender Schluß. Als 
Duellen jind der paläft. Thalmud, GenR und Let deutlich zu erkennen. Entitehungszeit 
sonach Zun; um das Jahr 900; der Verf. des Arukh und Raſchi citieren unferen M. 


Midraſch 793 


nicht, im Jalqut wird er oft als an d or angeführt. Bemerkenswert iſt, daß 
Autoren des 13. und folgender Jahrhunderte Stüde aus DIR als Thanchuma anführen; 
aber inhaltlich hat DER mit den gedrudten Thandhumaterten wenig gemeinfam. Letztere 
haben zum Dt nur drei vollftändige, regelrecht gebildete Homilien (14,22; 25, 17; 33,1), 
und diefe find aus der Besigtha entnommen. Bol. Zunz, GB 251—253; Theodor in 5 
MEGMWX 1886, 559—564 und 1887, 35—48. 322. — || Die handfchriftliche Über- 
Lieferung ift nicht einftimmig. Die Kodices der Bodlejana 147 und 2335 enthalten den 
Midraſch Rabba zum ganzen Bt. Koder Epitein giebt zu OrmaT und jernnı, 1, 1—7, 11, 
anz andere Homilien, Apr bis ıaxS, 7, 12—30, 20 ftimmt mit unſerm DER (dad) 
—3* — mit Zuſätzen); die beiden letzten Perikopen 1a big 73-277 narı ſind mit 10 
den Thandhumadruden gleichlautend. Ebenfo Koder München 229; doch fehlen rn 
3, 23—7, 11, wre und ar nan. Die Perikope Om27 und die Zufäte in E28: 
bat aus diefem Koder ©. Buber veröffentlicht in wur paar mon won vum, 
Wien 1885, S. 10—32. || Drude |. bei VIa. 

e) Aggadath Berefchith, Homilien zu den Sedarim, fcheint noch jünger als der 15 
Schluß von Genf (m) zu fein. Zuerſt Venedig 1618 am Schluß der IT von Me- 
nadhem di Zonjano; Bet ha-Midraſch IV; Benj. Epftein MONI NUN Haggadiſche 
Auslegung mit Kommentar usa nor, Shitomir 1899 (132 ©.). || Zunz, GV 256; Cat. 
Bodl. 3727 —3729. 

f) Pesiqtha Rabbatbi, gleich der Pesigtha de Rab Kahana eine Homiltenfammlung 20 
zu Feſttagen und ausgezeichneten Sabbathen und zwar ähnlich geordnet (Neumond, Cha- 
nuffa am Anfang). Nach Zunz, GV 239— 251, darf die Abfafjung „ficher nicht vor der 
weiten Hälfte des 9. Sabrunderts angejegt werden” ; er führt dafür innere Gründe an, 
Ferner das Benugtfein der um 750 n. Chr. verfaßten Sche’elthoth des R. Acha aus Schabcha 
und das Zeugnis des Buches felbit (Ausg. Friedinann 1®), nad) dem feit Zerftörung des 25 
Tempel® mehr als 777 Jahre verfloflen waren, alfo das Jahr 845 ſchon vorüber tar. 
Mit diefer Datierung haben ſich neuerlich Isr. Levi, Réj XXXII (1896), 278—282, 
und W. Bacher, daſ. XXXIII, 40—46 einverftanden erklärt und zugleich zu begründen 
gefudyt, daß das Buch in Stalien verfaßt fei (RS, Friedm. 135®, fei Eari) Fried⸗ 
mann freilich meint, R. Acha ſei von PR abhängig und die Zahlenangabe 777 ſei cine 30 
Gloſſe; ſchon der Redaktor von LeR habe unfer Buch benust; ja ſogar in Gent fänden 
ih Säte, für welche die Grundlage in PR enthalten fei. Weiter ift Friedmann der An- 
Jicht, daß nicht die ganze PR von Einer Hand fei, jondern die Rapp. 21—24, 26—28 
und 34—37 von drei anderen Berfafjern herrühren, und zwar feien die letztgenannten 
+ Rapp. die älteften im ganzen Buche. Der gedrudte Tert ift durch Lücken und Glofien 35 
vielfach entftellt. || Drude, zuerft ohne Ort und Jahr (Prag, um 1656, 4%), Sklow 1806, 
Breslau 1831 (mit Kommentar von Seeb Rolf), Lemberg 1853; M. Friedmann, Peſikta 
Rabbati ... Eritiich bearbeitet, commentirt, Wien 1880 (26 ©. und 205 BI.). Leider hat 
Fr. feine Handicriften zu Rate gezogen, obgleih wenigſtens Koder Parma, de Roſſi 1240 
(von de R. ſelbſt irrig für Senad) Eos des Tobia ben Eliejer gehalten, j. jeinen Katalog III, 40 
117 ff.), gewiß leicht zugänglich geweſen wäre. 

g) Treue Pesintba, RNIT NNP°OB, ift ein kürzerer Midrafch für die Feſttage, den Ad. 
Jellinek in Bet ha-Midraf VI, 36-70, veröffentlicht hat. Quellen: Gen, Pirge N. 
Cliefer, Buch Jezira u. |. w. 


VIII Andre eregetifhe Midrafche (nach der Reihenfolge des alttejt. Kanons). 45 

a) Legach Tob. Mit Unrecht ift der Name Pesigtha oder nut Nnp’oD (zZ. B. bei 
Aſarja de’ Roſſi) dem Midrafch des R. Tobia ben Eliefer beigelegt worden. Der Verfaſſer 
jelbit, der nicht aug Mainz ſtammte, überhaupt fein Deutfcher, jondern aus Nm» in Bul⸗ 
garien war (f. Buber, Einl. ©. 18. 20. 21), hatte fein Bud 1a rıp5 genannt nacı Pr 4, 2 
und in Nnfpielung auf feinen Nanten rat. Nah den in den Handichriften erhaltenen 50 
Daten zu urteilen, ift es wahrjcheinlich im Jahre 1097 gefchrieben, in den Sabren 1107 und 
1108 vom Autor ſelbſt mit Zufägen und Berbeflerungen neu ediert (daf. ©. 23—26). Leqach 
Zob erjtredt jih über den Pt und die Megilloth, „halb Kommentar, Halb Haggada, großen: 
teils aus älteren Werten”. Zunz, GB 293.205. Catal. Bodl. 7304. || Drude: xnp’oe 
nme Rn ara, Venedig 1546 (Le, Nu, Dt), danach mit dem richtigen Titel a rıpb WO 55 
und einem eignen Kommentar von A.M. Padua (RYYRD), Wilna 1880. Den Midrafch zu 
Sen, Er hat erft S. Buber ediert: Lekach tob (Peſikta futarta), ein agadifher Commentar zum 
eriten und zweiten Buche Moſis von Rabbi Tobia ben Eliefer, Rilna 1880. 

b) Sefhel Tob. ©. Buber, a1 53% war Midrafch Sechel Tob zum erjten und zweiten 
Bud Moſe von Rabbi Menadhem ben Salomo verfaßt i. J. 1139 [nad 2 Handichriften der an 
Bodlejana] herausgegeben . . „, commentiert und mit einer ausführl. Einleitung, 1900. 1901 
(LX, 336 und 344 ©.). Der Verf. benugt den Selamdenu, nit den M. Thanchuma Bubers, 


794 Midraſch 


ſ. Ztſchr. f. hebr. Bibliogr. 1901, S. 98. Sein Werk, das kaum ein Midraſch zu nennen iſt, 
wird hier nur, damit es nicht vergeſſen zu ſein ſcheine, erwähnt. 

c) Bereſchith Rabba major. Moſe hasdarihan aus Narbonne, 1. Hälfte des 
11. Jahrh., oft von Raſchi und von deflen Enfel Jakob Tham angeführt, verfaßte Kom: 

b mentare zu biblifchen Büchern (T°*) und fompilierte Midraſchim: nad) Raynıundus Martin 
den M. Berefhith Nabba major, nad) Epftein aud den M. Thadſche nun. Ueber Iep- 
teren M. vgl. noch Zunz, GB 280. Die Glaubwürdigkeit der Citate des Raymundus im 
Pugio fidei ijt mehrjady beftritten worden, zulegt namentlih von S. M. Schiller-Szineſſy im 
Journal of Philology XVI (1887), 131—152. Für die Glaubwürdigkeit find eingetreten: 

10 gun, BB 287—293; Sellinel, Bet Ha:Midrafh VI, ©. XIV—XVI; E. 8. Bufey in der 

infeitung zu The fiftythird chapter of Isaiah according to the Jewish interpreters, Bd II, 
Orford 1877; Ad. Neubauer, The book of Tobit, Orfvrd 1878, S. VII-IX. XX—XXIV, 
und in The Academy 1887, Sept. 17 und 24; W. Epftein in: Mag. f. die Riff. des Judth. 
1888, 65—99 (wo aud) Genaueres über die von Zunz 2884 erwähnte Handſchrift der jüd. 

16 Gemeinde in Prag) und: Mofes had-Darſchan aus Narbonne, Fragmente jeiner litterarifchen 
a nad Drudwerfen und mehreren Handſchriften mit Einleitung und Anmerft., Wien 

d) Midrafh Samuel Samy wen2 oder "TS ns, baggadifhe Deutungen zu 
Verſen der Bücher Sam, durchweg aus älteren Schriften gefammelt, namentlich aus dem 

u paläft. Thalmud, Gent, LER, doch aud) DohR u. a. In Paläſtina gefammelt, daher 
werden von Amoräern nur paläftinifche genannt. Handſchrift: Parma, de Roſſi 563. 
Drude: Konitantinopel 1517, Stettin 1860, ©. Buber, Midraſch Samuel.. kritiſch bearbeitet, 
commentirt und mit einer Einleitung, Krakau 1893 (142 ©., |. NEWS 1895, 331— 336. 
368— 370). Vgl. noch Zunz, GV 269. 270; W. Bader, Réj. XXVI (1893), 304 —309 (Bader 

35 hält diefen M. für älter al3 den zu den Pjalmen). 

e) Midraſch Jona, poetiſche Ausmalung der Geichichte Jonas, bat namentlid 
aus den Pirge R. Elieſer viel entlehnt, |. Zunz, GV 270. 271. Drude: Prag 1595 
und Altona (ohne Jahr, um 1770), beidemal Hinter der Reife des R. Pethachja; in Bet ba: 
Midraſch I; drei Recenjionen in der Sammlung von Ch. M. Horomwiß). 

30 f) Midraſch zu den Pſalmen, 25— wer oder, nad den Anfangsworten 
ae , beftebt, wie ſchon Zunz, GV 266—268, richtig geſehen bat, aus zwei 
ganz verfchiedenen Teilen; der erfte umfaßt die Pſſ 1—118 (nur diefe in der Editio 
princepg) und vielleicht ein Stüf von Pf 119 (vgl. den Jalqut). Er ift nicht das ein— 
heitliche Werk Eines Nedaftors; die Hanbdfchriften bieten recht verjchievene Recenſionen 

35 dar. Von den alten haggadifchen Sammlungen über die Pfalmen (vgl. ſchon pal. Thalmud 
Killaim 32° Zeile 49) werden Nefte noch vorhanden geweſen fein, als ſpätere Haggadiſten 
Midraſchim zu biblifchen Büchern in größerer Zahl berftellten. „Man fammelte aus den 
verfchtedeniten Quellen, trug Homilien, Auslegungen über einzelne Pjalmverfe, die überall 
zerftreut fich vorfanden, nad der Neibenfolge der Pfalmen zufammen, und die Samm: 

40 lungen wurden im Laufe der Zeit ergänzt und ermeitert, bi allmählih ein ganzer Mi: 
draſch entitanden war, bei dem man nad dem Befund der Handſchriften von einer end- 
giltigen Redaktion faum Sprechen kann“ (Theodor). Daber läßt eine beitimmte Ab- 
fallungszeit wie für viele andere Midraſchim, fo auch für den zu den Pjalmen fich nicht 
wohl angeben. Zunz wies ganz allgemein auf die leßten Jahrhunderte der geonäiſchen 

5 Epoche. Als dag Heimatsland wird man mit S. Buber Paläjtina betrachten dürfen; 
Zunz dachte an Süditalien, wogegen Bubers Ausgabe zu Pf} 9, 8 zu vergleichen ift. — 
Der die Pſſ 119 ff. umfassende zweite Teil, zuerſt allein in Saloniki 1515 gedrudt, findet 
fih in feiner Handſchrift und iſt großenteils (PT 122. 124— 130. 132—137) wörtlich 
aus dem Jalqut entlehnt. — Gedrudt ift der Midraſch zu den Pſſ mehrmald zuſammen 

so mit den Midrafchen zu Sam u. Spr., jo Venedig 1546, Prag 1613, Amijterdam 1730; allein 
als 2x: Ars warn Lemberg 1851, Warſchau 1873; ©. Buber, Midraſch Tehillin [nad 
Kod. Parma, de Rojii 1332, mit Bergleihung nod) 7 andrer Handichriften] . . kritiſch bearbeitet, 
commentirt und mit einer ausführlichen Einleitung, Wilna 1891 (128 u. 542 ©.). Bal. nod) 
Catal. Bodl. 3788—3792;, Sellinet, Bet ha-Midraſch V, Einleit. XXIX—XXXI u. bebr. 

55 Tert ©. 70-86. 

g) Midraſch zum Bude der Sprüche, ws woT2, zuerſt von R. Chanan'el 
(um 960) angeführt. Der babyloniſche Thalmud (nicht der paläftintfche) iſt benutzt; 
daraus folgt aber noch nicht die von Buber behauptete Abfalfung in Babylonicen. 
Trude: Konjtantinopel (um 1512/17, nam ws 712 Do Stettin 1861; ©. Buber, Mi: 

60 draſch Miſchlé (nach Koder Paris 152.. kritiſch bearbeitet, commentirt und mit einer aus: 
führl. Einleitung, Wilna 1893 (112 ©.). 

Die Midrafbim zu den fünf Megillotb (HR, Ruth, Prd., Klagl., Eit) 
gitiert man meiſt nach den Berfen, zu welchen die anzufübrende Bemerkung gehört, zu: 


Midrafd) 795 


mweilen (wie meijt Die „Rabboth“ zum Pt) nach den Blattzahlen älterer Ausgaben. (M. 
Threni f. oben S. 790). 

h) Widrafh zum Hobenliede, [men D, nad dem gleih am Anfange 
angeführten Verfe Spr. 22, 29 mm wm mm aud Aggadath Chazitha genannt. Be: 
fonders benußt find pal. Thalmud, GenR, Vesigtha, LeR, außerdem auch ung nicht mehr 5 
erhaltene Widrajche, |. Theodor in MGOWJ 1879, 337 —344. 408—415. 159—-462 u. 
1880, 19—23, vgl. auch denfelben MEOWJ 1879, 271—275. Bgl. noch Zunz, GB 
263. 264 u. ©. Ealfeld, MoMX 1878, 120— 125. 

i) Midrafh Ruth, in 8 Abfchnitten. Hauptquellen: pal. Thalmud, Gent, Let, 
M. Ekhah; wird von Raſchi zu Dan 8, 15 und in den Thosaphoth zu Jebamoth 82b 0 
eitiert. Vgl. Zunz, GV 2655; P. D. Hartmann, Das Buch Ruth in der Midrafch-Litte- 
ratur, Frankfurt a. M. 1901 (100©.). 

k) Midraſch Dobeletb, in 3 Ordnungen ET (Anfänge 1, 1; 7,159, 7. 

unz, GV 265. 266; 2%. Grünbut, Kritifche Unterfuchung des Midraſch Kohelet Rabba. 
: Quellen und Redactionszeit, Frankfurt a. M. 1892 (57 ©.). 15 

) Midraſch Eftber, aud) Haggadath Megilla in 6 Abjchnitten, die 1,1.4.9. 19; 
2,1. 5 beginnen und als vom Verfafler gewollt durh Proömien gefennzeichnet find 
(4 diefer Abfäge Stimmen mit den gejchloffenen Abjägen mY=ınO des überlieferten Bibel: 
textes überein). Daß auch 3, 1 ein Abfchnitt beginnen follte, ift aus den vorangeitellten 
Proömien zu Schließen. Wie die Einteilung macht auch die Auslegung den Eindrud des 20 
Unvollendeten; legtere wird zu Kap. 7 ſpärlich und hört am Ende des Kap. 8 auf. Das 
aufgenommene Material iſt großenteils ſehr alt (das Buch Eſther wurde ja fchon früh 
in den Lehrbäufern ausgelegt, |. bab. Megilla 10® ff.); benutzte Quellen: paläft. Thalmupd, 
Gent, Leit, Pirge de NR. Eliefer. In Abjchnitt 6 findet fich eine lange Entlehnung 
aus Joſippon (Traum und Gebet Mordekhais, Gebet Eſthers und ihr Erfcheinen vor: 
dem Könige). Doc hat man weder daraus noch aus dem Nichteitiertiwerden des M. Either 
bei Raſchi, im "Arufb und im Jalqut ein Recht auf Späte Abfaſſung diefes Midraſch zu 
ſchließen. Er iſt paläftinifhen Urfprungse — Vgl. Zunz, GB 264. 

m) Andere Midrafhim zu den Megillothb. ©. Buber zur wen Midrasch 
suta. Hagadifche Abhandlungen über Schir ha-Schirim, Ruth, Echah und Koheleth nebſt Jalkut 30 
zum Buche Ehah . . nach Handſchriften herausgegeben, kritiſch bearbeitet und mit einer Ein- 
leitung, Berlin 1894 (172 ©.). 

Denſelben Midrafch zum Hohenliede hat S. Schecdhter ediert: mw TW nmaR, Aga- 
dath Shir Hashirim edited from a Parma manuscript, Cambridge 1896 (112 S.; vorher in 
JQR V. VT. 35 

Ein dritter Midraſch ift der von 2. Grünhut herausgegebene: Midraih Schir Ha-Schirim 
.. lnach einer Handichrift v. J. 1147] ediert, kritisch unterſucht, mit .. Einleitung, Serufalem 
1897 (38 u. 1046.); vgl. ®. Bader in Réj. XXXV (1897), 230—239. Diefer Midraſch ift 
von Autoren des 11. bis Anfang 14. Jahrh. benutzt. 

©. Buber “MoR MBr2 NNTNT ES, Sammlung agadiider Commentare zum Bude 40 
Either, enthält: Midrafh Abba Gorion; Midraſch Ponim Acherim; Midraſch Lekach Tob. 
Nach Handſchriften .. mit Erklärungen und einer Einleitung, Wilna 1886 (14 u. 112 ©.). 
Bol N. Brüll in: Sahrbücher für Jüd. Gefch. u. Litt. VIII (1887), 148—154. 

Der jhon von Raſchi citierte M. Abba Gorion zum Buche Efther ift auch in Bet ha-Mi— 
draſch I gedrudt. Vgl. noch Zunz 279. 45 
©. Buber, ANOR NEN, Agadiſche Abhandlungen zum Buche Eſther [nach 2 Handichriften 
aus Jemen) herausgegeben und mit Anmerkungen, Krakau 1897. Der Sammler benußte Al— 

faſi und Maimonides, fchrieb wohl nicht früher ala im 14. Jahrh. 

n) Leqach Tob (vgl. oben VIIIa) des Tobia ben Eliefer. Der Midrafh zu den Me: 
gilloth ijt handſchriftlich B. in Parma Cod. de Roſſi 261, in der Bodlejana (KRatal. Neu: so 
bauer) Nr. 240 und zu Ooheleth Nr. 163. Einige Auszüge veröffentlichte Ad. Jellinek in: 
Commentarien zu Efther, Ruth und den Klageliedern von R. Menachem ben Chelbo, R. Tubia 
ben Eliefer .., Leipzig 1855; J. Nacht, Tobia ben Elieſer's Commentar zu Threni (Lekach 
Tob [Nah Mſ. Münden] mit einer Einleitung u. Anmerft., Berlin 1895 (67). 


IX. Sammelwerfe a) Jalqut Shimtoni wer=W 2er, gewöhnlich ſchlechtweg 55 
Jalqut genannt, eine aus mehr als 50 zum Teil jegt verlorenen Schriften jchöpfende 
Kompilation, die dem Inhalt der gefamten bebr. Bibel folgt; ift in Paragraphen ein- 
geteilt, eine neue Zählung beginnt bei Jofua (vgl. MWJ 1895, 481 Anm. 5). Die 
Zeit der Abfaffung hat man in die erfte Hälfte des 13. Jahrhunderts zu fegen. Der 
Berfaffer hieß 71720; der Ehrentitel Darſchan iſt ihm wohl erſt nach feinem Tode bei= 80 
gelegt worden; nach den Titelblättern der Ausgaben wäre er aus Frankfurt [a. M.] ge 
weſen. Rapoport (Keren Ghemed VII, 4 ff), U. Levy, Die Eregeje bei den franz. Israe⸗ 


10°] 
or 


794 Midraſch 


ſ. Ztſchr. f. hebr. Bibliogr. 1901, S. 98. Sein Werk, das kaum ein Midraſch zu nennen it, 
wird hier nur, damit es nicht vergeſſen zu ſein ſcheine, erwähnt. 

c) Bereſchith Rabba major. Mofe hba:darichan aus Narbonne, 1. Hälfte des 
11. Jahrh., oft von Raſchi und von deflen Enkel Jakob Tham angeführt, aßte Kom: 

s mentare zu biblifchen Büchern (77°) und fompilierte ° rain: nah Raymundus Martın 
den M. Berefchith Rabba major, nad Epftein audy den M. Thadſche wor. Leber letz⸗ 
teren M. vgl. noch Zunz, GB 280. Die Glaubwürdigkeit der Gitate des Naymundus im 
Pugio fidei ijt mehrſach bejtritten worden, zulegt namentlid von ©. M. Sciller-Szinejiy im 
Journal of Philology XVI (1887), 131—152. Für die Glaubwürdigkeit find eingetreten: 

10 gun, GV 287—293; Sellinel, Bet ha-Midraſch VI, S. XIV—XVI; € 8. Puſey in der 

infeitung zu The fiftythird chapter of Isaiah according to the Jewish interpretere, Bo II, 
Drford 1877; Ad. Neubauer, The book of Tobit, Orford 1878, ©. VII-IX. XX—XXIV, 
und in The Academy 1887, Sept. 17 und 24; 9. Epftein in: Mag. f. die Wiſſ. des Judth. 
1888, 65—99 (mo auch Genaueres über die von Zunz 2884 erwähnte Handidrift der jüd. 

15 Gemeinde in Prag) und: Moſes had-Darſchan aus Narbonne, Fragmente jeiner litterarifchen 
N nad Drudwerten und mehreren Handſchriften mit Einleitung und Anmerft., Wien 

.ı) .). 
d) Midraſch Samuel >arıo oder "s mas, haggadiſche Deutungen zu 
Verfen der Bücher Sam, durchweg aus älteren Schriften gejammelt, namentlid) aus dem 
au paläft. Thalmud, Gent, Veh, doch auch DobR u. a. In Paläftina gefammelt, daher 
werden von Amoräern nur paläftinifche genannt. Handſchrift: Parma, de Roſſi 563. 
Drude: Konftantinopel 1517, Stettin 1860, S. Buber, Midrafd) Samuel.. kritiſch bearbeitet, 
commentirt und mit einer Einleitung, Krakau 1893 (142 ©., |. MOWJòg 1895, 331—336. 
368— 370). Vgl. noch Zunz, GV 269. 270; W. Bader, Béj. XX VI (1893), 304 —309 (Bader 

2: hält diefen M. für älter ale den zu den Pialmen). 

e) Midrafch Jona, poetiiche Ausmalung der Gefchichte Jonas, hat namentlich 
aus den Pirqe R. Eliefer viel entlehnt, f. Zunz GB 270. 271. Drucke: Prag 1595 
und Altona (ohne Jahr, um 1770), beidemal Hinter der Reife des R. Pethachja; in Bet ba- 
Midraſch I; drei Recenfionen in der Sammlung von Ch. M. Horomiß). 

30 f) Midrafh zu den Pfalmen, ern weTa oder, nad den Anfangsworten 
au “na 2, befteht, mie ſchon Zunz, GB 266--268, richtig geſehen hat, aus zwei 
ganz verfchiedenen Teilen; der erjte umfaßt die Pſſ 1-—118 (nur diefe in der Editio 

princeps) und vielleicht ein Stück von Pf 119 (vgl. den Jalqut). Er ift nicht das ein- 

beitliche Werk Eines Redaktors; die Handſchriften bieten recht verjchiedene Recenſionen 

36 dar. Von den alten haggadiſchen Sammlungen über die Pfalmen (vgl. ſchon pal. Thalmud 
Killanm 32» Zeile 49) werden Nefte noch vorhanden geweſen fein, als jpätere Haggadiſten 
Midrafhim zu biblifchen Büchern in größerer Zahl berftellten. „Man fammelte aus den 
a Rh Duellen, trug Homilien, Auslegungen über einzelne Pfalnverfe, die überall 
zerftreut fich vorfanden, nach der Reihenfolge der Pfalmen zufammen, und die Samm: 

40 lungen wurden im Yaufe der Zeit ergänzt und eriveitert, bi8 allmählich ein ganzer Mi: 
drafch entftanden mar, bei dem man nad dem Befund der Handichriften von einer end- 
giltigen Nedaftion kaum fprechen kann“ (Theodor). Daher läßt eine beitinnmte Ab— 
fafjungszeit wie für viele andere Midrafchim, fo auch für den zu den Palmen fich nicht 
wohl angeben. Zunz wies ganz allgemein auf die legten Jahrhunderte der geonäifchen 

45 Epoche. Als dag Heimatsland wird man mit S. Buber Paläſtina betrachten dürfen; 
Zunz dachte an Süditalien, wogegen Bubers Ausgabe zu PI 9, 8 zu vergleichen ift. — 

Der die Pi 119 ff. umfassende zweite Teil, zuerſt allein in Saloniki 1515 gedrudt, findet 
ih im feiner Handſchrift und it großenteils (Pſſ 122. 124--130. 132— 137) wörtlich 
aus dem Jalqut entlehnt. — Gedrudt ift der Midrafh zu den Pſſ mehrmald zufammen 

so mit den Midrafchen zu Sam u. Spr., jo Venedig 1546, Prag 1613, Amjterdam 1730; allein 
als ax ro wera Lemberg 1851, Warfchau 1873; S. Buber, Midrafh Tehillin [nad 
Kod. Parma, de Roſſi 1332, mit Vergleichung noch 7 andrer Handichriften] . . fritifch bearbeitet, 
commentirt und mit einer ausführliden Einleitung, Wilna 1891 (128 u. 542 ©.). Vgl. nod) 
Cntal. Bodl. 3788—3792; Sellinet, Bet ha-Midraſch V, Einleit. XXIX—XXXI u. bebr. 

65 Tert ©. 70-86. 

g) Midrafh zum Buche der Sprüde, Wr wTz, zuerft von R. Chanan'el 
(um 960) angeführt. Der babvlonifche Thalmud (nicht der paläftinische) iſt benutzt; 
daraus folgt aber noch nicht Die von Buber behauptete Abfaffung in Babylonien. 
Drude: Konjtantinopel (um 1512/17), man Sen wen d Stettin 1861; ©. Buber, Mi: 

60 drafh Miſchlé (nad Koder Paris 152.. kritiſch bearbeitet, commentirt und mit einer aus: 
fügrl. Einleitung, Wilna 1893 (112 ©.). 

Die Midrafhbim zu den fünf Megillotb (HL, Ruth, Prd., Klagl., Eſt) 
gitiert man meiſt nach den Verſen, zu welchen die anzuführende Bemerkung gehört, zu: 


Midraſch 795 


weilen (wie meiſt Die „Rabboth“ zum Pt) nach den Blattzahlen älterer Ausgaben. (M. 
Threni ſ. oben S. 790). 

h) Midraſch zum Hohenliede, mem H, nad dem gleich am Anfange 
angeführten Verſe Spr. 22, 29 me vx mm aud Aggadath Chazitha genannt. Be: 
fonders benugt find pal. Thalmud, Gent, Pesiqtha, LeR, außerdem auch ung nicht mehr 
erhaltene Midrafche, |. Theodor in WOW 1879, 337—344. 408—415. 455—462 u. 
1880, 19—23, vgl. auch denfelben MEGWJ 1879, 271—275. Vgl. noh Zunz, GV 
263. 264 u. ©. Salfeld, MgWJ 1878, 120—125. 

i) Midraſch Ruth, in 8 Abfchnitten. Hauptquellen: pal. Thalmud, GenR, Let, 
M. Ekhah; wird von Raſchi zu Dan 8, 15 und in den Thosaphoth zu Jebamoth 82 ı0 
citiert. Vgl. Zunz, GB 265; PB. D. Hartmann, Das Buch Ruth in der Midrafch-Litte: 
ratur, Frankfurt a M. 1901 (100©.). 

k) Midrafh Doheletb, in 3 Ordnungen ET (Anfänge 1, 1; 7,159, 7). 
Zunz, GV 265. 266; 2. Grünhut, Kritische Unterfuhung des Midraſch Kohelet Rabba. 
I: Quellen und Nedactiongzeit, Frankfurt a. M. 1892 (57 ©.). 1 

) Midraſch Efther, auch Haggadath Megilla in 6 Abjchnitten, die 1,1.4.9. 13; 
2,1. 5 beginnen und als vom Verfafler gewollt durch Proömien gekennzeichnet find 
(4 diefer Abſätze ftimmen mit den gejchlofjenen Abſätzen mYnno des überlieferten Bibel: 
tertes überein). Daß aud 3, 1 ein Abfchnitt beginnen follte, ift aus den vorangeftellten 
Proömien zu fchliegen. Wie die Einteilung macht auch die Auslegung den Eindrud des 20 
Unvollendeten; legtere wird zu Kap. 7 jpärli und hört am Ende des Kap. 8 auf. Das 
aufgenommene Material ift großenteils fehr alt (das Buch Eſther wurde ja fehon früh 
in den Lehrhäufern ausgelegt, ſ. bab. Megilla 10® ff.); benußte Quellen: paläft. Thalmud, 
GenR, LER, Virge de R. Eliefer. In Abſchnitt 6 findet fich eine lange Entlehnung 
aus Sofippon (Traum und Gebet Morbefhais, Gebet Ejthers und ihr Erfcheinen vor 3 
dem Könige). Doc hat man meder daraus noch aus dem Nichteitiertiverden des M. Ejther 
bei Rafcht, im “Arufh und im Salqut ein Recht auf fpäte Abfaffung diefes Midrafch zu 
ſchließen. Er ift paläftiniihen Urſprungs. — Bel. Zun, GB 264 f. 

m) Andere Midrafhim zu den Megiliotk, ©. Buber zur Midrasch 
suta. Hagadifche Abhandlungen über Scir ha-Schirim, Ruth, Echah und Koheleth nebſt Jalkut 50 
zum Bude Ehah . . nad) Handſchriften herausgegeben, kritiſch bearbeitet und mit einer Ein- 
leitung, Berlin 1894 (172 ©.). 

Denſelben Midrafd) zum Hohenliede hat S. Schedhter ediert: N, Aga- 
dath Shir Hashirim edited from a Parma manuscript, Cambridge 1896 (112 S.; vorher in 
JQR V. VI). 35 

Ein dritter Midraſch ift der von 2. Grünhut herausgegebene: Midrafh Schir Ha-Schirim 
.. nach einer Handichrift v. J. 1147] ediert, Fritiich unterfucht, mit . . Einleitung, Serujalem 
1897 (38 u. 1046.); vgl. ®. Bader in Réj. XXXV (1897), 230—239. Diefer Midraſch ift 
von Autoren des 11. bis Anfang 14. Jahrh. benusgt. 

©. Buber AnoR n5r2 8naNT es, Sammlung agadiiher Commentare zum Buche 40 
Either, enthält: Midraſch Abba Gorion; Midrafh) Ponim Acherim; Midrafh Lekach Tob. 
Nach Handſchriften . . mit Erklärungen und einer Einleitung, W®ilna 1886 (14 u. 112 ©.). 
Vgl. N. Brüll in: Jahrbücher für Jüd. Geſch. u. Litt. VIII (1887), 148—154. 

Der jhon von Raſchi citierte M. Abba Gorion zum Buche Efther ift auch in Bet ha⸗Mi—⸗ 
draſch I gedrudt. Vgl. noch Zunz 279. 45 

. Buber, ANOR NIS, Agadiihe Abhandlungen zum Buche Either [nach 2 Handichriften 
aus Jemen) herausgegeben und mit Anmerkungen, Kratau 1897. Der Sammiler benußte N: 
faſi und Maimonides, ſchrieb wohl nicht früher al® im 14. Jahrh. 

n) Leqach Tob (vgl. oben VIIIa) des Tobia ben Eliefer. Der Midraſch zu den Me: 
gilloth iſt handſchriftlich B. in Parma Eod. de Roffi 261, in der Bodlejana (Katal. Neu: 50 
bauer) Nr. 240 und zu Ooheleth Nr. 163. Einige Auszüge veröffentlihte Ad. Jellinek in: 
Conmentarien zu Efther, Ruth und den Klageliedern von R. Menachem ben Chelbo, R. Tobia 
ben Eliefer .., Zeipzig 1855; J. Nacht, Tobia ben Eliefer’3 Commentar zu Threni (Lekach 
Tob (Nah Mi. Münden) mit einer Einleitung u. Anmerft., Berlin 1895 (67). 

IX. Sammelwerfe. a) Jalqut Schimoni mersw ver, gewöhnlich ſchlechtweg 55 
Jalqut genannt, eine aus mehr als 50 zum Teil jegt verlorenen Schriften ſchöpfende 
Nomptlation, die dem Inhalt der gefamten bebr. Bibel folgt; ift in Paragraphen ein: 
geteilt, eine neue Zählung beginnt bei Joſua (vgl. MWJ 1895, 481 Anm. 5). Die 
Zeit der Abfaſſung hat man in die erfte Hälfte des 13. Jahrhunderts zu ſetzen. Der 
Verfaffer hieß 7728; der Ehrentitel Darſchan ift ihm wohl erft nach feinem Tode bei= 80 
gelegt werden; nach den Titelblättern der Ausgaben wäre er aus Frankfurt la. M.] ge 
weſen. Rapoport (Kerem Chemed VII, A ff.), A. Levy, Die Eregeje bei den franz. Israe⸗ 


[e1} 


796 Midraſch 


liten, Leipzig 1873, S. XXII), D. Caſſel, Lehrbuch der jüd. Geſch. u. Lit., Leipz. 1879, 
S. 357, u. andere laſſen dieſen Simeon Darſchan einen Bruder des Menachem ben Cbelbo 
fein, alſo den Vater des Joſeph Dara; dann müßte er ſchon in der zweiten Hälfte des 
11. Iabrh. gelebt haben. Mit Necht ift diefe Identifizierung beftritten von Abr. Geiger, 

5 Dis: in, Breslau 1847, ©. 10, u. Süd. Ztſchr. XI, 115; R. Kirchheim, Litbl. des 
Orients V, 253, u. bef. von A. Epftein, ww umdm Rp sera “, Krakau 1891. 
Der Wert des %. liegt nicht nur darin, daß er ein bequemes Nachfchlagebuch tft, fondern 
auch und vornehmlich darin, daß er viele Stüde verlorener Midrafchim erhalten bat und 
die Tertkritit noch vorhandener Werte durd gute Lesarten fördert. Diefer 3. iſt iwenig- 

10 fteng ein Jahrhundert älter als der gleich zu nennende J. ha-Makhiri: er kennt den Midr. 
NuR nody nicht, der von Makhir jchon Kart be wird; |. A. Epftein, Rej. XXVI 
(1893), 75—82, gegen M. Gafter, welcher daſ. XXV, 44 Hr. das höhere Alter Makbirs 
behauptet hatte. 2 noch Zunz, GB 295—305. || Ausgaben: Salonifi 1526/27 (Teil I) 
u. 1521 (Zeil II), Venedig 1566 (mit vielen Aenderungen, vgl. MGWJ 1895, 484 Anm.), 

15 Krakau 1595/96, Frankf. a.M. 1687, Warſchau 1876. 

b) Jalqut ha-Makhiri. Makhir ben Abba Mari hat wahrjcheinlih in Südfrank—⸗ 
reich gelebt; ficher vor dem Ende des 14. Jahrh., denn eine der vorhandenen Handichriften 
(in Leiden) gehört dem Anfange des 15. Jahrh. an. Sein aus älteren Schriften zu: 
Sammengeftelltes Werk umfaßte die eigentlich prophetiichen Schriften und die drei eriten 

20 Hagiographen. Der Wert diefes Midrafch Tiegt wejentlich in den Ercerpten aus Jelam⸗ 
denu (Thanchuma) und den Varianten, die er zu dem anderweit befannten Texte feiner 
Quellen bietet. 

Veröffentlicht find folgende Stüde: J. Spira, an upb, The Yalkut on Isaiah 
of Machir ben Abba Mari [nad) Cod. Xeiden, in dem 20, 4—40, 20 und 63, 2 bis Ende 

5 fehlen], Berlin 1894 (30 u. 278 ©); ©. Buber, = wıpb, Sammlung haladifher und 
haggadiſcher Stellen aus Talmud und Midrafhim zu den 150 Palmen von R. Madjir ben 
Abba Mari, Berdyczem 1899 (354 u. 294 ©.); 2. Grünhut, Su dr a Horn od, Samm: 
fung midrafhifcher Auslegungen der Sprüde Salomo? .. mit Anmerkungen, Öuellennachiveis 
und Einleitung, Frankfurt a. M. 1902 (20©. u. 104 B1.), vgl. die Beiprehung von W. Bader 

zo in GgA 1902, Nr. 10. Der am Anfang und Ende unvollftändige Koder Surfen 5704 ent: 
hält den Midraſch zu den Heinen Propheten, M. Gaſter will ihn herausgeben; M. zu Obadja 
ſ. Rei. XXV, ©. 637. 

c) Midraſch ha-gadol, zum Pt, in Jemen zufammengeftellt, und zwar nad) Mai: 
monides, deſſen Jad ha-chazaqah jehr oft citiert wird; wertvoll befonders wegen der Er: 

35 cerpte aus verloren gegangenen tbannaitifhen Midrafchim, vgl. oben V. Handichriften in 
Berlin (Ms. Or. fol. 1204--1208), Orford (Bodl. 2338), Cambridge (3404—-3407), 
St. Francisco. 

S. Schediter, Midrash ha-gadol forming a collection of ancient Rabbinic homilies to 
the Pentateuch . . Genesis, Cambridge 1902 (825 ©.). 

10 Nur ihres Titels wegen ſeien hier erwähnt: d) Jalqut Rubenti TAI br am upb- 
(auch J. Rubeni gadol genannt, zum Unterfchiede von den in Prag 1660 u. f. gedrudten 
J. Rub. desjelben Verfaſſers, einem Inder zu fabbalijtiihen Büchern), von Ruben ben Höſchke 
(Hoſchke, DER) Kohen aus Prag, geit. 1673. Diefer J., gedrudt in Wilmersdorf 1681, 
bejier in Amfterdam, eine Sammlung kabbaliftifher Auslegungen zum Pt, ift für die Willen: 

5 ſchaft wertlos. || Cat. Bodl. 6824. — || e) Der neue Jalqut, vn ums, gleichfalls kabba⸗ 
liſtiſch, anonym erſchienen (iſt von R. Israel), zuerſt Lublin 1648. || Cat. Bodl. 3554—3557. 


X. Erzählungshaggada. Hinſichtlich der in Betracht gezogenen Zeit find als 
unfaffende zu bezeichnen: 
a) Seder "Olam Nabba, dem Jose ben Chalaphtba (um 160 n. Chr.) zugejchrieben, 
so ſehr alt, doch einige Spätere Einfchaltungen. Zunz, GB 85. B. Ratner, bb Som man 
„9, ®ilna 1894 (162 ©.); Seder Olam Rabba. Die große Weltchronif. Nach Handichriften 
und Druckwerken mit kritiihen Noten und Erklärungen, Wilna (Frankf. a. M.) 1897 (151 ©.). 
Eine neue fritiihe Ausgabe bereitet AU. Marx vor. 
b) Seder Olam Zuta, au Dbw 70. Zunz, GB 135—139. ©. Schechter hat den 
55 Tert in MGWJ 1895, S. 23—28 nad) Kod. Parnıa de Roſſi 541 abgedrudt. || Leber beide 
Werte vgl. 3. Meyer, Chronicon Hebraeorum majus et minus [Tert, Ueberjegung, Anmerft. 
u. 3 Diſſertat., Amiterdam 1699; Wolf, B. HA. I, 492—499; IV, 1029 f.; Cat. Bodl. 3873. 
c) Megillath Thafanitb Mr n223 zäblt die Tage des jüdifchen Jahres auf, an 
denen wegen eines freudigen Ereigniſſes nicht gefaftet werden darf; zum Teil aus dem 
so 2. Jahrh. n. Chr. berrübrend. Oft gedrudt, 3.8. Amjterdam 1659, Warſchau 1839. || Zunz, 
BB 127. 128; Cat. Bodl. 3723—3726; ©. Dalman, Grammatik des jüdifch-paläft. Aramäifch, 
Leipzig 1894, ©. 7. 8; Joſ. Schmilg, Ueber Entftehung und Siftoriihen Werth des Sieger: 


Midraſch 797 


kalenders Megillath Taanith, Leipzig 1874. Dazu vgl. M. Brann, Entſtehung und Werth 
der Megillat Taanit, in MOWS 1876, 375—384. 410—418. 445—460. 

d) Pirge R. Eliefer, Ar an muB, aud 8 Xr“s, nah S. Friedmann 
zivifchen 809 und 811 in PBaläftina verfaßt; beginnt mit dem Lobe des Eliejer ben Hyr⸗ 
kanos und behandelt dann den Anhalt des Pt haggadiſch, bridyt aber bei der Beltrafung 5 
Mirjams plötzlich ab, ift allo unvollendet geblieben. Drude: Konftantinopel 1514 u. vft; 
Guil. Henr. Vorstius, Capitula R. Elieser [2atein. Ueberjegung u. Anmerkk., ohne hebr. Text], 
Leiden 1644; mit Kommentar von David Luria, Warſchau 1852, Fol. || Zunz, GB 271— 278; 
Cat. Bodl. 4008—4018; ©. Friedmann, Züd. Litbl. 1879, ©. 30 f. 34 f. 

e) Joſippon eine mit vielen Fabeleien durchwirkte Gejchichte der Juden vom Falle 10 
Babeld bis zur Zerftörung des Tempels in Jeruſalem; vgl. Vogeljtein u. Rieger, Ge- 
Ichichte der Juden in Rom I (Berlin 1896), S. 185—200; in der zweiten Hälfte des 
9. Jahrhundert? in Italien gejchrieben. Oft gebrudt. I. F. Breithaupt, Iyaaı 72 jBr0n .. 
sive Josephus Hebraicus . . Latine versus ... atque notis illustratus, —* 1707. Zunz, 
GV 146—154; Cod. Bodl. 6033. 15 

f) Sepher ha⸗jaſchar, von Adam bis auf den Anfang der Richterzeit reichend; viel: 
leiht im 12. Jahrh. verfaßt, Venedig 1625 u. mehrfach. || Zunz 154—156; Cat. Bodl. 
3581—3086. 

Auf einzelne Zeiten beziehen ſich g) Midraſch Vajjisfu, won =, Krieg von Jakobs 
Söhnen gegen die Kanaaniter und Eſau. Gebrudt in Bet ha-Midraſch III. Zunz 145. 20 

h) Pesah-Haggada, TOP n7:7. Zunz 126, Cat. Bodl. 2671 ff. 

ji) Midrafch vom Ableben Aharong, Ar nice ‘2, und k) M. vom Ableben Mofig, 
mo neun m. gung 146; Cat. Bodl. 3996— 4000; Bet ha:M. I und (andere Necen- 
fionen vom Ableben Mofis) VI. 

I) Buch des Daniten Eldad, ır Ton ana, Ende des 9. Jahrhunderts, enthält 
Märchen über die Israeliten jenfeits des Fluſſes Sambation, aber auch Trümmer älterer 
Sagen. Drei verjchiedene Recenfionen teilte Jellinet mit in Bet ha-M. II. III. V. Ge: 
nauere? gab D. H. Müller, Necenfionen und Berjionen des Eldad Had-Daͤni nad) den alten 
Druden von Konjtantinopel, Mantua und Venedig und den Handidhriften von London, Or: 
jord, Barma, Rom, St. Petersburg und Wien veröffentlicht und kritiſch unterfudht, Wien 1892 30 
(Dentichriften der Akad. der Will. in Wien, Bd 41) 80 ©. Fol. Bal. ferner: A. Epftein, 
Eldad ha-Dani, feine Berichte über die 10 Stämme und deren Ritus, mit Einleitung und 
Anmerlungen, Preßburg (Wien) 1891 (LI, 192 ©.). Zunz, GV 139; Cat. Bodl. 4934. 

m) Serubbabel:Bud. Zunz 140; Cat. Bodl. 1400. 1401. 

n) Megillath Antiohus oder das Hasmonäerbuch, wohl im 8. oder 9. Jahrhundert 35 
gei@rieben in einer dem biblifchen Aramäifch nachgebildeten Sprache. Den aramäifchen 

ext veröffentlichte zuerjt H. Filipowsti am Ende von ENMET "an 20 To x (auch unter 
dem Titel: The choice of Is [des Ibn Gebirol) .. To which is added the book of An: 
tiochus . . in Aramaic, Hebrew, and English), London 1851; fpäter W. Sellinet in Bet 
ha-Midraſch VI (1877) und M. Gafter in: Transactions of the Oriental Con London 40 
1891, vol. II (vgl. Ad. Neubauer in JQR 1894, 570—576). Oft in hebr. Ueberfegung ge: 
ma h, Oat., Bodl. 1382—1388. || Zunz, GV 134; Dalman, Gramm. des jüd.-paläft. Ara- 
mäiſch, ©. 6. 7. 

0) Midrafch TOTER TER befchreibt die Sinrichtung von 10 berühmten Mifchnalehrern. 

un; 142a; Cat. Bodl. 3730-3732, || Bet ha-Midraſch IL und (zwei andere Recenjionen) VI; 45 

. Möbius, Midrafch der zehn Märtyrer überfegt Leipzig 1854 (32 ©.). 

Nein legendarifh find: p) Midraſch VBajjofha‘, 377 2, Sage von Armilus. Zunz 282; 
Cat. Bodl. 3734—3739; Bet ha:M. I. 

q) nme naw> 'n Midrafd der Zehn Gebote. Zunz 1424; Cat. Bodl. 3751. 4986, °; 
Bet ha-M. I. 50 

r) nYwyn "nam. Bun; 1306; Cat. Bodl. 3869 ff. — Ueber die zahlreichen Hebrätjchen 
und jüdifchdeutfhen mWwsr3-Bücdjer |. Cat. Bodl. 3869 — 3942. 


XI. Ethiſche Midrafhim. a) PIE 77, Kar yar 777 und BET DE, vom 
Lebenswandel. Bun; 110f.; Cat. Bodl. 1636; 3. Harburger, wur yar 7 n>0n. Eine 
Sammlung der reinften und ternhafteften Sitten: und Anftandslehren der ältelten Rabbinen 65 

. mit Ueberjegung und Anmerkungen, Bayreuth 1839 (56 ©.) M. Wortberg Der talmu⸗ 
diiche Zraftat Dered) Erez Rabba, neu ediert, mit Anmerkungen, 1. Heft, Breslau 1888. 
Ahr. Tawrogi, Der talmudifhe Tractat Derech Erez Sutta nad) Handſchriften und feltenen 
Ausgaben . . bearbeitet, überjegt und erläutert, Königsberg i. Pr. 1885 (52 ©). ©. Krauß, 
Le trait6 talmudique „Der&ch Er6c“ in R&j xxxvi (1898), ©. 27-46. 205-221; 0 
XXXVII ©. 45—64. 


b) Thanna de:b& Elijahu or a7 mon. Der Zived des Buches ift: den richtigen 
Lebenswandel (PAR 777) und das Gejegesftubium zu verberrlichen. Als Nedender tritt 


t> 
o 


798 Midraſch 


der Prophet Elia auf. Zunz, GV112-117; Cat. Bodi. 4111. 4112. M. Friedmann, Seder 

Eliahu vabba und Seder Eliahn zuta (Tanna d’be Eliahu) [nad) Cod. Batic. v. 3. 1073} 

ediert, tritifch bearbeitet und conmentiert, Wien (Warſchau) 1902. 1900 (10 u. 150 ©. Ein: 

leitung; X u. 200 ©. Text). Tazu vgl. die Beiprehungen durh J. Theodor in MER 
6 1900, &. 380384. 550—561 (Text) u. 1903, ©. 70—79 (Einleitung). 

ce) Alphabet bes Ben Sira. Zunz 105; Cat. Bodl. 1363 ff, 

d) Midraſch Themura maTEn WIE. Dies ethiih-haggadiihe Schriften will „darthun, 
daß Abwechjelungen und Kontrafte in der Welt nötig feien”. Zn Kap. 2 treten R. Ismael 
und R. Akiba lehrend auf; das legte (dritte) Kap. legt den 136. Pfalm mit Beziehung auf 

10 Pred 3, 1—8 aus. Zunz 118; Cat. Bodl. 3793; Bet ha-Midraſch 1. 

XII. Geheimlehre. a) Das Buch Jezira mar ED, aus der geonätjchen Zeit, 
Ion im 10. Sahrh. von Saf adja Gaon, Schabbathat Donnolo und Jakob ben Niſſim 
onmentiert. Von Ausgaben feien erwähnt: J. ©. Rittangel, Amfterdam 1642, mit latein. 
Ueberjegung; 3. %. v. Meyer, Leipzig 1830 mit deutfcher Weberjegung; Iſidor Kaliſch, New 

156 Hort 1877 mit engl. Meberjegung,; Warſchau 1884 mit vielen Kommentaren; Laz. Golb- 
ihmidt, Das Bud) der Schöpfung, Tert nebjt Ueberfegung . . Erklärungen und einer aus: 
führl. Einleitung, Frankfurt a. M. 1894, vgl. RE. XXIX (1894), ©. 310-316. || Zunz, GB 
165. 166; Cat. l. 3562-3574. David Gaftelli, Dan may ab war "es, Il com- 
mento di Sabbatai Donnolo sul libro della creazione . . testo ebraico con note critiche e 

20 introduzione, ylorenz 1880. A. Epitein, Recherches sur le Sefer Yegira, in: Rei. XXVII 
(1894), ©. 95—108; XXIX, 61— 78. 

b) Alphabet (oder Othijjoth mm) des R. Aliba. Zunz 168; Cat. Bodi. 3395 —3401; 
Bet ha-Midraſch III, vgl. aud Band V. 

c) Die großen und die Fleinen Hekhaloth, naar mIoamı nam mas, zuerſt von Hei 

2 Gaon citiert. Zunz 166. 167; Cat. Bodl. 3457—3459. 

d) Midraſch Konen 3775 3. „Schilderungen von Himmel und Erde, Hölle und Paradies“. 
Zunz 169; Cat. Bodl. 3743— 3745; Bet ha-M. LI. 

e) Bud) Nafiel, Sur =oS, Zunz 167; Cat. Bodl. 4042, 

- XII Midrafhfammlungen. Ad. Sellinet, WITT 2, aud mit deutſchem 

so Titel: Bet ha-Midrafh. Sammlung Heiner Midraſchim und vermilchter Abhandlungen 
aus der ältern jüdischen Literatur. Nach Handichriften und Druckwerken gefammelt und 
nebft [deutichen] Einleitungen herausgegeben. 8°, Bd 1—4, Leipzig 1853 — 1857; Bd 5,6 
Wien 1873. 1877. || Chajjim M. Horomig, Drsp arwmTrz Ya Mas Nas, Sammlung 
Heiner Midraſchim. Der allein erfchienene erfte Teil (Berlin, auch Frankfurt a. M.1881) ent: 

35 hält: Pereq Rabbi Eliefer ben Hyrkanos, drei Recenfionen des Midrafh Jona, Agadatb 
Darne Remim, Erzählung von Abraham, Abhandlung von zehn Königen, Midraſch Me: 
gillath Either, Agada aus dem Buche hasmafafim. | Derjelbe, ns >> 72, Biblio- 
theca haggadica, 2 Hefte, Frankfurt a. M. 1881. | Derfelbe, Uralte Tofeftas, I (Mainz 
1889). IV u. V (Frankf. a. M. 1890). || S. A. Wertheimer, mar: na, Kleinere Mi: 

40 drafchim, Serufalem, 4 Hefte (bis 1897). || X. Grünhut, rap "es, Sefer ba-Lilkutim. 
Sammlung älterer Midrafchim und wilfenichaftlicher Abhandlungen, Serufalem 1898— 1901, 
5 Hefte (Heft 4. 5 ſ. oben VId, ©. 791). 

XIV. Ueberfegungen. a) Blafius Ugolinus bat in feinem Thesaurus antiqui- 
tatum sacrarum (Venedig, Fol.) folgende Midrafche im Grundtert mit eigener gegen: 

5 überftehender latein. Überjegung abgedrudt: Mekhiltha und Siphra Bd XIV (1752); 
Siphre Bd XV (1753), Spalte 1--996; Leqach Tob zu Le, Nu, Dt ale Pesictha 
Bd XV, Ep. 997—1226, und XVI (1754). — || b) Aug. Wünfche veröffentlichte unter 
dem Geſamttitel „Bibliotheca rabbinica. Eine Sammlung alter Midrafhim zum erſten 
Male ins Deutjche übertragen” mit Einleittungen und furzen Anmerkungen, Leipzig: Gent 

co 1881; ExR 1882, WR 1884, NuR 1885, DIR 1882, HU 1880, Ruth 1883, Klagl. 
1881, Dob 1880, Eſth 1881, Midrafh Mifchle 1885, Pesiqgtha de Rab Kahana 1885. 
Ferner überfegte A. Wünſche: Midraſch Tebillim, Trier 1892. 1893. 

XV. Über die Hilfsmittel zum VBerftändnis der Sprache, die Hermeneutif des 

Midrafch, die Verwendung diefes Yitteraturgebiets für die Theologie u. ſ. w. vgl. meine 
65 „Einleitung in den Thalmud“, 3. Aufl., Xeipzig 1900. — Außerdem weiſe ich mit be 
fonderer Empfehlung auf die große Arbeit von W. Bacher: Die Agada der Tannaiten, 
2 Bde, Straßburg ı. E. 1884. 1890, Die Agada der babylonifchen Amoräer 1878, Die 
Agada der paläftinenfiichen Amoräer 1892. 1896. 1899, Bibetftelentegiliet 1902. — 


Derz3eidhnis 


der im Dreizehnten Bande enthaltenen Artikel. 


Artikel: Verfaſſer: 
Methodismus in Amerika 
J. L. Nuelfen . 
Methodius Bonwetſch 
Methodius, Erzbiſchof von Sirmium . 
Bd IV ©. 384, ıs 
Methufala, | d. nl. Seth u. d. Sethiten. 
Metrophanes Reitopu ne 
Gaß F.) Pb. Meyer 
Metropolitf.d. A. 2 Bd V 5.488. 
Mette Drewd . 
Meg, Bistum Hau 
Meuniter, ſ. d. A. Maon Bo xıus 


‚243. 
- Meurer Th. Fider 
Mexiko Wilh. Götz . . 
Meyer, H. U. D. Fr. Düfterdied 
Meyer, J. 8 Senior Dr. Steiß T 
Meyfarı pente rt. 
Micha 


Vol 
Michael Cärularios |. ) 2 Cärulariog 
Bd III ©. 620. 
Michael von Cejena j. d.9. Franz von 
Aſſiſſi, Bd IV S. 212, 7 ff. 
Michael, Engel ſ. d. a BpVE. 366, 30 ff. 
Michael Scotnd Carl Mirbt 
Michelis N. Kittel . . 
Michaelsbruderſchaft f. d. U. Bruder» 
ſchaften Bd III ©. 441, 10 ff. 
Midelianer j. d. A. Hahn, Mid. 8b VII 
©. 343, so, 
©. 


Micronius 

Midian Suthe . 
Midraſch |. am Schluß des Bandes. 
Mieczyslaw D. Dr. Erdmann . 
Migetius (MöllerF) Haud . 
Militärſeelſorge ſ. —8 

Plitſch von Kremſier 3. Roierth . 


D. van Been . 


Caſpar Rene Gregory 


Millennium ſ. d. N. Chiliasmus Bd III 
S. 800. 


Milner C. Schoell 7 . 

Miltiades Adolf Harnack . . 

Miltiades Bapit ſ. d. N. Melchiades 
Bd XI ©. 548. 

Milton 


Rt. Eibach 
Minäer |. d. A. Arabien Sol ©. 766, ff. 
Minden 
Minimen ſ. d. N. Yan von Baula 
Bd VI ©. 223, 


53 


56 
57 
60 
67 
68 
73 


Artikel: Verfaſſer: 
Minoriten ſ. d. N. Franz von Aſſiſi 
Bd VI S. 197. 
Minucius Felix H. Boenig . 
Miramionen f. d. N. Benovefanerinnen 
Bd VI ©. 517, ». 


Miserere H. A. Köftlin.. . 
Miffale ſ. d. U. Mefe Bd XII 
©. 723, 22 
Mißheirat Baferiäleben D 
Sehling . - 


Miſſion, innere Rahlendec 
Miſſion, katholiſche CSteiß F. . . 
Milfion unter den Heiden, latholiſche 
. Örundemann . 
Miffion unter den Heiden, proreſtantiſche 
Warned . 
Mifjion unter den Juden 
Heman . 
Miffionspriefter ſ. d. 4. Bincentins de 
Paulo. 
Mitra f. d. N. Kleider und Inſignien 
Bd X ©. 331, ae. 
Mittagsland ſ. d. U. Negeb. 
Mittler |. d. U. Verföhnung. 


Moab Fr Buhl . . 
Modaliften ſ. d. U. Monardjianismus, 
Modeftug . Krüger . . 
Möhler (Wagenmann ) Hand 


Möller, Zoh. Friedr. W. Möller F 
Möller, Wilhelm G. Kamwerau 


Möndtum Srüpmader 

Möritofer ander von Knonau 

Mörlin (® agenntann f) 
Lezius. 

Mörlin K. Wieber — 

Mogilas (Gaß FT) Ph. Meyer 

Molanıs (Hente +) Haud . 


Molina und der Molinigmus 
(Belt +) Zöckler 


Molinos (Tholud +) Bödler 
Moll Acquoy + 

Moller Carl Bertheau 
Moloch Wolf Baudiſſin 
Molther G. Boſſert . . 
Monarchianismus Adolf Harnad . 


Monate bei den Hebräern ſ. d. AA. Jahr 
bei den Hebr. Bd VIII ©. 524, so ff. 
und Mond unten. 


Seite: 


82 


87 


800 


Artikel: Berfaffer: 
rannte, Pa päpftl. An d. U. Menses papales 


Mond bei ben Sebräern Wolf Baudijjin 


Mongolen W. Heyd ... 
Monheim Ed. Simons . . 
Monod, Adolphe Bonnet }) Pfender 


Monod, Friedrich ugen Lachenmann 


Geite: 


337 
349 
355 
358 
362 


Monogamie f. d. A. Ehe Bd V ©. 182. 


Monogramm Eprifti (5: Piper +) Haud 


Monoimos Liechtenhan 
Monophyſiten G. Krüger . 
Monotheismug f. Theismus. 
Monotheleten (W. Möller ) G. Krüger 
Monſtranz Ken Hulte . 
Montalembert C. Pfender . 
Montanismus Bonmetic 

Monte Caſſino Bödler 
Montenegro W. Gh. . 
Montes pietatis (Neudeder r) Haud 
Montfaucon ®. Laubmann . 
Moody L. Brendel . 


Moralijten, engliſche E. Tröltid . 
Moralitäten ſ. Spiele, geiitliche. 
Morata Benrath . . 
Mord bei den Hebräern |. d. a. Gericht 
und Recht Bd VI ©. 579. 
Morgan, Thomaß, geit. 1743 ſ. d. 9. 
Deismus Bd IV ©. 544, us ff. 
Morganatiihe Ehe |. d. 1. Mißheirat, 


. 89, 80. 

Moria ſ. d. U. Serufalem Bd VIII 
©. 677, 120. 

Morig von Heilen ſ. d. U. Verbeſſe— 
rungspunfte. 

Morig zn Sagen ſ. d. A. Interim 


Bd IX 
— ———— J. R. v. Belt. 
Morone Benrath . . 
Mortuarium f. d. N. Abgaben 8 I 
S. 9,1. 
Morus Mangoldt f) 
Georg Miller. . 
Morus, Thomas f.am Ende des Wertes. 
Moschus Erwin Preufchen . 
Mofe v. Drei 
Moſes Ehoronenfis ſ. d. , Armenien 
B II ©. 71,8 ff. 
Mosheim Bonwetſch 


Mozarobiſche Liturgie ſ. d. A. Meſſe 
Bd XII S. 711,5. 

Mozarabiſche Beritupen ſ. d. A. Perikopen. 

Mühlen bei den Hebräern ſ. d. A. Brot 
Bd III S. 420, 2: ff. 


Mühlenberg Adolph Späth . 
Mühlhäußer Ne 
Müllenſiefen 


Georg KRietſchel 
Kolfhaus . . 
Hermann Bed. . 
(3. Kichhofer }) 
G. Kirchhofer . . 
Müller, 3. Gg. Jakob Kündig . 
Müller, Julius David Hupfed . 
Mümpelgarter Kolloquium 

Aler. Schweißer t 
Ulhorn 7 . 
Saud .. 


Müller, Georg 
Miller, Heinrich 
Müller, 3. ©. 


Mündmeyer 
Münſcher 


367 
372 
372 


523 
526 
529 


534 
536 
537 


Berzeihuis der im dreizehnten Bande enthaltenen Artikel 


Artifel: Berfafler: 
Müniter, Bistum Haud. 
Münſter, Wiedertäufer 
W. Köbler . . . 


Münter Fr. Nielfen. . 
Münzer Theodor Kolde . 
Muiberg Hermann Haupt 


Munoz, gi. ſ. Eiemens VIII. Bd IV 
©. 146, ss. 

Muratori G. Laubmann . . 

Muratorifches Fra mem! f. Kanon Mu⸗ 
ratori Bd IX €. 79 


Murner Sit .. 
Muſäus, Johann Gent +) 

obanne® Kunze . 
Mufäus, Peter (Hente}) 


Johannes Kunze . 
Mufaph ſ. d. U. Gottesdienſt, ſynagog. 
Bd VII ©. 11,1 ff. 
Musculus, Andread G. Kamwerau 


Musculus, Volig. Ken 
Mufit Inge: 
Myconiug, Friedrich —* Schinidt ) 
. Kawerau 
Mylonius, Oswald (Bernb Riggen- 
r) Edi . - 
Myniter * Nielien. .. 
Myrrhe (Rüetihi T) Kittel 
Myrte (Rüerihi +) Kittel 


Myftagogifche Theologie 
g' Kattenbufh . 
Myſterien ſ. die Artitel Satramente und 
Spiele, geiftl. 
Myftit ſ. Theologie, myſtiſche. 


N. 
Naaffener ſ. Opbiten. 


Nabatäer |.d.A. Arabien BIS. 767, 22ff. 


Nachtmahlsbulle ſ. Bulla 
Domini Bd III ©. 535. 
Nachtwache f. Tag bee den debräern. 


in coena 


Nahum 

Name v. rei . 
Nanaia Wolf Baudiffin 
Nantes C. Schmidt +. 


Naogeorg ſ. Kirhmeyer Bd X ©. 496 fr. 


Naphtbali f. d. N. Balilda Bd VI 
©. 338, s ff. 

Narbe (Rüetſchi F) Kittel 

Narrenjeit . Böhmer. . 

Nartber ſ. d. U. Kirhenbaun Bb X 
©. 782, s ff. 

Naſiräat v. Oreli. . 

Nasmith, David |. Stadtmiffion. 

Natalid r. Uhlhorn + 


Natalitia ſ. d. U. Märtyrer Bd xII 
6. 51, 2. 


Nathan Kittel . 
Naturgeſetze M. denat .. 
Natürliche Religion f. d. . Deismus 
Bd IV ©. 533, 1 ff. 

Naudäus Cuno . 
Naumburg Hauck. 
Naumburger Fürſtentag 

Kawerau 
Nauſea G. Kawerau 


612 


Berzeichnis der im dreizehnten Bande enthaltenen Artikel 


Urtikel: Verfaſſer: 
Naylor, James ſ. d. A. Quäler. 
Nazaräer ſ. d. N. Ebioniten Bd V 

S. 125, 4. 
Nazarener, ungariſche ©. Cramer. 
Nazarener, württembergiſche 


. Herzog - 
Nazareth Sutbe 0. 
Neander, Auguft &. Ulborn + . 


Neander, Joachim Co. Simon? . 
Nebajot [.d. A. Arabien BIC. 767, 2 ff. 
Nebo Alfred Jeremias. 
ent ſ. Nimigen u. Babylon. 


the 
Neo ſ. d. A. Ägypten BIC. 214, ss ff. 
Nehemia A. Kloftermann 
Nektarius von Serufalem 

F. Kattenbuſch 
Nektarius von Konſtantinopel 


Loofs. 
Nemeſius (Möller +) 

R. Chmid . 
Neophyten 9. Adelid . 
Neostadensium admonitio 

E. 5. Karl Müller 
Nephilim f. d. A. Kanaaniter Bd IX 

. 737, + fi. 
Repomut f. Sohann v. Nepomut Bd IX 
S. 306. 

Nepos Bonwetſch. 
Nergal Alfred Jeremias. 


Real⸗Gucij:? lapadie für Theologie uud ſtitche 3. U. ZIIL 


Seite: 


672 
674 
676 
679 
687 
690 
692 
200 
105 
706 


708 
109 


709 


10 


711 , Midraid 


Urtikel: Berfafler: 
Neri Reuchlin F) Zödler 
Ner Robert Pöhlmann 


Neried ſ. d. 4. Armenien, und zwar für 
Nerſes Clajenſis Bd II ©. 73, 1; 
Nerjes d. Gr. ©. 76,3; Neries Lam- 


bron ©. 73, ss. 
Nerva G. Uhlhorn +. 
Neſtor Bonwetſch 
Neſtorianer (Petermann }) 

— Keßler. 

Neſtorius oofs. 
Nethinim ſ. d. A. Bei B xI6 421, “. 
Netter N. —5 
Neubrigenſis 


9-8 
Renburger Religionskefpräd | ve IH 


7,18. 

Neudeder A. Schumann . . 

Neues [gekament j Ranon des NIE 
Bd IX ©. 768 


Renahrsieit (9. Merz) Garl 
Bertbeau .. 

Neumanichäer öckler 

Neumann rmann Beck. 

Neumark ermann Bed. 

Neumeiſter Hermann Bed . 

Neuplatonisſsmus M. 


Heinze 
Neuſeeland ſ. d. A. Auſtralien B II6.299. 





9. 2. Strad . . 


51 


801 


Geite: 
712 
718 


722 
722 


723 
736 


749 
753 


753 


«55 
757 
770 
771 
771 
772 


784 


. 59 fies 823 ftatt 723. 


sa. 20 
00) 
[0] 
Wa 
9 


Nachträge und Berichtigungen. 


2. Band. 


. 23 lies 1893 ftatt 1843. 


16 lies Germershauſen flatt Germersheim. 


3. Band. 


60 lies 825 Statt 725. 
59 lies illustrata ftatt illustris. 
9 lies 2. W. Graepp Statt C. W. Granepp. 


„ 58 lied 1093 ftatt 1039. 
„ 53 füge bei: Eine Bearbeitung des in 22 Bänden in der Biblioteca de la Aca- 


demia de la historia zu Madrid vorhandenen Prozefjed Carranza liegt im 
2. Bde der Historia de los Heterodoxos Protestantes des Menendez Pelayo 
(S. 359 ff.) vor. Neucrdingd bietet Schaefer in den Beitr. 3. Geſch. d. ſpan. 
Broteit. Bd III (1902) Zeugniſſe Ballifoletaner Proteftanten’ aus defien Alten 
(S. 727--812); wir lernen da den Einfluß fennen, welchen C. auf einige ge: 
habt hat, die als Proteftanten in Balladolid erfcheinen. Benrath. 


4. Band. 


©. 84 Z3. 23 füge bei: Hierzu vgl. %. C. Conybeare, The Date of the Composition of the 


aschal Chronicle ın Journ. of Theol. Studies 2, 1901, 288—298, der gegen 
Gelzer die [don von 2. Holiten auf Grund von handidriftlihem Material auf: 
gejtellte Behauptung wieder aufgenommen hat, daß das jegige Chr. P. eine 
ältere, um 354 entitandene Redaltion vorausfegt. Krüger. 


„ 202 „28 lieg XVII Statt XXVIT. 
„ 735 lie8 die Eeitenzahl 735 itatt 435. 
„ 812 3.18 v. u. lied 659, ss ftatt 659, sa. 


„Sr, 


„603 „ 


„649 „ 


6 v. u. lies 528, 42 ftatt 528, a. 


5. Band. 


. 46 füge vor Wilhelms IV. ein: Friedrich. 


41 füge bei: Th. A. Fiſcher, The Scots in Germany. GEdinburg 1902 I ©. 174 ff. 

13 füge ein: gl. die Sammlung der in den "Jroa enthaltenen Bruchftüde bei 
EC. Hol, Fragmente vornicänifher Kirdjenväter aus den Sacra Parallela 
(TU, NF. 5,2). Leipzig 1899, 214 —232. 

18 füge ein: TH. Zahn, Eine altkirchliche (dem Euf. Alex. zugeichriebene) Rede 
über die Sonntagsruhe nebjt Unterſuchungen über ihren Verfaſſer (mutmaplic 
Euſebius von Emefa) in ZEWL 5, 1884, 516—534. Krüger. 

18 füge ein: Th. Zahn in ZERR 5, 1884, 516—534 fucht in Eufebiuß von Emeſa 
den Perfajier der dem Euſebius von Wlerandrien (f. d. U.) ‚zugefchriebenen 
Homilie über den Sonntag, die er (S. 528—533) in deuticher Überſetzung ab⸗ 
druckt (wiederholt in: Skizzen aus dem Leben der alten Kirche ?, Erlangen u. 
Reipzig 1898, 321— 330). Krüger. 

42 füge bei: Eine kritiſche Ausgabe von J. Bidez und L. Parmentier (The Eccle- 
siastical History of Evagrius with the Scholia) erſchien London 188. 

ger. 


Nachtraäge und Berichtigungen. 803 


6. Band. 


©. 387 3. 30 lieg Hbr 12, 17 ftatt 12, 18. 
„561 „ 47 lies Feeſche ftatt Feſche. 
„ 732 „ 28 füge bei: Vgl. C. Schmidt, Plotind Stellung zum Gnoftizismus und kirchlichen 


Ehriftentum. TU, NF. 5. Bd 4. H. Leipzig 1900. Krüger. 
7. Band. 
©. 592 3. 38 lies Soel 3 ftatt Joel 8. 
8. Band. 


S.567 3. 5 füge bei: M.⸗A. Kugener, Récit de Mar Cyriaqtie racontant comment le corps 
de Jacques Barad&e fut enlev& du couvent de Casion et transport au couvent 
de Pheesiltha, in Rev. de l’Orient Chretien 7, 1902, 196—217. Krüger. 

„581 „ 24 lied zwölf ftatt zehn. 

„581 „56 lieg 2,2. 9. 21; 4, 11; 5, 11. 17 Statt 2,2; 9; 21, 4; 11 fi. 5; 11. 17. 

„582 „ 4 lie 2,7. 14 ff.; 5,7. 

„583 „ 14 lies bes 4.8.8 Statt dad U.B. 

„583 „ 22 lieg 1,1; 2,1 Statt 2,5, 7. 8. 

„584 „26 fliege nad 20 die Klammer. 

„693 „ 39 füge bei: Vgl. auh 2. v. Rante, Briefwechſel Friedrich Wilhelms IV. mit 
Bunfen ©. 85 ff. 


9. Band. 


S. 153 3.11 füge bei: Quellenmaterial zur Vorgefchichte der großen Handbücher von Bern. 
Guidonis, Eymerih u. N. bietet Eh. Molinier bei. im 2. Zeile der Etudes sur 
quelques mscr. des Bibl. d’Italie . . . (Paris 1887). — Reiche Belege betr. das 
Verfahren der fpanifhen Snauifition bei Schaefer, Beiträge zur Geſch. d. fpan. 
Proteſt. und der Inquiſition (1902, 3 Bde). Benrath. 

„319 „ 54 lieg 13. November ftart 14. November. 

„ 603 „ 21 lieg 380—390 ftatt 480—490. 

„608 „ 9 lieg Schwochheiten ftatt Schwadhleiten. 

„635 „10 füge bei: Über Paulus den Perfer vgl. G. Mercati, Per la vita e gli seritti di 
Paolo il Persiano, in Note di letteratura biblica e cristiana antica, Studi e 
Texti Vol. 5, Roma 1901, 180—206. Krüger. 

„651 „ 7 lied 13. November ftatt 14. November. 

„653 „ 16 füge bei: Daß das Ehriftentum auf Philde nicht erft, wie man feit Letronne 
allgemein annahm, durch J. nad) Zerjtörung des Iſiskultes Eingang fand, 
fondern daß ſich ſchon in der 1. Hälfte des 5. Jahrhundert? dort chriftliche 
Kirhen befanden und dab es in Syene-Elephantine einen duriftlichen Biſchof 

ab, zeigt U. Wilden, Heidnifches und Chriſtliches aus Ägypten, im rd. f. 
Bapyrusforfhung 1, 1901, 396 —436. Krüger. 

„655 „ 3 füge bei: Hierzu vgl. jet G. Pfannmüller, Die kirchliche Gefeggebung Juftiniang, 
bauptfählih auf Grund der Novellen. Berlin 1902. Krüger. 

„810 „ 3 v. o. lieg 174 ft. 147. 


10. Band. 


S. 112 8.13 füge bei: S. Pétridès, Cassia, in Rev. de l’Orient Chret. VII, 1902, ©.218— 244. 

„454 „ 18 füge bei: Vollhardt, Geſchichte der Kantoreien und Organiften von den Städten 
im Königreih Sadfen. Berlin. 1899. — U. Werner, Geihichte der Kantorei— 
gefelfhatten int Gebiete des ehemaligen Kurſürſtentums Sachſen. Leipzig. 1903. 
— 5. Rautenftraud, Die Kalandbrüderichaften, das kulturelle Vorbild der fäch- 
jiihen SKantoreien. Ein Beitrag zur Gefchichte der kirchlichen Mujitpflege in 
vor» und nachrejormatorifcher Zeit. Dresden. 1903. H. N. Köftlin. 


11. Band. 
S. 62 3.50 lies 11 ftatt 15. 
399 „ 21 lies Ehriftologie Bd IV ©. 42, « Statt Neftorianismus. 
567 „ 56 füge bei: Die Frage betr. die Zuverläfjigkeit feiner Angaben wird von Schaefer, 
Beiträge 3. Geſch. d. fpan. Brot. 2c. ... (3 Bde, 1902) neu verhandeltZund 
verneint. Benrath. 


8 


* 
- 


804 


Nachträge uud Berichtigungen. 


S. 593 3.40 lies XI ftatt X. 
„53 lies Hanfaftadt ftatt Hanfenftadt. 


„ 671 
„ 672 


672 
„ 672 


x 


„ 112 


©. 225 
„ 249 


„ 268 
„ 287 


„ 108 


⁊ 
DD MN a ni a 


„ 42 
„ 13 


„ 25 


„ 49 
„ 139 
„ 231 
„ 277 
„ 392 


„355 
„358 
„375 
„392 
„ 401 


„ 402 
„ 307 


„Aal 
„ 569 


” 


[22 


8. 


” 


” 


3 füge bei: Der größte Zeil der Vorſtadt St. Gertrud ift im Jahre 1902 von 
dem Kirchfpiel, zu welchem er bis dahin gehört hatte, abgetrennt unb in ein 
jelbjtftändiges Kirchipiel umgewandelt worden. Die Zahl der Kirchſpiele in. der 
Stadt Lübeck hat ſich infolgedefien auf 8 vermehrt. Dagegen ift die Bahl der 
Geijtlihen und Ceelforgebezirte unverändert geblieben. 

31 lied Hauptpaftoren ftatt Hauptperjonen. 

33 füge bei: Geit dem Jahre 1902 haben die Kübediihen Kandidaten nad einer 
mit dem ſchleswig-holſteiniſchen Konfiitorium getroffenen Vereinbarung die beiden 
theologifchen Prüfungen vor der Prüfungebehärbe in Kiel abzulegen. Beſtehen 
fie diejelben, fo erlangen fie dadurd die Unftellungsfähigfeit wie in der Lübeck⸗ 
iſchen, fo auch in der ſchleswig-holſteiniſchen Landeskirche. 

31 ftreiche zu. 


12. Band. 


32 lied Brudner ftatt Brückner. 
3 füge bei: Egli, Luther und Zwingli in Marburg in Meillis Theol. Zeitjchrift 
aus d. Schweiz. I, 1884, ©. 1 ff. 
18 füge bei: Unter Pius ift nad) den: Zufammenhang der Stelle bei ZTertullian 

der Kaiſer zu verjtehen. 
20 lieg Bd VI ftatt Bd V. 
19 lieg III, ©. 314 ff. ftatt II, ©. 558. . 
33 lieg 431 ftatt 451. 
31 lied Nitiges ftatt Vitiges. 
27 lies Haureau ftatt Haurean. 
50 lie et mortuis ftatt mortus. 


13. Band. 


27 lie® Making ftatt Malking. 

39 lie8 Lost ftatt Loss. 

25 ließ vorzunehmen ftatt anzunehmen. 

31 lieg veranlaßte Statt veranlaßten. 

39 lies Jahre ftatt Jahren. 

47 lied verböten ftatt verbieten. 

48 bewegten ſtatt beivegen. 

39 lies C. 3. Baur ftatt Bauer. 

10 lied Unterhaltungsfonds ftatt Unterhaltungsfond, ebenfo Beile 31, 34, 39 und 
Geite 23 Zeile 20. 

24 füge bei: Die ganze Summe von 20 Millionen Dollars ijt bis zum 31. Dez. 
1902 gejichert worden, j. The Christian Advocate vom 15. Januar 1903, wo die 
Bejantjumme von 20656970 Dollars berichtet wird. 

3 lies fein ftatt feien. 
25 lieg 1797 ſtatt 1897. 
20 lie8 Bd III ©. 749 ftatt 649. 


‚52 lied 106 Aanıder ftatt to Baßıdet. 


50 füge bei: Über Khan Argun und feinen Gejandten Bar Eauma |. d. A. Jah— 
ballaya Bd VIII, S. 523, wo J. 8. Chabot, Suppl&ment à Y’histoire du 
patriarche Mar Jabalaha III et du moine Rabban Gauma 1900 nachzu— 
tragen ijt. Ed. Neftle. 

59 lies Cohrs ſtatt Chor2. 

10 lied Artopaeus ftatt Artopoeus. 

15 lieg März 536 ſtatt 535. 

2 füge vor angejegt ein: auf 533. 

50 lied Fouqueré ftatt Fouquidre. Vgl. Tassin, Histoire litteraire de la Con- 

gregation de Saint-Maur p. 286—87. Notiz von Dom 9. Quentin O. B. 
2 füge bei Brooks Hinzu: und Byz. Beitfchr. 7, 1898, 32—39. 

52 füge bei: Brooks ift in feinem zweiten Artikel (f. o.) diefer Annahme ebenfalls 
beigetreten und feßt den Tod des Pyrrhus (ſ. XII, 407, 57) auch in das 
Jahr 654. Krüger. 

26 füge bei: 9. Holzapfel, Die Anfänge der Montes Pietatis. Münden 1903. 

22 lieg Röhrich ftatt Röhrig. | 


20. Auguft 1903.