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|
Tr —
——— — U —
en
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J
Realencyklopädie
für proteſtantiſche
Theologie und Kirche
——
In dritter verbeſſerter und vermehrter Auflage
unter Mitwirkung |
vieler Theologen und anderer Gelehrten
herausgegeben
von
D. Albert Baurk
Drofeflor in Leipzig
Dreizehnter Band
Methodisſsmus in Bnierika
bis
Neuplatonismus
de
TLeipiig
3. €. Hinrihs’fhe Buchhandlung
1905
A‘
——— — — — — — — — — — — — —
Alle Rechte, insbeſondere das der Überſetzung für jeden
einzelnen Artikel vorbehalten.
— — — — — — — — — — — — — —
8. d. Hofe u. Univ.»Buchbruderei von Junge & Sohn, Erlangen.
Berzeihnis von Abkürzungen.
1. Bibliſche Bücher,
Gen = Geneſis. Pr = BProverbien. — Bephania. RN — Römer.
Er = Exodus. Prd — Prediger. ag — Haggai. Ko = Korinther.
Se = Leviticus. HR = Hohe? Lied. Sad = Sacharia. G = Galater.
Nu = Numeri. Sf = Jeſaias. Ma = Maleadi. Epp = Ephefer.
Dt = Deuteronomium. Ser — Seremiad. Jud — Judith. Ph = BhHilipper
Sof = Joſua. — Ezechiel Wei — Weisheit. Kl = Koloſſer.
Ni = Nidter. Da = Daniel. To = Tobia. Th = Theſſalonicher.
Sa = Samuelis. Ho = Hofea. & = Girad. Zi = Timotheus
Kg — Könige. Joe — Joel. Ba = Baruch. Tit = Titus.
Chr = Chronika. Am = Amos. Mat — Makkabäer. Phil — Philemon
Esr = Esra. ob = Obadja. Mt — Matthäus. Hhr = Hebräer
Neh — Nehemia. Jon — Jona. Me = Marceus. ga = Jakobus
Eſth — Either. Mi — Micha. Le — Lucas. Pt — Petrus.
Hi = Hiob. Na = Nahum. Jo — Zohannes. u = Judas.
Bi = Bfalmen. Hab = Habacuc. AUG — Apoſtelgeſch. Apk = Apokalypſe
2. Zeitſchriften, Sammelwerke nud dgl.
A. = Artikel.
ABA — Abhandlungen der Berliner Alademie.
AdB — Ullgemeine deutſche Biographie.
ASS — Abhandlungen der Göttinger Geſellſch.
der Wiſſenſchaften.
ALLES = Archiv für Litteratur und Sirchen-
geihichte des Mittelalters.
AMA — Abhandlungen d. Münchener Alademie.
AS — Acta Sanctorum der Bollandiften.
ASB == ActaSanctorum ordiniss. Benedicti.
ASS = Abhandlungen der Sächſiſchen Gefell-
ſchaft der Wiffenfchaften.
AT — Altes Teftament.
Bd — Band. Bde= Bände [dunensis.
BM = Bibliotheca maxima Patrum Lug-
CD = Codex diplomaticus.
CR = Corpus Reformatorum.
CSEL =: Corpus scriptorum ecclesiast. lat.
DehbrA = Dictionary of christian Antiquities
von Smith & Cheetham.
DehrB = Dictionary of christian Biography
von Smith & Wace.
DEZ — Deutſche ung.
Du Cange — Glossarium mediae et infimae
latinitatis od. Du Cange.
DZKER = Deutide deitfärift f. Kirchenrecht.
rs — Forfhungen zur deutfhen Geſchichte.
Gga — Göttingiſche gelehrte Anzeigen.
—* = (origesgahröud. reset,
93 = Hiſtoriſche Zeitſchrift von v. Sybel.
affé — Regesta pontif. Rom. ed. Jaffö ed. II.
HTH = Jahrbücher I deutiche Theologie.
Sp = Sahrbüder für proteftant. Theologie.
JthSt = Journal of Theol. Studies.
or — Kirchengeſchichte.
KO = irdenorbnung.
LEB = Literarifhes Gentralblatt.
Mansi == Collectio conciliorum ed. Mansi.
R — Magazin.
\ = Monumenta Germanise historica.
MSG == Patrologia ed. Migne, series graeca.
MSL == Patrologia ed. Migne, series latina.
Mt — Mitteilungen. [Geſchichtskunde.
NA — Neues Archiv für die ältere deutfche
NT — Neue Folge.
NIdTh — Neue Jahrbücher f. deutiche Theologie.
Nt — Neue firdlihe Zeitſchrift.
NT — Neues Teftament.
x — Breußifhe Jahrbücher. [Potthast.
otthast = Regesta pontificum Romanor. ed.
ROSS = Römische Quartalſchrift.
SBA = Sitzungsberichte d. Berliner Akademie.
smU = u db. Münchener „
SWa = — d. Wiener
88 — Seriptores.
ThIB = Theologifcher nn
THLB — Theologijches Literaturblatt.
ThL8 — Theologifche Literaturzeitung.
DS — Theologiiche Quartalſchrift.
THSEK — Theologiihe Studien und Kritiken.
— TZerte und Unterfuhungen heraus⸗
geg. von v. Gebhardt u. Harnad.
UB — Urkundenbud.
BU — Werke. Bei Luther
da — „ für deutſches Alterthum.
pm = „d. deutſch. morgenl. Geſellſch.
dVB — „d. deutſch. Baläftina Vereins.
— b = „ für hiſtoriſche Theologie.
= „für Kirchengeſchichte.
RR = „ für Rirdenredt.
X = „ für katholiſche Theologie.
I — „ fürlirdl. Wiſſenſch. u. Leben.
IHR = „ fürlutber. Theologie u. Kirche.
PR = „ für Broteftantismus u. Kirche.
Britt = „ für praktiſche Theologie.
HR = „ für Theologie und Kirche,
„ für wiffenjhaftl. Theologie,
— m. — — —h — —— — —
Alle Rechte, insbeſondere das der Überſetzung für jeden
einzelnen Artikel vorbehalten.
— — — — — — —
8. d. Hof⸗ u. Univ.⸗Buchdruckerei von Junge & Sohn, Erlangen.
Berzeihuis von Abkürzungen.
1. Bibliſche Bücher.
Gen = Geneſis. Pr = PBroverbien. Ye = Bephania. Rö — Römer.
Er = Erxodus. Prd = Prediger. ag — Haggai. Ko = NKorinther.
Le = Leviticus HL — Hohes Lied. Sach = Sacharia Ga = Galater.
Nu = Numeri Sf = Jeſaias. Ma — Maleadi Ep = Ephefer.
Dt = Deuteronomium. Ser — Seremiad. Jud — Judith. hi = Ben.
Hof = Joſua. & = Ezediel. Wei — Weisheit ol = Roloffer.
Ki = Ridter. Da = Daniel. To = Tobia %h = Theflalonider.
Sa = Samuelis. Ho = Hofen. St = Sirach zii = Timotheus.
gg = Könige. oe == Joel. Ba — Barıd). Ti = Titus.
Chr = Ehronifa Am = Amos. Mat — Maftabäer. an — ®Bhilemon.
Esr = Era. ob = Obadja. Mt = Matthäus. 2 — Hebräer.
Neh — Nehemia. Jon — Jona. Me = Marcus. a = Jabkobus.
Eſth = Eitber. Mi — Mida. Le — Lucas. t = Petrus.
Hi = Hiob. Na = Nahum. Jo = Johannes. Su = Judas.
Bi = Palmen. Hab = Habacuec. US — Apoſtelgeſch. Apk — Apokalypſe
2. Zeitſchriften, Sammelwerke und dgl.
A. —⸗Artikel. MSG == Patrologia ed.Migne, series graooa.
ABA — Abhandlungen der Berliner Alademie. MSL == Patrologia ed. Migne, series latina.
AdB — Ullgemeine deutſche Biographie. Mt — Mitteilungen. [Geſchichtskunde.
ASS — Abhandlungen ber Göttinger Geſellſch. NA — Neues a für die ältere deutfche
der Wiſſenſchaften. NE — Neue Yolg
ALKG = Urdiv für Litteratur und Kirchen⸗ en — Neue Sahrblcher f. deutjche Theologie.
geichichte des Mittelalters. RB — Neue lirchliche Zeitſchrift.
AMN = — Abhandlungen d. Münchener Alademie. NT — Neues Teftament.
AS — Acta Sanctorum der Bollandiften. J — Preußiſche Jahrbücher. [Potthast.
ASB = Actaßanctorum ordiniss.Benedicti. Potthast = Regesta pontificum Romanor. ed.
ASS — Abhandlungen ber Sächſiſchen Gefel- ROS = Römiſche Quartalſchrift.
ſchaft der Wiffenfchaften. SBA = Sitzungsberichte d. Berliner Akademie.
AT — Altes Teftament. SMa = e db. Mindener „
Bd — Band. Bde = Bände. [dunenis.. SRU = — d. Wiener
BM = Bibliotheca maxima Patrum Lug- SS —= Seriptores.
CD = Codex diplomaticus. ThIB — Theologifcer nr
CR = Corpus Reformatorum. THLB — Theologijches Literaturblatt.
CSEL = Corpus scriptorum ecclesiast. lat. Th3 — Theologiiche Literaturzeitung.
DcehrA = Dictionary of christian Antiquities THOS — Theologiſche Quartalſchrift.
von Smith & Cheetham. THSEK — Thenlogiihe Studien und Kritiken.
DehrB = Dictionary of christian Biography ZU — Terte und Unterfuhungen heraus»
von Smith & Wace. geg. von v. Gebhardt u. Harnad.
DILZ = Deutſche LitteratureBeitung. uB — Urkundenbuch.
Du Cange — Glossarium mediae et infimae VB — Merle. Bei Luther:
latinitatis ed. Du Cange.
DIER — Deutſche Zeit riſt f. Kirchenrecht.
Al.) — Forſchungen zur deutfchen Gefchichte.
SA 4 = Ööttingifhe gelehrte Anzeigen.
5 — Hiſtoriſch — Görresgeſellſch.
93 za Bei art von v. Sybel.
Jafle — Regesta pontif. Rom. ed. Jaflöed. II.
IdTh = — für deutſche Theologie.
IprTh = Jahrbücher für proteſtant. Theologie.
JthSt == Journal of Theol. Studies.
SR — Kirchengeſchichte.
KD = Kirchenordnung.
L2EB = Literarifches entralblatt.
Mansi == Collectio conciliorum ed. Mansi.
Rg — Magazin.
MU = Monumenta Germaniae historica.
WW EU — Werke Erlanger Ausgabe.
WWWaA — Werte Weimarer Ausgabe. ſjgchaft.
— Beitfhrift, für altteftamentl. Wiffen-
„ für Theologie und Kirche.
Theologie,
U — „ für deutfches Alterthum.
pm = „d. deutſch. mo — Geſellſch.
dVB — „ d.deutich. Paläſtina Vereins.
IH = „ für hiſtoriſche Theologie,
KR = „ für Kirchengeſchichte.
RR —= „ für Kirchenrecht.
or) = „ für katholifche Theologie.
tWe — „ fürfirdl. Wiſſenſch. u. Leben.
IHR = „ fürlutber. Theologie u. Kirche.
BR = „ Für Broteftantismus u. Kirche.
prh = „ für praktiſche Theologie.
TR
wTh „für wiſſenſchaftl.
Methodismus in Amerila. — Litteratur: 4. Quellen. The Doctrines and Dis-
cipline of the Methodist Episcopal Church (erſcheint ſeit 1789 alle 4 Sabre nad) jeder
Generaltonferenz; legte Ausgabe 1900; wenn fein Publifationsort angegeben, jind die Bücher
im Methodist Book Concern zu New⸗-York und Cincinnati erfchienen): deutſche Ausgabe:
Die Lehre und Kirchenordnung der Biſchöflichen Methodiſtenkirche (letzte Auflage 1900); 6
Journal of the General Conference of the M. E. (Abkürzung für Methodist Episcopal)
Church, feit 1792 alle 4 Sabre; Minutes of the Annual Conferences of the M.E. Church
(jährlich in 2 Bänden; bis 1784 ſ. Wesley’s Larger Minutes, London); Methodist Review
feit 1819 (vorher Arminian Magazine, London 1777ff.. und Methodist Magazine, London
1797 f.); The Christian Advocate, New⸗Yort 1826 ff.; Der Ehriftliche Apologete, Cincinnati 10
1848ff.; Daily Christian Advocate, 1848ff. (während der Sigungen der Generallonferenz);
— 2. Neuere Gefamtbearbeitungen. Stevens, History of the M. E. Church, 4 vols.
1864, deutihe Bearbeitung in 2 Bänden von Liebhart, 1867 und 1872 (Bd 1 ift bie unver-
fürzte Ueberfegung von vol. 1, Bd 2 eine Zufammenfaflung von vols. 2—4 bes Originals);
derj., Compendious History of American Methodism (Auszug aus erjtgenanntem Werke); ı5
derſ., A Supplementary History of American Methodism, 1899 (Fortfegung des vorigen,
von 1866— 1899); derf., Centenary of American Methodism. A Sketch of its History, Theo-
logy, Practical System and Success., 1866. Deutfche Ueberjegung von Sacoby, Bremen
1866; Scudder, American Methodism, Hartford Conn. 1868; Sacoby, Geſchichte des Me-
thodismus, Bd 2; derf., Geſchichte des ameritunifhen Methodismus, Bremen 1870; Naft, 0
Der hundertjährige Beſtand des amerik. Meth,, 1866; Porter, The Revised Compendium of
Methodism, 1875; derj., Comprehensive History of Methodism, 1876; Simpson, A Hundred
Years of Methodism, 1876; derf., Cyclopedia of Methodism, Philadelphia 1876; Daniels,
The Illustrated History of Methodism, 1880; Atkinson, Centennial History of American.
Methodism, 1884; Hyde, The Story of Methodism, 1889; Curtiss, Manual of the M. E. 3
Ch., 1893; Tigert, A Constitutional History of American Episcopal Methodism, Nashville,
Tenn. 1894; derf., The.Malking of Methodism, 1899; Buckley, A History of Methodism
in the United States, 2 vols., New-Yort 1898; The American Church History Series,
vol. I; H.R. Carroll, The Religions Forces of the U.S. p. 221ff., New-Yort 1893; vol. V
The Methodists by J. M. Buckley; vol. XI, M. E. Church, South by Gross Alexander; 80
vol. XII, United Brethren, Evangelical Association; Dorchester, Christianity in the U. S.,
New-Yort 1895; Nrtifel „Methodism“ in Mc Clintock and Strong, Theological Encyclo-
pedia; Nippold, Handbud der neueften Kirchengefchichte, Bd 4, Amerikaniſche Kirchengeſchichte,
S. 99ff., Berlin 1892. — 3. Gründung und Anfänge. The Journal of the Rev. Francis
Asbury, Bishop of the M. E. Church from 1771 to 1815, 1821; Atmore, Concise History gg
of the Introduction of Methodism in America, Mandjefter 1802; Atkinson, The Begin-
nings of the Wesleyan Movement in America 1766—1773, 1896; berf., Centennial History
of American Methodism, 1784—1804; Phoebus, Beams of Light on Early Methodism in
America, 1887; Wakely, Loss Chapters Recovered from the Early History of American
Methodism, 1889; Jesse Lee, A Short History of the Methodists in the U.S., Baltimore «0
1810; N. Bangs, A History of the M. E. Church, 12 edition. 4 vols., 1832; Lednum,
History of the Rise and Progress of Methodism, 1859; Sandford, Wesley’s Missionaries
to America, 184. — 4. Geſchichte des Methodismus in einzelnen Staaten.
Seaman, Annals of New York Methodism; Rayhold, Methodism in West Jersey, 1849;
Barker, History of Ohio Methodism, 1899; Redford, Methodism in Kentucky, 3 vols., 46
Nafhville 1868; Smith, Methodism in Indiana, Indianapolis 1879; Bennet, History of
Meth. in Wisconsin, 1890; Burkhead, Meth. in North Carolina, Raleigh, 1876; Day,
Meth. in New Providence, Newart 1898; Jones, Meth. in Mississippi, Nafhville 1887;
Mc Farrin, Meth. in Tennessee, Rafhville 1869; West, Meth. in Alabama, Naſhville. —
5. Biographien. Jackson, Lives of Early Methodist Preachers, London 1838, Vol. III so
enthält die Lebensgefhichte der von Wesley nad Amerika gefandten Prebiger. Auf Beran= .
lajiung Wesleys ſchrieben die meilten feiner Prediger Autobiographien, welche im Arminian
Magazine veröffentlihbt wurden; Strickland, The Pioneer Bishop, or Life and Times of
Francis Asbury, 1858; Larabee, Asbury and his Coadjutors, 2 vols. 1853; Briggs, Bi-
Reals@ncyklopäbie für Theologie und Kirche. 8. A. XII. 1
2 Methodismus in Amerila
shop Asbury, 3 ed. London; Smith, Life of Francis Asbury, Raibrille 18%; Rippert, As-
burys Leben, Bremen 1884; Cooper, Funeral Discourse, Delivered in St. Georges Church,
Philadelphia, on the Death of cis Asbury, ®biladelphbia 1819; Drew, Life of Thomas
Coke, 1818; Wm. Watters, A Short Account of the Christian Experience and Ministerial
6 Labors of William Watters, Drawn up by himself, Wierandria 1806; Nathan Bangs, Life
of Freeborn Garretson, Compiled from his Printed and Manuscript Journals other
Authentic Documents, New-Yort 1832; Firth, Experience and Gospel Labors of Benjamin
Abbott, Philadelphia 1825; Henry Boehm, The Patriarch of One Hundred Years; Flood
and Hamilton, Lives of Methodist Bishops, 1882; Bishop R. Paine, Life and Times of
10 Wm. McKendree, 2 vols., Najhville 1874; Stevens, Life and Times of Nathan Bangs,
New-HYort 1863; Eharalterbilder aus ber Gefdichte ded Methodismus. Vorleſungen gehalten
von verjchiedenen deutihen Predigern, Gincinnati 1881; Cartwright, Fifty Years a Presi-
ding Elder; derf., Autobiography; auch überjegt unter dem Titel: Reformation im Hinter-
wald. Ein Charakterbild von P. Cartwright und feiner Zeit; Strickland, Autobiography of
15 Dan. Young. A New England Preacher of the Old Time, 1860: Clark, Life and Times
of Elijah Hedding, 1855; Curry, Life Story of Bishop D. W. Clark, 1874; Hibbard,
Bi phy of Bishop L. S. Hamline, 1880; Ridgaway, The Life of Bishop E. S. Janes,
1882; J’rentice, Life of Bishop Gilbert Haven, 1883; Rust, Jsaac W. Wiley, Late Bishop of
the M. E. Ch., 1885; Roche, The Life of John Price Durbin, 34 ed. 1890; Crooks, Life
20 Dort 1890, of John Me Clintock, 1876; derj., Life of Bishop Matthew Simpson, New-
or
I. Gefhichtliher Überblid. 1. Anfänge und Urganifation. Die Anfänge
des Methodismus in Amerika führen zurüd auf die Nachkommen der dur die Ver:
nihtungstriege Ludwigs XIV. aus ihrer Heimat vertriebenen Pfälzer. Cine Anzahl der:
25 felben hatte ch in Limerid County in Irland niedergelaffen, und unter ihnen fand der
ethodismus raſch Eingang. Als im Jahre 1760 mehrere Familien (Peter Switzer, Paul
ed, Paul Rudle, Philipp Embury, — mwohl urfprünglib Imburg — u. a.) nad)
Amerifa auswanderten, befanden fich unter denfelben einige Methodiſten. Embury war
fogar wesleyaniſcher Lofalprediger, doch predigte er im neuen Lande nicht, bi$ Barbara
80 Hed, deren Unwille auf das heftigſte erregt wurde, als fie ihren Bruder mit einigen
reunden beim Sartenfpiele antraf, in ihn drang, Öotteödienfte abzubalten. Zur criten,
1767 in Emburys Haufe zu New-York gehaltenen Predigt ftellten fih vier Zuhörer ein,
bald jtieg jedoch die Zahl der Teilnehmer, welche meift den ärmeren Klaſſen angehörten
oder aus Soldaten der englifhen Garnison beftanden. Allgemeine Aufmerkjanteit er:
85 vegten diefe Verſammlungen erjt als Thomas Webb, ein höherer engliicher Offizier und
mwesleyanifcher Lofalprediger nad New-York kam und jofort mit hingebenbem Eifer und
feueriger Beredfamfeit zu predigen anfing. Bald vermodte Fein Privathaus die Zu:
hörer mehr zu faflen, man mietete einen Tafelboven (rigging loft) in der Williamftrage,
und befonders auf Betreiben der energiichen Barbara Heck jowie des Kapitains Webb
w wurde eine Bauftelle an der Johnſtraße ertvorben. Am 30. Oftober 1768 wurde die
erfte Methodiftenkapelle in Amerifa eingeweiht. Site war ein ſchmuckloſes Gebäude,
60 Fuß lang, 42 Fuß breit, Die Emporen waren ohne Geländer und murden mittelit
Leitern erreicht, ein Feuerplag nebft Kamin durfte nicht fehlen, da es damals den Diffi-
denten nicht geftattet war, „Kirchen“ zu bauen. Zu dem Bau hatten die vornehmiten
45 Bürger der damals 20000 Einwohner zählenden Stadt New-York wie auch unbefannte
Negerſklaven Beiträge gegeben, einen beträchtlichen Teil der Unkoſten bejtritt Webb aus
eigenen Mitteln, und Embury, feines Handwerks ein Zimmermann, legte felbjt Hand
ans Werk. Nur ein wenig fpäter fand der Methodismus im Staate Maryland Ein:
gang. (Die vielfah für Maryland beanfpruchte Priorität ift durch die Unterfuchungen
60 von Atkinson „the Beginnings of the Wesleyan Movement in America“ end—
. gültig zu Gunften New-Yorks entjchieden worden; vgl. Alfred Hegler im theologiſchen
itteraturberiht XVI, 358). Ein eingewwanderter irifcher Methodiſt Robert Strambridge
fing an der Sams Creek an zu predigen und errichtete bald eine Blodfapelle (Log
chapel), 22 Fuß im Quadrat, ganz rob, ohne Fußboden und ftatt der Thüren und
65 Fenſter nur einige Öffnungen in den Wänden.
In den nächſten Jahren wurde durch methodiftifche Einwanderer aus England und
Irland, fowie durch amerikanische Methodiften, die ihren Bohne veränderten, der Grund
zu methobiftifchen Gemeinden in den Staaten New-York, New-Jerſey, Pennſylvania,
Maryland, Virginia und in Canada gelegt. Einzelne Männer wie Webb und Straw—
6o bridge, denen bald andere folgten, reilten als Wanderprediger landauf, landab, doch die
anze Bervegung war ohne Wlan oder Leitung, ausſchließlich durch eifrige Laienprediger
— und genährt. Einige Jahre zuvor hatte Whitefield, der gewaltigſte Prediger
Methodismns in Amerika 3
aus der Anfangszeit des englifhen Methodismus, die Kolonien bereift und ein tiefes
eeligiöjes Intereſſe hervorgerufen. Er bahnte dem Methodismus vielfach den Weg, gründete
aber feine Gemeinden. Der Aufenthalt von Sobann und Karl Wesley in Georgia
(1735—37) war für die Gründung des Methodismus in Amerika von feiner Bedeutung.
Sollte die jetige Bewegung nicht im Sande verlaufen, jo bedurfte e8 einer planvollen .
Leitung. Wesleys organifatorifcher Scharfblid erfannte dies und als bei der Konferenz
im Sabre 1769 eine Petition der New-Yorker Methodiften um Prediger einlief, — „mir würden
unfere Röde und Hemden verkaufen, um die Weberfahrt zu bezahlen”, fchrieben die
Petenten, — fandte er zwei Prediger Richard Boardman und Joſeph Pillmoor nad
Amerila. In den nächſten Sahren folgten noch mehrere andere, unter welchen bejonders 10
Francis Asbury und Thomas Rankin zu nennen find, da fte die eigentlichen Leiter des
rafch ſich ausdehnenden Werkes twurden. Erfterer war ein unermüdlicher Neileprebiger,
voll heiligen Eifer und berzlicher Liebenswürdigfeit, dabei ein vwortrefflicher Menſchen⸗
fenner und ein organijatorisches Talent eriten Ranges, legterer ein ftrammer Disziplinär,
dem Wesley bejonders die Durbführung der methodiftifchen Gemeindeordnung aufgetragen 15
batte. Es handelte ſich hauptfählid um die Einführung des fog. Klaſſenſyſtems, wodurch
die Ginzelfeeljorge aud in Abweſenheit der Prediger ermöglicht wurde, ſowie um das
regelmäßige Reifen der Prediger und ihren Wechjel. In England mußten die „Helpers“
oder „Circuit Preachers“ alle ſechs Monate wechſeln, die „Assistants“ oder Superinten-
denten über Bezirke alle drei; in Amerika zeigte ſich die Neigung einiger Prediger zu 20
einem dauernden Paſtorat. Der Umfiht Asburys und der Entichloffenheit Rankins ıft
es zuzufcreiben, daß diefe Eigentümlichkeiten, welche trefflich geeignet waren, die in fo
kurzer Zeit über ein großes Ländergebiet ſich ausbreitende Bevölkerung religiös zu beein-
Außen, und welchen der Methodismus nicht zum mindejten feinen Erfolg verdankt, ihm
von Anfang an gewahrt blieben. Eine weitere Frage, welche bis zur Organtfation der 26
Gemeinden zu einer felbititändigen Kirche Meinungsverfchtedenheit bervorrief, betraf die
Berwaltung der Sakramente. Wesley wollte weder in England noch in Amerika eine
Kirhe gründen und hatte deswegen jeinen Predigern das Austeilen der Saframente
unterjagt. Asbury ſowie die anderen englifchen Prediger gingen in die Epiffopalfirchen
zum Abendmahl, felbft wenn die betreffenden Geiftlihen den Methodiſten feindlich gefinnt so
waren. GStrambridge, der fchon vor Ankunft der Emiffäre Wesleys das Abendmahl aus:
geteilt hatte, weigerte fich davon abzuftehen, und überall in Maryland und Birginia be:
ftanden die Gemeinden darauf, daß ihre Prediger auch die Saframente verwalteten. An
der eriten, zu Philadelphia am 14. Juli 1773 abgehaltenen Konferenz wurde die Autori-
tät Wesleys anerkannt, feine Vorfchriften angenommen und den Predigern unterfagt, die 86
Saframente zu verwalten. Auf jener Konferenz waren 10 Prediger anweſend, alles
Europäer (der erſte amerifanifche Prediger W. Watters war nicht anweſend, erhielt aber
eine Beltellung), angegeben wurden 180 Glieder in New-York, 180 in Philadelphia, 200
in New-Jerſey, 500 in Maryland und 100 in Virginia, zufammen 1160. Auf der nädjit-
jährigen Konferenz wurde auch der mesleyanifche Reifeplan durchgeführt. Kein Prediger «d
durfte länger als 6 Monate an einem Orte bleiben; die Prediger in den Städten mußten
alle 4 Monate wechſeln.
Die Stürme des Unabhängigkeitstrieges fchienen die Entwidelung des Methodismus
aufs äußerfte zu bedrohen. Nicht nur, daß durch die politiichen Ereigniffe ſowie infolge
des verrohenden Einfluffes, den ein lange dauernder Krieg ftet3 auf manche Schichten der 4
Bevölkerung ausübt, die religiöfen Fragen zurüdgedrängt wurden, fondern da die meilten
Prediger Engländer waren, demnach zu den Loyaliften oder Tories gehörten, jo wurde
der Methodismus al3 ein engliches Öetwäche betrachtet, und je drohender die politifche
Lage wurde, deito mehr wuchs das Mißtrauen. Einige Prediger waren jo unklug, ihren
Sympathien mit England offenen Ausdrud zu verleihen, und ale Wesley im Jahre 1775 je 50
verleiten ließ, ein politifches Flugblatt gegen die Unabhängigkeit der Kolonien zu fchreiben
(A calm address to our American Colonies), da wurden die Methodilten allgemein
als Landesfeinde betradhtet. Die Prediger wurden von Volkshaufen angegriffen, manche
„getheert und gefebert”, andere arretiert. Die meiften fehrten, wie auch die Getitlichen
der Epiffopallicche nad) England zurüd. Nur Asbury blieb, dody auch er mußte fich 55
monatelang verborgen halten, humal da nad) der Unabhängigfeitserflärung (4. Juli 1776)
Loyalität gegen England als Hochverrat bejtraft twurde. Während der letzten Kriegsjahre
wirkten die amerikaniſchen Prediger namentlich in den füdlichen Staaten und getvannen großen
Anbang. Manche der bedeutenbften Prediger der erjten Zeit, wie Seile Lee, Freeborn Garret⸗
ion, Benjamin Abbot, C. Pedicord u. a. ſchloſſen fich in jenen Jahren den Methodiſten an. eo
1"
a
4 Metgebiseuns iu Bmerle
Die religiöfen Zuftände der jungen Reyublid boren em Tauriges Bil. Viele Pre
Diger hatten ihre (Hemeinden verlaffen unt als Kanıanı ode: Zriraer der Armee ge
dient. Manche Kirchen waren zu Spitalern umacmankeh, re iont inter einentlichen
Amede entfremdet worden. So waren ven ben ]4 Xmmer pa Zum Iar-Nf mur
snod) 9 zu gebrauchen; von 95 Kirchipielen der Erima m Iuamız muren 34
ala Prediger und 23 ganz aufgelöft; von 41 Gemzier meer mr 28 auf ihrem
Poſten. Daß bei diefem Mangel an geiftlicher Tiflege ne Time icher me su münjden
uͤbrig lieh, Legt auf der Hand. -—- Ter neue Stau Kur m ner Icmer emer Staats
kirche gänzlich gebrochen. Keine Kirchengemeinfchaft wurt: rracd anerfamnt,
0 noch mit Geldmitteln unterftügt. Religion war Prwariadxe = Ne Sur, tu die Pflege
des religiöfen Yebens ſowie die Aufrechthaltung aller furklicdee I razeitenenen gänzlich
dem freien Willen der Bürger anheimgeitellt war (vgl. Constitution of the United
States Art. VI, Seo. 3 und Amendment I. Zcaff, Church and State in the
U.8.). Unter diefen Umſtänden betonte Asbury in feinen Berichten an Beslen die Not-
u wendigkeit einer befonderen Tirchlichen Organifattion und befürwortete eine brichöfliche Re:
glerungsform. Da oft bunderte von Meilen weit fein ordinierter Getftlicher zu finden
var, h hatten die Prediger in den Sübdftaaten fehon 1779 ein Komitee organiftert,
welches die Sakramente verwalten und das Necht haben follte, ‘Prediger zu dieſem Zwecke
zu ordinieren. Auf dev Konferenz zu Leeds 1784 entiprach Wesley Dem Verlangen feiner
a amerifanischen Anhänger. Er ordinierte die Prediger Whatcoat und Vaſey als Pres-
byter (Alieſte) für Anerika und fegte folenn durch Auflegung der Hände und mit Gebet
Dr. Thomas Cote, Preobyter in der Kirche Englande, ale Zuperintendenten ein, „um Die
Aufſicht über die Herde Chriſti in Amerika au führen.“ Ferner beauftragte er ihn, Asbury
als feinen Mitfuperintendenten einzufegen (pl. Kirchenordnung, Geſchichtliche Darftellung).
35 Das RNecht Wesleys, Diefe Ordination anzunehmen, iſt ſeitens jeiner Tirchlichen Gegner
heftig beftritten worden. In feinem Schreiben an Dr. Gofe, Mir. Asbury und die Brü-
der in Nordamerika führt er aus, wie feine Studien über die primitive Kirche ihn fchon
vor „Jahren überzeugt bätten, daß Bifchöfe und Preobyter in demfelben Urdnungsrange
ftehen und folglich das gleiche Necht zu urbinieren haben. Er babe ſich aber geweigert,
so in England diefes echt au gebrauchen, weil er die Ordnung der Nationalficche, zu der
er gehöre, nicht übertreten wollte. „Aber die Verhältniffe in Amerika find von denen in
England ſehr verjchieden. Meine Skrupel Ind deshalb bezüglich der amerifanifchen
Staaten zu Ende, und ich glaube bier in vollfommener Freiheit bandeln zu fünnen, da
ich keine Ordnung übertrete, noch in jemandes Nechte greife, indem ich Arbeiter in die
85 Ernte ſende . .. Wenn Einer einen vernünftigeren und ſchriftgemäßeren Weg anzeigt,
g will ich ihn gerne einſchlagen. Es iſt freilich vorgeſchlagen worden, die engliſchen
Jiſchöfe zu erſuchen, einen Teil unſerer Prediger für Amerika zu ordinieren. Aber zu
Dielen Anſinnen kann ich mich nicht verfteben, 1. weil ich den Biſchof von Yondon er:
h Me, aber nicht bewegen konnte, auch nur einen unferer Prediger zu erdinieren; 2. wenn
ao fie wirklich einwilligen, ſo willen wir beftimmt, daß fie zu langfam zu Werke geben,
während unſere Angelegenheit feinen Aufſchub erleiden darf; 3. mürden die englijchen
Biſchöfe unſere Prediger ordinieren, fo würden ſie ebenfall® ertvarten, Autorität über fie
auszuüben, und in welche Schwierigkeiten würde und das verwickeln; 4. da unſere
amerikaniſchen Brüder jeßt gänzlih vom engliſchen Staate und ven der engliichen
45 Hierarchie befreit find, jo Dürfen wir fie nicht wieder weder mit dem einen noch mit Der
anderen verftriden. Sie baben völlige Freiheit, einfach der Schrift und der primitiven
Stirche zu folgen. Und wir halten es für das Befte, daß fie nun befteben in der Frei:
heit, womit Gott fie fo wunderbar befreiet bat.“ (Wesley, Works VII, 311f.).
Coke landete mit feinen Gefährten am 3. November 1784 in New-York, reifte gleich
so nad Delaware, mo er mit Asbury zufammentraf, und berief alle Prediger zu einer
Konferenz nad Baltimore. Am 24. Derember 1784 kamen gegen 60 Prediger in der
Lovely Lane Chapel zu Baltimore zufammen, und an jener og. Weihnachtskonferenz
wurde die Bifchöflihe Methodiſtenkirche organifiert. Die Bejchlüffe diefer Konferenz
wurden unter dem Titel: „Kirchenordnung für die Prediger und anderen Glieder der
55 bifchöflichen Methodiftenfirche in Amerika”, Philadelphia 1785, publiziert. Nebſt den
. Ölaubensartifeln, Negeln u. f. w. enthielt die Kirchenorbnung auch die von Wesley ab:
gekürzte Liturgie (Sunday Services) der anglitanifchen Kirche, welche regelmäßig ge
braucht werden Jeke Diejelbe fand jedoch feinen Anklang, und nad 1792 verſchwindet
fie aus der Kirchenordnung. An Stelle des Titeld Superintendent trat 1788 die Be-
0 zeichnung Biſchof, „da die Überjeger unferer Bibel das Wort Bischof ftatt des Wortes
Methodismus in Amerika 5
Superintendent angewandt haben, fo fchien e8 uns fchriftgemäßer zu fein, die Bezeichnung
Bischof zu aboptieren.” (Bangs, History I, 166). Asbury hatte nur unter der Bes
dingung in feine Ordination eingewilligt, daß die Konferenz ihn zum Bilchofsamte er:
wähle. Bei der Ordination affiltterte der Pfarrer Otterbein von der deutfchen reformierten
Kirche, ein warmer Freund Asburys. Die neue Kirche zählte etwa 15000 Glieder. 6
Die nächſten Jahre zeigen ein rafches Ausbreiten des Methodismus, namentlich in
den Neuengland-Staaten (durch elle Lee), in Kanada (wohin Barbara Held, Ph. Em:
bury u. a. gezogen waren), auch in Neufchottland und Weſtindien. Die unermüdlichen
Reifeprediger \ gten auch den Zügen der Anftedler, welche über die Alleghenygebirge
nach dem Weiten gingen und den Örund zu den großen Staaten de3 mittleren Weſtens 10
bis zum Miffiffippi legten. Wiederum waren es zumeift eifrige Laien, Ermahner und
—— welche Klaſſen und Gemeinden gründeten. Die Statiſtiken für 1792 jeigen
266 Prediger und ca. 66000 Glieder, für 1812 688 Prediger und 195377 Glieder.
ALS Prediger werden nur die aktiven NReifeprediger angeführt, nicht die Lokalprediger.
nfolge der Strapazen, mit mweldyen damals das beftändige Reiſen verbunden mar, faben 16
ich jedes Jahr manche genötigt, aus den Reihen der Reiſeyrediger auszuſcheiden und als
Lokalprediger (ſiehe über dieſelben ſpäter) zu wirken. it dem Wachstum der Kirche
mußte auch die Organifation weiter ausgebildet werden. Zuerſt gab ed nur eine Konferenz,
zu welcher alle Prediger gehörten, * mußte dieſelbe in eine nördliche und ſüdliche,
dann in noch mehrere geteilt werden. Auf 1792 wurde eine zweite Generalkonferenz ein= 20
berufen, welche die ganze Kirhenordnung noch einmal gründlich beriet, manche Einzel-
heiten feſtſetzte und ejlimmte, daß alle 4 Jahre eine Generallonferenz, beitehend aus
allen Predigern als oberite Kirchenbehörde tagen ſolle. Die Frage nach der Autorität
der Biſchöfe, ſpeziell ihr Recht, den Predigern ihre Arbeitsfelder anzumerfen, führte zur
eriten Trennung. Ein Prediger D’Kelly zog fich zurüd und gründete die Republican 35
Methodist Church, die ſich aber nach einigen Jahren fchon auflöſte. Die General:
fonferenz von 1796 teilte das ganze Werk ın 6 Konferenzen ein und traf auch Be
ſtimmungen betreff3 des Kircheneigentums, eines kirchlichen Verlagshaufes, des Erziehungs:
weſens, —* der Stellung zur Sklaverei und zum Handel mit geiſtigen Getränken. Im
Jahre 1808 erhielt die Organiſation durch Beſtimmung der Zuſammenſetzung und Rechte der 80
Generalfonferenz ihren vorläufigen Abſchluß. Da die machjende Eh U der Prediger, fo:
wie Die räumliche Ausdehnung der Kirche es bald unmöglich machte, daß alle Prediger
an der Generalfonferenz teilnehmen konnten, fo wurde eine Delegierte Generalfonferenz
angeordnet, die aus je einem Delegaten auf je 5 Glieder der jährlichen Konferenzen be:
ſtehen follte. (Mit dem Wachstum der Kirche wurde die Ratio der Vertretung erhöht, 86
jegt ein Delegat auf je 45 Prediger.) Um baftige Gejehgebung zu verhüten, wurden
durch die fog. 6 restricetive rules die Rechte der Generalfonferenz beichräntt. Am
1. Mat 1812 verfammelte ſich die erfte delegierte Generallonferenz und feit jener Zeit
tritt dieſe Körperfchaft alle vier Kahre im Monat Mat zufammen. Die Kirche war nun
nach innen und außen fo eritarkt, daß tweder der Tod Wesleys (2. März 1791) noch der 40
Wegzug und Tod von Bifchof Coke (15. Mai 1814), noch von Biſchof Asbury (31. März
1816) eine Störung ausüben konnte. Bifhof Thomas Coke, geboren 9. September 1747
zu Wales, wurde in Orford zum Kirchendienft erzogen. Als Vikar gelangt er zum per:
ſönlichen Heilsglauben, wurde wegen feiner evangeliftifchen Predigten feines Amtes ent-
jest, ſchloß ich darauf ben Methobiften an und wurde bald die rechte Hand Wesleys. 45
Er war die Seele aller Miffionsunternehmungen der Wesleyaner und Treuzte felbjt den
Ozean 18male, die Reifeloften aus eigenen Mitteln beftreitend. Auch nach feiner Or⸗
dination als Slot der Kirche in Amerifa machte er mehrere Reifen nad England und
wurde auf Erjuchen der englifchen Konferenz im Jahre 1796 von der amertlanifchen General:
fonferenz auf unbeftimmte Zeit beurlaubt. 1813 begab er fih auf eine Miſſionsreiſe bo
nah Ceylon und wurde am 15. Mai 1814, vom Schlage getroffen, tot in feiner Kabine
gefunden. Bifchof Francis Asbury wurde am 20. Auguft 1745 ald Sohn mwesleyanifcher
Eltern in England geboren und zeigte ſchon von feiner Jugend an großen Eifer und
Arbeitswilliglet. Während jeiner Wirkfamfeit in Amerika prebigte er etwa 16500 mal,
ordinierte mehr als 4000 Prediger und legte zu Pferd und Wagen über 270000 Meilen 56
wrüd. Er ftarb am 31. März 1816, feine Leiche wurde nad Baltimore gebracht und
während der Generalkonferenz unter großer, Beteiligung begraben. Wesley, Whitefield,
Cofe und Asbury werden mit Recht als die 4 bedeutendſten Repräfentanten der metho=
diſtiſchen Bewegung bezeichnet.
2. Ausbreitung und Abzweigungen. Mit der wachſenden Bevölkerung des 60
hi Meihndiemus in Amerifa
Yanbes hirlf aucde bie Au-lreifung bes Metborienms Schritt, und je nachdem es die Be-
durfniſſe ferernfich mahblen, ande bie Airchenverfaſſung weiter ausgebildet. In feiner
VLebre umd in heim Gigenſfümlichfeilen iſt der Mefhodiomus einbeitlich achlichen, Doch
leſten Jul tet on. heemäaßigleifegründen, teils aus Meinungoverichiedenbeiten über
mlirchenrechtlube Auen rinzeine Leile von Der Miutterlirche, der biſchöflichen Metbodiften:
tue (Meothedist Bpiseopal Church) lo und bildeten ſelbſtſtändige Kirchengemein—
ſhaften In ven. Lereinigen I taten eriſticven 17 verschiedene Zweige des Metbodis⸗
Ele, in Melanie gumnn anfaben find nech 4J Mirden ale verwandte TDenominationen
u zahlen Ya vr Peilbobi. mim In viele able, Bat er mit allen amerifantichen
18 Kuchen gemein unterſcheiden ja auch die Lutheraner in Amerika 21 3weige. Die Pros:
mn 12 da Vaptiſten 13. ſogar die Katholiken 7 und liegt m Der Natur Der
ter fanden firdiden Berbältin Nr eründet An den älumenifchen Kenferenzen. melde
alle ter Saba gehalten werden edie erſte fand 1881 in London flatt, Me zweite ISO] in
Waſhingien. Me Brittv POT wieder in vondon. 4. Proceedings of the nie
ib Methorlist Confereneo), betei N ſich ſämtliche Incthodiftiide Gememichafte ften und bringen
dee das Vewußlticin ihrer Zuſanimengebsrigkei: num Auodruck Tie — ichiedenen
Prey telien wir ihrer Eir an nah in Folgende ren:
N Inibitftandian Kirhen unter Der Menerberelferung Die ° Keger, melde
it on omhet Zahl den Methodiſten anichloſſen. bilſdenen antänalic keine geienderten
RD Gerreinden. Sondern — in malen Gemeinden an, mußten ſich aber, wie in
ale Kirchen Deo Landes, sr Titen om Der Gallere Ösnmügen und durften feine Wer:
anzrbetgen fu Tub Nat en Bold wurde Das Nerlaraen nach eigenen Gemeinden mit
iriier Bars * a BT Be Sy Syaamianen folgender Kirchengemeinſchaften.
Vtriean Methedist Episeopal Zion Church. Diseipline of the
» Atıcau WY Zen d’lwrch, Bishop Hoi, One Hundred Years of the African M. E.
um Church Nor db ts, Vaır Hietarı of the African M. E. Zion Church.
dr nn SSH.
Die Entitchung »rird en der Einleinma un Kirchenordnung wie folat berich:e::
BEATS On ver!tuder:! Da tarbisen (Nheder der Kirche in New: Mort dus Abendmabl
ana arımtan beein Welten dasieibe genoßien hatten. Dieſes ſowie der Wunſch nad
Dean. era ah kehlneiser: EN, mranlaßten ſie, ſich au organiſieren. Sie
yo htm str. mel Sie „gien nannten. ſtanden aber in den eriten Jabren
nad Merken us Sa Miygserfärche, deren Bilchöfe ihre Prediger ordiniwrien un?
samen Den Ss Sedo Fefbieinbia. In Lebre und Ordnung itimmen tie Fakt
wa. te Ni bie Basen Mebodittenfirdw überein. Sic zählen (1m 5755 Bre
San, este vn Sirdenzchiute im Werte von ca. 3°, Millionen Tollar:
yernaiı 2 SJemgufun ‚The Star of Zion“ unt African M. E. Zion Ouanerls
a a Ye Liringstone College in North Carolina und 4 ‚High
Selle R. N, Meisoeie Arata haben ſie innerhalb der letzten 10 Jahren Jon Dollar
Uni sy ae Methodist Episcopal Church. Geagrunde: 8:
cn Dos sye, de die dortigen farbigen Methodiiten einen aus ihrer Min.
de ETTONLN Se lete Statiſtik item acht 125 Rrediger. Them Gil
— DE nd
«& KR — — Episcopal Church. Diseipline of the Atrica
ee E sehen ad Aumdatien of the Afriear M. F. Church. Vriladelphtig ISer
— v0 Nenn, Ftbe African M. F. Church. Wincinnat: IST: Payı.
> " Arien m F Cderch Wafhnille In;
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Fu ** fſmab Dr une Auimñcht von weiker Yrhaom nal) sro
ee — u zsıe aniſierte ſi. Ne au emer umafnanzızım Nırzm
N ade u de aus und Fr peute di. Grhekruse Snenen,
— Ira = N) 6 Ronferenen. San Krediset HTn des Orc
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Hd, amt Justtaosmuı Dollaı Ip Kirche Kern m No
fur die Zehmarsei, von ISS;o Hear Ne) men
Bee aus. Nr Kdunndt Schu!l en Wilher.
| Zi beteiosem Buiciseichee: oo Lmlabeesss 1
——— „The Christiar. Recorder” reraus un: were We
68 Missions" ım! „Woman's Lirhr and Lowe 1:
Methodismns in Amerika 7
Heathen Africa.” hr Arbeitsgebiet umfaßt auch Bermuda, Guiana, Trinidad,
St. Thomas, Hayti, Liberia und Sierra Leone.
4. African Union Methodist Protestant Church. Entitand zur felben
Beit wie die African M. E. Church. (1816), doch Tamen bier nebit der Raflenfrage
noch Meinungsverfchiedenheiten bezüglich der Kirchenverfaflung in Betracht, indem dieſe 5
Gemeinden die bifchöfliche Negierungsform, das Reiſepredigerſyſtem und ein falariertes
Predigtamt verwarfen. Sie zählen (1900) 106 Prediger, 3563 Glieder, 88 Kirchen.
5. Zion Union Apostolie Church. Gegründet 1869 in Pirginia. Gie
zählen (1900) 30 Prediger, 2346 Glieder, 32 Kirchen.
6. Colored Methodist Episcopal Church. Discipline of the Colored 10
M. E. Church; Minutes of the General Conference of the Colored M. E. Ch.; Holsey,
Manual of the Discipline; Hamilton, Handbook on Church Government of the Colored
M. E. Church; C. H. Phillips, The History of the Colored M. E. Church. Sadfon,
Tenneffee 1898.
Sft ein im Dezember 1870 augamjerer Zweig der M. E. Church South. Nach 15
dem Bürgerkriege verlor die füdliche Kirche, welche ganz auf feiten der Sezeſſion ge:
ſtanden, ſehr viele ihrer farbigen Glieder, da dieſe es vorzogen, fich mit einer der jelbit-
ftändigen Negerkirchen zu vereinigen. Im Jahre 1860 zählte die füdliche Kirche 207 766 farbige
Glieder, 1866 nur noch 78742. Daher beichloß die Generalfonferenz im Jahre 1866 die
Negergemeinden zu einer felbititändigen Denomination zu organifieren. Der neuen Kirche 20
wurde alles Kircheneigentum, welches bisher von Ictvargen Gemeinden benütt worden
war, im Werte von ca. 1’, Millionen Dollars gejchentt. Sie zählt (1900) 19 Kon-
ferenzen, 2061 Prediger, 204972 Glieder, 1433 Kirchen. Ahr offizielles möchentliches
Organ „The Christian Index“ erjcheint in Jackſon, Tenneffee. In ae und Kirchen:
rbnung ftimmt fie vollftändig mit der bifchöflichen Methodiſtenkirche des Südens 26
erein.
7. Congregational Methodists, Colored. Die jelbititändigen farbigen
Gemeinden der Congregational Methodists. Es find nur 5 Gemeinden mit 319
Gliedern.
8. Evangelical Missionary Church. Gegründet im Jahre 1886 in Ohio 80
als ein Zweig der African M. E. Church 48 Prediger, 2010 Glieder, 13 Kirchen.
Außer diefen Denominationen haben drei der „weißen“ methodiftifchen Kirchen ein
blübendes Werk unter der farbigen Bevölkerung, nämlich die Mutterfirhe (M. E. Church)
mit 2984 Kirchen und 246249 Glievern, die Methodist Protestant Church mit
54 Gemeinden und 3183 Gliedern und die. Independent Methodists mit 222 Glie- 86
dern. Die durchfchnittliche Bildung ſowie die religiöfe Erkenntnis der Neger ift niedrig,
doch haben die verjchievenen Schulen und Kirchen jchon fehr viel zur Hebung der ſchwarzen
Raffe beigetragen. Ob die Neger fchon zur fir den wie Staatlichen Selbitvertwaltung
reif find, dürfte bezmeifelt werden. Kenner der ſüdlichen Verhältniffe behaupten, daß die
jenigen Negerfirchen, welche unter der Aufſicht von Weißen ftehen, durchweg beſſere Ar: «o
beit leiften als die ſelbſtſtändigen.
B. Abzweigungen wegen Berfaffungsfragen. Drinkhouse, History of Me-
thodist Reform, Baltimore 1899.
9. Methodist Protestant Church. Discipline of the Methodist Protestant
Church; T. Colhouer, Sketches of the Founders of the Methodist Protestant Church and 45
its Bibliography, Pittsburg 1880; Basset, A. Concise History of the Methodist Protestant
Church from its Origin. 2. Edition, Pitt3burg 1882.
Die Organifation diefer Kirche, zu Baltimore, Md. am 2. November 1830 bildete den
Abſchluß langer und aufregender Kämpfe über die Frage nach der Gleichberechtigung der
Yaien in der Sirchenregierung und der Machtbefugnifle der Bifchöfe. Eine machjende so
Partei verlangte gleiche Vertretung der Laien in den jährlichen Konferenzen und in der
Generalkonferenz und forderte, daß die vorſtehenden Alteſten (Presiding Elders) nicht von
den Biſchöfen angeftellt, fondern von den Konferenzen erwählt werden. Die General:
fonferenzen meigerten fich dieſem Verlangen nachzugeben, die Agitation wurde heftiger,
ganze Gemeinden nebit ihren Predigern zogen fih zurüd und ſchloſſen jich zu Union 55
Societies zujammen, eine Zeitichrift „Mutual Rights“ wurde 1824 gegründet, 1830
wurde eine feparate Kirche organiſier. Die Methodist Protestant Church ftimmt in
allen Yehrpunften mit der Wutterfirche überein, hat auch dieſelbe Kirchenordnung, nur
daß fie feine Bifchöfe hat, und daß fie in allen ihren Konferenzen Laienvertretung zuläßt.
Tie erjte Generaltonferenz fand 1834 ftatt, und auf derfelben wurden 14 jährliche Kon- o
ferenzen mit über 500 Predigern und gegen 27000 Gliedern angegeben. Sie ift jebt
8 Methodismus in Amerika
(Bericht der Generalfonferenz 1900) herangewachſen auf 181310 Glieder, 1645 Prediger,
2001 Kirchen, 2042 Sonntagsfchulen mit 16680 Lehrern und 126031 Schülern. Der
Wert ihres Kircheneigentumg beträgt 4756721 Dollar. Sie bejist zivei Verlagshäufer,
zu Baltimore, Mod. und zu Pittsburg, Pa., zwei möchentliche Organe The Methodist
& Protestant und The Methodist Recorder, außerdem mehrere Sonntagsfchul- und
Miffiongzeitichriften. Die Kirche unterhält 1 theologifches Seminar und 3 Collegien in
Amerika und treibt Miffion in Japan (12 Mifftionare und 15 eingeborene Helfer auf
19 Stationen. Seit 1894 eritiert auch ein rauenmiffionsverein (Sahreseinnahme
ca. 7000 Dollars), der 6 Milfionarinnen in Japan und 2 in Shanghai, China
10 unterhält. | |
10. Primitive Methodist Church. Dieſe Denomination ift ein Zweig des
engliichen Methodismus (fiehe d. A. Methodismus Bd. XII ©. 747). Sie wurde durd)
engliiche Einwanderer nah Kanada verpflanzt (1844), und kam von da aus nach den
Vereinigten Staaten. Sie zählte (1900) 3 Konferenzen, 74 Prediger, 6549 Glieder, 90 Kirchen.
5. 11. Congregational Methodist Church. Gegründet am 8. Mai 1852
von einer Anzahl Nrebiger und Laien der füblichen Methodiſtenkirche, da fie die kongre—
nationale Form des Kirchenregimentes der bifchöflichen worzogen. In der Lehre Stimmen
ie mit den übrigen Methodiften überein. Die meiften Gemeinden traten zu den Kongre-
gationaliften über, als diefelben nad) dem Bürgerfriege in den Südftaaten zu arbeiten be-
20 gennen. Sie zählten (1900) 325 Prediger, ca. 20000 Glieder und 330 Kirchen. Ihr
gan ift The Congregational Methodist.
12. Free Methodist Church. Doctrines and Discipline of the Free Metho-
dies Ferer bicago 1895; E. Bowen, History of the Free Methodist Church, Rocheſter,
ew⸗Vor
26 Seit etwa 1850 machte ſich hauptſächlich in den Staaten Ohio und New-York eine
Bewegung gegen die Logen und geheimen Geſellſchaften, ſowie gegen die vermeintliche
Verweltlichung der Kirche im allgemeinen geltend. Mehrere Prediger wurden in ihren
Angriffen auf die Kirche fo heftig, daß fie von ihren Konferenzen ausgeſchloſſen wurden.
Die Unzufriedenen gründeten am 23. Auguft 1860 zu Pekin, New-HYork eine eigene
80 Kirche. In der Lehre find fie Methodiften, fügen ihren Glaubensartifeln einen befonderen
über „Hetligung” bei (Article XIII Entire Sanctification) und haben ftrifte Regeln
egen geheime Gejellihaften und meltliche Vergnügungen. An Stelle von Bilchöfen
* ſie Superintendenten, welche auf 4 Jahre gewählt werden. Sie unterhalten Mif-
onen in Afrifa, Indien, San Domingo und Japan (Beiträge von 1890—94
86 23569 Dollar), befigen 1 College und 7 Seminarien (Vorbereitungsjchulen). Im Sabre
1900 hatten fie 922 Prediger, 27292 Glieder, 944 Kirchen.
13. New Congregational Methodists. Einige Gemeinden ber füblichen
Methodiſtenkirche im Staate Georgia traten 1881 aus und vereinigten fich unter diefem
Namen. Die meiften fchloffen fi bald nachher den Kongregationaliften an. Immerhin
40 zählen fie (1900) noch 192 Prediger und gegen 4000 Glieder.
14. Independent Methodists. Wit diefem Namen bezeichnen ſich 15 Ge-
meinden mit 2569 Gliedern in den GSüdftaaten, die in der Lehre Methodilten, in der
Verwaltung jedoch ganz unabhängig find. |
C. Spaltungen wegen der Sflavenfrage. Hy. Wilson, History of the Rise
46 and Fall of the Slave Power in America. 3 vols. Boftun 1872— 77; L. C. Matlack, History
of American Slavery and Methodism, 1849; E. Bowen, Slavery in the M.E. Church, 1859;
L. C. Matlack, Anti-Slavery Struggle and Triumph in the M. E. Church, 1881; L. M.
Hagood, The Colored Man in the M. E. Church, 1890.
Keine andere Frage hat in der erften Hälfte des Jahrhunderts in Staat und Kirdye
so mehr Kämpfe verurfacht als die Sklavenfrage. Die Kämpfe in beinahe allen Denomina-
tionen des Landes, welche zu einer Neihe von Spaltungen führten, waren ein Vorfpiel
der politifchen Sezeflton, welche den blutigen Bürgerkrieg entzündete. Die Methodiiten-
kirche hatte vor 1800 eine entichiedene Stellung gegen die Sklaverei eingenommen, indem
fie diefelbe als ein moralifches Übel verurteilte. “Die Konferenz von 1784 nahm einen
65 eingehenden Plan zur Abjichaffung der Sklaverei an; ter nicht innerhalb eines Jahres
jeine Sklaven freigab, follte von der Kirche ausgejchloffen werden. ie Bilchöfe Coke
und Asbury befuchten Präafident Wafhington und legten ihm eine Petition an den Kon-
greß vor, die Wafhington auch zu befürworten verſprach. Dieſe Beltrebungen ftießen
jedoh in den Südftaaten auf wachſenden Widerſtand, der ſtets bitterer wurde, zumal da
60 die moralifchen Fragen mit politifchen verquidt wurden. In den nördliden Staaten ent:
mn — non
Methodismus in Amerika 9
ſtanden die Abolitionsgeſellſchaften, die a trafen Gegenmaßregeln; einige verboten ſogar
Die Freigebung von Sklaven. Bon Jahr zu Rn wuchs "die Spannung. An den “ährlichen
Konferenzen und den Generalkonferenzen liefen Petitionen über Petitionen ein und riefen
heftige Debatten hervor. Die Konferenzen in Neu:England unterjtüßten . die politifche
Abolitionspartei, deren Beftrebungen von den dortigen kirchlichen Zeitſchriften befürwortet s
wurden; einige neue Zeitjchriften wie Zion’s Watchman und The True Wesleyan
wurden ins Leben gerufen und führten eine beftige, aufreizende Sprache. Seit 1832
gab es 3 Parteien in der Kirche, die ertreme Abolitionspartei, die Sklavenhalter und
die vermittelnden. Konferbativen. Mit Spannung ſah man der Generalfonferenz von
1840 entgegen. Doch da diefelbe Kompromißbeichlüffe aunahm, welche feine Partei be: 10
friedigten, jo fcehritten die Führer der Abolitioniften zur Gründung einer neuen Kirche.
15. Wesleyan Methodist Connection of North America. Discipline
of the Methodist Wesleyan Connection in America; Matlack, History of American Slavery
and Methodism from 1780—1849 and History of the Wesleyan Connection of America,
2. vols. New-York 1849, | | 16
- Organifiert 1843 zu Utica, NY. durch die Abolitioniftenführer Drange Scott, La
Roy Sunderland, 2. C. Matlad u. a. Der neuen Kirche fchlofjen ſich im erften Jahre
gegen 15000 Glieder aus den andern Methodiftenfirchen an, eine große Anzahl derfelben,
unter ihnen bie Leiter, Tehrten 1867 wieder zur Mutterlicche zurüd, nachdem die Sklaven:
frage endgültig befeitigt war. Sie zählt jegt (1900) 595 Prediger, 17201 Glieder, 0
506 Kirchen; bat ein Buchgeihäft in Syracuſe, N.:., wo ihr wöchentliches Organ
gan Methodist”, der monatliche Gospel Record und 4 Sonntagsſchulzeitſchriften
ericheinen. Ä
16. Methodist Episcopal Church South. Discipline of the M. E. Ch.
South, Naſhville, Tenn. 1898; Journals of the General Conference of the M. E. Ch. 3
South; Minutes of the Annual Conferences M. E.. Ch. South; Ritual, General Rules, and
Articles of Religion of the M. E. Ch. South; M. Tyeire, Manual of the Discipline, With
Episcopal Decisions Added; Th. O. Summers, Commentary on the Ritual of the M. E.
. South; Chas Elliott, History of the Great Secession from the M. E. Ch., Eincinnati
1854; History of the Organization of the M. E. Ch. South, Comprehending all the Offi- 90
cial Proceedings of the General Conference of Nashville 1845; Myers, Disruption of the
M. E. Ch. 1844—46, Comprising a thirty Years’ History of the Relations of the two
Methodisms, Najhville; Harrison, Methodist Union, Threatened in 1844, Formally dissolved
in 1848, Nafhville; Redford, History of the Organization oftheM. E. Ch., South, Nafhville
1871; Alexander, History of the M. E. Ch. South, New-York 1894 (Vol. XI American s5
Church History Series.) Mc Tyeire, History of Methodism, Naihville 1884; The Year
Book of the M. E. Ch. South, Naſhville 1900 (wird jedes Jahr publiziert). The Methodist
Review, Nafhville Tenn.
Maren es bei Gründung der Wesleyan Connektion die radifalen Elemente des
Nordens, welche fich von der Kirche loslöſten, weil diefelbe der Sklaverei gegenüber nicht «o
ittenge genug war, fo jollte es bald zu einer noch größeren Sezeffion des ſüdlichen Ele-
mentes kommen, dem die Kirche zu —* war. Der Brud erfolgte auf der General:
fonferenz zu New-York 1844. Diefelbe beitand aus 62 Delegaten von Sklavenftaaten
und 118 bon „freien“ Staaten. Es verlautete, daß einer der Bifchöfe, T. D. Andrei
Stlaven hg und auf direlte Anfrage gab er unumwunden zu, daß er durch Erbfchaft as
in den Befig von 2 Sklaven gelommen fei. Die Gefete jeined Staates (Georgia) ver:
bieten die Emanzipation, nad einem freien Staate oder nah Afrika wollten die beiden
nicht gehen, fte jeien nur gefeglich fein Eigentum, thatfächlich bewegen fie ſich mit völliger
Freiheit und er habe Teinen materiellen Nugen von ihnen. Ferner fei feine Frau Eigen:
tümerin mehrerer Sklaven, die fie aus erſter Ehe geerbt habe, die aber gefeglich ihr aus: so
Khließlich angehörten. Nach mehrtägiger jehr erregter Debatte (andere Debatten über die
Zklavenfrage waren jchon vorangegangen, bejonder® aus Anlaß des Appells eines Pre-
digers der Baltimorekonferenz, welcher wegen Beliges von Sklaven fuspendiert worden
war) wurde beichlofien, daß Biſchof Andrew von der Ausübung feines Amtes fo lange
abiteben folle, bis dies Hindernis befeitigt ſei. Die füdlichen Delegaten proteftierten da= 56
gegen und fündigten an, daß fie ſich trennen müßten, falls diefer Beichluß beſtehen bliebe.
Ta trog der eingehenden Crörterungen ſich fein Ausweg zeigte, die ftrittige Frage zur
allgemeinen Zufriedenheit zu ordnen, jo wurde ein Plan entivorfen, nad) welchem die
Teilung von ftatten gehen follte (Plan of Separation), fall die Südlichen Konferenzen
fich nicht fügen mollten. Am 10. uni vertagte ſich die Generalkonferenz, und am folgen: 60
den Tage hielten die ſüdlichen Delegaten eine Verfanmlung und beriefen eine Konvention
10 Methodismus in Amerika
1845 „, welche von ben Konferenzen der Sklaven:
auf ler Dee — neue be gegründet werben jollte, Auf jener Kon:
| Church, South gegründet, mit der fich
a =
Rieder vereinigten. Die im ichöfe, on
mit 6120° if 5329 Sofalprebiger 1464808 Fk 13940 Sor en
mit 849101 Scülern, 3382 —— mit 119748 Gliedern.
Über ine — und ðin
ener Zeit hat die G (der Dh odi ugenommen.
Ei 3 im Jahre 1901 19 ra 4 5* öfe, en ;ährliche K jo sun ‚17752
15 rg an — ed ieder, 32119 Gonntag ** len mit
ebäube im Werte von 126273871 Dollar und
T120e —— = von 19486073 Dollar. Nachdem die Wunden,
ent gr —* bürgerlichen und politifchen Leben der —* mo lagen bat,
con Verhältnis der beiden Hauptzweig ethodismus
0 we u Sram cn Fr Heut es und brüberliches ———— Die et ber organischen
erörtert und gewinnt an Befürwortern. Die General-
— beiber —— \aben eine „Commission on Federation“ ernannt, und jo-
mit mag die Wiedervereinigung in ab jehbaver eit zu ftande fommen,
Die des amerikanischen M Sbismug, chließlich feiner auswärtigen
3 eg beträgt nad) der Statiftil der dritten öhumenifchen onferenz (September 1901)
42064 Neifeprediger (im Jahre 1881: 32632; 1891: 39974); 46884 Lolalprediger;
6437361 Glieder (im Jahre 1881: 4999581; 1891: 5384194); 62030 Kirchen im Merte
von über 180 Millionen Dollars; 62409 Sonntagsichulen mit 5091987 Schülern.
D. Methbodismus e Kanada. Euren 'E ‚History of Methodism in Canada,
30 Toronto 1862; Fi of Me Canada, Toronto 1881; Ryerson,
Canadian Methodism and Characteristies, Zoronto 1882; Carmichael, era
Union of Canadian Ohurchen Montreal 1887; Proceedings of the Annual Conferences of
the Methodist Church, Toronto. (Wird ſahrlich publiziert.)
1. Methodist Church of Canada, Der Methodismus wurde ſchon im 1763
35 2 iiche Einwanderer in at are eingeführt, im Jahre 1771 in Neu-Scyottland.
ftlihen Provinzen umeift bon —* land aus mit Predigern verjeben,
die ee Teile de du amerikanische Kofoni ten befiedelt wurden und in
nike Verbindung mit der M. E. Ch. blieben. (Am Yabre 1774 fiedelten Ale Embury,
Barbara Heck und andere Pfälzer bei Montreal an; der erfte gi eifeprediger,
MW. Blad, wohnte der Weihnachtsfonferenz zu Baltimore —8 ald wurde auch unter
den Inbianern miſſioniert. Durch den Krieg von 1812 —*— En land und den Ver—
einigten Staaten) wurde das Werk empfindlich geftört; die amerikanischen Prediger *
Kanada verlaſſen; manche Gemeinden blieben ohne — und — ſich nach Eng-
land, von mo aus fie kirchlich verſorgt wurden. So faßten auch die (engliſchen) Wes-
45 Iopaner Teen Hu in Kanada. Auch nach Beendigung des Krieges fonnten die Ge
ni geſetzlichen Nechte erlangen, da fie unter Kontrolle einer
—— —5* Im Jahre 1824 wurde eine ſeparate Konferenz von Kanada
organiſiert, und durch die —S— von 1828 erhielt das kanadiſche Werk völlige
digleit. Die Mesleyaner, Die Ir unter dem Namen Wesleyan Methodist
650 Church in British North America organifiert hatten, dehnten ſich befonders in den
öftlichen Provinzen aus, Etwas fpäter wurden durch Einwanderer von England einige
andere Zweige bes englifchen Methodismus eingeführt, die Wesleyan New Connection,
Primitive Methodist Church und Bible Christian Church. Im Sabre 1874 vereinigten
fc die Wesleyan New Connection und die Wesleyan Methodist Church, 1883
— oſſen ſich die drei anderen Zweige dieſer Vereinigung an und bilden seitdem die
odist Church of Canada. Die vereinigte Methodiftenkirche zählte 1633 Prediger,
169 803 Glieder und beſaß Kiccheneigentum im Werte von 9130807 Dollar. Im Jahre 1900
betrug ihre Gliederzahl 284901, die Zahl der Prediger 2032. Die Kirche treibt Miffion
unter ben Indianern, Ehineſen und aneſen Canadas und auch in Japan (34 Miſ—
60 fionare und 2355 Glieder) und Weſt-China (7 Miſſionare). Sie unterhält im ganzen
Methobismns in Amerika 11
533 Miffiongftationen mit 647 Miffionaren und Helfern. Im Sabre 1900 betrug die Mil:
fionstollefte 265979 Dollar (jiehe 77% Annual Report of the Missonary Society
of the Methodist Church, Toronto 1901). Die bedeutendite Hochichule iſt Victoria
University zu Toronto, ferner find 9 andere Schulen mit 2201 Studenten unter Leitung
der Kirche (ſiehe 17th Annual Report of the Educational Society, Toronto 1901). 6
Buchgefchäfte befinden fich in Toronto, Halifar und Montreal, wo die offiziellen Organe:
The Christian Guardian, The Wesleyan, The Methodist Magazine, The Epworth
Era, publiziert werben. |
2. British Methodist Episcopal Church. Die Gründung diefer aus
Negern beitehenden Gemeinfchaft fand im Jahre 1856 ftatt, in welchem Jahre die kanadiſchen 10
Gemeinden der African M. E. Ch. felbititändig organifiert wurden.
E. Berwandte Kirdben. 1. United Brethren in Christ. (Pereinigte
Brüder.) Discipline of the Church of the United Brethren in Christ, Contains a state-
ment of the Origin of the Church, Confession of Faith, the Constitution, and the Rules
of Government. Aud; in Deutidh.; Drury, Disciplines of the U. B. in Christ from 1814 15
till 1841; Minutes of General Conference of the U. B. from 1873—1897 ; Naft, Katechis⸗
mu3 für die deutichen Gemeinden der U. B. in Chriſto; Frig, Leitfaden aut Kirchengeſchichte
und der Entſtehung und Lehren der Kirche der U. B. in Chriſto; Kephart, Manual of Church
Discipline; Weaver, Practical Comment on the Confession of Faith of the U. B. in
Christ; Shuey, Handbook of the U. B. in Christ; Daniel Berger, History of the Church %
of the U. B. Prepared and published under the direction of the General Conference;
Year Book of the U. B. (wird jebes Jahr herausgegeben); Drury, Rev. Philip William
Otterbein, Founder of the Church of the U. B. in Christ. — (Säntlih eridienen zu
Dayton, Ohio im Berlag des U. B. Publishing House).
Die Gründung diefer Gemeinschaft, zuerft vielfach „deutiche Methobiften” genannt, 2
führt zurüd auf den zu Dillenburg, Naffau, im Jahre 1726 geborenen und in Deutfchland
theologiſch ausgebildeten Philipp Wilhelm Otterbein. Er wanderte im Jahre 1752 nad) Lancaſter
Co. Penniylvania aus und wirkte dort als reformierter Paſtor, bi er durch Vermittelung
von Bifhof Asbury, mit welchem ihn herzliche Freundichaft verband, an eine deutſche
reformierte Gemeinde nad) Baltimore berufen wurde. Otterbein ſowie der lutherifche 80
Paſtor Smoop fchloffen fih an Asbury an und folgten in ihrer Wirkſamkeit dem Bei-
ipiele der Methodiſten. Sie ftießen bald auf Widerftand, doch ſchloſſen fich gleichgefinnte
Paſtoren ihnen an, die fi) vom Jahre 1789 an zu regelmäßigen Konferenzen zufammen fanden.
Unter diejen befand ſich Martin Böhm, beffen Großvater ala Pietift in feiner Heimat,
der Schweiz, verfolgt worden und nad der Pfalz zu den Mennoniten geflohen war 86
(. Hy. Böhm, The Patriarch of One Hundred Years, New-York). Im Sabre
1800 wurde eine jeparate Organtfation unter dem Namen United Brethren in Christ
gegründet, Otterbein und Böhm wurden als Superintendenten oder Bifchöfe gewählt, die
Lehre und Kirchenordnung wurde feitgefegt und zwar in Anlehnung an die der Methodiften,
| mit welchen die neue Kirche alle Eigentümlichkeiten teilte. Sie wirkten anfänglic) unter «0
| den Deutfhen Pennſylvanias, wurden aber allmählich engliſch, fo daß jest nur 2 ihrer
| 48 Konferenzen deutich find. Eine Spaltung twurde im Jahre 1889 herbeigeführt, indem
eine Minorität der Prediger und Gemeinden eine von ber Gengauenfereng angeordnete
Verfaſſungsänderung nicht anerkannte und ſich als die eigentliche Kirche der U. B. profla:
mierten. Da die beiden Zweige in Namen, Lehre und bis auf wenige Einzelheiten in «s
Kirchenordnung übereinftimmen, nennt man die Majorität U. B. (New Constitution),
die Minorität U. B. (Old Constitution). Letztere zählen (1900) 619 Prediger und
26296 Glieder; eritere 1833 Prediger, 239639 Glieder. Sie befiten 3235 Kirchen:
gebäude im Werte von 5343294 Dollars; unterhalten die Otterbein University, das
Union Biblical Seminary und 10 andere Schulen; treiben Miffion in Japan, Afrika, 50
Porto Rico und haben ein Werk in Deutichland. Seit 1875 eriftiert ein Frauenmiſſions⸗
verein, der bis 1899 273903 Dollar für Miffionszmede beigetragen hat. Seit 1899
Young People’s Christian Union mit 1791 Bereinen und 71547 Gliedern. Ihr
Buchgeſchäft befindet fih in Dayton, Ohio, wo das wöchentliche Religious Telescope,
„Der Fröhliche Botichafter”, „Quarterly Review“, „Watchword for Young People“, 65
ſowie mehrere Sonntagsjchulzeitungen verlegt werden. — Die Bereinigten Brüder find
n dem Artikel „Baptiften” als eine Nebenpartei der Baptiften in Amerika aufgezählt
worden (Bd. II ©. 390); fie ftehen jedoch in feiner Verbindung mit jener Kirche.
| 2. Evangelijche Semeinihatt und Vereinigte Evangelifheftirche fiehe den
Arrilel Evangel. Gemeinichaft. Bd. V ©. 667. 60
F. Der deutfhe Methodismus in Amerifa. „Der Chriftlihe Apologete“,
Bietbedidmnd in Amerika
stnn Werk Kirche. Gricheint wöchentlich jeit 1839, Cincinnati;
=: mund vert IST, Gincinnari; Kalender nebſt den Protofollen
0. Rnmmerenzen der Biſchöfl. Meth. Kirde. Erſcheint jedes Jahr;
ımiher Merbodiimus S. 1861.) Bremen 1870; Adam Vtiller,
-. % I. eh. Einemnan 1545: Adam Miller, Experiences of Ger-
-... menmer INe: Mebmer, Fünfzig Jahre des deuigen Methodis:
... »rnmhart Muitnaer, Ein Qebensbild: ©. N. Brennig, Von
wine, Men Lebensgang, Bremen 1882. — "Eine reichhaltige
=... weder a 11m. betigr das „Muſeum der biiteriichen Gefell:
Does east ap dinannun
= jan Kuh mit dem Teutichtum in Pennſylvania und
. ea den eriten Merbodiltenpredigern befanden ſich einige
. --: Zrrasi ibren Yandsleuten predigten, wie Zimon Müller,
nn or. Nehm, Reminiscences),. Böhm überjegte mit
> Momer Die metbodiftiiche Kirchenordnung und lieh
BERN Zuchtordnung der Biſchöflich-Methodiſtiſchen Kirche.
ng Ruf æ Anraten des Ehrwürdigen Biſchofs Asbury und der
-. . nz der Anweiſung von Heinrich Böhm zum Trud be
sono ds murde auch der Nerfuch gemacht, das Werk der
n et 28. Deutſche Methodiſten“ befannt waren, der Methodiften:
u eryrrm aber an dem Widerſtande von Viſchof Asbury und
. x bee waren, Daß das Deutſchtum in Amerika binnen wenigen
x. et Zoe entitanden Die beiden jeparaten Denomtnationen, Die
N td Ne Epangeliſch Gemeinſchaft“, welche anfänglich ausichlieh:
Lirkten. Die deutſchen Methodiſten bilden feine ſeparate Kirchen—
Na m MIND erganifch mit den drei englifchen Kirchen verbunden, melde
“nn Amerikas wirken. Die Biihörl Meth. Kirche des Züdens bat eine
star 12 Reiteprediger, 17 Yofalprediger, 1291 Glieder, 30 Zonntags-
er dr Zchüler) in Youtfiana und Teras, Die proteſtantiſche Methodiltentirche
or Beenden in Illinois und Indiana (vgl. Minutes of the First
wowelt of the Chicago German Mission Conference of the Meth.
; wai at Eikhart Ind. 1898), weit bedeutender iſt aber Das deutſche Werk
Mu Kirche. Dasſelbe nabın 1835 feinen Anfang, als Dr. Wilbelm Naſt
.. Myñonar in Gincinnati, Ohio angeftellt wurde. Naft, geboren 1807 zu
Aide von feinen ftreng gläubigen Eltern zum Pfarramt beftimmt. Wäbhrend
\ „teitsunterrichtes erbielt der Knabe tiefe religiöfe Eindrüde und gelangte zur
der Bergebung feiner Sünden. Zein Rund var, nun ine Basler Miflions:
nirtet, Doch jandte ihn fein Vater aufs Seminar nach Blaubeuren und ſpäter
odigen. An beiden Urten jtand er unter Dem Einfluß von C. F. Bauer; in
an “bloß er ſich an feinen Mitjtudenten D. F. Ztrauß an. Naſt geriet in Schwere
weüel, entlagte dem Studium der Theologie, zahlte die Studiengelder zurüd
d.Aicie ſich philologiſchen und äjtbetiichen Studien. Im Jahre 1828 wanderte vr
unetika aus, wurde zuerſt Hauslehrer in einer methodiſtiſchen Familie, ſodann nach
ni prachlehrer an der Militärakademie zu Weit: Boint, dem hitherifchen Seminar
zreburg und Dem Kenven College. Innerlich ruhelos, beſuchte er methodiſtiſche
rn.
un.
on "nanite und fand ſchließlich wieder Friede für ſeine Zede 1835 wurde er als
ie der in Die Cincinnati-Konferenz aufgenommen (ſ. Golder: Rev. W. Naſt in
ha Amerikaniſche Zeitſchrift fiür Theologie und Kirche, Mar 1899.) —- Der geiſtlich
lets Zuſtand Der Teusjchen, welche in Den dreißiger Jabhren maſſenhaft ein:
tier, ließ an manchen Urten den Wunſch nach deutſcher Predigt entſtehen, die An⸗
nreuheit wurde in der metbhodiſtiſchen Preſſe erörtert und Da man in Naſt ben paſſen⸗
sa Mann gefunden batte, wurde Die deutſche Miſſion eröffnet. Am Ende Des erſten
S ap batte Naſt troß Der größten Oppoſition (Die Deutjchen Zeitungen Cincinnatis über:
al ihn mit Hohn, und öftere wurde er fogar thätlich angegriffen) eine Heime Ge—
Yan beit 12 Perjonen geſammelt. 1837 wurde der Katechismus und die „Allgemeinen
Kun Der methodiſtiſchen Kirche in deutſcher Überſetzung gedruckt, im Jahre 1839 wur—
vun ON Mintel zur Herausgabe einer Wochenichrift „Der Chriſtliche Apologete“ geitchert.
Ya den Webilfen, Die ſich bald um Naſt ſammelten, find befonders zu nennen Adam
lid, vi Nachkomme deutſcher Mennoniten, ein eifriger Mitbegründer des deutſchen
Yen Geſt. 1901); Peter Schmucker, ein früherer lutheriſcher Paſtor, Johann Swablen
wit 1888), Wilhelm Ahrens (geſt. 1901), Kranz Nuelſen, Leonhard Mulſinger, Engel:
Methodismus in Amerika 13
hard Riemenfchneider (geft. 1899) u.a. Das Werk dehnte N nun raſch aus. In Pitts⸗
burg organiſierten ſich eine Anzahl deutſcher Pietiſten, die ſich den engliicen Methodiften
angejchloflen hatten, ald eine deutfche Gemeinde, in Wheeling, Weft-Birginia, murde die
erite deutfche methodiftifche Kirche gebaut. 1844 wurde das beutfche Werk in eigene
Diſtrikte eingeteilt, 1864 murben deutſche jährliche Konferenzen organiſiert. Die Aus—
breitung des Werkes im einzelnen zu befchreiben ijt bier nicht der Ort. Gegenwärtig
(1901) zählt der deutfche Methodismus in Amerika 10 jährliche Konferenzen, 774 Pre-
diger, 411 Lofalprediger, 62811 Glieder, 880 Sonntagsichulen mit 11078 Lehrern und
Beamten und 56116 Schülern, 596 Augendbundvereine mit etwa 16000 Gliedern. Er
befigt 878 Kirchengebäude im Wert von gegen 3', Millionen Dollar, und 529 Prediger: 10
wohnungen im Werte von beinahe 900000 Dollar. Die Gejamteinnahmen für alle
firchlichen Zwecke beliefen er auf 771000 Dollar, über 11 Dollar pro Glied, davon
etwa 70 Cents pro Glied für das Miſſionswerk (f. Golder in Deutfch-Amerikanijcher
geitiehrift für Theologie und Kirche, Januar 1899). An dem befonderen Dankopfer von
20 Millionen Dollars, das die Biichöfl. Meth. Kirche zum Beginne des 20. Sahrhunderts 15
jammelt, haben die deutjchen Methodiften etwa 7 Dollar pro Mitglied gefammelt. Das
offizielle Organ ift der wöchentlich erjcheinende, 32 Seiten ſtarke „Chriftlihe Apologete”,
von 1839—92 von Dr. W. Naft, jett von deſſen Sohne, Dr. Albert %. Naſt und
Dr. C. Golver redigiert; ferner publizieren fie das monatlihe Familienmagazin „Haus
und Herd,” gegründet 1872 dur Dr. Liebhart, jet redigiert von Dr. F. Munz, die 20
wöchentlichen Sonntagfchulzeitfchriften „Die Glode” und „Die Heine Glode”, ſowie den
vierteljährlichen „Bibelforicher.” Außer den Geſangbüchern und Sonntagsichulbüchern
wurden 410 Bücher und 700 Traftate in deutfcher Sprache herausgegeben.
An höheren Schulen befitt der deutſche Methodismus 1. das Naft theologtfche
Seminar zu Berea, Ohio mit 4 Profejforen und 36 Studenten. Der Zjährige Kurjus a6
desjelben fett Abfolvierung eines Collegialkurſus voraus. Seit 1899 wird die inter:
denominationelle Deutfch- Amerikanische Zeitfchrift für Theologie und Kirche von der Fakul⸗
tät herausgegeben; 2. Deutfches Wallace Collegium zu Berea, Ohio, mit welchem das
Naft theol. Seminar verbunden tft. Die Anftalt wurde 1864 durdy Dr. Naft gegründet,
ibr gegenwärtiger Präfident ift Dr. C. Riemenſchneider. Sie zählt 19 Lehrer, 223 Stu- so
denten, bat Gebäude im Wert von 106000 Dollar und einen Unterhaltungsfond von
102000 Dollar (f. „Der Bereaner,” das monatliche Schulorgan); 3. Central Wesleyan
College und theologiſches Seminar zu Warrenton, Mo.; 18 Lehrer, 294 Studierende,
Wert des Eigentums 105000 Dollar, Unterhaltungsfond 78000 Dollar (f. The College
Star; 4. Mt. Pleasant College zu Mt. Pleaſant, Soma, in Verbindung mit der Jowa 36
Wesleyan University, 20 Lehrer (einjchließlich der an der engliſchen Anftalt angeltellten),
115 Studierende, Wert des Eigentums 20000 Dollar, Unterhaltungsfond 28800 Dollar
(ſ. Mt. Pleajant Wesleyaner); 5. Charles City College zu Charles, City, oma,
13 Lehrer, 212 Studierende, Wert des Eigentums 55000 Dollar, Unterhaltungsfond
24000 Dollar (f. The School Quarterly); 6. St. Paul’s College zu St. Paul 40
Part, Minn., 7 Lehrer, 75 Studierende, Wert des Eigentums 45000 Dollar; 7. Blinn
a
Memorial College zu Brenham, Texas, 7 Lehrer, 130 Studierende, Wert des Eigen:
tums 16000 Dollar, Unterhaltungsfond 33000 Dollar (ſ. Der Texas Stern); 8. Enter-
prise Normal Academy zu Enterprife, Kanſas. An Wohlthätigfeitsanjtalten find zu
nennen Die Waifenhäufer zu Berea, Ohio (gegründet 1864, Wert des Eigentums 120 000 Dollar, 45
136 Kinder) und zu Warrenton, Mo. (Wert des Eigentums 25000 Dollar, 84 Kinder);
das Altenheim zu Duinch, Illinois (gegründet 1889, Wert des Eigentums 16000 Dollar,
32 Infafen); das Diakoniffenmutterhaus und „Bethesda Hospital“ zu Cincinnati,
Ohio mit 40 Scheitern, Eigentum im Werte von 90000 Dollar und Zweiganſtalten
Ind. Milwaukee, Wis. und La Croſſe, Wis.; die Diakonifjenanftalten zu Brooklyn so
(7 Schweſtern), Chicago (7 Scheitern), Louisville (6 Schweitern) (ſ. Golder, Geichichte
der weiblichen Diakonie S. 296 ff., Bethesda, monatliches Organ des Mutterhaufes).
Diefe Diakonifjenhäufer ftehen unter Leitung einer Gentralbehörde, beftehend aus Ber:
tretern der jährlichen Konferenzen und der verfchiedenen Anftalten.
IL. Lehre und Eigentümlichleiten. — 1. Quellen. Die Glaubensartilel fiehe in 56
ben Kirhenorönungen und in Scaff, Creeds of Christendom, III, 822 ff.; The Works of
Jchn Wesley, ? Bde, 1831; The complete Works of Rev. John Fletcher, 4 Bde, 1831;
Annual Minutes of the Methodist Conferences from the First held in London by the Late
Ber. J. Wesley in 1744; Arminian Magazine feit 1778; Richard Watson, Theological
Institutes, 2 Bde; vgl. H. D. Decanyer, Catalogue of Works in Refutation of Methodism 60
14 Methodismus in Amerika
from its Origin in 1729 to the Present Time, Philadelphia 1846 (277 Titel); Osborn,
Outlines of Wesleyan Bibliography or a Record of Methodist Literature from the
Beginning, London 1869. — 2. Öefamtbarftellungen von jeiten amerikaniſcher Methopdiften.
M. Raymond, Systematic Theology, 3 Bde; J. Miley, Systematic Theology, 2 Bde, 1893;
5 R.S. Foster, Studies in Christianity, 7 Bde, 1898 ff.; Mc Clintock and Strong, Cyclopaedia
of Biblical, Theological, and Ecclesiastical Science and Literature, 18 Bde, New-York 1859 ff.
(die dogmatiſchen Artikel); Jacoby, Kurzer Inbegriff der hriftlichen Glaubenslehre, Bremen 1855;
Naft, Der größere Katechismus für die deutfchen Gemeinden der Biſchöfl. Meth. Kirche.
Mit Genehmigung der Generaltonferenz herausgegeben, Cincinnati und Bremen; Sulzberger,
10 Erklärung der Glaubengartifel und Hauptlehren der Methodiſtenkirche, Bremen; Gulzberger,
ChHriftlihe Glaubenslehre, 2. Aufl., Bremen 1886; Hüljter, Die chrijtlihde Glaubenslehre
vom Standpunkte des Methodigmus, 1888; W. F. Warren, Syitematifche Theologie, Bremen
1865 (nur Bd I „Einleitung“ erfchienen. Auf Seite 168 ff. eine Bibliographie methodiftiicher
Kitteratur); Nippert, Leitfaden zur hriftliden Glaubens- und Gittenlehre, Bremen 1881;
15 C. F. Paulus, Das chriſtliche Heilsfeben, 1900. — 3. Monographien; Garrison, Probationers
Handbook. Aud in Deutih: Handbüchlein für Probeglieder; Bass, Probationers Manual;
Hawley, Manual of Methodism, 1869; Marvin, The Doctrinal Integrity of Methodism,
St. Louis 1878; Curtiss, Arminianism in History; Miley, The Atonement in Christ; Merrill,
Atonement, 1901; Hare, Scripture Doctrine of Justification; Davies, Treatise on Justification;
2 Merrill, Aspects of Christian Experience In Deutih: Die chriſtliche elaheung auf den
verjchiedenen Stufen des Gnadenwerkes, 1883; Foster, Philosophy of Christian Experience.
Ueber die Taufe: Merrill, Christian Baptism; Hibbard, Christian Baptism; Hughey, Baptismal
Remission; über Heiligung: Wesley, Plain Account of Christian Perfection. Auch in Deutſch:
Eine kurze Erklärung der chriſtlichen Vollkommenheit; J. Fletcher, Christian Perfection ;
35 Geo. Ped, The Scripture Doctrine of Christian Perfection; D. Steele, Looe Enthroned,
Essay on Evangelical Perfection; J. T. Peck, The Central Idea of Christianity; Foster,
Christian Purity; Lowrey, Possibilities of Grace; Mudge, Growth in Holiness Toward
Perfection or Progressive Sanctification, 1895; dagegen: D. Steele: A Defense of Christian
Perfection und Dunn, Manual of Holiness. — Huntington, Sin and Holiness or What it
3% is to be Holy, 1898; Rodemeyer, Biblifche Heiligung, 2. Aufl., Bremen 1879. Zeitichriften
Guide to Holiness und Wegweifer zur Heiligung, herausgegeben von H. Grengenberg.
In feiner Lehre ftimmt der amerifanifche Methodismus mit dem englifchen überein.
Die 25 Glaubensartikel, welche feine doktrinelle Bafıs bilden, und welche „nicht wider:
rufen, verändert, noch mit anderen vertauscht werden dürfen” (KO 8 67), find die Wesleyſche
36 Bearbeitung der 39 U. der anglifanifchen Kirche, mit Ausnahme von U. 23, weldyer von
der Regierung der Vereinigten Staaten handelt und erft 1804 angenommen wurde.
Daneben gelten ale „standards methodiltifcher Lehre Wesleys 58 vor 1771 veröffent:
lichte Predigten und feine Notes on the New Testament (eine Abkürzung von Bengels
Gnomon, j. Preface),. In Übereinftimmung mit dem urfprünglichen Befen des Me-
0 thodismus, der nicht eine Neformation der Lehre, fondern des Lebens, nicht Gründun
einer Kirche, fondern Erweckung und Vertiefung des geiftlichen Lebens bezweckte, hat auch
der amerikaniſche Methodismus die methobiftifchen Eigentümlichkeiten nicht in Glaubens:
artifeln formuliert. In der methodiftiichen Predigt werden a jedoch beftimmt und
übereinftinnmend vorgetragen. Die bejonders betonten Lehren find: 1. Die Allgemeinheit
45 der Sünde und des Verderbens der menjchlichen Natur und die Allgemeinheit der gött-
lichen Gnade. Die vorlaufende Gnade wirkt univerfell und unmittelbar, nicht gebunden
an Kirche, Sakrament oder göttlihes Erwählungsdekret. Kein Menſch fteht nur unter
dem Einfluß der Sünde, fondern auch unter dem der Gnade, wodurch er in den Stand
gejegt wird, die Bedingungen des Heild anzunehmen oder zu veriverfen, jo daß „das
co Heil oder Nichtheil eines jeden Menjchen lediglidy von feinem eigenen freien Verhalten
gegenüber den Cinflüffen des Heiligen Geiftes abhängt” (ſ. Miley, Syſt. Theol. II, 241
immediate or unconditional benefits of the atonement). 2. Die Notmwendigfeit
der Buße und der Wiedergeburt. Buße oder Sinnesänberung befteht „darin, daß man
jeine Sünden mit Scham und Wehmut erkennt und befennt, dieſelben haſſet und läßt
655 und ſich von Herzen zu Gott kehrt“ (Naft, Katechismus Fr. 282). Die Wiedergeburt ift
„pie große Veränderung, welche Gott in der Seele wirkt, wenn er fie in Chriſto Jeſu
erneuert nad) dem Ebenbilde Gottes, wodurd wir Kinder Gottes werden” (Katechismus
Fr. 293). Diefe Beränderung gefchteht nicht in der Taufe, fondern fie wird von Gott
zu gleicher Zeit mit der durch den Glauben erlangten Rechtfertigung („diejenige That
co Gottes, wodurch er mir aus freier Gnade alle meine Sünden um Chrifti willen vergiebt,“
Katech. Fr. 289) gewirkt. Daß der Methodismus eine bejtimmte Methode für dag Ent:
—5— und den Verlauf der Buße lehre oder daß jeder Methodiſt Zeit und Ort ſeiner
Bekehrung (Welcher andere Ausdruck wird gebraucht, um die große Veränderung zu bes
Methodismus in Amerika 15
zeichnen, twelche jeder Sünder erfahren muß, um in den Himmel zu fommen? Antw.:
Die Belehrung, welches Wort das bezeichnet, mas der Menſch zu thun bat, während die
Miedergeburt das iſt, mas Gott allein thun kann.“ Katcch. Fr. 294) angeben müfle, tft
ene unbegrünbete Behauptung. Noch Fein methodiftiicher Dogmatiter hat je derartiges
gelehrt. er Name Methodismus bat nichts mit einer Heildmethode zu thun, ſondern 6
wurde den Brüdern Wesley und ihren Genofien vom „heiligen Klub” während ihrer
etudentenzeit zu Oxford als Spottname ihres Itreng methodifchen Lebenswandels wegen
xgeben, iſt aljo lange vor Wesleys Belehrung entitanden, zu einer Zeit, da er noch nicht
de lebendige Glaubenserfahrung gemacht hatte, fondern wie Luther im Klofter durch
allerlei geſetzliche Werke das Heil feiner Seele zu erlangen fuchte (Stevens, History of 10
ism. I, 72 f.). Die methodiftifche Xehre von der Buße wird Har und treffend
von Paulus (Das chriftliche Heilsleben) dargelegt. Er definiert Buße als „die völlige,
rüdbaltlofe Abkehr von der Sünde, die fih in die 3 Momente der Sündenerfenntnig,
der Reue über die Sünde und der Sehnſucht nad Erlöfung von der Sünde zerlegen
äßt“ und jchreibt: „In der Erfahrung der einzelnen nimmt die Buße, troß der Gleich:
beit ibrer weſentlichen Momente, die mannigfaltigften Formen an. Es läßt fich daher
&benfo wenig eine beitimmte Zeit für die Dauer oder eine bejtimmte Form für Die
Außerungen der Buße feititellen, als ein beitimmter Grad der Intenſität des Buß:
ihmerzes oder Bußkampfes. Wo der Geift des Herrn ift, da ift Freiheit. Nur die An-
maßung eines engberzigen Fanatismus Tann hier feite Schranfen ziehen und beſtimmte 20
zormen vorjchreiben wollen. Für das Leben gelten bir Vorſchriften nicht; da werben
welmehr die Außerungsformen der Buße aufs mandhjadiite modifiziert. Hier erfcheint fie
serwiegend als ein Alt klar bewußten, nüchternen Wollens, dort ald das Refultat einer
ühermächtigen Steigerung des religiöjen Gefühls; hier gleicht fie mehr dem ftillen Schmerze
des liebenden Kindes, das trog dem Bervußtfein feiner Schuld und Strafbarkeit nicht an au
des Vaters Liebe zweifeln kann, dort mehr der Angſt wilder Verzweiflung, wie fie den
Babrecher ergreift, dem das Geſetz das Todesurteil gefprochen hat; bier ſeht die Angſt
ver der Hölle im Vordergrund, dort die Sehnſucht Bi Erlöfung; hier reihen die An
fünge der Buße zurüd bis in die frühefte Jugendzeit, und ihr Verlauf erfcheint als ein
Amähblich Fortichreitender, 17 jtetS vertiefender Prozeß der Losfagung von Sünde und so
Velt, Dort dritt fie plöglic ein mit einer gewaltigen Erſchütterung nicht nur des geiftigen,
indern auch des leiblichen Lebens, fo daß fich der Bußkampf fogar bis zum „Bußkrampf“
kigert” (S. 111). — 3. Die Gemißheit des Heild oder das Zeugnis des hl. Geiſtes.
Te Heilsgewißheit wird nicht als eine unumgängliche Bedingung der Seligfeit, wohl
iber als ein allen Gläubigen verheißenes köſtliches Vorrecht aufgefaht, Diefelbe ift nicht sa
a die Sakramente gebunden, ſondern wird nach Nö 8, 16 durch das direfte Zeugnis
5 hl. Geiftes bewirkt. „Der Geiſt Gottes ift die zeugende Perſon und mas er
ms bezeugt, ift, daß wir Gottes Kinder find” (Wesley). Daß wir nicht mehr den Geift
ker Anechtichaft und der Furcht empfangen, fondern den Geift der Kindſchaft, „ift die
Gabe des bl. Geiſtes und wird den Gläubigen gegeben, meil fie Gottes Kinder «e
md, nicht um fie zu folchen zu machen. Er bezeugt ihnen ihre Kindfchaft, ſobald fie aus
im Geiſte geboren find, und iſt fomit das Zeugnid des Geiftes etwas Unterfchiedliches
wa dem, was der Geilt in der Wiedergeburt wirkt. Es ift etwas diefem Werke Hinzu:
fügtes, um dem Herzen das Dafein und die Echtheit desfelben zu bezeugen: es it das
Me Siegel, das Gott den Seinen aufbrüdt, das Unterpfand der verheißenen Gnade“ «s
Beil, iftl. Erfahrung ©. 129). Diefe fubjektive Gewißheit, die durch den unmittel-
kren Einfluß des Geiftes Gottes „auf eine mächtige obgleich unerklärliche Weiſe“ (Wesley)
xiande kommt, iſt nicht eine bloße Gefühlserregung, Einbildung oder Schwärmerei,
kadern fie ift gegen dieſen Selbitbetrug geichügt durch die dieſem eugnis voraufgehenden
) olgenden Kennzeichen, Buße, Glaube, Vergebung der Sünden, Wiedergeburt, vg
nebrhaft gottjeliger geiftticer Wandel. „Ein jeder, welcher vor Selbſtbetrug bewahrt
Haben möchte, wird bei forgfältiger und aufrichtiger Prüfung diefer Kennzeichen nicht die
fakernis für Licht halten, und den zwiſchen dem wirklichen und nur angemaßten Zeugnis
Kinpichaft beftehenden großen Unterjchted jo beftimmt erkennen, daß er nicht das eine
az dem andern verwechſelt. So wenig es Schwärmerei ilt, den Baum an feinen Früchten ga
rs edennen, fo wenig Tann dad Bekenntnis der Erfahrung vom Zeugnis der Kindſchaft
Meärmerei genannt werden, wenn dieſelbe mit den bibliſchen Merkmalen unziveideutig
kreinftimmt” (Sulzberger, Glaubenglehre S. 429). — 4. Die völlige Liebe oder chrift:
de Bolflommenheit. Diefe Lehre nimmt im Methodismus eine ſolch zentrale Stellung
u, da fie von Warren als „das formale Prinzip des Methodismus“ (Syit. Theol. ©. 149), eo
u
oO
16 Methodismus in Amerika
von Stevens ald „die große, madhtgebende dee des Methodismus“ (History of Me-
thodism I, 406), von Ped ald die „Zentralidee des Chriſtentums“ (Central Idea of
Christianity) bezeichnet wird. Sie iſt nicht autoritativ formuliert worden, es wird aber
von allen Methodiſten übereinitimmend gelehrt, daß es das Vorrecht und die Aufgabe
s eines jeden Gläubigen tft, ein Leben der völligen Liebe und des beftändigen Sieges über
jede erfannte Sünde im Glauben an Jeſum führen zu dürfen. „Das Prinzip der chrift-
lichen Vollkommenheit ift nach Wesley die völlige Liebe zu Gott und zu unjerem Nächſten,
und die Frucht derjelben die Reinheit de Herzens und Lebend. Da diefelbe weder eine
abfolute, noch eine paradiefifche, noch eine geſetzlich-moſaiſche, fondern eine chriftliche Boll
10 fommenbeit ift, fo fchließt fie Wachstum in der Gnade und Erkenntnis, menſchliche Mängel
und Gebrechen, Verfuchungen, Prüfungen und möglichen Abfall nicht aus und bevarf
ftets des Verfühnungsopfers Chriſti. Sie wird allein durh den Glauben an Chriftum,
ala an unſern vollendeten Erlöjer, erlangt und bewahrt” (Sulzberger, a. a. O. 445).
Es herricht jedoch Meinungsverjchiedenheit hinfichtlich der Art und Weile, wie diefer Stand
15 der chriftlihen Vollkommenheit erreicht werde; die einen nehmen einen definitiven, auf die
Rechtfertigung folgenden zweiten Aft an (second blessing), die anderen fehen darin das
allmählich zu erreichende Wachstum der in der Rechtfertigung - begonnenen Heiligung
(. Miley, Syſt. Theol. II, 354 ff.); und während einige eine völlige Ausrottung (era-
dieation) der angeborenen Sündhaftigfeit annehmen (f. Lowry, Possibilities of Grace),
2 jo lehren die meiften eine völlige Unterdrüdung (suppression) der fündhaften Neigungen
(fo %ofter, Christian Purity, ©. 74, „power of suppression or subjugation over
the mania of depravity“; Whedon, Commentary on Rom. VII, Wiley, a. a. D.
©. 364. . \ ’
Cigentümlichfeiten. Der amertlanifche Methodismus war von Anfang an und ilt
25 peute noch „feinem Weſen nach eine Erweckungskirche, feiner Organisation nad) eine Miſſions⸗
irche”. Seine Prediger, wenn auch oft der theologischen Bildung ermangelnd, maren
zumeift „Männer von unermüdlichem Eifer für die Rettung unfterblicher Ceelen, von
energifhem Miſſionsgeiſte, gefunden, praftifchen Verſtand, populärer und eindringlicher
Beredſamkeit“ (Schaff). Seine Predigt trägt durchweg evangeliftifches Gepräge; „im all:
so gemeinen iſt die beite Methode des Predigers: 1. von der Sünde zu überzeugen, 2. Chrijtum
anzubieten, 3. einzuladen, 4. zu erbauen; und alles diejes einigermaßen in jeder Predigt
zu thun” (KO 8 134). Daß aber die methodiftifche Predigt ausſchließlich die Gefühle
erregen till, ijt eine unbegründete Behauptung. Man muß unterfcheiden zwiſchen dem
primitiven kulturellen und geiftlichen Zuftande der Pionierbevölferung Amerifas und den
85 heutigen Verhältniffen, ebenfo zwijchen den äußerjt lebhaften Verfammlungen der unges
bildeten, naiven Neger und den religiöfen Bedürfniffen einer gebildeten amerikaniſchen
Gemeinde. , Männer wie der ermorbete Präſident Mc Kinley fowie viele in den höchiten
Staatlichen Amtern ftehende Politifer und Juriſten, wären wohl faum zeitlebens Methopiften,
wenn der Methodismus nur ihre Gefühle bearbeitete. Ihren Höhepunkt erreichte die
«0 methodiltische Erweckungspredigt auf den „Lagerverfammlungen‘ (camp meetings). Dieſe
im Jahre 1799 in einer Presbyterianer-Gemeinde zuerſt entitandenen Berfammlungen wurden
jehr raſch allgemein eingeführt. „Mehr ala 10 000—20 000 Menschen famen oft bei dieſen
Gelegenheiten zufammen, gewöhnlich ward eine Woche ausschließlich mit gottfeligen Übungen
zugebracht, während die Leute in Zelten oder Buben wohnten, die um den Predigtitand
5 her arrangiert waren. SHellflanmende, auf Gerüften erhöhte Feuer erleuchteten nacht? den
lat, wo nad beſtimmten Regeln und. von einer temporären Polizei Ordnung gehalten
wurde. Cie erhielten bald den Namen ‚Allgemeine Lagerverfammlungen‘, weil alle Kirchen:
parteien ſich daran beteiligten“ (Stevens, Hist. of M. E. Ch. I, 260). Dieſe Ber:
fammlungen finden aud) heute noch Statt, wenn auch zum Teil in etwas anderer Weife,
co Während in den neueren Gegenden des Weſtens noch der primitive Charakter zu Tage
tritt, find in den älteren Gebieten an den LZagerverfammlungsitellen permamente Villen:
folonien entjtanden, mit Hotels, Penfionen, großen „tabernacles”, wo Hunderte von
Familien ihre Sommerfrifche zubringen. Ocean Grove, Marthas Vineyard, Round Lake,
Chautauqua, Lakeſide zählen zu dem beliebtejten Sommerfrifchen, da dort feine weltlichen
655 Vergnügungen gebulbet werden und dem getftigen wie geiftlichen Bedürfnis durch Vorträge
und Bibellurfe Rechnung getragen wird. Die eigentlihe Lagerverſammlung dauert ge
wöhnlidh eine Woche (%. ©. Swalloiv, Camp Meetings, Their Origin, History and
Utility). — Die bejonderen, faft jedes Jahr in beinahe allen Gemeinden jtattfindenden,
oft mehrere Mochen dauernden Evangelifationsverfammlungen (Revivals, Protracted
e Meetings, anhaltende Berfammlungen) find jegt nicht mehr bloß dem Methodismuß eigen»
Methodismns in Amerika 17
tümlich, ſondern haben fich bei den anderen Kirchen eingebürgert und gehören geradezu zum
Weſen des amerikaniſchen Kirchentums. Vielfach berricht der Gebraub „erivedte und Bit:
fuchende” Perſonen, welche wünſchen, daß man mit ihnen oder für fie bete, aufzufordern,
fich zu erheben oder zum „Altar (mourners bench, „Bußbank,“ eine von Methodiften
jelten, von ihren Gegnern oft gebrauchter Ausdrud) zu treten oder zu einer Nachverſamm-⸗ 6
lung aurüdzubleiben. Dem Methodismus eigentümlic find immer noch die „Liebesfefte‘‘
und „Klaſſen“. Bei eriteren wird in Anlehnung an die urchriftlichen Agapen Brot und Waſſer
um Zeichen der brüderlichen Gemeinjchaft berumgereiht und die Zeit mit Singen und
eien Belenntniffen, Mitteilungen von Gnabenerfahrungen zugebradt. Das Klaſſenſyſtem
war bei den großen Bezirken, welche die Neifeprediger früher zu bedienen hatten, von be— 10
fonderer Wichtigkeit, um das geiftliche Zeben rege zu halten und die Kirchenzucht zu band:
baben. Der Zweck der Organifation von Klaſſen, die wo möglich aus nicht mehr als
20 Perſonen beftehen und fich wöchentlich verſammeln follen, it: 1. eine Baftoralaufficht
zu erzielen, von welcher thatfächlich jedes Glied der Kirche erreicht wird; 2. eine zum ge-
meinschaftlichen Gebet, zu gegenfeitiger Belehrung, Aufmunterung und Ermahnung be—
ftimmte Berfammlung einzuführen und aufrecht zu erhalten als ein jegensreiches Gnadenmittel;
3. wenn e3 verlangt wird, in der Durchführung des kirchlichen Finanzplanes behilflich zu
jein“ (RD 8 50). In mandjen Gemeinden ift, ſeitdem die Amtszeit der Prediger ver-
längert worden ift, das Klaßfyitem eingegangen, und an Gtelle der einzelnen Klaſſen ift
eine fonntägliche „allgemeine Klaßverſammlung“ (Befenntnisftunde) oder die wöchentliche 20
Bet: und Erfahrungsitunde bezw. die Belenntnisftunde des Jugendbundes getreten (ſ. KO
— — J. Atkinſon, The Class Leader, His work and how to do it; J. H.
Vincent, The Class Meeting, Methodist Review, September 1901). — Bezüglid)
der Ordnung der fonntäglichen Gottesdienfte herrichte bis vor wenigen Jahren völlige
Freiheit. Erſt die Generallonferenz von 1892 fegte die folgende Ordnung feit: 1. Prä- 26
ludium auf der Orgel; 2. Gemeindegefang, jtehend; 3. das apoftolifche Glaubensbefenntnis;
4. Gebet, welches mit dem Gebet des Herm, das alle laut mitbeten, jchließen foll; 5. Lied
vom Gemeindechor,; 6. Schriftleftion aus dem AT. Wenn diefelbe aus den Pfalmen ge:
nommen wird, jo mag fie in refponfiver Weife gelefen werden; 7. Singen des Gloria
Patri; 8. Schriftleftion aus dem NT; 9. Kollefte und Bekanntmachungen; 10. Ge: 30
meindegefang, ftebend; 11. Predigt; 12. Kurzes Schlußgebet, worin der Segen Gottes
auf das gepredigte Wort berabgeflebt wird; 13. Gemeindegefang mit der Dorologie
ſchließend; 14. der apoftolifche Segen. Nr. 1, 3, 5, 7 können weggelaſſen werden (KO
8 56). — Die vorgejchriebenen Rituale für Taufe, Abendmahl, Aufnahme von Mit:
gliedern, Trauung, Begräbnisfeier, Weihe und Ordination, Edjteinlegung und Kirchen: 35
einweihung, Einfegnung von Diakoniffen finden fih in der KO S 142—463 und Anhang
$ 55 (R. G. Cooke, History of the Ritual of the M. E. Church).
VBerfaffung und Ordnung. — R. Emory, History of the Discipline of the M.
E. Ch. 1851, 1864; D. Sherman, History of the Revisions of the Discipline of the M.E. Ch.
1874, 1888; J. J. Tigert, Constitutional History of American Episcopal Methodism.
Nashville, Tenn.; S. M Merrill, Digest of Methodist Law 1885, 1901; Baker, Guide in
the Administration of the Discipline 1876; G. H. Dryer, Manual for Church Officers;
H. N. Mc Tyeire, Catechism on Church Government with Special Reference to that of
the M. E. Ch. South; J. W. Henry and W. L. Harris, Ecclesiastical Law and Rules of
Evidence; Th. A. Morris, Discourse on Methodist Church Polity; Th. E. Bond, The #
Economy of Methodism Illustrated and Defended 1852; J. T. Crane, Methodism and its
Methods. 1876; D. Dorchester, The Why of Methodism 1887; Th. B. Neely, Evolution of
Episcopacy and Organic Methodism; Neely, History of the Origin and Development of
the Groverning Conference in Methodism 1893; Potts, Pastor and People 1879.
Nebſt feiner Lehre und dem Eifer feiner Anhänger hat der Methodismus von jeher so
feinen Erfolg jeiner Organifation zugefchrieben. Diefelbe entjtamınt den organifatorifchen
Genie ee, bat aber im Sau? der Zeit bedeutende Modifikationen durchgemacht, „um
den neuen Anfprüchen, welche durch das Wachstum der Kirche an fie geitellt wurden,
gerecht zu werden” (KO Bilchöfliche Anrede). Die gefammte Verwaltung liegt in Händen
dreier Kreife von Konferenzen, den „Bierteljährlichen”, den „Jährlichen“ und der General: 65
Konferenz. Jede einzelne Gemeinde fteht unter. Zeitung der „Vierteljährlichen Konferenz“,
fo genannt, weil fie viermal des Jahres in Sigung tritt. Ste bejteht aus allen Beamten
der Gemeinde, nämlich den Reife und Lofalpredigern, den Ermahnern, Klapführern, Ver:
waltern, Trujtees, Superintendenten der Sonntagsfchulen und Präfidenten der Jugend:
vereine; den Vorſitz führt der „Vorſtehende Alteſte“ oder deſſen Stellvertreter. Sie 60
beauffichtigt alle Gemeindeangelegenheiten, ernennt oder beitätigt jäamtliche Beamte (aus:
RealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 2
⸗⸗
PN
5
18 Metgesisnns in Umerila
genommen ven „Auffihtspreniger”), nimmt deren Berichte, jowie den Bericht Des Kredigers
,‚ verwaltet —— Finanzen und das Eigentum der Gemeinde. beitimmtt dem
Gehalt des Hirebigers, vw. f. w. Tamit den Angelegenbeitten der Gemeine tcuuz den
„Kuohlthätigleitsanftalten die gebübrende Aufmerkjmten gerbentt werde, met x am
gg der (Hemeindeglieder Ausſchüſſe für 1. Mifionen; 2. Kirchenbau⸗ Sem⸗
4. Zraftate; 5. über; 9 Prebigenpot 6. Grriebungsiaube; © . Geiellichert rar be
——— der vierteljährlichen — en werde Der Voerſtand eder Die
führer: und Verwalter-Verſammlung berichtet auch bezüglich kcanter eder Fm;sehl
bebürftiger Glieder und empfieblt Probeglieder zur Auinahme in volle Verbindung (Rt
" 96- 102). Je 20-50 Gemeinden bilden einen Diftrikt. über melden Der „Vor
tehende Aileſte“ die Aufficht führt, und 2—6 Tirkrikte buden eime „Jübtlihe Kowferem;“.
(Die Diftriktsfonferenzen, AUS SS 92 And zumeift eingegangen) Tivielbe buiecht mer
aus Weifepredigern und verſammelt ſich jäbrfüch unter Dem Torfige eines Biden. Sie
nimmt Prediger auf, prüft den Charakter jedes Predigers, — jur Trdinatien uber:
20 ud ettvaige Rlagen gegen Pretiger, but Tisziplimargerult über dieieiben, mm Pie
Jerichte derfelben ſowie alle währen des Jahres für moebltbürige Zwecke emmzapmanımen
(Helder entgegen, flihrt die Aufficht über exwaige Konferenzinisulten wie we Schulen, Baijen⸗
dufer, Dialoniffenanftaltn uw ſ. w. und an ber Konferenz, min der Bokber jedem
Irediner fein Arbeitsfeld für das kommende Jabt an (RC S 69-35. Te Geumnal-
PR fonfereng, Die nö geiehgebente Beborde, verkummelt uch ale + \abre und beitebe mes
Predigern (je ein Delegat auf 45 Glieder einer jährlichen Konferenz) und aus der gleichen
Inabl von Laien. Die Laiewertretung wurde erit 1872 eingefübrt; ;werk nur > Laien
aus dem (Nebiete jeder jährlichen Konferem, tea 1900 gleiche Vertretung Dir Laien⸗
delegaten werden von einer Laienwabikonferenz erwäblt, welche aus je eimem Xertreter
mw ana jeder vierteljährlichen Konferenz beitebt, und ſich am jelben Urt und zur ſeiben
berfanmmelt wie die betreffende, ver Generalkonjerenʒ unmittelbur vorangebende jbruche
Konferenz. Die Biſchoöfe führen abwechſelnd den Vorſiz, baben aber fein Stimmrecht.
Die Generalkonferenz bat volle Macht, Regeln und Berortmungen für die Kirche zu er:
ni mit Ausnahme einiger Eimkbräntungen die Glaubensartifdl, Das Bixbersumt, Die
Inemeinen Kegeln” u. j. w. betreifene. Ewaige fonititutienelle Anderungen wien
—*— zwei Drittel Stimmenmebrbeit der Generalfonferenz beſchloſſen und vum Nitiaben
Munferengen zur Ratifilation vorgelegt werden, und berinien eine trei Viertel Stimmmen-
aneteheit aller Glieder der jährlichen Konferenzen, um ın Kraft zu rain De Gemeral⸗
konferenz erwäblt die Binböle, die Redakteure ver offiziellen Zeitkbriften, die Buacheurmulter
und bie Zefretäre der Woblibatigkeitsanftalten und führt die Aufficht über die akgemeinen
kirchlichen Anftaltım (RT SS 5368).
(Hliederfhaft. Die Aufnabme in die volle Verbindung geſchiebt nmach ver
mindeſtens jechsmonatlihen Probezeit auf Empfeblung des Aakfubrers und des Kirchen⸗
borftandes, Die jünlihe Metbodiftenkirche bat tie Probezeit ganz abgeichafft Die ge
an Inuften Rinder von Gliedern der Kirche find ven Probegliedern gleich geitellt un? foumen,
„wenn fie ein binreihentes Alter erreiht buben, die Verbinplichleiten der Religien zu
verfichen, und Beweiſe von Herzensitömmigfeit geben, auf die Empreblung eines Nübrers,
j en Hlafle fie mindeſſens 6 Monate bejucht baben, als volle Glieder in vie Kirche
ufgenommen werben, indem fie öffentlich vor der Gemeine ſich zu dem Taumbunde be-
ZU —* und die Frage über Lebre und Kirchenordnung bejabend brantieerten“ (RES 47).
nfirmationspraris int im Metbodismus nicht belamnt, doch ſind Die Prediger ungeioiien,
die getauften Kinder, „jobald fie 10 Jabre alt find, in beſondere Klaften einzuteilen und
Diefelben über ; Diejenigen Wabrbeiten zu unterrichten, welche notwendig find, um weiſe zu
machen zur Seligkeit“ (RT S 16). In den deutichen Gemeinden wird regelmaͤßig
1 Ratebismusunterribt erteilt, welcher mit einer öffentlichen Prüfung ſchließt. Die Auf⸗
nahme der Katechumenen als volle Glieder der Kirche ift aber nicht immer mit der Ent:
laffung aus dem Heligionsunterriht verbunden. Tie Forderungen, weldx an die Older
gettellt twerten, find in ten ven Wesley aufgeftellten und ven ber Gneraltentereng nicht
zu widerrufenden „gemeinen Regeln” entbalten (RT SI 26-33). Die Gruntforkerung
it „ein Berlangen, dem zukünftigen Zom zu entflieben und von Sũnden vrlöft zu werben,“
Methodismns in Amerika 19
und demgemäß lauten die Fragen, weldhe an foldye Perfonen gejtellt werben, die fih auf
Probe anzuschließen wünſchen: 1. Habt ihr ein ernjtes Verlangen, von euren Sünden
erlöjt zu werden? 2. Wollt ihr alles, mas den Lehren des Wortes Gottes zumider tft,
meiden, und euch beitreben, ein beiliges Xeben zu führen und die Gebote Gottes zu halten?
3. Seid ihr entichloffen, den ehrerbietigen Gebrauch der Gnadenmittel, die Predigt des 5
göttlichen Worte und das verborgene und öffentliche Gebet gewiſſenhaft zu beobachten?”
(KO S 444.) An die in volle Verbindung aufzunehmenden Probeglieder werden die
folgenden ragen geitellt: „1. Erneuert ihr in der Öegentvart Gottes und diejer Gemeinde
das feierliche Berfprechen, welches im Taufbunde enthalten ift? Beitätigt und bekräftigt
ihr dasfelbe und erfennet ihr eure Verpflichtung an, diefen Bund treu zu beobachten und 10
zu halten? 2. Befiget ihr feligmachenden Glauben an den Herrn Jeſum Chriſtum?
(Antwort: Ich glaube es Auberfichtlich) 3. Glaubet ihr an die Lehren der beiligen
Schrift, wie fie in den Glaubensartifeln der Bild. Meth. K. enthalten find? 4. Wollt
ihr bereitwillig euch den Regeln der Biſch. Meth. K. untertwerfen, die Verordnungen
Gottes heilig halten und euch beftreben, jo viel an euch ift, das Wohl eurer Brüder und ı5
die Ausbreitung des Reiches Chrifti zu befördern? 5. Wollt ihr von eurer irdischen Habe
nah eurem Vermögen zur Unterftügung des Evangeliums und der verſchiedenen wohl—
tbätigen Anftalten der Kirche beitragen?” (RD 8 445.) Wünſcht ein Glied fich mit
einer anderen Gemeinde zu vereinigen, jo foll der Prediger ihm einen Gliederichein
ausftellen, auf Grund deſſen der Betreffende in irgend einer Methodiftengemeinde, mo er 20
denfelben abgiebt, ald Glied aufgenommen wird (KG 41—55). Das Sircheneigentum
wird von einem „Trustee-Board“ (nicht weniger als 3, nicht mehr ald 9 Perſonen) ver-
iwaltet, der gefeglich inforporiert ift und das Eigentum in trust für die betreffende
Gemeinde eignet (KO 8 299— 320). Die Sorge für den finanziellen Haushalt liegt in
änden der „Verwalter“ Stewards (nicht weniger als 3, nicht mehr als 13). An
einigen Gemeinden werden die Kirchenbänfe vermietet, in den meilten unterbreiten die
Verwalter der Gemeinde jährlich einen Überjchlag über die nötigen Ausgaben wie Prediger:
gebalt, Heizung, Beleuchtung, Reparaturen des Kirchengebäudes, Kirchendiener, Organiit
u. |. tv. und fragen jedes Glied perfünlich, wie viel es in wöchentlichen, monatlichen oder
bierteljährlichen eiträgen beizufteuern millens ift (RO S 276—291). 30
Das Predigtamt. Es werden zwei Klafjen von Predigern unterjchieden: 1. Lokal⸗
prediger, d. h. Zaren, welche ihrem irdischen Berufe folgen und daneben predigen, ohne
bejondere Vergütung zu empfangen; 2. Neifeprediger, welche ihre ganze Zeit dem Dienfte
der Kirche widmen und Glieder einer jährlichen Konferenz find. Lokalprediger werden
von ihrer vierteljäbrlichen Konferenz, nachdem fie über Lehre und Kirchenordnung geprüft 85
worden find, eingejegt. Während der eriten 4 Jahre müffen fie jährlich eine Brüfung über
einen von den Bifchöfen vorgejchriebenen Studienkurſus ablegen, und ihre Licenz muß
jedes Jahr erneuert werden. Wenn es die jährliche Konferenz für gut findet, fünnen
fie auch ordiniert werden, nach vierjähriger Amtszeit als Diafone, nach achtjähriger als
Altefte (KO SS 196—202, 165, 168). — Die Bedingungen zur Aufnahme in das Reife: 40
predigtamt find: 1. eine Empfehlung ſeitens ciner vierteljährlichen Konferenz; 2. Ablegen
einer Prüfung; 3. eine mindeltens zweijährige Probezeit. Ohne die Empfehlung einer
vierteljährlichen Konferenz, in welcher Charakter, Yrömmigfeit, Gaben und ° üßlichteit des
Kandidaten berüdfichtigt werden, darf feine jährliche Konferenz jemanden auf Probe auf:
nehmen. Dadurch liegt die Beitimmung, wer die Fünftigen Prediger der Kirche fein jollen, 45
in Händen der Gemeinden. Das Hauptgeiwicht wird auf die perfünliche Frömmigkeit ge:
legt, ſowie auf die Überzeugung des Kandidaten, einen göttlihen Ruf zum Predigtante
zu baben, tie aus 8 103 der KO hervorgeht: „Um diejenigen zu prüfen, welche glauben,
vom heiligen Geift zum Predigen angetrieben zu fern, Stelle man folgende Fragen:
1. Kennen fie Gott als einen Sünden vergebenden Gott? Mohnt die Liebe Gottes in 50
ihnen? Berlangen fie nichts als Gott allein? Sind fie heilig in ihrem Lebenswandel?
2. Haben fie Gaben ſowohl ald Gnade zu dem Werke? Haben fie in einem hinreichen-
den Grade, Tlaren, gefunden Verſtand, richtiges Urteil in göttlihen Dingen, richtige Be:
griffe von dem Seligwerden durch den Glauben? Hat ihnen Gott irgend einen Grad
von Beredſamkeit gegeben? Sprechen fie richtig, fließend, deutlich? 3. Sind irgend 55
welche Perjonen durch ihr Predigen wahrbaft von ihren Sünden überzeugt und zu Gott
befehrt worden, und werden die Gläubigen durch dasfelbige erbaut? Wo dieje Kenn:
zeihen bei einem Menfchen vorhanden find, da glauben wir, daß derfelbe von Gott zum
Predigen berufen ft. Wir erkennen diefelben an, als genügenden Beweis, daß er vom
bl. Geiſte angetrieben tmird.” — Theologische Schulbildung wird nicht unbedingt ge= 60
D *r
20 Methodismus in Amerika
fatal, Feb nal rs 531 fur. den Nandidaten Den Beſuch eines theologiſchen
ma N Mebanı 7 Shen, tt den einzelnen Monferenzen bleibt es überlaſſen,
tal plunttı geraten Al Mei ll Ciniae Neonferenien nehmen feinen Randidaten
th, Bun hehe anmelden ae et und aitliche Ausbildung ausweiſen kann. Die einzige
n Uu oleygsheln nslınf ten tu, unlbiherie ſeaneraltenferenz verlangt, iſt Abſolvieren eines von
ren Maybaten Yahgnditae —tuütnutkurius wabhrend Der eriten 4 Jabre des Predigtamtes
Von nen ont vn jihrliben Weanierenz buitimmten Prüfungskommiſſion. Auf Grund
enter atiiiget ange ven men Hweloatichen Seminar kann Der Kandidat von dieſem
ram ellünten eren mit Manabme Der Prufung in Yebre und Kirchenordnung (RT
ra Unlang hr Je mrijſenſchaitliche Korbildung Der Prediger iſt demnach | je nach den
„Jiteruiiden Dei eintelnen Mentferensert eine ſehr verſchiedene. Es liegt jedech im eigenen
‚terene Br Uaunttalen, ſich eine moglichiſt umfaſſende Vorbildung anzueignen, Da der
Katie der ehe much die böheren Stellen Dem weniger Gebildeten oder Berabigten ver:
ſchleſſen bleiben yes Glied einer jabrlichen Konierenz bat Das Rechz auf eine An—
1. Hell, die Konierenz kann demnach nur je viele Kandidaten aumehmen, wie Ste offene
Hiellen bat Tie KAeiſtimmung rs Arbeitsfeldes jedes Prediaers lest ausſchließlich in
Bent Handen des Arichrte; Die Aeſtimmung Des Gebhaltes it Der änidnen Sencinde an:
benngeltshlt Eine Gehäaltijtala eriſtiert nicht, ſo daß in Mieter Besichanz Schr große
Umteiſchiede erijtieren. Gemeinden in neuen Anliedelungen adır in surzerzsiten Teilen
sten Gröoßſtadien, die ſiebt einen Prediger erbalten fonnen + Meteor Gegenſatz zu
elbſterhaltenden GGememden“) erhalten Zuſchuß aus der Wrtinsti -- Nebſt Den
enheliwen“ Predigern unterſcheidet man „Nupermuimerterti . 2.27.5224 Mi zus (elund:
hpeiteruchſichten ein oder mehrere Jahre fang Arber A * > San Gebalt
beziehen NSS 10h, und uperannuierte Sr zurezmon. ( Tee legteren
en et.» nn m — m.
ade De Witwen und Waiſen Der pirtierpimm hreh2z manz ze ie NI Konferenz
zur Keriugung ſtehenden Mitteln Reiner:tac De Da2257 Te NIT ααÚœ Kellekten
eine PRenſion., Die aber bieber noch ſehr RN NT FIT SG ꝛerder energiſche
Aninengungen zur beſſeren Bertot; ung DU PELT Po FLUR Zu: Pr Ze BEE Zn amaub —X 195).
Eo werden zwei ordines und fer rt 7uabrige? Ticenjtzeit;
an haben das Recht zu taufen, au trauen met db— Adendmables su aſſiſtieren
Nds 88 8163 16%, Il). > Alret my Dome NL SS 166 217 , 130).
Tıe Bichofe find Alteſte, Diva. are en re gewäblt und gewribt
werten ING SS 171, Hi 23:
Die hochſien Beartier oo N vLebenszeit (das einzige
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Nr . | Ss ielgende Überficht erſtreckt
RR FO W WM diejenigen der anderen
Methodismus in Amerika 21
3338 ſchon erwähnt ſind und ſie in ihrer Organiſation denjenigen der Hauptzweige
gleichen.
1. Die Miſſionsgeſellſchaft. — J. M. Reid, Missions and Missionary Society of
the M. E. Ch. Revised and Extended by J. T. Gracey, 3 vols. — Annual Report of the
Mise. Soc. — Die Beitichriften Gospel in all Lands und World Wide Missions. — 6
Die Gefelliehak wurde 1819 zu New-York gegründet, befonders zum Zwecke der
Indianermiffion. Im erften Jahre nahm fie 823 Dollar ein. Sie ift ala „Geſellſchaft“
inforporiert, ift aber nicht ein Privatunternehmen, fondern fteht unter Leitung der General:
fonferenz. Jeder Prediger ift verpflichtet, mindeitens einmal im Jahre über Miffton zu
predigen, jeden Monat eine Mifftonsbetitunde ahzuhauen im Verein mit dem von ſeiner 10
vierteljährlichen Konferenz eingeſetzten Komitee über Miſſionen für die Verbreitung von
Miſſionslitteratur zu ſorgen und perſönlich oder durch Kollektoren Beiträge zu ſammeln
(RO SS 368-372), Dem PVorftehenden Älteiten liegt es befonders ob, darauf zu fehen,
daß dieſe Anordnungen ausgeführt werden (KO 88 366, 367). In allen Sonntags-
ſchulen ſollen Miffionsgejellichaften organifiert und jeden Monat eine Miſſionskollekte 15
erhoben werden ($ 374). Mit der Verwaltung der Gejellichaft, deren Sig in New-York
ift, find betraut zwei von der Generallonferenz auf je 4 Jahre (zumeift Wiedertvahl) ge-
wählte Sefretäre (jet Dr. U. B. Leonard und 9. k Carroll), ferner ein aus Predigern
und Laien beitebender Verwaltungsrat (Board of Managers), der fih jeden Monat
verjammelt, und fchliepli da® General Missionary Committee, das alle Jahre zu: 20
fammentritt. Letzteres beiteht aus den Sekretären, dem Schatmeijter, fämtlichen Bifchöfen,
12 Wertretern der Verwaltungsrates und je einem Vertreter jedes Generallonferenz-
diſtrikts (die jährlichen Konferenzen find in „Generaltonferenzdiftrifte gruppiert; die
deutfchen Konferenzen bilden einen Diſtrikt). Das Komitee ift die höchite Miffionsbehörde,
es enticheidet, in welchen Feldern Miſſion betrieben werden joll und beitimmt jedes Jahr 26
die Oelbbersiligungen für jedes einzelne Feld fomohl im ausländifchen, wie im ein-
beimifchen Werk, da beide Gebiete unter einer Leitung Stehen (RD SS 350—374). Im
Sabre 1901 betrugen die Einnahmen 1345297 Dollar, für das einheimische Werk wurden
bewilligt 495297, für das ausländifche 683942 Dollar, für Verwaltungskoſten, Aus:
jendung von Miffionaren, Verbreitung von Miffionslitteratur, unvorhergefehene Ausgaben 30
166058 Dollar. Das einheimische Miſſionswerk umfaßt außer dem Werke unter der
englifchredenden Bevölferung in neuen Yandesteilen der meitlichen Staaten und der Groß:
ftädte, dag Merk unter der Negerbevölkerung der Südftaaten, fowie unter Indianern,
Chinefen, Japaneſen, Finnländern, Vortugiefen, Böhmen und Ungarn, Franzofen, Stalienern,
Epaniern, Welſchen (Welsh), Nortwegen, Dänen, Schweden, Deutichen. Die ausländifchen s5
Miffionen find folgende: 1. Afrika, begonnen 1833, bat 3 Konferenzen, Liberia, Welt:
Gentral:Afrita an der Weitküfte füdlihb vom Aquator, und Oſt-Central-Afrika nördlich
von Transvaal, 37 Miffionare (ſtets einfchlieglich der von der Frauenmiſſionsgeſellſchaft
ausgefandten Frauen), 7665 lieder (volle Glieder und Probeglieder), Bewilligun
40000 Dollar. Das Werk in Afrika ſteht unter Leitung von Miſſionsbiſchof X. Harkell. 40
— 2. Eüdamerifa, begonnen 1836, 2 Konferenzen, die ſüdamerikaniſche in Brafilien, Argen-
tinien, Uruguai und die meftlich-füdamertlanische in Chili und Ecuador, 54 Mifftonare,
4984 Glieder, Bewilligung 79167 Dollar. — 3. China, begonnen 1847, 5 Konferenzen,
115 Miffionare, 25081 Glieder, Bewilligung 126630 Dollar. Die Generaltonferenz
beftimmte Shanghai als regelmäßigen Biihofsfis, Biſchof D. H. Moore hat die Aufficht. as
— 4. Indien, Begonnen 1856, 5 Konferenzen, 153 Miffionare, 94488 Glieder, Be:
willigung 149589 Dollar. Das Merk Steht unter Aufficht der drei Miffionsbifchöfe,
Thoburn, Barker und Warne. — 5. Japan, begonnen 1872, 47 Miffionare, 5620 Glieder,
Bernilligung 54000 Tollar. — 6. Merito, begonnen 1873, 15 Mifftonare, 5155 Glieder,
Bervilligung 51586 Dollar. — 7. Malayfien, begonnen 1885, 34 Miffionare, 775 lie: 50
der, Bewilligung 25981 Dollar. Schließt auch das Werk auf den Philippinen ein, mo
nun 3 Miffionare ftehen. — 8. Korea, begonnen 1885, 26 Miffionare, 3897 lieber,
Berrilligung 23000 Dollar. — Unter Zeitung der Gefellichaft fteht auch das Werk in
Europa. TDeutfchland, begonnen 1849 durb Dr. L. S. Jacoby, 2 Konferenzen mit
148 Predigern, 18678 Gliedern, einer Predigerfchule zu —** a. M. Martins 66
Miſſionshaus) und Buchgeſchäft zu Bremen (Verlag des Traktathauſes), Bewilligung
35 700 Dollar ſiche Jacoby, Geſchichte des amerikaniſchen Methodismus, ©. 248 ff.,
Bremen 1870; H. Mann, Jacoby und ſeine Mitarbeiter, Bremen 1892; „Der Evangeliſt“,
wöchentliches Organ der Biſch. Meth. Kirche in Deutſchland, Bremen ſeit 1850). —
Schweiz, begonnen 1856, 50 Prediger, 8420 Glieder, Buchgeſchäft in Zürich (Chriſtliche co
44 Methoedis ans in Amerils
Vereisehusdkantlung,, Serilligung :27: Tcllar ınee Pcrer. Geichichte Der Biſch. Meth.
Hudı in ver Tan, Zundb I*72; „Zar Simmern Evangeli. Jim ſeit 1893). —
Yon, kennen 1773, 99 Frediger, 953 Glieder, Barilligung 11600 Tollar.
ehineren, beaennen 1854, 11% Trekiger, 16352 Glieder, Bartllunung 1500 Dollar.
# Lau⸗murt, begonnen 1857, 22 Prediger, 3440 Glieder, Bewilligung 7000 Dollar.
Aunlant, beaunnen 1588, 9 Prrediger, 955 Glierer, Bewilligung 5200 Dollar. —
ulgarıen, begunnen 1857, 15 Prediger, 241 Glieder, Bewilligung 78368 Tollar. —
‚alien, beaunnen 1870, 30 Prediger, 2325 (lieder, Barilligung 15 0043 Dollar. Das
euzspalde Kerl ft unter Aufliht von Bilhot N. H. Vincent, webnbaft in Zürich,
it Zdreiz (non der (denerallonferen, von 1900 ale Biihorsntg beitimmt. — Außer dieſer
Miſſiunaguciellſchaft beitehen noch zwei weitere unter Den Frauen der Kirche, eine für
“yimästiae Hliffion, die Woman’s Foreign Missionary Society, und eine für ein-
heiumniſche Milfion, die Woman’s Home Missionary Society. (ritere wurde 1869
zu Bolton gegründet von einigen aus Indien zurückgekebrten Miifionaröfrauen, um die den
„ Millionaren unzugänglichen, in den Zenanas eingeichlofienen ‚rauen Indiens zu erreichen.
1972 wurde fie von der Generalkonferenz anerlannt. Sie bat einen von rauen ge-
leitelen Uerwaltungsrat, die Veſtimmung der Arbeitsfelder jowie Die Geldbewilligungen
unterliegen jedoch der Beftätigung des Allgemeinen Miſſionskomitees (KT S 375; M. ©.
Atheclen, Ihe Woman’s Foreign Missionary Society, 1881; F. 3. Baler, Story of
the Womun’n F, M. 8. 1896). Die Geſellſchaft zäblt jegt 6469 Lokalvereine mit
hans Mitgliedern, darunter 282 deutfche Vereine mit 6490 Gliedern (f. 31. Jahres⸗
besuht Inn IH00), Sie unterbält 219 Miffionarinnen, zumeiit in Indien, China und
dapan, von denen 21 geprüfte Arztinnen find; außerdem über 1000 eingeborene Bibel:
ten Sie beſitzt 19 Spitäler und Kliniken und unterrichtet über 18000 Schüler in
llren Zchulen. Im Jahre 1900 wurden 414531 Tollar gelammelt; außerdem will die
(Geſellſchaft ein befonderes 20. Jahrhundert-Dankopfer von 200 000 Tollar fammeln. Sie
puhltglert 1 sjeltfehriften, Davon eine in deutfcher Sprache, „Der Frauen-Miſſions-Freund“.
Te Frauen Geſellſchaft für einbeimifche Miſſion befteht fett 1880. Ihr Zweck iſt
Iefenteene unter den bebürftigen und vertwahrloften Frauen und Kindern in den Ber:
gen 7aaten ohne Anterfchied der Raſſe oder Nationalität zu arbeiten. Ihre Ein:
mbmme im Juhre 19000 betrug 210911 Dollar; der Wert ihrer Gebäulichkeiten (Induſtrie⸗
ſchulen, Ambergurten, Spitäler) beläuft fih auf 737712 Dollar.
te Geſamtſtatiſtik des auswärtigen Miſſionsweſens ift: 265 Miffionare, 225 Frauen
vn Miſſſtonaren, 68 unverbeiratete Miſſionare, 219 Miffionarinnen der Frauen-Geſell⸗
0 hal, 1221 eingeborene Delferinnen der rauen: Mifftonsgefellichaft, 831 eingeborene or:
lnerle Prediger, TON eingeborene unordinierte Prediger, 1384 eingeborene Lehrer, 2829
vlnyebimene Vokalprediger, Nolporteure, Bibelboten, 182957 Glieder, 8024 Taufen von
UArmiibſenen, HEHE Jauſen von Rindern, 13 tbeologifche Schulen mit 48 Lehrern und
ET flat, 68 böbere Schulen mit 182 Yehrern und 6861 Zöglingen, 1344 Tages:
so ſchulen milt 2570 abnilern, 1902 Sonntagoſchulen mit 201908 Schülern, 1174 Kirchen
te Mupellen im Mert von 35633 151 Dollar, 914 gemietete Säle, 576 Miffionsgebäude
(omas un Merte don LORGNNO Dollar, Waiſenhäuſer, Schulen, Spitäler, Drudereien
im MWerte don IGPHORG Dollar, Geſamtwert des Milftonseigentums nah Abzug der
Zibulden 1768 Dollar (82T Annual Report of the Miss. Soc. 1901). Be
3 ſondere Vorbereitungſchuülen für Miſſionare eriftieren nicht (doch fiebe unten die Scarritt
Bible Nehooh. Pie Miſſionare werden aus den Neiben der Neifeprediger genommen.
„Nei jeder jahrlichen Konſerenz ſoll man Diejenigen, welche auf Probe oder in volle
Verbindung auſſenommen werden, fragen, ob fie willig find, ſich dem Miſſionswerk zu
widmen. Alle, welche ſich hierzu bereit erllären, ſollen als willig und bereit angeſehen
werden, ſich als Miſſionare anſtellen zu laſſen, ſobald einer der Biſchöfe ſie zum Mifftons-
dienſte beruft” (NOS In.
Die Miſſionogeſellſchaſt der füdlichen Mietbodiften wurde 1846 gegründet. Ihre
Einnahme im Jahre 1900 betrug 316079 Dollar. Davon wurden bewilligt für
einbeimiſche Miſſionen 57.997 Dollar, für ausländische 181249 Dollar. Die
Miſſionoſelder find: China, begonnen 1818, 35 Miffionare (einschließlich der von der
Frauen Miſſionogeſellſchaft ausgeſandten), 957 Glieder, Bewilligung 33416 Dollar. —
Brafilien, begonnen 1871, 25 Mifftonare, 2785 Glieder, Bewilligung 36800 Dollar. —
Meriko, begonnen 1871, 33 Nonferenzen, 93 Miſſionare, 5788 Glieder, Bewilligung
6577 Dollar. © Japan, begonnen 1886, 20 Miffionare, 688 Glieder, Bewilligung
60 3362501 Dollar Korea, begonnen 1896, 8 Miffionare, 242 Glieder, Bewilligung
€
=
oO
Methodismng in Amerika 23
10802 Dollar. — Cuba, begonnen 1872, 10 Miffionare, 499 Glieder, Bewilligung
11400 Dollar. — Die Frauengefellihaft für auswärtige Miffion wurde 1878 gegründet.
Sie zählt 3420 Lolalvereine mit 72 524 Gliedern, unterhält 50 Miffionarinnen, 166 Lehrer,
17 Sculinititute (Boarding Schools), 61 Tagesichulen, 2 Spitäler, 60 Bibelfrauen.
Die Emnahmen, einfchließlidh des bejonderen Dankopfers betrugen 118707 Dollar. 5
Unter ihrer Leitung iſt auch die Scarritt Bible and Training School in Kanjas
City, Mo., woſelbſt junge Leute für den einheimijchen und ausländiſchen Miſſionsdienſt
ausgebildet werden. Die Frauengefellichaft für einheimifche Miffion wurde 1886 ge
gründet. Sie unterhält 6 Induſtrieſchulen, eine für Cubaner, ftellt Stadtmiffionare an
und leibt armen Gemeinden Geld zum Bau von Predigerwohnungen. Die Gejamt: 10
miſſionsſtatiſtik der füdlichen Methodiften ift: 131 Miffionare, 100 eingeborene Reifeprediger,
312 „Helfer“, 10959 Glieder, 121 Kirchen und Kapellen, 90 Schulen, 2 Bibelichulen,
6 Spitäler, Geſamtwert des Miffionseigentums 994755 Dollar (f. 55% Annual Report
Board of Missions 1901 und 234 Annual Report Woman’s Foreign Miss. Soc. 1901).
Die Kirchenbaugefellihaft (Church Extension Society) wurde 1884 gegründet, um 15
neu gegründeten, ärmeren Gemeinden das Erbauen von paflenden Kirchengebäuden zu
ermöglichen. Die Verwaltung ift ähnlich mie die der Miſſionsgeſellſchaft, die Glieder
des Generalmiſſionskomitees bilden auch die höchite Behörde diefer Geſellſchaft. Bebürftige
Gemeinden werben durch Gaben unterftüst und auch durch unverzingliche, in Raten
zurüdzuzablende Darlehen. Der zu letzterem Zweck verfügbare Fond beträgt 2'/. Millionen 20
Dollar. In jeder Gemeinde wird jährlich eine Kollekte dafür gehoben. Seit Gründung
der Geſell ha find gegen 7 Millionen eingegangen, womit 11677 Kirchen unterftüßt
wurden (KO 88 379402).
Das Diakoniſſenwerk verdankt feine Anregung bauptfächlich dem Diakoniſſenweſen
Deutſchlands. Seit 1872 wurde die Angele enbeit in den Zeitſchriften erörtert, doch erft 25
im Sabre 1886 wurden die eriten praftiichen Schritte durch den aus Indien urück⸗
gekehrten Dr. Thoburn, ſowie durch * L. Rider Meyer und Fr. Robinſon, die in
Deutſchland eine Anzahl Diakoniſſenanſtalten beſucht hatte, gethan. 1888 nahm eine
zu Chicago abgehaltene Konferenz von Freunden des Werkes einen einheitlichen Plan an
und im Jahre 1900 organiſierte die Generalkonferenz das Diakoniſſenweſen. Die Leitung a0
liegt in Händen der Bifchöfe, welche die „Allgemeine Diakonifjenbehörde” bilden. Jede
Konferenz foll eine Behörde von 9 Perjonen, von denen 3 Frauen fein follen, erwählen,
welche die Aufficht über die in den Grenzen der Konferenz befindlichen Anftalten bat.
AS Diakonifjen werden Yungfrauen ordiniert, „die das 23. Lebensjahr überfchritten
baben und von ihrer vierteljährlichen Konferenz oder von dem Vorſtand einer Anftalt 35
empfohlen find. Sie müfjen 2 Jahre als Probefchweitern gedient und vor der Konferenz:
behörde eine Prüfung über ihre religiöje Befähigung und ihre Kenntnis in dem von den
Biſchöfen für Diakoniſſen vorgezeichneten Studienkurſus beftanden haben, ebenfalld ein
gefundbeitliches Attejt von einem Arzte bringen”. „Keiner Diakoniſſin foll ein Gelübde
l länglicher Dienſtzeit abgenommen werden, und es ſoll ihr zu jeder Zeit das Recht a0o
zuſtehen, aus dem Diakoniſſenamt auszutreten.“ Die Dinkoniften find teils Kranten-
pflegerinnen, teil Gemeindeſchweſtern. „Es jol die Pflicht einer Diakoniffin fein, den
Armen beizufteben, die Kranken zu pflegen, für die Waifen zu forgen, die Traurigen zu
tröften, den Berirrten nachzugehen und, indem fie alle anderen Berufsarten einstellt, fich
diefen und anderen Formen chriftlicher Thätigfeit zu widmen” (KO SS 205—212, An: 6
bang SS 55, 63). Die Kirche beſitzt jett 73 Diakonifjenanftalten und Spitäler im Werte
von über 1’, Millionen Dollar. Im ganzen arbeiten 561 Diafonifien. Die be:
deutendjten Spitäler find in Cincinnati, Brooklyn, Minneapolis, Chicago (ſ. C. Golder,
Gefchichte der weibl. Diakonie, 1901, ©. 201 ff.), ferner 14 Waifenhäufer und 6 Heimaten
für alte Leute. In der füdlichen Kirche iſt das Diakoniſſenwerk erft in feinen Anz so
fängen, doch wird jest in St. Louis, Mo. ein Spital gebaut, infolge eines Legat3 von
1100000 Dollar.
Das Erziepungsw erk. — Liebhart, Die Stellung des Methodismus zu geiftiger Aus⸗
bildung, 1866; A. Cummings, Early Schools of Methodism, 1866; 8. M. Vail,
Ministerial Education in the M. E. Church, Bofton 1853. 55
Die Gründer des Methodismus in England twie in Amerifa waren afademifch ge
bildete Männer, die den Wert der gelehrten und der Volfsbildung fchäßten und diefelbe
in den neuen Zändergebieten zu heben verfuchten. Gleich bei ihrem erften Zuſammen—
treffen beichloffen Coke und Asbury ein Kollege zu gründen, und bald nad) der „Weib:
nachtskonferenz wurde der Grund zu dem Cokesbury College in der Nähe von 60
J
2 Methodismns in Amerika
Maltionen gelegt Bars Gehäude brmmme 1797 nieder, und als es nach dem Wiederaufbau
ae bat glelibunn Schnell betroſſen wurde, ba meinten Die vielen Gegner des Schulweſens
unter Inn. uerigern und den vaien, Darin den Willen Gottes zu erfennen, Daß ber
melleriemue anebt beraten ſei, Schulen zu gründen. Im Sabre 1818 madıte man in
Ya hunphlie ben Kerſuch sin Seminar zu gründen, und im Jahre 1820 empfahl die
Wenallunlerenm die Anlage boberer Schulen. Nun entitanden in rafcher ;yolge
listen Wellen und Univerſitäten. Gegen theologiſche Schulen berrichten lange
bel Rorurleile. da man befuürchtete, dieſelben — Irrlebren erzeugen oder doch
kan Verenoframinigleit binderlich fein, indem ſie verltandeamäßiges Wiſſen für wabre
Vonniiglen ſüſunerten Nach beitiger Uppoittion wurde 1847 Das Methodist General
Milliead Inntitnte au Coneord. New sumpiire begonnen. welches ſpäter nach Boſton
verhar und die theolegudde Falulta: der Boston University wurde, im Jabre 1855
ſelaen die wentiden Keniewnzen ut Ser Erundunag des Garrett Biblical Institute
nen ber odieaae es: die tesinsiche nfulsst der Northwestern University
und u AMT txI NN Drew Theviogieal Seminarv :u Madiſon, N. J. in
Nu Navy Nas Paten I Daye Nuns rs Seen 22 zen einer balben Willien Dollar
mr N. Da SEEN Sr ZI NUN NER ern irn Tomemozen Staaten 56 Collegien
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Wien Nora INA Do panzsien clean Zenmmurten find ın
tan Norden ta DuNene, Born: Erofsem 182 Studenten),
uam Nolan Merat. Ber, Wartenten liche ze Deuzicher Meth.
nen Ya Kon je atattid as Gammon Theois:zieal Seminary
Eee Vol. 00, Niet Tu tublicen Yethodiiten zen 2 Collegien
rn un Kor anzern im Werte ven über 3°. Rillionen und
“ Dun Su zndte Zchule iſt Die Vanderbilt University
\ oe Soerz Bonderbilt mit einer Scenftens ven beinahe
' RER ve yoraahn —— werden auf Anregung rn Büchof Hurſt
en Nass mc archc Univerfitat, Die American University,
\owtooy Pre Wie Netrodismus beteiligen. Tietelbe ĩoll jedech erit er:
ren. Ne even digen sebauden ein Fonds ven mindeiten® 5 Willionen
Ya giindunssipelen Tteht unter Yeitung eines von der General⸗
N Cisit Senate“, melder Das Minimum Der in den kirchlichen
ra. Nase. tse beitmmt, ımd Bea Board of Education mit einem
an in fer Erziebungsſache widmet. Tiefe Behörde verwaltet den
oo nanyn Surnsbedurftige Studenten unterſtützt werden, indem jiv un:
Yo niisfsunäblende Anleihen erhalten. In jeder Gemeinde und
a — ine Kollekte zu Dielen Zwecke erboben (NT SS 331 -334.
V. .. . New an the Board of Education 1901. — „Ihe Christian Student“,
a! che Board of Education. — Tie Programme und \abrbücher Der
N a —V—
heeſen wird ebenfalls große Beachtung geſchenkt, mas um jo not—
as on din Wollsichulen fein Bibel: oder Religionsunterricht ſtattfindet. Die
ne inet onntagsſchulweſens unterttebt einem von der Generalkonferenz er:
© 91 hand Velten auch Die umfjaſſende für Lebrer und Schüler herausgegebene
ah nett AND S 313. 3199. Der frübere Sekretär, Dr. (jetzt Biſchof)
su rranitallet am Chautaugua-Zve im Ztante New York während Des Zomnierg
Yin ut onntagoſchullehrer, woraus ſich Die große, alle Kirchen in den verfchiedenen
iyrenaatiden umfaſſende Chautauqua Bewegung mit ibren Zommerichulen (im Jabre 1900
\wemblioa®) und Leſekurſen (uber 260000 Teilnehmer) entwidelt bat, welche ala
von tenbung Aunfter Der amerikaniſchen Volksbildung anerfannt wird (1. J. 9. Vincent,
Kl O'huutanıua Movement, N. V. 1886. „The Chautauquan”, Gleveland, Obio,
Wenuehluun. „Un Bildung und wahre Frömmigkeit unter den jüngeren Yeuten in
Methodismus in Amerika Methodins . 25
unferen Gemeinden zu fördern und fie zu chriftlicher Thätigleit heranzubilden” (KO 8 329),
dient auch der Jugendbund oder Epworth League (jo genannt nad) dem Geburtsorte
Wesleys), welcher 1889 gegründet und 1892 von ver Generalfonferenz anerfannt wurde
(KO 8 339—342). Er zählt jest 20420 Lofalvereine mit gegen 1900000 Mitgliedern.
Das offizielle Organ ift der wöchentlich erjcheinende Epworth Herald mit über
100000 Abonnenten. Alle 2 Jahre hält der Jugendbund der nördlichen und füblichen
Kirche und der Methodiften Canadas eine gemeinfame Konvention ab (die Konvention zu
Can Francisco, California im Juli 1901 hatte eine Teilnehmerlifte von 18841). — Yür
das Erziehungswerk unter den Negern und auch unter der vernachläffigten weißen Be:
völlerung der Sübdftaaten befteht ſeit 1866 die „Freedmens’ Aid and Southern 1
Educational Society.“ Diejelbe unterhält jest 23 Schulen für Neger, darunter das
Gammon Theological Seminary, und 25 für Weiße. Die meiſten derfelben find
Induſtrieſchulen. Im Sahre 1900 wurden für diefen Zweck 90625 Dollar verausgabt
(KO 5 403— 407). Der jebige Sekretär iſt ein Neger. — Die „Traktatgejellichaft”,
fhon 1817 angeregt, aber erft 1852 von der Generalfonferenz anerkannt, beiteht zu dem 15
wecke, chriftliche Titteratur unentgeltlich oder zu den billigften Preifen zu verbreiten. Im
ahre 1899 wurden 24723 Dollar dafür verwandt. Für alle diefe Gefellichaften, die
unter der Leitung der Generalkonferenz ftehen, ſowie für die interdenominationelle
„Amerikaniſche Bibelgefellichaft”, wird in jeder Gemeinde jährlich eine Kollefte gehoben.
— Ende 1898 erließen die Bifchöfe einen Aufruf mit der Aufforderung, den Anfang des 20
neuen Jahrhunderts durch eine beiondere Dankopfergabe von 20 Millionen, die bejonderg
für die Erziehungs- und Wohlthätigkeitsanftalten, forwie zur Abtragung von Kirchen:
ſchulden beitimmt fein foll, zu bezeichnen. Bon diefer Summe find bis November 1901
gegen 13 Millionen in baar eingegangen oder in Unterjchriften gefichert.
Buchweſen. Fünf Jahre nah der Organifation der Kirche gründete die General: 25
fonferenz ein kirchliches Buchgefchäft. Der erite „Book Steward“, %. Dickins fing das
Geſchäft in Philadelphia mit einem geborgten Kapital von 600 Dollar an. Das erite
Buch, das verlegt wurde, war die Mesleyiche Bearbeitung von Kempis Nachfolge Jeſu.
Im Jahre 1804 wurde das Geſchäft nach New-York verlegt, im Jahre 1820 wurde ein
— in Cincinnati, Ohio gegründet, und aus dieſen Anfängen bat ſich das Methodist 80
ook Concern, das größte Tirchliche Verlagshaus in Amerika entwidelt. Die Leitung
ſteht unter einem von der Generalkonferenz erwählten, meift aus Laien beitehenden Book
Committee, das aus einem Vertreter für jeden Generalkonferenzdiſtrikt beiteht und fich
jährlich verfammelt. Es führt die Aufficht über das ganze Buchweſen und beitimmt auch
die Gehälter der Biichöfe, Redakteure und Publitationsagenten. Die Generaltonferenz 85
wählt 2 Agenten für das Gefchäft in New-York, jett Eaton & Maine, Zweiggeſchäfte
in Bojton, Philadelphia, Detroit, San Francisco, und 2 für Cincinnati, jetzt Jennings & Pye,
weiggeſchäfte in Chicago und Kanjas City (der Verlag der deutfchen Bücher ift mit dem
eſchäft in Cincinnati verbunden); ſowie die Redakteure der offiziellen Zeitfchriften. Aus
dem Reingewinn werden die Unkoſten der verſchiedenen Stomiteen bejtritten, die Meife- 40
toften der Bifchöfe u. ſ. w. Der Überfchuß wird den jährlichen Konferenzen zur Unterftügun
der fuperannuierten Prediger übertwiefen. Für diefen Zweck wurden vom Bucgefhäft
egen /, Million beigefteuert. Der Verlagskatalog weiſt über 3000 Titel auf. Die Ber:
tänfe des öftlichen Gejchäftes betrugen im Sahre 1900 946051 Dollar, dag Vermögen
1656201 Dollar, die des meitlihen Geſchäftes 1063915 Dollar, das Vermögen 65
1339906 Dollar. — Die auf Beihluß der Generalfonferenz veröffentlichten offiziellen
Organe find Methodist Review, eine alle zwei Monate eetheinende theologifche Zeit:
ichrift, der wöchentliche Christian Advocate (New-NYork), Pittsburg Christian Advocate
(Bittsburg), Western Christian Advocate (Cincinnati), Northwestern Christian
Advocate (Chicago), Central Christian Advocate (Kanjas Gity), Pacific Christian 50
Advocate (Portland, Oregon), Southwestern Christian Advocate (Neiw-Orleang),
Der Chriftliche Apologete und Haus und Herd. Nebft diefen eriftieren eine Anzahl von
Lolalblättern, die von einzelnen Konferenzen oder Diftrikten herausgegeben werden. Das
Buchgeſchäft der füdlichen Methodiften befindet fich zu Naſhville, Tenneflee.
% 8, Nuelfen:Berea, Ohio. 56
Methodins, Biichof von Olympus in Lycien, geftorben wahrſcheinlich 311. — Ueber die
Schriften und Ausgaben des Methodius |. Richardſon. Bibliogr. Synopsis zu Ante-Nic.
Fathers (Buff. 1887) ©. 75f.; A. Harnad, Geſch. der altchriftl. Litt. bis Eufebius I, 468 ff.;
G. Krüger, Geſch. d. altchriftl. Litter. in d. erften drei Sahrh. ©. 145 ff.; Bardenhemwer, Patro—
logie? ©. 154 ff.; Ehrhardt, Die altchrijtl. Litter. und ihre Erforfhung von 1884—1900 vo
oO
Nikanind
been Ir. arib te Ur. 1900 5. 363 7. Te Zumroion
Yen pen Mu IB, dm Jahre darauf erichten eine Leber:
vo hellen Amelie Marniine den Anfang von De autexusio ediert (in
rt Fuhinn oe Bumbeno hat 1614 und 1672 alle von WM. Er:
arm Mulbsaneh dullvan Auvgube tn 8d TIL der Bibl. vet. patr. aufs
et tn AN Nena doll. VIE veröffentlichte Fragmente ver:
I ma haneh an udn IAn meie! Turkarbeitung gab A. Jahn eine
Met De sen Nor npetich enthält die bis dahin
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J N SON vaaany an) De msurreetione umd einer An-
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NANNTE VL — Ueberiegungen:
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Son N N oc. ur 55 ie IUlethodiorum scriptis,
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j 2 >... 8. Scnun DehrB I, 909:
tn Nr lose Ir. 21:8. Zantom,
u a N on ser Mami iss: Arud, Togmengejch.?
, - s saure, rich a ar il. Eschatologie
No Spez ın Abh. % 7. Corringen geividmet,
Son... nr. „Mider Die Schem‘ cs dem Armen.
—R eier. Byz. Litt. 695, 6-7. K. H. van de
on Non 16015 Soll, Aragm. um. BB ad.
‚ii: die Apofalnpie des Firzrenerhodius vgl.
>. tpuf des M. von Batara und Fe wur. Viſionen
.tende onjfch), Mokau 1007: € SZatur. Subull.
oa Adde und Die tiburtin, Sibnüe, Sl: ISIS: Fr.
Ss, Rupie, ZN N N 10), < S. *R3*
i. war Riſchof au Olvmpus in warn zul Zahn
.urrit Leontius, oder von Tyrus, mic teron. De
nu nass, Rev. VII isn], 311 erfları den Irrtum
.. Zummpus und Phönikus geweſen ſei). EWeinlich
ot werorden, aber ſicher nicht zu Chalcis ix Wrtechen:
sand, obwohl er ibn kennt (Hier, ApoL I adv.
\ ailerdingo unter „anderem Namen) feiner Praepar.
ME LEN Sijchof don - Ipmpus bezeichnen Bi Me Hand⸗
sw VLLT De Berges I Olvmpus gedenft M. selbit De
stkentt des M. iſt nur das Zrmpofion griechisch voll:
une Bibl. 237 und Die Saera Parallele), Schon ſein
onottint zu Platos Sympoſion. Die formelle Abbangigkeit
veitgebendſte, vgl. Jahn, M. plntonizans (2. Teil teiner
nad der Arete, Den Ara TS dodaupatas, geladene Jung⸗
on Dem Preis der \ungfräulichleit als des Weſens der erſt
on. Meuabnlihfeit (or. 1) folgt (or. 2) die Betonung der aonlichen
trade pb 5, 26ff. eigentlich von Chriftus und der Nirche und iſt
\ de. das Vorzüglichere (or. 9. Sie iſt nach Pf 137 Das beite
ynsapteit (or. 1), Das große Gelübde des ganzen Menichen Nu 6,
. Nntibriiell bewahren nad Dit 25, 178. ſich unbefledt zur Vermäblung
VIvyvnen gilt Hob 2,2.1,99,6, 78, den Märtorern fteben
—X ab Apk 12, 1 ff. iſt Die Kirche, die als Mutter zur Teilnabme
en, Dumnb ſeinen freien Willen, denn ein Fatum giebt es nicht, vermag
Yon ze duhrung Det Fugen u folgen (or. 8) Mit ihr haben wir uns
“rnit Ye 23, BORD Die Muferitehung, zu ſchmücken (or. 9. Erſt
Neon abo ine etvneien, Die N lkommene Gerechtigkeit Ko, 8ff., in Die Welt de:
—1 bließlich vereinigen ſich alle Jungfrauen zu einem Hymnus auf den
tr. eu. Von De autexusio iſt nur 1- 7, jelbjtitändig griechiſch
nen 1 unter dem Namen Des Marximus in des Euſebius Praep.
Vi'““, von wo es Die Philocalia entlebnten, Photius Bibl. 2:36 bietet um—
un etyie. Die Knera Parallela zahlreiche Fragmente, der Tinten Dre Adaman:
NV amd Ez me „Wider Die Sekten“ 1, 1.5, 17 2. 29- 168 ff. haben
riben, eine altflaviiche Überfegung Des 11. Jahrb. es ganz wiedergegeben. Die
.
.L”
ooonbuin haylvı Aberfetung „Bon Gott, von Der Materie und von dem freien Willen”
yon IAnhall noch deutlicher: der Urſprung des Böſen Das eigentliche Thema. Zwei
Methodins 27
Ungeivordene können nicht fein, auch befreit die Annahme einer eiwigen Materie Gott
nicht von der Urbeberfchaft des Böſen und können die fich mwiberfprechenden Elentente
nicht aus einer einfachen Urmaterie fich enttwidelt haben (cp. 5—13). Das Böfe, als
Accidenz muß auf eine Willensthat zurüdgeben. Durch das Verbot Gottes hatte der ein
Rebell gewordene Teufel die Kenntnis des Böjen erlangt. Gott hat diefen, obwohl feinen 5
Abfall vorherwiſſend, erfchaffen und hat ihn hernach nicht vertilgt, damit das Gute eine
freie That fei und fih in Überwindung des Böfen bewähre (14—22). — In eol
yeynray, wovon nur bei Bhotius Bibl. 235 furze Fragmente, befämpft M. des Drigenes
Lehre von einer ewigen Weltichöpfung; Gott in feiner Abfolutheit bedarf nicht der Welt,
um Schöpfer zu fein, und ein Anfang feines Schaffens widerftreitet fo wenig mie fein 10
thatfächliches ufpören der Unveränderlichleit Gottes. Da einer der Kollofutoren bier
Xenon heißt, jo fünnte dies der Dialog diefes Namens fein, deſſen Soerates 1. c. ge
denkt; doch liegt bier fein Widerruf des Angriffs gegen Origened vor. — Gegen diejen
ift auch die neben dem Sympofion bedeutendſte Schrift des M., Die „über die Auferftehung“
gerichtet. Die Verhandlung, in Patara unter dem Vorſitz eines Theophilus, führen für 15
Drigened ein Arzt Aglaophon und ein Proklus; M. (in feinen Dialogen Eubulius) und
Memian greifen an. Beſonders des Drigenes Darlegungen in der Erklärung des 1. Pſalms
werden mitgeteilt (I, 20—24. III, 2—13. 17. 19—22) und durch naturmifjenchaftliche
Argumente unterftügt I, 9—11. 25. Dem jegt M. neben Gründen aus der Schrift
logische und naturwiſſenſchaftliche Beweisführung (II, 9—14. 20. 22—24. 26—30) ent: 0
gegen. Der Leib ift nicht Urfache der Sünde und nicht Strafe für diefelbe, fondern als
Gottes eigenes Werk zur Unfterblichkeit beſtimmt (I, 29—35). Er ward ſterblich, damit
die Sünde, die in ihm Wohnung gemadt, durch den Tod wieder völlig ausgetilgt werde,
wie ein verunftaltetes Bild in feine Elemente zerſchmolzen wird, um es wieder makellos
berzuftellen (I, 36—46). Gewordenes ift, wie die Engel bemeifen, noch nicht notwendig 26
vergänglich; auch iſt dag Vergehen der Welt nur ihre Umwandlung, alfo muß nicht der
Leib mit ihr völlig vergeben (I, 47f.). Nicht leibloſe Engel, fondern „mie die Engel“
werden die Auferftandenen fein, bewahrt in ihrer Art (I, 49 ff.). Nur das Tote kann
auferftehen, die Seele aber ift unſterblich (I, 51, 4ff.). Pi 66 redet nicht von dem Fall
der Seelen, fondern von den Märtyrer (I, 54ff.). Ebenjo ſchildert Nö 7 nicht den Zu: 30
ftand vor und nad) Empfang des Leibes (I, 57—II, 8). Durchgehends beftätigt die
Schrift die Auferftehung des Leibes: 2 Ko 4, 10ff.,5, 1ff. (II, 15f.), auh 1 Ko 15, 50
(II, 17—19), Ze 23, 39f. (II, 21), 1 Th 4, 16 (II, 21, 4, Io 1. 2 (II, 25). Eme
MWiderlegung der Schriftgründe des Drigened im einzelnen giebt III, 1—22, worauf
cp. 23 mit einem Gebet ſchließt. — Auch De resurrectione ijt ganz nur in alt: 86
jlavifcher, leider gegen Ende immer mehr verkürzend verfahrender Überfegung vorhanden.
Den griechifchen Tert von I, 20—II, 8 hat Epiphanius durh Aufnahme ın fein Banarion
haer. 64, 12ff. gerettet. Dazu kommen Excerpte des Photius, Bibl. 234, Fragmente
in den Sacra Parallela (vgl. Hol 1. ec. 162f.) und in den davon unabhängigen fyri-
ihen lorilegien, die Verwertung bei Adamantius, die aber bier nicht fo umfangreich w
und nicht fo tertgetreu ift wie bei De autex. (Die Entlehnungen angegeben bei Bal-
buyzen ©. XXXVIIIf. und fchon faft fämtliche in meiner Ausgabe [gegen Preufchen Bo IV,
621, 47]), und von I, 38 ff. in der Gatene des Procopius, ferner durch Juſtinian ad
Menam, Decumenius, Euftratiug u. a. Wie das Sympofion fo ift auch De resurr.
(wenigſtens größtenteild) vor De eibis 1, 1 gejchrieben. — Nur drei Fragmente find «
aus der Schrift gegen Porphyrius erhalten (ex parte hat nach Hier., In Dan opp. V,
617. 730 M. dem Porphyrius ermidert), fie gewähren aber einen Einblid in die Er-
löfungslehre de M. — Die Fragmente mit Erklärungen dee M. zu Hiob 9. 25.
27—29. 38. 40 geben wertvolle Beiträge zu feiner Gnadenlehre. Ganz gering find die
Fragmente aus nepl uaptiowy bei Theodoret und den Parallela. — Weitere Schriften co
nur (oder Ioj nur) altjlavisch erhalten. Die Abhandlung „Über das Leben und die
vernünftige Handlung” will das rechte menſchenwürdige und chriftliche Verhalten in den
Wechſelfällen des Lebens zeigen; fie iſt noch ſtärker ſtoiſch beeinflußt als die übrigen
Schriften des M. Ein mehrfah in der alten Kirche erörtertes Thema behandelt die
Schrift „Über die Unterfcheivung der Speifen und über die junge Kuh, die im Leviticus 56
erwähnt wird, mit deren Aſche die Sünder befprengt werden.” Op. 1—5 durd eine
Ausführung über den Segen des Leidens eingeleitet, giebt fie dann eß 6—15 in einer
Erklärung von Nu 19, 14ff. eine Darlegung über das Weſen wahrer Reinheit und über
das geiftige Verftändnis der Schrift. Bon der Abhandlung „An Siltelius, Bom Aue-
jag” bat die Handſchrift Coisl. 294 auch einige griechiſche Fragmente aufbewahrt, die er: 60
lennen lafien, wu aub bier ber Zlave zer ar WM. zart iep. 1-10 beim. 12),
daß tu Ancrinungen Des Geiezes über ten Ausis ee Ammeiiunz für die dhriitliche
% st tele noch (ep. 15 #.: von aner Scrinteridern empfangene
Aufihlufle tiber me rechte Eregeie, mweriell von 13 J
6 .joA, welcher in ben Sprichwortern it, und ven Tie Himmel verlünten die Ebre
Gottes” teuer IH. ven Igel Ir 0, 13%. 124, Ft, auf Die geittige Schlange, Die un:
Pr Peg re T mM -
14, 2. Tie Zhrift „Bom Yab”, aut die M. ki ı
ft verloren. Ebenſo die von Hierowmus, De vir. iD. 53 enmübnten De Pythonyssa
und bie Kommentare zur Geneſis und zum Hobenlied «über Fragmente Daraus und zu
den Pſalmen und Habaluk 1. Preuſchen bei Harnack, Litt. Geich. I, 478) und eventuell
f, 0.) der Tialog Xenon. Über ein im Cod. 1182 saec. 17 des Kloſters Iwiron er-
mwähntes Verzeichnis von Schritten des M. 1. Tb. Meyer, ZG XI, 156. — Unecht
find die Heben De Symenne et Anna, In ramos palmarum und die armenifchen
1 eogmene aus In ascensionem d. n. J. Christi. Über die Revelationes Me-
u.
2. Tie Theologie des M. bat zwei Centren und iſt durch ein doppeltes Beſtreben
haralterifiert: fie will gegen Origenes den altdhriftlihen Realismus aufrecht erbalten und
andererfeits in einem gewiſſen Anſchluß an jenen durch Asfeje und Kontemplation zu
2 —* Vollkommenheit anleiten. M. iſt in weitem Umfang von der platoniſchen —
ormell fo ſehr, daß ſelbſt feine exegetiſchen Abhandlungen zum Teil den Eingang von
Plato entlehbnen -, aber auch der jtoifehen Philoſophie abhängig und gleich den Aleran:
drinern glaubt er nur durch allegorifche Schriftauslegung in die Tiefe Ariftlicher Erkennt⸗
nis eindringen und zur Vollkommenheit gelangen zu können. Andererſeits bekämpft er
25 jede Zurückführung des Böſen auf ein materielles Weltſubſtrat, lehnt des Origenes Lehre
von einer ewigen Weltfhöpfung und von einer Präeriltenz der Seele und deren Ein-
ferferung in den Yeib ab und vertritt eine wirkliche Auferjtebung des Leibes. Vielleicht
gehört die Polemik gegen Urigenes mehr der fpäteren Lebenszeit des M. an (anders
Socrates 1. 0.), aber die gleichen Anfchauungen begegnen fchon im Sympofion und find
so weſentlich von der kirchlichen Tradition übertommene — M. will Schrifttheolog fein;
aber wie er der Schrift Welterfenntnis entnimmt (vgl. De res. II, 10. 13, 6. 9), fo
dient Pi auch die Philofopbie und Naturbeobachtung zu einer Quelle in Fragen der
Heilserkenntnis. Faſt nur dialektiſch wird De autex. 5ff. die Frage nad) dem Urfprun
des Böſen erörtert und Symp. 8, 13 ff. die Unmöglichkeit eines Fatums eriviefen; vgl.
as auch die breiten naturtwiflenschaftlichen Ausführungen in De resurrectione. — Für den
(Hottesbegriff auch des M. ift das Ungewordenſein, daber dann Macht und Bebürfnig-
loſigkeit charakteriftifch. Segen die Ewigkeit einer von Gott unabhängigen Welt entjcheibet
ihm schon die AUmmöglichleit des Neben: und Ineinanderſeins zweier Unendlider. Ein
Weltſubſtrat genügt auch nicht zur Erklärung des Böfen, denn auch dann wäre Gott ent-
ad weder Urheber des Böſen oder unfähig, c8 zu überwinden (De autex. ſ. o.). Ebenfo
lehnt M. aber auch in De creatis (ſ. 0.) die von Origenes gelebrte ewige Meltfchöpfung
ab, während er allerdings De autex. 22, 9 ©. 61 feitbält, daß Gott die Welt fchon
dor ihrem äußeren Dafein in feinem Denken fich gegenwärtig hatte. Iſt der Vater das
eigentliche Prinzip alles Seienden, fo der Sohn die nach außen wirkende Kraft, die felbft
nn Mater ibr Prinzip bat und Durch die Gott alles manigfadh geftaltet (De creat. 9. 11
2.318, 1aff, BI, 16ff, Symp. 2,6 S. 45, 5f., 8 11 ©. 203, 2). Photius mar
geneigt im Somp. wegen des Subordinatianismus nterpolationen anzunebmen (Bibl.
zZ 318, If ed. Velen. Doch betont M. auch ſtark die göttliche Art des Sohnes
(De aanguis. 7, N; alles Weltverbältnis Gottes tt Durch ihn vermittelt (De res. I,
80.37, 2. 11, 10,2. 0, wie er zugleich der Mittler aller Seilsoffenbarung ſchon im AT iſt
(Zump 7,0). Das Ziel der Welt iſt Der Menich, er gleichfam das Bild in diefem
Tempel und allein von Gottes Hauch belebt (De aut. 22, 8. De res. I, 34, 1. 35, 2), der
Mikroloomoo (De res. IL, 10, 2), und desbalb zur Serrichaft über die Melt berufen
(ebd. 1. 19, mM. Sein eigentümlichſter Vorzug tt die Wablfreibeit (De aut. 16, 2. 5.
Bl... IS. Il. De res L 36 2583 II, 2, 9. em Fatum giebt es nicht (Symp.
S, 18); die volle Gottegemeinſchaft Toll te der Yohn feiner freien That fein (De aut.
ü 09 Do res. 112 V. Tamit war freilich die Mönlichteit des Böſen, nämlich
din Unaeberiane Do aut. 17.2. 18, ID), zu dem ex durch div Verführung Des Teufels
gelemmen G. v. zu De aut.) gegeben. Hat durch den Fall Das Verderben in dem
a Menichen Wobnung gemacht (val. 3. B. De res. IL 7. 2.8.2.0), fo begegnet doch
Methodius 29
Gott demfelben durch den leiblichen Tod (De res. I, 38—45. Symp. 9, 2). Zugleich
lehrt Gott den Menjchen den Teufel zu befiegen (De aut. 20, 4. 21, 5ff.). Durch eine
ftufenmäßig fortfchreitende Offenbarung unterweilt er über feinen Willen (zu gi 28, 13.
Symp. 7, 5. 6. 1, 2f.) und bereitet durdy Geſetz und Propheten für die Erlöfung vor
(De eib. 7ff. Symp. 5, 7f). Das AT bildet jo das NT vor, wie diejes das Wahr: 6
baftige (Symp. 9, oh), Aber erit der Menfch gewordene Logos hat durch fein Kreuz die
Dämonen niedergerungen und den durdy das Verderben vergewaltigten Menfchen befreit
(Adv. Porph. ©. 346, 7ff.); leidenslos leidend ward er alleın Leiden ein Leiden und hat
er den fterblichen Menfchen zur Unvergänglichkeit erhoben (ebd. ©. 347. und De res. III,
23, 4). In Chriſtus hat ſich das vorbildlid in der Ekſtaſe Adams Gen 2, 21 Ge: 10
ichebene verwirkliht. Denn er ift ein Menſch zum Vollbeitand gelangt durch die lautere
und volllommene Gottheit und iſt Gott in einem Menjchen befaßt (Symp. 3, 4ff.). Der
durdy Die Aufnahme der dvapuooria ſelbſt dvdouooros gewordene Menſch follte durch
die Aufnahme der douovia in Chriftus wiederhergeftellt werden (ebd. 3, 7). Daher die
Notwendigkeit der wirklichen Fleiichwerdung des Logos (De res. II, 18, 8). Chriſtus 16
bat die „Erkenntnis des Vaters des Alle” gebracht und durch feinen Tod unfer „Fleiſch
in das ewige Xeben eingeführt” (De cib. 9ff., 12, 2. 8, vgl. zu Hi 38, 16). „Yon dem
alten Menſchen die Menfchheit entblößend, erleuchtete” er fie „mit feinem Fleiſch“ (De
lepra 16, 3). — Dieje Neubelebung erfolgt aber durch die Kirche, das Weib Apk 12
(Symp. 8, 5), wegen deſſen der Logos den Vater im Himmel verlaſſen (Symp. 3, 8 20
S. 70). Aus feiner „Seite“, d. b. feinem Geift, bereitet ihm Gott nad) der „Ekſtaſe“
(Gen 2, 21), d. h. der Menjchwerdung und jeinem Leiden, die „Gehilfin”, d. h. die ihm
verlobten Seelen (ebd. ©. 727). Geichieht die Geftaltung zur Ähnlichkeit Chrifti durch
die Einprägung derjelben in der Taufe, jo ift Doch das eigentliche Weſen der Kirche die
durch Menjchwerbung und Leiden wirkſam gewordene neufchaffende Kraft des Logos, daher 26
bilden die wahre Kirche die Volllommenen, die als „Gehilfin“ Chrifti mitwirken, die An-
fänger zur Bollgeftalt der Tugend wiederzugebären (ebd. S. 73) und fie gleihfall3 zu
folden den Glauben in anderen erzeugenden Gliedern der wahren Kirche zu ' machen
(Symp. 3, 9 ©. 75). Einen gewifjen hierarchiſchen Zug erhält diefe Abjtufung, wenn
in De lepra 15, 3 in der Kirche als dem Kleid des Herrn die Biſchöfe und Lehrer den a0
Aufzug bilden, in den die Laiengemeinde eingewebt wird. Aber charakteriftifch werden
bier Bifchöfe und Lehrer zufammengeordnet, und auch der Biſchöfe vornehmliche Aufgabe
iſt Arzt der Seelen zu jein (ebd. 7, 5) und „mit beiligen Erfenntniffen zu nähren”
(ebd. 18,5); zu der fchriftfundigen Lehrerin (ebd. 13 ff.) vgl. Plato, Symp. 22. Daber iſt
audy für M. die äußere Zugehörigkeit zur Kirche weder Garantie noch) Bedingung des Heils gs
(ebd. 8, 2ff.); die Bußzucht hat jeelforgerliche Art zu tragen (vgl. Abh. U. v. Dett. gew.
S. 39ff.). — Das Heil ift freilich ein Werk der Gnade, die das dem ernſtlich Streben-
den noch Mangelnde ergänzt (zu Hi 25, 1) und dem Wollen das Vollbringen ſchenkt
(De mart. ©. 349, 15 f.) Auch der Chrijt gelangt jedoch in diefem Leben nicht zu
völliger Auswurzelung der Sünde (De res. I, 38ff.). Zu begehren oder nicht zu be «
geben ſteht nicht in unferer Macht, fondern nur den Begierden nicht durch die böje That
Folge zu leiiten (De res. II, 3f.); durch die Vergebung der Sünden und die eriveiterte
und ‚vertiefte Kenntnis des göttlichen Willens ift nur das natürliche Gute in und gejtärkt
(ebd. 8, 7). Aber durch die in der Kirche wirffame Gnade foll Chriftus fo ın den
Gläubigen geboren werben, daß fie durch Umgeftaltung in ihn gleichjam felbft Chriftufe as
werden (Symp. 8, 7ff. S. 190 ff). Prinzipiell durch die Taufe gejchehend (Symp. 3, 8.
8, 6. 8), Hi diefe Hineinbildung doch als eine durch geiftliches Wachstum ſich erſt aus-
wirkende gedacht (ebd. 3, 9). In der Richtung auf fie Äpricht fich der religiöfe Charakter
der Ethik des M. aus. Dieſe „Einbildung” Chrifti in das Herz vollzieht fih durch
gläubige Erkenntnis (Symp. 8, 9). Ihre Grundbedingung iſt daber die rechte Gottes- 50
erfenntnis und reine Lehre (ebd. 8, 10f. De lepra 11, 4.14, 4). Das Eindringen in
dag wahre geiltige Verſtändnis der Schrift ift das Heillraut für alle Schäden und die
Wurzel alles wahrhaft fittlihen Verhaltens (Symp. 1, 1. 5, 4. 7, 2. 9, 3f. De lepra
1, 27. 2, 4. 3, 2. De cib. 1, 4f.). Wo die Weisheit blüht, ift die Wülte, in der die
Braut des Logos weilt (Symp. 8, 11 ©. 198, 2). Der Fortichritt aber im Chrilten- 55
tum geſchieht in einem Ineinander von Erkenntnis und fittlicher Selbſtzucht, die in der
Virginität fulminiert. Diefe ift gegenüber der Ehe das Vorzüglichere, die ſpezifiſch chrift-
liche Tugend, erft feit der Erfcheinung des doyınapdEvos offenbar geworden (Symp. 1,5).
Durd fie ftrahlt die Seele die Idee wieder, nad) der fie gefehaffen worden (ebd. 6, 1),
ift fie die Braut Chriſt. Nur muß die äyveia wie dem Leib, jo auch der Seele gelten 60
9 Werke Gerrsstbense rrusetse
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Te en Erf eo mes Anfzerdung Such Me metemibardiche Theologie
Met yes en au? aufm der entire serinmmafert vingearbeitet
nd Koekrngen vtnlee md omuuz De eib. iv. Euiebius und Secrates
DR zer ntsiaht, ao oe au Beste rufen ibm aber feine Willigkeit,
ee Pre end ou een, Aeseusee, ums gr Salate gu aufs Wichdrüdlichite bezeugt,
[een Taeklrkr pe zu ten Taort kumme ıDe res. III, 3, 2;
uni Pin, fee rrgpwirhr: Ir. B im Tialog Des Adamantius und bei
Kerzen faps sefanrap, mi mit es tem biermit und mit feiner Forderung nur auf
ka ehe wserhleter Intriudfang ‘De aut. }. %, 4 De res. I, 2. ?7, 4 geweſen ift.
heben mehts 9 tbun Lie ibm unter verichiedenen Namen zugefchriebenen
Hr vlblemen, tar em ber befichteiten Bucher Des Mittelalters bildeten und in ber:
9 Photon Sprsehen ihericht wurden. Wie alle Derartige Schriften bat auch dieſe Apo-
Phi Sujrie orbehren, fie nit aber in lateiniicher Überfegung ſchon in Handicriften des
chehr erhunten mt gehört nach ihrem (Frundſtock wobl ſchon in das fichente.
Bouwetſch.
YWHeihenina, azhbiſchof v. Sirmium ſ. Bd IV S. 381, 16.
hi Weihnfala, | pn 9. zetb u. d. Zetbiten.
Metiuphanea Mritopnlos, Patriarch von Mlerandrien im 17. Kabrbundert. —
Vrternten EM etrimah, De Metrophane Critopulo hujus (Altdorphinae) Academiae
untl che, Gone patrinschn Alexandrino, Altlorfii 1769. Fabric. Harl. Bibl. Graeca.
mon Neal neuere gute Biogräaphie jchrieb der Grieche A. C. Demetra:
Rp Dhpetae DO Nich ihm Merafinos G. Mazarakis, Kairo 1854, mir nur befannt
an Bine Talballihe Neſprechung In der "Fra. Kr dr, a V S. 101 ff. von B. Georgia.
WM run Vehtere ſihrleb einen weiteren Artifel in der "Eve. .1ydea, II. Per. Bd III 1
“HM MNece MM Mens Aue nur lesäon nur Dronartı giäor atror (1617 — 1628),
Metrophanes Kritopulos 3
Athen 1893, angezeigt von Kattenbufch in der THRZ. 1894, ©. 194. Legrand, Bibliographie
Hellenique des 17. Sahrhunderts, 4 Bde, 1894—1896. Seine Schriften am beiten bei
Demetracopulod. Bon feinen Briefen 29 in der Hamburger Stadtbibl., 5 hat Dietelmair
veröffentlicht; 2 bei Legrand a. a. O. IV, 418 u. 430, aud) jonft noch einige.
Metrophanes ftammte aus Berrhöa in Macedonien. Als fein Geburtsjahr bat 5
Demetr. nach der Umſchrift eines 1627 in Straßburg gefertigten Porträts das Jahr
1589 feitgeftellt. Renieris ftimmt dem zu, Mazarakis will nach einer fpäteren Kopie
des Bildes 1599 vorziehen. Die frühere Annahme, Metr. fei Schüler des Maximos
Margunios (f. d. A. Bd. XIIS. 470) geweſen, tft unhaltbar, da diejer bereit 1602 ftarb und
damals Elementarunterricht nicht mehr erteilte. Metr. trat bald in ein Klofter ein 10
und wurde dann Protofygkellos des Patriarchen von Konftantinopel. Durch Kyrillos
Lukaris (f. d. A. Bd XI ©. 682) mit Empfehlung an den Erzbifchof von Canterbury
Abbot nad England gefandt, ftudierte er in Orford bis 1623 (Demetr. ©. 9) Bon
dort wandte er fi) über Hamburg nad Helmftebt, wo er die unten zu beſprechende
Confessio verfaßte. Er befuchte auch Wittenberg, Nürnberg, Altvorf, Tübingen und 15
reifte dann über die Schweiz nad Stalin. Dabei kehrte er 1627 in Genf ein und
fnüpfte mit den dortigen Neformierten an, und zwar im Auftrage des Kyr. Lukaris
(Legrand IV, 375; Mohnite THStK 1832 ©. 560 ff). Im Jahre 1630 in Venedig
(Zegr. III, 157), unterjchreibt er ich bereits in einem Briefe Ende 1631 von Alerandrien
aus als Metropolit von Memphis und Agypten (Zegr. IV, 419). Auch 1636 war er 20
das noch (Xegr. IV, 430), doch hatte er im Januar 1637 bereits den Thron in Alexan⸗
drien beftiegen (Xegr. IV, 443f) Als Patriarch unterfchrieb er 1638 die Befchlüfje der
Synode, die die Lehre des Kyr. Lukaris verdammte. Mazarakis nimmt mit anfcheinend
fiherer Begründung 1639 als fein Todesjahr an; ficher it, daß das der Conf. ortho-
doxa vorangehende Empfehlungsichreiben von 1643 [Son von einem anderen Patriarchen 26
Mehr Aleennbrien unterzeichnet ift, und daß ſich fpäter Teine Lebenszeichen von Metrophanes
me en.
Unter den Werten des Metrophanes verdient unfere befondere Aufmerkſamkeit die
oben erwähnte, in Helmftäbt von WMetrophanes abgefaßte und von Johann Hornejus
publizierte Konfeſſion (OuoAoyla is dvarolıxns Exxinoias is xadolıjc xal 8
dnooroArns rd). Schon Kimmel hatte den griechischen Tert mit dem auf der Biblio:
tbef zu Wolfenbüttel vorhandenen Autographon (über dies ftehe von Heinemann: Die
Handichriften der herzoglichen Bibl. zu Wolfenbüttel, II, 1886 ©. 313—314) verglichen;
dte biernach berichtigte Ausgabe aber ift erjt nad) Kimmels Tode von Weiffenborn be-
forgt in dem Appendix libr. symbol. ecel. orientalis, Jen. 1850. Es iſt eine ziem⸗ 86
ih ausführliche, Har und gewandt gefchriebene Darlegung der griechtichen Lehre und des
Kultus, zwar nicht ftreng ſymboliſch formuliert, fondern in der freieren Form einer theo-
logifchen Abhandlung, welche auch eigentümliche Auffaflungen einflechten darf, während
fie im ganzen das Gemeingültige treu wiedergeben will. Der Verfaffer will ſich und
feine Sache im günftigen Lichte darftellen, das beweiſt jchon die —e— ſehr an: @
erfennende Debilation an die Helmſtädter Univerfität. Gr bejtreitet vielfach. die römische
Zebre, deren Verhältnis zu der eigenen Kirche er den Leſern klar machen will, enthält
fih aber nad) der proteitantifchen Seite aller Polemik. Das griechifche Lehrſyſtem zerfällt
nach jeiner Anordnung in zwei Teile, eine „einfache“ und eine „ölonomifche” Theologie
Conf. p. 13 ed. Weissenb.). “Die eritere begreift die Gotteslehre und Trinität und «s
hrt zu den befannten Beweiſen für den Ausgang des heiligen Geiſtes nad) der griedi-
fhen Auffaſſung (Confess. p. 15 sq.). Bergleihen wir die von Verfaſſer gegebenen
Erflärungen mit den traditionellen der griechifchen Kirchenwäter, fo ergiebt ſich eine größere
Abrundung des Dogmas, ähnlich der lateinischen Lehrform. Dede göttliche Perſon ſoll
zu den beiden anderen in ein beitimmtes Verhältnis treten und zugleich ein gemeinfames 50
Moment der Gottheit darbieten. Die ökonomiſche Theologie beginnt mit der Schöpfung
der Geilterwelt; neun Engelllafjen find einander gefolgt, in der unterften der Lucifer, und
deſſen Abtrünnigkeit brachte eine Lücke in der „logiſchen Welt“ hervor, welche Gott durch
Erihaffung der gemifchten menſchlichen Kreaturen auszufüllen beſchloß. Nachdem der
Menſch durch die erfte Übertretung zwar nicht alle Freiheit und Willenskraft, wohl aber us
das prreumatifche Licht des Geiftes verloren, nachdem das Geſetz ihn lange verurteilt und
nicht gerechtfertigt hatte, wie konnte die verderbte und veraltete Mafle der Menfchheit er-
neuert werden, wenn nicht durch dag Herablommen und die Vereinigung Gottes mit ihr?
„Gott hätte auch andere Mittel jun Wiederheritellung ergreifen können, aber dieſes mar
das befte” (Conf. p. 64. 69). Dan fieht, der Verfaſſer wollte das Dogma nicht bis zum ao
au
Fr gäueen Yo bei der Euchariftie mit Ver-
nijchen Gebrauch des U reg: 33
machen Bilder: eiligenverehrung, Falten, Mönd)-
: bei dem Geber ſowie die ae Ste am Sonn-
— 54 Kniel u beten. dieſen
34 die gr Ihe V (ungen ber
Beh zard 0dox ana or ' ToÖ u "In coÜ
Altdo 1626 (genauer il bei Legrand I ©. 220).
Bibliothek in Münden, sign. Dogm. 391. Die
Nach wi — die mit dem vobe von
—— — ——— — Tal. 8, 16
— Noribergae 1626 (ber a = — I, 220), einzig nntes Eremplar
in München, sign. Di. er: Es handelt ſich "namentlich um bie Erflärung des
—— Re aveũ & Metr. erklärt en pobrmua Tod weuuaros und
46 —— be sei eien ———— ra en und der oaoE, obwohl man
rt bei en fünnte. So fommt er endlich
von —— und do
echt ei auf den Oegenfat vo e mt Ye binaus. Sein gutmütiger Necenjent
3 a Herausgeber I dies Mefultat, haben * als gute Lutheraner dafür den
von motus spirituales und carnales eingeſetzt, und können ſo dem Metro—
50 —J weiterem Fortſchritt vorausſagen, daß er eine lux matris ſein werde, wie
ſchon ſein Name
lich ſei noch — die Epistula Metr. Crit. De vocibus in musica
Graecorum usitatis, * rieben im Mai 1626, zuerſt herausgegeben von
F J Crudelius 1737 F Gab, 1739 nach Fabricus, 1740 nad Dietelmair und
55 emetr.), mir befannt aus M. Gerbert, seriptores ecelesiastiei de musica tom. III,
Typis, San-Blasianis 1784 ©. 398-402. Das Scriftdyen entbält die Erklärungen
der Namen Eiguös Tgondägiov, xovrdxıov, bnaxön, Efanooreidgiov, Ywroyayındv
und zarar unter Hinweis auf das Menologion.
Als Arkzdora nennt Demetracopulos namentlich Predigten, eine Streitichrift gegen
den Unierten Neöspvros Rhodinos, die den Titel Ayuınavoriia führt und eine Ueber:
Metrophanes Mette 33
ſetzung des Neuen Teltaments ins Volksgriechiſche. Daß Metrophanes eine foldhe Über:
ſetzung gejchrieben, halte ich für unmwahrjcheinlich. Diejen Ineditis füge ich nach Georgia-
dis (ExxA. ’AA. Per. II. Bd III ©. 41), ein größeres Werk, hinzu, das Ähnlichkeit
haben foll mit feiner Confessio und in Cod. Harl. 5059 enthalten it. Es wäre ge-
nauerer Bearbeitung iert. 6
Was nun endlich die firchenpolitifche Stellung des Metrophanes betrifft, fo ift er
von Nikolaus Komnenus für einen Graeco-Lutheranus erllärt, von Nihufius für einen
Galviniften (vgl. aber auch Claude, Reponse au livre de Mons. Arnaud „De la
rpetuit& de la foi ©. 279); Eugenios Aitwios aber, jein Zeitgenofje und ein Ber:
ebrer des Kyrillos Lukaris jagt von ihm: 6 Önolos Exivöuvevoe nolla And Tods 10
narıoras navyrayod, Alla Öyı ueypı Telovs, tovro elvaı pavepov eis Ölovs. (Leben
des Eugenios ed. Anast. Gordios bei Sathag, Biblioth. Med. Graec. III,
423—479. So ift er denn auch für einen Freund der Katholiken gehalten. Wohl feines
dieſer Urteile ift richtig. Metrophanes bat in: feinem Punkte deutlich ſich als heterodor
gezeigt. Vielleicht benutzte er aber gern die Gunſt der Mächtigen, ohne Unterſchied des 1
Belenntnifjes, wenn fie ihm nügen konnten. Bielleiht mar er darum gegen fremdes Be:
kenntnis nicht polemifch und gegen fein eigenes gleichgültiger als andere.
(Ga +). Ph. Meyer.
Metropolit ſ. d. A. Erzbiihof Bo V ©. 488.
Mette. — Bingham-Griſchovius, Antig. eccl. V, 310-312; 315—338; Binterim, Denk: 20
würdigfeiten IV, 1. & 357 ff.; Bäumer, Geſch. des Brevierg, Freiburg i. B. 1895; Thalhofer,
Handb. der kath. Liturgik II, 358, 434 ff.; 450; Art. Brevier Bd III, 393 ff.; Weber u. Welte,
Art. Matutin (VIII, 1042 ff.); Kraus, Real-Enc. des driftl. Altertums, Art. Officium (II,
530 ff.); Armknecht, Die alte Matutin- und Vesperordnung in der evangel.-luth. Kirche, Göt⸗
tingen 1856; Kliefoth, Lit. Abhandlungen? 6 [3], 1859, ©. 185 ff.; 7 [4], 438 ff. 489 ff.; und 26
8 [5], 1861, S. 164 ff.; Lucas Lossius, Psalmodia, hoc est, Cantica sacra veteris eccl. se-
lectae, ed. secunda, Witebergae 1561 (1. Ausg. 1553); Keuchenthal, Kirchengefänge lateinifch
und beutie u. ſ. w., Wittenberg 1573; Schöberlein, Schatz des liturg. Chor: u. Gemeinde:
geſangs I (1865), 515 ff.; Rietſchel, Lehrb. d. Liturgit I (1901), 169; 394 f.; 441 ff.
Mit dem Namen Matutinum (daher Mette) hat man zu verjchiedenen Zeiten ver: go
ſchiedene Gebetsftunden oder Horen bezeichnet. Urfprünglic war damit die Gebetsftunde
am Morgen (3—6 Uhr; 4. Nachtwache) gemeint. Als aber für diefe die Laudes üblich
wurden, jo genannt, weil dabei ftet3 die drei Lobpſalmen 148—150 gebetet wurden, und
als man das offieium noceturnum nicht mehr de in der Nacht, fondern vielfach
in der Morgenfrühe betete, bezeichnete man dieje nächtliche Gebetsſtunde mit Matutinum. gs
Heute wird diejed Matutinum regelmäßig mit den Laudes verbunden. Sie gehören mit
einander zum officium nocturnum. Der Berlauf der Mette tft nad) dem heutigen
Brevier folgender: 1. Stille Rezitation von Paternojter, Ave Maria und Credo; 2. Die
Berfifeln: Domine, labia mea aperies etc. (Bj. 51, 17) und Deus, in adiutorium
meum intende (Bj. 70, 2) nebit den entfprechenden Reſponſorien; 3. die Dorologie go
Gloria patri mit Laus tibi Domine und SHalleluja; 4. das jog. Invitatorium, die
Aufforderung zum Gebet, beitebend aus dem 95. Pfalm mit einer nad) der kirchlichen Zeit
wechfelnden Antiphone, die den Palm einleitet, öfter durchbricht und endlich abjchliekt;
5. der Gefang eines Hymnus, je nach dem Feſt oder der Feſtzeit verfchieden; 6. die
Pſalmodie und die Lektionen, ein Akt, der in drei ſog. Nokturnen verläuft; jede Nofturne 45
ift fo geordnet, daß einer dreifachen Leſung der Geſang etlicher Pſalmen vorhergeht. Eine
Antiphone leitet den Geſang ein; nach jedem Pſalm wird ein Versus gejungen, jede
Nokturne jchliept mit einem Versus, mit dem jtillen Vaterunfer und der Abjolution.
Darauf folgen, je durch eine Benedictio eingeleitet, die betreffenden drei Xeltionen. Im
ganzen finden aljo neun Lektionen ftatt, und zwar die drei eriten aus der Schrift, die so
drei nächſten aus Sermonen der Kirchenväter und die drei legten de homilia evangelii
de tempore vel de festo. Die Bialmen find die eriten 109 des Pfalters und werden
in einer Woche durchgefungen. Nach den Lektionen folgt entweder ein Rejponjortum,
oder dad Te Deum, und zwar dies letztere an den meiften Sonntagen, in der Oſterzeit
und, mit einer Ausnahme, an allen Feiten; während desfelben werden an Feſttagen die 56
Gloden geläutet. Damit fchließt jet die Mette ab und die Laudes folgen unmittelbar.
Iſt dies aber nicht der Fall — und fo iſt «8 in der Chriftnadht —, jo folgt auf das
Te Deum das Dominus vobiscum mit Kollefte und Benedicamus Domino.
Nie die Vesper, fo tft und war die Mette mirklih Gemeindegottesdienit, während
RealsEncptlopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 3
Wette
TOR FOR id den Monde schalten merden. So batte
nt. ZUEUM A nerfnter.
nr Ne budenbt auf Thomas Munger surüd:
20.82 che gereiniatie um? pertiumsie There
\ sc behen. Er bu fd urz m. Veczze su:
0 tn Me en ziedduenfiea um Der Gemandt 523 ge
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ne dB SRDE „Las ſollen zrım einer ode smim. oDer
RR ve nd Dit ander: mu Das am Beier artaler”.
2m dent Me ganze Bibe: geieien werden. Cm cama
, 00.0020. der seht folgen. Taraui „ok man maszen (Sott
, u non Be Worte a. Dazu ok man brauden »er Tal:
N von, Antpbon; fur, alte, Dap ve Alles in emer Zrund
\ \ x te eällen”. Es toll. te beinmm:z er Ipater, an Kĩalm,
“ “ann aller Mollelie geſungen werden, Deren Muswapl Der
W oe EN 2, Daft WA 12. 757. Nach der Formula
’ on ro weſentliches an Der üblichen Matutina su ander.
\ u .. uenui et horae . .. nihil sunt nisi scripturae di-
ia onne Werden, Drei Pſalmen mu einem oder mit zwei Ne:
EN as ID und nad Den ganzen Pialler und Die ganze heilige
us zu billigen. Auch bier fordert vuther furze Auslegung Der
x respe Der Hymnen und Das Te Deum will er nicht beſeitigt
Na Tell aber ganz in Der Hand Des Piarrers jteben. (CN opp.
or hd In Der „Deutichen Meſſe“ 1526 ipricht er zunädit von
sehe vmb funfe oder fechie finger man etliche Pſalmen, als zur
dat al Die Epiftel Des Tages . . . Tarnad ein Antipben und
vr fuinlamus oder Benedietus umb einander, mit einem Vater Unier,
Yenolivamus Domino“. In Der Woche verläuft Dieter Frübgottesdienſt
zurzachſi ſingen Die Mutaben und Schüler etliche Pſalmen lateiniſch, „wie
Yan ewoöohneit“. Darauf „leien Die Mnaben einer umb Den andern ween
oapeiel, Vateiniſch, aus dem neuen Teſtament, darnach's lang iſt. Darauf
a: Kuabe daſſelbige Capitel zu Deutſch, ſie zu üben, und ob Jemands von
a und zuhoret“. Tarauf folgt eine Antiphone und eine deutiche Lektion
“00a Kleitflage aus Dem Katechismus; Mittwochs aus Matthäus; Donnerstags
za die taglichen Wochenlektionen). „Nach der Lektion ſinget der ganze Haufe
ch vied, darauf ſpricht man heimlich ein Bater Unſer; darnach der Pfarrherr eine
on und beichlieen mit Dem Benedieamus Domino, wie gewobnet it” (EA 22,
nn, WM I, 78 und 801. Tiefer Gottesdienſt it aber nur in Den Städten
na, te oa, „Damm Schulen bat” 12.237). Auf eine beiondere Beteiligung der
eb tt man offenbar von Anſang an nicht gerechnet. Tie Schüler find es, denen
A viölieedienſt dor allen zu gute kommen ſoll. Taber fällt in den Wochentagsmetten
N Frrtint wen. Wir konnen aus Yutbero Angaben jeben, wie ſich dieſer Gottesdienſt
eo BET IENE offenbar Immer mehr von Der urjpringliden Ordnung entfernte und eine
IITOTRNTERR Form gewann.
Trob der Eupfehlung Luthers und Des Vorbildes von Wittenberg hat ſich dieſer
ebienſte durchaus niebt allgemein eingebürgert. Ganz unmöglich war er auf den
we dh Schulen fehlten. Aber auch in den Städten iſt Die Durchführung eine
Ariuülih vercuzelte. Im allgemeinen gilt, daß dieſer Brauch ſich wohl im Norden, nicht
uber Anonabimen abgerechnet tm Zuden findet. Die Meformterten kennen ibn
ubuseups nbe. Nur wo das Luthertum zur Geltung kam, zog auch Diefer Gottes:
dienſt ln. aber auch da nicht überall. So haben x B. Die Nürnberger Die Mette
munterbhäſen Smend. Evangel. deutſche Meſſen S. 1SD. Dagegen kennen z3. B. fol:
Bgende Ahnden ader Kuchenordnungen Die Mette: Herzogtum Preußen 1525 Richter KCC
l, 2a ordlner MUND ichter L IsSbr: Reformatio Hassiae 1526 (Michter I,
sb; Bualuerian NOS, RBiiitatiens Artidel DIS ALM; Naſſauiſche NO (I,
ad, Made entuderer NO bit. Desbi als Eriatz fur Die Fruhmeſſe an
Werltiaſene, Kiliciberger SOLID Ha: Dotaıı Remmeriche NO 153 (IL, 258a)
—
wie Lebt db be mdn, Wanna NO US Reue Mteilungen aus dem Ge—
Mette Mes, Bistum 35
biet hiftor.zantiquar. Forſchungen, Bd XIX, Halle a.©. 1898, ©. 524 ff); Northeimfche
KO 1539 (I, 288); Hamburger KO 1539 (I, 318bf.); Kaſſeler KO 1539 (I, 305 b);
Herzog Heinrichs Agende 1539 (I, 312b und 313a); Brandenburgifhe KO 1540 (I,
328a); Halliihe KO 1544 (I, 340a); Schleswig-Holfteinifche KoO 1542 (I, 3558);
Galenberg-Göttingifshe KO 1542 (I, 363); Pfalz:Neuburger KO 1543 (II, 29); Cöl⸗ 6
nifche Reformation 1543 (EI, 50b); Braunfchmweig-Wolfenbüttelfhe KO 1543; Preußifche
KU 1544 (II, 68a) und 1558; Medlenburgifche KO 1554 (Bl. 83 b); Stralfunder KO
1555 (II, 168); Waldeckſſche KO 1556 (II, 173a); Churländifhe KO 1570; Lauen—
burgiſche KO 1585 u. a. m. — Die Elbogener KO 1523 jtellt es den Pfarrern frei,
ob fie „Vesper, Metten, Complet und andere Tagzeit“ halten wollen oder nicht (Richter 10
1,17 a); die Frankfurter KO 1530 wünſcht, daß eine Mettenfeter gehalten werden könnte,
aber es fehlt in Frankfurt „am genötigiten Stüdlein hiezu”, nämlih an einer Schule
(Richter I, 141a). Aber auch die lutherifche Agende von Frankfurt a M. von 1644
fennt die Mette nicht. Cinheitlichkeit in dieſem gottesdienftlichen Gebrauch innerhalb des
lutheriſchen Gebietes befteht keineswegs. Hier bält man die Mette täglich, dort nur fonn- 15
täglich, am dritten Drt wieder nur an den hohen Feſten. Zu Träftigem Leben ijt die
Mette nirgends gelommen. Auch der agendarifche Verlauf war durchaus nicht allgemein
der gleiche. Ich gebe einige Beifpiele. In Königsberg hielt man 1544 die Mette in
folgender Weife: Der Chor fingt zwei oder drei Pſalmen, und zwar, nad) Tatholischer
Tradition, aus den eriten 109 Pſalmen der Reihe nad. Darauf verlieft der Diakon ein 20
ganzes oder ein halbes Kapitel deutſch mit kurzer Auslegung, und zwar wird das Alte
Teftament bis auf die Propheten in lectio continua gelejen. Darauf fingt man ein
Reiponforium, lateinifch, zur Übung der Schüler. Danach fingt der Priefter den Verfikel:
Erzeige ung, Herr, deine Barmherzigkeit, worauf der Chor refpondiert. Kollefte und Segen |
machen den Schluß. Anders war der Brauch in Mecklenburg. An „gemeinen Sonn: 96
und Feiertagen” fangen zu Anfang die Schüler einen, höchjtens drei Pfalmen „mit der
Antiphbon de dominica oder festo“. Danach las ein Knabe eine Lektion aus dem Alten
Zeitament lateiniidy und ein anderer deutfh. Dann folgte der Geſang des Benedictus,
deutich oder lateinifch, zumeilen auch das Te Deum, ebenfalls zweiſprachig. Endlich
—* man mit einer Antiphone und Kollekte. Die Waldeckſche KO von 1556 ſchreibt o
olgenden, an das fatholiiche Vorbild fich treu anlehnenden Gang vor: Gefang des Veni
sancte spiritus; darauf das Invitatorium und der 95. Pſalm, „ob. man fan”, Antt:
pbon und Pfalmen vom Tage, Lektion und Reſponſorium cn Selten drei), Te Deum,
Benedictus mit der Antiphon, Ktollefte, Benedicamus. Wancherorten fang man aud
das Symbolum Athanasianum (Sehling, Kirchengejeggebung, S. 180). Bielerorten ss
war mit der Mette auch noch das Singen oder Auffagen des Katechismus verbunden;
andertwärts ftand die Auslegung, die zur Predigt wurde, im Vordergrund. Wo man die
Mette nicht kannte, hatte man doc wenigſtens „Frühgebete”. So in Straßburg fchon
1526 und nad der KO von 1570 (p. 92 u.110; vgl. Smend, Evangel. deutfche Meſſen
138 Anm. 6), wo kurze Morgenpredigten unter diefem Namen gingen; ebenjo in der «0
Kurpfalz (nach der KO von 1611), offenbar ein Erſatz nicht der alten Mette, fondern
der Frühmeſſe. Wie auch in lutherifchen Kreifen immer mehr die alte Mettenform ver
laffen murde, zeigt die „chriftliche Kirchenagende, fo bei öffentlichem Gottesdienft der Ge:
meinden Augsburgijcher Konfeſſion nützlich gebraucht werden kann“, die die Fakultäten
u Wittenberg und Tübingen 1617 berausgaben. Danach foll zweimal in der Mode es
ÜNredigt und viermal „Frühgebet“ ftattfinden, bejtehend aus Gefang, Schriftverlefung mit
fummartfcher Auslegung, Gebet (Morgenſegen), Fürbittgebet, Vaterunjer, Gefang, Ab:
fündigungen und Segen (p. 220 u. 232 ff.). Es lag in der Natur der Sache, daß dieſe
Gottesdienite allmählich ſchwinden mußten. Nur die Metten der drei hohen Feſte, zumal
die Chriftmette, trogten dem Mandel der Zeiten. So fannte ;. B. die Friedberger RD so
bon 1704 die Ghriftmette in der Chriſtnacht früb 4 Uhr (p. 213; 229); und in Sachen
wurden Ghrijtmetten und Chrijtvespern zwar durch ein fönigl. Rejtript 1812 verboten,
aber fie leben heute noch, wenn auch in erneuter Geftalt, als volfstümlicher Brauch (vgl.
Trews, Das kirchl. Leben der Ev.:Luth. Landeskirche des Königreihs Sachen, ©. 224
und Mitteilungen des Sächſ. Vereins f. Volkskunde II (1902), S. 302 ff). Keine der 56
neueften Agenden hat m. W. verfucht, die alten Metten wieder einzuführen. Drews.
Met, Bistum. — Pauli diaconi Gesta episcop. Mettens. MG SS II, ©. 260 ff.;
I XIII ©. 303ff.; Gesta episcop. Mettens. MG SS X, ©. 531ff.; Alperti de episcop.
libell. MG SS IV, ©. 696 ff.; Biographien von Meper Biichöfen: Arnulf, MG Ser.
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Asaliers II. = "W, 2. Fr: Trdorsihter se UL Z 35%:
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Weser, 2G. Lesiälends. aus IM) I ©. A. A 5;
5 penmim.: Eilel, Hirarrhia — m. zei ? ee Rire: 120 ı 141.
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w(rgımbu, 2 2.513. Bum das Erritenum m tim Tal Gullims —— iſt,
wiñen wir nicht Tenn die jungen Legenden. rd nis die Weyer Gemeinde die Grün-
rung turh Apeitelichuler in Anirtucb neben, In weise Man komm mo vermuten,
bat Tocktwum ichen in ter Kim me Ettitegemeinde in ĩeinen Mauern baue
Tie SZtadt uberdauerie ten wall des temtichen Wed; in Der irantüchen Zeit ericheint
fe unter tern neuen Ramen Mes, d. ı Meg Sie it jegt Sig eines Biſcheis. Schon
1 J. 555 unterkbreibt ter Bichej Heirertus das Treteleil der Zune ven Clermont,
MG cc Il 2. zu. Seitdem itebt wenigntens Die Xamenreibe der Biichöie ziemlich feit.
Tie Austebnung ver mittelalterliben Tieceie wer ſebr bedeutend; ihre Beitgrenze lief
ungejabr 21) Kilemeter jemiets der jegigen deutich fran: icben Grenze; Die Sürgrenze
25 fiel mit diejer nabezu zuiammen; tm Liten bildete Die Stammesgren;e wilden Franken
und Alamannen die Grenze der Dieceien Ret un? Straßburg. jo daß alie Bitſch noch
zu ber eriteren gehörte. Im Nerden reichte ite im das Gebiet der beutigen Rbeinpfalz
und ter Hbeimprovin; binen. Tie Tiecete war iprachlich gemiſcht, je aber, daß der
deutiche Beitandteil uberwog: dagegen war der Biichefeſiß überwiegend Franzöttich. Zeit
35 der Urgunifatien Der frãntiſchen Erzbistumer war Meg Zuffraganbistum pen Trier.
Biihofliite: Heiperius 535, VRillicus, Petrus? cb ientich mit Gundulf?, Agiulf
61, Amcald, Pappolus, Amuli 611 oder 512—6527, Goerich Abbo), Gede, Ghlodulf,
Abbe, Aptatus 7, Felix?, Zigibuld, Chredegang get. 766, Angilram 7681791, Gundulf
galt 822, Trogo 823—855, Adventius S5S— >75, Wala 876-v 882, Auctpert 883 — —917,
igerich 917--927, Benno zurüdgetreten 929, Adalbero I. geit. 962, Dietrich I.
eh, Adalbero II. 984--1005, Dietrich II. geit. 1047, Adalbero III. geit. 1072,
ermann geft. 109; Gegenbiſchöfe: Walo zuruckgetreten 1085, Brun vertrieben 1088;
Poppo 1490. 11037, Gegenbiiher Adalbero IV. 1099 —1117 oder 1118; Tbeoger
1118—1120, Ztefan 1120—1162, Tiemib IH. von Bar 1164—1171, Friedrich
s5 1171--1173, Tietrih IV. v. Yothringen 1173— 1179, Bertram (Bertbold) 1180—1212,
Konrad 1212— 1224, Jobann I. von Aiprement 1224—1238, Jakob von Yotbringen
1239 — 1260, Philipp von ‚sloranges 126U— 1264, Wilbelm von Trainel 1264 1269,
Lorenz von Leiſtenberg 1269 - 1279, Jobann II. von Flandern 1230—1282, Burcharb
von Hennegau 1282—1296, Gerhard von Nelange 1297 — 1302, Reginald von Bar
“1302—-1316, Seinrih I. de la Tour 1319— 1324, Yudwig von Portiers 1325— 1327,
Ademar von Monteil 1327—1361, Johann III. von Vienne 1361—1365, Dietrich V.
Beyer von Boppard 1365— 1383, Peter II. von Zuremburg 1384—1387, Gegenbifchof
Tilmann von Bettenburg 13847, Radulf von Couch 1387 — 1415, Konrad II. Beyer
von Boppard 1415--1459, Georg von Baben 1459—1484, Heinrih von Lothringen
#6 1485 — 150. Hand.
Menniter, |. d. U. Maon Bd XII S. 243.
Meurer, Moris, Lie. theol., wurde am 3. Augujt 1806 zu gresid bei Witten:
berg geboren, als Zohn eines dortigen Juſtizbeamten, der jpäter ins Sächſiſche Vogtland
verjeßt ward. Nachdem er die Fürſtenſchule zu Grimma bejucht batte, ‘widmete er fich
6 1825 -28 dem ‚Studium der Theologie auf der Univerfität Yeipzig. Hier affiltierte er
am 4. April 1827 dem von Nönigeberg berufenen D. Auguſt Hahn bei jeiner Habilitations-
Dieputation auf Grund einer Schrift de rationalismi qui dicitur vera indole. Der
Hauptgegner war der die Kantiſche Richtung vertretende Philoſoph Krug. Von dem nad):
haltigen Eindrude, den M. von jenem jechsitündigen Redeturnier einpfing, zeugt die lebendige
65 Schilderung in einer Reihe von Artikeln des Sächlifchen Kirchen: und Sculblattes aus
dem Jahre 1870, Überhaupt verdanfte er dem genannten Lehrer, wie fo manche feiner
Kommilitonen, die tiefjte Anregung. Nach bejtandener Kandidatenprüfung wirkte er 4 Sabre
lang ale Hauslehrer in der Jamilie des Zuperintendenten D. Heubner in Wittenberg,
Meurer 37
dem er auch fpäter in warmer Verehrung zugethan blieb. Der Aufenthalt in der alten
Zutberftabt hat jedenfalld auch fein reges Intereſſe für Reformationsgeſchichte begründet,
das ibn dann lebenslang begleitet und manche fehöne Frucht getragen hat. Nach einer
durch Kränklichkeit veranlapten längeren Erholung im Elternhauje fand er eine Anftellung
am Lebrerfeminar zu Weißenfels, wurde aber bald darauf nad Sachſen zurüdberufen,
um zuerjt mehrere Jahre hindurch ein geiftliches Amt in Waldenburg zu befleiven. Am
Sabre 1841 murde er dann Pfarrer ın dem nahegelegenen Gallenberg und iſt bis zu
feinem Tode feiner dortigen Gemeinde treugeblieben, da er fich niemals zu einer Weiter:
bewerbung entichließen konnte. Doch wurde feine tüchtige Kraft vielfach auch für meitere
Kreife in Anfprucd genommen. So wurde er zweimal zur Affiftenz bei der für die 10
einzelnen Ephorien der Sächſiſchen Landeskirche angeordneten allgemeinen Kirchenvifitation
zugezogen. Ebenſo oft war er Mitglied der Landesfynode und brachte dabei feine im
lutberifchen Bekenntniſſe feftgegründete Überzeugung in ebenfo entſchiedener mie maßvoller
Weiſe zur Geltung. Bejonders einflußreicdy zeigt fich feine Mitwirkung bei einer im Sahre
1874 abgehaltenen außerordentlihen Synode, die ſich u. a. mit der Frage eines Bibel- 15
auszuges befchäftigte.e — Hatte M. bereit3 in den Jahren 1840—47 ein firchliches Ge⸗
meindeblatt „Der Pilger aus Sachſen“ herausgegeben, fo übernahm er im Xahre 1861
aus den Händen von Profeſſor D. Luthardt die Redaktion des Sächſiſchen Kirchen- und
Schulblatts, des damals einzigen Organs der Landeskirche, und hat fie volle 12 Jahre
hindurch fortgeführt, nicht jelten unter fchioierigen Verhältniſſen und harten Kämpfen. 20
Daneben fand er aud immer Zeit zu weiterer literarifcher Thätigfeit im Dienfte der
theologischen Wiflenfchaft. Sein bedeutendftes Werk in diefer Richtung ift: Luthers Leben
aus den Duellen erzählt, zuerit 184546 in 3 Bänden bei Juſtus Naumann in Leipzig
erſchienen, fpäter in 2. und 3. Auflage 1852 und 1870 in Einem Bande. Von der
1. Auflage wurde eine englifche Überfegung 1848 in New-York gedrudt. Noch immer 36
dürfte diefe Zutberbiographie, von der ein kurz gefaßter, für chriftliche Leſer insgemein
beftimmter Auszug ebenfalld® eine 2. Auflage erlebt hat, einen ehrenvollen Pla in der
Reihe der übrigen einnehmen. Entſpricht ſchon diefe auf gründlichen Forſchungen be=
rubende und eines durchaus objektiven Urteils fich befleißigende Hauptfchrift durch ihre
allgemein verjtändliche Ausdrucksweiſe den Bedürfniſſen eines weiteren Leferfreifes, jo tritt 80
dies bei den zahlreichen Publikationen verwandten Inhalts noch mehr hervor. Dazu ges
hören als Heinere Monographien „Der Tag zu Schmalkalden und die Schmalfaldischen
Artikel” (1837), „Luther als Subelfeftprediger” 1839 und „Martin Luthers lebte Lebens⸗
tage, Tod und Begräbnis” 1846. Einen größeren Umfang bat: Katharina Luther, geb.
v. Bora (2. Aufl. 1873) und Philipp Melanchthons Leben (2. Aufl. 1869). Seit 1862 86
gab M. in Berbindung mit anderen ein Sammelwerf unter dem Titel „Das Leben der
Altväter der lutherifchen Kicche” heraus, von den nach und nad 4 Bände in dem oben
erwähnten Verlage erfchienen find. Von M. felbft find behandelt: Johann Bugen-
bagen (Bd 2), Nikolaus Hausmann (Bd 3) und Friedrich Myconius (Bd 4). Zur
Charafterifierung des bei dem ganzen Unternehmen befolgten Verfahrend mögen einige «d
Sätze aus dem Profpekte dienen. „Der Leer foll aus dem Munde der alten Väter ſelbſt
bören, wer fie waren und mas fie wollten, oder er foll es fich von gleichzeitigen oder
doch ganz naheftehenden Berichterftattern fagen laflen, und der Biograph wird ihnen nicht
dreinreden, wird ſich in der Darjtellung felbft aller Unterfuchungen und Grörterungen,
insbeiondere aber aller Reflerionen, Antvendungen und rhetoriichen Beiwerks enthalten; «s
auch an der fchmudlojen Sprache der Quellen nicht fünfteln und überhaupt nur ſoweit
—— auftreten, als der Zuſammenhang, die Ordnung und das Verſtändnis es er:
ordern.”
An dem Bilde des fchlichten und doch fo vielfeitigen und arbeitsfreudigen LZand-
pfarrerd würde ein Hauptzug fehlen, wenn nicht feiner Bemühungen auf dem Gebiete der v0
firchlichen Kunft gedacht würde. Der notwendig gewordene Neubau feiner eigenen Kirche
ließ ihn umfafjende Studien nach diefer Seite bin machen. Auf Grund der gewonnenen
Einficht und der auf mehrfachen Reifen gejammelten Erfahrungen diente er oft und gern
auch anderen mit feinem Rate. Im Jahre 1863 veranjtaltete er im Verein mit einigen
Freunden in dem nahen Stäbtdyen Hobenftein eine Ausstellung von Erzeugnifjen kirch- 56
liher Runft und Gewerbthätigkeit, die fich eines überaus zahlreichen Beruches aus dem
In- und Auslande zu erfreuen hatte. Cine ſolche fand fpäter auch bei Gelegenheit eines
Stuttgarter Kirchentages ftatt und hat auch dort babnbrechend gewirkt. Geine Gefamt-
anſchauung hat M. in 2 Schriften niedergelegt, Die noch immer eine treffliche Anleitung
bieten. Die eine kürzere ift „Der Altarfchmud, ein Beitrag zur Paramentif der evangeli⸗ co
38 Meurer Merito
fchen Kirche” vom Jahre 1868, die andere größere, — fein Iebtes Wert — „Der Kirchen:
bau vom Standpunkt und nad) dem Braude der evangeliſch-lutheriſchen Kirche vom Jahre
1877.“ Zwei Monate nach der Vollendung diejes Werkes, wenige Tage vor der eier
der filbernen Hochzeit mit feiner zweiten Ehegattin ift er nach Turzer Krankheit am Himmel:
5 fahrtötage — 10. Dat — 1877 fanft entichlafen. Th. Fider.
Mexiko. — In diefer Rupublif wohnen (nad) dem Genfus von 1900) 13545 465
Geelen auf 1987201 Duadratfilometern. Der Staat fonnte ſich erjt 1824 feine erfte
Verfaflung geben, wenn auch jchon 1822 die Losreißung von Spanien vollzogen war.
Doch verleugnete dag neue Staatsgebilde in Eirchlicher Beziehung zunächſt feinen bisherigen
10 Sulamnenhang mit dem Geiſte des Mutterlandes wenig; denn es wurde nur der römifch-
atholiichen Kirche Eriftenzberechtigung zuerfannt. Nach einer Reihe innerer Kämpfe um
die Negierungsgemwalt brachte das Jahr 1857 eine fortgejchrittenere Verfaſſung der „Ber:
einigten mexikaniſchen Staaten“, 27 an der Zahl jamt 2 Territorien, jo daß eine föde—
rative Republik bergeitellt war. Die „Eonjtitutionellen Garantien” der neuen Ordnung
15 erleichterten bejonders die Naturalifation von Zumanderern und bejeitigten nicht nur die
Alleinberechtigung der katholischen Kirche, fondern auch alle äußere Hilfeleiftung des Staats
zu ihren Gunſten, befonders gegenüber der perjünlichen Freiheit des einzelnen Katholiken.
„Der Staat gejtattet feinen Vertrag und feine Anordnung, welche die freiheit eines
Menſchen verlegt in Bezug auf Arbeit, Erziehung oder religiöfe Gelübde. Ebenfo erkennt
20 das Geſetz keine Mönchsorden an und geitattet nicht, daß fich irgend ein folcher gründe,
welchen Namen und Charakter fie auch annehmen fünnten.” Allerdings unterblieb auch
hier die wirkliche Durchführung des Verfafjungsgefeges, zum Teil wohl deshalb, meil die
Macht der Orden bereits jeit 1835/36 beträchtlich geſchwächt war durch die damalige Auf:
hebung der meiften Klöfter und Säfularifation der Miffionen, diefer auf der Hörigkeit
235 von Farbigen rubenden Beberrfchung nicht weniger Landſtriche. Jedenfalls blieben mehrere
Mönchsorden allezeit im Lande, fo daß z. B. jener des hl. Franziskus fteben unter der
„PBropaganda” in Rom ftehende Miffionskollegien aufrecht erbält. Aber aud) außerdem
fonnte ſich die katholiſche Kirche, zum Teil infolge der Thätigfeit des fett 1851 bei der
Republik beglaubigten päpftlihen Nuntius, vorteilhaft ausgeftalten, wenn auch nad) 1857
so noch wiederholt Maßregeln von feiten der Regierung getroffen wurden, um die Staats:
gewalt unabhängiger von der Kirche zu machen. So fam es nicht nur zu der Herftellung
dreier Kirchenprovinzen anftatt der einen von Mexiko, fondern 1863 wurden auch fteben
neue Bistümer errichtet (darunter Vera Cruz, Dueretaro, Leon). Weiterhin famen noch
die Diözeſen Taumalipas (1870) und Tabasco (1880) hinzu, mie 1874 das apoftolifche
35 Vilariat Nieder-Kalifornien bergeitellt ward. Co feben wir denn die Fatholifche Kirche in
der Republik geleitet durch 3 Erzbifhöfe und 19 Biſchöfe. Der Metropolitanvermwaltung
von Meriko unteriteben 9 Suffraganbiihöfe mit 780 Pfarreien, jener von Guadalarara
6 Bilchöfe mit 270 Pfarreien, endlich derjenigen von Michoacan (im Weſten von Mexiko,
Hauptitadt Morelia) 4 Biihöfe mit 174 Pfarreien. Die im Jahre 1900 erhobene Seelen:
0 zahl der Fatholifchen Kirche beträgt 12517530, wobei allerdings zu erfennen ift, daß
eine weit größere Menge als die nachgewiefenen 69407 Menfchen, weldye feine Angabe
machten, bei der Feititellung der Konfeſſion unberüdfichtigt blieb. Denn es fanden ich
nur 42266 Proteftanten vor und eine jehr geringe Summe Andersgläubiger. — Zu den
Proteſtanten iſt natürlich ein großer Bruchteil jener 69400 einzubeziehen, da diefe Kon:
45 feilionsangehörigen weitaus am meisten aus naturalifierten und fremdbürgerlichen Ange-
hörigen der nordamerikanischen Unionsstaaten beiteben; bet ihnen aber ift die Ablehnung
der Konfeſſionsangabe faſt ebenjo eine Sitte in Bezug auf den Cenſus wie bei den Eng:
ländern. Die Proteitanten Merxikos ſetzen jich infolge ihrer Herfunft aus den Unions-
ſtaaten (wenig aus englifchen Gebieten; es gab nur 3384 Engländer im Lande) auch aus
bo einer größeren Anzahl von kirchlichen Gemeinschaften zufammen, unter welchen die Be-
fenner der presbyterianiſchen und metbodtitiichen ‘Denomination, ſodann Baptijten und
Gläubige der Hochkirche am meilten Verbreitung erlangten. Doch bat es 3. B. auch die
Sekte der Mormonen zu einer Anzahl von Gemeinden gebracht; es find darunter 6—7
fogenannte Kolonien, alſo Yandgemeinden, melde um ihres raſchen wirtſchaftlichen Em:
65 porblühens willen hervorgehoben werden. Da nur die geringe Zahl von 2340 Deutfchen,
dem Bürgerrecht nach, dazu etwa ein Viertel diefer Zahl naturalifierter, aber nicht roma⸗
nijierter Deutjcher als größtenteils proteftantifch anzufeben tft, die Engländer nur um
Taufend Köpfe mebr betragen, von Unionsangebörigen 10222 gezählt wurden, fo ift der
amerifanifcheengliiche Charakter des merifanifchen Proteſtantismus natürlich der herrſchende,
Mexiko Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm 39
mit ibm aber auch deſſen Zerfplitterung. Die Deutfchen haben es nicht einmal in ber
Hauptjtadt zu einer vollitändigen kirchlichen Gemeinvebildung gebracht, um fich eines
dauernd bejegten Pfarramts zu erfreuen. Man bält ſich bier mie in anderen Städten
deutjcherfeitd meift an die Miflionsgeiftlichen der Brüdergemeinde. Lebtere unterhält
— wiederum von Amerika aus — eine Anzahl von Stationen im Lande, zu melden in
der Regel auch eine Schule gehört. Die Deutfchen in der Hauptitadt aber gründeten
nur eine konfeſſionsloſe Schule (1893) mit 6 Klafjen (darunter 2 höheren Knabenklaſſen
und einer folchen für Mädchen) und deuticher Unterrichtsjprache, es wirken unter einem
Direftor 4 Lehrer und 3 Lehrerinnen; den Borfit in dem Schulvorſtande führt der je:
mweilige Geſandte. Schon daraus, daß die im Jahre 1900 erhobene Zahl der vorhandenen 10
Deutichen allgemein überrafchte, ergiebt fich, daß dieſe in geringem Maße deutiche Ver:
einigungen pflegen, weshalb natürlich auch Firchliche Gemeinschaften deutf an el mod
. Göß.
a
zu gemwärtigen find.
Meyer, Heinrih August Wilhelm, geit. 1873. HU W. Meyer ift laut des
Taufregifters bei der St. Margarethenticche zu Gotha (Fol. 492, Nr. 18) dortjelbft am 16
10. Januar 1800 geboren und am 12. desjelben Monats getauft. Sein Vater war der
Bürger und Hofihuhmader Johann Nikolaus Meyer; feine Mutter, eine geborene Lein-
boff, welche bis zum Jahre 1851 lebte, wird gelegentlich als eine ſehr kluge und energilche
Frau bezeichnet. Welchen Einfluß Bretichneider, melcher als Generalfuperintendent und
Überpfarrer an der Margarethentirche jtand, auf die Entmwidelung Meyers gehabt babe, 0
it aus den vorliegenden Alten und Familiennachrichten nicht zu erſehen. Seine gelehrte
Borbildung erbielt er auf dem Gymnasium illustre jeiner Vaterſtadt, melches unter
Doerings Direktorate ftand und an welchem auch Rojt wirkte. Unterm 23. März 1818
erhielt Meyer bei feinem Abgange zur Univerfität das folgende Zeugnis: — per plures
annos in Gymnasio nostro versatus extremo tempore jure meritoque primum 3%
loeum inter disceipulos nostros occupavit. Excelluit enim ille in plurimis, quae
apud nos traduntur, diseiplinis, praecipue in accuratiore latinae linguae cog-
nitione, quam elegante carmine latino, in memoriam Lutheri sacris saeculari-
bus ab eo decantato, publice probavit. Jam vero cum ad solidioris doctrinae
studium accederet modestia, vitae probitas et animi integritas, facile, qualis 0
ille olim extiturus sit, augurari possumus. Er ging nad) Jena, um Theologie zu
itubdieren, und blieb hier bi8 Michaelis 1820. Die Vorlefungen von Gabler, Schott, Danz
und Baumgarten-Crufius hat er fleißig bejucht; neben den theologifchen Disziplinen
nahmen ihn aber auch die philofophifchen Vorlefungen von Fries und gefchichtliche und
pbilologifhe Studien unter Luden, Eichjtädt und Reifig in Anfprud; auch Arabiſch hat 85
er unter Kofegarten getrieben. Die durch eine unglüdliche Bürgjchaftsleiftung feines
Vaters verurfadhte Erfhöpfung der Geldmittel zwang den lernbegierigen jungen Mann,
mit 2°), Sahren des Univerfitätslebens fich zu begnügen und — mas gefeßlich zuläffig
war — das fechjte Semefter in häuslichen Studien hinzubringen.
Vor feiner heimatlichen Kirchenbehörbe beftand er um Oſtern 1821 und um Michaelis «0
1822 die beiden ordnungsmäßigen theologischen Prüfungen, und zwar „völlig gut.” Schon
vor der zweiten Prüfung mar er aber in eine Wirkſamkeit eingetreten, welche in mehr
ala einer Hinficht von enticheidender Folge für feinen Lebensgang geivorden iſt. In Grone
bei Göttingen hatte der dortige Paſtor Oppermann ein Nenfionat zur wiſſenſchaftlichen
Ausbildung von Knaben aus höheren Ständen gegründet. Für diefe Anitalt wurde 6
Meyer als Lehrer gewonnen. Hier fand er in einer Tochter des Paſtors Oppermann
jeine Lebensgefährtin, mit welcher er, als er am Ende des Jahres 1822 in dag Pfarr:
amt zu Ofthaufen, feit 1826 zum Meiningenjchen gehörend, eingetreten war, fidh verband
und welche bis zum Jahre 1864 feinem Haufe vorgeitanden hat. Bedeutungspoll wurde
ferner der Aufenthalt in Grone dadurch, daß Meyer bier die Hannoverjchen Verhältniſſe so
jo lieb gewann, daß in ihm der Wunjch entitand, in der Hannoverſchen Landeskirche An:
ftellung zu finden. Er felbjt fpricht dies mit warmen Worten in feinem unterm 5. Februar
1827 an das Konfiftorium zu Hannover gerichteten Gefuche aus. Es handelte fih, wenn
Mevers Wunſch erfüllt werden follte, zunächſt um Erteilung des Indigenats an den—
jelben feiten® des königlichen Kabinetsminiſteriums. Auf den günftigen Bericht des Konfi= 55
jtoriums wurde unterm 27. April 1827 das Indigenat erteilt. Hierauf hatte Meyer ein
Kolloquium bei dem Konfiftorium zu beftehen, auch cine Probepredigt und Katechtfation
in einer Kirche zu halten, und nachdem diefe Prüfung rühmlid) (Bene in omnibus) er:
ledigt war, wurde auf jeine Anjtellung Bedacht genommen. Eine getwilfe Schwierigkeit
40 Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm
fand man in den Gehaltsverhältniſſen. Meyer babe fchon eine Einnahme von 300 bis
400 Thalern, in einer fehr mohlfeilen Gegend, berichtete das Konſiſtorium an das Kabinet
des Königs, er mürde deshalb auf eine Pfarre Anfpruch machen, zu welcher gemöhnlid)
Prediger translociert werden; man könne aber ihn, der vom Auslande komme, nicht vor⸗
5 ziehen. Indeſſen im Jahre 1829 fand fich eine geeignete Stelle zu Harſte bei Göttingen.
ever bat von Dfthaufen aus um Verleibung derfelben, indem er namentlich betonte,
dab die Nähe der Univerfitätsjtabt mit ihrer Bibliothek für ibn bei feinen wiſſenſchaft⸗
lichen Beitrebungen von Wichtigkeit fein würde. Die mit der Etelle verbundene Ein-
nahme wurde zu 529 Thalem 23 Gr. 8 Pf. veranfchlagt. Unterm 30. Oktober 1830
10 erfolgte die Ernennung für Meyer, und am 30. Nanuar 1831 wurde er in Harfte als
Paftor eingeführt. Seit dem Tage bat er bis an feinen Tod der Hannoverichen Landes⸗
firche angehört.
Im Jahre 1837 wurde Meyer auf die Superintendentur-Pfarre zu Hoya befördert
und dort am 22. Dftober eingeführt. Damaliger Eitte gemäß batte der neu ernannte
15 Superintendent im Plenum des Konfiitoriums eine lateinische Abhandlung vorzutragen.
Diener nahm das Thema de fundamento ecclesiae. Tie in lichtvoller Darftellung
gegebene Arbeit ift für Meyers Eigenart bezeichnend. Er ftellt fich feit auf 1 Kor 3, 11,
etont, daß es fih um die Perſon, nicht etwa um die Lehre de Herrn handelt, blidt
von bier aus auf die übrigen Schriftzeugnifie, die er anzieht, und dringt darauf, daß
2 man, unter Fernhaltung philoſophiſcher Worausfegungen, mit gejchichtlicher Treue ben
wahren Sinn der apoftolifhen Worte gewinnen folle, indem er namentlich gegen Strauß
polemifiert. Für die paftorale Praxis giebt er die Anweifung: Aptum vero atque
consentaneum aeterno illi fundamento, quod coelestis opifex ecclesiae nostrae
posuit, Jesum Christum et immortalia ejus merita e sacra scriptura pie ac
25 sedulo indagare, contemplari, perscrutari, Jesu Christi evangelium absque
omnibus humanis additamentis mutationibusque praedicare, et perpetuo ten-
dere ad id, ut Jesus Christus animos impleat, mentes illuminet, vitam regat.
Aber ſchon nah wenigen Jahren wurde Meyer, welcher nicht nur in feinen firchlichen
Ämtern fich vorzüglich bewährt hatte, fondern auch durch feine fchriftftellerifchen Arbeiten
80 in immer weiteren Streifen einen rübmlichen Namen gewann — im Jahre 1841 erhielt
er eine Ginladung, als Profeffor in Gießen einzutreten — zu einer für die Landes⸗
firche bedeutungsvolleren Wirkſamkeit berufen. Auf Antrag des Konfiftoriums ernannte
ihn der König im Jahre 1841 zum Konjiftorialrate und zum Paftor an der Neuftäbter
Hof: und Schloßfirche und zum Superintendenten der damald mit jener Pfarre ver:
85 bundenen, zivar Eleinen, aber mancherlei Arbeit bringenden Ephorie. Am 5. Oftober
1841 wurde Meyer in den dreifachen Dienit eingeführt. In einer Gemeinde von etiwa
5000 Seelen verwaltete er allein das Pfarramt; die Hilfeleiftung eines Kaplans mar
nicht geeignet, eine twejentliche Erleichterung zu gewähren. Am SKonfiftorium fielen dem
neu Cingetretenen, deſſen Tüchtigfeit vor Mugen lag, bedeutende Arbeiten, insbefondere
«0 bei den Generalſachen und bei den tbeologifhen Prüfungen zu. Dazu fam die immer
iteigende Arbeit an dem großen Werke über das Neue Teitament. ever ſelbſt äußert
einmal, er babe eine faſt unverwüſtliche Gefundbeit und Kraft gebabt und babe ſchonungs⸗
los feine Kräfte angeipannt. Er lebte eingezogen und äußerft regelmäßig; des Morgens
um 5 Uhr, ja um 4 Uhr, faß er ſchon an feinem Schreibtifche. Aber die Arbeitslajt
6 war zu groß. Im Jahre 1846 wurde er von einem ſchweren Zeberleiden niedergeworfen,
und wenn er auch genas, fo bat er doch ſeit jener Zeit die frühere Kraft und Friſche
nicht mebr gebabt. Im Nabre 1817 mußte er um Erleichterung feiner Arbeitslaft bitten;
die Einnabmeverbältniffe ſchienen dahin zu führen, ibm den Konfiltortaldienit abzunehmen.
Aber gerade für diefen Teil der Geſchäfte wollte man ihn behalten. Es wurde deshalb
50 Einrichtung dahin getroffen, daß er jein Pfarr: und Ephoralamt niederlegen und fich
ganz der konſiſtorialen Wirkſamkeit widmen konnte (Johannis 1848).
In der fo geordneten Stellung iſt Mever, welcher im Jahre 1861 den Titel eines
Oberkonſiſtorialrates erbielt, bis dabin verblieben, daß er im Jahre 1865, feiner Bitte
gemäß, in einen ebrenvollen Nubeltand emtrat. Cine kurze Zeit bindurch hat er auch
65 nac feiner Penſionierung noch bei den tbeologifchen Prüfungen mitgewirkt; im mefent-
lichen aber war feine noch vorbandene Kraft feinem Werke über das Neue Teftament ge
widmet. Nach einer fehr peinvollen Unterleibstrankbeit ift er am 21. Juni 1873 ent-
ſchlafen. Das Kreuz auf feinem Grabe in dem Kirchbofe feiner früheren Neuftädter
Gemeinde bat den Spruch Röm 14, 8. —
60 Meyer war eine durchaus lautere Natur, von wahrhaft evangelifcher Yrömmigfeit,
Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm 41
von Herzen bemütig, in feiner ganzen Xebenseinrichtung befcheiden, einfach, rubig, klar
und Von feiner eminenten Gelehrfamfeit und von feinem unermüdlichen Fleiße
geugen feine Arbeiten. Nur durd fein eingezogenes, regelmäßiges Leben — zu welchem
insbeſondere auch die täglichen Gänge mit jeinem Freunde und Landsmanne, dem ge-
lebrten Kühner, oder mit feinen Großfindern gehörten — bat er es ermöglicht, daß Zeit 5
und Kraft ausreichten, um die übernommenen Arbeiten zu vollbringen. Er verſtand es
auch, jich zu beichränten, zu fonzentrieren. Auf erhebliche Nebenarbeiten ließ er fich felten
an. Im Winter des Jahres 1846 war er Mitglied der Firchlichen Konferenz zu Berlin.
Im Jahre 1857 ernannte ihn der König unter den „angejebenen evangelijchen Geiſt⸗
lihen”, der ftändifchen Verfaffung gemäß, zur eriten Kammer der allgemeinen Ständever: 10
fammlung, und da hat Meyer insbefondere bei der Schulgefetgebung mitgewirkt. Sodann
bat er der Halleichen Konferenz zur Revifion der lutheriſchen Bibelüberfegung Neuen
Teitaments angehört und bei feiner Benfionierung wurde befonders beitimmt, daß er auch
nad derſelben Mitglied jener Konferenz bleiben ſolle. Unvergeſſen ift ferner feine Teil:
nahme an der Vorſynode (1863), aus deren Beratungen die Kirchenvoritands- und Syno⸗ 15
dalordnung vom 9. Dftober 1864 berborgegangen iſt.
Die weſentlichſte Wirkſamkeit Meyers lag aber einerjeitS auf dem Gebiete feines pfarr-
amtlichen und feines konſiſtorialen Dienftes, andernteils in feiner litterarifchen Thätigfeit.
Seine Predigtweife war einfach, klar und herzlich, in dem gegebenen Terte und im ganzen
der bl. Schrift feit gegründet. Er war ein vortrefflicher Katechet und veritand es na= 20
mentlich, die Herzen feiner Konfirmanden zu gewinnen. Im Konfiftorium war er ein
pünftlicher Arbeiter von kirchlichem Sinne; auch feine eigenen Theologumenen wußte er
dem Bekenntnis und den Ordnungen der Kirche nachzufegen. Er war ein ausgezeichneter
Eraminator, von zweifellofer Präzifion in feinen Fragen, ein gewandter Yateiner, da big
zu der neuen Prüfungsordnung vom Jahre 1868 die lateinifche Rede bei den Prüfungen a5
eine ziemlich weitgehende Anwendung fand, und von foldher Sicherheit und Reichhaltigfeit
des Wiſſens, daß er in woller Freiheit den Prüflingen gegenüber fich bewegen und wohl⸗
wollend der denfelben mwillfommenen Richtung folgen konnte, ohne doch die feite Leitung
zu verlieren. Wer fleißig gearbeitet und etwas Tüchtiges gelernt hatte, konnte ficher fein,
daß dies bei der Meyerſchen Prüfung zu Tage fam und freundlich anerkannt wurde. 80
Aber Phrafen, melde zur Verdeckung von Unkenntnis dienen follten, fonnte er nicht
vertragen.
Bei über die Grenzen der Hannoverichen Landeskirche hinaus erftredte fich aber die
Iitterarifche Wirkſamkeit Meyers. Auch diefe läßt, jo umfangreich fie ift, doch diejenige
Konzentration erkennen, auf welche oben hingewieſen it. Es war im mefentlichen nur 86
ein Gebiet, auf welchem er arbeitete; bier mar er aber auch völlig heimiſch. Und feine
ganze Kraft ſetzte er an die enticheidenden Hauptarbeiten, ohne auf gelegentliche Leiſtungen,
wie Abhandlungen, Rezenfionen u. dgl. ſich einzulaflen.
Die im Jubeljahre der Augsburgiichen Konfeffion erjchtenene Ausgabe der fymbo-
Ifchen Bücher der Iutherifchen Kirche wurde von Meyer felbjt (Vorrede zu Matthäus 2c. vd
1832) ala eine Arbeit angejehen, melde in das eigentliche Hauptwerk feines Lebens
zwilcheneintrat. Dies große Werk galt dem Neuen Teitament. Der urjprüngliche Titel
lautete: Das Neue Testament Griechisch nach den besten Hülfsmitteln kritisch
revidiert mit einer neuen Deutschen Uebersetzung und einem kritischen und
exegetischen Kommentar. Der anfänglibe Plan des Verfaſſers ging dahin, daß «6
das ganze Merk in drei Abteilungen vollendet fein, nämlich erjtlih Tert und Über-
fesung, fodann den Kommentar über die Evangelien und die Apoſtelgeſchichte, end—
lib den Kommentar über die übrigen Bücher enthalten und, in knapper Faſſung die
iſagogiſchen Unterfuchungen, die Geichichte der Exegefe, namentlich aus den griechifchen
Vätern, und die eigene Auslegung nad) ftrenger, philologiſcher Methode bietend, ein Hand: bo
buch für die Studierenden fein follte. In meiterer Ferne ſchwebte dem Verfaſſer auch
nob ein „Syſtem des biblischen Rationalismus” (a. a. D. S. XV) vor, eine neuteita-
mentlicbe Theologie, zur lehrhaften Zufammenfaffung der eregetifchen Ergebniffe. Meyer
batte das Glüd, eine angejehene Buchhandlung in Göttingen zum Verlage bereit zu finden,
und im Sahre 1829 erichien, dem erjten Plane gemäß, Tert und Überfegung in zwei 56
Bänden. Die erite Brobe des Kommentars, die drei fonoptifchen Evangelien umfaſſend
(419 Seiten), folgte im Sabre 1832. Der uriprünglih entworfene Plan wurde jedoch
alsbald erweitert und es erichienen nun die erften Auflagen des Johannes 1834, der
Apoftelgefchichte 1835, des Römerbriefs 1836, des eriten Korintherbriefs 1839, des zmeiten
1840, des Galaterbriefs 1841, des Epheferbriefs 1843 und der Briefe an die Philipper, 0
42 Meyer, Heinrich Auguft Wilpelm Meyer, Johann Friedrich v.
bie und 847. Die Kom:
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85 Died (Aph. Daß nach Reyers Tode der Kommentar in wündi iger Weiſe weiter gefübrt
—* Li u —J von D, Weiß in Berlin mit Nat und That unterftükte
geftellt. Neue Bearbeitungen find von B. Weiß Mt, ob,
De — * 1 2: 3 0) B. und en W * Bad Wendt (AG), Heinriei
(1 2 Ren) Sieffert (Sal), Haup t (Gefang n X. G. Frande bear-
0 beitet) Baumann (1 2 Th "RL ‚= 2 30 —— de und Boufjet (Apk) ges
geben. — Eine Lebensb reibung Meyers hat bn, Profeſſor Dr. Meyer, Schul-
or zu Hannover, in der Vorrede zur 4. —2* des Kommentars zu ben Briefen an
bie Philipper uf. iv. un: einen Nefrolog bat der —— in der — —
Kirchenzeitung (1873, ©. 498 f) geliefert. D. Fr. Duſterdiech
45 er, Johann Friedrich v., geit. 1849. — leitung” im ber
Sen Bär fir 5 t 1853, 1 ©. VOR; 3. Same
Auswah aus ben Blättern für höhere hrheit“ Stutt art 1
in WB XXI ES. 597. n i
Der Theologe, Jurift und Staatsmann J. F. v. Meyer wurde zu Frankfurt a. M,,
wo fein Vater, Jobann Anton, Kaufmann war, am 12. September 1772 geboren und
50 frühzeitig zu einem wiſſenſchaftlichen Berufe beitimmt, Seine erſte Yiebe waren die las
feinsten Klaifiter die er auf dem © ——— und die griechiſchen, die er privatim mit
eftor Purmann las. Seinen Kunſtſinn bildete er durch Zeichnen, Malen, Harfenſpiel.
Während er von 1789 an in Göttingen dem Rechtsſtudium oblag und mit einer juri-
diſchen Abhandlung 1792 den alademijchen Preis errang, ſetzte er feine philologiichen
5 Studien in Heynes Seminar und Borlefungen fort und veröffentlichte bereits 1790 eine
en ndlung über die fadeltvagenden Gottheiten der Griechen und Römer. 1793 begab
—— Leipzig, um ſich hier einige Zeit wiſſenſchaftlichen Beſchäftigungen und per—
fönl n Anregungen hingeben zu können; bier fing er auch an, die Philoſophie und bie
Naturwiſſenſchaften in den Kreis feiner Interefjen zu zieben: die Frucht der Leipziger
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Meyer, Johann Friedrich 43
Muße waren eine Reihe von Auffägen archäologifchen, philofophiichen und belletriftiichen
Inhalts, die er 1793 in Heerens Bibliothel, 1794—1795 in Wielands Merkur veröffent:
lichte, und der zmweibändige Roman Kallias, Leipzig 1794. Seine praftiiche Schule wurde
das Neichsfammergericht in Weslar, mo er in der Tochter des nachmaligen baierifchen
Gebeimrats von Zwackh feine Gattin fand. Von nun an bemwegte er fih in welchſelnden 5
Stellungen — zuerjt ala fürftlih Salm-Kyrburgiſcher Hof: und Domänenrat, dann als
Rechtsanwalt in feiner Vaterftabt, hierauf als pfalz-baierifcher Appellationsgerichtsrat in
Mannheim. 1802 ließ er ſich dauernd in Frankfurt nieder und übernahm im folgenden
Sabre die Leitung der Bühne, die er zu einer fittlichen Bildungsanftalt zu adeln bemüht
war — ein ibealer Traum, der an den fpröden Schranken der Wirklichfeit zu nichte 10
wurde. 1807 ernannte ihn der Fürſt Primas zum Stadtgerichtsrat, 1816 trat er in den
Senat, 1821 wurde er Schöffe, vier Wochen jpäter Syndikus, 1837 Gerichtsfchultheik
(Präfident des Appellations- und Kriminalgerichtes); in demfelben Jahre übernahm er
die Vertretung der vier freien Städte im Bundestag; 1825, 1839 und 1843 hat er das
ältere Bürgermeifteramt bekleidet. 15
Meyer ſah längft in der Bibel ein ehrwürdiges Buch, aber noch verftand er fie im
Einne des herrichenden Nationalismus, fein Epos Tobias in fieben Gefängen (1800)
atmet noch diefen Geiſt; aber der Ernft der Zeit, der erfehütternd in fein Leben fiel
und ihn aus einer Stellung in die andere trieb, weckte tiefere Bedürfniſſe; er las die
Schrift nicht mehr bloß zum äjthetifchen Genuß, fondern zum Troſt feiner Ceele, er er: 20
fannte die Notwendigkeit der Offenbarung, er ſah in der Erlöfung den Mittelpunft und
das Weſen des Chriftentums, Aber er verachtete dabei die meltliche Wiſſenſchaft nicht,
fondern hielt dafür, ihre Erkenntniſſe feten ihm von frübe an gegeben, um fie im Dienft
des Heiligen zu verwerten. 1806 und 1807 überjegte er die theologiſchen Schriften
Ciceros von der Natur der Götter, dem Fatum und der Weisfagung, die ihn von der 25
Unzulänglichkeit der menfchliden Vernunft zur vollen Erkenntnis der göttlichen Dinge
überzeugt hatten; 1813 veröffentlichte er feine Überfegung der Cyropädie; für die erite
Ausgabe von Schloffers „Weltgefchichte in zuſammenhängender Erzählung” jchrieb er
1815 auf des Verfaſſers Kunie die Gefchichte des Volkes Israel (Bd I, 25—44). Aber
der Schwerpunft feiner Antereffen lag in der Bibelforfchung. Noch im 35. Lebensjahre so
(1807) entſchloß er fich, das Hebrätiche gründlich zu lernen, bei der Lektion des Alten
Teftaments zog er ältere und neuere Überfegungen ſowie die Kommentare zu Hilfe und
legte fi einen umfaflenden Apparat an. Bald fühlte er fich nicht bloß benötigt, von
den Exegeten zu nehmen, ſondern auch befähigt, zu geben; die Befchreibung der Stifte-
bütte und des Tempelbaues gab ihm Gelegenbeit, feine archäologischen, die Beitimmungen s5
des moſaiſchen Gejetes feine juriltiichen Kenntnifje zu verwenden. Scon 1812 gab er
jeine „Bibeldeutungen” heraus, in denen er nicht ohne Schärfe und Bitterkeit, vielleicht
mebr aus dem Schmerz über die eigenen Berirrungen, als aus dem über fremde Thorheit
erwachien, die feinem Glaubensſyſtem entgegenftebenden theologischen Auffafiungen der
Zeit befämpfte; allmählich erſt „zog er das polemifche Schwert ein und dachte darauf im «0
Frieden ein Neues zu bauen“. Den anfänglichen Blan einer neuen Bibelverdeutichung
vertaufchte er bald mit dem einer Berichtigung der lutherischen Überfegung, die er als ein
geiftliches Kunſtwerk betvunderte, worin der Kirchenftil feine böchite und unantaftbare
Würde entfalte. Nochmals wurden nun in gründlichem Studium alle Hilfsmittel herbei-
gezogen und in fortlaufenden, erflärenden Anmerkungen zum revidierten Tert das Beite, «6
was die Exegeſe big vahin geleitet, in der knappſten Kürze zufammengedrängt. Im Sabre
1819 erſchien das Bibelmerk in erfter, 1823 in zmeiter Ausgabe (jene mit, diefe obne
Anmerkungen); eine Ausgabe letter Hand mit Anmerkungen hat 1855 die Zimmerſche
Buchhandlung in Frankfurt veranftaltet. Auf Marheinekes Wunsch fchrieb Meyer eine
Beichichte dieſes Werkes zur Darlegung feines theologischen und eregetifchen Bildungs: 60
ganges, welche jener in ben Berliner Nachrichten vom 3. Dezember 1818 veröffentlichte;
die theologische Fakultät von Erlangen aber krönte Meyer mit ihrem Doftorgrade, und fo
trat die feltene Antinomie ein, daß ein Doktor — nicht beider Rechte, fondern der Theo:
logie — in dem Appellations- und Kriminalgerichte der freien Stadt den Vorſitz führte.
Seit 1816 leitete er auch ale Präſident die Frankfurter Bibelgefellfchaft. 66
Meyer war indeflen nicht bloß biblifcher Theologe, fondern Myſtiker und Theoſoph,
und als folcyer zeigte er fich befonders in der dritten Periode feines Schriftitellertung.
So wenig als die Aufflärerei des Nationalismus konnte ihn die mechaniſche Weltanjchau:
ung des transcendenten Supranaturalismus oder gar die formale Korreftheit der Ortbo-
dorie befriedigen. Natur und Bibel waren ihm nur zwei zufanunengehörige, fich gegen: 60
44 Meyer, Johann Friedrich v. Meyfart
feitig erflärende Urkunden einer und derfelben Offenbarung. In der Schrift war ihm
das helle Licht aufgegangen, das feine Strahlen über alle Kreiſe der Schöpfung, über
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verbreitet. Auf allen Gebieten mar es ihm um
lebendiges, organiſches Verjtändnis zu thun: er juchte im Buchſtaben den Geiſt, in dem
5 Keime die zufünftige Entwickelung, in dem Endlichen die Typen des Unendliden; Zahlen
und Figuren waren ihm die Formeln emwiger Wahrheiten, die fichtbaren Tinge ein Bilder:
buch voll tiefjinniger Hieroglophenfchrift, die Erſcheinungsweli eine Sphäre, in welcher
nicht nur die Myſterien einer höheren Welt ſich zeigten, ſondern auch ihre Kräfte wirkſam
eingreifen und dem ſich kundgeben, der ihre Realität mit frommem Sinne erfaßt hat.
10 Seine Schrifterklärung geht darauf aus, den Tiefſinn des göttlichen Wortes zu ergründen,
der ſich hinter dem grammatiſchen cbenſo verbirgt, als verrät. Mit Vorliebe wandte er
fich der Eschatologie und der Apokalyptik zu: aus dieſem Streben ging ſchon 1810 ſeine
Schrift: „Hades, ein Beitrag zur Theorie der Geiſterwelt“, hervor, ſpäter ſein Schlüſſel zur
Offenbarung Johannis von einem Kreuzritter“, 1833, und ſein lehie⸗ Schriftchen: „Blide
15 in den Spiegel des prophetifchen Wortes”, 1847. Mit warmer Teilnahme folgte er den
Verhandlungen über den Rebensmagnetismus; er bezeichnet Diele rätielbaften Zuſtände
ale „ein Aufgefchloffenfein des natürlich feelifchen Vermögens”, er nennt fie „Pſycho—
pompos in die unfichtbare Welt”, befürchtet aber deren feelenverderblichen Betrug, wenn
fie der unlauteren Wißbegierde oder gemeinen Neugierde dienen. Seine Anfiht vom
20 Symbol und feine Vorliebe für die ſymboliſche Lehrart leitete ihm nicht bloß auf die
Myſterien der alten Welt, fondern auch in die Grade der höheren Maurerei. Er gebörte
der dent reftifizierten Spfteme zugethanen Zoge Karl zur aufgebenden Sonne in Frank⸗
furt bis zu ihrer Auflöſung im Jahre 1845 an. Aus dieſer a flog: „Das Bud
Jezira, die ältejte, kabbaliſtiſche Urkunde der Hebräer”, 1831 (bebräifch, deutfch, mit An-
25 merfungen und Glofien), ferner „Zur Ägyptologie“, 1840, und der. Auffab über die
Guldeerr. Sein Hauptwerk find die elf Sammlungen der „Blätter für höhere Wahr:
heit”, 1819—-1832, woran fih als zwölftes fein „Inbegriff der Glaubenelchre”, 1832,
reiht. In feinen Gedichten leuchtet, wie Albert Knapp (ev. Liederſchatz 2. Aufl. ©. 1317)
fagt, „ein ganz eigentümlicher duftiger Geiſtesglanz, den man die Romantik Israels
so nennen könnte“. Cine Reihe von Rezenſionen bat er unter der Chiffre J. M. D. von
1811---1818 in die Heidelberger Jahrbücher geliefert.
Das verhängnisvolle Jahr 1848 bat er durchlebt, aber von feinen Erfhütterungen
wurde er nicht mehr berührt: mit heiterer Ruhe blicte er, fait lächelnd, in das wüſte,
zerſtörungsſüchtige Treiben und den leidenſchaftlichen Kampf der Parieien; es war, als
85 hinge der nach der Heimat verlangende Geiſt nur noch durch loſe Bande mit dem wege⸗
mübden Gefährten der langen Wanderung zufammen. Das Ende des Sahres fand ihn
bereit3 mit völlig erjhöpften Kräften auf dem Kranfenlager, von dem er nicht mehr er
Itand. Am 27. Sanuar 1849 verjchted plöglich abends feine Gattin; 13 Stunden fpäter
folgte er ibr in das Land des Schauend. Am 31. Januar wurden beide Leichen von
4 einem proteftantifchen und fatholifchen Geiftlichen zum Friedhofe geleitet.
Senior Dr. Steitz }.
Meyfart, Johann Mattbäug, geſt. 1642. — H. Witten, Memor. theolog. nostri
saec., Frankf. 1685, Sept. Dec. p. 1007 „ex schedula quam B. Vir, dimidia ante obitum
suum hora, non nemini in calamum dietavit“; Gottfr. Ludwig, Ehre des Gafimiriani in
«5 Coburg 1725, Bd ITS. 261f.; Tholud, Lebenszeugen der luth. Kirche vor und während der
Beit des dreißigjährigen Kriegs, Berlin 1859, ©. 209, Bertheau in AdB Bd XXI ©. 646.
Meyfarts Schriften ſind aufgezählt hinter der Memorie bei Witten S. 1011 und voll:
jtändiger bei Ludwig S. 264—67 und bei Brigleb, Geſchichte des Gym. Casim. Acad. 1793,
S. 178—82. Auf der Bibliothek zu Wolfenbüttel finden jid) alle bei Witten genannten Werke,
50 ausgenonmen Die Arx Sionis, die Meletemata, den Anti-Becanus und „De resurrectione
mortuorum“, aber feine der zahlreichen Disputationen, welche bei Ludwig und Brigleb ges
nannt jind, und zwar meist ohne Drudort; find diefe vieleicht nur handſchriftlich vorhan⸗
den, oder nachher in die größeren Sammlungen übergegangen ?
J. M. Menfart oder Mayfart, lutheriſcher Theolog zu Koburg und Erfurt, als en⸗
56 tbuſiaſtiſcher Myſtiker ohne Unwiſſenheit und als reformatoriſcher Tadler der Schäden
ſeiner Zeit einer der trefflichſten Vorläufer Speners ward am 9. November 1590 zu
Jena im Hauſe feines Großvaters - - jo Witten p. 1007, anders Gottfr. Ludwig ©. 261:
„In vitam introivit a 1590, d. IX. Nov. in Thuringia Walwinckeliae prope
Waltershusam, unde et Waltershusanus saepe dietus est“ — als der Sohn eine®
60 Geiftlichen zu Walwintel am Ihürimger Walde, nachher zu Hayna an der Neffe, geboren.
Meyfart 45
Auf der Schule zu Gotha erhielt er eine ausgezeichnete philologifche und phitolonhiihe
Bildung; zu der leteren gehörte eine Vorliebe für die ramiftiiche Lehre und Methode,
welche ihn aber nicht, wie fo viele andere, gegen humaniftiiche Studien und Ariſtoteles
eingenommen madte. In Xena und Wittenberg verband er das Studium der Logik mit
dem der Phyſik und Ethik, des Altertums und der Geſchichte. Erſt nach folder Worbe- &
reitung, 1611 zum Magiſter Treiert, ging er zur Theologie über.
inzwischen war außer Wittenberg, Beibgin und Jena noch eine vierte ſächſiſche Hoch:
ſchule eröffnet zu Koburg. Nicht durch jtrenges Yuthertum, wie Jena und Wittenberg,
jondern was nötiger fchien, durch ftrengere Zucht der Sitten und Gemeinnüßigfeit für
das Vaterland follte das im Jahre 1605 eröffnete Gymnafium Gafimirtanum Jena und 10
alle übrigen Iutherifchen Univerfitäten übertreffen; in diefem Sinne hatte der Herzog Jo—
hann Caſimir von dem jenaifchen Humanijten Wolfgang Heider die Statuten für das—
felbe entwerfen laffen, und ftellte es, wie fich felbit, unter die geiftliche Leitung Johann
Gerbards, welcher auch, nachdem er ihn 1616 an Xena verloren hatte, dennoch ftet3 mit
ibm und feiner Hochſchule in engfter Verbindung blieb. 15
An diefer Lehranitalt wurden in demjelben Jahre 1616 Meyfart als Profeſſor an:
geitellt und 1623 mit der Direktion derfelben beauftragt; 1624 erwarb er auch in Jena
die theologische Doktorwürde. Er ging auf die Eigentümlichkeit der neuen Schule mit
Geiftesverwandtfchaft ein. Als feine erjten Cchriften werden theologische Disputationen
ihon aus den Jahren 1617—19 angeführt; ein größeres dogmatiſches Werk fing er 20
1620 an: Prodromus elucidarii theologieci s. distinctionum theol. centuriae duae,
ex omnium prope theologorum, qui post exhibitam A. C. floruerunt, scriptis
oollectae etc. nad) den zwei eriten zu Koburg 1620 in 4” gebrudten Bänden, welche
nur die Abfchnitte de theologia, de philosophiae sobrio usu, de S. S. und de
symbolis enthalten, brach er die Arbeit ab. Dann folgten mehrere polemifche Schriften; 26
dahin gehört eine Fortfegung der im Jahre 1614 angefangenen Disputationes anti-
iesuiticae des weimariſchen Theologen Alb. Gramer unter dem Titel: „Grawerus con-
tinatus“ T. II ete., Koburg 1623 in 4°; noch umfangreicher ijt der Anti-Becanus
sive manualis controversiarum theol., a Becano collecti, confutatio, Yeipzig
1627, 2 Bände in 8%, im eriten nur über die drei von Becanus vor allen hervor so
gehobenen Hauptpunfte de ecclesia, de iudice controversiarum und de vocatione
ministrorum, in zweiten über fpeziellere Diſſenſe; endlid) der „Nodus Gordius
Sophistarum solutus, h. e. de ratione solvendi argumenta sophistica etc.
libri IV, SKoburg 1627 in 8°; durch die beigebrachten theologifchen Beifpiele, welche fo
zahlreich find, daß das Buch einen befonderen, nad allen Artikeln des dogmatiſchen ss
Spftems geordneten Inder derfelben giebt, gehört diefe Schrift auch der theologijchen
Polemik an. Zugleich aber kündigt fie ſich als eine philoſophiſche Vermittelung von Art:
ftoteles und Petrus Ramus an, mie li denn auch fait jedesmal ziveierlei Löſungen der
beitrittenen Sophismen nebeneinander ftellt, die eine juxta doctrinam Peripateticam,
die andere juxta doctrinam Ramaeam. Auch dies Bermitteln war ſchon den Ab- 40
fichten bei Stiftung des Cafimirianums gemäß; als erjte Lehritunde wird 1607 die „dia-
lectica Philippo-Ramaea" genannt. Doch wird ſonſt Meyfart um dieſe Zeit noch
ziemlich allein geitanden fein, wenn auch nicht mit feiner Anerkennung der Philo—⸗
fopbie überhaupt und der Notwendigkeit ihrer friedlichen Verbindung mit der Theologie,
doch mit feinem verfühnenden Aufiuchen des Guten fogar in zwei philofophifchen Syitemen, 46
deren Anhänger einander ſonſt noch fo feindlich entgegenjtanden. Noch feltener damals,
wenn auch noch natürlicher, war es, daß diefe durch Philoſophie wie durch Gefchichte und
Poeſie des Altertums erregte Selbitthätigkeit ſich bei ihm verband mit einem fehnfüchtigen
Suchen höchſter Ideale, mit einer innigen felbjterlebten Chrijtusliebe, mit einem enthulia-
ſtiſchen Verweilen bei jenfeitigen und überirdijchen Zuftänden der Vollendung, aber darum so
auch, wenn er auf der Erde um ſich ber blickte, mit einer Scharflichtigfeit für die Ver—
wüſtung der Kirche, für die Erjtorbenheit der bloß traditionellen, bei der Menge bloß
nachgeſprochenen Theologie ohne eigenes Leben, und für die neben dieſer theoretijchen
Berirrung muchernden fittlichen Schäden. Dies zeigen nody zwei Neihen feiner deutjchen
Schriften die einen eschatologiichen Inhaltes, Die anderen reformatoriich den gröbiten und 56
Mei Gebrechen befonder8 der damaligen lutherischen Kirche Deutſchlands ent-
geg tchtet.
Die erite beginnt 1626 mit der „Tuba novissima, d. i. von den vier IcKten
Dingen des Menſchen, nämlid vom Tod, jüngiten Gericht, ewigen Xeben und Ver—
dammnig, vier Predigten gehalten zu Koburg“, gedrudt daſelbſt 1626 in 40; Die dritte co
46 Rofart
von dieſen, ebenjo wie die zweite über Mt 17 gebalten (vie erite über Meisbeit Sal. 5,
Die legte über LE 16, 1958.), ſchließt 2. 85 mu Meviarts Lite „Jerufalem, du hoch—
gebaute Stadt“, meldes er bier auf die Aufforderung folgen läßt: „Meint doch vor
Freuden, die ihr vor Freuden nicht triumpbieren wollt, erieufiet Doch vor Freuden, die ibr
5 vor Freuden nicht jauchzen wollt, eritummet doch ver Freuden, die ihr vor Freuden nicht
reden wollt: Jeruſalem“ u.i.w., und dann werden die einzelnen Verſe des Liedes, welches
bier als der Austrud Des Heimmwebs und der überirdiſchen Sebnſucht echter Chriften da⸗
ftebt, noch mehrmals durch Zwiſchenreden unterbroden. Weld eine andere Sprache und
Kraft bier, wie die fonit gewöhnliche weitſchweifige Der damaligen Kontroverspredigt!
» Schon dieſe vier Predigten machten einen ſolchen Eindruck, daß man ibn noch weiter über
diejelben Stoffe hören wollte. So ließ er noch drei größere deutiche Werke in ſechs ftarfen
Oktavbänden folgen, zuerit zwei Bücer „von dem bimmliſchen Jerufalem, auf biftorifche
Weiſe ohne alle Streitiahen aus den boldteligiten und fröblichiten KRontemplationen alter
und neuer gelebrter Väter und Männer beichrieben und bei dieſen betrübten Läuften allen
u frommen Chriſten zu einem Troit neben anmutigen precationibus iaculatoriis oder
Zeufzerlein in Trud verfertigt”, Koburg 1627, 2 Bde in 8°, fpätere Auflagen 3. B.
Nürnberg 1664, 8° und 1674, 8°; femer „Tas hölliſche Sodoma“, oder die ewige Ber:
dammnis, „auf biftorifche Weiſe“ u. }. f. wie vorber (nur ftatt „boldfeligften und fröb-
lichſten“ jteht bier „inbrünitigften und andächtigiten”), Koburg 1630, 2 Bde, 8°, auf
0 einer Ausgabe von Nürnberg 1671 in 8° jtebt „zum fünften Mal gedruckt“; endlih „Das
jüngite Gericht, auf biftorifche Weile“ u. ſ. f. wie vorber, Nürnberg 1632, 2 Bände in 8°,
auf einer Ausgabe, Nürnberg 1672, beißt es „zum adıten Male wieder gedrudt”. Ein
deuticher Tante voll Gelehrfamfeit und Phantaſie, wie diejer, wird faum irgendwo, fo
wie er ſich in diefen Merken darjtellt, anzutreffen fein; die Menge und die fchnelle Auf-
25 einanderfolge der Ausgaben zeigt, wie dürſtend in der dürren Zeit der Iutberifchen Scho-
laftit und Polemik das deutihe Yand nah der Erfriſchung ſo lebendiger Myſtik und
Poeſie mar.
Die zweite Klaſſe feiner deutichen Schriften, nämlich diejenigen, welche man refor:
matorifche nennen darf, gehören erit feinem jpäteren Wirkungskreiſe und feinen legten
80 Jahren an. In der Anbänglichkeit an fein Gafimirianum und an deſſen ftrenge und
fromme Sitte blieb er ſich ftets gleich; er ſchrieb auch noch mandjerlei andere Yebr- und
Schulbücher für dasjelbe, wie 1627 das Mellificium oratorium, 1628 dad Compendium
geographiae u.a. Aber im Jahre 1631 (Mitten) oder wohl erit 1633 (Ludwig), nachdem
Guſtav Adolf Erfurt eingenommen und die dortige Univerſität als eine Iutberifche berzuftellen
85 angefangen batte, ließ er fich als Profeflor der Theologie dorthin berufen, ward 1635 Rektor
der Univerfität, wurde auch Paſtor und zulegt Senior des geiftlichen Minifteriums, und blieb
bier bis an feinen frühen Tod am 26. Januar 1642. Hier nötigten ibm andere Sitten
wie die feiner „Gaftmirianer”, wenn auch noch nicht fo verdorbene, wie fie ein Jahr⸗
bundert fpäter in Erfurt berrichten, andere Schriften ab; doc auch über verbreitetere
u Schäden, als die feiner nächiten Umgebung, ließ er nach dem idealen Aufſchwung feiner
eschatologifchen Werke nun in diefen jpüäteren Schriften fein Gericht warnend und ftras
fend ergeben. Und gerade an die verbreitetiten und dadurch unbemerfteiten, aber ver:
derblichiten Gebrechen wagte er es bier fait ohne Gemeinschaft und Mitwirkung, aber
nicht ohne eigene (Sefahr, Hand anzulegen. Seine „Chriſtliche Erinnerung an gewaltige
65 Regenten und gewiſſenhafte Brädifanten, wie das abfjcheuliche Laſter der Hererei mit Emit
auszurotten, aber in Verfolgung desfelben auf Hanzeln und in den Gerichtsbäufern ſehr
befcheidentlich zu handeln ſei“, Schleufingen 1636, in 4°, nachher wiederholt in Thoma:
us’ „Schriften von Unfug des Herenprozefles”, Halle 1703, S. 357—584, gehörte zu
den eriten und eimdringlichiten Warnungen vor den Gräueln, welche man bier durch Ge-
50 wohnheit und Verbildung (ſ. oben Bd VIII S. 30ff.) erträglich und berechtigt zu finden
gelernt batte; in der Vorrede bezeugt er, wie er die Schrift fchon vier Jahre vorher be=
endigt habe, es fei aber „das Werk auf Drudereien wegen vieler Verhinderung zur Seite
gelegt”; aber „Sollte ich gänzlich fchmeigen, würde mein Gewiſſen betrübt werden”; er
ſei „vortreffliher Männer und Freunde Gutachten bierin gefolgt, welche ihm heftig an-
55 gelegen bei jo beichaffenen Umständen in dem Handel fortzufabren”; zwar nicht „aller
Orten fer der Hexenprozeß den Rechten und der Billigkeit ungemäß“, aber er giebt doch
in erfennen, daß er es an den meijten fei; er preift „pen Fatholifchen, aber lobwürdigen
Mann, der die praxin criminalem gejchrieben“, Fr. v. Spee, ohne ihn zu nennen.
Seine „Chriftlihe Erinnerung von den aus den hohen Schulen in Deutfchland entwichenen
eo Ordnungen und chrbaren Sitten“, Schleufingen 1636, in 4°, welcher 1634 eine ala=
Meyfart Micha 47
demifche Rede, „Bildnis eines wahren Studenten der hl. Echrift, genommen aus dem
ebrliben Leben des Propheten Daniel auf der königlichen Akademie zu Babylon”, Erfurt
1634, in 4°, vorbergegangen mar, zug eine andere Schmady Deutichlands hervor; fie
beichrieb den fittlichen Zuftand auf den Lutherifchen Univerfitäten, befonders bei der fünf-
tigen Generation der Geiftlichen, und mies den Zufammenhang nad, in welchem diefer 5
mit dem Verfall der humaniftiichen Studien und der Xeblofigfeit der ſcholaſtiſch gemor-
denen Theologie, mit der Unterbrüdung der von Melanchthon ausgehenden Anregungen
und der Aufmunterung der gegenfeitigen Anfeindung um der jedem vworgefchriebenen Tra-
dition willen ftand; fie verlegte aber dadurch jo gründlich die Selbitjeligfeit derer, die am
chtlichiten „ſich dünkten, die Säulen der Iutherifchen Kirche zu fein”, daß felbft ein 10
nn, wie Johann Gerhard in Jena, mwenigitens Hoe von Hohenegg gegenüber in ber
zu freimütigen Schrift faſt nur Hypochondrie und Preßvergehen zu fehen wermochte (Brief
an Hoe vom 30. Auguſt 1636 ın Fiſchers V. Gerhardi p. 545), und daß unter der
Schande des Pennalismus noch Jahrzehnte hindurch das neue Geſchlecht lutheriſcher Geift:
licher fo gründlich verdorben werden Tonnte, daß es zunächit nur durch die Abſchwächung des ıs
Pietismus miederherzujtellen war. Noch weiteren über die Grenzen des Univerfitätsleben
binausgehenden Reformen und einer Vereinigung von Kräften dafür ging Meyfart in diefen
feinen legten Jahren nad); eine Denkſchrift desjelben mit Vorſchlägen, wie den Sitten der
Geiftlichen, dem Gottesdienſte, der Kirchenzucht und Gebetszucht abzuhelfen, und dem Nepo—
tismus und der Simonie, dem Kirchenunfrieden und dem gegenfeitigen Haß zu mehren a0
fei, wurde friebliebenden Theologen, wie Galirtus und Val. Andreä, zur Begutachtung
und Anfchließung vorgelegt, und Fürften, wie Herzog Auguft von Braunfchweig, interef-
fierten ji dafür; ein lateinifches Programm Meyfarts, De concilianda pace inter ec-
clesias per Germaniam evangelicas, Schleufingen 1636, jtellte 17 Eigenschaften zu:
jammen, durch welche Theologen zur Friedensſtiftung ungeeignet zu werden pflegten, 3. B. 26
insufficientia morum et eruditionis, metus odii et invidiae, intuitus humanae
auctoritatis. Aber folche Eigenjchaften waren aud damals noch ftarf und verbreitet
genug, um jeden bleibenden Erfolg des Meyfartſchen Reformationg: und Friedenswerkes
zu verhindern; er fonnte zulett die Thefen dazu nur in jein Werk über die afademifche
Sittenzucht, wie zu den —* aufnehmen. Andere ſeiner legten Schriften ſtanden dieſen so
Aufgaben fern. So ging auch er, wie man von Galirtus geſagt hat, an feiner Zeit „faſt
ipurlos vorüber, aber wie eine Weisſagung“. Heute +.
Micha, der Bropbet, — Litteratur: Ed. Bocod, Commentary on Micha, Orford
1677; Großſchopf, Die Orakel des Propheten M., Jena 1798; Juſti, M. überf. u. erl. (1799);
A. TH. Hartmann, M. neu über). u. erl., Semgo 1800: Caspari, Ueber M. den Morafthiten, 85
Ehrift. 1852; T. Roorda, Comm. in vatic. Michae, Leiden 1869; 2. Reinte, Der Proph. M.,
Gießen 1874; T. 8. Cheyne, Micah, with notes and introduction, Cambridge 1882;
8. Ryfiel, Unterfj. über d. Textgeftalt und die Echtheit d. B. M. Ein krit. Komm. zu M.,
Leipzig 1887; H. J. Elhorſt, De profetie van Micha, Arnheim 1891. Ferner: J. W. Andler,
Animadv. in M., Tübingen 1783; Echnurrer, Animadv. phil. crit. ad vat. M. (1783); A. L. 0
Bauer, Animadv. critt. in duo priora capp. proph. M. (1700); Hartmann in SHentes
R. Mag. IV; Paulus collatio versionum in textu M. in Pott? Sylloga I; Meier in Zellers
Theol. Fahebi I, 3; Hofmann, Weisſ. u. Erf. I, 117. 212. 215 ff. 244 ff. 249 ff.; Schriftbew.
IL1 ©.9 u. 94; II,2 ©. 5345.538; SHengitenberg, Chriſtol. I, 474 ff.; Nöldeke in Schentels
Bibeller.; Preiswert, Morgenland II, 129; Gaspari in ZITHB 1852, III; Abhh. von Dort 45
w Suenen in der Leidener Ztihr. 1871, 501; 1872, 45; Dehler, Theol. d. AT. II, 84ff. 89.
212. 260. 265; Duhm, Theol. d. Proph. 178; Stade, ZatW 1881, 161 ff. u. dazu Gieſebrecht,
ThS3 1881, 433 f.; Delipii, Meſſian. Weisjag. 112 f.; J. Taylor, The massoretic text and
the ancient versions of the book of M., London 1891; J. W. Pont, Micha Studien in der
Boll. Ztſchr. Theol. St. 1888. 1889. 1892; Nomwad, Bem. über. d. B. M. in ZatW Jahrgg. so
IV, —2%. Sagenhaftes über M. bei Pieudo-Epiphaniug und Pjeudo:Dorotheug, jo:
wie bet Fozomenos VII, 29 coll. Huetius, Demonstr. evang. I, 437; Carpzov Introd.
, 373 ff.
Micha (eigent. "77 d. h. mer [ift] wie Jahlwe) beißt von feiner in der jüdäiſchen Nies
derung gelegenen Baterjtadt N NEM, auf deren Namen er 1, 14 anfpielt, der Morajthite. 58
Er wird im der Überjchrift des nach ihm genannten prophetifchen Buches und Ser 26, 18 haupt:
ſächlich wohl deshalb jo bezeichnet, um ihn von anderen Michas — e8 tragen im AT außer
unferem Propheten noch 11 Perfonen diefen Namen — und insbefondere von dem Propheten
Micha ben Jimla 1 Kg 22,8 zu unterfcheiven. Da die Worte, mit welchen unfer
Buh 1,2 beginnt (073 Dr WO), fih auch 1 Kg 22, 28 in dem Munde dieſes Micha 60
ben Jimla finden, fo. glaubten. Higig, Kleinert, Nägelsbach u. a., daß fih unjer Prophet
I Micha
u in nhth. arenn Feten ennaniigen Reigauger angeſchlojſen babe. Allein jene Norte
taten NN wblenn werlich urferumalic Wie Micha jeiner Ab:
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N“ man har Kyeder Anpa ugetette 'e ver er Such SCHERE eronbetijche Thätigkeit in
Vera pewn Yrebsyrtiäyjat pipe SOTinsanene, sungube Dies ſieht man teils
on wre Wobei r.z Suter zer sc Nee sansen Volk von Juda
nem nme on N she na u Smmiarrm scheben jen fann, teile
"on. . NN en Bm Den Deriemtm Senennt nur Die Drei
1 on Inch . Looenc angefochten wird,
NS No: yewmanmme Tmmasm. 8 3, em judäiſcher
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.. em Inn zn Saha hen, cde: nur unter Hiskia
NN Nee wer m Surf WSrund Der Zus Jer 26,18
. EZ Se sr Dakar su Aber Die Mar —: baben, wie
en . se Zperzäse einer Aede aus Dir Sem ns Abbas; und
az Sir Dir genuine Ürbeber De Saces 4, 1—D
8 onstwznde Annahme bleibt, da Derian ber Jeſaja
on “or zsesiagungen einleitender und berstziczerder Iert“
re an >27 Jeſaja noch bei Micha uriprunzue 77, tb nicht
un FRE, weil \ 29 sugeltandenerzztez zu den
oc nett, Folgen, Dap wir in Mi 1, 1. 3 an schen zu
= Berielle noch Mitregent ſeines qusizgizen Raters
Er hart ver uno baben. Ter Zeit Hiskies er mürde
m vorzugoweiſe angebören, als er unter Keen Nönige
v. „zu Geſprochene mit der bierzu nötigen Veranderung Der
N Sc zuſammenfaßte und Durch Die öffentliche Verleſung
a propbetifche Wirkſanikeit in konzentrierender Weiſe ab—
sw. Kapiteln Des Buchs werden ja nur Die Kap. 1--3 dem
Nr weils ganz, teils ſtückweiſe ihm abgeitritten? Wie ver:
S.. Trage zu beantworten, vergegenivärtigen wir uns den Inbalt
aM. Das bevorſtebende Strafgericht Gottes über Die Neiche
.. nr Soll es zuerſt treffen und Dann Juda. In Rap. 2--3 ber
. nut Diefes Gerichts vorzugsweiſe Die Zunden der Bornebmen,
—ER und ihrer Selferabelfer, der falſchen Propheten. In dielem
word 1213 ale den Zuſammenhang jprengend ausgeichieden
an wit Zuſammenhang berzuftellen unmöglich, wenn man nicht mit
A.r vr Hofmann, Kleinert, Orelli, Strack in V. 127. die Rede eines Yılgen-
ons selben, Der, wie V. 11 ſagt, „dem Wind nadacht und Trug lügt”,
licben Einführung der Rede eines ſolchen Propheten durch ein
wen WI nicht befremdlich, um jo weniger, ala M. den Gegner unmittel-
vlen lit. Was Diele Yügenpropbeten weisſagen, eine glückliche Wen—
nn ine Lage, eine Wiederſammlung des geſamten Volkes durch Jabwes
. FE GE ee EI das wäre „dieſem Volk“ genehm; ein in dieſem Sinne
0.80 Der Einwand Hengſtenbergs, daß eine vLügenweisſagung
reden würde (V. 12), Da dieſer Ausdruck auf ein voraus⸗
. ande mein, iſt unzutreffend, da ja zur Zeit, als M. weisſagte und zu:
en hun Pub ſeiner Weisſagung unter Hiskia verfaßte, Unbeil genug über
ur est wal, um ſeinen jetzigen Beſtand als TREI TON (2 Na 19,4) zu
be My Auſſaſſung von W, 12--15 als eines trügliben Prophetenworts wird
sl enſablalbe TEN AL) aber jagte””) 3,1 beſtätigt, womit M. zu dem über—
a hhill ſeit Voli in falſche Hoffnungen einzuwiegen, wirkich verkündigt hat,
tler oa Giernhl uber Juda, das auch Jeruſalem zu einem Trümmerbaufen und den
IDEEN Mealbhobe macht (3, 12%. Erſt jenſeits Des Gerichts ſchaut er dann Den
enieeine neuen zeit, in welcher Zion Der unter Dem von Dort ausgehenden Geſetz
dm fpueblilb' chenden Welt Mittelpunkt werden und Jahwe ſein zerſtreutes Wolf
lin Mad, um Jen Konig zu ſein Fur immer und damit das zerſtörte Zion wieder
Micha 49
zu einer Königsftabt zu machen (4,1—8). Doch in Kap. 4 u. 5 fol ja nun nad) Stabe
4,1—4; 11—14; 5, 1—3; 6—14 nachexiliſch; 4, 5—10; 5,4. 5 noch jpätere Inter⸗
polationen feien und zwar wegen des Vorhandenjeins von Widerfprüchen und verfchiedener
Gefichtöpuntte. Aber mit Recht hat es Ryſſel als ſchwerwiegendes Moment gegen bie
Objektivität der Darlegungen Stabes bezeichnet, daß nicht nur Nobertfon Smith (Encyel. 6
Brit. B. 16 ©. 225 betreffs der Stelle 4, 9—10), ſondern auch Reuß (Gefch. der bl. Schr.
ATs 8 256) bekennt, diefe Widerfprüche nicht entdect zu haben. Neuß fügt hinzu, daß
man dann auch ef 8,22. 23; Ho1 u. 2 und an vielen anderen Orten, wo der Öefichtee
punkt des Propheten ſich Partie ändere, Die gan eined „Epigonen” und „Deutero-“
erfennen müjle. Ryſſel hat a. a. D. 218ff. auf Grund forgfältigfter Unterfuchung nadjzu:
weiſen gefucht, daß, wenn man von der faljchen Annahme von Hinterdreinweisfagungen und
falfcher Beſchränkung gewiſſer propbetifcher Vorftellungen und Hoffnungen abjehe, keine
Gründe vorhanden feien, die und nötigten, die Kap. 4u. 5 in ihrem ganzen Umfang oder
einzelne Teile derfelben dem Micha oder überhaupt einem Verf. der Zeit um Hiskia ab-
zufprechen; daß vielmehr durchaus alle Anſchauungen und Wendungen der Prophetie der 16
aſſyriſchen Periode entſprächen und auch mit den Gedanken in den — allgemein als echt
anerlfannten — Kap. 1—3 durchaus ftimmten. Ob freilich der Argumentation Ryſſels
in allen Punkten beizupflichten it, fcheint mir fraglich; fo, wenn er den Anftoß, den
man daran genommen hat, daß V. 10 — während der Zeit der aſſyriſchen Herrichaft — Babel
al3 der Ort erwähnt werde, wohin Zions Volk fommen folle, durch den Hinweis darauf 20
zu bejeitigen ſucht, daß 1. Babel zur Zeit Micha d.h. in dem Anfang der NRegierun
hiskias zum afigrifchen Reiche gehört habe, daß 2. die Afiyrer die befiegten Judäer nad
Babylonıen hätten verbannen können (2 Chr 33, 11), fo gut wie umgekehrt Sargon manche
Babylonier nad) Syrien und Samarten verpflanzt habe (Schrader, KAT: 276ff. 403);
und daß 3. wirklich in mejentlich gleichzeitigen prophetifchen Ausfprüchen, wie Jeſ 22,18 236
Babylonien ald Deportationsort erſcheine. Am nächiten läge doch immer die Annahme,
daß der Prophet an die Babylonier ald an die Gefangenführenden gedacht hat. Auf
die Stelle 5, 4. 5 fünnte man ſich dagegen nicht berufen, da Micha ficher ebenjo gut
wie Jeſaja mußte, daß die Babylonier, wenn auch dazumal unter aſſyriſcher Ober:
bobeit, doch ein beſonderes Volk ausmachten, das gelegentlich nad) Selbititändigkeit rang. so
Daher denn Köhler (Bib. Gefch. III, 242? Anm.) feinen Widerſpruch darin findet, wenn
Micha etwa annahm, vor dem Anbruch der meffianifchen Vai werde Zion noch durch die
Babylonier gefangen geführt werden, und zugleich annahm, in der melltanifchen Zeit
werde auch Aſſur noch, wie zu feiner Zeit, ein gegen Zion feindliche Volk fein. Aber
die Dinge lagen nun einmal zu Michas Zeit jo, daß Aſſur das herrichende Voll war *
und Aſſurs Stadt Ninive. Und darum würde er, wenn die damalige Zeitlage feine Weis-
ſagung beitimmt hätte, Ninive und nicht Babel als Deportationgort genannt haben. Redet
er nichtsdeſtoweniger von Babel, jo bat er ald Prophet geredet, defien Wort ſich durch
die geichichtliche Deportation Judas nad) Babel betwahrheitet hat. Beides aber, die Vor:
agung, daß Juda dorthin kommen werde, und die Thatfache, daß es dorthin ge: 40
ommen tft, hat jeinen inneren Grund in der mweltgejchichtlichen Bedeutung Babeld, vermöge
deren es als Ausgangspunkt der Völkerwelt dem Volt Gottes und als Sit des eriten
völferweltlichen Reiches (Gen 10, 10—11) der Stadt Gottes gegenüberiteht”. Heißt es
von dem Volke Zions, daß es gefangen nach Babel wandern muß, fo iſt dies der ftärfite
Ausdruck für den Gedanken, daß es feiner Sonderjtellung unter den Völkern verluftig zu «$
geben Gefahr läuft. Zurüdgeivorfen bis dahin, von wo das Völkertum ausging, jcheint
es im Strudel des Weltverfehrs, als deſſen Mittelpunkt Babel vor der Seele des Propheten
fteht, untergehen zu follen. Aber es wird — fährt M. fort — von dort erlöft werden.
Er wiederholt 4,11ff. die Weisfagung Joels von einem Tage des Streites, mo ein
Herr der ganzen Völkerwelt Jeruſalem vergeblich befehden wird und darüber zu Grunde se
gebt; aber erit dann wird dies gejchehen, wenn Zions Volt zuvor nach Babel gelommen
und von dort erlöjt fein wird und zurüdgebradht. Jetzt — in der näheren Zukunft —
muß Zion die Mißhandlung feines Königs durch feine Feinde ſehen; und von wo David
gelommen, aus dem geringen Bethlehem (aljo aus dem auf feinen damaligen Stand
zurüdgebracdhten Haufe Davids, in dem es ſich befand, als David aus Bethlehem geholt 8
ward) wird der König kommen, der das einheitlich beimgebrachte Volf-regiert und iirmt,
der König, auf deſſen Kommen es von je abgejehen war, der von alters her im Kommen
begriffen ift (HP mm DIRP vnRein), Bis ihn gebiert, die ihn gebären foll, - wird
Jahwe fie dahingeben; dann wird aber der. Reſt feiner Brüder d.h. Juda ſamt denen
von Israel zurüdkehren und in Frieden leben, gegen fremde Macht fiegreich fich bes 60
Realstencnhflopädte für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 4
U)
o©
Nice
| verſanung Steht bier auf ihrem Höbepunkte. Die
ip "15 gefunden bat, jehiwinden, wenn man erivägt,
. ne bar und eine fernere Zufunft einander gegenüberjtellt
u. rpm ID sm: Sion wird zerſtört, ebe es der Sig jener Die
N yunden uuiihaft Jabwes wird (3, 12--4, 8): Zions Voll wird
—W einen Sieg über das Völkerheer davonträgt (4, 9--13);
.. I: winhbalndiung ſeiner Feinde preisgegeben, ehe jener Sohn Davids
und Ne Arien gründen und über das einheitliche Jsrael herrſchen wird
wovon, sa Der ſich Die Weisſagung in Rap. 4 u. 5 aufgelchmungen, fteigt
wet berab, indem fir, zur Gegenwart fich wendend, in Form eines Rechte
und deſs Volkes Dartbut und zeigt, in welcher Weiſe allein dieſelbe wahr:
di derden konne; wie Dies aber in der Gegenwart nicht gefchehe, weil da das
ons Zunden verbarre, wofür ibm Der Bropbet das Unbeil anfündigt, von dem
tie Na ſeine Untreue betroffen wird. Auf dieſe Trobung (6, 9--16) ant⸗
er Denit Die glaubige Gemeinde in Israel mit einem Bußgebet, in welchem fie die
Gidemcibeit Dev tiefen ſittlichen Verderbens reumütig befennt und fih unter das gött⸗
av zorngericht beugt (7, 1. 6), aber auch ihren Glauben ausſpricht, mit dem fie auf
yelter est, Der ihr ausbelfen wird, und fich Schließlich mit Dem Ausdrud guter Zu:
werd een Babel kehrt und deſſen getröftet, Daß Gottes Zorn, den fie getragen,
verubeigehen, hingegen Babel fallen wird, um nicht wieder zu erſtehen; und wenn
Aubel allt, ſtrömt ve herbei zu Jahwe aus Ägypten und Aſſur und füllt das Yand von
Myupteite Grenze bie zum Gupbrat, von Meer zu Meer, von Gebirg zu Gebirg. Dieſe
Hoſſnung, Det Die Gemeinde Auedruck giebt, gebt dann V. 14 über in cin Gebet zu
so ibrenn Wort um Erneuerung der früberen Gnadenbeweiſe, worauf Gott mit der er:
heißung antwortet, daß er feinem Wolfe Die Wunder der Vorzeit erneuern werde (V.
Ir od und der Prophet mit dem Yobpreis der göttlichen Gnade und Barmberzigfeit
ſihlickt (R. 18-20).
Aber Die Kap. 6—7 ſollen ja — ſagt man --- von einem anderen Propheten ber:
wo rulnen. wald bat zuerjt Die Autorſchaft Michas beftritten und als Zeitpunkt der Ab:
ſaſſung Die Regierungszeit des Königs Manaſſe angenommen. Tiefe Anfegung Ewalds
hal viel Anklang gefunden, wenn auch nicht für Das ganze <tüd. Mellbaujen Bleeks
Einl. in d. AT von Wellhauſen 425 Anm.) verſetzt nur 6 u. 7, 1216 in Manaſſes Zeit,
«We Exil. Cornill hört 7,7ff. eme Stimme aus der fümmerlichen ZJeit des
so woeiten Tempels. Auch Stade ſetzt nur 6, 1-216; 7, 146 in Die Periode Panaffes
und meint, Der ursprüngliche Schluß diefer Weisſagung ſei im Exil durch 7, 7 ff. erſetzt
worden. Andere, wie Trelli, balten an Michas Autorfchaft für Die in Rede ſtehenden
Kapitel feit; Kleinert bält fie wenigitens für wahrſcheinlich. Nöldeke befennt, feinen
Grund zu feben, um Kap. 6 u. 7 abautrennen und einem anderen Propheten beizufegen;
“und aud Steiner (Hitzigs Kl. Broph.* 1881) erklärt die von Ewald für feine Bchaup:
tung geltend gemachten Gründe für nicht durchichlagend. Ryſſel endlich, der Die Trage
am eingebenditen beleuchtet bat, it der Meinung, daß die Abfaffung von 6, 1—7,6
unter Manaſſe auch mit der Autorjdaft Michas vollig vereinbar ſei; daß ſich aber bie
Anjeßung Des Abfchnittes in der fpüteren geit Hiskias noch mehr empfeble; daß ji
45 ferner die Yostrennung des Stückes 7, —20 von den anderen Weisfagungen Michas
und bejonders feine Verlegung in die Zeit des babyloniſchen Grils durch nichts recht:
fertigen laſſe; ſein Inhalt fich vielmehr am einfachiten erkläre, wenn man es dem Micha
zueigne, möge man nun die Abfaſſung in die Hiskianiſche Zeit vor dem Cinfalle San⸗
heribs oder bis in die Anfangszeit Manaſſes binein verlegen. In der That nötigt weder
50 die Form noch der Anbalt der Nap. 6 u. 7 zu einer kritiſchen Ausſcheidung, wie fie
von den oben genannten Gelehrten vorgejfchlagen it; und wenn Wellbaufen unter Zus
ſtimmung von Stade, Robertſon Zmitb, Cheyne u. a. Die Verſe 7,7--20 vom Stand:
punft des babyloniſchen Crils aus gejchrieben ſein läßt: wie erfärt jih die Erwähnung
Aſſyriens und Agpptens (V. 12) in einer Zeit, wo, „allein Babel und Perſien im Vorder:
55 grund jtehen, während Die Beziebungen zu Aſſyrien und Agypten ja gerabe ber Zeitepoche
Michas angehören“? Und wie die Hoffnung auf eine Rückkehr aus den letztgenannten
Ländern? Iſt Daraus nicht zu ſchließen, daß zur Zeit der Abfaſſung nur erſt Deporta⸗
tionen nadı biefen erfolgt waren, Da anderenfalls doch wenigſtens Babplonien mitgenannt
fein mußte? Der all Jerufalems liegt nicht hinter dem Verf. von 7, 7—20, ſondern
co vor ibm. Er ijt ihm eine gewiſſe Thatſache der Zukunft, ebenjo wie feine Wieder:
Micha 51
berftellung. Schon 1, 9—11 ift die beporftehende Zerftörung der Hauptitadt angedeutet
und 3, 12 Har und bejtimmt ausgefprochen, wie in Kap. 4—5 die Wandlung des be:
voritehenden Gerichts in Heil und der Wieberaufbau der bl. Stadt. Beachtet man die
zablreihen Berührungen des Stüds 7, 7—20 einerfeitd mit den Kap. 1—5 (vgl. 7, 8
mit 3,12; 7,10 mit 4, 11—13; 7, 11—13 mit 4,1f,; 7,14 mit 5,3; 7,19 mit s
1,5; 3, 8), andererjeits mit dem Abjchnitt 6, 1—7, 6 (vgl.7, 9 mit 6, 1f.; 7,15 mit6, 4;
7,20 mit 6, 4f.), fo wird man zu dem Schluffe gedrängt, daß das Stüd 7, 7—20 den
gleichen Berfafler hat, wie die übrigen Teile des Buche. Der Überblick über feinen In—
balt erweiſt dasjelbe als ein in allen feinen Teilen zufammenhängendes, planmäßig und
organiſch gegliedertes Ganze, das dem Propheten Micha abzufprechen feinerlei zwingende 10
Gründe vorliegen. Wir wiederholen daher, mas wir oben ausgelprochen, daß Micha unter
König Hiskia dieſes fein Buch öffentlich vorlag (Jer 26, 18), nachdem er es als Reka—
pitulation feiner Verfündigung unter Jotham, Ahas und Hisfia redigiert hatte.
Bon befonderem Interejje ift der Inhalt von Kap. 6 und zwar in zweifacher Hin:
fiht. Es ftimmt nämlich, worauf Kloftermann (Der Pentateuc) 155) bingerviefen, dag 16
Schema der Geichichte, das der Prophet bei feinen Zeitgenoflen als fo belannt voraus⸗
jet, daß er nur andeutend daran zu erinnern braucht, genau mit dem überein, welches
das Buch Numeri in feiner urfprünglichen Verbindung mit dem Buch Joſua beherricht.
Wie nämlih im alten Buche Numeri — vor Einfügung der deuteronomiſchen Thora —
vor dem mofaifchen Liede Di 32 über Balak und Bileam (Kap. 22—24), den Aufenthalt 20
mn Sittim (25, 1; 33,49) und nad) demfelben im Buche Joſua über den Zug von
Sittim nad Gilgal, jenem Heerlager berichtet war, von dem aus Joſua jene Feldzüge
unternahm, die Israel in den Bejig des Verheipungslandes festen: jo gedenkt Mi a unter
Nachahmung des moſaiſchen Liedes (6, 1ff.) des Balak und Bileam und der TNiPTE von
Sittim bis Gilgal: ein Beweis dafür, daß ihm das fogenannte jehoviftifhe Buch vor: 36
gelegen hat. Der andere Punkt, deſſen Beſprechung von Snterefie ift, betrifft Michas
Stellung zum Opfer. Man bat aus 6, 6—8 geichloffen, daß der Prophet die Opfer
nicht als Inhalt der göttlichen Thora angeſehen hat. Was hat es mit diefer Stelle auf
ich? Micha erklärt dort dem Volke, das anſcheinend voll Scham über feinen Undanf Gott
egenüber und voll Eifers, ihn zu verfühnen, in Wahrheit aber ohne rechte Erkenntnis so
feiner Schuld feine Bereitwilligkeit ausipricht, Gott, wenn er es fordere, zahlloje Opfer
zu bringen, ja das Teuerite hingeben zu wollen, daß ihm fchon früher fund gethan, was
Jahwe von ihm verlange; und zwar thut er es 1. in der Weile, daß er auf das Ent:
Ichiedenfte in Abrede jtellt, daß Gott das ihm von dem Volle Dargebotene wolle oder
auch tuolle (EX? 79), und 2. fo, daß er ihm zugleich die ſchon vorbandene göttliche a6
Kundgebung jeines Willens ins Gedächtnis zurüdruft. Es ift die Forderung Dt 10,12,
an die er erinnert, indem er bon der dortigen allgemein lautenden Ausjage, ſein Wort der:
felben formell gleichgeftaltend, eine fpezielle zeitgemäße Anwendung madt. Während es
nämlich Dt 10 beißt, Jahwe verlange nichts von Serael, als ihn zu fürdhten, auf allen
jenen Wegen zu wandeln, ihn zu lieben und ihm von ganzem Herzen zu dienen, jagt 40
der Prophet, der an feiner Zeitgenoflenfchaft gerade Sünden der Ungerechtigfeit, der lieb:
lofen Unterbrüdung, der Hoffart zu rügen hat, fein Gott verlange nichts, als daß man
Gerechtigkeit übe, Milde liebe und einen demütigen Wandel mit ihm führe. Wenn er
nun aber die Lehre, daß der Herr nicht Opfer, ſondern Gerechtigkeit u. |. w. verlange,
für eine Lehre des Geſetzes erklärt und auf eine Stelle des Gefeges, wo diefelbe ausgefprochen «5
it, deutlich anfpielt, auf die deuteronomiiche Thora: fo meiß er fraglos von einen ge
eglich geregelten Opferfultus und fann es ihm nicht in den Sinn fommen, denfelben zu
beriverfen oder auch nur gering zu achten. Was er vertvirft, ift das opus operatum
des Opferdienſtes, das tote Opfer. Weil e8 aber der Mangel an den von Gott ge
forderten Tugenden der Gerechtigkeit, Ziebe und Demut ift, was die Opfer des Volks zu so
toten Werken macht, jo jegt er den toten Opfern als von Jahwe nicht verlangten, „nicht
etwa im rechten Sinn gebrachte Opfer, fondern Gerechtigkeit, Liebe und Demut als das,
was er fordere, fo ſcharf entgegen”. Es iſt eine treffende Bemerfung Casparie, daß die
topheten gerade deshalb, weil Israel ſelbſt die Scele und den Leib des Gerimonial-
tus boneinander trennte und bloß an dem legteren feſthielt, gleich als wäre er ders
ganze und eigentliche Kultus, und neben diefer vermeintlichen Beobachtung des Gerimonial-
Handlungen beging, die aus einem Geift bervorgingen, der in ſchneidendem
enfag zu dem Geilte ſtand, in welchen das Gerimonialgefeg beobachtet werden
follte — daß die Propheten gerade deshalb das Gerimonialgefeg in Gegenjag zum
4*
52 Micha Michael Scotus
Moralgeſetz ſtellen und die Erfüllung dieſes als Hauptſache hinſtellen und ſo ſowohl ſelbſt
darauf aufmerſam werden, daß jenes nicht die adäquate, legte, ewige Yorm des Gottes⸗
dienftes fein könne, als andere eben darauf aufmerkſam maden. Übrigens fchließt fich
Mihas Wort dem Einne nad jenem Ausipruh Samuel Saul gegenüber 1 Sa 15, 22
s allenädjit an. Zugleich nebmen wir von der in ®. 8 vorliegenden Beziebung auf die
ha momife Ihora Alt, die alfo, etwa hundert Jahre vor Joſia, befannt geweſen
ein muß.
Mas den grammatifchen Charakter der Sprache Michas betrifft, fo iſt derſelbe
Haffiih rein. Den rhetorischen Eigentümlichkeiten nach ftebt Micha zwiſchen feinen beiden
10 Zeitgenofjien Hojea und Jeſaja gewifjermapen mitten inne, jedoch fo, daß er legterem be
deutend näher fteht als erjterem. Tenn während er mit Hofea nur in dem fprungbaften
Charakter der Rede, in dem rajchen und plöglichen Wechjel der Übergänge zufammentrifft, ift
er vermöge tief innerlicher Geiftesvermandtichaft der würdige Genofje Jeſajas. Er teilt
mit ihm die ergreifende Miſchung von Milde und Strenge, von Sanftmut und Erhaben⸗
15 heit, die draftifche Lebendigkeit und Vorliebe für künftlihe Redeformen. In letzterer Be
ziehung fteht namentlich die Stelle 1, 10—15 mit ihren fühnen Paronomafien einzig.
artig da. Quo certior esset — Sagt Carpzov in feiner Introd. III, 375 — doc-
trinae fides, voluit Deus Jesajam et Micham loqui simul quasi uno ore et
talem consensum profiteri, quo possent convinci omnes rebelles. Wie eine
20 Reminiscenz an Am 5, 13 Elingt dag KT "77 r2 ©» Mi2,3. Über die Znqaffen.
ſchaffenheit des Textes des Buches Micha ſ. Ryſſels Unterſuchung a. a. O. ©. 1ff.
Bolck.
Michael Cärnlarios |. d. A. Cärularios Bd III ©. 620.
Michael von Gefena ſ. d. U. Franz von Affifi, Bd VI S.212, a7ff.
25 Michael, Engel |. dv. AU. Bd V ©. 368, s0ff.
Michael Scotns, geit. um 1250. — Sourdain, Geſchichte der ariftotelifchen Schriften im
Mittelalter. Aus dem Franzöfiihen überjept von N. Stahr, Halle 1831, S. 133—144 u. a.;
8. Hauréau, De la philosophie scolastique, tome I, Paris 1850, ©. 467—473, €. Nenan,
Averroes et l’Averroisme, Baris 1852, ©. 162 - 166; J. L. A. Huillard⸗Bréholles, Historia
80 diplomatica Friderici secundi, Préface et introduction, Paris 1859, S. DXXIVSq., tom.
pars. I, p. 381—385; 8. Xeclerc, Histoire de la medecine arabe, tome II, Paris 1876,
©. 451-459; F. Wüftenfeld, Die Heberjegungen arabifher Werke in dag Lateinifche feit dem
11. Sahrh.: AGG, Hist. philol. Classe XXII, 2, Göttingen 1877, &.99—107; 9. Reuter,
Geſchichte der religiöfen Aufklärung im Mittelalter, 2. Bd, Berlin 1877, ©. 271. 386; Stöckl,
85 Michael Scotus: Kirchenleriton Weber u. Weltes, 2. Aufl. VIIL Sreiburg i. Br. 1893,
©. 1492f.; F. Ueberweg, Grundriß der Geſchichte der Philofophie II. Teil, 8. Aufl. hrsg. von
M. Heinze, Berlin 1898, ©. 258. 262; N. Potthaſt, Regesta pontificum Nr. 7888.
Michael Scotus, geb. c. 1190 in England in der Grafichaft Durbamfhire, ftubierte
in Orford Naturwiſſenſchaften, ging dann nach Paris, hat fih lange Zeit in Toledo
40 aufgehalten, fand ebrenvolle Aufnahme am Hofe Kaifer Friedrichs II. in Deutichland, der
ihn zu feinem Aſtrologen ernannte, ift dann aufs neue nah Spanien zurüdgelehrt, um
jchließlich feiner Heimat fich wieder zuzumwenden, mo er am Hof König Eduards I. von
England ein Amt befleivet haben fol. Das Todesjahr ift unbelannt (Jourdain a. a. O.
©. 144 erhebt begründete Bedenken gegen die Nachricht, daß Scotus bis 1290 gelebt
4 acc und empfiehlt die Zeit kurz nad dem Tode Katfer Friedrih II. (13. Dezember
1250).
Das erfte fichere Datum feines Lebens tft die in das Jahr 1217 fallende Überfegung
eined im 13. Jahrhundert ftark verbreiteten aftronomischen Werkes des Alpetragius (Wüſten⸗
feld a. a. O. S. 99; Jourdain S. 141f.) aus dem Arabifchen ins Yateinifche. Diefer Thä:
50 tigkeit als Überfeger hat er dann einen großen Teil feiner Kraft gewidmet und dabei fein
Intereſſe vorzugsweiſe der Pbilofopbie zugewandt. Im Auftrag des Kaiſers überfeßte
er die Gefchichte der Tiere des Ariitoteles (aus dem Hebrätfchen, nicht aus dem Alra-
bifchen vgl. Wüſtenfeld a. a. 0. S. 105) und deilen Bücher de coelo et mundo und
de anima, ferner zablreihe Schriften von Averroes (Fourdain S. 1367). Dieſen
65 Überfegungen verdankte er großen Huf, wenn auch bedeutende Zeitgenoffen wie Albertus
Magnus und Roger Bacon über fie nicht günftig geurteilt haben (Jourdain a. a. D.
©. 143). Hinter diefen Keiftungen als Überfeger ftehen feine eigenen Schriften, die eben
Michael Scotus Michaelis 53
falls der Anregung des Kaiferd ihre Entftehung verdankten (De physiognomia; Super
auctorem sphaerae expositio u.a. vgl. Wüſtenfeld a.a. O. ©. 100; Haurdau a. a. O.
©. 469), zuruͤck Carl Mirbt.
Michaelis, eine Familie, aus der im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrere Glieder fich
auszeichneten als gelehrte Drientaliften und — tie damals beides verbunden zu fein 5
pflegte — Theologen, die fich befonders um Exegeſe und Kritit des Alten Teftaments
zum Teil große Verdienfte erwarben. Den beiden älteren Michaelis (I. und IL.) iſt es
bauptfächlih zu danken, „daß die Frandefchen Anregungen für die Wiſſenſchaft nicht
gänzlich verloren gingen, daß der bedeutenden Gefahr ausgewichen murde, zu —
der erbaulichen Benutzung ſder Bibel] allen Apparat zu gründlichem Verſtändnis bei ſeite 10
zu legen” (Dieftel a. a. D. ©. 41516). |
I. „0 ann Heinrih Michaelis, geft. 1738. — Litteratur: Dieftel, Geſch. des
AT (1869) 415Ff.
Derfelbe, geboren zu Klettenberg in der Grafſchaft Hohnftein am 26. Juli 1668, war
zuerit für die — beſtimmt, ging dann zum Studium der Philoſophie und Theologie 16
über und legte ſich beſonders auf die morgenländifchen Sprachen, wie er noch 1698 zu Frank⸗
furt a. D. bei dem berühmten Ludolph das Aethiopiſche lernte. Darauf begann er in
Halle, wo damals Speners Schule ihren Hauptfit hatte, Vorlefungen zu halten und ward
bereitö 1699 a. o. Profeflor der morgenländifchen Sprachen dafelbit, 1709 ordinarius
der thologifchen Fakultät, 1732 deren Senior und Inſpektor des theologischen Seminars. 20
Er war durch zwei Dinge fehr einftn hrei: 1. dadurch, dag er im Schoße der Spener:
ſchen Gefühlstheologte den kritiſchen Verftand vertrat, was für die Ausbildung der ge-
jamten Bibelauslegung in Halle fehr wichtig war. Denn als durch A. H. Frande das
Collegium orientale theologieum eingerichtet werben follte — das erfte Seminar für
tiefere exegetiſche Gelehrſamkeit — ward von ihm vorzugsmeife der Plan für diefe Anſtalt 26
entworfen (vgl. die Zeitfchrift: Frandens Stiftungen II, ©. 209ff.). „Schon unterrich-
tete und zum Lehramte geübte Anlagen zeigende Studierende wurden unter Leitung eines
jich auszeichnenden Aufſehers in gefellfchaftliche Verbindung ihres täglichen Lebens ge-
bracht. Sie follten immer lateinisch ſprechen und fchreiben, Sprachkenntniſſe und Schrift:
erflärung das Ziel ihres Strebeng fein. Sie follten wenigſtens in den eriten Jahren so
ihres Aufenthaltes in dieſer Pflanzichule das AT jährlih einmal, das NT dreimal in
den Grundiprachen durchlefen, dabei für jenes immer die alerandrinifche Überfegung be:
nügen. Nicht nur in der behräifhen und chaldäiſchen Grundſprache, auch in den anderen
verrvandten orientalifchen Sprachen follten fie geübt werden”. Heinrich Michaelis mar
die Seele der Anftalt. 2. Auch dadurd hatte Johann Heinrid) Michaelis große Be- a5
deutung, daß er eine fritifche Handausgabe des ATs veranftaltete, in welcher 5 Er:
furter Handfchriften und 19 gebrudte Ausgaben verglichen und ihre Varianten angezeigt
wurden. Leider war die Kollation, aus der gemeinfamen Arbeit jener Anjtalt hervor:
gegangen und zu raſch gefertigt, nicht fo zuperläffig, wie es erforderlich geweſen märe,
bätte jene Ausgabe (jeit 1720 mehrmals in verfchiedenen Formaten) eine Grundlage für «o
mweitere kritiſche Behandlung des altteftamentlichen Textes abgeben follen. Er felbit gab
ausführliche Anmerkungen (UÜberiores adnotationes, Halis 1720) dazu in drei Quart⸗
bänden heraus, wobei er namentlich die alten Überfegungen fleißig zu Rate zog. Nähe-
res über die Unvollfommenheit der (immer noch mertvollen) Bibelausgabe von 1720
findet man bei J. D. Michaelis, Orient. und Ereget. Bibliothel, I, Frankf. a. M. 1771, 6
S.207— 222. Dort find auch die Gründe jener Erfcheinung näher dargelegt. Dieſtel a. a. O.
redet von zwei Bibeln; einer „flüchtig“ gearbeiteten und einer „forgfältigen”. Hier ſcheint
ein Mißverftändnis vorzuliegen. In der That verdient bie eine Bibel beide Prädikate;
auch müſſen allerlei widrige Zwiſchenfälle, wie fie die Praefatio ©. 7. 8 nennt, in Be⸗
tracht gezogen werben. 50
9 anderlei joä bare eregetifche Arbeiten über einzelne Bücher des Alten Teitamentg,
namentlich die über die Hagiographen (Uber. adnot. f. o.), ftehen noch in gutem Anfeben,
während die eigentlich grammatifchen völlig veraltet find. Dagegen find mehrere Diſſer—
tationen und der fonderbare Lebenslauf Peter Heylings in Lübeck und deſſen Reife nad)
Atbiopien (Halle 1724, 4°) noch immer beachtenswert. 3. H. M. ftarb hochgeehrt am 55
10. März 1738 im 71. Lebensjahre.
II. Chriſtian Benedikt, des vorigen Schweſterſohn (Orient. Bibl.a.a. D.©. 212),
war zu Elrich in der Grafichaft Hohnftein am 26. Januar 1680 geboren, hatte gleich-
falls in Halle feine theologifchen und orientalifchen Studien gemacht und eine große Ge:
at Ricaæcli⸗
ie umesäie gr Neo nr ir Aura meue Orsöedles und ward bald
.. 8
nenn u 2 mtr 7. erdentlicher Profeſſor
ums ae we UI eädesinmr Korte der Tenor: TT5S aud Der grie⸗
a on anoptpr Js hpen nommen Amer 2 Tom e am 22, Februar
um ilornae sn \aworoypme Ironur Le Zemtniae mut sehr fruchtbar,
u SAY N NnaNe a: Tyesanıis müeus de varis sctionibus N. T.
an weilgreitsoo IL BAGEPIS Tr. aa Bengels kritiſche Sösrbeit gerichtet,
un aong Dom.ebenonpıosrännmen Nu Die dissertt. de antiquitatibus
ran said TS Te. mid intereſſant. In die Bibel von 1720
\ an per ae Teac 5 2 en Teil der Adnotationes: auch uam Tert
> m. Be. I 22 Iımeı Anteil gebabt haben. Tosuleihen bat
.
1. $% Pu \ n ..u nn
"U eor gunee maxzzsetter (Pr, Klagl., Da). Endlich beiigen mir
. eos Sinicsuszzbe (mit griech. Apokrpphen und NT 17411.
ia > 0 enteo Sordor denen su jollen. Aber auch te falle 08 auf,
x. . 0. Nur Dar oc IT surüdanit auf Die (immerbin recht aute) Aus—
un Ne >, Brrmi \shr cine etwas beichränfte Auffaflung nicht ver:
, Se .ne sr per wuzznälih su Tage tritt.
>..D> mt al. — Litteratur: X M. Heñenkamb, Leben des
x a. wen din fele beiährieben, 1703: Buhle, Michaelis litterariicher Brief:
“ Sm Deite, Weih. des AI (18059;, bei. S.383. SH. 45 6 Rud,
2 So guagee, werizede, ISUS. Ueber Wicdaelis Stellung zur Göttinger Ge:
rei sn ne an Beröftentlihungen vgl. neuejtens die ausführliche Dar⸗
“or. Westseite dieſer Geiellichait (Beiträge zur Gelehrtengejchichte Göt⸗
S. owr, befonders von S. 651 an.
x a
au Da Kurs. Der Sobn von Cbriſtian Benedikt Michaelis, war einer
n ar ad nähen Gelehrten einer Zeit, micht allein unter den Theo:
So nuupi. Seberen iſt er zu Halle 1717; er beiuchte dert Die Schule
mn, Run Ne Univerſität, ging Darauf nab England und Solland, mo er
SD tr ar u aufnabın. Beionders Die äußerlich zur Schau getragene
oneietab either Hinausgeſchrittenſein über fie, wie er fie in Dem da-
Again pas ebibten konnte, Scheint auf ibn beitimmend eingewirkt zu
ansee ein gelebriger Schüler dieſer Richtung geblieben. Zeit Dem \abre
sy Ne Niparitsit Göttingen am und Diele Hochſchule iſt bis zu feinen
Frutie vurer Wirkſamkeit geblieben. Er wurde dort 1746 Profeſſor der
ı Ordinarius für orientaliſche Sprachen. In diefer Stellung verblieb
a ti erfolaten Tode.
N, Names bat eine ungewöhnlich reiche wiſſenſchaftliche und beionders jchrift-
mist entialtet. Von 1755 bie 1770 war er vielfach ala Recenjent in den
sonen Anzeigen thätig; ſeit 1771 gab er feine Orientaliſche und Eregetiſche
ve pater unter Dem Titel? Neue orient. und ereg. Bibliotb.), eine Art
ar et am allein geichrieben, im Der er eine Dienge vigener, aber auch nicht
van niderer zur Kenntnis weiterer Kreiſe brachte. Als Yeiter und eifrigiter
ya Xiden Unternehmungen übte er einen vielfachen und bedeutenden Gin:
am nt ge es ibhm au bewirken, daß Friedrich V. von Dänemark eine
>... Naben ſandte, Deren Leitern Mich, ſeine bekannten „ragen an eine
"endet Welebrten” (1762) verlegte. Außerdem befigen wir aber von Mich.
X augan icibitſtandiger Schriften. Im Jabhr 1769 begann er eine Überfegung
“ uente mit erflärenden Anmerkungen berauszugeben, Die um Yaufe der
ui anwüchs und 1786 vollendet wurde. In ähnlicher Weiſe bearbeitete
"us Name Teltament 179075. Auch erichtenen von ibm erenettiiche Bearbeitungen
neuer Walnen (1759, Des 1. Makkabäerbuches (1778) und des Buches
ta LIES). Seine Bibelüberſetung iſt der erſte Verſuch, die Ergebniſſe
XxXxuitiſchen Vorausſetzungen ſich nach Kräften losmachenden wiſſenſchaftlichen
u a Edgrift einem größeren gebildeten Rublikum mitzuteilen. So erklärt ſich
aaa 2owächen ihr ungeheuerer Einfluß, beſonders in bohen und böchſten
Zw wurde an proteſtantiſchen und katholiſchen Höfen viel geleſen.
ueren Erfolg hatte er mit ſeiner Einleitung in das Neue Teſtament, die
„apa war. Sie fand anfangs noch weniger Beachtung, wurde aber mit
ee Bearbeitung nicht nur erweitert, ſondern auch vertieft (1. Aufl. 1788). Mich.
Sala weniger eigene Wege, als Daß er Den Spuren Semlers folgt, aber er
El
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Michaelis B5
thut es mit ſo großem Geſchicke und ſo vielſeitiger Gelehrſamkeit, daß ſein Buch auf
lange hinaus eine reiche Fundgrube für die Arbeit auf dieſem Gebiete wurde, wie er denn
das erſte hiſtoriſch⸗kritiſche Lehrbuch dieſer Disziplin geſchaffen hat. Weniger tiefgreifend
wirkte ſeine Einleitung ins Alte Teſtament (1767), von der nur ein Teil erſchien. Sein
Werk, ebenfalls von den Anregungen Semlers aufs ſtärkſte beeinflußt, muß zwar heute 5
noch mit Ehren genannt werden, aber an Einfluß und Bedeutung ift es fehr bald durch
die bahnbrechende, bis heute fruchtbar nachwirkende Einleitung Joh. Gottfr. Eichhorns
(1780 ff.) überholt worden.
Seine bejonderen Verdienfte hat nun aber Michaelis noch auf dem Gebiete ber
biblifchen, hauptfächlich der alttejtamentlichen Hilfswiſſenſchaften. Schon 1757 fchrieb er 10
die Abhandlung über die Mittel, die ausgeftorbene hebräifche Sprache zu verfteben, be-
fonders aber ließ er 1786 in zwei Bänden Supplementa ad lexica hebraica ericheinen.
Hier ftellt er vor allem die Forderung (in Anlehnung an Schulteng), daß die hebräifche
Wortforſchung ſich von den Rabbinen emanzipiere und die orientalischen Dialekte, in eriter
Linie das Arabijche, zu Rate ziehe. Er hat daneben auf die alten Bibelüberjegungen 16
bingetviejen und ihren fprachlichen mie ihren tertkritiichen Wert ind Licht geftellt. Unter
ihnen bat er bejonders der fyrifchen feine Aufmerkſamkeit zugewandt, wie er überhaupt
als einer der Väter der fyrifchen Philologie gelten Fann. — Ebenfo wie um die Sprache
der Bibel hat er fih um die biblifchen Realien erfolgreich bemüht. Er faßte die Geſetze
des Pentateuch als das moſaiſche Recht; ſie Schienen ihm der Ausdruck befonderer ftaat3- 20
männifcher Kunſt Mofes, die darauf ausging, Israel von den Heiden abzufondern. Diefe
Betrachtungsiweife war neu; fie brach mit der dogmatiſchen Schablone und lehrte bie
Dinge der alten Zeit mit dem Maßſtabe der eigenen Zeit meifen und nach den Be
dürfniſſen derjelben veritehen, ftatt daß man fie lediglich nach den Maßſtäben der chrift-
liben Kirche maß. Hier find befonders wirkſam geworden die 6 Bände feines Mofatichen 25
Rechtes (1770, 2. Aufl. 1775), aud die Abhandlung von den Ehegeſetzen Mofts (1755
und 1768). Außerdem verdienen rühmende Erwähnung jeine geographiichen und archäo-
logifhen Arbeiten. Hier befchränft er jich zwar keineswegs auf die Bibel, wie fchon feine
Bemühungen um die Erpedition nad) Arabien beweisen, aber feine Arbeit wollte doch in
letzter Linie der Erklärung der Bibel dienen. Hierher gehört: Spicilegium Geogra- s0
phiae exterorum (1769. 1780), ſowie manches in feinen vermiſchten Schriften (1766.
1769) und dem Syntagma commentationum (1759. 1767). Hier läßt er mehrfach
auch feine Schüler zum Worte kommen, wie überhaupt diefe Arbeiten zum großen Teile
aus akademischen Übungen herausgewachjen zu jein fcheinen.
Erwähnen wir fchlieglich noch die Thatfache, daß er feine LZehrthätigleit ebenſowenig 86
wie feine jchriftitellerische Arbeit auf die Eregefe und ihre Hilfswiſſenſchaften im weiteſten
Sinne beichränfte, fondern in beiden Richtungen auch die ſyſtematiſche Theologie, Dog:
matik und Moral, in den Bereich feines Wirkens 309, fo wird erſt der richtige Eindrud
von der ungemeinen Bieljeitigleit und Fruchtbarkeit feines alademifchen und litterarifchen
Wirkens gewonnen. Er las, obwohl nie Mitglied der theologifchen Fakultät, regelmäßig «0
über dieje Fächer und fchrieb 1763 einen Entivurf einer tupifchen Gottesgelehrtheit und
ibon 1748 und in 2. Aufl. 1779 Gedanken über die Lehre der bl. Schrift von Sünde
und Genugthuung; 1760 und 1787 ericheint, erit lateinifch, dann deutich, fein Com-
pendium Theologiae dogmaticae, 1797 jeine Glüdfeligfeitslehre. Diefe Seite ber
wiflenjchaftlichen Arbeit des vieljeitigen und betriebfamen Mannes iſt infofern die mindeſt «s
üdliche geweſen, als er gerade für fie den allergeringiten inneren Beruf beſaß. Es ge:
ach ihm an Konfequenz und moraliihem Mut. Innerlich von der alten Orthodorie ſich
losfagend, wagt er nicht, offen mit ihr zu brechen, und fo kommt er nicht über Tleinliche
Beräußerlichung aerleiben und lahme, innerlich unhaltbare Kompromifjfe mit ihr hinaus.
Zündenfall und Erbjünde erklärt er aus dem Eflen von einer giftigen Frucht, das testi- 50
monium spiritus sancti erfennt er darın, daß in der hl. Shritt eine „Anzeige und
Spur ihrer Göttlichleit” anzutreffen ſei. Damit konnte er weder nach rechts noch nad)
links befriedigen.
Aber andererjeit3 lag auch darin, daß er mit feiner Seite volllummen zu brechen
wagte, eines der Geheimnifle feines faft beifpiellofen Erfolges. Schüler und aufftrebenvde 55
Talente von überallher, nicht zum menigften aus den beiden Fatholifchen Kirchen, fetten
fih zu feinen Füßen. Die Regierung fah in dem angefebenen Gelehrten von internatios -
nalem Rufe und mit vielfachen internationalen Verbindungen ihren natürlichen Vertrauens:
mann, den fie weit über das ihrem wie feinem Anfehen für die Dauer zuträglide Maß
über feine Kollegen Schalten lich. Die Göttinger Gefellfchaft der Wiffenfchaften ſah in so
Michaelis
keit erworben. Er in ſeiner A eu etwas Drigine
Docent — — er * 1714
— er se
von 1720
Kr — — — *
tech. Apolryphen und NT) 1741.
I Jake De David et 1791. — ee J. M. famp, Leben
ic)aelis, von (6ft bejchrieben, 1793; Buhle, Michaelis litterarifcher Brieh
an Dehfet8 Se, 1794—96 ; — des AT (1869), bei. ©. 583ff. 683 ff. 745 ff.; Nub.
‚ Joh. Dav. Michaelis, Feſtrede, 1898. Weber Michaelis Belang zur Göttinger Ge:
jetjeft ber — —535 rc 35 a — er
bon r er Geſe e zur be te =
„Mr Berlin 1001, —J 569 ff. beſonders von S *
—— David —— der Sohn von rin — Michaelis, war einer
und einflußrei Gelehrten ſeiner Zeit, nicht allein unter den Theo—
ie, jondern überhaupt. boren iſt er zu Halle 1717; er bejuchte dort die Schule
des Waifenhaufes, dann die Univerfität, ging darauf nach. England und Holland, wo er
itſcheidende Eindrüde in ſich aufnahm. —— die äußerlich zur Schau getragene
so Orthodoxie bei innerlich vielfachem Hinausgeſchrittenſein über ſie, wie er ſie in dem da—
maligen England reichlich beobachten konnte, ſcheint au * beſtimmend eingewirkt zu
haben. Er iſt zeitlebens ein —— Schüler dieſer Richtu lieben. Seit dem Jahre
1745 9 er ber Univerfitit Göttingen an und biele & ſchule iſt bis zu feinem
Lebensende die er en Nirkamtet geblieben, Er en dort 1746 Profeſſor der
s5 Philoſophie und 1750 Ordinarius * orientaliſche Sprachen. In dieſer Stellung verblieb
ee "Yichoais wiſſenſchaſtüiche und befonbes (heit
ad eine ungewö e willen e und befonders jchrift-
Bötäinger Öclefrten Inieigen thäig; feit 1771 996. er jene Orientaliihe und Gregeifde
* nzeigen g; gab er jeme Orientaliſche geti
40 Bibliothef heraus (fpäter unter dem Titel: Neue orient. und exeg. Biblioth.), eine Art
Zeitfehrift, aber von ihm allein geichrieben, in der er eine Menge eigener, aber auch nicht
wenige Arbeiten anderer au Kenntnis weiterer Kreiſe brachte. Als Leiter und eifri ter
Mitarbeiter diefer beiden Unternehmungen übte er einen vielf und bedeutenden
fluß. Schon 1761 gelang es ihm zu bewirken, daß Friedrich V. von Dänemark eine
45 Expedition nad Arabien jandte, deren Yeitern Mich. feine befannten „Fragen an eine
Gefellichaft veifender Gelehrten” (1762) vorlegte. —— beſitzen wir aber von Mich.
—* große Anzahl jelbitftändiger Schriften. Im Jahr 1769 begann er eine Überſetzung
Alten Teitamentes mit erflärenden Anmerkungen berausjugeben, die im Laufe ber
Be auf 13 Bände anwuchs und 1786 vollendet wurde. An ähnlicher Meife bearbeitete
50 er auch das Neue Tejtament 17907. Auch erjchienen von ibm exregetifche Bearbeitungen
einzelner meffianifcher Palmen (1759), des 1. Makkabäerbuches (1778) und des Buches
— —AA— 1768). Seine Bibelüberſetzung iſt der erſte Verſuch, die Ergebniſſe
einer —* — orausſetzungen ſich nach Kräften losmachenden wiſſenſchaftlichen
der Schrift einem größeren gebildeten Publikum mitzuteilen. So erklärt ſich
65 bei ni Schwächen ibr ungebeuerer Einfluß, beionders in boben und bödyiten
Kreifen. Sie wurde an proteftantiichen und katholiſchen Höfen viel gelefen.
Gleich großen Erfolg hatte er mit — Ein eitung in das Neue Teſtament, die
ſchon 1750 erſchienen war. Sie fand anfangs noch weniger Beachtung, wurde aber mit
jeder neuen Bearbeitung nicht nur erweitert, ſondern auch vertieft (4. Aufl. 1788). Mich.
“0 * hier freilich Bu eigene Wege, als daß er den Spuren Semlers folgt, aber er
Bl er ——
—— Zeit lang hinub
Michaelsbruderſchaft ſ. d. A. Bruderfhaften Bd III ©, 441, isff.
Micelianer |. d. A. Hahn, Mid. Bo VII ©. 343,00,
Micronins, Martinus, geit. 1559. — J. Utenhovii simplex et fidelis narratio de
instituta ac demum dissidata B aliorumque peregrinorum in Anglia ecclesia, et
30 ung de susceptis postea illius nomine itineribus, quaeque eis in illis evenerunt,
Basil. 1660; E, Meiners, Oostvrieschlandts kerkelyke geschi sse, 2 din, Groningen
1738/39; Reershemius, DOftfriesländifches Bredigerdenfmahl, Aurich 1796; J. H. Gerretsen,
—— Zijn leven, a —— zijn —— ren 1995. ge
onbers bie Beurteil egtgenannten Buches in ogisch Tijdschrift, jaargang 1396,
86 blz. 304—817 Ed, Dr. 8° Oramer, e
Martinus Micronius (Marten de 1e) ift 1522 oder 1523, cheinlich zu Gent,
von wohlbabenden Eltern geboren. (Gerretien jagt blz.1 1522, aber in einem „erratum“
nennt ex diefe Angabe ein Verfeben und ftellt 1523 als Geburtsjahr von Micronius auf.
Bei der Disputation zu Wismar 1554 war Micronius 31 Jahre alt. Da dieſe Disputation
40 am 6. Februar 1554 Itattgefunden bat, muß er aljo 1523 geboren fein, wenn fein Geburts-
tag vor oder am 6. Februar war, hingegen 1522, wenn derjelbe nach dem 6. Februar fiel.)
Über feine Jugend wiſſen wir nichts. Auch von feinen Studien wiffen wir nur, daß er Dazu
in Bafel und Zürich geweilt bat. Daß er in Bafel auch medizinische Studien getrieben hat,
nimmt Gerretien an, obne es, meiner Meinung nach, genügend zu beweifen. Zu Beginn
45 des Jahres 1550 trat er zu London als Prediger der Flamländer auf. Im felben Jahre
wurde die Kirche von YAuftin Friars der Fremdlingsgemeinde zur Verfügung geftellt und
nachdem die nötigen Neparaturen beendigt waren, hielt Micronius darin am 21. Sep:
„ tember 1551 feine erjte Predigt. Mit großem Eifer arbeitete er fürs Wohl der Ge
meinde. 1550 hatte er fich pr Yondon verheiratet mit einer für uns unbelannten Gecilin,
50 „puella casta ac plane pia, quae Evangelii nomine patriam ac parentes reli-
uit“, Nacd dem Tode Eduards VI. (1553) verbot die Königin Maria die öffentliche
Bertündigung des Evangeliums, Mit a Yasco, Utenhove und vielen anderen, bie zur
Fremdlingsgemeinde gehörten (im ganzen 175 Perſonen) verließ Mieronius am 17. Sep:
tember 1553 freiwillig England. Sem Reifegiel war Dänemark, wo er vom König Er:
65 laubnis zu erhalten hoffte, den Gottesdienst ungeftört ausüben zu fünnen. Durch den
Widerſtand der ——— erreichte er dort ſein Ziel nicht. Mieronius begab ſich nun nach
Hamburg, Lübeck, Wismar und zuletzt nach Emden. Ein Teil der Londoner Verbannten
war inzwiſchen in Wismar angekommen und da mit den Mennoniten in Konflikt
25 doch
Micronins Midian 57
gelommen. Micronius wurde nun aus Emden geholt und disputierte am 6. und
15. Februar 1554 mit Menno Simons (vgl. Microntus’ Waerachtigh Verhaal, und
Menno Simons, Een gants claer en duytlick Antwoort). Die Lutheriſchen
machten ihm und den Vertriebenen den Aufenthalt dafelbft unmöglich, fo daß er, auf
Grund eines NRatöbeichluffes, zu Beginn des Jahres 1555 Wismar verlaflen mußte. 5
Micronius begab ſich mit den Seinen nad Lübeck, wo er eine Disputation hatte mit
den lutherſchen Prebilanten; die Folge davon mar, daß er innerhalb 4 Tagen die Stabt
verlaffen mußte. Auch in Hamburg, wohin er nun zog und wo er mit Joachim Weit:
pbal ein Kolloquium hatte (vgl. Micronius’ Apologeticum Scriptum) durfte er nicht
bleiben. Endlich fand er nah all diefen Irrfahrten in Emden einen Ruheplatz, aber 10
fhon bald danach wurde er zum Pfarrer von Norden berufen, wo er am 20. Mai 1554
anlam. Auf a Laskos Bitte hin, ging er im folgenden Jahr einige Zeit nach Frank—⸗
furt a / M. um mit ihm die Niederländifche Flüchtlingsgemeinde, die ſich dort angefiedelt
hatte, zu organifieren. Er kehrte jedoch bald nad Norden zurück. Abgejehen von der
Gemeindearbeit hielt er Disputationen mit Mennoniten und arbeitete verſchiedene Schriften 15
aus. Eine lange Arbeitgzeit war ihm übrigens nicht vergönnt. Im Jahre 1559 brach
die Peit in Norden aus. Zunächſt ftarben feine beiden Amtsbrüder Feddo Hommius
und Albertus Holtmannus. Ihnen folgte auch Micronius am 12. September 1559 nad).
Bei feinen Zeitgenoflen ftand Micronius in hoher Achtung. Utenhove preilt ihn
ſehr als einen aufrechten und friebliebenden Mann, mit fcharffinnigem Urteil und tüchtig 20
in Unterſuchungen und Erklärungen der heiligen Schrift. Seine Auffaffungen verteidigte
er mit allem Freimut und großer Ruhe, im Disputieren war er Meifter. Seine Schriften
eigen ihn als forgfältig, als jemand, der weiß, mas er will, logifch in feiner Beweis⸗
übrung, aber nicht frei von Weitfchmeifigleit. Daß er aber ein Mann von außergemwöhn-
licher Arbeitstraft war, zeigt fih in der Erfüllung eines ſchweren Hirtenamtes und im 26
gleichzeitigen Schreiben von verichiedenen umfangreichen Werfen.
Eigentlihe dogmatifche Schriften hat Micronius nicht nachgelaflen, fo daß ein voll-
kommener Überblid über feinen dogmatifchen Standpunkt auch nicht gegeben werden Tann.
Er war ein reformierter Theologe, opne jtrenger Calviniſt zu fein. Seine Shriftologie ib
neftorianifch gefärbt, feine Abendmahlsauffafjung mehr Zminglifch, während er in betreff so
der Frage, ob das Heil für alle Menfchen beitimmt ſei, fehr beitimmt univerſaliſtiſch
dachte. Bullinger, fein Lehrer, der jtets fein Berater und Freund blieb und mit dem
er regelmäßig Briefe taufchte, hat auf feine dogmatische Betrachtungsweiſe den meiſten
Einfluß ausgeübt (j. Gerretjen, blz. 123—144; vgl. A. J. van 't Hooft, De Theologie
van Heinrich Bullinger in betrekking tot de Nederlandsche Reformatie. Amster- 3
dam 1888). Die großen Berdienfte von Micronius liegen indeſſen nicht darin, was er
als Theolog gethan hat, vielmehr in den Dienften, die er denjenigen bat angebeihen
lafien, die um ihres Glaubens willen aus den Niederlanden flüchten mußten.
Diefen Gemeinden hat er auch durch feine vielen Schriften gedient, wovon Gerretjen
(biz. 73—103) eine ausführliche Überficht giebt. „Een corte undersouckinge des 40
gheloofs" (ed. 1553, neue Ausgaben 1555 und 1556 London, 1558 Emden,
fpäter noch mehrmals) mwird gewöhnlich a Lasco zugefchrieben, iſt aber von Microniug,
wie fchon die Acta der Synode von Dordrecht von 1574 zeigen (Rutgers, Acta der
Nederlandsche Synoden der 16. Eeuw. ’s Gravenshage 1889, biz. 196; vgl.
Gerretfen biz. 23—33). Durch diefes Büchlein hat er fich ſehr verdienftlih gemadıt, 4
ebenfo durd feinen „De kleyne Catechismus oft Kinderleere der Duytscher Ghe-
meynte van Londen enz“ (1.ed. 1552, fpäter noch oft). Über das Abendmahl fchrieb
er „Een claer bewijs van het recht gebruyck des Nachtmaals Christi ende
wat men van de miss houden sal“ (1.ed. 1552, jpätere Ausgaben von 1554 und
1560). Über die Einrichtung der Londoner Gemeinde unterrichtet und „Christlicke so
Ordinancien enz“ (1554 u. fpäter. Deutſche Über]. von Xob. Maver, Heidelberg 1565).
Wir brauchen hier nicht feine ſämtlichen Schriften aufzuzählen; nur feine polemifchen
Schriften feten noch angeführt, nämlich: 1. „Een waerachtig verhaal enz“, (Emden
1556 und Später) worin er feine Tisputationen mit Menno Simons erzählt; 2. „Apo-
logeticum Scriptum“ (3 partes 1557) gegen Joachim Weltphal; 3. „Een Apologie 55
of verandtwoordinghe" (Emden 1558 und fpäter) gegen Menno Simons gerichtet
. D. van Veen.
Midian, Midianiter. — Litteratur: TH. Nöldele, Ueber die Amalekiter und einige
andere Nachbarvölker der Seraeliten, 1864; Richard %. Burton, The Land of Midian (revi-
66 Midian
sited) I & zn —— 187 SB); ' ——
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Geſchichte en I, 47 fi.
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richt ‚den u Fuinen —— die in
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Nüfte etwa in der Richtung des fpäteren der Nömer ſüdwärts zieben oder von
den Quellen des Arnon (wädi ——— ärts etwa auf dem heu HL ob Wege
so nach el-käf eilen wollen. a. —— t von zwei „Königen“ ber
und Zalmunna; da nun der Verfaſſer um die Berbattnie der nomabifierenden Rt,
—— * * Königtum nicht fennen, Beſcheid gewußt haben wird, fo liegt die Ver—
ie jehbafte a im Auge bat. Dadurch würde der aud) auf andere
Grüne ve druck bejtätigt werden, — es ſich in ir er lung um eine völlig
35 andere Begebenheit handelt als in der zuerjt beſprochenen. es fih, wie Auenen und
Moore gemeint haben, in gewiſſen Stüden der Erzählun * . um einen Kampf Gi—
beons gegen die M. im air Carina handelt, kann Bier babingeitellt bleiben, da ſich
daraus für bie Heimat ber *
Die 5 Er ob das NT au Aa art Alk 2 —* * bejaht werden zu
“nz Er 2, 15 ſpricht von einem „Land“ d Cop ‚Hab 3, 7), in das Moſes
on Agypten aus geflohen ſei. Es {iegt bier nicht —* allgemeine Bezeichnung des Ge
bietes der Nomaden vor wie in ETR FT Gen 25, 6 oder SIR == VS 29, 1, fonbern
die Benennung eines Gebiet? nad einem beitimmten Stamm; daraus iſt zu ie ließen,
daß diefes Gebiet als ftändiger Befig des Stammes galt. Dabei bleibt e8 eine offene
4 Wed bis zu melchem Grade der Sehbaftigfeit der betreffende Stamm gelangt mar, ober
w Teile des Stammes bereits ſeßhaft geworden waren, welche nicht enn ——
hler von Ri 8, Aff. ſeßhafte M. im Auge bat, fo iſt damit durchaus nicht aus
3 ‚ dab es zu gleicher Zeit noch nomabihern M. gegeben bat, wie fie Ri —
3—6} 7, off. vorauögejegt werden. In Betreff der Yage des Landes der M.
50 fich aus Er 2— (und Nu 10, 29-327) mur jo viel, daß es öftlih von Aghpten nd
dlich von dem Gebiete des | ordans gefucht werden nuß. Ptolemäus erwähnt in feiner
ie VI,7 einen Ort Tadıdua im Binnenlande an der Ditfüfte des roten Meeres;
Eujebius und ‚Sieronmmus — Onomastiea saera ed. de Lagarde 276 und 1 136
eine Stabt Madıdu, Madian jenfeits, im Süden der römifchen Provinz Arabien in der
5 Müfte der Saracenen djtlih vom roten Meere (vgl. aud Hieronymus zu ef 60 und
Ez 25), und die arabiſchen Geographen des Mittelalters beſtätigen ihrerſeits den Namen
madjan und die Lage ber Stadt, ..B. Edrisi ed. Jaubert I, 5.328.333. Wir ver:
danfen dem Engländer Richard , Burton, bejonders feiner zweiten Reife 1878 eine
iemlich genaue Kenntnis dieſes Ortes und des dazu gehörenden Gebiets. Burton Jen
% Ruinen —— schuſaib — bie Höhlen Jethros als die Stätte des alten Me
X Midian
INA N an OPER IL SR oo Reese Deiisih, Wo lag das Para:
ur EN GERN BE Ger Et weinen um) Yt Al: 407: Ed. Blaier, Skizze
rn Sr . nu. > IN, PRISON 4 — an 7 - v 8: sufler. neh Jeraels I, 47 fl.
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Ver nzatieer. Asımaı Der N gegeben. Etwas wmeca *23 man mit
rue berehnn 108.421), die in Der Haupriache Dem Sarmilten zuge:
u Aa ha Zormonach 3% 11 erele ideen Me M. m dez Nähe öſtlich
> mn asgrzer entipridt Den heutiaen Muinen adsehbehät, Die in
a td 2m im Liten Der Waſſerſcheide smriichen ren Zucllbächen
san. Ne Szeert und Den zum ‚\erdan binabsichenden Ihälern liegen.
. 00. >mer mer Waiſerſcheide bewegen, jo int Far, daß X⁊ Stel nicht
Ay Sondern Die Wüſte iſt, ſei es nun, daß fi am AMande der
N. wer. des tpiteren lJimes Der Mömer fühmäarts chhr eoder von
. a TE wadi el-modschib) oſtwärts etwa aut Dem bcunaen Wege
. . vun." Sat (x sablung fpridht von mei „Nonigen” Nr a. Sebah
N. ia Ns KVeriaſſer um Die Verbältniſſe Der nemadifierenten Nlülten:
Mes. n Dub lennen, Veſcheid gewußt haben wird, ir liear Die Wer:
N ur ste M. im Auge bat, Dadurch mürde Der aud auf andere
ri Baken BEN deinatigt werden, daß es ſich in bicher Er; ablung um wine völlig
erst ndelt ala in Der erst beiprochenen. Ob es ich, mic Kuenen und
als mac in gewiſſen Ztriden der Erzäblung 7, uUff. um einen Kampi Gi:
en da N im Weſtjordanlande bandelt, kann bier Dahingettellz bleiben, da ſich
N Weite Der M. nichts ergiebt.
Yo han 55 de AT aud ſonſt ſeßhafte WM. kennt, Icheint bejabt werden zu
rw. 15 ipricht von einem „Yand“ Der M. wol. Hab 3, Tı, in Das Moſes
vn Mao. in Aus geilohen ſei. Es liegt bier nicht vine allgemeine Bezeichnung Des Ge⸗
irie der Nomaden dor wie in 557 TR den 25,06 oder 27772 TUR 20, 1, jondern
B — eines Gebiets nach einen beitimmten Stamm; Daraus iſt zu tchlichen,
ab dio Adrbier ale ſtandiger Veſitz des Stammes aalt. Dabei bleibt es cine offene
ll. Bio zu welchem Grade Der Seßbhafitigkeit Der betreffende Stamm aclanat war, oder
welche Teile des Stammes bereits ſießbait geworden waren, welche nicht. Wenn wirklich
ie Erzabler von Rs, hüf. ießbafte M. im Auge bat, fe ir damit durchaus nicht aus
eſbteiſen, daß es zu galeicher Zeit nech nomadifierende M. gegeben bar, wie ſie Ri 6,
#27, 87 vorausgeſeß: werden. In Betreff Der Yaaı dis vandes der M. ergicht
hub to Or 2 bemd Nu Je, Du Ani pur do viel daß es oftlih von Agrvten und
judlab ven dem ash UNS Jordans geiucht werden mu, —— erwähnt in feiner
Wragrapdie VI. enen Or: Mareer im Binnenlande an der Tirfuite Des roten Meeres;
Euſebius und Hicrenpmus tennen Onomastica sacra ed. de Lagarde 276 und 136
eh. zutt Muderu. Madian —— im Zuden der omiichen Provinz Arabien in der
bi wuiie Sr Faunenen elta vom ren Meere mal Sir Hieronvmus zu Ne 60 und
Kr 25. und Die aabüchen ra oben des Mit:eau:ers deitgri aen irreriein den Namen
aäſun und die Yase Ss Zion N Edrist od. Jaubert I. 5.328.539. Wir ver:
danten dem englander Nicharnd J Binten. beienders TO weiten Reiſe 1878 eine
x
vanılub MILE Kennini«s Mila Drtoo und Des Mini gererenden Gebiets. Yurton ſieht
die Rumen magha ir sehwiaib - div Hoblen Jerbros als Die Statte Des alten Ma-
Midian 59
Ödua an und beinerft, daß die von Ptolemäus angegebene Lage 28° 15’ n. Breite lat.
„faft richtig” ift, während er den ähnlich Mingenden Namen Moödlava oder Modovva
nach Ptolemäus VI,7 einem füblicher liegenden Küftenorte (27° 45° n. Breite lat., ſüdlich
von 4 — ‘ainüna) zujchreibt. Die „Höhlen“ find Gräber, die mit denen von Petra
eine auffallende Ahnlichkeit haben (I, 103. 107), fo daß man nicht daran zweifeln kann, 6
daß fie von den Nabatäern angelegt worden find. Der Ort liegt an der alten Handels-
ftraße, die von Elath (f. Bd. V, 285ff.) in einiger Entfernung vom Meere nad) der
mittleren und füblichen Küfte Arabieng führte und heute noch von den ägyptiſchen Mekka—
pilgern benutzt wird; daraus begreift fich feine Wichtigkeit für die Nabatäer. Dieſes Land
M., arab. ard madjan, hat nach der Ausfage der gegenwärtigen Bewohner feine Nord- 10
grenze bei el-akabe, das ungefähr dem alten Elath entfpricht, und feine Südgrenze bei
der Kleinen Küftenfeitung el-muwelih und dem aus dem Innern des Landes kommenden
wädi es-surr; feine Länge von Norden nad) Süden beträgt etwa 770 km, feine Breite
40—60 km. er das niedrige Küftengebirge erheben fich die hochragenden Gipfel der
tihäma, über diefe nach Often das Randgebirge (esch-schafa) des inneren Arabiens, 15
der Hochebene des Nedschd. Zahlreiche Thäler durchichneiden diefe Bergketten meift in
der Richtung von Often nad Welten, die Bewäſſerung iſt ziemlich gut; es finden fich
zahlreiche Spuren von Bergwerken und Erzwäfchereien, namentlich für Silber und Kupfer,
während das füdlichere Gebiet auch Gold geliefert hat. Ein voller Beweis dafür, daß
diefes Land Schon Er 2, 15 gemeint fei, läßt fich freilich bei dem großen zeitlihen Ab⸗ 20
ftande, der zwiſchen den jehoviftifchen Erzählungen des Ventateuchd und Ptolemäus vor-
banden ift, nicht führen. Doc darf man es als mahrjcheinlich bezeichnen, daß der Ort
und das Land den Namen des alten Stammes feitgehalten hat, wie auch Josephus
Antiq. II, 11, 1 8 257 vorausſetzt, obwohl der Stamm längſt verjchollen mar.
Die freundlichen Beziehungen der M. zu Israel find mit der Perfon des Moſes 26
verfnüpft, der fih nad Er 2, 15ff. zu dem Priefter der M. begab. Der Name diejes
Mannes, deſſen Wohnfig mir im „Lande“ der M. annehmen müffen, ſchwankt in der Über:
lieferung: Nu 10, 29; Ri 4, 11 (1, 16) Hobab Sohn Reguels, und danad iſt wohl
Er 2, 18 zu verbejlern, Er 3, 1 und 18, 1 Jethro oder 4, 18 Jether. Vermutlich hat
die ältejte Überlieferung den Namen des midianitifchen Priefterd nicht gefannt Er 2,»
16. 21, erit fpäter ift er auf verfchievene Weiſe ergänzt worden. Ri 4, 11 (vgl. 1, 16)
wird Hobab als Keniter bezeichnet; daher vermuten Budde u. a., daß Nu 10, 29 ur:
fprünglich auch „Keniter” ftatt „Midianiter“, wie wir heute lejen, gejtanden habe. Diefer
Unterfchied läßt fich vielleicht mit Stade ZAW 1894, 286 fo erllären, daß der ſchwache
Stamm der Keniter in alter Zeit mit den M. verbündet war und daher aud) unter ihrem ss
Ramen auftreten konnte (ſ. Kain. Bd IX, 698f.). Die Bereutung, die das Fenitifche
oder midianitiſche Prieftertum für die mofaifche Neligionzitiftung bat, ift bier nicht zu
prechen. Handelt es ſich dabei mwirflih um ein midianitifches Prieftergefchlecht, jo
kheint man fih nad Er 2, 15ff.; 3, 1ff.; 4, 18ff.; 18, 1ff. die Sache fo denken zu
müfjen, daß der Prieſter im „Lande“ der M. wohnt, daß feine Herden aber von Moſes «0
in der Wüſte zwiſchen Edom und Agppten geiveidet werden, und daß fpäter Jethro won
feinem Wohnſitz aus ſich bei Moſes dort einftellt., Noch heute iſt es fo, daß die Be-
wohner des Landes madjan Verbindungen mit Agypten und der Stinaihalbinfel unter:
balten. Handelt es fich aber um ein fenitifches Prieſtergeſchlecht, jo fehlt jeder Anlaß,
an das „Land“ der Midianiter zu denken. Der Abſchnitt Nu 10, 29—32 ift und un: #5
vollftändig erhalten. Wenn in ihm wirklich von M. die Nede ift, jo find darunter nicht
ſchon feßhafte, fondern nomadifierende M. zu verjtehen, die zwischen Edon und Agypten
ibre Herden meiden. Bezieht fich das Stüc aber urſprünglich auf Keniter, fo kommt es
bier ebenfalls nicht in Betracht.
Auch an anderen Stellen des AT hat man fich zu fragen, ob der Erzähler ſeßhafte, vielleicht 50
balbfeßbafte oder nomadifierende M. im Auge hat. Die midianit. Kaufleute Gen 37,28. 36
find nicht Bebuinen, fondern feßbafte Leute, die vermutlich, aus Arabien Waren nad)
dem Norden gebracht haben und nun über Baläftina und Agypten wieder nach ihrer
Heimat zieben wollen. Dagegen laflen die „jungen Kamele“ M.s Jeſ 60, 6 auf Beduinen
ſchließen, die Kamele züchten. Nicht rechte Klarheit gewinnt man über die M., die Nu 56
22; 25 und 31 fowie Sof 13, 21f. in Verbindung mit Bileanı erwähnt werden. Sie
\ Nu 22,4. 7 unter Geſchlechtshäuptern (ERT vol. z. B. 1Sa30,26ff.), 31,8
unter fünf „Königen”, die Joſ 13,21 dagegen „Fürſten“ (EIW’E2) genannt werden. Sie
treten Nu 25, 1ff. mit Israel in Gonnubium, während Ddiefes in Sittim am Fuße Des
Gebirges öjtlih vom Jordan lagert, und merden aud) 22,4. 7 und 31,2ff. in der
62 Mieczyslaw
verbrannt oder ins Waſſer
—— Yin * — — 5*— — dem —— din (Ai, Oh ya
RE NL, 3,8 im ten A m Alan a
ralau. Davon zeugt insbe bee noch ‚bis m Die Mitte
ee Mn m Dee a
"Aunabme des — eichrestt. haben foll. Auch ift scrlan anfangs on
hument für biefes ur Aorbanen ein wich ltusfo it dei
—— —
ein Man IT. von Aloten di Sale Ton oder 1027 an den damaligen
König Vieczyslaro II. von Polen (f. Sir Geſch. der deutſchen —— II, 676),
mit welchem fie ibm ein lit Bud) zueignet, indem fie unter Anderem jagt: quis
in laudem (| — — —— Cum in propria et —
20 digne venerari posses, in non sa raecam superaddere uisti.
Auch als jpäter Die römifche Kirhenorganifation —* Stiftung von Bistümern und
Unterordnung derſelben unter ein abendländiſches € m jchon im Gange war, wurden
„Vhnens na dal —* — —— —es — De
—— — —
*
el, Babe eltend sehe Nachrichten in der bö * Chronit — p. 37
b. er 1541 und J der Moravia sacra bon Stwedoivsth, deren beider Glaubwürdigkeit
gl.
117 u. Nö ell, Geſch Volens I, 6227. Gbenfoiwenig vie dieje Annahme von —
36 —— —* Polen — hätten, iſt die oft kon
‚272; II, 16), daß bei dem Zuſammenbruch des mä
Slide aus * das Chriſtentum auch nach Polen Pod — deſchichua
zu begründen; denn der Bericht des Konſtantinus ——— Sp administrando
imperio, op. ed. ran p- 127) bejagt nur, daß Überbleibfel der Mähren bei
40 dem Eindringen der Magyaren zu den benachbarten Bulgaren, Türken, Chrobaten und
anderen Völkern geflüchtet jeien, und erwähnt von einer Ausbreitung des Chriftentums
—* dieſe Flüchtlinge gar nichts. Überdies aber gehörte Chrobatien ebenſowenig wie
Krakau damals ſchon zu Polen. Gefetst aber, es ſei durch ſolche Flüchtlinge oder durch
chriſtliche Kriegsgefangene der Same bes Ghrftentum nah Polen gefommen, jo kann
45 das bob nur vereinzelte Befehrungen zur Folge gebabt haben, Wenn aber in der pol-
nifchen Yiturgie (missale proprium reg. Polon. Venet. 1629 und offieia propria
patronorum regni Polon. Antwerp. 1637) das Gedächtnis dev Mährengpoſtel Eyrillus
und Methodius als Befehrer der Polen zum chrijtlichen Glauben mit den Worten gefeiert
BR qui nos per beatos pontifices et confessores tuos nostrosque patronos
um et Methodium ad unitatem fidei christianae vocare dignatus es, wenn
— bijhöflichen Sprengel von Przemysl der 10. März zum Andenken an die Stiftung
der Kirche durch fie in Rothrußland feierlich begangen wurde und ihrer noch jegt in ber
Liturgie gedacht toird, und wenn auch im Erzbistum Gneſen eine jolche dee bes Ges
dächtniſſes derjelben Eingang fand, jo erklärt jih das aus dem großen Anjeben, welches
55 die beiden großen Slavenapoftel in der ganzen oſt- und ſüdſlaviſchen Welt erlangt hatten,
und insbejondere aus dem Umſtande, Daß die Verdienfte, Die jie fi um die Pflanzung
des Chriftentums in ſolchen Gebieten eriworben, die erſt jpäter zu Polen binzufamen, wie
ne, —— * Chrobatien mit Stratau, auf das gejamte Polen übertragen
wurden, als —— haupt das Chriſtentum in Polen begründet. Übrigens mag
60 nicht unerwähnt bleiben, ee der mähriſche Sprengel von Welehrad, in dem Methodius
Mieczyslaw 61
1843, H. 2; 8. Gieſebrecht, Wendiſche Geſchichten, Berlin 1843; W. v. Giefebrecht, Geſch. der
deutſchen SKaiferzeit I, 4. Aufl., Braunjchweig 1873; Haud, Kirchengeſchichte Deutſchlands ILL,
202— 204. 272 1. 629 ff.
Es handelt fih zunächſt um die „erften Anfänge des Chriſtentums“ in ber flavifchen
Bölkerfchaft der Polen, welche in bald meiteren, bald engeren Grenzen zwiſchen dem 6
ruſſiſchen Gropfüritentum im Often, Preußen und Pommern im Nordoften und Norden,
den wendiſchen Völferftämmen im Nordweſten, dem deutfchen Reich bis an die Oder im
Weiten und dem großen mäbrifchen Reihe im Süden und Südweſten ihre Wohnfite
batten. Zum erjtenmal ſehen wir diefe Völkerichaft unter dem Namen Polen auf dem
Scauplat der Geſchichte in den heftigen Kämpfen, in die fie mit den ſtammverwandten 10
Wenden zur Be Dttos des Großen geriet. Ihr Herzog Mieczyslaw, der vierte in der
Reihe der piaftifchen Fürjten, welche ſie beherrichten, wurde 963 in zwei Schlachten von
den Wenden unter deren Führer Wichmann, einem fächliichen Grafen und abtrünnigen
Verwandten des Kaiſers Otto, der die wendiſchen Stämme gegen Saifer und Reich auf:
getviegelt hatte, befiegt. Gleichzeitig aber war Markgraf Gero, der Hüter des Neiches ı5
gegen die wendiſch⸗-ſlaviſchen Völker im Norden, in fiegreihem Kampfe gegen die Wenden
5 an die Oder, Volens Grenze, vorgedrungen. Da war der Polenherzog Klug genug,
feine feindliche Haltung gegen den Kaifer und die Deutfchen aufzugeben. Er unterwarf
fih und fein Volf zum Schutz gegen die Menden dem Kaiſer, indem er demſelben ven
Lehenseid ſchwur, Heeresfolge leijtete, von feinem Land bis zur Oder Tribut zahlte und 20
auf den großen Hoftagen in Deutichland erichien.
Aber wie großartig aud die Ausfichten waren, welche ſich der Miffion der deutfch-
abenbländilchen Kirche dadurch, daß die Polen in ſolche enge Beziehungen zu Deutichland
fnmen, nad Oſten bin eröffneten, wie wichtig auch diefe durch tributpflichtiges Lehns⸗
verhältnis geitiftete dauernde Verbindung mit dem Kaifer und dem deutfchen Reich bald a6
für die Gründung und Geftaltung ter Kirche in Polen werden mochte, fo find doch die
Borausfegungen der eriten Anfänge des Chriftentums dafelbjt nicht in der deutſch⸗
abendländiichen Kirche, fondern in den Nachwirkungen der ſlaviſchen Miffton der griechiich-
morgenländifchen Stirche, die im 9. Jahrhundert in ihrer höchſten Blüte jtand, zu fuchen.
Es feblt gänzlib an hiſtoriſchen Beweiſen für jofortige deutſch-abendländiſche Miffiong- so
unternehbmungen unter den Polen nad) der Anfnüpfung jenes Abhängigkeitsverhältnifjes.
Dies war jedenfalls vorläufig ein rein perjönliches des Herzogs zu dem Kaiſer Otto ohne
Annahme des Glaubens desjelben.
Nach dem ältejten und zuverläffigiten Bericht über die erfte Einführung des Chrijten-
tums in Polen, den mir dem Bilchof Thietmar von Merſeburg verdanten, bahnte fich 86
dasfelbe zuerit von Böhmen aus, wo es durch Herzog Boleslam I. den Frommen und
durch den Einfluß jeiner Gemahlin Emma, einer deutſchen Prinzeſſin, mahrjcheinlich einer
Tochter des Könige Konrad von Burgund, zur dauernden Herrichaft gelangt war, feinen
nad Polen. Der Herzog Mieczyslaw vermäblte ſich nämlih im Jahre 966 mit
Dambromta (Dobramwa), der Schweiter des Böhmenberzogs Boleslam II. und trat ein @
Jahr darauf, 967, zum Ghriftentum über, indem er ſich taufen ließ. Daß feine Gattin
bieran Anteil gehabt babe durch ihre Einwirkung auf die Gefinnung des Herzogs, märe
auch obne das ausdrüdliche Zeugnis, welches darüber vorhanden ijt (Thietmar, Chron.
IV, 55 S. 94, Bogupbal bei Sommersberg Script. rer. Sil. p. 27), als ſelbſtverſtändlich
anzunebmen. Nach Tbietmars Urteil machte fie auf ihn und ihre polnifche Umgebung «s
durch ihr der Bedeutung ihres Namens, der Guten, entjprechendes Wefen den tiefiten
Eindruck. Daß fie als von Haus aus chriftlihe Brinzejfin von Böhmen Geiftliche an
ben polnifchen Hof mitgebracht habe, um zunächit für ihre Berjon ihren gewohnten Gotteö-
dienit zu üben, ift von vornherein ebenjo wahrjcheinlich, iwie es von dem eriten pol=
niſchen Gejchichtichreiber chron. Polon. I, c. 5 berichtet wird. In Böhmen aber war so
das Chriftentum von dem mähriſchen Reiche aus eingedrungen, wo es die Brüder Kon-
ſtantin (Gyrillus) und Methodius aus Thejjalonich, die Apoftel der ſüdſlaviſchen Völker,
feit 863 in der Form der griechifch-morgenländifchen Kirche verbreitet hatten. Mährifche
Briefter famen, nachdem Herzog Borziwoi von Böhmen fi 890 von Methodius hatte
taufen laffen, nadı Böhmen. So wurde denn auch an dem Hofe des Volenherzogs durch 56
die aus Böhmen gelommenen Priejter der Gottesdienit nach griechiichem Ritus eingerichtet.
Tem Beifpiel des Herzogs folgten fofort die Großen und ein Teil des Volle. Die
weitere Ausbreitung des Chriſtentums ließen fih dann die in größerer Anzahl nach der
Taufe des Herzogs aus Böhmen herbeifommenden Priejter angelegen ſein. Auf des
Herzogs Befehl mußten alle. feine Untertbanen, feinem Beifpiel folgen und ſich taufen eo
Mieczyslaw
62
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6 und bei Gebräuche, in Ca
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griechiſchen Malereien uralter Kirchen, d. * m —— ——
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Annahm des Ehrift abgeſce uch ji =
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1 —— A Gebrauch der —— rei längere Yen (dei
dauerten, ein Brief der Mathilde vom Jabre 1026 oder 1027 an den damaligen
König Mieczyslanı II. von Polen (j. Giefebrecht, Geh. der Deutichen Raifereit IT, 676),
ee ee 003.6 A ng fie unter Anderem fagt: quis
in laudem tider vit linguas! Cum in propria et latina Deum
»digne ee in hoc tibi non satis, graecam superaddere maluisti.
Auch als fpäter die römische Kirchenorgani ation dur Stiftung von Bistümern und
— = — ee "us ver Tlasiihrprehilden Rinde
ur Fi | | aus
Böhmens nach Bo —— Frieſe I, 62 —— — |
2 * es aber in weiten vor dem —— in
durch neuere — völlig re * . — v. I, 91.
117 u. —*
36 Apoiteln, die B te Behauptung, (air, KO
ſe, „u, or nt bei dem ufanmenbenc des mährif
Flüchtlinge aus Mähren das m DER
45 Das —* nur — — —* — —* baben, Wenn aber in der pol
niſchen —— —— gern ge Polon. Venet. 1629 und officia p line
wir: en nos per beatos —— et confessores tuos ——— —
so Cyrillum et Methodium ad unitatem fidei christianae vocare dignatus es, wenn
im biſchöflichen Sprengel von — der 10. März zum Andenken an die Stiftung
der Kirche durch ſie in — d feierlich begangen wurde und ihrer noch jetzt in der
Liturgie gedacht wird, und wenn auch im Erzbistum Gneſen eine Aug ier des Ge
dächtniſſes derjelben Eingang fand, jo erflärt fih das aus dem großen Anjeben, welches
65 die beiden großen Slavenapoftel in der ganzen oſt- und ſüdſlavi En Melt — hatten,
und insbeſondere aus dem Umſtande, daß die Verdienſte, die ſie ſich um die Pflanzung
des Chriſtentums in ſolchen Gebieten erworben, die erſt ſpäter zu Polen hinzukamen, wie
Wolhynien, Rothrußland und Chrobatien mit Stratau, auf das gejamte Polen übertragen
wurden, als hätten jie überhaupt das Chrijtentum in Polen begründet. Übrigens mag
eo nicht unerwähnt bleiben, daß ve mäbrijche Sprengel von Welchrad, in dem Methodius
Mieczyslaw 63
bis ca. 885 nicht bloß für die Gründung einer flavifchen Nationallirche in Mähren, fon:
dern auch in den benachbarten Ländern eifrig wirkte, fi) bis an das Ufer des Styr im
jegigen Volhynien, bis an die Grenzen Polens, erjtredtee Da läßt ich wohl vermuten,
daß nah ibm auch griechische ſlaviſche Miffionare von Mähren aus verfucht haben, dem
Chrijtentum nach Polen den Weg zu bahnen. Aber die zuperläffige geichichtliche That- 5
fache der Verbreitung des Ehriftentums in Polen Tnüpft fid) doch erjt an die Berheiratung
des Polenherzogs Mieczislar mit der böhmiſchen Herzogstochter und an feine Taufe, fo-
wie weiter an fein vertrautes Verhältnis zum Kaiſer. Er öffnete der deutichen Milfion
Thor und Thür. Unter feinem Schuß wirkte mit großem Eifer und unter vielen Mühen
und Beſchwerden ein Deuticher, der Briefter Jordan, als Miffionar unter den Polen. 10
Zhiet. IV,ıs ©. 95: Jordanus primus eorum antistes multum cum eis sudavit,
dum eos ad supernae cultum vineae sedulus verbo et opere invitavit. Aber
es fehlte noch viel am Siege des Chriſtentums. Außerlich zwar nahmen die Polen den
Chriſtenglauben nad) dem Beifpiel ihres Herzogs an, aber den alten Göttern hingen fie
im Geheimen noch lange an. Ja es konnte das innerlich) noch nicht überwundene Heiden: 15
tum fpäter, wenn auch nur fur; vorübergehend, ſich wieder zu einer Reaktion gegen das
Chriftentum erheben.
Der Annahme des Chriftentums feitens des Herrichers folgte bald die kirchliche Organi⸗
jation des Landes. Dieſe fonnte unmöglich als Anhängſel der ſiaviſch-griechiſchen Miſſion er-
folgen; dazu war die Kirche in Böhmen, von wo Polen das Ehriftentum in feinen erjten An- 20
fängen empfangen batte, zu wenig felbjt befeitigt. Die enge politifche Verbindung, in der Bolen
mit Deujchland ſtand, und das Xehensverhältnis, welches den Volenherzog mit dem Kaiſer
verbunden erhielt, brachte auch ein immer engeres Verhältnis zu der deutich-abendländifchen
Kirche zumege, und erft von diefer konnte eine feite Begründung und Einrichtung des
polnischen Chrijtentums und Kirchentums ausgeben. Die Beziehungen des Polenherzogs 26
Mieczyslaw zu Deutichland und zur Kirche in Deutfchland wurden fpäter noch inniger,
als derjelbe nach dem 977 erfolgten Tode feiner eriten Gemahlin —* mit Oda, der
Tochter des ſächſiſchen Markgrafen Dietrich, vermählte. Dieſelbe war bereits eine Nonne
des Kloſters Kalbe geworden. Nur eine Löſung ihres Eides ermöglichte die Ehe. Die
Geiſtlichkeit verzieh ihr den Bruch des Kloſtergelübdes nur darum, weil fie hoffte, daß 20
durch dieſe ebeliche Verbindung der Friede zwijchen den Deutichen und den Polen werde
erhalten werden. Und in der That war Odas Einfluß jo groß, daß durch fie die Sache
des Chriſtentums in Polen Förderung und Befeitigung erfahren fonnte Der bis dahin
unter dem Einfluß der Herzogin Dambrowka vorherrichend geweſene jlaviihe Nitus wich
allmählich den römischen Gottesdienftformen, die aus der deutjchen Kirche herüberfamen. 36
Die feiten Formen des römischen Kirchenweſens waren ee, in weldyen überhaupt eine un:
jafjende Irganifation der Kirche in Polen zu ftande kam. |
Freilich geſchah das nicht, wie polnifche Hiſtoriker in fpezififch römiſchem Intereſſe
bebauptet haben (Dlugoss. hist. Pol. 1. II u. a. bei riefe I, ©. 226), dadurd, daß
ſich Mieczyslaw gleich nach feiner Taufe unmittelbar an Papſt Johann XIII. durch eine wo
Geſandtſchaft gewandt hätte, um ſich römische Miffionare zu erbitten und fich ſamt feinem
Reiche unter den Schuß des päpftlichen Stuhles zu ftellen. Es ift durchaus unbegründet,
daß fofort cin päpftlicher Legat, Agivius, mit vielen zu Lehrern des Volkes beitimmten
ikern nad) ofen gelommen fei, und Mieczyslaw dann unter feiner Leitung zwei Erz:
bistüumer (Gneſen und Krafau) und mehrere Bistümer geftiftet habe. Won einer ganz 45
anderen Seite her wurde ein engerer Anſchluß Polens an die abendländiiche Kirche be—
wirkt, nicht von Rom aus, wo man ſich um die Miffion unter den flavischen Völkern
im Norden und Oſten wenig fünmerte, —8 von dem deutſchen Kaiſertum aus, welches
dieſe von der römiſchen Kirche vernachläſſigte Miſſionspflicht im Zuſammenhange mit ſeinen
politiſchen Beziehungen zu den ſlaviſchen Völkern zu erfüllen eifrig bemüht war. Otto 80
ber Große trug ſich gerade jeßt, mo das Chrijtentum in Polen jo mächtig eindrang, mit
den umfaſſendſten Plänen zu einer dauernden GChriftianifierung der ſlaviſchen Völker, die
unter feine Gewalt jich beugen mußten. Er wartete nicht mit der Ausführung derfelben
bis zu dem jchon lange vorbereiteten und beißerfehnten Zuftandelonımen des Erzbistums
Magdeburg, welches der Ausgangspunkt der von ihm eifrig geförderten deutfchen Miſſion 85
und der feiten Urganifation der Kirche unter den Slaven in engem Anjchluß an die von
ihm, nicht vom Papſt, geleitete deutſche Kirche jein jolltee Während Otto aus kirchlichen
und politiichem Tinterefje darauf bedacht fein mußte, das Ghriftentum unter den Polen
dur kirchliche Organisation zu befeftigen, hatte Mieczyslaw, der von einem Teile feiner
Lande ihm Tribut zahlte, alle Urjache, ich mit dem mächtigen deutfchen Kaifer in einem 60
64 Mieczyslam
freundfchaftlichen — erhalten. So wurde denn auf Ottos Antrieb und Mit—
—— — — ee ee dee
* —— in Polen ſehr verdienten
| — ht.
Unter —— Sohne aus erſter * Boleslaw — dem Kühnen (992—1025),
go dem gewaltigſ yerifchten der alten Polenberzö 0 wurde der An Polens
an die römiſche feſter. Unter ihm wird das ſelbſt noch nicht einmal äußerlich
völlig — Polen —* das Werkzeug zu weiterer Verbreitung des Chriſtentums
unter den benachbarten Völkern, indem er freilich die Miffion feinen gewaltigen kriege:
riſchen Unternehmungen dienſtbar machte. Er hatte dem heiligen Adalbert den W ni
86 — gebahnt, unter ſicherem Schutze ihn dorthin entſandt und nachher die Gebeine
dieſes Maͤrtyrers von Preußen für —— Gold eingelöft. Über dem Grabe Adalberts
in Gneſen jchloß er mit dem begeijterten Verehrer desielben, dem Kaiſer Otto IIL., der
um Gebet an Srabjtätte in na Freundes bortbin wallfabrtete, einen engen Freund-
baftsbund und empfing von ihm den Ehrennamen „eines Bruders und Mitarbeiters am
40 Reich, eines — und Bundesgenoſſen des römiſchen Volks“ (ſ. Gieſebrecht, Geſch.
d. deutſchen Kaiſerzeit II, 104, 192 ff.). Es war nun für die Kirche Polens von folgen-
reicher Bedeutung, daß der Kaifer aus eigener Machtvollfommenbeit mit Zuftimmung des
Boleslaw ein eigenes Erzbistum über Adalberts Gebeinen errichtete und dadurch zugleich
dem merkwürdig ſchnell ch ausbreitenden Adalbertsfultus nicht bloß für Polen, jondern
45 aud) für Die gan ze abendländifche Kirche einen Mittelpunkt jchuf, Sen —* ———
er pnode zu Gneſen, dem alten Gentrum des polniſchen
im Jahre 1000 bie icchliche Abgrenzung und Einteilung des —* —33. vor⸗
genommen, das Erzbistum Gneſen, welches dem Halbbruder des heiligen Adalbert, Gau—
bentius, anvertraut wurde, mit fieben ibm untergebenen Bistiimern eingerichtet, und jo
50, bie * 5 Organiſation der polniſchen Kirche vollzogen. Es gehörten nämlich
au hie] m Gneſen außer vier nicht näber bezeichneten Bistümern das Bistum
— das bereite unterrvorfene Pommern, Krafau für das von Böhmen eroberte
Chrobatien und Breslau für das den Böhmen entrifjene Schlefien. Der Biſchof Unger
von Bofen verjagte jeine Zuftimmung zu den B —— der Synode, und unterwarf
66 ſich nicht dem Erz hof von nen; fondern blieb —— unter dem Magdeburger
Erzſtifte mit — ngeſchränkten Sprengel. Durch die tung des ——
bistums wurde die * indung der polniſchen Kirche mit dem Ol deburger ala
jo mit der deutjchen Kirche und dem deutichen Neid, in hohem Grade gelockert. D
ie langjährigen furchtbaren Kämpfe zwiſchen Boleslam und Katjer Heinrich IL,
so welchen jener triumphierend ſich die Königskrone aufſetzte, wurde fie zeitweilig ganz
Mieczyslaw 65
gehoben und von Gnefen aus die unmittelbare Verbindung mit Rom immer enger ge
üpft, die ſchon in dem Geſchenk eines Armes des hl. Mdalbert für eine Kirche auf der
Tiberinfel ihren fombolifchen Ausprud gefunden hatte. Boleslaw beklagte fi) bei dem
Vapft in einem Sendfchreiben (1013), daß es ihm megen der geheimen Nadjitellungen
des Königs (Heinrichs II.) nicht möglich fei, dem Apoftelfürften St. Petrus den ver-
fprochenen Tribut zu zahlen (ſ. Thietmar VII, 32). Das deutet auf unmittelbare Ver:
bandlungen mit dem PBapite bin. Während der gewaltigen Kämpfe mit Deutichland
können die deutichen Priefter nicht mehr ungehindert mie zuvor das Land durchziehen;
die von Magdeburg Ip den flavifchen Völkern, ja bis nach Skandinavien hin, ausgehende
großartige deutfche Miſſion findet die Wege nach Polen wiederholentlich verfperrt. 10
Aber während der Eifer deuticher Miffton für den Dften infolge diefer Kämpfe bald
erfaltete, bewies fich Boleslam ala mächtiger Beichüter und Förderer der abendländifchen
Miffion, ald Ausbreiter der Kirche unter den noch heibnifchen Völkern feines großen
Reiches und über feine Grenzen hinaus. Wie unter feinem Schuge Adalbert die Miffion
nach Preußen unternahm, jo war er es wieder kurze Zeit — der die kühne Unter: 16
nehmung des Brun von Querfurt, des begeijterten Schülers und Nacheiferers des hl. Adal-
bert, zu den wilden heibnifchen Völkern des fernen Oftens, insbeſondere den Petjchenegen,
mit feiner Macht kräftig unterftüßte, und troß der Vertwandtichaft desfelben mit Heinrich II.
ihm zur Ausführung feiner großartigen Pläne, die man am Hofe des Kaiſers als aben-
teuerlich verfpottet hatte, jeglichen Beiftand zufichertee Brun mar vom Papit ſelbſt an 20
die Spitze der Prieſter geitellt worden, meldye ſich Boleslam für die heidniſchen Völker
jenes Reiches erbeten hatte. Unter feinem Schuge fandte er einen Teil von Polen aus
über das Meer zu den Schweden, wo diefe Miffton den glüdlichiten Erfolg hatte. Die
Quelle für die Gefchichte diefer von Polen aus am Anfange des 11. Jahrhunderts unter
Bruns Leitung und Boleslaws Beijtand betriebenen und bis in die neuere Zeit unbefannt 26
getvejenen fühnen Miffionsthätigkeit ift ein Brief Bruns ſelbſt vom Sabre 1008 an
Heinrich, in welchem er zwei Haupthinderniffe der Miſſion im Often beflagt: den Krieg
Heinrichg mit Boleslaw und den ſchmachvollen Bund —5*— mit den a Liutizen
egen Polen, und ihn im Intereſſe der Sache des Chriſtentums ermahnt, ſich mit dieſem
ür die Miſſion zu feiner Beſchämung fo eifrigen Fürſten, den er liebe „mie feine Seele so
und mehr als fein Leben“, wieder zu verfühnen (f. W. Gieſebrecht a. a. D. II, 669 ff.
und das Dokument ©. 648 ff.; vgl. d. U. „Bruno“, Bd III, ©. 513). Vergebens. Die
Thätigkeit Bruns für die deutiche Kirche war verloren. (Haud, Kirchengeſch. Deutſchlands
3, 630, 2. A.) Je weiter Boleslam feine Macht über die benachbarten flavifchen Völker
ausdehnte, deito mehr erfüllte feine Seele die Idee eines großen chriftlich-flavischen König: 86
reich, deflen Krone er ſich vom Papſte erbat, und vor deilen Macht 1018 das griechifche
Kaiſertum in Konitantinopel fih fürchten, und das im Sturm eroberte ruſſiſche Reich, in
deſſen Hauptitadt Kiew er ein römifch-fatholifches Bistum gründete, fich beugen mußte.
Der innere Zujtand der polnischen Kirche entiprady der urfprünglich rein äußer:
Iihen Einführung und fortan nur gewwaltfamen Aufrechterhaltung des Chriftentums. Im- 0
mer noch erbielt jih im Volke nach der äußerlichen Annahme des Ehriftentums die Herr:
ſchaft des zähe feitgehaltenen Heidentums. Die jährliche eier der Vernichtung der alten
Götter, bei welcher die Bilder derjelben in das Mailer getvorfen wurden, pflegte noch
lange unter Abfingung trauriger Lieder ftattzufinden (j. Grimm, Deutſche Mythol. IL, 733).
Nur durch graujame Strafgefehe wußte man das rohe, heidniſch gejinnte Volt zu hrilt: «6
licher Sitte und Beobachtung kirchlicher Satzungen zu bringen. Wie Boleslam, felbit
noch halb ein Barbar, die Frevel feiner Graufamfeit durch Abbüßungen nad der Tare
der Bußregel wieder gut zu machen meint, fo fennt er nur die furchtbarſte Strenge als
Mittel zur Zügelung des wider die firchlichen Gebote, namentlich auch gegen die ſchwere
Abgabe des Garbendecemd an die römische Geiftlichkeit fich auflehnenden Volke. Ehebruch so
und Unzucht wird mit fchredlicher Verftümmelung, Fleiſcheſſen in der Faſtenzeit mit Aus:
khlagen der Zähne beitraft; „dern die göttlichen Gebote”, fagt Thietmar IX, 2, „die erit
neuerdings in diefem Lande bekannt geworden find, werden durch foldhen Zwang befler
befeftigt, ale durch ein von den Bilchöfen verordnete allgemeines Falten. Boleslams
Untertbanen müſſen gehütet werden, wie eine Heerde Rinder, und gezüchtigt, wie ſtöckiſche 56
Eſel, und find ohne ſchwere Strafe nicht jo zu behandeln, daß der Fürſt dabei be-
fteben kann“.
Mieczyslaw II. trug in der Weiſe feines Vaters Sorge für die Erbaltung und ‚Für:
derung der Kirche. Er baute Kirchen, er jtiftete ein neues Bistum, Cujavien, in dem
Wendenlande an der Weichſel; in drei Sprachen, lateinisch, griechiſch und polnisch, ließ er eo
Reals@ncyllopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 5
66 Mieczyslaw
den Gottesdienſt in ſeinem Reiche halten (ſ. den ſchon angeführten Brief der Herzogin
Mathilde an ihn bei W. Gieſebrecht II, 657). Aber die von ihm eifrig geförderte Kirche
wurde nach feinem Tode 1034 in die fchredliche Zerrüttung des polnifchen Reiches mit
a nden. So wenig batte die äußere gewaltſame Skeiftianiierung die Kirche be
5 feitigt, daß jet die Exiſtenz derfelben und des Chriftentums auf dem Spiele ftand. Viele
vom Adel und Volk fielen ins Heidentum zurüd; die Städte und Kirchen waren weit
und breit verwüftet. Die Laien lehnten ſich auf wider den Klerus. Bon Deutichland
aus gejchah nichts mehr zur Stügung und Befeltigung der wankenden polnijchen Kirche.
Das Erzbistum Magdeburg batte unter Konrad II. feines großen Miffionsberufs für den
10 Often und befonders für Polen immer mehr vergejjen; fein Einfluß auf die polniſche
Kirche oder die Verbindung diefer mit der deutjchen Kirche hörte fett 1035 gänzlich auf,
indem das Bistum Poſen fich fortan unter das Erzbistun Gnejen ftelltee Gneſen murde
dur) den Herzog von Böhmen zerftört, der die Gebeine des bl. Adalbert nah Prag
übertrug (f. Ludwig Giejebrecht, Öitendifche Geſch. IL, 75— 78). Zwar richtete Caſimir,
15 Mieczyslaws II. Sohn, der mit feiner Mutter Ricbenza, einer Nichte Kaiſer Ottos IIL., in
Deutſchland Zuflucht gefunden hatte, nach Wiedereroberung feines Erbe die verwüſtete
Kirche wieder auf, indem er fie und fein Yand unter den Schuß der deutjchen Königs⸗
macht jtellte. Aber es währte lange, ebe die fejten Ordnungen derfelben wieder hergeftellt
wurden. Non neuem wurden fie gewaltig erjchüttert, als Boleslaw II., der ſich unter
20 kluger Benutzung der Zivietracht der deutichen Fürſten 1076 von 15 Bilchöfen hatte zum
König krönen laffen, wegen feiner rohen Gewalttbaten von Biſchof von Krafau mit dem
Bann belegt wurde, diefen dafür an beiliger Stätte mit eigener Hand ermordete und
dadurch eine Empörung des gejamten Adels wider fihb und einen furchtbaren Bürgerkrieg
bervorrief (j. chron. Polon. I, 27--30).
25 Die Zuftände der Kirche Polens blieben, nachdem ihre Ordnungen unter dem toben,
graufam gemaltthätigen Boleslam III. noch mehr zerrüttet, dann aber infolge feiner
wegen feiner vielen Frevelthaten beiviejenen Reue und Buße wieder bergeftellt worden,
in den nachfolgenden Zeiten beitändig von den ich wiederholenden politiichen Wirren
abhängig, jo daß eine gedeihliche Entwidelung derjelben in Pflanzung und Pflege chrift-
so lichen Lebens nicht möglich war. Tie in den loſen Flugſand ihres Bodens zur Zeit
politischer Ruhe eingedrüdten Spuren innerlichen Ehriftentums wurden durch die politif
Stürme immer von neuem verweht; die kaum in denjelben gepflanzten Keime wurden
immer wieder herausgerilfen und verrichtet. Die Miſſionsthätigkeit der polnifchen
Kirche nahm zwar unter Boleslaw III. wieder einen neuen Aufihwung. Bon Polen
85 ging Die Chriltianifierung Pommerns durch Biſchof Otto von Bamberg im zweiten Viertel
des 12. Jahrhunderts aus. Boleslaws Krieger geleiteten ihn in das nad) langen hart⸗
nädigen Kämpfen unterworfene Yand der Pommern. Der politifchen Abhängigkeit Pom⸗
merns von Polen und dem von feinen politifchen Intereſſen unzertrennlichen Eifer Bo⸗
leslaws für die Ausbreitung des Chriftentums dafelbjt iſt das fchnelle Gelingen der
40 Miſſionsarbeit Ottos zuzufchreiben (ſ. L. Giefebrecht, Wendiſche Gefchichten II, 252—288).
Auch nach Preußen war man ſpäter eifrig bemüht, die Kirche auszubreiten, um es der
polniſchen Herrſchaft deſto ſicherer zu unterwerfen. Solche Miſſionsbeſtrebungen waren
aber nicht ſowohl ein Zeichen vom inneren Leben der Kirche als vielmehr von der poli-
tiihen Energie der Fürſten. Die Zerjtüdelung des Neichs nad Boleslaws Tode (1139)
45 unter feine vier Söhne hatte wieder für lange Zeit Zerrüttung und Verwirrung ber
Kirche zur Folge; fie kam bis zur Zeit der Neformation bin nie zu einer ruhigen inneren
Entwidelung.
& einer tieferen Cinführung des Chrijtentums in das innere Leben, in das Her,
den Geijt und Willen des polniichen Volkes, zu einer Darauf gerichteten Thätigfeit der
so Kirche konnte es unter den fortdauernden Erjchütterungen, welche die Kirche teils oe
der willkürlich und gemwaltthätig in ibr Inneres eingreifenden Fürſtengewalt, teils infolge
der aus ihrer Mitte jih bis zur Neformationszeit bin erbebenden Oppofition gegen Rom
und das Papſttum erfahren mußte, nicht gelangen.
Die Fürſten überjchütteten entweder aus jelbjtjüchtigen und Parteiintereſſen die Geift-
65 lichen mit Gütern und Privilegien auf Koften des Adels und des Volles, deſſen Haß
gegen fie dadurch noch mehr gejteigert wurde, während der fittlihe Zuftand des Klerus
dadurch immer mehr verderbt wurde, oder fie tafteten die Nechte und Güter der Bistümer
gewalttbätig an und erniedrigten die zu maßloſer Herrſchaft und verderblichem Reichtum
gelangte Geiftlichfeit zu deſto ſchmachvollerer Knechtſchaft. Eine Synode zu Leuchka 1180
so mußte den Fürſten bei Erfommunifation den Naub der Beligtümer verftorbener Biſchöfe
Mieczyslaw Migetins 67
verbieten. Durch die von Zeit zu Zeit von Ki der Fürften erfahrenen Begünftigungen
wurde die Geiftlichleit in fortvauernde Kämpfe mit dem faktiöfen Adel vermwidelt. Eine
fortvauernde befondere Urſache heftiger Streitigkeiten zwiſchen Klerus und Adel wie Laien
überhaupt war teild die Abgabe der Zehnten an die Kirche, teil die millfürliche Aus-
dehnung der geiftlichen Gerichtsbarkeit, fo namentlich unter der langen Regierung Kafimirs
des Großen (1333— 1370). Wiederholt wurden die widerſpenſtigen Bilchöfe von den
taubfüchtigen Fürſten in Feſſeln gefchlagen und die Fürften wiederum von den Bifchöfen
mit dem Bann belegt oder von den Päpften mit Interdikt bevroht.
Durch die ganze polnifche Kirchengeichichte zieht ſich andererjeitd in engem Zufammen-
bange mit dem nationalen Clement und dem Öegenfas des Slavismus gegen Romanis-
mus und Germanismus die DOppofition gegen das Papſttum, in der ſich Fürften, Adel
und Geiftlichkeit, ihres Haders untereinander vergellend, zuweilen vereinigten. Die Fürften
wahrten energifch das durch Otto III. einſt dem Boleslaw verliehene Hecht der Beſetzung
der Bistümer gegen päpftliche Anmaßung desfelben, befonders die Fürjten aus dem ja-
gellonifchen Stamme feit Ende des 14. Jahrhunderts. Papſt Martin V. beichwert ſich ı6
in Briefen an den König von Polen darüber, daß die Nechte und Freiheiten der Kirche
mit Yüßen getreten, daß die Maßnahmen und die Auftorität des päpitlichen Stuhles nicht
mehr gefürchtet würden, daß die Wahlen zu kirchlichen Amtern nicht mehr frei, und daß
Ausländer von denfelben ausgeſchloſſen feien (vgl. ee Kirchengeſch. II, 4, ©. 48. 49).
Gaftimir III. erlärte dem päpstlichen Legaten, der ihn aufforderte, den vom Papft ernannten 20
Biſchof von Krafau wieder einzufehen, lieber wolle er fein Königreich verlieren, und die
ftolze Antwort des Legaten: „beiler märe es, daß drei Königreich untergingen, als daß
en einziges Wort des Papftes zu fchanden würde”, blieb ein bloßes Wort. Gleichen
Proteſt gegen päpitliche Srmennung der Biſchöfe erhoben feine Nachfolger.
Nic minder erfcheint der polnische Klerus oft in Oppofition gegen Rom, indem 26
er das Streben nach Unabhängigkeit von dem unmittelbaren päpftlichen Einflug mit den
Zürften teilt. Daher ſchon die Klage Gregord VII. in einem Briefe vom Jahre 1075:
isoopi terrae vestrae ultra regulas sunt liberi et absoluti. Ein Biſchof von
Tofen tagte ed, das von Innocenz III. über einen Herzog verhängte Interdikt in feinem
Sprengel nicht befannt zu machen. Die Priefterehe war Tradition von den griechischen 80
Anfängen der Kirche ber. Daher unter dem polniſchen Klerus die allgemeine Oppoſition
gegen das Geſetz des Gölibats. Um 1120 waren alle Prieſter im Breslauer Sprengel
verheiratet; in der Mitte de 12. Jahrhunderts hatte es noch die Mehrzahl des polnifchen
Klerus und eine Synode von Gneſen (1219) beklagt, daß die früheren Verbote der
Prieſterehe ohne Wirkung geblieben ſeien. Ein denkwürdiger Akt der Oppofition gegen 86
das abjolute Bapittum war auf dem Coftniger Konzil jener’Appell der polnischen Nation
vom Papft an ein allgemeines Konzil, als Bapjt Martın V. die Schrift des Dominifaners Jo—
hann von Falkenberg, der im Intereſſe des deutfchen Ordens gegen das polnische Volt
und feinen König Mord und Empörung gepredigt hatte, nicht verdammen wollte. — Im
Adel und Bold wurde dur das arge Sittenverderben des Klerus, der die Güter der «o
Kirche in üppigem, ſchwelgeriſchem Leben vergeudete, durch Simonie, Unzucht, politiſche
Umtriebe, Zerreißung aller Bande kirchlicher Disziplin ſich um alle Achtung brachte und
feine kirchlichen Pflichten in gröblichſter Weiſe vernachläſſigte, eine immer weiter um ſich
i antiklerikale und antikirchliche Bewegung hervorgerufen. Das vom Klerus ver:
nachläffigte religiöfe Bedürfnis, welches ſich troß der durch denſelben mitverfchuldeten Ver: 4
bes Volkes in Gott: und Eittenlofigfeit befonders in den Zeiten allgemeinen
—— und Elendes im 15. Jahrhundert geltend machte, forderte immer mächtiger ſeine
iedigung. Dieſer Forderung kam auch hier die Reformation entgegen, welche nach
den geſchilderten kirchlichen Zuſtänden in Polen von allen Seiten offene Thüren fand.
D. Dr. Erdmann. v0
8
Migetins, 8. Jahrhundert. — Quellen: Elipandi epist. 1 bei MSL 96 S. 859,
ad el. ©. 918 und ep. epis. Hisp. ad. ep. Gall. L 101 S. 1330; Cod.
Carol. 95—97 MG EE III ©. 636 ff. — Graf Baudifjin, Eulogius und Alvar 1872; Hefele
Gonciliengefchichte III S. 628 ff.; Haud, KG Deutihlands IT ©.283.
Gegen Ende des achten Jahrhunderts erregte ein Spanier Namens Migetius oder 56
Pingentius durch feine Ausfagen über die Trinität Anſtoß. Wir kennen fie nur aus
den Bericht eines heftigen Gegners, de3 EB. Elipandus von Toledo. Wenn diefer fie
hat und treu wiebergiebt, fo lehrte Migetius drei körperliche Perſonen
in der Trinität: die Perfon des Vaters ſei (specialiter!) David, die des Sohnes die
5
68 Migetins Militſch
aus der Jungfrau angenommene aus dem Samen Davids, die Perſon des hl. Geiſtes ſei
im Apoſtel Paulus zu ſehen. Er ſetzte alſo in ziemlich roher Form an Stelle der kirchlichen
Trinität eine dreifache geſchichtliche Manifeſtation des einen Gottes. Eine Analogie mit
muhammedaniſcher Vorſtellung vom Prophetentum ließe ſich darin finden (Baubiffin), aber
5 jchwerlich eine bewußte; noch fraglicher ft es, ob man an Nachwirkungen des Priscillia-
nismus zu denken bat. Die bei Priscillian außerordentlich ſtark betonte Einzigkeit der
Gottesoffenbarung in Chriſto jchließt ihre Gleichfegung mit der Offenbarung in David
und Paulus aus. Dean wird demgemäß aucd den fittlichen Rigorismus des Migetius
nicht als Erbe aus dem Priscillianismus zu betrachten haben. Er war jo ſtark ausgeprägt,
10 daß noch im folgenden Jahrhundert Migetianer mit Donatiften und Zuciferianern zuſammen
genannt werben, Ep. Saul. Cord. ad Alv. bei Florez Espana sagrada XI ©. 166.
ber während bei Wriscillian die asfetifche Richtung der Ethik durchaus vorfchlägt,
handelte es ich für Migetius zunächſt um Zuctfragen: Die Priefter müßen, um die
firchlihen Handlungen vollziehen zu können, jündenfret fein (mas er, wenn Elipandus
15 nicht lügt, auch von fich felbit behauptete), die Gläubigen follen ſich nicht durch Tiic-
gemeinfhaft mit den Ungläubigen (Muham.) verunreinigen. Überdies fcheint er für das
irchliche Verbot des Genuſſes von Tierblut, das wohl in gotifche Sitte nicht überge-
gangen war, eingetreten zu fein. Eine fchon ältere Differenz über die Ofterfeier kam
hinzu, ebenfo, wie es fcheint, Erörterungen über die Prädeſtination, deren Gegner Wigetius
20 geivefen fein muß. Und dabei trat er in der durch die jarazenifche Herrichaft vom Fe
jammenbang mit Rom fait ganz losgelöften fpaniichen Kirche nit nachbrüdlicher Ver:
ebrung der römischen Kirche auf, melche er febr zum Arger des toletaniihen Prälaten
überfchwenglich als die allein fatholifche, reine, ja als das himmliſche Jerufalem pries.
Um diefelbe Zeit hatte der EB. Wilchar von Sens unter Zuftimmung des Papftes
35 Hadrian, offenbar um wieder NWerbindung mit der fpanifchen Kirche zu ſuchen, einen ges
willen Egila zum Bifchof geweiht und mit einem Presbyter Johannes als Wanderbifchof
zur Predigt des ortbodoren Glaubens und der bi. katholiſchen Kivche „in „partibus
Spaniensis provinciae“ dahin geihidt. Egila nahm in Spanien zahlreihe Mißſtände
wahr: Mifchehen mit den Ungläubigen, Konkubinat der Prieſter mit Eheweibern, ab-
80 weichende "Diterberechnung, Nichtbeobachtung kirchlicher Kanones. Unter dem Eindrud hier
von fcheint er mit dem kirchlichen Opponenten Migetius Fühlung gewonnen zu .
Deſſen Begeifterung für Rom und das Römische bildete ja obnebin einen Antnüpfunge
puntt. Die Spanier aber glaubten nun die beiden ihnen unbequemen Männer zugleich
befeitigen zu fünnen. Gegen Migetius erklärte fi) Elipandus in einem ausführlichen Lehr⸗
85 brief, und der ſpaniſche Epiffopat jtunmte ihm, twabrfcheinlih auf einer Synode zu
Sevilla, zu. Des Migetius Trinitätslehre machte «8 leicht, ihn für einen Häretiler zu
erklären. Ten fränkiſchen Wanderbiſchof aber denunzierte man in Rom als Anhänger
des Ketzers. Das Lebtere war vergeblid. Denn Egila wußte fi vor dem Papſte zu
rechtfertigen; feine Ortbodorie wurde ausprüdlih anerkannt, cod. Car. 96 ©. 644.
Doc hören wir nichts weiter von ihm. Auch Migetius, der nach Elipandus im füb-
lichen Spanien tbätig war, verfchiwindet, da ſich das Intereſſe dem nun ausbrechenden
adoptiantichen Streite zuwendet. Er wird bald geftorben fein; denn aus dem Klatfch,
den Elipandus wiedergiebt, läßt ſich folgern, daß er ein kranker Mann war.
Zeitlich laſſen id Ddiefe Vorgänge nur dadurch beftimmen, daß in Hadrians Ant-
45 wort auf die fpanifche Denunziation cod. Car. 95 S. 636f. auch der adoptianifchen
Lehre des Elipandus gedacht wird. Zie fallen aljo um 785. Hefeles Anja der Synode
zu Sevilla: 782 läßt fih nicht beweiſen. Möller (Hand).
Militärfeelforge |. Seelſorge.
Militih von Kremfier, geit. 1374. — Quellen zur Gefchichte des Milicius find
50 zunächſt jeine Werke in lateinischer, deutſcher und tſchechiſcher Sprache. In lateinifher Sprache
exiſtieren zwei Arebigtfammlungen Gratia Dei und Abortivus. Beide finden fi) in mehreren
Handidhriften; die Sermones synodales bilden einen Teil des Abortivus, ein Sermo
clerum de dedicatione cecclesie, da8 Quadragesimale (Saftenprebigten) und die Prothemata
de beata virgine, von denen Balbin und Voigt beridyten. Cein Libellus de Antichristo ed.
55 Mencit in Veitnit (Sih.:Ber. d. kgl. böhm. Gef. d. Wiſſenſch.) 1890, ©. 328—336. Eine
Citatenſammlung: Sermo de die novissimo. Seine Briefe find nur teilmweife erhalten: ber
an Urban V. ijt von Meneit in Vöſtnik l.c. S. 318—325, Fragmente von anderen in der
Vita Milicii publiziert. Die deutſche Predigtfammlung Militſch' iſt nicht erhalten, ebenfos
wenig Deutjche &ebete, Die es einſt im 14. Jahrhundert gab. Das legtere gilt auch von den
Militſch 69
tichechifchen Gebeten, die wie jene nach der Predigt verleſen wurden. Sonſtige Schriften in
tſchechiſcher Sprache werden Militih mit Unrecht zugefchrieben. gu jeinen Biographen ge-
hört einer feiner Schüler, ein Geiftliher niederen Ranges, der Militih nad) Avignon ge-
leitete. Deſſen Vita venerabilis presbyteri Milicii praelati ecclesiae Pragensis einft von
Balbin Miscell. IV B- II 44—64 herausgegeben, liegt jeßt in der neuen Ausgabe Emlers in 5
den F. F. rer. Boh. I, 401-430 vor. Einen Bericht über das Leben des Militich fchrieb ein
anderer Borläufer des Huk Matthias von Janow in feinem berühmten Wert Regulae V. et
N. Testamenti. Das Stüd findet fich jetzt gleichfall8 in F.F. rer. Boh. I, 431—436. Ein Bruch⸗
itüd über da8 Zeugenverhör gegen Milie |. Mendit wie oben S. 317—318. Die Echreiben
Gregors XI. in Raynaldi Ann. eccl. a. a. 1374. Die 12 Artikel des Militih ſ. in Balady,
Die Borläufer ded Hufitentums in Böhmen, N. Ausg. Prag 1869, S. 39—43. Die Articuli
declaratorii contra eundem ebenda ©. 43—46. Einzelne Alten über die XThätigleit bes
Militſch in den Acta consist. Pragensis ed. Zadra im Hift. Arch. der tichech. Akademie I.
Neuere Ritteratur: Tome, Gef. v. Prag III (tſchechiſch); Palady, Die orläufer f. oben;
lady, Geſch. Böhmens III, 1; Neander, Allg. Geſch. der chriſtl. Rel. u. Kirche II, 2, 16
. 767— 772; Lechler, Johann v. Wichif II, 118—122; Loſerth, Hub u. Wiclif, S. 50—53.
Neuere tſchechiſche Litteratur geringerer Bedeutung . in Klicmand Artikel Milie im XVII. Bd
des Slovnik nauẽny ©. 342.
In der Neihenfolge der Männer, die man feit Jac und Neander als die Vor:
läufer des böhmischen Reformators Johannes Huß zu bezeichnen pflegt, trotzdem die Art 20
ihrer Wirkſamkeit eine weſentlich andere und der Einfluß, den fie durch Wort und Schrift
auf ihn genommen, ein p winziger iſt, daß er kaum wahrgenommen wird, ſteht Militſch
an zweiter Stelle. Er iſt in dieſer Beziehung Nachfolger des trefflichen Predigers Konrad
von Waldhauſen, einſt Angotinercherherrn in Oberöſterreich, dann Rektors der Kirche zur
bl. Maria vor dem Frohnhof in Prag, deſſen Thätigkeit als Kanzelredner und Lehrer 36
des Volkes eine jo erfolgreiche war, daß fie dem bedeutenditen Gefchichtichreiber Böhmens
in jenen Tagen nicht unbemerkt geblieben it. Wenn man diefe jogenannten Borläufer
nicht der Zeitfolge nad), jondern nad den Ergebnifjen ihrer Wirkſamkeit beurteilt, fo
muß Militſch zweifellos an die erjte Stelle gejeßt werden. Ergab ſich diefer Sad):
yalt ſchon aus dem wenigen Material, dag in der Zeit Paladys und Neanders von 80
den Schriften des Militich befannt war, fo mird er noch weſentlich durch die ausführ-
liheren Auszüge aus den Predigten des Militich, feiner Schrift vom Antichrift und dem
wichtiger Briefe verftärkt, den er 1367 an Papſt Urban V. geichrieben hat: Schriften,
die in jüngfter Zeit durch den Drud befannt worden find. Militſch — fo lautet
jein Taufname, Matthias von Janow überfeßt ihn mit carissimus, der Liebſte — 86
wurde zu Kremfier in Mähren, man weiß nicht, in welchem Jahr, von armen Eltern
eboren. Man kennt den Gang nicht, den feine Bildung genommen hat. Es murde
erkt, daß er faum an einer deutfchen Schule ftudiert haben dürfte, da er erſt fpät,
fein Biogroph fagt im Greifenalter, die deutſche Sprache erlernte. Aber diefe Angabe
des Biographen iſt durchaus unrichtig. Wenn wir Militfch in der Kanzlei des deutichen 40
Kaiſers Karl IV. beichäftigt fehen und ihn durch zivei Jahre mit dem Hofe des Kaifers in
deutfchen Gegenden, vornehmlich in Nürnberg, finden, jo muß er wohl damals ſchon des
Deutichen mächtig geweſen fein, ohne deſſen genauere Kenntnis er wohl faum Aufnahme
in die deutſche Reichslanzlei gefunden hätte. Ob er in Deutichland, in Italien ſtudiert,
ob er feine Ausbildung in der Heunat erhalten, was wohl das Wahrjcheinlichite iſt: «6
darüber ift nichts ficheres überliefert. Man nimmt an, denn ficheres iſt auch hierüber
nicht befannt, daß er um 1350 zum Geiftlichen geweiht worden und dann in die Dienfte
des Markgrafen Johann von Mähren eingetreten fe. Er kam dann in die Ffaiferliche
Kanzlei. Dort war er 1358—1360 als Regiftrator, die beiden folgenden Jahre als
Korrektor thätig. In diefer Eigenjchaft begleitete er den Kaiſer ins Reich, mas ihm 50
Gelegenheit bot, der Stellung des Aatjertums als ſolchem eine eingehendere Betrachtung zu
widmen. Er nennt e8 als Beifpiel „eines in fich geteilten Landes“: Karl IV. habe
feinen Biſſen Brot, den ihm nicht Böhmen gewähre. Bon Papſt Innocenz VI. erhielt
Militib 1361 die Provifion auf eine Pfründe. Er wurde Kanonikus und Schatzverwalter
der Prager Kirche (1362). Vom Erzbiſchof zum Archidiakon ernannt, erfüllte er als 66
ſolcher feine Pflichten im Gegenſatz zu den Archidiakonen, wie man fie damals und fpäter
kannte, mit größter Gewiffenhaftigfeit: „er begehrte von den Pfarrern, die er vifitierte,
nichts als ihr eigenes und das Geelenheil der ihnen anvertrauten Gemeinden”. In
asketiſcher Selbitzucht trug er ein härenes Gewand auf bloßem Leib. Plötzlich Iegte er
(1363), des Treibeng der Welt müde, feine Amter wieder, angeregt wie einſt der hl. Franz go
zisfus, durch die Worte des Herrn, zur evangeliichen Armut. Der Erzbiſchof — «8 mar
u
0
70 Militſch
der treffliche Arneſt von Pardubitz — ſah ihn ungern ſcheiden. Was könnt Ihr, Herr
Militſch, ſagt er ihm, wohl beſſeres thun als Eurem Herrn helfen, die ihm anvertraute
Gemeinde zu weiden? Militſch lehnte das nicht unbedingt ab; er war entſchloſſen, fich
ganz der Predigt zu widmen; doch wollte er erſt ſeine Tauglichkeit hierzu erproben und
5 zog nach Biſchof⸗-Teinitz, mo er ſich in feiner Thätigkeit übte und voll von Entſagung
—9— auf jene unſchuldigen Vergnügungen Verzicht leiſtete, die ihm der ſchattige Garten
des dortigen Pfarrhofes gewähren konnte. Schon nach einem halben Jahre konnte er die
Stätte ſeines Wirkens in Prag aufichlagen: er predigte erft in St. Nillas auf der Klein⸗
feite, dann bei St. Egid in der Altſtadt. Sein Zubörerkreis war anfänglich Hein. Man
10 war in Prag an glänzende Kanzelredner gewöhnt, während er eine in den befleren Kreifen
der Bürger wenig geachtete Sprache redete (aus denn Cab des Biograpben: licet ab
aliquibus propter incongruentiam vulgaris sermonis derideretur, darf man nidt
mit Palady und Neander berauslefen mollen, daß er wegen des ungewohnten Klanges
feines mähriſchen Dialektes verlacht wurde. Es war eben etwas bis dahin ungebräud-
15 liches, in tichechifcher Sprache zu predigen). Sein linkiſches Gebahren, feine Vergeßli
teit bei der Verkündigung der Stirchenfefte erregten anfangs viel Heiterleit. Seine Freunde
rieten ihm zum Nüdzug: gebe es doch in Prag jo bedeutende Prediger, und mie winzig
jet ihr Erfolg. Militih erinnerte fie, daß auch Chriftus anfangs verladht wurde, und
blieb feſt. Allmählich zog er fich eine Gemeinde heran, die zu ihm hielt; feine ftrengen
0 Worte gegen den Hochmut der Menge, ihre Habſucht und Unzucht fchlugen in den Herzen
Vieler Wurzel: „Weiber legten ihre ftolzen Gewänder, die mit Gold und Edelfteinen ver:
vierten Hauben und anderen Pub ab, öffentliche und geheime Sünder thaten Buße,
Wucherer gaben ihre Beute zurüd u. ſ. w.“ Von feltenem Eifer erfüllt, predigte er zwei⸗
mal, ja wenn e3 Not tbat, ſelbſt vier- und gelegentlich wohl auch Klnfmal des Tages.
25 In die große Frage, die Damals viele beivegte, ob es dem Menſchen erlaubt ſei, bäufig
oder gar täglicd das Abendmahl zu nehmen, bat, fo meit man fieht, auch Militich ein-
egriffen — freilich mehr praktiſch als theoretiih. Seinen Worten ließ er die That
Folgen: er gab dahin, was er hatte; die Gaben, die er erhält, teilt er mit den Armen.
Er predigte nicht nur in Prag fondern auch auswärts, vor allem in feiner mährifchen Heimat.
so Der Zudrang des Volkes wird immer ftärter. Neben der Predigt zieht ihn das Studium
der hl. Schrift am meilten an: „Von ibr wurde er weitaus heftiger entzündet, nach ihr
fehnte er fih mehr als nach Türperlicher Nahrung.” Und do, fo groß die Erfolge des
Militih bisher waren, fie gewährten ihm nicht die gewünſchte Befriedigung. Er erfannte
wie er felbit jagt, „daß er nur dann, wenn er in fich jelbft die Sünde befiegte, vom
35 Brote des Lebens eſſen dürfe, das in der Erkenntnis der bl. Schrift beſteht.“ & wollte
jene Weisheit erlangen, die niemanden trügt, aber auch felbft nicht getäufcht wird, bie
Mittel kennen lernen, durch die er fich jelbft und der Kirche zu helfen vermöchte. Eine
innere Stimme ruft ihm zu, das Kreuz auf fich zu nehmen, fih in einen ſtrengen Orden
Aurüdqugichen, der Predigt zu entfagen, weil ihm zu dieſer der innere Beruf fehle.” Mit
40 Mühe bringen feine Ratgeber — und man darf bier, ohne fehl zu gehen, wohl an feinen
freund und Gönner Konrad von Waldhauſen denten — ihn von ſolchen Plänen ab,
aber jo weit ringt er fich durch, daß er durch längere Zeit das Predigen einftellt. Bald
fommen neue Anfechtungen über ibn, deren er aus eigener Kraft nicht Herr werben kann.
Er denft an die Weisfagungen von der Ankunft des a und vertieft ſich auf den
45 Nat feines Beichtvaters bin in dag Studium der Bibel. Aufs tiefite ergriffen lieſt er
die Worte Mattbäi im 24. Kapitel vom Gräuel der Verwüftung an bl. Stätte und von
den Anzeichen des kommenden Meltgerichtes. Er möchte milfen, wann biejes erwartet
wird. Vergebens forjcht er bei jübdifchen und chriftlichen Gelehrten. Er entichließt fich,
zum Papſt zu zieben, denn dieſer allein wird feine Zweifel löfen. Es ift die Beit, in
50 der die Rurie ihren Sig von Avignon nach Nom verlegt, und auf dem päpftlichen Stuhl
Int Urban V., der beite der avignoneſiſchen Päpſte, ſchon bei Lebzeiten ein heitigmäßiger
Mann. So ziebt Militſch im Frühling 1367 nah Nom. Dort kommt ihm die
leuchtung, wie die danielifchen Tage zu verfteben jeien. Menn man zu den 1335 Jahren
bet Daniel (XII, 12), denn das follen Daniels „Tage“ bedeuten, jene 42 Jahre ad»
65 diert, die vom Tode GChrifti, da das „tägliche Opfer” abgetban ward, bi8 zur Zerſtö⸗
rung Serufalems verfloffen find, fo gelangt man auf das Jahr 1367. Es iſt fein
Zweifel, daß danach das Jahr 1367 das Jahr der Vollendung ift. Das Ende tft nahe.
Und nun findet er auch, daß alle Anzeichen des Untergangs, wie fie das Evangelium fchildert,
vorhanden find, denn mehr als je ift die Liebe des Menfchen erfaltet. Er behält fein
co Geheimnis im Anfang bei fih. Ta fih die Ankunft des Papftes verzieht, will er nad
Militſch 71
Avignon gehen. Wieder iſt es eine innere Stimme, die ihm zuruft, mit ſeinen Anſichten
nicht zurückzuhalten. Er läßt eine Ankündigung an die Kirchenthore von St. Peter heften,
darin ſagt er, er wolle predigen, daß der Antichriſt ſchon gekommen ſei, und Klerus und
Volk ermahnen, auf daß ſie für den Papſt und Kaiſer beten, damit ſie die hl. Kirche in
geiſtlichen und zeitlichen Dingen fo ordnen, daß die Gläubigen ihrem Schöpfer mit Sicher:
beit zu dienen vermögen. Militſch kam nicht dazu, feine Predigt zu halten. Die In—⸗
quifition nahm von feinem Vorhaben Kenntnis und feste ihn gefangen in dag Minoriten-
Hofter Ara Celi auf dem Kapitol. Hier wird er mit der Folter Bedroht, wenn er feine
Antichriftmeinungen nicht vortragen wolle und das mar der Grund, weshalb er feinen
„Libellus de Antichristo“ oder mie fte richtiger heißt, feine „Prophecia et revelatio 10
de Antichristo“ im Gefängnis der Minoriten nieberichrieb. Sie enthält Tein Wort
über eine durchgreifende Reform der Kirche. Dabei unterwirft er fich und fein Büchlein
ganz dem Urteil des Papftes, denn „dieſem zer allein gegeben, Geilt und Schrift zu prüfen”.
Er erwies ſich ſonach von guter Gefinnung und wurde denn auch nach der Ankunft des Papſtes
(Oktober 16) aus der Haft entlaflen. Nicht genug daran, er gewann das Wohlwollen 16
des Kardinald von Albano, Ange Grimaud, des Bruders des Papftes; ob dies auf die
Bermittelung Konrads von Waldhaufen zurüdzuführen ift, der ald Auguftiner mit dem
Kardinal als einjtigem Prior eines Auguftinerllofters Verbindungen hatte, wie jüngſtens
bemerkt wurde, mag dahın geitellt bleiben. Die Quellen geben bierüber keine Auskunft.
Militich mar eine dem Papft und dem Kardinal durchaus tongeniale Natur, als daß 20
fie nicht aneinander Gefallen gefunden hätten. Bor feiner Abreife aus Nom überreichte
er dem ft noch ein Schreiben, voll von fchweren Klagen über die Gebrechen in der
Kirche; zu ihrer Heilung thue ein allgemeines Konzil Not. Gute Prediger müflen ausgeſandt
werden, das chriftliche Voll zu belehren. Es iſt ja begreiflidh, daß Milttfch, den feine
Berechnungen über die Ankunft des Antichrift fo handgreiflich getäufcht hatten, auf dieſe 26
Studien nicht wieder zurückkam. Sie hatten ihm lange genug hart zugelegt und ihn
bereits in ſchwierige Lagen verfeßt, ehe er noch nach Rom ging. Wie und Matthind von
Janow berichtet, ließ er ſich einit in feiner Predigt — er ſprach wohl mwieder von der
Ankunft des Antichriftt — von feinem Eifer fo fehr hinreißen, daß er vor der verfam-
melten Menge mit dem Finger auf den Kaifer Karl IV. hinmweifend in die Worte aus: 80
brach: „das ift der große Antichrift”, wofür er freilich eine zeit lang hinter Schloß und
Riegel büßte. Diefe Periode war nun vorbei. In Prag von der großen Gemeinde feiner
Anbänger mit Jubel begrüßt, zum Arger der Bettelmöndhe, die von ihren Kanzeln herab
ſchon trumpbierend gemeldet hatten, Militſch würde verbrannt werden, gab er fidh mit
größerem Eifer als jemals zuvor feiner Thätigfeit als Prediger und Lehrer des Volkes hin. 86
b einmal, aber nur aus kurze Zeit und man weiß nicht aus welchem Motiv, zog er
nah Rom. Es war zu Beginn des Winters von 1369. Noch ehe er heimgefehrt war,
war am 8. Dezember 1369 fein großer Genoſſe Konrad von Waldhauſen gejtorben, und
nun begann Militich als fein Nachfolger an der großen Teynkirche die Predigt dafelbit.
Er predigte dort täglich in deuticher Sprache, böhmiſch in St. Egid und feit 1372 in @
feiner Stiftung Serufalem. Über die Art feiner Predigt und feine Erfolge find einige
Andeutungen zu machen. Zunächſt machte die Kühnheit, mit ber er der unwürdigen
Geiftlichkeit, vor allem den Bettelmönchen, zu Leibe ging, Aufjehen, dann aber auch die
Driginalität jeiner Sprache. Es mochte Leute geben, die fchon früher hinter feinen
Predigten Ketzerei getwittert hatten. Damals twaren in Prag zwei Gelehrte von großem 45
Anfel Der eine war Albertus Rankonis de Ericinio, deſſen Huß einmal als des
zierlichften Redner gedenkt, der andere der Dekan Wilhelm von Hafenburg. Ihnen über:
gab der iſchof des Militih Predigten zur Durdficht und Prüfung. Adelbert lehnte
ibre Verbeſſerung mit den ſchönen Worten ab: Es kann meine Aufgabe nicht fein,
Werke einer Verbefferung zu unterziehen, die unter der offenbaren Einwirkung des hl. Geiſtes 50
verfaßt worden jind. Die feine Predigten wurden dann aud) fleißig kopiert, im ganzen
Land und weit über die Grenzen Böhmens hinaus verbreitet. Sie enthielten, was die
Menge anzog. Sie reben in ergreifenden Worten: fo wenn Militſch, um nur ein Bei:
fpiel berauszuheben, die Liebe und den Schmerz der Gottegmutter fchildert, wie in ihrem
Herzen doppelte Liebe lebt, die zu ihrem Cohn und zum ganzen Menſchengeſchlecht und 56
doppelter Schmerz es zerreißt, der über den Tod ihres Sohnes und über unfere Ber
dammnis, wie aber die Liebe zum Menjchengefchlecht ſelbſt den Schmerz über den Tod
ihres Sohnes überragt. Seinen Zeitgenoffen erſchien es tie ein Wunder, daß er für
feine Predigten alles das in wenig Augenbliden zufammenitellte, wozu ſelbſt gelehrte
Männer Donate brauchen. Dabei iſt feine Predigt nicht etwa eine Ausleje von Gitaten. 60
12 Militſch
zieh er Autoritäten herbei, fo gefchiebt e8 in maßvoller Weiſe. Er entnimmt feine
eifpiele gern dem alltäglichen Leben und der Natur. In Träftigen Tönen weiß er bie
Laſter zu ftrafen, und die fittliche Energie feines Weſens erzielte von Jabr zu Jahr ſich
fteigernde Erfolge. Es war fein Ruhm, über 300 öffentlibe Dirnen zu unbefcholtenem
6 Leben und ehrbarer Hantierung jurüdgeführt zu haben. Er errichtete an der Stätte,
wo bisher der Venus geopfert worden war (im Bollsmund Venedig genannt), mit
Unterftügung des Kaifers und anderer frommer Perſonen eine vornehmlich der bl. Mag:
dalena geweihte Stiftung für gefallene und ſodann büßende Frauen: Jeruſalem genannt,
to dieje früheren Gejchöpfe der Sünde, obne in einem wirklichen Klofter zu jein, ein
so zurüdgezogenes auferbauliches Leben führten. Am ſtärkſten freilich wirkte feine Rebe, —* er
den Sündenpfuhl berührte, in welchem er den größeren Teil des zeitgenöſſiſchen Klerus, vor
allenı die hochgeitellten Prälaten, verfunfen fah. Da ift ihm kein dort ſtark genug, um ihre
Unzucdt (adulteriis, fornicationibus, incestibus carnalibus, mulierum amoribus,
amplexibus, concubinarum cohabitationibus, meretricum commereiis se ingerunt),
15 ihre Hab- und Genußſucht (non laborant nisi sint lucra et pingues praebendae),
ihre Völlerei und Trunkſucht (die ac nocte bibunt et devorant sicut porci) und
andere Lafter zu ſchildern. Wie machte er ſich über ihre Gewandung luftig, in der fie
Harletinen glichen. Man begreift, daß dieſer Klerus einen Prediger hafte, der ſich nicht
icheute, wie ung die Gerichtsaften des Konſiſtoriums in Prag, die Acta iudiciaria, |
20 felbit gegen den Erzbiſchof aufzutreten, ſich freilich zum Schluß, denn der Erzbiſchof felbft
ift tadellos, vor ihm in tiefer Demut beugte. Dazu kommt der alte Haß der Bettel:
mönche, die ihn ſchon vorlängft verklagt hatten, daß er fie Betrüger geicbolten, indes er
bloß die gläubige Menge nicht an fie, Sondern an ihre Ortöpfarrer wies. Dazu fommt
endlich die Entrüftung der Pfarrer felbft, in deren Seelforge er durch die Errichtung von
3 Jeruſalem eingreift. Diefer Klerus bringt feine Klage 1373 vor die Provinzialſynode
Herriich werden feine Anhänger, die Militianer, zurüdgedrängt. Aber noch halten Kaiſer
und Erzbifchof ihre jchügende Hand über den Dann, deſſen unvergleichliches Wirken im
Intereſſe der Geſellſchaft fie durchaus billigen. Der Klerus erreicht mit feinen Anklagen
in Prag nichts. Da fehlt es freilih nicht an Schelt- und Schimpfworten für Militſch.
20 Er wird Begharde genannt und Heuchler geſcholten. Gefährlicher wird die Anklage, die der
Prager Klerus nunmehr in Avignon ſelbſt führt, durch einen Magiſter Johannes Klen⸗
koth twerden bei der Kurie zwölf Klagepunkte eingereicht. Cie betreffen feine Lehre vom
Antichrift, feine Strenge gegen den Wucher, feine Lehre vom häufigen Abendmahl, bie
Gründung von Jerufalem u. |. w., aber auch ſeinen angeblichen Haß gegen das Studium
86 der freien Künſte, das er für ſündhaft gehalten haben ſoll. Die Kurie verlangte Bericht.
Ein Schreiben an die Erzbiſchöfe von Prag und Gneſen, an die Biſchöfe von Olmütz,
Leitomiſchl, Krakau und Breslau verlangte Bericht, was an den zwölf Artikeln wahres ſei.
Am 13. Februar 1374 ſandte Gregor XT. endlich noch ein Schreiben an Karl IV.: Er
babe vernommen, daß ein gewiſſer Milicius unter dem Schein der Heiligkeit ſich das
40 Vredigtamt anmaße und ketzeriſche Lehren im Böhmerlande und den Nachbarprovinzen
auoſtreue. Der Kaiſer werde den Biſchöfen ſeine Hilfe nicht verſagen. Der Erzbiſcho A
hatte Sorge, nicht weniger um feinet: als um des Predigers Willen. Militich fpra
ihm Troſt zu. Er appellierte und begab fich felbft nach Avignon, wo fih alles zu feinen
Gunften wandte. Auch diesmal war es Grimaud, der die Hand über ihn hielt. Klen—
45 koth ſelbſt erflärte, in den Artikeln nichts keheriſches zu finden und ſie nur auf Betreiben
eines Prager Pfacrers vor den Papſt gebracht zu haben. Die Rechtfertigung Militſch
war fo vollſtändig, daß er vor den Kardinälen predigen durfte und von Kardinal
von Albano zur Tafel gezogen ward. Bald nachher jtarb Klenkoth, worüber Militich
Berichte nach Prag ſandte. Er felbjt erkrankte nicht lange nachber. Sein Ende er-
60 wartend, nahm er von feinen Freunden, fo namentlih von Grimaud und ben Herren
von Rofenberg brieflih Abfchied. Als Grimaud das Schreiben las, fagte er: So ſehr
unſer Herr, der (verſtorbene) Papſt Urban V., durch Wunderwerte glänzt, ih meine,
Militſch wird noch früher heilig geſprochen werden. Militſch ſtarb am 29. Juni (das
„in die sancti Petri“ des Biographen fann aber auch der 1. Nuguft fein) 1374. Auf
655 Die Hunde biervon fan es in Prag zu einer getwaltigen Erregung der Gemüter, deren
Nachwirkung in dem Bericht des Biographen noch deutlich zu Tage tritt. Mili ch war,
wie ſchon Lechler hervorhob, ein wahrhaft ehrwürdiger Mann der „inneren Miſſion, der
in der Vorzeit des Huffitentums teils durch feine Predigt in der Volksſprache teild durch
befondere Beachtung der Kommunion Epoche machte.“
co J. Loſerth.
Mi Milner 13
Mil, Kohn, geb. 1645, geft. 23. Juni 1707. — gl. Dictionary of national
biography, Bd 37, London 1894, ©. 388b — 390b und Gregory, Textkritik des NT Bd 2,
Leipzig 1902, S. 945— 947.
Der Sohn eines Weberd namens Mil, Milln, oder Milne (fo bie Sohn Mil
bis 1673) in Hardendale, Parochie Shap, Weitmoreland, bezog Kohn Mill 1661 Dueen’s
College in der Univerfität Orford, und erhielt den Baccalaureus artium 1666, den
M. A. 1669, den B.D. (divinitatis) 1680, D.D. 1681. Er war „fellow“ feines
Kollegiums 1670— 1682, wurde 1670 ordiniert und zum „Tutor“ ernannt, war Kaplan
Sr William Palmer's zu Warden in Bedfordfhire, 1676 Kaplan des Bilchof3 von Ereter
Thomas Lamplugh, 1677—1705 „prebendary“ von Greter, 1681 bis zum Tode 10
„rector“ (Oberpfarrer etwa) von Bletchington in der Grafſchaft Orford, 1685 „prin-
eipal“ von St. Edmund Hall in der Univerfität Orford, 1694 „proctor“ der Kleriter
der Diöcefe Canterbury in dem Unterhaufe der „Convocation“, 1704 „preben-
dary“ von Canterbury. Seine Unpopularität als Menjch geht uns hier nichts an. Big
dabin war der griechifche Tert des NTs nur dürftig herausgegeben worden. Der Or 15
forder Profeflor Edward Bernard richtete Mill Aufmerkſamkeit auf diejen Text, und
zehn ‚ Biichof von Oxford, der ar im Sabre 1675 eine namenloje aber wertvolle
ine Ausgabe bejorgt batte, übergab dem Mill jeine Vorarbeiten und übernahm die
Koften des Anfangs der von Mil zu veranftaltenden Ausgabe. Feld Tod im Jahre
1686, als die Ausgabe nur bis Mt 24 gediehen war, fjcheint Mill entmutigt zu haben, 0
und das Werk erichien erit im Sabre 1707 vierzehn Tage vor feinem eignen Heimgange.
Mil gab den Tert von Etienne vom Jahre 1550, bi8 auf einunddreißig Stellen, wieder.
Das Beiwerk aber, namentlich der kritiſche Apparat, mar von einer vorher nicht an⸗
näbernd erreichten Ausführlichkeit, und brachte Mills eigene Anficht über den Tert an
den Stellen, die er nicht gewagt hatte zu ändern. Das Vorwort befprady mit ftaunene- 26
werter Gelehrfamteit, a) die Bücher des NT und den Kanon, b) die Gejchichte
des Tertes, und ce) die Art diefer Ausgabe Wie weit Mill feiner Zeit vorausgeeilt
war, erhellt aus den heftigen Angriffen Daniel Whitbys, der die vielen Lesarten im
Apparat als eine Gefahr für den Beitand des Tertes erachtete, und aus dem Umitand,
daß Küſters ergänzter Neudrud der Ausgabe, Amjterdam 1710, immer wieder mit neuen 80
Titeln, wie Leipzig 1723 und Amſterdam 1746, angeboten wurde. Die Ausgabe Mills
war die erfte wahrhaft große Ausgabe des griechifchen NT und fteht noch heute vor:
nehm und beachtensmwert ba. Gafpar Rend Gregory.
Millennium ſ. d. X. Chiliagmus Bd III ©. 805.
Milner, Joſeph, geit. 1797 und Iſaak, geft. 1820. — Eine Biographie Joſeph 85
Milners von feinem Bruder ift der PBredigtiammlung, f. u., vorgedrudt. Life of Isaac Milner
by Mary Milner, London 1842. Dictionary of National Biographie Bd 38 ©.17 (J. H.
Overton) u. ©. 9 (3.8. Clark).
Die durch ihre Kicchengefchichte bekannten Brüder, Joſ. u. Sf. Milner, der erftere
am 2. Januar 1744, der lettere am 11. Sanuar 1750 geboren, ftammten aus einer un: 40
bemittelten Familie in Leeds und erhielten ihre Erziehung in der lateinifchen Schule
ihrer Baterjtadt. Joſeph, von Kind auf kränklich, hatte ſich der befonderen Teilnahme
und Yürforge feines Lehrers Divore zu erfreuen. Schon in feinem 13. Lebensjahre galt
er ala ein „gelebrter Junge” und fette durch fein Willen und fein außerordentliches Ge-
bachtnis die Erwachſenen in Erftaunen. Er war eben zum Abgang auf die Univerfität «
bereit, als fein Vater, der in Geſchäften Unglüd gehabt hatte, ftarb und feine Familie
in fümmerlihen Berbältnifjen hinterließ. Doch durch die Bemühungen feines Lehrers
und einiger einflußreicher Freunde erhielt Joſeph eine Art zreiftelle in Cambridge ale
Chapelclerk in Satherine-Hall, Iſaak aber wurde als Lehrling in einer Mollfpinnerei unter:
gebracht. Joſeph ſtudierte fleißig und mit ſolchem Grfolge, daß er die Kanzlersmedaille vo
für Haffiiche Philologie davontrug (1766). Nun aber waren feine Geldmittel erichöpft,
fein Freund Moore gejtorben, und es blieb ihm feine andere Mahl, als die Univerfität
zu verlafien und eine Hilfslehreritelle an einer Schule anzunehmen. Doch nah Kurzem
wurde er zum Rektor der lateinifchen Schule und Wesperprediger in Hull emannt — ein
Amt, das er 30 Jahre lang verfah, bis er faft einftunmig von der Stadt Hull zum Über: 56
pfarrer gewählt wurde. Er ftarb aber nur wenige Mocen nacber am 15. November
1797. — Auf Kanzel und Katheder zeigte ſich Joſeph Milner ale ein gleich tüchtiger
Mann. Die vorher vernadhläfligte Schule hob ſich unter ihn zuſehends. Durch fein mufter:
1 Miluer
de minder ale durch feine Kennminſe erwarb er ſich die Achtung und
ln A at icin Andenken durt ein Grabdenkmal in der Hauptkirche zu
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Milner 75
Vorliebe diefem neuen Berufe zu. Er hatte früher fchon neben feinen mathematiichen
Studien die Theologie nicht vernadhläffigt und mar in der üblichen Stufenfolge der aka⸗
demifchen Grade zum Dr. Theol. aufgeitiegen. Mit den FTirchlichen Zeitfragen war er
vertraut und nahm einen lebendigen Anteil daran, wie unter anderem feine Verteidigung
der Bibelgejellihaft gegen die Angriffe de® Dr. Marſh zeigt. Seinem Bruder, mit dem 5
er auf innigite verbunden war und in deſſen Haufe er feine Ferien meijt verbrachte, hatte
er wohl bauptfächlich feine religiöje Richtung zu verdanken, und wenn aud feine Fröm⸗
migfeit nicht die beitimmte Färbung mie bei Joſeph hatte, fo mar er doch je länger je
mehr mit ihm ein in dem lebendigen Glauben an das Evangelium, und in dem Streben,
demfelben wieder die Hi nk innerhalb der englischen Kirche zu erringen. Sein Ein- 10
fluß erſtreckte fich auch auf meite Kreife, da er in den vielfachen Beziehungen zu den
bedeutenditen Männern feiner Zeit ftand, wie — um nur einen zu nennen — Wilber-
force, mit dem er befonders befreundet war. Seine allfeitige Bildung, fein anziehendes
Weſen, frei von aller Angjtlichkeit und Einfeitigleit, zeigte deutlich, daß wahre Frömmig-
feit möglich ſei auch in einem anderen Gewande ala dem eines engherzigen, abſtoßenden 15
Methodismus. Unter den Begründern der evangelifchen Partei in der englifchen Kirche
wird fein Name immer mit Auszeichnung genannt werden. Dr. Milner beichloß fein
—— langes Leben in dem Hauſe ſeines Freundes Wilberforce in London am
1. April 1820.
Das Werk, wodurch die Brüder Milner auch über die Grenzen ihres Vaterlandes 20
hinaus befannt geworden find, ift ihre Aiechengehchichte („The History of the Church
of Christ. 1794“ u.}. w.). Joſeph hatte dabei den Hauptantel. Er hat den Plan
enttoorfen und bis gegen die Reformation bin durchgeführt. Die drei eriten von ihm
jelbit herausgegebenen Bände reichen bis zur Gefchichte der Waldenjer die er bis zum
16. Jahrhundert herabgeführt bat. In feinem Nachlaſſe fand ſich das nur teilweife be- 25
arbeitete Material für die Geſchichte der Vorläufer der Reformation und Luthers.
aat Milner verarbeitete diefeg und gab 1803 einen 4. Band ber Stirchengeichichte heraus.
in 5. Band, welcher wohl faſt ganz Iſaaks Merk ift, folgte 1809. Gleichzeitig beforgte
er eine neue, vielfach verbeſſerte Auflage der eriten Bände. Eine neue vermehrte Ausgabe
folgte 1816. Milner beabfichtigte eine Fortfegung des Werkes, das er ala die Haupt: so
aufgabe feines Lebens anjah, fam aber nicht zur Ausführung. Eine neue ebenfall3 ver-
befierte Auflage bat Dr. Grantham im Jahre 1847 beforgt. Ins Deutfche wurde bie
Geſchichte von Peter Mortimer 1803 ff. (2. Auflage 1849) überſetzt.
Joſeph Milner wollte die Kirchengeſchichte vom Standpunkte des praftiich-religiöfen
Bedürfniſſes aus bearbeiten. Nur ein Verſuch, die Kirchengefchichte in dieſer Weiſe zu 85
behandeln, war in England feit den Tagen des Martyrologen Foxe gemacht worden, und
zwar von John Newton in feiner Review of Ecelesiastice History, 1769, ein Wertchen,
das Milner zuerft ven Gedanken an eine ſolche Arbeit eingab. Über feinen Plan und fein
Verhältnis zu den übrigen Bearbeitungen der Kirchengefchichte Ipricht ſich Milner in dem
Vorwort zu dem eriten Bande aus. Er beitimmt zunächit den Begriff der Kirche Chrijti «0
als „die Succeffion frommer Leute”, d. h. folcher, die ihr Leben nad) den Regeln bes
Reuen Teſtamentes geitaltet, die die Lehre des Evangeliums geglaubt, fie um ihrer Vor:
trefflichkeit willen geliebt und alles für Schaden geachtet haben, um Chriftum zu getvinnen,
wobei es gleichgiltig fei, welcher äußeren Kirchengemeinfchaft fie angehörten. Sie Aufgabe
der Kirchengeichichte ift demgemäß nichts anderes, ald die Gefchichte diefer Frommen zu 45
äblen. Alles andere, wie Riten und GCeremonien, Kirchenverfaflfung und äußere Gefchichte,
igiöfe Kontroverjen, fofern fie nicht Beziehung haben auf das Weſen der Religion
Chriſti — iſt Nebenfache. Es ergiebt fich von felbit, wie fi von Milners Standpuntte
aus die Kirchengefchichte geitalten mußte. Was ſonſt den Anhalt der Kirchengefchichte
ht, tft ihm nur der ferne Hintergrund, aus dem die frommen Perfünlichkeiten als so
Hauptfiguren bervortreten. Dieje bat er mit großer Sorgfalt gezeichnet und dabei
nicht bloß ihr Yeben ausführlich befchrieben, ſondern auch viele Auszüge aus ihren Schriften
gegeben, und fo vielen bejonders für die Erbauung dienenden Stoff zu Tage gefördert,
der in anderen Kirchengefchichten ſich nicht findet. Den firchenbiftorifchen Stoff teilt er,
der älteren Methode folgend, nad) Jahrhunderten ein und giebt von jedem eine kurze 55
Gharakteriſtik. Von einer Periodeneinteilung, die auch von feinem Standpunkte aus
möglich geweſen wäre, ift Taun eine Spur zu entdeden. Die drei erſten Jahrbunderte
(Band I) harakterifiert er gar nicht und hebt nur hauptfächlih Nanatius und Gyprian
bervor, jenen als Märtyrer und Vertreter des urfprünglichen Epiſtopalſyftemo, daß er in
Uſſhers Reduced Episcopacy am richtigſten dargeſtellt ſieht, dieſen als einen Stern oo
76 Milner
eriter Größe, in deſſen Geichichte er nach langem Suchen nad chriftlicher Vortrefflichkeit
einen Nuhepunft findet. ;zür die Bedeutung Tertullians und der Alerandriner bat er
fein Verftändnis. Auch bei den 4. und 5. Jahrhundert (Band ID) iſt es ibm „ſchwer,
eine zufammenbängende Anjhauung aus dem firchenbiftorifchen Material zu gewinnen“.
8 Er jtellt einfach die michtigften Erjcheinungen nebeneinander. Die Stellung der Kirche
unter den Schuß des Staates giebt ibm Anlaß zu einer eingehenden Erörterung der
Vorteile und Nachteile des Staatsfirchentums, mas zum Beiten gehört, das er gejchrieben,
und ihm viele Angriffe, namentlih von dem Presbnterianer Dr. Haweis (gegen den
Iſaak Milner ſpäter jchrieb) zugezogen bat. Sehr ausführlih iſt der arianiſche Streit
10 behandelt, wobei die Arianer übel wegkommen. — Iſt für die vier erften Jahrhunderte eine
Periodeneinteilung nicht verfucht worden, jo fcheint doch das fünfte als epochemachend
bervortreten zu follen. Denn in diefem, wird gejagt, ift eine neue Geiftesausgießung,
befonders in Auguftin, zu gemahren. Um deifen Berfon gruppiert ſich das Meiſte, mas
in diefem Jahrhundert zu berichten iſt. Reiche Auszüge werden aus feinen Confessiones
ı5 und der Civitas Dei gegeben, woran fich ein Überblid über feine anderen Werke und
eine kurze Abhandlung über feine Theologie anschließt. Auch der pelagianifche Streit
wird ausführlich behandelt, aber die großen Konzilten find kaum berührt. — Dieſer zweite
Band ift ohne Frage am fleißigften und tüchtigjten bearbeitet. Der dritte Band umfaßt
die acht Jahrhunderte vom jechiten bis zum dreizehnten. Tiefe Zeit nennt Milner „die
20 dunkle Periode, in der faun noch die Umriſſe der Kirche Chriſti zu fehen find”. Das
Jahr 727 macht einen Einjchnitt in diefe Periode, denn in demſelben kommt der Antt-
hrilt zur Reife. Won da an bie etwa 2000 n. Chr. berricht das Tier aus dem Ab-
grund und mweisfagen die zwei Zeugen 1260 Jahre. Die wahre Kirche ift (in jenen
acht Jahrhunderten) nur noch in der Heidenmiffion und in einzelnen PBerfonen, tie
26 Anjelm, Bernhard von Clamvaur und in den Waldenſern zu finden. it beſonderer
Liebe verweilt der Verfaffer bei Bernhard, aus deifen Schriften viele mitgeteilt wird.
Ausführlih it die Gefchichte der Waldenſer bejchrieben und über die Grenzen des
13. Nahrbunderts hinaus bis zur Reformation fortgeführt. — Mit den Vorläufern der
Reformation beichäftigt fi im Anſchluß an die Waldenſergeſchichte der vierte Band, den
80 Iſaak Milner mit Zufägen und Verbeſſerungen aus feines Bruder? Nachlaß heraus
gegeben bat. Hier finden Großtefte, Bifchof von Yincoln, und Thomas Bradiwardina,
Erzbiſchof von Canterbury, ihre Stelle; auch Weſſel, Savonarola und Thomas a Kempis.
Am fleigigiten behandelt aber find MWichf und die XZollarden (jo weit dies bei den da⸗
maligen fpärliben Mitteln möglih war), Huß und die Huffiten. Die Gefchichte Luthers
85 und der deutichen Neformation bis zum Reichstag zu Worms füllt den Reſt vieles
Bandes, und die Fortfegung dieſer Gefchichte bis zum Reichstag in Augsburg den fünften,
der faft ganz Iſaaks Werk ift. Nur die Umriſſe und Grundgedanken zu diefer Gefchichte
rübren von Joſeph ber. Einen gründlicheren Kemer und begeifterteren Lobredner Luthers
als Iſaak gab es bis dahin in England nicht. Beide Brüder haben das Verdienſt, Die
0 Bedeutung Yutbers und der deutſchen Reformation zum erftenmal bei ihren Yandsleuten
zur Geltung gebracht zu haben. War cs in jener Zeit gewöhnlich, die Reformation aus
politiihen und anderen ſekundären Gründen zu erflären, fo faben fte den Finger Gottes
m jedem Zchritt der Reformation, in Yutbers Perſon und Werl das Walten des
bl. Geiſtes, der zunächſt dieſen Mann zu einer neuen Kreatur in Chriſto Jeſu um-
65 geichaffen und fo zu einem auserwählten Rüſtzeug gemacht babe, um nad) taufendjähriger
Berdunfelung das große Prinzip der Nechtfertigung durch den Glauben wieder zur Gel:
tung zu bringen. Und neidlos erfannten fie, daß die Reformation außerhalb Deutſchlands
aus dem von Yutber ausftrömenden Yichte berzuleiten fei.
Eine wiſſenſchaftliche Bedeutung wird man dieſer Kirchengefehichte jo wenig zus
50 Schreiben wollen, als eine ſolche von ihren Verfaſſern beabfichtigt war. Hiſtoriſche Kritik
und Quellenforſchung tt in dem Werke nicht zu juchen, obwohl anerfannt werden muß,
daß befonders bei jonit vernachläjligten Partien der Geſchichte häufig aus den Uuellen
geicböpft wird. Am meiſten fünnte man — abgefeben von manchen Ungenauigfeiten be
fonders in den früberen Musgaben - den zu Grunde gelegten einjeitigen Begriff der
65 Kirchengeſchichte anfechten, der nicht bloß wichtige Entwidelungemomente der Gefchichte
als unweſentlich auf Die Seite ſchiebt, fondern eine hiſtoriſche Entmwidelung überhaupt gar
nicht zuläßt. Toc genau genommen, wollten die Verfaſſer nur chriftliche Lebensbilder in
geſchichtlichen Rahmen geben. Und fo betrachtet, läßt ich gegen Plan und Ausführung
des Werkes nichts eimvenden. Tie damalige Zeit nahm eine feindliche Stellung gegen
co das Ghriftentum ein, jab von der Höbe der jelbjtgenugfamen Aufllärung mitleidig auf
Milner Miltiades 77
den berglauben früherer Jahrhunderte herab, die Gefchichte wurde häufig nach ab:
jtraften Theorien oder zu Parteiziweden konſtruiert. Da baben die Milner der Kirche
einen großen Dienſt damit geleijtet, daß ſie die Kraft des Ghriftentums in den großen
Kirchenmännern und frommen Ghriften der Vorzeit nachwieſen und diejelben in fchlichter,
aber lebendiger Erzählung, jo wie fie waren, der Gegenwart zur Beichämung und Nach: 5
abmung vorführten. Indem fie jo das chriftliche Leben zur Darftellung bradıten, haben
fie eine Lücke in der Kirchengefchichte ausgefüllt und find einem vielfach gefühlten Be
dürfnis entgegengelommen. “Daher auch diefe KKirchengejchichte in England und Deutſch⸗
land in meiten Kreifen mit großem Beifall aufgenommen worden ift. Lange blieb fie die
einzige populäre Kirchengejchichte vom religiöfen Standpunfte aus, big ein deutjcher Meiſter 10
in demjelben Geiſte, aber nach einem moiljenjchaftlihen und unfafjenderen Plane den
firchengefchichtlichen- Stoff bearbeitete. C. Schoell r.
Miltiades. — Der unbelannte, Heinaftatiiche, antimontaniſtiſche Schriftiteller, aus
deflen im Jahre 192 (193) verfaßten Werk Eufebius (h. e. V, 16f.) Auszüge mitgeteilt
bat, citiert unter anderem eine montanijtiiche Schrift, welche gegen ein Syngramma „des 16
Bruders Miltiades” gerichtet war. Das Thema dieſes Syngramma fcheint der Sab ge:
weſen zu fein, daß ein Prophet nicht in Efitaje fprechen dürfe; mehr erfahren wir nicht:
denn das, was auf h. e. V, 17, 1 folgt, iſt nicht aus der Schrift des Miltiades ge-
nommen. In dem fog. „Leinen Labyrinth” gegen die Artemoniten (Erzerpte bei Eufeb.
h. e. V, 28) beruft jich der römische Verfaſſer (Hippolyt?) auf Zeugen Kir die Gottheit 20
Chriſti (v. 4) mie folgt: „Es find aber auch noch von einigen Brüdern Schriften vor-
banden, die älter find als die Zeiten des Victor, welche dieſe gegen die Heiden zur Ver:
teidigung der Wahrheit und gegen die damaligen Härefien gejchrieben haben, nämlich von
Juſtinus, Miltiades, Tatianus, Clemens und mehreren anderen, in welchen allen Chriſtus
Gott genannt wird” (Beoloyeitaı 6 Xoworös). Endlich, ebenfalls am Anfang des 3. Jahr: 26
bunderts, hat der Carthaginienjer Tertullian (adv. Valentin. 5), wo er von feinen Vor:
gängern in der Beitreitung der Valentinianer und ihren instructissima volumina be-
richtet, folgende aufgeführt: „ut Justinus, philosophus et martyr, ut Miltiades,
ecelesiarum sophista, ut Irenaeus, omnium doctrinarum curiosissimus explo-
rator, ut Proculus noster, virginis senectae et christianae eloquentiae digni- 80
tas“. — Aus diefen Stellen läßt ſich entnehmen, daß Miltiades, ein chriftianifierter Phi:
Iofopb wie Juftin, ein Zeitgenofje Tatians, wahrſcheinlich Kleinafiat, fih um 160 oder
170 (man beachte, daß ihn ſowohl der römiſche Schriftiteller als Tertullian auf Juſtin
folgen läßt) durch verſchiedene Schriften ſowohl gegen die Heiden und Keßer, als auch
(im Beginn des montaniftifchen Streits) ald Antimontanift in der ganzen Kirche einen 85
Namen gemacht hat. Die eine Notiz, die uns der Unbefannte überliefert hat, Miltiades
babe den Sat verteidigt, daß der Prophet nicht in der Efitafe fprechen dürfe, fichert dem
M. ein bleibendes Andenken in der Kirchengefchichte; denn, foviel wir wiſſen, iſt Miltiades
der erſte, der in der Heidenkirche diefen Sag aufgeftellt hat; noch Juftin und Athenagoras
ten darüber andere. Miltiades muß aljo ganz vornehmlich zu den neuen Theologen «0
gebört haben, welche den großen Umfchwung in den kirchlichen Anjchauungen, wie der:
jelbe durch den Ausgang des jog. montaniſtiſchen Streites bezeichnet tft, vollziehen halfen,
und auch feine chriftologifchen Sätze erfchienen dem jpäteren Gejchlecht gegenüber der by-
namiftiichen Anſchauung von dem Walten Gottes in Jeſu noch wertvoll. Wenn Tertullian
ibn „ecclesiarum sophista“ nennt, jo ift dies feinesfalls lediglich gleih philosophus 46
oder rhetor, oder foll nur den stilus elegantior bezeichnen; ift doch felbjt im Munde
Lucians und Mare Aureld gowıorns ein übles Wort (j. Peregr. Prot. ce. 13. 32, und
Bernays Abbandl. dazu [1879] ©. 109; M. Aurel, Meditat. I, 7, auch Tatian. Orat.
12. 35. 40; Justin, Apol. I, 14; dagegen Rhode, D. grieh. Roman ©. 293f.). Die
Rachweifungen, die Dtto auf Grund älterer Unterjuchungen (Corp. Apol. VI, 137 sqq.; so
IX, 3658qgq.) gegeben hat, verfchlagen nichts. Gewiß ift zu feiner Zeit oopaorijc ein
eigentliches Schmähwort geweſen; aber im Munde eines Tertullian fowohl wie in dem
Lucians und Tatians (ec. 35), den Verächtern deſſen, was damals Philoſophie war, hat es
doch einen üblen Nebengejchmad, wenn auch trogdem Tertullian den Miltiades unter die „viri
sanctitate et praestantia insignes“ einrechnet. Um der antimontaniftiichen Polemik 55
des M. willen bat Tertullian den Ausdrud gewählt (f. den Gegenſatz in den dem Pro—
culus geſpendeten Prädikaten; auch dad „ecelesiarum“ dort und das „noster“ hier ſt
nicht zu überſehen); er jagt es ja ausdrücklich (adv. Marc. IV, 20), daß über die Ei:
fafe zwiſchen Pſychikern und Montaniſten geftritten werde. Die Polemik gegen das Buch
78 Miltiades Milten
des Miltiades, welche kleinaſiatiſche Montaniften begannen, wird er in feiner großen Schrift
de eostasi fortgefegt baben, in welcher er fich auch mit Zleinafiatifchen Theologen nad
dem uns aufbebaltenen Fragment auseinandergejegt hat. Euſebius (h. e. V, 17, 5) at
der legte, der von Miltiades berichtet (er bat Bücher von ihm in Händen gehabt): „MR.
6 bat uns auch noch andere Denkmäler feines Fleißes zeol Ta Yeia Adyıa binterlaflen,
jofern er ſowohl an die Griechen als an Juden Schriften verfaßte und jeder der beiden
Anjchauungen eigens in zwei Büchern begegnete. Dazu bat er auch eine Apologie os
Tobg xoowxovs Aäpyovras für die Philoſophie, zu welcher er fich bekannte (f. zu
dieſem Ausdrud Tatıan c.31. 35; Melito bei Euseb. h. e. IV, 26, 7 etec.), ber t“.
w Unter den doyovres find nicht mit Valeſius die Provinzial-Statthalter, ſondern mit Otto
(l. ec. IX, 367 8q.) die Kaifer zu verftehen, d. b. aljo entweder Pius und Marc Aurel
oder diefer und Lucius Verus (geft. 170) oder — doch unwahrſcheinlich — M. Aurel
und Commodus. Die Schrift mit der ſyriſchen pfeudomelitonifchen Apologie zu identi-
fizieren (Seeberg i. d. Forſch. Zahns V, S. 237 ff.) iſt durch den Charakter dieſer Apo⸗
15 logie ausgeichloffen, jo nahe der Schreibfehler „Melito” für „Miltiades” liegt und ob-
gleich der Ausdrud „Philoſoph“ jehr wohl zu Miltiades paßt. Die Schriften, die noch
zu Eufebius Zeiten vorhanden waren, find verloren gegangen; mir erfahren nicht, daß
jemand nach Eufebius fie eingefeben hat. Hieron. de vir. ill. 39 und ep. ad Magnum
70 (84) fommt nidt in Betracht. Miltiades war wie Melito, jein Zeitgenofje, Apologet
3” und Polemiker zugleihb. Daß er in einer bejonderen Schrift, die Eujebius nicht gekannt
bat, die Gnoftifer (Valentinianer) widerlegt hat, iſt ſehr wahrſcheinlich. Schließlich fei
erwähnt, daß in dem Mlurator. Fragment ein undeutlicher Name vorkommt, in welchem
einen „Miltiades” ji erfennen nahe liegt, und daß Richardſon die Hypotheſe angefündigt
bat, in der pſeudoclementiſchen Litteratur ſeien vier Werte des Miltiades benust.
26 Adolf Haruad.
Miltiades Bapft |. d. U. Melchiades Bd XII ©. 548.
Milton, John, get. 1674. — Litteratur: M.s Werke in Boefie und Proſa in
vielen englijhen Ausgaben, die doctrina christiana aud) Braunſchg. 1827. Die wichtigſten
poetiihen Werte über‘ von Schumann (Stuttg. Cotta), Zachariae (Stuttg. Speemann), Bürbe
80 (Biblioth. d. Gejamtlitt. des Auslands) und ganz bei. Böttdher (Leipz. Reclam). Einige pro=
faijche überj. von Bernhardy (Leipz. Koſchny 1877), Auszüge von Weber. eine pä age
ihen 1. 3. B. Meyer, M.3 püdagog. Schr. und Aeußerungen (Langenjalza, Beyer, 1890)
und D. Joſ. Reber, M.S of education, engl. und deutih mit Einleitung u. Erklär. (Aſchaffen⸗
burg, Krebs 1893).
85 Zur Biographie: Engl. Hauptw. Majjon, The Life of J. M. (Cambr. von 1859 an),
außerdem Knigtley, Macaulay, Fletcher 2c. In Deutſchland: R. Pauli, Aufſätze z. engl. Geſch.,
Leipz. 1869, S. 348; H. v. Treitſchke, Hiſtor. und polit. Aufſ., Lpz. 1865, L, & 69: LXiebert,
J. M., Hand. 1860; D. ©. Weber, Zur Gef. d. Reform. Zeitalterd, Lpz. 1874, ©. 398;
Wülker, Geſch. d. Engl. Litter., Leipz. u. Wien 1896. Hauptw.: A. Stern, J. M. unb feine
40 Zeit, Lpz. 1877579; 3. M.s Theologie, der Unterz. in ThStKe 1879, ©..705.
John Milton ift zu Yondon den 9. Dezember 1608 geboren und dafelbit den 8. No-
vernber 1674 gejtorben. Sein Vater, John Milton, Notar, einer ftreng katholifchen, ur:
Iprünglich vielleicht adeligen ;yamilie von Orfordſhire entjtammend, war in feiner Jugend
nad London ausgewandert und zum Proteftantismus übergetreten. In feinem puritanifch
45 ſtrengen, doch auch den Künſten, befonders der Mufif offenftehenden Haufe wuchs der
zarte, frübreife Knabe mit einer älteren Schweiter (nachher verehelichten Philips) und
einem jüngeren Bruder (Chrijtof, der, fpäter Notar und royaliftiich gejinnt, unter König
Jakob II. fogar zum Katholicismus übergetreten fein joll) unter der Pflege einer treffe:
lihen Mutter beran. Den eriten Unterricht erbielt M. durch Hauslehrer (darunter der
co Später befannt gewordene presbyterianiſche Geiftlihe Thomas Young). Nachdem er unter
Führung von Alerander Gill, Vater und Sohn, mit legterem befreundet, die St. Pauls⸗
ſchule in London bejucht und dort fchon in anhaltenden, auch nächtlihem Studium, den
Grund zu feiner ausgebreiteten, gründlichen Kenntnis des klaſſiſchen Altertums, aber auch
zu jeiner fpäteren Erblindung gelegt batte, wurde er am 12. Februar 1625 Mitglied des
65 Christ-college in Cambridge. Obgleich wenig von der herrſchenden Lehrart befriedigt
und dadurch einmal in einen ernitlicheren Konflikt gebracht, der eine kurze Verbannung
(rustication) zur Folge hatte, vollendete er bier doch feine Studien und wurde 1632
magister artium. Seine erjten poctifchen Verſuche und die feinen Proſa-Werken eins
verleibten prolusiones oratoriae aus diefer Periode zeigen ſchon den hohen fittlichen
Milton 79
Ernft, die warme, innige Frömmigkeit, den freien, unbeugjamen Sinn, der, von der Wahr:
beit erfüllt, nie nad) den Menſchen fragt, fondern fich ftet3 nur vor Gottes ngejicht ge:
ftellt fühlt, wie ihn M. fein ganzes Leben hindurch, fich ſelbſt ſtets treu, feitgehalten hat.
Dabei ift fein Geiſt der Scholaftit und ihrem Formelkram abgeneigt und, der Anregung
Bacos folgend, mehr zur Natur: und Gejchichtöbetrachtung geneigt. Unter den Philo- 6
fopben iſt Plato fein Liebling. — Urſprünglich zum geiftlichen Amt bejtimmt, kann er
fih nicht dazu entjchließen, ein ſolches anzutreten (j. Laud und deſſen Beitrebungen).
Ich zog ein tadellojes Schweigen dem hl. Amt des Redens vor, das nur durd Knecht:
ſchaft und einen faljchen Eid erfauft werden konnte”. Auch fein Vater drängte nicht,
iondern gewährte ihm auf feinem Landgute Horton bei Yondon eine jechsjährige Ferienzeit,
die mit eifrigen Studien, befonders audy der neueren Sprachen und Yitteraturen, der Ge-
Ihichte und Mathematik, mit den Freuden des Landlebens und der Mufif ausgefüllt
wurde. Hier entitanden die eriten bedeutenderen poetifchen Arbeiten, ganz bejonders
l’Allegro und il Penseroso, die Arkadier, Comus, Lycidas 2c., die zwar noch von fremden
Vorbildern abhängig find, aber überall den ftreng Sittlichen Geiſt der Puritaner atmen. 16
Vom Frühjahre 1638 bis Wlitte 1639 fällt eine Studienreife durch Frankreich nad Italien
mit längerem Aufenthalt in Florenz, Rom, Neapel, Genf. Unter den bedeutenden Män:
nern, mit denen er in perfönliche $erübrung trat, waren Grotius, Galilei, Holiteniug,
Kardinal Barberini, Manfo. Neben den Triumphen, die ibm fein Dichtergenius brachte,
brachte ibm zugleich feine freimütige Ausfprache über religiöfe Dinge einige Gefahr. Zu: 20
üdgelehrt, ließ er fich in Xondon nieder, wo er fich, erfüllt von weitgehenden dichterifchen
ürfen, neuen Studien und der Erziehung und dem Unterricht feiner beiden Neffen
und anderer junger Xeute widmete. Die Streitigkeiten der Episkopaliſten und Vresbhte-
rianer veranlaßten ihn, 1641 und 42 in einer Reihe von Schriften (Über Reformation
in England, das Prälaten-Biſchoftum, das Weſen des Kirchenregiments, Bemerkungen auf 26
die Verteidigung des Remonftranten gegen Smectymnus, Apologie für Smectymnus) die
Anfprüche der erfteren auf Grund der Ausfprüche der hl. Schrift und der Thatjachen der
Geſchichte zu unterfucdhen. Die Presbyterianer find ihm hier mehr die unterdrüdte Partei,
bei der er die gefunderen Ideen über das Kirchenregiment findet, als bei den verhaßten
Gegnern, die ibre Macht nicht zur Förderung des Reiches Gottes angewendet, die Ph 30
vielmehr durch ihren Grundfaß no bishop no king ganz in den Dienft des königlichen
Abjolutismus begeben und dadurch, ſowie durch ihre Betonung der Geremonien, den drin-
genden Verdacht, den Katholicismus zurüdführen zu mollen, auf fih geladen hatten. Mit
einer überlegenen Derebjamteit, einer genauen Kenntnis des firchlichen Altertums, ver:
bunden mit einer umfichtigen Kritil, aber auch mit oft beigendem Spott und allen zu 35
feiner Zeit in ſolchen Streitigkeiten üblichen Derbbeiten, geht er feinen Gegnern zu Yeibe.
Dabei tritt dem Leſer überall das Pathos des von feiner Sache ganz erfüllten und mit
der ganzen Perſon dafür eintretenden Verfaſſers wohlthuend entgegen und macht das Auf:
begreiflich, das dieſe wie die fpäteren Streitichriften Miltons erregten. — 1643 von
einer Erbolungsreife mit Mary, der Tochter eines royaliſtiſchen Friedensrichters Powell 40
in Orfordſhire, verheiratet zurüdgefehrt, mußte er ſchon nad) vierwöchentlicher Ehe die Er-
fahrung machen, daß feine lebensluftige rau, der e8 in dem Haufe des Gelehrten zu
enge geiworben ar, von einem Befuche bei ihren Eltern, trog wiederholter Aufforderung,
nicht mehr zurückkehrte. Das veranlaßte M., ihr einfach einen Scheidebrief zuzufchiden
und in mehreren, a" Teil umfangreihen Schriften (die Lehre und Übung der Eheſchei⸗ «s
dung, das Urteil M. Bubers über die Eheicheidung, Tetrachordon und Golafterion) in
den Jahren 1644 und 1645 das englifche Eherecht anzugreifen, das wie das Kirchen:
tegiment im tmejentlichen unverändert aus der katholiſchen Kirche beibehalten worden mar
und die Scheibung bloß im Falle des Ehebruchs zugab. Ohne bier, wie er es auch fchon
in Bezug auf das Stirchenregiment gethan hatte, mit pofitiven für den Juriften und Poli= so
tiler brauchbaren Vorſchlägen berborzutreten, beſchränkte fih M. auf den Nachweis, daß
noch der Schrift die Scheidung auch dann erlaubt jei, wenn zwei Charaktere durchaus
nicht zufammenpaßten, zumal wenn ihre Ehe kinderlos ſei. Der Grundfaß, von dem er
aueging, war ber, daß ber Endzweck der Ebe die ebeliche Liebe fer, von der er ein hobes
md reines Bild entwirft, nicht aber das Ebebett. Die Ordnung der Sache bei den übrigen 55
teformierten Kirchen und unter den Neformatoren ganz beſonders die Autorität des in
England belannten und angejebenen Buger müjjen ibm feine Anfichten ftügen helfen, mit
denen er jedoch nur erreichte, daß fich die Presbyterianer einmütig gegen ibn mandten
und daß man die Vertreter einer leichtfertigen Scheidung Miltoniften nannte — Aus
dem Verkehr mit Hartlib und Commenius entjtand 1644 M.s kurze Schrift über Er: 60
er
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eine Schrift:
ua henfe bie Sa der —*
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arz 1549 in ben d
ichte er e nicht nur jeine gewaltigen i
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eine defensio pro populo anglicano gegen Claudius
15 jeine defensio — — und defensio pro se (leßtere verfönlich gegen Fr Morus und
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Arbeiten. Di eit vollendete j
30 Eee gie — ale ah = —— 1665, — Bien
jüng Th. Ellwood, ob er denn blo
dem verlorenen Paradieſe zu fingen habe, veranlaßte ihn, jein es 6 je:
35 jtaurationszeit, das Gefühl der äußeren ilflofigteit bei — —— ——*
innerer Kraft klingen in ſeinem 1671 efchienenen, ber antifen Tragödie nachgebildeten
Simson agonistes wieder. — Abgejeben von anderen wiljenjchaftlichen Arbeiten ne
Periode, einer quellenmäßigen Gedichte Englands (im deren 3. Bd zu Anfang er
über die Urſachen des Miplingens der Nevolution —— einer lateiniſchen Gram—
40 matik und umfaſſender lexikaliſcher Arbeiten für einen Thesaurus ling. lat., der Heraus—
gabe der Logik und bes Lebens des Ramus einer Beichreibunn Rußlands 5** die⸗
* die reifſten Früchte ſeiner Theologie. Die 1659 veröffentlichten kurzen, ———
reichen Schriften über ſtaatliche Gewalt in kirchlichen Dingen und über bie beiten
die Mietlinge von der Kirche fern zu balten, treten in der Weife von Noger Williams
45 für eine ftrenge Scheidung der ftaatlidyen und kirchlichen Intereſſen ein. In jener Schrift
weit er die S Verwerflichteit jedes Zwanges in kirchlichen Dingen nad, in dieſer tritt er
für die volle Freiwilligkeit im Verhältnis von Geiftlihen und Gemeinden ein. Auf
demjelben Standpunkt jteht die 1673 gedrudte Schrift über die wahre Religion. Wer
42 ohne blindlings anderen zu fol en, allein an Gottes Wort bält, bat Die wahre
so Religion. Mer fie nicht aus der vift nimmt, iſt eim Häretiker, wer bem Lehrer
höher hält ald den Glauben, ein Schismatiker. Jeder Protejtant hat daher Duldung zu
beanfpruchen; nicht jo der Katholik, deſſen Reli rg eine andere Art Götzendienſt und em
Vorwand zur Erlangung weltlicher Gewalt i s Eigenart zeigt am beiten jeine offenbar
nach jeinem Tode als ftaatsgefäbrlih und — mit Beſchlag belegte und hend;
66 —— wieder aufgefundene doetrina christiana. Sein Glaubensbegriff iſt ein durchaus
F er und individueller. Er erwächſt aus der hl. Schrift durch die binzufommenbe
eu⸗ tung durch den hl. Geiſt. Er iſt nicht am menſchliche Traditionen gebunden und
—* nen jo frei gegenüber, wie M. fein Leben hindurch den übrigen Gebilden der Ge
ſchichte in Staat und Kirche gegenübergeftanden bat. Es ift daher nicht zu verwundern,
so daß M. in Bezug auf die Trinität, die Homouſie Ehrifti, die Perfönlichkeit des hl. Geiftes,
Milton Minden | 81
die Prädeſtination, Schöpfung der Welt 2c., ebenſo feine eigenen Wege geht, die ihn oft,
icheinbar wenigſtens, mit den Unitariern, Arianern, Arminianern u. a. zufammenführen, mie
er in Bezug auf minder. Wichtiges, wie z.B. die Lehre von der Ehe und ihrer Köfung, der
Kindertaufe, Sabbathfeier 2c. feine Püdticht auf die rezipterten Anfichten nimmt. Es ift
ihm dabei nicht um Abfafjung einer im modernen Sinn mifjenfchaftlichen Glaubenslehre 5
und eine erfenntntismäßige Durchdringung des Stoffes zu thun, fondern nur um die Dar:
ftellung der deutlichen und für jedermann faßlichen Schriftlehre. Schwierigkeiten des Schrift-
worts werden dabei nicht nur durch eine jorgfältige Kritik. des Textes, jondern auch durch
eine oft überrafchende und kühne, oft auch ſophiſtiſche Exegeſe zu heben gefucht. Hilft fie
nicht zu voller Klarheit, fo begnügt ſich M. damit, nicht mehr wiſſen zu mollen, als Gott 10
u offenbaren für gut befunden hat. In feiner Abneigung gegen die Scholaftif, in der
itreng bibliichen und doch freifinnigen Gläubigfeit, in der religiöjen Wärme und Innig-
feit, die fich der kirchlichen Autorität gegenüberftellt, die, ſtreng gegen fich ſelbſt, es doch
veritebt, tweitherzig und duldſam gegen Die Überzeugungen anderer zu fein, in der Ver:
bindung der religiöfen und ſittlichen Intereſſen, der Glaubens- und der Sittenlehre, ft 15
M. ganz entichieden ein Vorbote und Prophet der neuen Zeit. Er iſt proteftantifcher
Individualift und Idealiſt. Darin liegt feine Größe und feine Schwäche. Darin ift er
topisch für die Periode der Revolution, der er jeine beften Kräfte gewidmet, ja fich felbft
geopfert bat. — Bon feinem Leben fei noch bemerkt, daß er Mary Powell, als fie nad)
längerer Trennung ihn darum bat, verzieh, daß er nach ihrem 1652 erfolgten Tode Ende zu
1656 in eine zweite, glüdliche aber furze Ehe mit Katharina Woopdftod trat und auf
Drängen feiner Freunde 1663 in eine dritte mit Eliſabeth Minfhul. Seine Kinder, drei
Töchter eriter Ehe (ein Eohn Johann war früh geftorben), gaben ihm manchen Anlaß
zur Beſchwerde. Gichtleiden führten feinen Tod herbei. R. Eibach.
Minder ſ. d. A. Arabien Bob I ©. 766, 54ff. 26
Minden, Bistum. — H. W. Erhard, Regesta hist. Westfaliae, acc. cod. diplom.
Bd I u. II, Münfter 1847 u. 1851 (Urt. bis 1200); Weftfal. UB. Bd VI bearbeitet von
H. Hoogeweg, Münfter 1898 (Urft. v. 1201-1300); Series episc.. Mind. MG SS XIII,
©. 289; Nettberg, KG. Deutſchl.s, Bd II, 1848 ©. 446; A. Haud, KG.Deutſchl.s, Bd IT,
2. Aufl.. 1900 ©. 390; % N. X. Holſcher, Bejchreibung des vormaligen Bistums Minden m
nah |. Grenzen, Archidiakonaten, Gauen und alten Gerichten, Müniter 1877; Eubel, Hierar-
chia cathol. med. aevi, 2 Bde, Münſter 1898 u. 1901.
Das Bistum Minden gehört zu den ſchon im 8. Jahrhundert organifierten ſäch—
Aieen Bistümern. Denn fein erfter Bischof Hercumbert oder Ercambert iſt aller Wahr:
ſcheinlichkeit nach identisch mit dem Ercanperachtes episcopus, der unter Abt Baugulf ss
:9— 802 eine Fuldiſche Urkunde, die wahrfcheinlih in das Jahr 796 gehört, unter-
ichnete (Dronte, c. d. Fuld. ©. 76 Wr. 132 ff.; vgl. Trad. Fuld. ©. 97 e. 41, 31:
rkanbertus eps de saxonia). Bielleiht war er urfprünglib Mönch in Fulda,
wurde dann Leiter der fuldifchen Miffion in Sachſen und trat fchließlich als Biſchof
an die Spibe der neugegründeten Mindener Diöcefe. Sie lag im Lande der Engern, «0
auf beiden Seiten der Weſer; die Dit: und Meftgrenze fielen mit der Stammesgrenze
gegen die Oſt- und Weſtfalen zufammen; die Südgrenze bildete eine Linie, die wenig
nördlich von Herford begann und im Norden von Korvey die Mefer überfchritt. Im
Rorden lief die Grenze links der Wefer auf der Mafferfcheide zwifchen den ſüdwärts zur
Aue und nordwärts zur Weſer flickenden Bächen, rechts der Weſer reichte das Bistum 46
Bremen in einem jchmalen Streifen bedeutend mweiter am Strom nad) Süden, tmährend
nah Nordoſten bin die Didcefe Minden fich bis zur Lüneburger Heide erjtredte. Seit der
Errichtung des Kölner Erzbistums gehörte das Bistum Minden zu diefem. |
Bifchöfe: Hercumbert, Haduwart, geit. 853, Thiadrich yefällen 880, Wulfar ge
tallen 886, Drogo 887—902, Adalbert geit. 905, Bernhar geft. 913, Liuthar geſt. 927, 60
Evergis geit. 950, Helmmward geit. 958, Yantivard geit. 969, Milo geit. 996, Ramward
geft. 1002, Thiedrich geft. 1022, Sigibert geſt. 1036, Brun 1037—1055, Egilbert geit.
1080, Bolcmar ermordet 1095, Udalrich geit. 1097, Widelo geit. 1120, Sigeward gelt.
1140, Heinrih 1140—1153, Wernher 1153—1170, Anno v. Blankenburg geſt. 1185,
Thietmar 1185— 1206, Heinrih 1206--1209, Konrad v. Diepholz 1209— 1236, Wil-⸗ 56
beim 1237 oder 1238—1242, Johann dv. Diepholz 1242 —1253, Wedekind von Hoya
1253— 1261, Kuno v. Diepholz; 1261—1266, Otto dv. Stendal 1267--1275, Volcwin
b. Schwalenberg 1275— 1293, Konrad v. MWardenberg 1293— 1295, Ludolf v. Rostorf
Real:Encyllopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIll 6
82 Minden Minucins
1295— 1304, Gottfried v. Waldeck 1304—1324, Ludwig dv. Braunſchweig 1324—1346,
Gerhard v. Schauenburg 1347—1353, Dietrih Kagelwit 1353—1361, Gerhard
v. Schauenburg 1362—1366, Otto v. Wettin 1368, Wedekind v. d. Berge 1369— 1398,
Markward v. Randeck 1398, Wilbelm v. Büfchen 1398— 1402, Otto v. Nietberg 1403
6 bis 1406, Wulbrand von Hallernunde 1407—1436, Alber v. Hoya 1437— 1473, Hein:
rih v. Echauenburg 1473— 1508, Franz v. Braunfchweig 1508—1529. Hand.
Minimen ſ. d. U. Franz von Paula Bd VI ©. 223.
Minoriten |. d. A. Franz von Affifi Bd VI ©. 197.
Minucius Felix, Marcus, Advokat in Rom im 2. Jahrhundert nad Chrifti Geb. —
10 Litteratur: I. Neben des Minucius. 1. Quellen: Lactantiug, Div. inst. I 11, 55;
V 1, 22. SHieronymus, De vir. illustr. cap. 58; ep. 83 ad Magnum ed. Ben. IV 2 p. 656;
ep. 35 ad Heliod. epitaph. Nepot. ed. Ben. IV 2 p.271; ep. 30 apol. ad Pamm. pro libr.
adv. Jovin. ed. Ben. IV 2 p. 236; comment. in Isaiam prophetam VIII praef. Euche⸗
rius, Ad Valerianum ed. Desid. Erasmus Basil. 1531 p. 301. — 2. Ueber die Lebenszeit
16 des Min. el. und die Abfafjungszeit des Octavius handeln: Franz Balduin, Dissertatio de
Minucio Felice, Heidelberg 1560; Joh. Dan. ab Hoven, Epistula ad Gerhardum Meermann
de aetate, dignitate et patria Min. Fel. Camp. 1762, 4° (abgebrud! in Lindner Ausg. II,
Zangenfalza 1773 S. 261— 319); 9. Meier, Commentatio de Min. Fel., Zürid) 1824, Soulet,
Essai sur l’Octavius de Min. Fel., Straßburg 1867 ; C. Rören, Minuciana, 2 ®rogr., I Bed:
% burg 1859, J Brilon 1877; N. Faber, De Min. Fel. commentatio, Nordhauſen 1872;
P. be Félice, Etude sur l’Octavius de Min. Fel., Blois 1880; Biltor Schulze, Die Ab—
faffunggzeit der Apologie Octavins des M. Min. Fel. in SprTh VII (1881) ©. 485508;
Rich. Kühn, Der Octavius des Minucius Selig, Diſſ., Leipzig 1882, Echwente, Ueber die Beit
des Minucius Felix in ZprTh IX 2 (1883) S. 263— 294; Friedr. Wilhelm, De Minucii Fe-
26 licis Octavio, Breslau 1887; E. Kurz, Ueber den Octavius des Min. Fel., Brogr., Burgdorf
1888, Scanz, Die Abfajjungszeit des Octavius des Minucius Felix, in Rhein. Muſ. 1895
I ©. 114—137; 9. zoenig, M. Min. Fel. ein Beitrag zur Geſchichte der altchriftl. Litteratur,
Progr., Königsberg Pr. 1897, €. Norden, De Min. Fel. aetate et genere dicendi, Greifs⸗
wald 1897. — 3. Einzelfragen: A. Ebert, Tertulliand Verhältnis zu Min. Fel. in Ab:
so handl. d. ſächſ. Akademie d. Wiſſenſch. V (1868) S. 321—386 (vgl. Geih. d. Litteratur des
Mittelalter 11874 ©. 24 f.; Behr, Der Octavius des Min. Yel.im Verhältnis zu Eicerod Büchern
de natura deorum, Sera 1870; Th. Keim, Celſus' aindıys Aoyos überf. u. erläutert, Zürich 1873,
&.151—168; 9. Deljau, Ueber einige Inſchriften aus Cirta, Hermes XV (1880) &.471—474;
G. Löfhe, Min. Fel. in ſ. Verhältnis zu Nthenagoras in IprTh IV (1882) ©. 168-178;
85 Ned, Dein. Fel. und Zertullian, THOS 1886 Wr. 1; M. X. Maffebieau, L’apologetique de
Tertullien et l’Octavius de Min. Fel. in Revue de l’histoire des religions XV 1887,
€. 316-346. — 11. Ausgaben. (Ueber die Handidriften fiehe be. Arnobius ed. A. Reiffer⸗
ſcheid, Vindobonae 1875 p. VII—XII) 1. Als 8. Bud des Arnobiuß: Fauſtus Sa:
bäus, Rom 1543, Sigismund Gelenius, Bajel 1546; Deſiderius Erasmus, Bafel 1560.
«02. Selbititändig: Franziseus Balduinus, Heidelberg 1560; Yulvius Urfinus, Rom 1583;
Sohannes Wowerus, Hamburg 1603; Gebhard Elmenhorft, I Hannover 1603, II Hamburg
1612, Defiderius Heraldus, Paris 1605. 1613, Nicolaus Rigaltius, Paris 1643; Jacob Ouze⸗
lius, Leyden 1652; Chriſtophorus Cellariug, Halle u. Magdeburg 1699; So. Davifius, ICante-
brig. 1707, II Glasguae 1750; ac. Gronovius, Leyden 1709; D. M. Boleti, Venedig 1756;
45 So. Gottlieb Lindner, Langenjalza I 1760; II 1773; Jo. 8. Prileszky, Tyrnaviae 1764;
Andreas Sallandi (Bibl. vet. patr. vol. IT), Venedig 1766; Ed. de Muralt, Züri 1836;
oh. Heinr. Bernh. Luebkert, „eipaig 1836; Migne (Patrolog. curs. vol. III), Paris 1844;
Oehler in Bibliotheca patr. eccles. Lat. selecta cur. Gersdorf, vol. XIII, Lips. 1847; Holden,
London 1853; 9. B. Kayſer (in us. schol.), Paderborn 1863; C. Halm (Corp. script. ec-
60 cles. lat. vol. II,) rec. et comm. critico instr., Wien 1867; H. Hurter (Patr. sanct. opuscul.
sel. vol. XV), Innsbruck 1871; 3.5. Cornelijjien, Leyden 1882; F. Leonhard, Namur 1883;
E. Bährens, Leipzig 1886; H. Voenig, Leipzig 1903; €. Norden (in Vorbereitung). —
3. Ueberjegungen: a) deutih: 3. ©. Appel 1735; J. P. Holländer, Frankfurt 1752;
Magnus Gottfried Lichtiver, Berlin 1763; J. G. Rußwurm, Hamburg 1824; oh. Heinr.
65 Bernd. Lübkert, Leipzig 1836; ©. Alleder, Triev 1865; Alois Bieringer, Kempten 1871
(in Bibliothef der Kirchenväter von Fr. X. Reithmayr, Kempten 1869 ff); B. Dombart,
2. Ausg., Erlangen 1881; H. Hagen, Bern 1890; b. franzöſiſch: Guil. du Mas, Paris
1637; Niclag Perrot d'Ablancourt, Paris 1646; Pt. du Ryer, Baris 1663; Pericaud l’aine,
yon 1825; c) engliſch: Rich. James, Oyford 16036; Lorain, London 1682; Combe, Lons
co bon 1703; William Neeves, London 1709 u. 1716; D. Saltympie (Lord Haile), Edinburgh
1781; d) ttalienifch: Poleti 1756; e) Holländiih: J. M. N. Elfevir, Amſterdam 1688;
M. Gorgonus, Vließing. 1712. — III Schriften zur Kritik und Erklärung: Joh.
Minncins 83
Meurfiud, H ritus Minucianus, Losduni 1598; Wopfen®, Animadversaria critica in Min.
Fel., Amstelod. 1737; Heumann, Emendationes in Min. Fel. (miscellan. Lips. nov. V (1747)
p. 476-503, VII (1749) p. 247—272, 421-478, VIII (1751) p. 115—134, 454—479;
%. &. Bremer, Epistola critica super aliquot Minucii locis, Quedlinburg 1780; ©. %. Stieber,
Observationes nonnullae criticae in quaedam Virgilii et Minucii loca, Progr., Onolsbaci 5
1791; Dombart, zu Min. el. in Jahrbb. f. klaſſ. Phil. Bd 99 (1869) ©. 393—437 u. Bl.
f. d. bayr. Gymn. IX (1873) ©.285—300; J. Maehly, Krit. Beitr. zu Min. Fel. in Sahrbb.
t. Hafl. Ehil. Bd 99 (1869), ©. 422-437; Bährens, Lectiones latinae, PDifi., Bonn 1870,
©. 22—31; 3. J. Eorneliffen, Annotiunculae criticae, Daventriae 1871; Synnerberg, Ob-
servationes criticae in Min. Fel. Octav., delfingford 1888; Sronenberg, Minuciana sive 10
annotationes criticae in Min. Fel. Octav., Lugd. Bat. 1889; Joh. Vahlen, De M. Min. Fel.
Octav. disputatio, Berol. 1894. — IV. Unterjuhungen über die Sprade des Mi-
nuciu8 Felix: Theiſſen, De genere dicendi M. Min. Fel., Diſſ. Köln 1884; Geiller, De
sermone Minuciano, Brogr., Augsburg 1893; Bloß, Der Spradygebrauh des Min. Fel.,
Brogr., Borna 1894; €. Börfflin, Min. Yel., ein Beitrag zur Kenntnis des afrifanifchen 16
Rateins, im Archiv für lateinische Grammatik und Lexikographie VII ©. 467—485. — Eine
vottftänbige Bibliographie des Min. Tel. ift erichienen in: Le Musée Belge XVI (1892)
Tr. u. 3.
Über die Lebensverhältniffe des Markus Minucius Felix läßt ſich aus den menigen
noch vorhandenen Zeugnifjen bei Lactantiug, Hieronymus und Eucherius nicht mehr ent: 20
nehmen, als da Minucius in Kom gelebt, dort ein angefehener und geachteter Sach:
walter — auch nach jeinem Übertritt zum Chriftentum — geweſen und ebenda fchriftftelle-
rifch thätig geivejen iſt. Er war ein Mann von einer gediegenen philoſophiſchen Bildung,
belefen in ven poetifchen Werken der Griechen und Römer, vor allem aber ein gründlicher
Kenner Giceros, deilen Darftellungsmeife er fich zum Vorbild genommen und mit Geichid 26
nachgebildet hat. Doch tft fein Stil durch eine Menge befonderer Verhältniſſe bevingt
und geftalte. Denn da er in dem ung erhaltenen Dialog „Octavius” den Glauben er:
weden mollte, ein eh gehaltenes Geſpräch möglichft getreu wiedergegeben zu haben,
wählte er zu feinem Borbild die freie Umgangsfprache der bejjeren Zeit, wie fie ſich ung
etwa in den Briefen Ciceros wiederfpiegelt. Das Beftreben, anfchaulich und interejjant zu so
ſchreiben, verlieh der Schrift die rhetorifche Färbung, und die oft geiltreich pointierte Spred-
meife der beiden Gegner atmet die glüdlih nachgeahmte Urbanität der Dialoge Eicerog.
Unverfennbar bervor tritt eine gewiſſe Neigung, mit feiner Belefenbeit zu prunfen, was
die Unzahl eingeitreuter poetifcher Floskeln, beitehend teild aus wörtlichen, fürzeren Gi-
taten, teild aus mehr oder weniger leicht zu erfennenden Anklängen an feine Xieblings- a6
dichter — Lucrez, Vergil, Ovid, Horaz und Seneka — beweilt. Daß der „Gaufidicus“
auch bei der Behandlung eines feinem Fache fernitebenden Gegenftandes ſich nicht ganz
verleugnen konnte, beweiſt die Menge der juritifchen Ausvrüde Dazu kommt das
Bemüben die beiden Redner, Cäcilius und Octavius durch die individuelle Verſchiedenheit
ihrer Sprechmweife — leivenichaftliche Übereilung und überlegene Befonnenheit — zu cdha= «0
rafterifieren. Die Spuren des Verfalls der lateinischen Sprache zeigen ſich in den zahl:
reichen Hebraismen, Gräcismen, Africismen, Archaismen und vulgären Ausdrüden, von
denen fich der Zeitgenoſſe des Fronto, Gellius und Apulejus felbitverftändlih nicht ganz
freimachen konnte. Trogdem iſt die Sprache des Minucius für feine Zeit relativ rein,
und die immerhin bemerkenswerte Ähnlichkeit feiner Schreibweiſe mit derjenigen der Haffı:
eit bat viele feiner Herausgeber und Kritiker verleitet, die Überlieferung überall
—* — zu ändern, two der Ausdruck ſich allzuweit von der klaſſiſchen Zeit zu ent—
en fchien.
feiner Belehrung, die wahrfcheinlih erft im reiferen Mannesalter erfolgte, er:
Icheint Minucius als ein aufrichtiger Chrift voll treuer Begeifterung. Im Dialog „De: go
tavius“ zeigt fich ſein Chriftentum, wie Ebert (S.323) richtig bemerkt, durchaus im Lichte
emer mor philefophifenen Religion, mie fie beute viele Gebildete haben, die Gott nıchr
im Herzen als in der Kirche dienen (apud nos religiosior qui iustior jagt Minucius).
Das ftttliche Moment ift ihm ohne Frage das wichtigfte; es ift ihm der Kern der Reli:
ion. So ift er duldfam gegen feine Mitbürger, die noch dem Heidentum angehören, 66
und die Verſchiedenheit der religiöfen Empfindung hindert ihn nicht mit dein an Lebens—
alter jüngeren Cäcilius Natalis, der fich nicht entjchließen fan, dem Glauben feiner Väter
untreu zu werden, freundjchaftlich zu verkehren. Dafür muß er ſich eine ernfte Miß—
billi des ſtrengeren Octavius gefallen laſſen, die nunmehr die Veranlaſſung zu einem
Geſpräch wird, deffen Reproduktion der uns erhaltene Dialog „Octavius“ ift. Die in= 60
dividuelle Schilderung und das lebhafte Kolorit der Einleitung haben einige Gelehrte ver:
anlaßt, den „Detavius” als cin thatlächlih in Oſtia gehaltenes Geſpräch anzuſehen;
r
rn
5
84 Minncins
wahrſcheinlicher ift es jedoch, daß der Verfafler die Forın des Dialogs dem Cicero nad):
gebildet hat, die außerdem dem Berufe und der täglichen Beichäftigung des Minucius
— Anklage und Verteidigung — angepaßt ift. Ebenſowenig läßt es fich heute noch ent-
fcheiden, ob die in Dialoge auftretenden Redner — der Heide Cäcilius Natali$ und der
5 Chrift Octapius Januarius — für wirklich eriftierende Perſönlichkeiten oder für fingierte
Namen zu halten find. Die Anfichten geben bier auseinander, infofern ald einige im
Octavius den Verfaffer jeben, der fich begreiflichermweife nicht ſelbſt zum Helden der Dispu⸗
tation machen konnte; andere leugnen diefes und halten bald den einen, bald den an-
deren, bald beide für faftiich eriftierend oder fingiert. Da Dlinucius in feiner Schrift
10 einen früh veritorbenen Freunde ein chrenvolles Denkmal fegen wollte, fo lag es für den
Verfaſſer nabe, diejen feine (des Verfaſſers) eigene Gedanken vortragen zu laffen und bie
gegenteiligen Anfchauungen feines zum Teil noch heidnifchen Umgangskreiſes einem aus
demjelben in den Mund zu legen. Wahrſcheinlich ift für ihn auch hierin das Vorbild
Cicero maßgebend gewesen.
15 Auch über die Gründe, Die den Minucius zur Abfaflung je Schrift beivogen
baben, laſſen fih nur Vermutungen ausfprecen. Doch da er auch nach feinem Übertritt
zum Chriftentum feines Amtes als Anwalt in Rom waltete und dadurch in dauernder Be:
rührung mit gebildeten Heiden blieb, fo kam er jicherlich nicht felten in die Yage, Ans
griffe auf die noch wenig geachtete Religion, zu der er ſich befannte, zurüdzumeifen, und
3o nahm daher Veranlaffung, ſich ausführlib und gründlich mit feinen Angreifern ausein-
anderzufegen. Die Beichuldigungen gegen die Chriften, die erhoben und nachgeſprochen
u erden pflegten, läßt er den Gäcilius vorbringen und unterwirft fie dann durch den
Mund feines Freundes Octavius einer gründlien Prüfung und Widerlegung und zwar
mit Gründen, die in jenem Kreiſe Eindruck machten; nicht, indem er auf die fundamen-
235 talen Lehren des Chriftentuns, die ſpezifiſch chriftlichen Dogmen, mie fie fi) bei den
gleichzeitigen griechifchen Apolegeten finden, näher eingeht — denn dafür durfte er bei
den Leuten, für Die und gegen die er jchrieb, fein genügendes Verftändnis vorausfegen —
fondern indem er jich auf eine fachliche Abwehr der gegen das Chriftentum im Kreiſe ber
(Hebildeten beſtehenden Vorurteile befchräntt und fodann den Beweis liefert, daß ſich die
eo Anfichten der heidniſchen Philofopben mit dem Glauben der Ehrijten in vielen und we
jentlihen Punkten berühren. indem der Berfafler jo die Kluft überbrüdt zwischen den
Lehren des Ghriftentums und der beidnifchen Philoſophie, erklärt er es gleichzeitig, wie er
der neuen Yehre beigetreten jei, nachdem er fih von der Schamlofigfeit des heidnifchen
Gögendienjtes überzeugt und die Zweifel an der Erbabenheit und Reinheit des chriltlichen
85 Glaubens abgelegt babe. War diejes feine Abjicht bei der Abfaflung feiner Schrift, fo
ift es nur konſequent, fih an die Sache zu balten und alles davon Fernliegende auszu:
ſcheiden. Ein Eimgeben auf das Weſen des Chriftentums nach Inhalt und Form liegt
nicht in feiner Abjicht, und jomit will der „Octavius“ als eine Apologie im eigentlichen
und vollftändigen Sinne nicht aufgefaßt werden.
40 Nach dem Vorbilde Giceros beginnt der Verfaffer mit einer Einleitung, in welcher
er über die Veranlaſſung des Geſprächs folgendes berichtet: Er hatte einen Jugendfreund,
Namens Octavius Januarius, der ibm befonders lieb war, weil er dereinſt fein Kumpan
bei allerband Jugendſtreichen geweſen war und dann fpäter — etwas früher ale Minus
cius ſelbſt -- zum Chrijtentum übergetreten war. Während legterer fih in Nom eine
65 Praxis als Anwalt gründete, war Octavius in die Provinz gegangen, wo er in glüd:
lichen Familien- und günjtigen Vermögensverhältniſſen lebte. Gejchäftliche Angelegen⸗
beiten führten ihm nad) einiger Zeit nah Nom: natürlich fuchte er dabei feinen Jugend:
freund auf, der über das ganz unerwartete Wiederjeben bocherfreut war. Da die Ge
richtöferien begonnen batten, befchloß man eine gemeinfame Bartie nad) dem Seebad Oſtia,
so an welcher fih auch ein jüngerer Freund des Minucius, der noch heidniſche Eäcilius Na-
talis, beteiligte. Während fie am Flußufer dem Meere zuwanderten, famen fie an einer
Bildfäule des Serapis vorüber, und Octavius wurde mit Befremden gewahr, daß Cäcilius
derjelben grüßend feine Ehrfurcht bewies; er machte jeinem Freunde darüber Vorftellungen,
daß er den Cäcilius noch nicht von dem Irrtum des heidniſchen Gögendienftes überzeugt
55 babe. Durch diejen feinem Freunde gemachten Vorwurf wurde Cäctlius verftimmt und
verhielt jich cine Zeit lang jchweigend und teilnabmlos, fo daß fein veränderte Weſen
den beiden andern auffallen mußte. Gefragt, befennt er die wahre Urfache und äußert
den Wunſch, feine heidniſche Religion zu verteidigen und die Gründe, die ihn verhindern,
dem Ghrijtentum beizutreten, zu entivideln. Octavius möge ibn dann zu widerlegen fuchen.
vo Leßterer nimmt die Herausforderung an. Man läßt fi) nieder auf der zum GSchuße des
Minncins 85
Seebades ind Meer hinausgebauten Mole, und Minucius fett fich zwiſchen beide, um
bie hm angetragene Rolle als Schiedsrichter zu übernehmen. Soweit die Einleitung
(I—IV).
Nach einem Appell an die Unparteilichteit des Minuctus (V 1.2) geht Cäcilius von
dem ſkeptiſchen Sage der neueren Akademie aus, daß alle menfchliche Erkenntnis unſicher 5
jei, und tadelt die Anmaßung der Chriſten, daß fie ohne gelehrte Bildung etwas Sicheres
über die Weltregierung zu jagen wagen (V 3. 4), deren Erijtenz fich jo wenig wie das
Vorbandenfein einer Vorſehung nachweisen läßt. Die Erfcheinungsmwelt, in der wir leben,
kann dem Zufall ihr Dafein verdanken; ja, mancherlei wie 3. B. Blisfchlag, Peſt, Schiff:
bruch, Guten und Böſen widerfahrend, fpricht direft gegen das Vorhandenjein eines gött= 10
lichen Weſens. Die Wahrheit entzieht ſich eben der ficheren Grfenntnis oder, mas das
Wahrſcheinlichſte ift, es berricht ein regelloſes Geſchick (V 5—13). Bei diefer Unficherheit
der Dinge ift es das Beite und Würdigſte, bei der Religion der Väter zu verbarren,
welche im früheſten Kindesalter der Welt fich des perjönlichen Umgangs der Götter er:
freuen durften und daher den meilten Glauben verdienen (VI 1). Diefe Religion bat ı5
Rom groß gemacht, feine Herrichaft begründet und vermehrt (VI2.3). Oft genug haben
die Götter der Römer ihr Walten beiwiefen, je nachdem ihr durch Aufpizien, Orafel oder
Träume den Menfchen tundgegebener Wille beachtet oder vernachläffigt wurde (VII 1—6).
Cine fo altehrwürdige Religion ftürzen zu wollen, tft eine unerträgliche Anmaßung. Und
was find es denn für Leute, die dieſes unternehmen, und welcher Art ift die neue Re 20
ligion, welche an ihre Stelle treten fol! Unwiſſende Männer aus der Hefe des Volke
und leichtgläubige Weiber, aufrührerifches, Iichticheues und blutichänderifches Gefindel, das
jih als Erſatz für ein beflagenswertes Dafein mit dem lächerlichen Trofte eines Lebens
nach dem Tode fchmeichelt (VIII). Geradezu widerwärtig find ihre Religionsgebräuche,
denn Gegenftände ihrer Verehrung find: ein Eſelskopf, die Gefchlechtsteile ihrer Priefter, 26
das Kreuz und — ein and Kreuz gejchlagener Verbrecher (IX 1—5)! Ihre Geremonien
find Mord unfchuldiger Kinder und Ehebruch unter dem Dedmantel chriftlicher Bruder:
liebe. Und wenn auch nicht alle durch die That, fo machen fie ſich doch alle durd die
Mitwiflenichaft des gleichen Greuels ſchuldig (IX 6. 7). Ihre Heimlichkeit iſt der beite
Beweis für die Schlechtigfeit ihrer Religion (X 1—3). Geltfam und ungereimt ift ihre so
Vorſtellung von dem einen Gott, den fte von dem verachteten Volk der Juden übernoin-
men baben und der fich den römischen Gottheiten gegenüber als gänzlich ohnmächtig er:
wieſen bat. Sie ftellen ihn als unfichtbar, allmiflend, allgegenmwärtig dar — göttliche
Eigenjchaften, die nach heibnifchen Begriffen unverftändlich und aud recht unbequem find
(X 4.5). Und nun gar ihre Lehre vom Untergang der Welt, von der Micderauferftehung 86
der Toten und dem jüngjten Gericht, das nicht gerecht fein kann, da die göttliche Prä-
deitination, die die Chriften annehmen, ganz ebenfo die Freiheit des menfchlihen Willens
aufbebt wie das Fatum, unter das die Heiden jich beugen. Yauter Dinge, die voll in:
nerer Widerſprüche und ohne Beiſpiel find (XI 1—7)! Und fchließlih haben die Be:
fenner dieſer Religion bei ihren Lebzeiten unter den größten Plagen zu leiden; zu den 40
gewöhnlichen, wie Armut, Kälte, Hunger treten bejondere, Folter, Feuer: und Kreuzestod
(XII 1—4). Die Armöeligfeit ihres Dafeins vermehren fie jelbft dadurch, daß fie ſich
ebrbarer Bergnügungen (Schaufpiele, Feſtmahle 20.) enthalten, und felbjt an Blumen und
Kränzen zeigen fie fein Wohlgefallen (XII 5.6). — Cäcilius fchließt feine Rede mit einer
Mahnung, von einer Erforjchung der göttlichen Dinge abzufeben und ſich nicht mit Problemen 45
zu befajlen, die zmeifelhaft bleiben müſſen, da fie über das Erfennungsvermögen hinaus:
geben (XII 7), wovor ſchon Sokrates und Simonides gewarnt baben (XIII 1—4). Ein
weiteres Umfichgreifen des Chrijtentumg aber werde am die Stelle der väterlichen Religion,
bei der man pietätvoll verharren foll, einen jchimpflichen Aberglauben fegen, wenn es
nicht gar jedes religiöfe Gefühl überhaupt erjtidt (XIII 5). 60
Gäctlius von dem Wert und der Beweistraft feiner Ausführungen durchdrungen,
fordert höhnend den Octavius zur Erwiderung auf (XIV 1) und erfährt dafür eine Zu—
rechtweiſung durch Minucius (XIV 2-— 7), wodurch nach des Heiden Anficht das Gewicht feiner
Gründe gemindert wird (XV 1). Nachdem fih noch Minucius gerechtfertigt hat (XV 2),
beginnt Octavius feine Gegenrede, indem er zunächit den Widerſpruch in der cäcilianiſchen 56
Anſchauung — Skepſis und Tradition — aufdedt (XVI 1-4). Alle Menjchen obne
Unterfchied des Alters, Gejchlechts und Ranges find der Vernunft teilbaftig (XVI >. 6).
Diefe Vernunft führt bei aufmerfjamer Betrachtung der Natur zu der Überzeugung von
der Eriftenz eines höheren Wefens, welches die ganze Welt erichaffen bat und regiert
(XVII 1—5). Die Herrlichkeit und Zweckmäßigkeit der ganzen Natur redet eine deutliche 60
86 Minneius
Sprache (XVII 6 — XVIII 4) und läßt höchſtens die Frage offen, ob die Weltherrichaft
von einem Ginzigen oder von einer Mehrheit ausgeübt werde. Aber auch bei ven Men⸗
ſchen ift die monarchifche Negierungsform die allein erjprießliche, und in der Tierwelt ift
es nicht ander® (XVIII 5—7). Nun geht Octavius über eine bloße Widerlegung des
5 Cäcilius hinaus zu einer Darlegung des Gottesbegriffes im Sinne des chriftlichen Mono:
thetsmus, fpricht von der Ewigkeit, Allmacht und Volllommenbeit Gottes, der feinen be:
jonderen Namen führt, den aber Tichter und Philoſophen, wenn ſie auch noch fo viel
Verfehrtes vorbringen, häufig richtig vorausgeabnt haben ( XVIII S— XX 1). — ©o:
dann wendet fih Octavius gegen die Gründe, mit denen Cäcilius die väterliche Religion
10 verteidigt hat. Das Altertun war fehr leichtgläubig; feine Fabeln und Märchen verdienen
feinen Glauben (XX 2—4); feine Götter find in Wahrheit nur vergötterte Menfchen,
werden geboren und fterben (XX 5 — XXI 12), haben menschliche Leidenichaften (XXI
1—4), läcdherlihe Geftalten und Schidfale (XXIII 5—7). Für die Verbreitung biefer
abgejchmadten Märchen find die Dichter, vornehmlich Homer und die Tragiker, verant-
15 wortlich zu machen, denn die Vorftellungen, die die Menſchen als Kinder in fih auf:
nehmen, bleiben big zum Greifenalter in Kraft (XXIII 1—8). Die Gößenbilder, deren
Anbetung gefordert wird, find doch nur Holz und Stein. Ihre Nichtigkeit beweiſt die
Art und Weife, wie fie entjteben (XXIII 9—13). Und vollends der gefamte heidnifche
Götzendienſt iſt teils lächerlich, teils abfcheulich (XXIV 1—5). Ganz falich ift die Anficht,
20 daß die beidnifchen Götter Non groß gemacht haben, weil es ja größtenteils auswärtige
Götter find, die die Römer zuerft befiegt haben und feitbem verehren (XXV). Die
Augurien und Aufpizien, auf die fih Cäcilius berief, haben bisweilen das Richtige an-
gezeigt, öfter jedoch die Gläubigen betrogen (XXVI 1—6). Hiemit glaubt Octavius die
Thorbeit des heidnifchen Gögendienftes bewiefen zu haben. Wie erklärt es ſich nun aber,
25 I derfelbe trogdem eine ſolche Verbreitung gefunden und lange Zeit eine große Macht
auf die Gemüter ausgeübt hat? Schuld daran find die Dämonen, die Urheber alles
Böſen. Diefe find es auch, die den Haß und die Verfolgungen gegen das Chriftentum
veranlaffen und alle jene nichtswürdigen Gerüchte und Vorwürfe verbreiten, die mit viel
mehr Necht gerade den heidniſchen Götzendienſt treffen (XXVI 6 — XXXI 5). In ſitt⸗
30 licher Entrüftung über dieſe unerbörten Beichuldigungen ftellt Octavius im meiteren dem
Xebensivandel, Gottesdienft und Glauben der Chriften das glänzendfte Zeugnis aus,
jpricht mit Begeifterung von der Gerechtigkeit und Güte Gottes, deſſen Fuͤrſorge jedoch
das jüdische Volk dur feine Berftodung und Verworfenheit eingebüßt bat (XXXI 6 —
XXXII 5). Die von Cäcilius befpöttelte Lehre von den legten Dingen twiderfpricht
35 weder den Naturgejegen noch den Lehren der Philoſophen, welche fie allerdings von den
Propheten entlehnt haben. freilich haben die Heiden allen Grund, eine Vergeltung nad
dent Tode zu fürchten, und deshalb bezweifeln fie eine folche, denn allein die Unkenntnis
(Gottes genügt zur Beitrafung (XXXIV. XXXV). Endlich widerlegt Octavius die Gründe,
welche von der äußeren Yage der Ehriften bergenommen find; diefe haben eben eine andere
0 Auffaſſung von Glück und Unglüd. Letzteres iſt ihnen willflommen als eine Schule der
Tugend, eine Gelegenbeit, die Kräfte des Geiſtes zu betbätigen und wahren Heldenmut
zu beweiſen (XXXVI- -XXXVI 6). Das Glück dagegen, deſſen die Heiden fich freuen,
it vergänglid und trügeriſch; ihre Vergnügungen verwerflih und unanjtändig; unjchul:
digen ‚Freuden geben ſich auch die Chriſten hin, doch in eimer naturgemäßen und ver:
35 nünftigen Weiſe (XXXVII7 — XXXVIII 4). — Wie Cäctlius, fo fchließt auch Octavius
mit einer peroratio, indem er mit Veriverfung der beidnifchen Philoſophie (Sokrates,
seurra Atticus) dem beibnifchen Skeptizismus entgegentritt und mit dem Wunſche
Schließt: der beidnifche Aberglaube möge ausgerottet werden, die wahre Religion möge
ſich Bahn brechen!
bo Dieſe Rede macht auf beide Zuhörer einen gewaltigen Eindruck; Cäcilius bekennt
ſich für überwunden, ſchämt ſich aber ſeiner Niederlage nicht, da ſie zugleich einen Sieg
über ſeinen bisherigen Irrtum bedeutet. Minucius freut ſich, durch dieſes Bekenntnis der
Ausübung des Schiedsrichterſpruches überhoben zu ſein. Darauf begeben ſich alle in
beſter Stimmung — denn es iſt ſpät geworden — zur Ruhe. —
66 Wie nan in den alten KRodices oft verfchiedene Werke zu einem Bande vereinigt
findet, jo it auch der Octavius nicht in einer jelbititändigen Handjchrift überliefert, fon-
dern hinter den 7 Büchern des Arnobius „adversus nationes“, Die einzige Hand
Ichrift, der wir die Erhaltung der Schriften des Arnobius und Minucius verdanken,
ſtammt aus dem 9. Jabrbundert und befindet fih in Paris (codex Parisinus 1661);
so eine Abjchrift Davon aus dem 16. Jahrbundert iſt in Brüffel. Aus erfterer floß 1543
Minneins Miserere 87
die editio princeps des Arnobius von dem Cuſtos der vatifanifchen Bibliothek Fauftus
Sabäus, worin, wie in den folgenden Druden, ala „liber octavus“ fich der Octavius
des Minucius Felix befindet, der felbititändig zuerft von Franz Balduin in Heidelberg
im Sabre 1560 ediert wurde. — Seitdem iſt die Schrift häufig herausgegeben,
überfegt und kommentiert. Faſt noch zahlreicher find aber die Verſuche, die Abfaſſungs- 6
zeit de8 Dialogs zu beitimmen. Denn da die Nachrichten über die Perfon und Schrift:
ttellerei de8 Minucius bei Lactantius, Hieronymus und Eucherius für die geitbeltim mung
desjelben wertlos find, fo hat man diefe aus inneren Gründen verfudht. Da jedoch An-
jpielungen auf gleichzeitige Ereignifle, die eine ſichere Schlußfolgerung zulaflen, nicht vor⸗
banden find, find diefe Verſuche, die um faſt 150 Jahre auseinanderführen, fämtlich als
mißglüdt zu betrachten. Auch die griechiichen Apologeten des 2. Jahrhunderts bat man
vergeblich herangezogen und zu ermitteln verfudht, ob der Dialog Octavius von einem
derjelben jo beeinflukt ift, dag man fagen Tann, er habe dem Minuctus ald Vorlage ge=
dient. Wohl finden ſich Anklänge und Ahnlichkeiten, namentlich in ftofflicher Beziehung,
aber ein Abhängigfeitsverhältnis des Minucius von ihnen kann daraus nicht —** 15
werden. — Dahingegen beſteht zweifellos ein ſolches Verhältnis zwiſchen Minucius, Ter:
tullian und Cyprian. Lebterer bat in feiner Schrift „quod idola dei non sint“, die
zu feinen früheften fchriftitellerifchen Leiſtungen (ca. 245 n. Chr.) gehört, den Octavius
und das Mpologetitum Tertullians ausgefchrieben. Diejenigen, welche den Octavius
nach 250 verlegen, find alfo genötigt, Cyprians Schrift für unecht zu erklären, wie z. B. 2
Schulze (S. 505 ff.) fie in die erften Dezennien des 4. Jahrhunderts verlegt, mas bereits
von Möller (ebendaf. S. 758) angefochten ift. — Die Priorität des mit dem Octavius
fih mannigfady berührenden Apologetitum Tertullians (ca. 200 n. Chr.) galt lange für
unanfechtbar. Die erjten Bedenken gingen von Frankreich aus; fie wurden geteilt von
Dan. ab Hoven und vielen anderen Gelehrten, und jeit Ebert3 Unterfuchungen gilt Mi: 26
nucius allgemein als der frühere, mithin als der Verfaſſer der älteften lateinifchen Ber:
teidigungsſchrift des Chriftentums. Diefelbe iſt alfo, da Fronto (geit. ca. 175 n. Chr.)
in ihr erwähnt wird (IX 6 und XXXI2) zwiſchen 150 und 200 n. Ehr. verfaßt. Diejes
Reſultat wird nicht erſchüttert durch 9. De au, welcher den in Inſchriften aus Girta
zwiſchen 210 und 217 n. Chr. erfcheinenden M. Cäcilius Natalis D. f. für den Freund so
des Minucius hält, da diejer entſchieden Heide iſt (Hausrat, Der Cäcilius des Min. Fel. in
Proteft. Kirchenzeitung 27 (1880) S. 420). Auch Bährens (ed. praef. p. VI), der den
Bater des Genannten dafür anfieht, vermag es nicht wahrfcheinlich zu machen, daß diefer
ala Chrijt feinen Sohn Marcus als Heiden habe aufwachlen laflen. Nimmt man hinzu,
dag Cäcilius Natalis möglichermweife ein fingierter Name ift, fo fällt jede Bedeutung der 36
erwähnten Inſchriften für die Zeitbeftimmung des Octavius fort. Daß diejer aber in
würdiger Weiſe die Neihe der lateiniichen Verteidigungsichriften des Chriftentums eröffnet,
darf als ficher gelten. H. Boenig.
Miramionen |. d. A. Genovefanerinnen Bd VI ©. 517,2.
-
0
Miserere iſt die herfümmliche Bezeichnung des 51., bezw. nach Tatholifcher Zählung «0
des 50. Pſalms als liturgiſchen Gebets (Liturgifchen Gefangsttüde), entiprechend dem An—⸗
fangswort in der lateinischen Überfegung: Miserere mei, Deus, secundum misericor-
diam tuam. Nur als ſolches, als Gefangsgebet nad) feiner gottesdienftlichen Verwen⸗
und Fünftlerifchen Geftaltung beichäftigt uns bier diefer Pfalm, über den im übrigen
die Pſalmenkommentare nadjyzufehen find. 6
Zur Litteratur vgl. die Artikel: Brevier (Bd III, 393), Bußpfalmen, ib. S. 592 und
die dort angegebene Kitteratur. Außerdem: V. Thalhufer, Handbuch der kath. Liturgik, Frei:
burg II (1890) ©. 370. 373. 424. 453; %. X. Haberl, Officium hebdomadis sanctae ... .
lat. und deutih . . . Regensburg 1887; %. &. Mettenleiter, Enchiridion chorale .. Regens-
burg 1853, ©. CLXXVIIf.; ©. 74ff.; Weber und Welte, Kirchenlexikon? ... VIII. Bd, 0
©. 1557; S. Kümmerle, Encyllopädie der evang. Kirchenmufit, Gütersloh II (1890) ©. 275;
Schöberlein-Riegel, sa des liturgiichen Chor: und Gemeindegefangg, Göttingen II, 1. Abt.
1868, S. 457 ff., II, 2. Abt. 1872, ©. 997; Grove, Dictionary of Music and Musiciens
(1879-89) II (Art. „Miserere‘ von ®. ©. Rockſtroh); Proste, Musica divina, Berlin
1853— 1864, Tom. IV, ©. 209 f.; P. Diendelsfohn:Bartholdy, Neifebriefe von Felir Mendels- 55
ſohn⸗Vartholdy, 2.U., Leipzig 1862 ©. 122ff.; S. 163ff.; 2. Spohr, Selbitbiographie, Caffel
und Göttingen 1860, II 1861, ©. 37 ff.
Die liturgiſche Verwendung des 51., bezw. 50. Pſalms als des Haffifchen Typus
nes Bußgebets ift von jeher eine mannigfaltige. Die griechiiche Kirche gebraucht ihn
hr Minxerere
ntenyndstlaben Mettwobintlt QUajewolv, Euchologion d. gr. kath. Kirche, Wien I
a von dam der Nach Veoper db. S. 102), in der 3. Stunde (ib.
nn Menbtrdle IL. 8 det Der Delung db. II, S. 140), bein Be:
re A NT F der lateiniſchen Kirche mußte bis zum 16. Jabr⸗
are rn Mey a Den MNuerere beichisien werden. Die offizielle römiſche Kirche
... . e tue HTT ER WAL TTFEIT ‚Matutin = Laudes: der Zonntage in der Zeptua:
est Miappnaas mu Wuanare: Na User und Des Totenoffiziumg,
get gend uud oa No sganmrmmem nn Vesperale Romanum, Mech-
en E VEN Sem Ne NT Preces, Die ın der Regel
ee air N Do Sazm rt Surr Ns Triduums mortis Christi,
aa w STAIMTAR "Ip Azzzerzordtenitt mid 08 gebetet,
oa keme d I Semmori — Nm Weibwaſſer beiprengt,
ET Urn Vor N seTUMorS Im Ir xiciedenen Weiheband⸗
en N ae ra, An me Alam me rehhofe, eines Hauſes,
wen No Neo yes beendeten, pe Asmiums > Trnciters begleitende
nee Neo nin undiaunt Aicır? > >= Glodenmabe eröffnet
— Nun As nmerinani; en abe: "ven populos et agros
ey ein Ne Smenigan, Net Sppieigben Crmtaerz unmozcher an, bei der We:
orten N —8 am, Se tm an IBrundanmraias crtiste. made 08 von Biſchof
Sole les Masern Stalin Ten, beam. 55, Des über Den Rüßenden
Sour om need, Sprehiss Hi der pialmodierende 1.D A. WNahrzene, Tod
on nn deren han Den Toniepern sum Gegenſtand Hortelesticher Be
a >. = Weir aller ;jeiten und Schulen, ein \nsaun, Yaflus,
on . “2,0 Ber Mledlandre Scarlatti. Gregaorio Nlierr. vor, Ver:
rn a: se. . i., unter den RProteitanzen en Mg Vratorius
..e, Bernhard Alm bis auf Eduard EGrell Zimmiges
, 8 x daben herrliche Tonſaße geſchaffen. welch ne das eine
8002002 ren 55 den pſalmodierenden Vorirag anĩchließen. alio als
| ons „nd Steigerung Darftellen, Das andere Dial ausschließlich
a Ne vrndgedanken Deo Tertes zu muſikaliſichem AuſSruck zu
J RN frei erfundene, ſelbſtſtandige Tongebilde erichenen. unter
. hrs an Die Forderungen Deo liturgiſchen Vortraas ım all-
a ze ihrer Zeit reden, Das Gepräge des jeweils herribenden
Sa 8a rratur der Mifereren fait alle x ernten Dos mehrizimmigen
a ec ss bordone bie zu den kunſtvollſten Formen Dee Kontranunfted
. en PN an dieſem Ort verdankt dieſes liturgiiche Gcĩangs⸗
* "nmunjaltigeit jeiner liturgiſchen Verwendung un? muñkali⸗
u. eilt es mit vielen Pſalmen, beſonders den Bußpfalmen —,
ne it. Die es durch den Vortrag der päpſtlichen Kapelle zu Nom
wo srmwew erlangt bat. Bon 12 für dieſen vorbebaltenen Kompo—
wverdeubte Der Muſik, vom ig IV [187 8 . 1, Fétis, Biographie
oo \eswwnn ] [1860], 2.73) iteben derzeit 3 im Gebrauche: non (re
u a4, von Tommaſo Baf (1650 171 I), von Giuſeppe Raini
oa bieſen iſt Das Miſerere Des erftgenannten (ſ. Schöberlein a aD.
oa Dedentendfte und berübmteite. Ten übertältigenden Eindrud,
.. 8 Uniſono des Rezitierens und Pſalmodierens der Ein—
BT umonien des mehrſtimmigen Tonſatzes jedesmal hervorruft, bat
N or d. beredt geſchildert (ebenſo Spohr). - In der evangeliſchen
DE N als liturgiſcheo Geſangsgebet da erhalten, two die alte litungiſche
lu hnibr, Mit Der Wiederbelebung berfelben wird auch ſeine Wieder⸗
rieble Herold (Vesperale, Gütersloh, I, 2. „N. 1885) fiebt ca für die
on Mapa hi der Paſſionszeit, am Totenfejt vor. Die vuciusſche Agende (Frank—⸗
riuenleel an in den Paſſionsandachten, ebenſo die revidierte preuß Agende,
a Bibliſchen Lob und Bittgebeten“ im Anhang darbietet. Die bayr.
eniet 05 ale Introitus am Bußtag, Das neue badiſche Kirchenbuch
ee ganyoplitoam Nachmittag Des Karfreitags. Wie Die meiften Palmen, fo ift
da Denn Gehrauch der evangeliſchen Gemeinde in Die Yiedform umgegoffen
en ho Bene Dad don Erbardt Hegenwalt „Erbarm' Did mein, o Herre Gott”,
Miserere Mißheirat 89
1525 von Matthäus Greiter „O Herre Gott, begnabe mich”, 1539 von Marot „Mise-
ricorde au pauvre vicieux“ (Tobwafler: „Herr Gott, nach deiner großen Gütigfeit”),
1553 von Burkhard Waldis „Nach deiner Güt’ erbarm’ dich mein“ u. a. (f. Kümmerle
a. a. O. U, ©. 279). Als evangeliiches Buplied bat es im Gottesdienſt überall feine
Stelle, wo ein folches überhaupt angezeigt erfcheint. H. A. Köftlin.
Miffale ſ. d. X. Meffe Bd XII S. 723,2.
Mifheirat. — Bol. Böhrum, Gejhichtlihe Darftelung der Lehre von der Ebenbür—
tigfeit nad gem. deutich. Rechte, 2 Bde, Tübingen 1846; Gengler, Lehrbud) des d. Privatrechts,
4. Aufl. Erlangen und Leipz. 1892, ©. 505 ff.; Etobbe: Lehmann, Handbuch) des d. Privatr.
(3. Aufl.) 4. Bd (Berlin 1900) 8 273—274 und die dort itierten. 10
Die Entwidelung der Geburtöftandes-Verhältniffe in Deutfchland bis zum 16. Jahr⸗
bundert zeigt ung, abgejehen von den Unfreien, drei ſtreng voneinander getrennte Stände,
Herrenitand (hoher Adel), die Ritterbürtigen (niederer Adel) und die Gemeinfreien. Nach
dem Ebenbürtigkeitöprinzip galten Ehen zwiſchen Gliedern diefer Geburtsftände ale Mip- °
Fa die niedriger geborene rau trat nicht ein in den Stand des Mannes, die Kinder 15
olgten der ärgeren Hand. Dieſe Auffafiung tft feit der Nezeption des römischen Recht?
zum Teil bejeitigt worden; es iſt vorzugsweiſe dem nivellierenden Einfluffe desfelben zus.
zufchreiben, daß die frühere Abgefchloffenheit zmiichen dem niederen Adel und den Bür-
gerlichen (den früheren Gemeinfreien) bejeitigt wurde und mit ihr die Wirkſamkeit des
Ebenbürtigkeitsprinzips. Dagegen waren die Bemühungen der Romaniften, ihre Auf: 20
faſſung auch in betreff des hohen Adels zur Geltung zu bringen, erfolglos. Die hervor:
tragende ftaatsrechtliche Stellung, welche diefer erjte Stand durch feine Reichsitandichaft
einnahm, nährte natürlich das Bewußtſein der Befonderheit und das Beitreben, die Aus-
Ihließlichteit des Geburtäftandes zu erhalten. In ibrer Autonomie hatten die Reiche:
fände das Hauptmittel, durch Hausgefege und Familienverträge dad Eindringen romani= 25
ſtiſcher Prinzipien. in ihr Familienrecht abzumehren und die überfommenen deutichrechtlichen
Anſchauungen zu Tonjervieren. Gegen das Eindringen unebenbürtiger Elemente auf Grund
fatferlicher Standeserhöhungen fuchten fie fih durch Aufnahme von Beitinmungen in die
Rablfapitulationen zu jchügen, melche geeignet waren, die Gejchloffenheit des hohen Adels
einigermaßen zu fichern. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts bis zur Auflöfung des 80
deutichen Reiche baben Ehen zmwifchen Mitgliedern des hoben Adels und Perſonen bür-
gerlihen Standes als „unftreitig notorische Mißbeiraten” gegolten. Nicht fo allgemein
und feititebend war dagegen die Auffaſſung rüdlichtlih der Ehen zwiſchen Gliedern des
hoben und niederen Adele. In einer großen Anzahl von reichsitändiihen Fürſten- und
Grafenhäufern find ſolche Ehen vielfah im 17. und 18. Jahrhundert auf Grund ber 85
autonomifchen Beitimmungen und des Familienherkommens von den Reichsgerichten als
ftandesmäßige Eben anerfannt worden.
Nah der Auffaffung der Rheinbundfürſten galt ihre frühere Geburtsitandesgentein-
fbaft mit den nunmehr fubjizierten ehemaligen Reichsſtänden und deren Familien als gelöft,
durch den Artitel 14 der deutſchen Bundesakte it aber das bis zum Jahre 1806 beſtan- «0
dene Verhältnis wieder bergeftellt, infofern den Medtatiftierten das Necht der Ebenbürtig-
feit mit den fouveränen Häufern in dem bisher damit verbundenen Begriffe verbleiben
fol. Diejes damals völferrechtlich vereinbarte Prinzip ijt auch gegenwärtig noch in recht:
scher Geltung, bat aber nur eine fubfidiäre Wirkſamkeit: wie zur Zeit des alten deutjchen
Reichs fteht auch jegt den Familien des hoben Adels die Befugnis zu, durch die Haus: 46
gejeßgebung den Begriff der Mißheirat enger zu fallen, in welchem Falle Ehen von lie
dern folcher Familien mit folchen, welche dem hoben Adel nicht angehören, als ſtandes—
mäßige Eben anzufehen fein würden. Welche Bedeutung dieſe Frage auch noch für Die
Gegenwart bat, bat der Lippeſche Thronfolgeftreit gezeigt.
Die jog. morganatifche Ehe (Ehe zur linfen Hand, matrimonium ad morgana- 50
ticam, ad legem Salicam) ijt regelmäßig auch eine Ehe zwischen nicht ebenbürtigen
Perſonen, unterfcheidet fich aber von der eigentlihen Mißbeirat dadurch, daß die Wir:
fungen nicht, wie bei diefer, auf Gefe und Gewohnheit, ſondern auf einem bejonderen
Bertrage beruben. Die Wurzeln diefes Nechtsinftituts reichen bis in die älteite Zeit des
germanifchen Rechtslebens hinauf. Wir finden bier neben der „rechten“ Ebe, welcher 66
notwendig eine jolenne Tesponjation vorausging, eine lare Ehe, melde zwar auch cine
ausfchließliche Gemeinfchaft begründete, aber, meil jene Solennitäten fehlten, auch nicht
die vollen Wirkungen der rechten Ehe hatte. Meiſt wurde ein jolches Verhältnis da ein:
deſrheirat Miſſion, innere
m ae er Ebenbürtigkeit Die Eingehung einer rechten Ehe ganz
0, rwerem rechtlichen Nachteilen verfnüpft war. Schon im
F reen nur noch im den höheren Ständen üblich geweſen
0 mranatieam“ ſtammt wahrſcheinlich von der Morgen:
2. arbeit zu werden pflegte. Der außerden noch ge
. gem Salicam” tit unerflärt. Die Bezeichnung „mor—
ran Tag Die gewöhnliche und auch jetzt noch fommten
..znz Familien und denen des boben Adels vor.
Waſſerſchleben F 'Schling).
-. um ’ 2. Wichern, Tie innere Miſſion der deutfchen evangelifchen
en. ISSUE 5 Deri., Mongreb: Vorträge, Damburg 1541; derſ.,
veianimelte Schriften III. 38), Hamburg 1902; D. Prof.
... Veitserziehung umd Propbetentum, Frantiurt a. M. 1864;
"...sie III. Bd, Bonn 1868 2. Aufl.): D. In. Schäfer, Die
. tt lmtange, Hamburg 1870 ff.; derſ., Diakonik oder Theorie
act Jockers Handb. d. theologiſchen Wiſſenſchaften, IV. Bd);
:. Qendarg 1905 i4. Aufl.n: D. Fr. Oldenberg, Joh. Hinr.
sr Hamburg ISSE ST, 2 Bde: D. Abt Üblhorn, Die chrijt:
>, Steige IS Pir. Dr. Wurfter, Tie Lehre von der Inneren
28 Hennig. Was jedermann beute von der Anneren Mifiion
oa. PD Fünfzig Sabre Innere Miſſion, Bericht über die
ante N De M. der deutich. ev. Kirche, Berlin 1595; Ber:
iiepee vur Inn. Miſſion 1S48- 1901 (einfchlieglich der deut:
—7. Raberes m „Fünfzig Sabre“, Genir.:Nustd.ı; Statiltil d.
a Verlin Centr. Ausſch. 1809.: Jahresberichte und Fach—
derleinn Stadt, Provinzial: und Landesvereine und Anſtalten
end... Fliegende Rlätter aus dem Rauben Hauſe, begründet
Wichern. Oldenberg. N. Baur, zur Zeit von Lindner, Heſe—
VBnmbura: Monateichrift für Inn. Miſſion, D. Schäfer, Gü—
. *tche BRegründung ꝛru erſterer vgl. u. a. Haupt, Bibl.
son Arsinshbrift ISSO und SI: Wurſter, Bibliſche Grundlage
ar Oldenberg. Theol. Realencytl. II. Auflage: Schon Die
a SENT WON Gott auch außer Dem Beleg berorditeten Zeugen:
N IJvraels in Dem fortacbendear Kampfe aegen Das im
aa dan dasielbe immer neu eindringende Heidentum, Wie
a WeheBee verleuanende Unbarmberzigkeit. Als Chriſtus,
Jeiche wandelte., vollzog er feine Miſſion zunächſt als eine
oh, en. e, d. h. als eine innere. In der chriſtlichen
Nor... Judentum votentiell gebrochen, aber alsbald haben
oa. AND Neueindringen judaiftiſichen und vaganiſtiſchen Wer:
te N GANG ſteuern AD NOT, Ti, 18: 10, 85 Bad, If;
alten. dm DVD Tr 1 Jo h, 16: Apk 2,
ug htlans Se a:! srelt aten durch Konitantin, Die Wölfer:
die Kirpchen Deo getpaltianme Einiubrung ganzer beid—
Dora Ta uieep Dam der Abendlandüchen Kirche sur Geſetzes⸗
al linan Der SNLIDer Wahrhen: durch Menſchenlebhre und
, i Nissan Dans die Unswilienheit und Entſitt⸗
han an Dip m) Tagrccgten die berena in Der mittel:
ar mais na ind DISS erinnernde. auf Dis Wort
Nele al Te. ts nm Ds un! onmr dem Ntarker und ſtärker
- 2 Nennen II NZZUIO LIT ORT berrorrieien. Im Seit:
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Miſſion, innere 9
ante den fruchtbaren Impuls zu neuer Verinnerlihung des Chriftenlebend in der
ückkehr zu feinen ewigen Quellen und zur Neuentzündung des Feuers thätiger Chrijten-
liebe. Aber in feiner fubjettivifchen Cinfeitigkeit konnte der Pietismus nur Keimpunkte
zur Erweckung chriſtlichen Lebens in unferem Volke fchaffen. Die Kräfte des Evangeliums
mifftonierend in die Geftaltungen des Lebens zu tragen, mar ihm nicht gegeben. Dazu
bedurfte es der erjchütternden Gottesgerichte, die mit dem Zeitalter der Nevolution auch
über das proteftantifche Deutfchland hereinbrachen, um mit der Fäulnis der Zuftände in
Kirche, Staat und Gefellfchaft die Abgründe der Sünde aufzudeden und zu Chrilto als
dem alleinigen Arzt und Retter hinzudrängen. Mitten unter den Trübfalen der Zeit
Inüpfte fich zmifchen den Neften des Pietismus in Deutichland (ſ. d. A. Chriftentums- 10
gejellichaft Bo III S. 821) und den neu entitandenen großartigen Miffionsbeitrebungen
Englands (ſ. d. A. Bibelgefellfhaft Bo II, ©. 691) ein Bund, aus deſſen Schofe neue
triebfräftige Keime der Miſſion nach innen und nad außen in Deutichland und der deut-
ihen Schweiz auffproßten. Die fittliche Regenerierung des deutſchen Volksgeiſtes in ber
Schule tiefiter Demütigung, die Erfahrungen der rettenden Barmherzigkeit Gottes in den 16
Berreiungskriegen, das verlangende Suchen nach ben verfchütteten Quellen des göttlichen
Wortes, die Erneuerung theologifcher Wiffenfchaft durch Schleiermacher, Neander und ihre
Geiftesverwandten brachen dem neuen Leben immer weitere Bahn. Die theologischen
Fakultäten öffneten fich wieder der geoffenbarten Wahrbeit, die Predigt des Evangeliums
twurde wieder lebendig in den Gemeinden. In immer weiteren Kreifen wurde der Abfall 20
von Chrifto im Volksleben erfannt und kamen die Verpflichtungen zu thätiger Hilfe, —
wenn auch zunächft überiwiegend nur gegen Arme und Bebürftige aller Art — zum Be:
wußtfein. Als die naturgemäße Form für folche auf gleicher Glaubensgefinnung ruhende,
freiwillig übernommene Xiebesthätigfeit ergab fich, oft unter Beteiligung rejp. Führung
von Barochialgeiftlichen, die des Vereins und der Gejellichaft, refp. der von freiwilligen 26
Kräften getragenen Anftalt. Um fo mehr fab fich jene Liebesthätigkeit auf die Form von
Bereinen und Gefellfchaften gewieſen, als den Kirchengemeinden als folchen die Befähigung
und Altionskraft dazu entweder mangelte oder nody nicht zum Bewußtſein gelommen
war und Die Hirchenregierungen dem ermachten Miffionsprange noch wenig entgegenfamen,
ja ihm zum Teil miberftrebten. Mit der wachſenden Klarlegung der Firchlichen, fittlichen 80
und Yopalen Notitände in der evangelifchen Chriftenheit, wie folche unter der Wirkſamkeit
jener Vereine und Gefellfchaften und unter den drohenden Erjcheinungen der Zeit cr=
folgte, entwidelte ſich, wenn auch zunäcft nur bei einzelnen, das Bewußtſein von der
inneren Einheit der verfchiedenartigen Beitrebungen der inneren Miffion als einer Tota=
Ität, und von dem Beruf der Kirche, fich als folche zu ihr, als einem mejentlichen Mo⸗ 86
mente ihres eigenen Lebens, zu befennen.
Diefen ihren Beruf erkannte und erfaßte die Kirche der Neformation um fo klarer
und ernftlicher, je mehr ihr die tiefgehende Differenz zwiſchen der Kraft ihres Urſprungs
und ihrer geichichtlichen Aufgabe einerfeits und ihrem thatſächlichen Wirken andererſeits
vor Augen trat. Wider den in ihrem Innern fich vollziehenden Zerftörungsprozep mit «0
aller Kraft anzufämpfen und den Neubau chriftlihen Glaubenslebens in den ihrem Wirken
entzogenen Lebensgebieten in Angriff zu nehmen, wurde ihr Gewiſſensſache. Dazu be-
durfte fie jener lebensvollen Beftrebungen in ihrer Einheit. Der Begründer des „Rauhen
Haufes” bei Hamburg (1833), Johann Hinrich Wichern wurde der Hauptträger biejer
Bewegung. Was er in feinen „Notftänden der deutjchen evangeliichen Kirche” (1844) #5
vorausgefagt, traf in den Erjehütterungen des Jahres 1848 ein. Plötzlich war dad Be:
bürfnis der inneren Miffionsarbeit allgemein dokumentiert und der Boden für die durch
Ihlagende Wirkung des Zeugniffes gewonnen, dag MWichern auf dem erjten Mittenberger
Kirchentage, 22. September 1848, für fte ablegte. Die Überzeugung von der untrenn:
baren Zugehörigkeit der inneren Miſſion zur Kirche brach fih von da ab in immer mei 50
teren Kreifen Bahn, und ſoweit dies geſchah, ſah ſich die Kirche mit ihren amtlichen In—
ftitutionen und Organen an die Löſung der großen, die Zeit beiwegenden fozialen Fragen
mit gewieſen und dadurch mit den Inſtitutionen des Staates und der bürgerlichen Ge—
fellichaft wie mit dem Bolfsleben in neue, für alle Teile gleich bedeutfame Berührungen
dt. Bon da ab bat der Strom der inneren Miffton fih in immer zablreicheren 55
älen dur das evangelifche Deutichland ergoſſen und das Tirchliche wie das foziale
geben desfelben nach den verſchiedenſten Seiten bin befruchtet. Als ein erites, für die
weitere Entwidelung der inneren Mifjion erfolgreiches Reſultat ergab fich bereits auf
jenem Wittenberger Kirchentage die Begründung des „Central-Ausſchuſſes für die innere
Riffion der deutichen evangelifchen Kirche“, der nicht Fonzentrierend und regierend, jondern 60
92 Miſſion, innere
Impulſe gebend, Dienend, und in freier Weife verbindend, das Merk der inneren Miffton
in allen Kirchengebieten Des evangelijchen Deutſchlands wie unter den Deutichen im Aus:
lande mannigfadh gefördert hat und bis heute in geiegneter Wirkſamkeit fteht. Die von
ibm eingerichteten und geleiteten Kongrefje für innere Mifftion, die wechſelnd in den ver
6 fchiedenen Teilen Deutjchlands abgehalten wurden, der 31. 1901, find in hervorragender
Weiſe Sammeljtätten und neue Ausgangspunkte für alle diefem Gebiete angebörige Be:
ftrebungen geworden. Aber keineswegs nur von diefen Quellen wurde der Strom der inneren
Miſſion geſpeiſt. Das Aufblüben der chriſtlichen Schriftenverbreitung feit dem zweiten
Jahrzehnt (Cisleben, Wuppertbal, Berlin, Hamburg, Calw, Stuttgart), der dur Joh.
u0 Falk, (Hraf Adalbert von der Rede, Chr. Hein. Zeller in derjelben Zeit entfachte Eifer für
Rinderrettungsbäufer, Die Mobilmachung der chriftlichen Frauenwelt durch Die nordiſche Taben
Amalie Sievefing, und den rbeintfchen Diafonijfenvater Pfarrer Theodor Fliedner feit
18:33, die Begründung des Guſtav-Adolf-Vereins 1832 u. a. wirkten in reichem Segen
fort, ob auch äußerlich unverbunden, zur Erweckung des in der Liebe thätigen Glaubens
5 in den Gemeinden, zur Hebung firchlicher Notftände, zur Anbahnung einer wirklichen
Volkskirche. So wuchs befonders fett 18-48 der Strom der inneren Miffion an Breite
und Tiefe und an der Fülle von Armen, in denen er fich, allen Tirchlichen und fittlichen
Nöten des Volkes folgend, über das evangelifche Teutjchland verbreitete. An Hemmungen
bat es ibm keineswego gefehlt und zwar nicht nur von feiten eines kirchenfeindlichen Un-
qlaubens, fondern auch von feiten eines gläubigen Kirchentums, das zum Teil in gefe-
licher Auffaſſung des Nircben- und im eimfeitiger Überfpannung des Amtsbegriffes im
dieſem Strome feine befruchtende, ſondern eine die Firchlicen Grundordnungen unter
grabende und niederreißende Macht fab. Aber der Autorität der bl. Schrift wie der
firchlichen Vekenntniſſe gegenüber und unter den unabmweislichen Einfluß der Realitäten
25 Dea Yebens konnte dieſer Widerfpruch für die Dauer nicht ſtand balten, zumal feine beften
und edelften Träger troß ihres Doktrinarismus diefelbe innere Miſſion, welche fie befeb-
Deten, an ihrem Teil tbatfächlich übten. So unerfreulid, und zwar nicht ohne Mitver-
chuldung aucb der anderen Zeite, jme Spannungen twaren, dienten fie doch zugleich der
inneren Miſſion als eine Schule der Zelbitfritif zur Nlarftellung und Befeitigung ibrer
so firchlichen Prinzipien und zu immer bewußterem Ausscheiden aller einer gelund evange
liſchen Mirchlichfeit fremdartigen Elemente, Aus ihrer Sturm: und Drangperiode reifte
fie einem Mannesalter entgegen, deſſen wachſende Mraft auch das Feuer der erften Liebe
immer neu entzündete. Wäbhrend ſie ibrerjeits befruchtend auf weite reife von “Theo-
logen und auch auf die Theologie einwirkte, empfing fie von dieſer ale Gegengabe die
BB Nufnahme ihrer Prinzipien und Siele und die Bebandlung ibrer Methode in die Arbeit
der theologiſchen Wiſſenſchaft, mebefondere der Etbif und der praftifchen Theologie, und
zwar zur Foͤrderung beider, der Theologie wie der inneren Miſſion. — Sehr weſentlich
bat zur immer allgemeineren Anerkennung der Gang der Zeitgefchichte beigetragen, die
mehr denn je Die Bedeutung des Chriſtentums und der Kirche für die Geſellſchaft ind
w vicht stellte und damit nicht nur eine Apologie der innen Miſſion, fondern ein dringen:
der Mahner zu ibr wurde, Ten finiteren Mächten gegenüber, welche den Sturz des
Chriſtentumo, Die Beleitigung aller Neligion, Die abfolute Negation Gottes, die Vernich⸗
tung alles göttlichen und menschlichen Nechtes als Bedingung des Volfeglüdes und Die
evolution als Die wahre Neligton proflamieren und Die für das Reich des Böfen mit
65 dem Heißſtbunger des Haſſes mifjionieren, iſt die Verpflichtung zur innern Miffton wie
noch nie zum Bewußtſein gekommen Die materialiftiihe Welt und Lebensanfchauung
und ibr Niederjchlag unter den ſich wirtjchaftlich benachteiligt fühlenden Kreifen, die Sozial-
demofratie, haben es nachgerade unzweifelbaft gemacht, daß es ſich innerhalb der Chriſten⸗
beit, auc der evangeliſchen, um nichts anderes als um cine erneute Ghriftianifierung
60 weiter Gebiete Des Volkslebens und einer entebriftlichten Nultur handelt; und Erſchei⸗
mungen die Die bedrohliche Zunahme der Verbreden, die wachſende Verwilderung der
Jugend, das Überbandnehmen der Selbſtmorde haben dieſe Überzeugung nur befeltigen
konnen. Unter dieſen Umftänden ift Die Spannung gegen die innere Miffton, mo fie
noch vorbanden war, mebr und mehr zurüdgetreten und bat vielfach der wärmſten Xiebe
55 zu ihr Raum gemacht, jo daß Ste immer mehr zu einem Bande des Friedens wird,
welches Die im tiefſten Slaubensgrunde einigen kirchlichen Nichtungen, bet unverleßter
Aufrechterbaltung ihrer landestirchliden wie konfeſſionellen Eigenart, verbindet.
2. Name und Weſen der J. M. (im Anſchluß an Oldenberg TERE II. Aufl.)
Ihr Name tft vorzugsiverfe auf Wichern zurückzuführen. Derſelbe entjtand ihm an der
eo Reflexion über die Heidenmiſſion ale einer von Herrn der Kirche übertragenen heiligen
Milfion, innere 93
Verpflichtung, und über die gleichzeitig mit eindringendem Blicke von ihm erkannten Zu:
ftände innerhalb der evangelifchen Chriftenwelt. Mit dieſem Einblid in die Tiefe der
vorhandenen kirchlichen Notitände, in den offen und im Verborgenen muchernden Abfall
von Chrifto, in die Unmifjenheit und Berwahrlofung weiter Volfekreife, in die aus dem
Allen drohende Löfung der fozialen Urdnungen erfaßte und erfüllte ihn die Überzeugung, 5
dag die Kirche zur Steuer folcher Not und zum Bau des Reiches Gottes unter ihren
eigenen Gliedern einen gleichen Miſſionsdienſt zu tbun und einen gleichen Miffionseifer
zu entfalten habe, wie in der äußeren Miffion den Heidenvölfern gegenüber, ja daß ihre
eidenmiffion die Kraft der Wahrheit nur dann habe, wenn die Kirche ihren Miffions-
eruf zugleih an ihren eigenen Gliedern erfülle. In der Xebensarbeit Wicherns wurde 10
diefe Überzeugung zur That. Als nad Begründung des Rauhen Hauſes an ihn von
Freunden der Heidenmilfion das Berlangen gerichtet wurde, die dortige Brüderanftalt zu
einer Bildungsjchule für Heidenmiffionare zu erweitern, lehnte er, bei wärmſter Xiebe zur
Heidenmilfion, diefe Anträge doch ab in der Gewißheit, daß das Rauhe Haus den Beruf
empfangen babe, der gleich wichtigen Million an den VBerirrten, Verlafjenen und Abge: ıs
fallenen innerhalb der evangelischen Chrijtenheit zu dienen. So ergab fib ihm ungefucht
und unmittelbar aus dem Xeben heraus der von ihm zunächſt in diejen privaten Crörte:
rungen gebrauchte Name der inneren Miſſion. Unabhängig davon wurde derjelbe auch
von Abt Dr. Lücke in Göttingen, aber überwiegend für den Dienft gebraucht, welchen
die evangeliſche Kirche an ihren Gliedern in der Diajpora, und melden eine relativ ge: 20
funde Kirche an einer anderen entarteten zu erfüllen bat (vgl. „die zwiefache, innere und
äußere Miſſion der evangel. Kirche, von Dr. Friedr. Yüde”, Hamburg 1843). Bon Wichern
aber in feinem Sinne in öffentlicher Wirkſamkeit vor immer weiteren Streifen vertreten,
wurde jener Name, zumal feit feinem zündenden Appell an die ewangelifche Kirche auf
dem ertten Nittenberger Kirchentage (1848) als treffende Signatur der nad innen ge: 25
richteten chrijtlichen Nettungsarbeit vom firchlichen Bemwußtjein und Sprachgebraud) all:
gemein adoptiert.
Ihrem Weſen nach iſt die innere Miffion die Fortſetzung oder Wiederaumahme der
urjprünglichen Miffionsarbeit der Kirche innerhalb der Chrijtenwelt zur Überwindung bes
in ihr noch ungebrochen gebliebenen oder wieder mächtig gewordenen Unchrijtentums und ao
Widerchriſtentums. In diefen Sinne jchließt fie fich als unmittelbare Fortführung an
jene erfte (Heiden-Miffion jo jehr, daß der Unterſchied zwiſchen diefer und ihr an ben
Grenzen der Chrijtenheit oder in neu begründeten Chrijtengemeinden ein durchaus fließen:
der iſt. — In weiterem Sinne und nad) ihrer gejchichtlichen Entwidelung gehören der
inneren Miſſion aber auch alle diejenigen freien Bethätigungen der aus dem Glauben ss
ſtammenden Xiebe an, durch welche nicht nur rettend, fondern auch vorbeugend und be:
wahrend die Kräfte chriftlichen Heiles den gefährdeten Gliedern der Kirche wie ganzen
Vollsgruppen wieder zugeführt werden. Aber auch in diefem teiteren Sinne und troß
fließender Grenzen iſt das oben bezeichnete Moment der Chriftianifierung als tiefiter Cha-
rakterzug der inneren Miſſion und als Nechtfertigung ihres Namens in mannigfachiter «0
Weile wieder zu erfennen.
Ihr Grund ift der Glaube an Jeſum Chriſtum, den Gekreuzigten und Auferftan:
denen, und die aus dem Glauben an Ihn, den Berföhner und Seligmacher, und aus der
agenen Erfahrung Seines Erbarmens geborene, in Gebet und Arbeit jich jelbjtlos in den
Dienſt Seines Reiches hingebende Samariterliebe. 6
Ihr Ziel ift die Gewinnung oder MWiedergewinnung der Verirrten und von Chrifto
Abgefallenen für Ihn und Sein Ned, die Stärfung des Schwachen, die Pflege des
Kranken und die Ueberwindung der Mächte der Finſternis, welche inmitten der Chrijtenbeit
den Bau dieſes Reiches in den einzelnen Seelen, wie in Familie, Gemeinde, Kirche, Staat
und Geſellſchaft hindern. 50
Subjelt der inneren Mijfton kann nur die in Wahrheit chriftliche Genteinde und
deren in lebendigem Glauben und Belenntnis ftehende Organe und Glieder fein: Die
amtlichen Organe nicht nur in ihrer amtlichen Dualität, fondern auch als chriftliche “Ber:
fönlichleiten; die gläubigen Glieder der Gemeinde kraft ihrer Gliedſchaft am Leibe des
und mit jenen durch das allgemeine Prieftertum zum Dienft der barmberzigen 56
Liebe ebenjo berpfn tet wie berechtigt, alle aber je nach dem Maße der einem Jeden zu
teil gewordenen Gabe und in den Schranten ihres äußeren und inneren Berufes, mithin
auch in freier Unterorbnung unter die vom Norte Gottes gejegten und gebeiligten kirch—
lichen, ftaatlihen und gejellfchaftlihben Schranfen, jo daß die Stirche als folche den Beruf
bat, Trägerin und Pflegerin der inneren Miſſion zu fein und daß fie diefen Beruf in eo
92 Miffion, iunere
—— — — ee a ee ne
—— Ber un ——— —*9 Rt in n rend —— ftebt |
6 ſchiedenen Teilen Deutjchlands — der en 1901,
Ser —— — und neue Ausgangspunkte für
teebungen geworden. Aber keineswegs nur en enge Inn
Miſſion — Das Aufbluhen der chriſtlichen — ——————— me
abrzehnt (Eisleben — I, Sit), da
Chr. Han. 9 len Ar
nderrettung , die Mobilmad ng der —— — ———
ie Sievefing, md den rheiniſchen Diakoniffenvater Pfarrer Theodor — ſeit
1833, die Begründun des ren 18 1832 u, a, wirkten in
Metelen bei unverbunden u, Grwedung 60 in der ce iin Olnuan
15 in ben Gemeinden Hebung Fi Eirchficher Notjtände, inneren Mffion
| jr onders ſeit 1848 der Strom se inneren Miffton * Breite
Beate: des Volkes —F über das — Dekan verbreitete. fs
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und nieberreifende Macht fab. "Aber der Autorität der bl. era nn der
ichen Bekenntniſſe gegenüber und unter dem unabweislichen Einfluß der Nealitäten
Lebens konnte diejer für die Dauer nicht ftand halten, zumal feine bejten
eveljten Träger. 100 ibres Doftrinarismus diefelbe innere Miffion, welche fie befeb-
beten, an ibrem Teil tbatjächlich übten. So un ich, und zwar nicht ohne Mitver-
a auch der anderen Seite, jene Spannungen waren, dienten fie doch zugleich der
iſſion als eine Schule der Selbitkritif ge ur Rlaritellung und Befeitigung ibrer
u
50 ien und zu immer beiwußterem Ausjceiden aller einer gejund
* lich in —— Elemente. — {1 „au und Demverihe (rel
h. einem — —— deſſen wa fetbe auch das euer der erſten Liebe
zur a —— hoie der inneren Bien — Sehr Sr
= va Nabncz zu i wurde. Se laden eh w Ihe den a bes
Ehriftentums, J eſeitigung ale elinion, die abjolute Negation Gottes, die Vernich
tung alles göttlihen und menſchlichen echtes als Bedingung des Vollsglüdes und bie
Revolution als die wahre Religion proflamieren und die für das Reich des Böfen mit
#5 dem Heißhunger des Hafjes miffionieren, ijt Die Berpflihtung zur innern Miffion wie
noch nie zum Bewußtſein gekommen. Die materialiſtiſche Welt und Leb
und ihr Niederſchlag unter den ſich wirtſchaftlich benachteiligt fühlenden Kreiſen, die Sozi
demokratie, haben es nachgerade unzweifelhaft gemacht, daß es ſich innerhalb der Chri
heit, auch. der evangeliſchen, um nichts anderes als um eine ermeute Shriffiam terung
50 weiter Gebiete des Vollslebens und einer entchriftlichten Kultur bandelt; und ——*
nungen wie die bedrohliche Junahme der Verbrechen, die wachſende Verwild der
ugend, das Uberhandnehmen der Selb ſtmorde haben dieſe Überzeugung nur i
önnen. Unter dieſen Umſtänden iſt die Spannung gegen die innere Miſſion wo
non vorhanden war, mehr und mehr zurüdgetreten und bat vielfady der wärmiten
55 zu ihr Raum gemacht, ſo daß ſie immer mehr zu einem Bande des Friedens he
welches die im tiefiten Glaubensgrunde einigen kirchlichen Richtungen, bei unverlegter
Aufrechterbaltung ihrer landeskirchlichen wie fonfeffionellen Eigenart, verbindet.
2, Name und Weſen der J. M. (im Anſchluß an Oldenberg THRE HI. Aufl).
37 be Name iſt vorzugsweiſe auf Wichern zurückzuführen. Derſelbe entſtand ihm an der
so Reflexion über die Heidenmiſſion als einer vom Herrn der Kirche übertragenen heiligen
Milfion, innere
eem Maße erfüllen wird, als fie nach Belenntnis und Leben den Geift und die Ord—
nungen des göttlichen Meiches in ſich aufnimmt.
Tbjelt der inneren Miſſion ift weder die twiedergeborene Perſönlichkeit, noch die in
Mabrheit chriftliche Hemeinde, Die vielmehr der pfarramtlichen allgemeinen und befonderen
6 Zetelſorge angebort, fondern Die inmitten der Ghrijtenbeit von Chriſto Abgeirrten, durch
Unmiifenbeit ibm ‚Kerngebliebenen, dur Unglauben von ibm Abgefallenen, ober unter
ben verfehiedenen Cinflüffen äußerer Not mit Abfall Bedrobten, ſowohl einzelne, wie
Bollegruppen und Volksmaſſen. Darum findet die innere Miffion auch an den von Gott
gelegten (Semeinfchaften (Familien, Ständen, Gemeinden, Staat, Kirche ꝛc.), fofern fie
16 vurch unchriſtliche oder widerchriftliche Mächte desorganifiert und zerrüttet find, die ihrem
Tienſte zugewieſenen Objekte. Wo aber das, was ihren Namen führt, nur ihren Schein
iruge, aber in Glauben, Bekenntnis und Thun in Miderfpruch mit dem Worte Gottes
rate und micht Gottes Reich, Sondern ihr eigenes baute, wäre es nicht innere Miffion
mehr, fordern Objekt derjelben.
Ih Tie Mittel, durch welche die innere Miffion wirft, find Bezeugung der fuchenden,
mahnenden, ftrafenden und erbarmenden Gotteshiebe durd Zeugnis von Chrifto in Gefek
und Evangelium, mit Wort, Schrift und mit dienender Yiebesthat. Sofern die zu über
windende geiftliche Not mit leiblihbem Mangel, mit Krankheit oder anderen Übeln in
Berbindung ftebt, gebört die auf Überwindung derfelben gerichtete Fürforge zu den Mit-
so tel, mit twelchen die innere Miſſion wirkt. Überall aber wird fie nicht jene Übel nur
befeitigen, jondern ſoweit diejelben im Unglauben und aus ihm erwachſenen fittlichen
Schäden ihren Grund baben, an dieſe Wurzeln und Quellen ibre fürjorgende Hand legen,
um nicht nur Yinderung oder äußere Heilung der Übel, fondern mit ihr ‘und durd fie
das chrijtliche Seil zu vermitteln. Die rechte Verbindung leibliher und geijtlicher Für:
25 ſorge, eines gefunden Realismus in innerer Einheit mit chrüjtlichem Idealismus ift eine
der twichtigjten und zugleich fchiwierigiten Aufgaben der inneren Miffion, welche nur die
aus der Yiebe ſtammende Weisheit und der chriftliche Ernft zu löfen um ſtande ift, welcher,
alter Weichlichfeit fern, Die auch im Geben und Tienen ſich verbergende Gelbftjucht durch
Zelbjtzucht überwindet. — So entjchieden die innere Miſſion aller Verzerrung und Leug-
go nung Der von Gott gejegten Lebensordnungen entgegentritt und für die Heiligtümer bon
Antorität und Pietät einftebt, muß fie es Doch als außerhalb ihres Berufes liegend er:
kennen, in den Kampf politifcher, firchenpolitticher oder fozialer Parteien ale Partei ein-
zutreten. Sie würde Damit Fremdartiges und Vrefäres ihrem Weſen beimifchen und die
Erfullung der ibr für den Bau des Neiches Gottes geftellten Aufgabe dem Staube tie
85 den Flutungen des Parteitreibens preisgeben. — Überall aber werden die Mittel, d
welche Die innere Miſſion wirkt, nur dann von Erfolg fein, wenn deren Träger perfünli
die Iebendigen und wabrbaftigen Zeugen der von ihnen bekannten Wahrheit und darge
botenen Yiebe find. Alle Heilmittel der innereren Miffton konzentrieren ſich daher in den
für ihren Dienſt tbätigen chriftlihen Perjönlichkeiten.
M Aus dem Geſagten ergiebt Jih zur Genüge, daß es ein Irrtum tft — leider ein
weit berbreiteter die innere Miſſion für den Komplex von allerlei Vereinen und Ans
talten zu balten, Die fih nad der einen oder anderen Seite mit chriftlichen Liebeswerken
wubuftigen. Ob auch ſolche Vereine und Anftalten der Oekonomie der inneren Miffion
nnenthehrlich find, wird ihr Inhalt durch fie Doch nichts weniger als erſchöpft. Es giebt
aa cin Alirken der inneren Miſſion durch Perfönlichkeiten und ganze Kreife, das Anftalten und
Vereine weder bat noch bedarf. Und es giebt Anjtalten und Vereine, die darum, meil
ie shriltlich find, noch keineswegs der inneren Miſſion angebören. Jener Irrtum ift um
\ entichiedener abaulebnen, je mebr er die Gefamtauffaflung der inneren Miffion und
Do richtige Verſtändnis ihrer einzelnen Erſcheinungen irritiert.
ww Jugleich erbellt aus Dem Ubigen, daß und wie ſich die innere Miffion von allen
nur philanthropiſchen oder humanitären Beitrebungen unterjcheidet, die nicht, mie fie,
von den Motiven des chrijtlichen Seiles und den Zielen des Neiches Gottes beftimmt,
ein gegen dieſe indifferentes und von ihnen mebr oder minder unabbängiges Menfchen-
wohl verbreiten wollen. Den relativen Wert diefer Beltrebungen erfennt die innere
65 Meiſſion willig an und darf jich ibrer um fo mehr freuen, jemebr diejelben, ob auch un:
bewuſit oder halbbewußt, in ihrem ethiſchen Gehalte als aus dem Duell des Chriftentums
entſprungen ſich erweiſen. Ja fte wird auch für die realiftifche cite ihres Thungs man:
nigfach von ihnen zu lernen baben. Aber ebenjfo bat fie Durch die Klarheit ihres Blickes
fir das Verſtändnis der Not und ihrer Cuellen, durch die fichere Hand in ihrer beilenden
w Behandlung, durch thätige Berwäbrung chriftlichen Geijtes in der Übung der Barmherzig⸗
Miſſion, innere 95
feit, durch Opferreichtum und lautere Selbftlofigfeit der Philanthropie zu chriftlicher Ver-
tiefung als Impuls zu dienen.
Abweichend von diefen Wichernſchen Grundgedanken bezeichnet Schäfer in, Diakonik“
und „Leitfaden“ die innere Miffion als „diejenige Tirchliche Heformbewegung des 19. Jahr—
hunderts, welche den inneren Zuſtand der Kirche dadurch zu befjern unternimmt, daß fie 6
die Werke der Barmherzigkeit ebenjo wie die freie Verfündigung des Evangeliums dem
Leben der Kirche einpflangen und in ihr wirkſam machen will”. Damit foll ibre Kirch:
lichfeit beiler gewahrt und in ihrem Rahmen den Werfen der Barmberzigfeit (namentlich
der thatfächlih Wicherns Erwartung inzwiſchen weit übertreffenven Diatonijlenjache) eine
ibrer Bedeutung entfprechenvere Stellung angewiejen werden. Aber, fo beachtenswert 10
Beides auch iſt, dürfte Doc an der urfprünglichen Tiefe und Weite der Weſensbeſtim⸗
mung feitzuhalten, ſich beſonders darum empfehlen, weil ibre gejchichtliche Entwidelung,
von der noch zu reden tft, notorifch auf die gefamte chriftliche Volfögemeinfchaft bin ge:
richtet ift, auf daß in diefer gemäß der durch Chriftum gewonnenen Lebenseinheit von
Kirche, Familie und Staat, wie Wichern in feiner Denkichrift propbetifch ausführt, „nichts ı5
mebr ſei, was der geiſtlichen Lebensordnung des Reiches Gottes mwiderftrebt”. Auch durd)
„die Werke der Barmberzigkeit und die freie Verfündigung des Evangeliums” bereichert
behält die Kirche ala Kirche der Reformation in ihren lebendigen, zu freiem charismatt-
ſchem Dienft verbundenen Gliedern ihre Mifjion an dem Gejamtleben des äußerlich ihr
angebörigen Volkes. 20
Bon diejer ihrer inneren Miffion iſt begrifflih mohl zu unterfcheiden, wenn
auch geichichtlich eng mit ihr verbunden, die Diakonie der Kirche, d. h. diejenige Hand:
reichung ihrer aus dem Glauben geborenen Liebe in Wort und Werk, melde unter allen
Umftänden und zu allen Zeiten, ganz abgejeben vom volkskirchlichen Gejamtcharafter, be:
nötigt und berechtigt bleibt, jo lange es leiblich und geltie pflegebedürftige Einzelglieder 25
giebt. Die Diakonie gehört ihrem Weſen nach zur Tirchlichen Organifation; ihr eigen:
tümlich getvordener Anjtalts- und Genofjenichafts-Charafter (ſiehe die Artikel „Diakonen“
und „Diafonifien” Bd IV ©. 600—620) ift nur Mittel zu diefem Bioed. Die innere
Miſſion zielt auf den Volksgeiſt und feine derzeitigen, von der kirchlichen Organifation
nicht erreichten Delamefchäden und leiftet ihr felbftitändig für die Überwindung der it? 30
teren die nötigen Aufllärungs-, Werbe- und Pionierdienſte, bereit, in dem Maße zurü
zutreten, als jene diejer zur heilfamen Durchdringung des Volkslebens nicht mehr bedarf,
aber auch allezeit gerüftet, neu entitehenden Geſamtſchäden entſprechendermaßen zu begegnen.
3. Arbeitsgebiet, gejhichtlihe Entwidelung und bejondere Aufgaben
in der Gegenwart. — Den umfafjendften Überblid über die Arbeitsgebiete gewährt ss
die vom Gentralausfchuß 1899 bearbeitete und mitteljt Einzeldarftellungen ſeitens der be:
rufenjten Fachmänner von ihm herausgegebenen Statiftif der inneren Mifftion der deutfchen
evangeliſchen Kirche nach folgender Einteilung (mehr ſyſtematiſch, weniger praftifch teilt
Schäfer ein: Geiftlihe Notitände und Hilfe, fittliche desgl. und äußere desgl., Wurſter:
Der Kampf gegen vorwiegend phoftiche, joziale, fittliche, religiös-tirchliche Notſtände, Leh- so
mann: Die Werke der rettenden, bewahrenden, gewinnenden Liebe. Wie logisch auch ein
ſolcher oder anderer Geſichtspunkt für die Einteilung eingehalten wird, das Leben der
mneren Million tft zu mannigfaltig, und ihre Zmeige find zu innig ineinander und mit
den der inneren Miſſion verwandten Beltrebungen verjchlungen, um einen Gejichtspunft
zum allein maßgebenven zu machen). 4
A. Fürſorge für die Kinder (Krippen, Kleinfinderfchulen, Kindergottesdienite
bezw. Sonntagsfchulen, Kinderhorte beziw. Beichäftigungsanftalten, Rettungshäufer und
Erziehungsanftalten für Nichtlonfirmierte, Waiſenhäuſer, Erziehungsvereine, Konfirmanden:
l
ten).
A Fürſorge für die heranwachſende Jugend (Jünglingsvereine, Lehrlings- so
vereine, Lehrlingsheime, Chriftlich geleitete höhere Schulen, Chriſtliche Alumnate, Yung:
frauenvereine, Haushaltungsſchulen, Mägdebildungsanftalten, Rettungshäuſer und Er-
ziebungsanftalten für Konfirmierte, Jugendbund für Entjchiedenes Chriftentum).
©. Fürſorge für die wandernde und heimatfremde Bevölkerung (Her:
bergen zur Heimat, Geſellenheime, Arbeiterfolonien, Mädchenbeime und Mlägdeherbergen, 55
Arbeiterinnenheim, Bahnhofsmiflion, Vereine der Freundinnen junger Mädchen, Scemanne:
mifion, Fürforge für Flußſchiffer, Sachſengänger, Eifenbahn:, Kanal-, Ziegelarbeiter
u ., Kellnermiffion, Soldatenmijlion).
D. Hebung chriſtlichen und firdlichen Sinnes in den Gemeinden (Stadt:
miſſion, Evangeliſch⸗kirchlicher Hilfsverein, Kirchliche Männer: bezw. Parvchialvereine, 60
-
-
5
96 Miffion, innere
: Arbeitervereine, ilien-, Gemeinde-Abende, Volksfeſte u.
—— —— —— — Vorteigecflen, Veemehäufe,
-E Surforge für Iehrenie Rirhenalieer © — —
— an und lemensjtene —— und —— —
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20 7 am Sen, Arbeitsträfte S Berufsarbeiter, Inſtruktionskurſe,
rn ur — von Berufsarb ern, und von Berufsarbeiterinnen,
* er Einteilung geordnete ſtatiſtiſche Material iſt an ebener Stelle
na en, ‚ann Ex aue von allem, was > 1800 — natur⸗
ß der Bedeutung und B
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Demgemäß An, Teitbem je e3 im dem vierziger und — Sy (tie a ——
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Wicherns „Brüder zo a
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ugleich als Vorarbeit für die Mitwirkung in der Volkserziehung angejeben und gepflegt
= (jeit 1848 die Stabtmij * eit 1854 die „Herbergen zur Heimat“, jeit 1856 ber
ufjeberdienjt in den preußiichen Gefängniſſen, jeit Anfang der ſechziger yahre Pflege
der männlichen Kranten, Böden und Epileptiichen, jeit dem däniſchen Kriege die Feld—
diafonie); der — ge entſprach die Entſtehung weiterer — Duisburg
1845, Züllcher inter 1850, Nobannesitift bei Berlin 1858 u. a.).
Parallel ging die zunehmende Mobilmachung gläubiger, nicht berufsmäßiger Kräfte
so aus den Firchlichen Gemeinden für die Sammlung der eingefegneten männlichen Jugend
(ünglingsvereine feit 1838), für die kirchliche Armenpflege (Elberfeld 1853), für bie
Sonntagsihule (Hamburg bereits 1825, Weiterverbreitung bejonders jeit 1862). — Bon
ben bejonderen, durch Wicherns Dentfchrift angeregten und unter feiner Yeitung bis zu
jeiner Erkrankun ‚(bis 1872) durch den Central⸗Ausſchuß geförderten Beſtrebungen ſind
65 hervorzuheben: Die — — der Eiſenbahnarbeiter an den großen Bahnbauten in
den fünfziger Jahren, die Fürſorge für die Auswanderer und die mathe Deutfchen
im Auslande jert derjelben Zeit, die Bemühungen um Hebung der Sonntagsfeier bes:
gleichen, die Begründung von Gefängnis-Bereinen und Gefangenen:Wiplen, Die rg
zung der Herbergen zur Heimat und ihre innere Stärkung (1857 Moreßbüchlein für
on Sanbiverfögeiellen), das erfolgreiche Vorgehen gegen die Spielbanfen 1854-67, bie Sich-
Miſſion, innere 9
tung der chriftlichen und die Rüftung wider die chriftentumsfeindliche meltliche Litteratur
zu Anfang der fechgziger Jahre, die Anitellung von theologiſchen Berufsarbeitern (1863
Heſekiel und Meyeringh), die Vaftorierung der Hollandsgänger (jeit 1861), die Begrün-
dung zahlreicher Provinzial und Yandesvereine für innere Miffion (nachdem der rheinifch-
Pak ihon 1849 vorangegangen, beſonders 1864—68 3. B. die Südmeltdeutiche 6
onferen;).
Nachdem jo Begonnenes weitergeführt und eine Reihe neuer, die verfchiedenen Ziveige
lofal zufammenfafjenver Arbeitsgemeinjchaften entftanden war, lenkten feit 1870 namentlich
die fittlich-fozialen Notjtände die Aufmerkſamkeit auf fich, die durch die Entmwidelung der
Induſtrie und durch das Anwachſen der großen Städte entitanden. Den Kampf gegen 10
bie öffentliche Sittenlofigkeit eröffnete die bezügliche Denkſchrift des Central-Ausſchuſſes
vom Jahre 1869. Für die Mitarbeit der evangelischen Kirche und ihrer inneren Miffion bei der
Löſung der Arbeiterfrage wirkte babnbrechend und richtunggebend der Stuttgarter Kongreß
1869, die Bonner Arbeitgeberfonferenz 1870, die Berliner Kicchliche Oftoberverfammlung
1871 und der Ba in Halle 1872. Wicherns Rede in Berlin, feine lebte öffentliche, 16
war ingbefondere ein Programm, an deſſen Ausführung die —— — zu
arbeiten gehabt. Wie ſehr die ſoziale Frage danach auf den Kongreſſen im Vordergrunde
ſtand, zeigen die Verhandlungen in Dresden 1875 über bie Mitverantwortlichkeit der Ge-
bildeten und Bejigenden für das Wohl der arbeitenden Klafien, in Danzig 1876 über
die Sonntagsfeier, in Bielefeld 1877 über die Erziehung der Töchter des Arbeiterjtandes, a0
die Stellung der inneren Miffion zur Sozialdemokratie, die Überwindung der Hinderniffe
der Sonntagsfeier, in Magdeburg 1878 über die fozialen Verpflichtungen, die. dem Chriften
aus feinem Befite erwachſen, in Stuttgart 1879 über das Lehrlingsweſen, und die Dent-
ſchrift des Gentral:Ausichufles 1879 über die jugendlichen Yabrilarbeiter. In allem dem
jab die innere Miſſion grundfäglich von aller fozialpolitiichen Agitation ab und einzig 25
ibre Aufgabe darin, das Gewiſſen für die Abjtellung thatfächlicher Behinderungen des
religiög=fittlichen Lebens wachzurufen, den Heilfräften des Evangeliums die Wege zu
babnen und fie insbejondere denjenigen Stlafjen zuzuführen, die den Lodungen der Sozial:
demofratie am meilten ausgeſetzt find. — Die fiebziger Jahre mit ihrer Fruchtbarkeit
auf dem Gebiete der öffentlichen Gefeggebung boten der inneren Miffion in ihren be- so
rufenen Organen, befonders dem Central-Ausſchuß, auch mannigfadhen Anlaß zu Vor:
ftellungen und Betitionen in chriftlich-fittlichem Intereſſe, jo in Sachen des preußiichen
Bormundfchaftsgejeßes 1874, der Fernbaltung des Bordellweſens 1875 und des preußi-
jchen Geſetzes vom 13. März 1878 über die Unterbringung verwahrlofter Kinder in
Familien und Anjtalten, welches leßtere namentlich der inneren Miſſion geiſtesverwandt, 85
im Gentral-:Ausihuß zur Aufnahme einer Statiftil der bejtehenden Nettungshäufer führte
(in einer Dentichrift 1882 verarbeitet).
Es war die Zeit der Hochflut des theoretifchen und praktischen Materialismus.
Immer mehr wurden defjen zerfegende Einflüfje namentlich im wirtfchaftlichen und gefell-
Ichaftlichen Leben empfunden und traten hier am drohendſten in dem Anfchwellen der so
fozialdemofratifchen und anardiftiichen Bewegung hervor. Ten notgedrungenen Kampf
wider die gejteigerte Entchriftlichung des Volkslebens nahm als Vorkämpfer aller. chriit-
lichen Volksfreunde in der Öffentlichkeit Hofprediger Stöder auf durch fein epochemachendes
Auftreten in der Berliner fogenannten Eiskeller-Verſammlung 1878, erwachſen aus feiner
kraftvollen Reorganifation der Berliner Stabtmiffion. Namentlih an feinem Beifpiel 45
entzündete fich mweitbin ein reger Eifer für das Durchdringen des öffentlichen Lebens mit
dem Geilte des Evangeliums. Auch der Staat fam unter dem Eindrud der Attentate
zu energifcherer Abwehr der verderblihen Strömungen und begann, feine neuere Geſetz⸗
gebung einer Sichtung zu unterziehen. Am 17.November 1881 erfolgte die Allerhöchſte
undgebung der Reformgeſetzgebung auf fozialen Gebiet mit ihrer ermutigenden Wirkung so
auf alle einfichtigeren und arbeitsfreudigeren Volfsfreunde Zu dem Zweck, über die An-
wendung der chriſtlichen Glaubensgrundſätze auf die mwirtichaftlichen und gefellfchaftlichen
Fragen der Zeit eine möglichjt beitimmte, zu gleichartigem Handeln führende und den
Irrtümern der Zeit einen feiten Damm entgegenjeßende Überzeugung herausbilden zu
belfen, verfaßte der Gentral-Ausihuß eine Denkichrift, die wie faum eine andere ſeit der⸗ 56
jenigen Wicherns vom Jahre 1849 meitbin Härend und richtunggebend wirkte: „Die
Aut der Kirche und ihrer inneren Miſſion gegenüber den mwirtichaftlichen und gefell:
ſchaftlichen Kämpfen der Gegenwart” 1884 („die Kirche mit dem lauteren Evangelium
auch auf diejen Gebieten das Gewifjen der Völker — das it das höchſte Ziel ihrer inneren
Miſſion“). 60
ResisEuchklopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XI. 7
98 Miffion, innere
zeiti en die Proftitution (Denkſchrift 1885) und bie
— Marian HR. nn — —
Lutherjubiliäums 1883 übte eine merklich
auf bas evangelifche emeinbeleben und ermunterte zu neuen ——
— Botfchaft eflını aus Den Sucen Saw
| ww a auf Die en en
evangelijch, patriotijch und ‚Toni * Bergarbeiter in Weſtf
erbereins-Beiven — Mich ge
—— * br Rolfstümlichkeit evangel
h = ö " —— eröffnete (j. Schäfer, vr sungen Rue
gend riſche Perf ee
inneren in Raitor von 2 1831 als © Sand:
Bin Bee. ——
— — Ben er -
araus mit m
nern). 1882 ieh ibn die Liebe ven vielen Taufenden von Arbeits: und Sb
236 dachlojen rn ER der Arbeiterfolonie Wilhelmsdorf in der Senne; fein Vorgehen
auf diefem * mehr Nachfolge, 1886 Bereits 15 —— lonien; in
Verbindung "Bang ſchu * er, auch von Behörden — ein Netz v on Wanderer Ver
nen möglichſt mit —— Arbeitsſtätten, und 1885 * auch in vor:
icher Weife die Erri —— Arbeitertvohmungen bei Bielefeld zu Eigentumserwerb
50 — 5 ——— — en und [ und Yinabe 3 —
— ——— "wandernde Do aufs neue in F bie en * eimat
bermebrten ſich von 1885 bis 1888 von 207 auf 327 in u; bie Dee auf dem Boden
85 bes von ihm 1886 b eten Deutjchen Herbergsvereins kam es zwiſchen den neueren
Grundſätzen und Erf en und den älteren, befonders d die Brübderanitalten ver:
tretenen zu Elärender Ausſprache und fürbernden Normen. Auch Arbeiterinnentolonien
( Srrauenbeim“ bei Hildesheim u. ——— faſt gleichzeitig. Mittelbar kam die neue Be—
wegung auch ber vom Central⸗Ausſchuß gepflegten Seemannsmiſſion zu gute. In Verbindung
40 mit deutjchen Freunden in England und © ottland wurden in dortigen Hafenorten Leſe—
—— für deutſche Seeleute errichtet (1885), mit denen Einrichtungen zur Beherbergung ber:
nden wurden. Erheblich zahlveiher und auch auf Hafenorte in —— Erdteilen ausgedehnt
wurden die Seemannsheime ſeit 1894 infolge landeskirchlicher Kollekten. Auch von ſeiten
ausſchließlich lutheriſcher Vereine für innere Miſſion wurden in engliſchen und deutſchen Hafen:
#5 orten eigene Seelforger für beutjche — e Seeleute 59 — Ein Zuſammenwirken
mit den auf lediglich humanitärem Boden fürs Volkswohl intereſſierten en, wie es
bei der Errichtung von Wanderer-Arbeitsſtätten —— ſich als fruchtbringend re
= ar jeit ar —— Kongreß in dem Kampfe gegen die Trunkſucht
tn Demo Anregungen ging der Deutjche Verein gegen den ihbreud gefige giftigen
60 Gern — Pe; und wie jchon von jeher Beziehungen zu der bereits 1817
alleitung ber württembergifchen —— talten beſtanden hatten,
Ti folche in weiterem Sinne zu dem beutjchen Verein für Armenpflege *
ohlthätigkeit (1880 — u den Vereinigungen für Sommerpflege (1881) und
zu ber Gentraljtelle für Arbeiter: ohlfahrtseinrichtungen (1891), — unter Wahrung
bb bes —— Charakters und Arbeitsfeldes der inneren Miſſion.
dieſe Feſthaltung ihrer Grundſätze und für ihre Fachtwiffenfchaftliche Durdarbei:
tung ra eitgemäße Auswirkung überhaupt wurde außer der dahin fortgefegt gerichteten
ätigfeit bei Central⸗ Ausſc uſſes der inneren Miſſion beſonders —— die litte⸗
rariſche Wirkſamkeit von Paſtor D. Schäfer in Altona (ſiehe oben ſeine Hauptwerke) und
60 die ſeit 1881 alle zwei Jahre gehaltene Konferenz der theologischen Berufsarbeiter unter
AL aNtifien, Innere Kiffen, Tath., in der Tath. Kirche
later wenn ndiy ran Ss uhr LAT FERNE der der gefabrdeten männlichen
— J ee ey IN Ru cxnageliſchen Jungfrauenvereime
ee N . e ar) oo srenzmm hi Banana eines Verbandes der
| “N. zz Nr isch ine Yeben trat und nicht
En Neun ten pi order zus nat Jmeige Der ‚yürjorge
ae N 2.0.2 8,,2 2772 Destserbiucrinnen, Babnbofs:
. . . . nr N Bess -Arrzrmisenae ft auch zu er
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NN EN. N Fe mern Sm moamm ingranacnı Sbrend
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Sn... un. . Hoyer Deerirnming lentionaäberenzaums durch
a Fe = - onen, Se Derens in Den acmuam \abren
nn ar . > mm beim Evangeliſcher eoszm für
.. 22 2 one neue fruchtverbeamn: Rlute
. x. > garzzeaivereinen für innere Minen seit
oe. .-, Am2z nır Die Tagebpreſſe. — Tone Die
— — = sr Dd.A Kruppel⸗ und in der \rrennfune Das
—— 8. Far das Geſamtgebiet Der innerer Won
. sn Reiche vervollitändigt worden — Und
, wer .zzen Berufsarbeiter und Berutsarpsuezmen
er Zuchering erbalten Durch entipredienn: Ken⸗
„8,1, 8tereie (ISS5 und 1902 Durch Der. Gomzal-
oo... ALM,
ao am ihrer inneren Miſſion ein Durd Geste
. . zär bis zur vollen Ernte an Arbeit nic Tehlen
nid Die rechten Ylrbeiter aus allen Mredien für
ae u! Rablcnbei.
- a sn
ur N & on. ..
Sn . u
. Zaspeoltiden Kirche. Wenn die Million mne:
we „N n ihrem Zchoße den Geiſte Des Chriitenzums
\ ' . nfandteren, jo konnte ſie ihren Beruf in Den ertten
N. Asselbloffenbeit Der Gemeinde gegen alle heidnichen
om We Sarehumenen, der Gewiſſenhaftigkeit Der Seelſorge
"optreiaungen - nur an den Pönitenten zur Ausübung
"Do sube ausgeſchloſſen waren, konnten auch fie nicht der
N uni meriionthätigkeit ſein. Als aber ſeit der Erbebung des
gen die Heiden maſſenhaft zujtrömten und Die Chriſtenbeit
hs
et Volker ſich numeriſch bedeutend vergrößerte, ſammelte
J om an, Das durch ihre myſtiſchen Weiben, Durch ihre
endliingen, Dinter welde ‘Predigt und Seelſorge zurück⸗
IX derubrt, aber nicht ſittlich umgebildet wurde. Die Buß
Sa Aumgabe langſt nicht mebhr gewachſen (August. Enchirid.
x ihren ſeelſorgerlichen Charakter immer entſchiedener mit
N ga ab 1215 Die Beichtpflicht zur allgemeinen Cbriftenpflicht
N nıchlud atisjaltoriſche Richtung, in der das Bußſakrament im
.aolden nde, ein Hindernis fur ſeinen ſittlich bildenden Ein:
Fruen hier leine Abhilfe gewähren. Tie älteren auf Benedikts
Gnnunie waren vorwiegend zur Pflege Des kontemplativen Lebens
x um city, galt ibre Thätigkeit vornehmlich der Pflege der
NMyMbainiſterung der germaniſchen Völker. Die ausdrücklich auf
—8* van Acihlhoren angewieſenen Bettelorden verkannten von vorn⸗
Xodben Je Der Kirche em Segen werden konnten; während bie
way ben retten und Die Handhabung der Inquiſition zu ihrer
u.
Miſſion, kath. in der Tath. Kirche 101
Domäne machten, überboten fih die Franziskaner nach ihren verjchiedenen Abftufungen
in abenteuerliher Romantik, in abjonderlicher Heiligkeit; ihr Ydeal war die Verwandlung
der chriftlichen Melt in ein Franzisfanerinftitut (Tertiarier). Mit wirklicher Hingebung
und Liebe widmeten fich der Pflege eines inwendigen Chriftentums nur kleinere Kreiſe,
wie gegen das Ende des Mittelalter vor allem die Brüder vom gemeinfamen Leben (f. 5
d. A. Bd II, S. 472ff.).
Erit der Siegesgang, in welchem der Proteftantismus die Welt eroberte und big
Spanien und Italien in katholiſche Herzen evangelische Gedanken warf, rüttelte die
fatboliiche Kirche gewaltjam auf und trieb fie mit der Miffion nad innen Ernſt zu
machen, um die Schwanfenvden zu befeitigen, die Irregewordenen wieder zu gewinnen,
mit einem Worte das dem Proteftantismus zugeneigte Volt wieder zu Tatholifieren. Die
meiften Orden, welche der fich regenerierende Katholicismus in dag eeben rief, beruhten
auf der Nerbinpung der Höfterlichen und priefterliden Pflichten und maren für die Seel:
forge, die Volkspredigt, den Beichtituhl gegründet, in deren VBernächläffigung man die Ur-
jadhe aller Schäden und Niederlagen der Kirche zu erfennen meinte. Als die eifrigften 15
Werkzeuge dieſer reftaurativen Volksmiſſion erwieſen fich die Sefuiten unter den höheren
und die Sapuziner unter den niederen Ständen. Die antithetiiche Richtung gegen den
Proteftantismus, um vor dem Kontagium desjelben zu fchüten, bildete fortan ein charak⸗
teriftiiches Merkmal der katholiſchen Volksmiſſſon.
Ihre Erhebung zu den Zwecken einer mehr fittlichen Wirkſamkeit wurde ihr in 20
Frankreich gegeben, wo obnebin nad alten Herkommen die Bifchöfe ſich durch regel:
mäßige Bereifung ihrer Diöcefen mit dem Zuftande derjelben perönlic vertraut zu machen
batten. Dieje Richtung der Miſſion wurde mächtig gefördert Durch Vincenz von Paulo, der ich
1616 der Befjerung der Galeerenfträflinge annahm, 1617 aber, als ein unbeicholtener Mann
ihm geheime, ſchwere Todfünden beichtete, am 25 Januar zu Folleville mit folcher Wärme 25
und Kraft zur allgemeinen Beichte aufforderte, daß er allein dem Andrange zum Beicht:
ftuble nicht mehr genügen konnte, fondern die Jeſuiten von Amiens zu Hilfe rufen mußte.
Ta dieſe ſich aber zur Organifation einer nah fünf Sahren in Folleville regelmäßig
wiederfehrenden Mifftonspredigt in diejer Richtung nicht veritanden, obgleih ihnen die
Gräfin von Gondy 16000 Livres anbot, jo jchritt Vincenz felbit zur Gründung der Kon⸗ 80
genation der Miffionäre oder Lazariiten zum Zwecke der Erziehung, der Heiden: und der
oltsmiffton (j. d. A. Vincentius de Paulo). Die jpezififche Form der Miffionspredigt
war damit für alle Zukunft gegeben: je ruft in erfchütternder Weile zur Belehrung auf
und weiſt diejenigen, welche ihrem Rufe folgen, in den Beichtituhl. it den Lazariſten
verfolgen denjelben Zweck geräufchlos in der Krantenpflege die ihnen nahejtehenden barm: 86
berzigen Schweſtern, deren verjchwiltertes Verhältnis Vincenz gerne dadurch bezeichnete,
daß er dieſe jeine Töchter, jene feine Söhne nannte. Einen neuen Aufſchwung empfing die
latholiſche Volksmiſſion durd) die von Abbe Legris-Duval 1815 gegründete Kongregation
der Prieiter der Miſſionen, die fich ausſchließlich die Miffionspredigt zur Aufgabe jeßten.
Auf dem Mont VBalerien in Paris, wo vor ihrem Ordenshauſe ihre Kanzel unter freiem 40
Himmel aufgerichtet Stand, mahnten fie unabläffig zur Buße. Als Wanderprediger durch:
zogen ſie in den Jahren der Rejtauration ganz Frankreich und priefen die Beichte ala
die einzige Rettung vor der Hölle. Der Eifer aber, womit fie die Intereſſen der Legt:
timttät vertraten, lenkte den Volksſturm gegen fie und batte in der ulirevolution die
Zeritörung ihrer Niederlaffung zur Folge. 6
Nach dem Jahre 1848 rief der Epiffopat die katholiſche Volksmiſſion auch in Deutich-
land häufig zu Hilfe, um die durch die Stürme der Nevolution der Kirche entfremdeten
Volksmaſſen ihr wieder zu gewinnen. Sie wurde meist durch Nedemptoriften und Sefuiten,
bisweilen auch durch Kapuziner und Franziskaner abgehalten und follte das katholiſche
Bewußtſein fchärfen belfen, damit die Hierarchie die Zügel ihrer Leitung fchärfer anziehen 50
und Der römiſchen Kirche gegen Staat und Proteftantismus eine aggreſſivere Haltung
geben könne. Mit der Ausfchliegung des Jeſuitenordens und der ihm verwandten Re:
demptoriſten aus dem deutſchen Reich im Jahre 1872 börten die Miffionen nicht auf;
fie wurden bejonders von Franzisfanern und Kapuzinern gebalten; ſeit 1894 traten bie
wieder zugelaffenen Redemptoriſten von neuen in Thätigkeit ; gelegentlich verfuchten aud) 66
Jeſuiten dem Geſetze zum Troß die Abhaltung durchzufegen.
Folgen wir dem Gange der katholiſchen Volksmiſſion, jo wird Diefelbe ftets von
Biſchof angeordnet, auf deſſen Weiſung ſich die Miffionsprediger — es find ihrer ges
wöhnlich drei -- nad der ihnen beſtimmten Station begeben. Der Obere trifft in ber
Regel einige Tage früher ein, um ſich mit den örtlichen Bedingungen, dem herrſchenden 60
rer
0
102 Miſſion, Tath., in der Tath. Kirche
Einne, den Gewohnheiten und dem Bildungsftande der Bewohner befannt zu machen.
Täglich werden mehrere Predigten, meiſt 14 Tage lang, gehalten. Obgleich ihrem Sn:
nie nach nur loſe verfnüpft, hängen fie doch durch den gemeinfamen Zweck, auf den
ie hinarbeiten, enge zufammen. Dem Gange und der Tendenz nad) ſcheinen ſie den
5 geiftlichen Übungen des Ignatius (f. d. A. Exercitien Bd V ©. 691) nachgebildet, aber
während dieſe felbitthätige Meditation vom Übenden fordern, bieten jene den anzueignen-
ben Gedankenſtoff bereits in fertiger Form dar, ſind alfo gewiſſermaßen geiftliche Uebungen
für größere, im Denken weniger geübte Volksmaſſen. Nach Art der Erercitien beivegen
auch fie ſich um den Gegenſatz der Sünde und Gnade; mie jene in der eriten Woche
10 zu ihrem Ziele die Generalbeichte, in der zweiten die Difponierung zur Mahl eines
Standes oder zur gottgefälligen Führung des bereits ergriffenen Lebensberufes haben und
während ihrer Dauer überhaupt der mehrmalige Empfang der Kommunion angeraten
wird, fo bilden auch die Mahnungen zur Beichte und Kommunion, ſowie die Belehrungen
über die befonderen Standespflichten ftebende Kapitel der Miffionspredigten: mie jene
15 zuerft in Zerknirſchung verfegen, dann zu beiterer, friedliher Stimmung emporheben
follen, jo auch dieſe; felbit das Element der finnlichen Anfchauung ift beiden gemeinfam.
Die Beitimmung des Menfchen, die Gerechtigkeit Gottes, der Ernſt der Ewigkeit, die Rot-
wendigkeit der Belehrung, die Gefahr ihres Auffchubs, die Schrecken der ewigen Ber
dammnid und der Hölle ziehen meist in grellen Bildern an der Seele de Zuhörers vor
20 über; dann werden die Ginabenmittel, das Gebet, der Ablaß, die Autorität der Kirche,
ber Primat des Betrug, der Kultus und das Meßopfer, die Euchariftie und die Trans
fubjtantiation, die Herrlichteit der Jungfrau ale Schirmherrin der Kirche und Zerftörerin
der Härefie gleich handgreiflich nabe gebracht. Die Pflichten der Eltern, der Kinder, der
Sünglinge und Jungfrauen, der Gatten, der Tienjtboten werden bald in felbititändigen,
25 bald in regellos eingereihten Vorträgen befprochen, oft in einem Tone, der durch rüd:
fichtölofe Bebandlung und unzarte Berührung der delikateſten Verbältniffe Anftoß erregt.
Die Erneuerung des Taufbundes, bezeugt durch bußfertige Unterwerfung unter den kirch⸗
lichen Gehorfam, befiegelt durch Beichte und Kommunion, ift das Biel, das auch darin
einen charakteriftiihen Ausdrud gewinnt, daß zum Schluß die Gemeinde feierlich an bie
so Jungfrau Marta übergeben, und wo es angeht, ein großes Kreuz, gewöhnlich mit der
Inſchrift: Nur Feine Todfünde! aufgerichtet wird. Die Neuheit der Prediger und ibrer
Eigentümlichkeit, Die rafche Folge der Predigten, deren jede folgende den Eindrud der
dorangegangenen aufnimmt und verftärkt, das ftarke Auftragen der Farben in dem Aus
malen der Situationen, Stimmungen und Bilder, die Vielfeitigfeit der Mittel, melche zur
35 Erreichung des beabfichtigten Effeftes aufgeboten werden — das alles giebt der Miſſions⸗
prebigt ihren bejonderen Charakter und unterjcheidet fie von der regelmäßigen Pfarr
predigt.
Daß die Kirche die Pflicht bat, nicht nur die Heiben außer ihr zu geivinnen,
fondern aud das Heiden: und Namenchriftentum in ibrem eigenen Schoße zu übertoinden,
40 daß in Zeiten wie die gegenmärtige die geordnete amtliche Thätigkeit nicht ausreicht, um
ale Munden zu beilen, welche der Unglaube in feinen mannigfachen Erfheinungsformen
von der fittlichen Gleichgiltigfeit bis zu der bewußten Feindſchaft gegen alle Neligion und
dem roheſten Materialismus dem jetigen Geſchlechte gefchlagen bat, daß es folglich neuer
Wege und außerordentlicher Anjtrengungen bedarf, um in allen Schichten der Setellicaft
10 auf den tiefiten Grund des muchernden Verderbens durdzudringen — darüber ift die
proteftantifche Kirche mit der fatholifhen einig. Ob aber die fatbolifhe Volksmiſſion
dazu das richtige Mittel ift, darf man mit Necht bezweifeln. Diefe Predigten, die fich in
den Raum weniger Moden zufanmendrängen, fünnen durch effektvolle Behandlung
imponieren, können durch Beltürmung des finnlichen Gefühls heftige Gemütserſchütte⸗
rungen und augenblidliche Entjchließungen bervorrufen, aber eine unumftößliche Gewißheit
der Überzeugung, eine durchgreifende Umwandlung der Gefinnung und des Lebens
fönnen fie nicht zur Reife bringen. In der Tbat find fie auch nur darauf gerichtet,
die Der Kirche entfremdeten Maſſen aufs neue in dem Beichtituhl zu fammeln und die im
Sturmesdrang eroberten Gewiſſen wieder unter die kirchliche Ordnung zu beugen; bie
55 Bekehrung, auf Die fie mit ihren Hammerſchlägen binarbeiten bat ihr Weſen und gie in ber
Unteriverfung unter die prieſterliche Richtergewalt, in der Nüdfebr zum firchlichen Geborfam —
das ijt der echt katholiſche Gedanke, der in der Buße nicht cine freie, fittlihe That bes
inneren Pebens, fondern eine Tirhlide Zaframentshbandlung, eine Summe ſatisfaktoriſcher
veiltungen ſieht. Denn welche Mittel bat nun die Mirche, um das Angefangene meiter
ww zu führen und Die gewedten Keime dur ihre ſittlich erziebenden Einflüffe zu beivahren
%
Miffion, Tath., in der kath. Kirche Miffton unter den Heiden, katholiſche 103
und zu entfalten? Wiederum nur den Beichtituhl, in welchem fich alles Tonzentriert,
was fie an feelenpflegender Thätigfeit aufzubieten vermag — aber tie ungünſtig jind
die Bedingungen, welche fich hier vorfinden, der deran ildung zu wahrer Sittlichkeit;
ſchon die rein quantitative Auffallung des Begriffs der Sünde, die mechanische Trennung
in läßliche und Todfünden, wie die ihr parallele Unterfcheidung des gebotenen und des 5
nur angeratenen Guten, muß den tieferen fittlichen Ernſt von vornherein Schwächen; nicht
minder muß es die vorherrichend Tafuiftiiche Behandlung der Moral, die alle ethifchen
Grundprinzipien verleugnende Vorausjegung einer wirklichen Kollifion der Pflichten und
die auf Löſung diejed präfumtiven Konflikte ausgehende Gewilfensberatung, wie fte vor⸗
zugsweiſe im Beichtituhl geübt wird; endlich geht die Erziehung, die dieſer beabftchtigt,
nicht wie es Gottes Ordnung will durch den Öchorfam zur Freiheit, fondern umgefehrt
aus dem freien in den bindenden und zulegt Inechtenden Gehorfam unter des Priefters
Sentenz, an der das Fatholifche Gewiſſen feine endgiltige Norm und Entſcheidung hat.
Außer diefer Tendenz der römiſchen Miſſionspredigt, die als letztes Ziel die Kirch—
lichfeit, die Sittlichkeit dagegen nur als untergeordneten Zweck und lediglich in der elemen- 16
taren Form des unmündigen Gehorſams verfolgt, entipringen alle Mängel, die man an
ibr häufig ausgeſtellt hat — zunädft in der Wahl des Stoffes, denn was hat der
Primat des Petrus, das Recht der Tradition, das Transjubitantiationg-Dogma, der Ab:
laß und ähnliche Dinge mit der Heiligung des chriftlichen Volkes zu thun? weiter in der
Art der Behandlung, denn die Effelthafcherei, die rhetorifchen Seflamationen und Al: 20
tionen, die kraffen Übertreibungen in der finnlichen Ausmalung des Sündenelends und
der Höllenqualen, der Erregung von Furcht und Schreden fünnen doch nicht fittlich be-
leben und erneuern; ferner die begleitenden Umftände — in Frankreich ſchloß fich, um
nur ein Beifpiel anzuführen, zur Zeit der Reftauration den Miffionären ftet3 ein Schweif
müßigen Gefindeld als Makler des Reliquien, Amuletten: und Ablaßkrames oder als 3
Verkäufer wunderkräftiger Waffer und Ole an und lenkte, was von wirklicher Frömmigkeit
etwa frei geworben war, ſogleich in die Bahn der kirchlichen Superftition; endlich die
Polemit gegen die Proteftanten, die von Anfang an ein charafteriftifcher Sug in ber
holiſchen Volksmiſſion geweſen ift und nur da zurüdtritt, wo man es für klüger und
den obwaltenden Umftänden angemeflener erachtet, den Eifer fanatifcher Unduldſamkeit 30
unter dem Gewande der Friedensboten zu verbergen.
In dem Dienfte der inneren Miffton wirkt zugleich im katholiſchen Deutichland das
firhliche Vereinsweſen, dag man feit dem Jahre 1848 dem proteftantifchen nachgebilvet
bat; allein den freien Vereinen fehlt in dem römischen Katholicismus die Wurzel, aus
der fie im Proteftantismus Nahrung und Lebenskraft ziehen: der ethifche Begriff der Kirche 86
als eines fittlihen Organismus, ald eines Ganzen von fittlich vollkeäftigen, mitthätigen
Organen, die ſich ihres Berufes bewußt find, durch freies Zuſammenwirken das hödjite
Gut, das Reich Gottes zu verwirklichen. Dieſes Bewußtſein, dag nur auf der Grund:
lage des allgemeinen Prieſtertums zu gewinnen ift, muß einem Syſteme fremd bleiben,
das feinen Kirchenbegriff lediglich aus dogmatifchen und Tirchenrechtlichen Beitimmungen 40
fonftruiert. Jene Fatholifchen Vereine find darum auch nur Werkzeuge der jeſuitiſch⸗
Herilalen Partei, unter deren Leitung fie Stehen; ihre Wirkſamkeit kann nur ſolchen als
eıne Arbeit für das Reich Gottes gelten, denen der Begriff des Ietteren mit dem der
empirifchen Kirche in völliger Kongruenz fich dedt. Senior D. Steig }.
fe \
0
Miffion unter den Heiden: 1., Tatholifche. — Missones Catholicae, cura 8. Congre- 46
gationis de propaganda fide descriptae, Romae 1886 ff. Offizielle GStatifti. Hier wurde
bauptfählih Jahrgang 1901 benugt. — Die Katholifhe Kirche unferer Zeit und ihre Diener in
Bort und Bild herausgeg. von der Leo-Gefellihaft in Wien, Münden 1900/01. Illuſt. Pracht:
wert. — Biolet, Pre J. B. — S.J., Les Missions Catholiques Francaises au XIXe Sitcle.
Bis jetzt iſt erfchienen Bb I, Orient u. Bd II, Abeffinien, Indien, Indohina. Vier meitere 50
B.B. des reich iluftrierten Prachtwerks follen folgen. — Annales de la Propagation de la Foi,
Won 1822. (deutfche „uagabe ericheint in Köln: Sahrbücher zur Verbreitung des Glauben?.
Sährlih 6 Hefte). — Die Katholifhen Miffionen. Illuſtrierte Monatsſchrift, Freiburg i. B.
1871ff. — SHenrion, Histoire generale des Missions Catholiques depuis le XIIIme sidcle
jusqu’& nos jours, Paris 1846, 4B. B. — Hahn Geihichte der katholiſchen Mifjionen, Köln 56
1857—63, 58. B.; Kalkar, Den katholske Miffionshiitorie, Kopenhagen 1862 (deutfche Aus:
Erlangen 1867). — Djunkovscoy, Dictionnaire des Missions Catholiques, Paris 1864,
8.8. (leihtfertige Arbeit, nur mit Vorfiht zu gebraucden).
Abkürzungen. Up. Präf. = Apoſtoliſche Präfektur, Ap. Bil. — Wpoftolifches Pilariat,
Ehr. = evangel. Heidendriften, eingeb. = eingeborne, F. = Schul: u. Laienbrüder, Jahrb. — 60
104 Milfion unter den Heiden, kathsliſche
Jahrbücher zur Verbreitung des Glaubens, K. — Kirchen, K.K. — Die Kath. Kirche, illuſtr.
— Rat. — Katecheten, Katech. = Katechumenen, Kath. = Katholiken, Kath. M. =
atboliihe Miſſion, Monatsſchrift, Kongr. — Kongregation, M. C.— Missiones Catholicae
(offiz. Jahrbuch), Mich. — Mädchen, M. Gef. — Miſſionsgeſellſchaft, P. = Batres, Mifjionare
5 (meitt Regularpriefter), Pf.— Pfarrer, S. = Ordensſchweſter, Sh. = Schulen, Sch. = Schüler,
Sem. — Seminar, Stat. = Miffionsftation, ®. H. = Waijenhaus, W. — Waiſen.
Die in ( ) beigefügten ftatiftiichen Angaben geben zur Bergleihung bie entiprechenden
Bablen der evangeliihen Miffion.
Der Ausdrud M. bat eine verjchievene Bedeutung, je nachdem er in Tatholifchem
10 oder in evangeliihem Einne gebraucht wird. Auf römischer Eeite verftebt man darunter
die Ratholifierung aller alatholiichen Wölfer und ihre Eingliederung in die römijche
Hierarchie. Wir dagegen fallen die Miſſion ausfchlieglich als Chriftianifierung nichtehriftlicher
Mölfer. So wenig wir die Evangelifationsarbeiten im Bereiche chriftlicher Kirchen (deren
Notwendigkeit unter gewiſſen Berbältniffen wir anerfennen) der Heidenmiffion zuzäblen, fo
15 nahdrüdlich wir die Berechtigung evangelifcher Selten mit ihrer Propaganda ın andere
hriftlihe Gemeinjchaften einzubringen beitreiten, jo entfchieden Ichnen mir es ab, die
tatholifchen Arbeiten zur Unterwerfung der Chriſten anderer Belenntniffe unter die Herr:
ichaft des Papftes zur Miffion zu rechnen. Alles, was dahin gehört, fondern wir bier
von unjerer Betrachtung aus und beichränten uns auf diejenige Thätigkeit, in welcher fich
0 die Katholifierung mit der Chriftianifierung deckt. Dieſe begriffliche Trennung ftinmt
freilich meiftend nicht mit der Wirklichkeit. Es giebt wenige Felder auf den die k. M.
es lediglich mit der Gewinnung von Heiden zu thun bat. Wo ſich Gelegenheit bietet
aus den Europäern, die vorübergehend, oder als Kolonisten ſich in beibnijchen Gebieten
finden, Andersgläubige berüberzuzieben, wird dieſelbe eifrig mabrgenommen. Dazu dienen
25 beſonders ausgedehnte Schul: und Mobhltbätigfeitsanftalten. In viel meiterem Umfange
aber läuft die Konvertierung junger evangelifcher Ghriften die erſt Türzlih aus dem
Heidentume gefommen find, mit unter, ja auf einigen Feldern bedingt fie einen großen
Teil der Erfolge. Ausgefchloffene und Mißvergnügte bilden die mwilllommenen An-
Mmüpfungspunfte; eine weitgehende Milde in der Behandlung undhriftlicher Sitten und
80 Gebräuche wirkt für manche der noch ſchwachen Chriſten als Lodung. So Tommt es,
daß mir unter den katholiſchen Heidenchrijten eine beträchtliche Zahl ſolcher mitrechnen
müſſen, die nicht aus dem Heidentum, fondern aus evangelifchen, beidenchriftlichen Ge
meinden gewonnen find. In diefem Punkte iſt eine ftatiftiiche Ausfcheidung ganz unmöglich.
Man dar jedoch dieſen Gefichtöpunft bei Wertung der Statiftil der k. M. nicht aus dem
85 Auge verlieren.
Auf die Methode der Kath. M. können wir bier nicht näher eingeben, ebenjo mie
wir ihre Geſchichte nur in den wichtigften Punkten berühren, ſoweit fie zum Verſtändnis
des jegigen Beſtandes erforderlich find. Nur den letzteren erlaubt ung der gemeſſene
Raum zu flizzteren unter Angabe der Statiftit, ſoweit fie zu erlangen ift. Der letzteren
40 find überall, wo die k. M. neben der evangelifchen arbeitet, die Zahlen der letzteren in
Klammern beigefügt.
Die beimatlibe Seite der EM. bat ihre einbeitlihe Urganifation in der Con-
gregatio de propaganda fide zu Rom, two alle Fäden des weitverzweigten Wertes
zufammenlaufen. Siebe bierüber den Nrtifel Propaganda. Ta in demfelben die in
45 den verſchiedenen katholiſchen Ländern vorbandenen Miffionsvereinigungen nicht näber be
bandelt werden, mögen fie bier wenigſtens Turz erwähnt fein.
Vor allen ift zu nennen der AKaveriusverein oder Verein zur Verbreitung des
Glaubens, 1822 zu Lyon gegründet. Die Mitglieder haben täglıh einmal das Water:
unjer und Ave Marta mit Miſſionsintentionen zu beten und die Anrufung: Hl. Franz
50 Taverius, bitte für uns!” binzufügen. ferner baben fie wöchentlich 4 Pf. zu opfern
(jährl. 2,08 ME.) Dafür aber haben ſie die päpftlich bewilligten volllommenen Abläffe
am Ztiftungstage und einer Neibe von anderen Feſttagen, außerdem einen Ablaß von
300 Tagen, wenn fie den vom Wereim gehaltenen Syeterlichleiten beimohnen und einen
folden von 100 Tagen empfängt jedes Mitglied, das ein Werk der Frömmigkeit zu
85 Gunſten der Miſſionen verrichtet. Priefter, Die Dem Vereine dienen, find mit beſonderen gilt
lichen Bollmadhten ausgerüftet. Der Verein bat fihb in allen k. Ländern ausgebreitet. Sein
Blatt, Jahrbücher zur Verbreitung des Glaubens, erjcheint in verfchiedenen Spraden —
Die Deutsche Ausgabe in Köln. Die für die Miffion von den Mitgliedern geopferten Be:
träge belaufen ſich 5. 3. auf jährlich 5—5!, Dil. DE In Paris entftand 1820 die
60 Sejellichaft der auswärtigen Mifjionen, in Oſterreich 1829 die Leopoldiniſche Stiftung, in
Miffien unter den Heiden, Tatholifche 105
Baiern 1840 der Ludwigsverein, in Paris 1843 der Verein der hl. Kindheit ober Kind:
beit Jeſuverein. Der letztere umfaßt alle Kinder, welche täglich beten, „Hl. Jungfrau
Maria bitte für und und die armen Heidenfinder!” und monatlich 5 Pf. opfern. In
50 Jahren bat verfelbe über 66 Millionen ME. vorausgabt, zur Rettung von Heiden:
findern, die in Gefahr des Todes getauft wurden — es waren ihrer mehr ala 12 Millionen, 5
die meilten in China. Nicht wenige, die am Leben blieben, wurden auf Koften des Vereins
in Maifenbäufern erzogen. — Unter dem Einfluffe der deutfchen Kolonialära bildete ſich
der Afrifaverein deutſcher Katholiken. In N.-Amerika befteht ein Verein zur Unter:
ftügung der Neger: und Indianermiſſionen u. ſ. w.
ur Ausbildung der k. Miffionare beſtehen Miffionsjeminare in Paris, Lyon, Mat: 10
land, Berona und Rom (S. S. Ap. Petriet Pauli de Urbe) deren jevem, mie oben bemerkt,
mebr oder weniger Miffionsfelder anvertraut worden find. Auch England hat ein fath.
Miflionsfeminar St. Yojeph von Mill-Hill. Dahin gehört auh das Mifftonshaus zu
Steyl (Holland, 1. St. füdl. von Venloo, dicht an der deutfchen Grenze), das unter dem
Einfluß der deutichen Rolonialfache eine Zmweiganftalt in Neuland bei Neiße (Schlef.) ge: 15
gründet bat. Dem Seminar ift die Ap. Präf. in Deutfch-Togo übermiefen.
Beſonders aber liegen die Wurzeln der Kath. M. in den zahlreichen Kongregationen,
Orden und Bruderfchaften, deren manche fich eigens um der Miffion willen gebildet haben.
Co gründete der Profelyt P. Libermann 1841 die Kongr. des hl. Herzens Mariä, welche
1848 mit der älteren vom hl. Geifte vereinigt, vorwiegend die Arbeit ın Weſtafrika über- 20
nommen bat. Auch die 1836 vom Papfte anerkannte „Oel oaft Mari” (Mariften)
machte die Heidenmiffion bald zueinem wichtigen Zeige ihrer Thätigfeit. Hauptniederlaffungen
find in 2yon, (mo die erften Anfänge der Geſellſchaft bis 1811 zurüdreichen) und Paris.
An mehreren anderen Orten Frankreichs beſtehen Noviziate. Ihre Arbeitsfelder Tiegen
in der Südſee. Dafelbit jtehen auch Väter von der Kongr. von den beiligften Herzen 26
Jeſus und Mariä (von der Parijer Straße, in der das Mutterbaus liegt, Picpuffianer
genannt), vom Papft beftätigt 1817. In Marfeille gründete Bifhof Mazenod 1815 den
Erden der Oblaten der unbefledt empfangenen Maria, deren Miffionare in den eifigen
Cinöden von Britiih Nordamerika fowie auch in Südafrika arbeiten. Kardinal Lavigerie
gründete 1867 zu Algier die Kongr. der Väter vom hl. Geifte, weiße Väter genannt, 0
urfprünglich für die Sahara und den Sudan beftimmt, jet vorwiegend in Oſtafrika
thätig. Auch die alten Orden haben in ber Heidenmiſſion teitergearbeitet, und mo im
18. Jahrhundert Verfall eingetreten war, zeigte ſich um die Mitte des 19. ein reger
Auffchwung. So haben die Sefuiten nach Wiederherſtellung des Ordens (1814) ihre
alten, großartigen Miffionen zwar nicht retten fünnen, aber doch einige Felder wieder 86
aufgenommen und find auf eine ganze Reihe anderer neu eingetreten. Die Lazariften
na dem Kollegium St. Lazarus in Paris benannt, geftiftet von St. Vincent von Paul,
find feit ihrer Wiederftellung 1816 in die Miffton eingetreten. Außer unter den orien-
talifchen Häretilern arbeiten fie in Amerifa und in China. — Auch die alten Orden
finden wir in ausgebehnter Thätigfeit: Dominikaner in China, Tonking und Weſtindien, 40
Franziskaner (Minoriten) in China und Nordafrika, Kapuziner in Indien und ben
Gallaländern, Karmeliter desgl., Auguftiner in China und Philippinen, Redemptoriften
(Liguorianer) in Suriname, Salefianer (Kongr. des bl. Franz von Sales zu Annech) in
Indien, China und Südamerika u. a.
Megen der Arbeit in deutichen Schußgebieten find zu nennen die PBallottiner, ge: 46
nannt nach P. Pallotti (Pia societas missionum) zu Rom — deutſches Haus in
Limburg (Lahn) — in Kamerun, die Kongregation des bl. Herzens Jeſu von Iſſoudun
(110 km ſüdl. von Orleans) bat Stationen in Neu:Bommern, und der noch junge
Benediktinerorden von St. Dttiltien (in Baiern, 38 km weſtl. von München) in Deutfch-
Oſtafrika. In Verbindung mit dem Miffionshaus zu Steyl wird die Geſellſchaft des so
göttlichen Wortes daſelbſt erwähnt, welche ihre Boten nah Kaiſer Wilbelmsland fchidt,
während dem Seminar jelbit die Up. Präf. in Deutſch-Togo zugeteilt ift. In Belgien
bat mit der neuen Kolonialära die Kongr. des unbefledten Herzens der fel. Jungfrau
Maria von Scheutveld eine ausgedehnte Thätigkeit für die Kongomiſſion entfaltet.
Alle diefe geiltliichen Genoflenjchaften, denen die Verwaltung von Miffionsfeldern 55
überwiefen ift, haben ihre Profuratoren bei der Propaganda. Neben ihren PBrieftern
arbeiten meift auch Laienbrüder, oft in großer Zahl. Eine ganze Reibe von Kongretionen
nimmt in dem — überhaupt nur eine helfende Stellung ein. Hier ſind ver—
ſchiedene Geſellſchaften von Schulbrüdern zu nennen. Die Trappiſten, welche die Lei—
tung einer Miſſionsprovinz ablehnen, obgleich fie eigene Niederlaſſungen mit großen An- 60
106 PR... oem baten
ausgedehnte Kulturarbeiten in Natal,
BE ke ce Da beſchäftigten ſich mit — Baifen:
Bor allen a ji in F ga Bus w
——
[. irten Be den
— a * —— erikaniſchen w. —*
ga enannten nen arbeiten nicht l eidenm aber
alle find — —— Seen ii und al * ——
| — ah Lem Nachfolger St. etri e Melt u den an
or A. We itafrifa. en bier un D — * uinea).
— rtugieſen, welche in ber 2. Hälfte des 15. Jahrhun bie —— entdeckten
und im Befit ı en, ſofort — ee und Franziskaner ihre Expeditionen
e bie und da 6 B. in dem mächti en König:
Benin) weite "Auctehnung an —— it dem Verfall der eh * Rs es
20 verſchwunden. Nur wen ne mit Heidentum
Be Die. M war jedoch bereits 1765 im an bie Kamafhhen
en in —— wieder Bi ner ze und fpäter — tr. vom bl. Geiſte
| | eiden Guineen wurde 1842 t. Noch waren
die Erfolge verſchwindend. um die Mitte des 19. Jahr derts, als fich neben dem
25 aufblübe eliſchen Mi fiongfeben auch das —— tieder zu regen begann,
und die a dem "Ar die Heidenmiſſion begei P. Lieberm tiftete ie
unbefledten Herzen Mariä mit der vorgenannten vereinigt ivar, in Be
Fir eine vegere kath. Miffions — Es wurden von dem
uineen immer weitere neue Präfekturen oder Vilariate abgezweigt. Ser —— —
ender.
1. Ap. Di. Senegambien, verbunden mit ber Präfektur Senegal, zu welcher le —
nur die Stationen St. Louis und Gorde mit geordneten Marreien g
während im Rilariate auf 19 anderen die Erziehung von Kindern zu guten Mitgliedern
ünftiger Gemeinden noch die Hauptſache bildet. Auch um die Heranbildung eines
warzen Klerus bemüht man fich im ae ag St. Joſeph von Ngazobil, mit dem
— Druckerei verbunden iſt, in der einig Überfeg ungen in Wolof u. a. Sprachen
En 52P. et arunter 7 eingeb * a F. —* 1238. find in Thätigkeit. Diefen
bie ah der Belehrten gering erjcheinen. Es ift nicht zu er-
rg eh, ar * ben 1500 Kath. (fo nach den fi Angaben im legten Bande der
Missiones Catholicae von 1901: 1886: 12000) eingeb. find. Auf die Präfektur
famen (1886 und 98) 5500. No geringer erjcheinen die Erfolge im Vergleich mit
ber erjchredenden Musbreitung des Islam.
2. Im Süden ift 1897 die Ap. Präf. Franz At Suinea (Rivires du Sud) ab»
u Konge (zioifchen der Portugieſiſchen Beſitzung und Sierra Yeone) und der oben genannten
ongr. übergeben, die, von der Regierung begünftigt, am Rio Pongo in das (mit Unter:
ng) jeıt einem hundert bear eitete eneliiche Miffionsfeld eingetreten iſt (wie
5 $. G. fteht im Begriff ſich zurückzuziehen). 8 P., 7 F., 8 8., 1100 Kath. (gegen 1200
3. In dem Ap. Vik. Sierra Leone, das bis zur Oftgrenze von Liberia reicht, ift es
so den P.P. vom bl. Geift gelungen, aus der bereits proteftantijchen ſchwarzen Bevölkerung
der engliſchen Kolonie Komvertiten zu maden — 2800 (1888: gegen 2000). 7 P. 3F,,
108. In den „Kath. Miffionen“ ift in ven legten zwölf Jahren, abgejeben von einer
Den Notiz, fein Bericht über diefes Arbeitsfeld zu finden.
ac Dften zu relgt die erit 1895 gegründete Präf. der Zahn, oder Elfenbein-
55 füllte, ge Miffionare des Lyoner Seminars 7 Stat. baben. 16 P., 48.
5. Ste wurde abgetrennt von der Ap. Präf. dev Goldküſte, wo feit 1879 zuerſt
Väter vom hl. Geiſt arbeiteten. Später war die letztere Lyonern überlaſſen worden. Die
Stationen liegen an der Hüfte (Elmina, Kap Coaft, Saltpond u. a.), neuerdings bemübt
man fich nad) Adhanti borzubringen. 1900: 16 P., 12 8., 5650 Kath. neben mebr als
50000 evang. Miffionschrijten.
Miſſion unter den Heiden, katholiſche 107
6. Die Ap. Präf. Togo wurde 1892 von dem Vik. Dahome abgetrennt und um-
faßt das deutſche Schubgebiet, in dem die ev. Norddeutſche Miſſion längjt an der Arbeit
ſtand. Auch hier wird auf den Stationen Lome, Adſchido, Vorto Seguro und Kl. Popo
vorwiegend in Schulen gearbeitet. Die Miffion ift der Gefellichaft vom göttlichen Worte
zu Steyl übertragen. 12 P., 9 F. 6 S. gegen 1000 Kath. 5
7. Zehn Sahre älter ift die Ap. Präf. Dabome, das gleichnamige, jetzt franzöftiche
Gebiet umfaffend, mo Lyoner Mifftionare arbeiten. Von den an der Hüfte gelegenen
Hauptitationen Ague und Weida (Whyda) aus wurde meit im Innern Die zu Ntafpame
angelegt, die jetzt auf deutfchem Gebiete liegt. In neuefter Zeit ift auch die Hauptſtadt
Abome befegt worden. 22 P., 12S., 5200 Kath. 10
8. Das Ap. Vik. Benin, das bereit3 1860 unter dem Namen Dahome gegründet
war, umfaßt die englifche Kolonie Lagos ſamt dem englifchen Schußgebiete im Hinter:
lande bis an den Niger. Seit 1864 find bier Priefter von Lyon thätig, die bejonders
an einigen Hauptplägen der ev. M. ausgedehnte Gemeinden gefammelt haben. Haupt:
ftationen find Lagos (Sitz des Vikars), Abeokuta, Tofpo (ein neuangelegtes chri le 15
Negerborf), Oyo und Porto Novo (jet zum franz. Gebiete gehörig), mo eine Schar
fath. Neger aus Brafilien angefievelt wurde. Auch Ibadan iſt beſetzt. Schule und
Krankenpflege bilden die Hauptthätigfeit; daneben wird eine Aderbauanjtalt erwähnt.
27 P., 37 S., 22 eingeb. Katech., 16400 Kath. |
9. Die Ap. Präf. am Unteren Niger, in dem englifchen Schußgebiete, wo fett 1885 20
vom Gabun aus f. M. wirkte, wurde 1889 gegründet und den Vätern vom bl. Geilt
überwiefen. An die 3 Stationen Onitſcha, Aguleri und Niube find gegen 1200 Kath.
gefammelt 9 P., 3F., 5 S. (von d. Gefellih. St. Joſeph von Cluny). Nördlich davon
10. liegt die Präf. am Oberen Niger, feit 1894, der Lyoner M. Gef. überwieſen.
Haupftation ift Lokodſcha. Der Kampf der Muhammedaner gegen die heidnijchen Stämme 25
ift auf diefem Gebiete ein großes Hindernis. Die Zahl der Belehrten iſt noch gering.
14 P., 9 S., 7 eingeb. Rates
11. Die folgende Präf. Kamerun, welche uns aus dem Gebiete der eigentlichen Neger
zu den Bantuvöllern binüberführt, ift 1890 in dem gleichnamigen, beutfchen Schußgebiete
errichtet. Dort find deutſche Ballottiner aus dem Mifftonshaufe zu Limburg a. Lahn be: 80
fonder® im Süden am Sannaga zu Marienberg, Edea und Kribi, nicht meit von Gr.
Batanga thätig. Engelberg am Kamerunberge iſt zunächſt als Sanatorium angelegt; doc)
wird auch dort durch die Schule miffioniert. Auch ift dort eine Kaffeeplantage angelegt.
Außerdem beftehen mehrere Zmeigftationen. Für die Verbindung ift eine Dampfpinafe
in Thätigleit. 9 P., 20 F., 14 S., 2430 Kath. 85
MWeftafrifa. Summa: 73 ©t. (237), 185 P. (216 Mifi.), 7 desgl. eingeb. (252)
112 F., 226 S. (10) (nur deutfche Diakoniſſen und unverheiratete Gehilfinnen; andere
Angaben fehlen), 149 Sch. (729), 11687 Sch. (42869), daruter 3779 Moch. (15 440),
Kath. 51725 (170705 Chr.). |
Bemerkenswert find noch die Waifenhäufer und Anftalten, in denen losgekaufte 40
Sklavenkinder erzogen werden — 61. Die Zahl der Zöglinge tft mit mehreren Lüden
auf 1309 angegeben, unter denen gegen 672 (mie es fcheint) Iosgefaufte Mädchen find.
B. Das weſtliche Centralafrika (Niederguinea) umfaßt die Gebiete bis an den
Kunene. Südlich vom unteren Kongo hatte einft in dem großen Königreiche gleichen
Ramens die T. M. jcheinbar großartige Erfolge. Unter der Gunft des befehrten Königs #5
und durch die Schärfe der Inquiſition wurde das Chriftentum eingeführt. E3 entſtanden
[reiche Kirchen und Klöfter. Dabei blühte der Eflavenhandel. Aber fchon um bie
itte des 16. Jahrhundert zeigte fich der Verfall, beſonders in der Zuchtlofigfett des
Klerus. Der Eintritt der Jeſuiten 1547 bielt denfelben etwas auf. Je mehr jedoch bie
Bortugiefen, die lange vergeblich nah Gold gefucht hatten, ihren Einfluß fallen ließen, 50
deſto mehr verfiel die nur mit äußeren Formen eingeführte katholiſche Kirche. Im
18. Jahrhundert hörte aller europätiche Verkehr mit Kongo auf. Es murde wieder ein
edlendes Heidenland, wenngleich fich einige chriftliche Formen erhielten. Erſt 1865 wurde
die £ M. unter UÜberweiſung an die Kongregation vom bl. Geifte erneuert. Weiter
nördlih, am Gabun, hatte ſie ſich bereits früher eingeftellt, bald nachdem dort 1842 55
amerikaniſche Proteftanten einen Anfang gemacht hatten. Damals wurde das oben er:
wähnte Ap. Bil. der beiden Guineen gegründet. Heute beiteht dasjelbe ale
1. Ap. Bil. Gabun, welches im Norven an die Präf. Kamerun grenzt. Dort haben
unter franzöfifhem Schuge die Väter vom bl. Geifte eine katholiſche Mufterfolonie Libre:
ville gegründet. Eine andere der 10 Stationen, Fernan Baz, wohin neuerlichſt Das 60
„278.
Teil des franzöſiſchen Kongo ein, fo bildet
« een
ißt 2 Ay. Bil. dem erjten, (4.) des
el Staates, n — er — (ber
traut, die auf 5 Stationen 2376 Getaufte und gegen 5080 Taufbewerber hatten. Xn
Mpala balten fie ein Seminar. Auch ift noch die = am Uelle zu erwähnen, wo
belgiſche —— — 2 Stationen —** — Be — eit 1892 eine
—— dem ke ni Fr Kongem a fion, ei 5 ——— is, ans
wiſchen iſſen der ionare und denen ehe ri
der Lich —— find beſtimmte Grenzen geordnet (22 P.,
Südlich davon in Benguella die (8.) Ap. Präf. Oker-Gimbebafien ihr
85 dem ebenfalls Näter vom bl. Geifte auf 6 Stationen (au in Bihe und Bail ee
amerifanijchen Protejtanten) thätig find, unterftügt von St. Fejepbs-Schweitern. 16 P.,
Das weftliche Gentralafrifa. Summa: 67 Stat. (67), 204 P. (167), 130F,,
J 5 84 Sch. (115), 4070 Sci. (6737), darunter 948 Mod. 940 (2845) 39015 Kath,
40 (11354
C. Südafrifa. In Deutſch-Südweſtafrika befteht ſeit 1892 eine Präf., die als
(1.) Unter Eimbebafien bezeichnet wird mit Stationen in Windhut und Swakopmund.
ge iſt die £ M. (vom deutſchen Oblaten der unbefl. Maria) noch in den An ——
cht Jahre älter iſt die der Saleſianer im Namaqualande, das mit einigen Bezirken
45 une zufammen das (2.) Ap. Vik. des Oranjeflufjes bildet. Stationen baben jie *
Kleinen gg (Bella, Springbod) und ſüdlich (Calvinia). Unter den 500 an
ebenen Kath. dürften ſich auch Europäer befinden. Im Kaplande ſelbſt wird jchon
ft 1837 gearbeitet. Der (3.) weſtliche und der (4.) öftliche Diftrikt find Ap. Vikariate;
zwiſchen ihnen liegt Die ei Präf. (5.) des Eentraldiftrifts, zu der auch St. Helena ge
50 rechnet wird. Die Erfolge w nur gering. Bon den beiden letten Dijtriften find
1622 ——— on —— 13 bei dem erſteren find mit Einſchluß der Euro er 6240
ezählt. ch Verhältnis erechnet dürften darunter 780 Rarbige er Danach würden
an an zu rechnen fein. Die Miffionsthätigfeit auf 27 m
—* Kapland 2400 zu rechnen ſein. Die Miſſionsthätigkeit Stat. mit 48 P
(meitt —— erſtreckt ſich größtentells auf Die weiße Bevölkerung; fo auch zabl-
55 reiche Schulen (darunter einige böbere), an denen Marilten, Salefianer und a Pe
wie Dominifanerinnen u, a, arbeiten.
Nom Vikariat des öftlichen ° —2 iſt ſeit 13500 das von (6.) Natal abge jatel
ben Händen von Oblaten der unbefl, Maria. Die ausgedehntejte Thätigfeit
deutſche Trappiften in ihrem großen Kloſter Marianbill 2 Stunden von D’Urban) *
co 21 Filialen, mit blühender Ökonomie und Induſtrie. 273 F. und 305 8. Bon ben
Miffion nuter den Heiden, katholiſche 109
52 Schulen des Bil. gehören 18 mit 1165 Kindern dieſer Kongr., welche hier 2606 ge⸗
taufte Schwarze und 1175 Katechumenen zählt (Kath. M. 1899, 186). Wie viel von den
12000 Kath. außerdem Farbige find, ift nicht erfichtlih. Dasfelbe gilt von den 5600
im (7.) Bil. Dranje-Freiltaat (jeit 1886), das auch Griqualand, Weſt- und Betichuanaland
umfaßt. Die Arbeit der Oblaten der unbefl. M. auf 10 Stationen fcheint fich haupt: 6
fächlich auf die weiße Bevölkerung zu erftreden. Größere Ernten aus den Eingebornen
haben Brüder der leßtgenannten Kongr. im benachbarten (8.) Bafutoland_gehabt, das
eine bejondere Präf. bildet. Jedenfalls find jedoch manche von den 4000 Kath. daſelbſt
nicht aus den Heiden, fondern aus den proteitantifchen Gemeinden der Pariſer Mifjion
gewonnen. 10
Dieſelbe Kongr. wirkt auch in der 9. Ap. Präf. Transvaal auf 4 Stationen. Auch
hier ergiebt die Statiſtik nicht die Zahl der Farbigen unter 6200 Kath. Hier wie in
anberen füdafrifanifchen Gebieten it das Übermwiegen der weiblichen Schülerzahl be:
merkenswert. |
Südafrika: Stat. 82 (580), P. 147 (574), F. 369, S.425, Sch. 161 (1400), 15
Schl. 7193* (87421), darunter Moch. 3565 (36333), Yarb. Chr. 9508** (333984).
* Für Dranjefreiftaat und Transvaal fehlen bie Angaben nad der durchſchnittlichen
Schülerzahl, im Berpältnis zu den Schulen dürften 1000 mehr zu rechnen, aljo ca. 8500
(4000 Mid.) ** Ergänzt man die mangelhafte, Angabe nad) bem Verhältnis des Kap-
landes, fo ergeben ſich etwa 12200. 20
D. Oſtafrika mit dem öſtlichen Centralafrika. Nördlich vom Transvaal folgt das
Gebiet der den Sefuiten feit 1879 überwieſenen (1.) Sambefi-Miffion das im Norden big
an die Grenzen des Kongoftaats reicht. Bis jet beitehen nur 3 Stationen, 2 im Ma-
ihonalande und 1 im Matebelegebiet. Die Thätigkert erſtreckt ſich nicht bloß auf die
Eingeborenen, fondern auch auf die weißen Koloniften, für die in Bulumayo, dem Sitze 26
bes Oberen, eine höhere Schule beſteht. Wie viel unter den 1200 Kath. farbige find,
it fraglich. Seit 1897 beſteht die (2.) Ap. Präf. Nyafla im Weiten des gleichnamigen
Sees, wo die weißen Väter auf 3 Stationen 1800 Katechumenen angeben. (3.) Die Präf.
des ſüdl. Sanfibar im ſüdöſtl. Teile Deutſch-Oſtafrikas tit in den Händen der bayerischen
Benediktiner von St. Dttilien, die 8 Stationen (Dar e8 Salaam, Iringa im hehe: so
lande u. a.) haben, ſowie 20 Schulen und 9 Waifenhäufer. 1300 Kath. Im Weften
renzt (4.) das Ap. Bil. Tanganyika mit 6 Stationen am öjtlihen Ufer des gleichnamigen
Sees, unter denen Karema unter dem Wabende-Bolfe am weiteſten entwidelt zu fein fcheint.
Hier (Sig des Vil,, Seminar) mie jenjeitd des Sees arbeiten weiße Väter hauptſächlich
an Cbrijtianifterung der Kinder, deren auch viele in Todesgefahr getauft werden. 1689 86
Ratb. und 2436 Kateh. Im Dften grenzt das (5.) Ap. Bil. des nördl. Sanfibar, das
von 7° SB. bis zum Kap Guardafui hinaufreiht. Es umfaßt alfo den norböftl. Teil
von Deutih-Dftafrila und den öftlichen der britifchen Intereſſenſphäre. In lebterer liegen
5 Stationen (Sanfibar, Mombas u. a.), in erfterem 13, unter denen vor allen die Mujter:
ftation Bagamoyo an der Küfte zu nennen; andere liegen in Uſakami und Ufagara, ſowie «0
2 Trappitenftationen in Uſambara. Die anderen find mit Vätern vom hl. Geifte befebt.
Auch bier mwaltet die Erziehungsthätigfeit vor. Gegen 3000 Knaben und 2000 Mädchen
in 22 Schulen und Anjtalten werden faft ausnahmslos fath. Gemeindeglieder, deren Zahl
fett 1890 von 1800 auf 7860 geitiegen ift. Im Weiten grenzt an das vorige dag Ge—
biet von Uganda, in dem nach der neueften Teilung (1894) folgende 3 Vilariate be- «
fteben: (6.) Am oberen Nil mit 4 Stationen der engl. Bruderfchaft St. Joſeph von Mill:
ill, (7.) des nördl. Viktoria Nyanza mit 12 Stationen der weißen Väter und (8.) des ſüdl.
it. Nyanza (Deutich-Uganda mit 4 Stat. derjelben Kongr. (Kamoga, Marienberg,
Neuwied (auf der Ukrewe-J.) u. U. I. Sr. v. Lourdes. Unter der durch die ältere evang.
Miffion gegebenen Anregung ift im Volke von Uganda eine auffallende Bewegung zum so
Ehriftentum vorhanden, welche in Verbindung mit den politifchen Bartetfämpfen der k. M.
zu ftatten kam. Befonders ausgedehnte Scharen find im nördl. V. N. gejammelt. Die
Statiftit giebt 39586 Kath. und 166150 Katech., für welche 32 P. mit 9 Gebilfen nur
unzureichende Arbeit thun künnen. Ein Seminar mit 60 Zöglingen foll eingeborne Geift-
liche liefern. Am oberen Nil zählt man 3530 Kath. und 9940 Katech. während ın 56
Teutich-Uganda nur 1290 Kath. und 4097 Katech. angegeben find. Gegen Süden folgt
endlih auf deutſchem Gebiet gelegen das Ay. Vik. von Unianpembe, in dem ebenfalls
die weißen Väter 5 Stationen (Uſchirombo, Mialala u. a.) haben mit 1133 Kath. und
6755
10 Miſſion unter den Heiden, Tatholifche
Citafrila. Za.: 63 Ztat. (129), 162 P. (2:9), 89 F., 64 8., 107 Sch. (227),
Tl" cl. 330500, Darunter 3573°° Moch. (11852 **, 69288***, Kath., (46639) Chr.
* Yingaben von 2 ‚yeldern feblen. ** Unvolljtändig. *** Yuf einigen Feldern find
Europäer mit eingeichlosien.
5 E. Wordafrita. An Das Ar. Vik. Des nördl. Zanfibar grenzt im N.W. 1. das der
(Sallalander in tem ſchon ſeit 1846 italieniſche Rapuziner arbeiteten — feit 1863 fran-
zöſiſche. In neueſter Zeit harte Diele Miſſion (mie mande andere in Oſtafrika) viel von
Türre und Heuichreden su leiden. Der Bilar bat jeinen Sig in Harar. Ein Seminar
ſteht in Blüte; aber nur = Elementarſchulen jind vorbanden mit 320 Schülern (darunter
10. Wird.) Tie Zahl der Kath. wird auf vınm geihägt (1800: 6000) Neben 15 Miffio-
naren wirfen 5 eingeborene Weltprieſter. Die genannte Kongr. wirkt auch in der
> Ap. Präf. Ervtbräa, in ter gleichnamigen italieniſchen Rolonie auf 24 Stationen, von
deren Neren der Zıg dee Prafekten tt. Früber achörte Das Gebiet mit zu dent 3. Ap.
If. Abeitunien, ven Dem es 1804 abgesmeiat wurde. Letzteres beitebt feit 1838. Wegen
16 des beftigen Rideritandee Des abefftniichen Klerus gegen Die römiſche Miffion bat man
den ätbieriſchen Ritus zugelaſſen. Unzr den Kampien mit der italienischen Macht war
die Arbeit der Yazarliten zeitweüe azedrahen. mt aber neuerlichjt mieder aufgenonmen.
Ror der Teilung zähle man Aveo Nam Siops werden von Abejlinien 4000, von Ery:
tbria Zum angegeben. }. Arsen Das dricas en Ap. Vik. bildet, hat eine aus—
20 gedebnte katb. Hevelfirung NFSANTZ Kam Sm 7S580 halten fih 56180 zum
lateintichen und Zum zum Bumsor Wene Uu® sahlreiden Stationen, in Schulen
und anderen Anſtaldfen er on. orten onmitisener Nongr. in Thätigfeit. Das
5 Kal Delta bat ame zeisın. Ger oz Ymorz Wßtonaren. In der (6.) Ap. Präf.
Tripelis arbeiteten Ne Terzosfonr vr or zz Sabebunderten und haben nun in
4
35 4 Lurocbien fe Nam Sevwaria m Sr” Xarotto überipiefen, mo 1859 ihre
alte Motten erneuert Tun Mar satte dern Une Rath, In der (8) Ap. Präf.
Des Zudan bazın az Rrmiuh Dreier rar den Negern am weißen Nil gear:
beitet, Zu wird u T Aräteneaiteiiiit ec Serum uberwieſen, unter deren Send—
beren fe zur Bun arm Te Zespnen wurden bis nad Kordofan vorgefchoben.
9 Dur Me Emmernig Ne ren Ne Neekoerftört Jetzt bat jene Anitalt, die
Kater Sea Ne Zn em vei. wu Feju bilder, nur einige Stationen in
Herren ti Zutat cd N Natgtsssiriliitit, Erit fürslib nad dem endgiltigen
Sue Ne andere Sn ndus eilein eogenuber von Khartum) wieder bejeßt
i oo dp EN Subara zu nennen, in Dem die weißen Väter
—I Swerx in . r = . Er - . . -
eg uno end Tambuktu, Segu u. ſ. w.) arbeiten. Die Zahl
Sunset ie Miaſtvnare aus Not der Verbältnifje ſich me:
mat og ra Nr ν n dor Lorbereitung der Bekebrung ganzer Stänme be
mu Dot we Net N voilzegen ment an Knaben in articulo morfis.
Na Namen ta übidafrika falle nach unſerer Auffaſſung nur die
wann Naar N taten ie du Mabınen wirklicher Wiffionstbätigfeit (unter
Yubartin Nenn Nat A % »rdafrika nur 15 Ztat., 45 P., 14 F., 24 S,,
IN Cu J He ad Death, Die M. C. zählen 108 930, alſo
ot ae inet chriiti. Belenntniffen oder deren Nachkommen.
Be vn de Nat. Annobom, Rorisfo und Fernando Poo bilden
anc Ar Casa yore Koleav «Sobne v. unbefl. Herzen M.) 10 Stationen
ka en eticeten Ap. Vit. geteilt: (2.) Nord-, G.) Süd- und
mil in \ Yo Nasa sgeriut SRNIEUNN Jeſuiten ſeit lange als Konkurrenten der
U —X et: ra se ui Sub die Jabl ihrer Bekehrten auf 84000 an-
un un he Sr yenjstihben Groberung find Die Gemeinden fehr ge:
PN aa Wepenintiint bedrobten Evangeliſchen fich vielfach zum
weht N R . war Sy NO eueltens 61.500 Kath. und 258 956 Katech.
ae vun a enpstwäyıt AND. bat Der äußere Druck nachgelaffen, da die
Ruta OT Nyon apart auirecht erbält. Nur einzelne Beamte wiſſen
.‘ Na
XXW& or aan sen ta ne Br kath. M. mit äußeren Mitteln Vorſchub
Br N Mar oysyn dv Veasilten Sein [806 einen neuen Anfang ges
ni N en ra BE veiüt ISIN ihren Einzug. Sie fanden
—WBB os NER Kenaregation it Die 9. Ap. Präf. von
u Wa! one zaregin rer den 1600 Kath. find viele ſchwarze
—WX
N ou hben Inne cine dath. Tiöcefe bildet, ebenfo wie
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— SE — 3 Schl. (136980),
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ndung der Propaganda wurden von dieſer hiedene Punkte des weiten
in Beng he —— a"
iffe der M. nieht nünftig. Ms —
— ES Die Daft +
jeiden war = * mehr zu denken. Zu — des 19. Jahr:
tant des olicmus in Indien — kath. Augenzeugen
112 | Miffion unter den Heiden, katholiſche
als troſtlos geſchildert. Streitigkeiten der portugiefifchen Krone mit dem päpftlichen Stuble
über das Patronatörecht der Erzdiöcefe Goa führten zu einem ärgerlihen Schisma, wo:
durch der Verfall nur befördert wurde. Der Riß konnte nicht gebeilt werden durd cine
firchlihe Ordnung, welche Gregor XVI. befonders durch die Bulle Multa praeclare
5 (18:38) einführte. Es bedurfte noch mehrfachen jchmerzlichen Nachgebens feiner Nachfolger,
bis endlich der Streit durch das Konkordat von 1886 beigelegt murde. Die Erzdiöcele
Goa und die Tidcefen Daman, Cochin und St. Thomas von Meliapur mit 534000 Seelen,
fajt ein Dritteil aller Kath. in Indien, find der Jurisdiktion Portugals verblieben und
jteben unter dem Primas von Goa, der den Titel Patriarch von Indien erhalten bat.
10 Auf die übigen Gebiete des Britiſchen Oſtindiens bat Portugal feine Patronate-
anſprüche fallen laffen. Die dortigen früberen Ap. Bil. jind feit 1886 jämtlich in Bis-
tümer, bezw. Erzbistüner verwandelt.
Unfern Rundgang durch diejelben beginnen wir mit (1.) Mädura im jüdlichiten Teile
der Halbinfel, wo einjt Xaver die Mailen taufte und Roberto als Brahmane wirkte.
15 Tas jeßige Bistum, welches von Kaveri bie zum Kap Komorin reicht, umfaßt die
größten Scharen der kath. Bevölkerung, nämlih 206000 unter 5 Millionen Seelen, mehr
ale A Proz. Hier unter den Tamulen bat die Miſſion den fruchtbariten Boden gefunden,
ganz anders als unter den Hindus im Norden, wo in einigen Diöceſen der Prozentjag
nur 0,03 Proz. und noch weniger beträgt. Auch die ev. M. bat hier eines ihrer Frucht:
20 barſten Gebiete, und zählt in den fühl. Diſtrikten Madura und Tinnevelt faft noch einen höheren
Prozentſatz der Bevölkerung in ibren Gemeinden. Bilchofefig und Seminar iſt in Tri
chinopoli, 51 Jeſuiten, 15 farbige Ordensprieſter und 9 Weltpriejter arbeiten auf 37 Stat.
Schulen und Wohltbätigkeitsanjtalten find in den Händen von Urbensleuten — neben
Jeſuiten Brüder von den 7 Schnierzen der fel. Jungfrau Maria auch mehrere eingeborene
2 Scmweiternfchaften find vertreten. In den legten 15 Jahren bat ſich die Zahl der Kath.
um mehr als 25 Proz. vermehrt.
Im Norden folgt bis zum Palarfluſſe die Erzdiöceſe (2.) Pondichery, von der erft
1899 die Diöceſe (3.) Rumbalonam abgetrennt wurde. Hier wirken Priejter vom Varifer
M.-Seminar unterjtügt von nicht weniger als 332 Schweftern verichtedener Orden. In
80 beiden Sprengeln zujanmen beträgt der Prozentfab der Kath. 2,7 Proz. Die meiſten
fommen auf das franzöſiſche Pondichery. Die Zunahme tft nur etiva balb fo ſtark mie
in Madura. Die Erzdiöceſe (1. Madras umfaßt den nördlichen Teil des Tamulen-Gebiets
ſowie die füdlichen Telugu-Diſtrikte. Selbit die im Nanarefen-Gebiete gelegene Station
Bellary gehört dazu. Die Weltpriefter von Mill-Hill (23 nebft 22 eimgebornen) haben
8529 Stat. Die Zahl der Kath. (14870) beträgt nur 0,6 Proz. der Bevölkerung und
eigt gegen 1895 einen kleinen Nüdgang. Den weltlichen Teil des Tamulenlandeg um-
* die (5.) Diöceſe Koimbatur, zu Der auch Die blauen Berge gehören. 22 Stat. 44 P.
vom Pariſer M.Seminar, 35870 Kath. Den bisber genannten Sprengeln, welche Das
Tamulenland umfafjen, gebört annäbernd die Hälfte (41 Proz.) der gefanten inbt-
«0 —F Kath. an, obgleich die Zahl der Stat. und P. nur ein Viertel der Geſamtzahl
eträgt.
Auch an der Weſtküſte des ſüdlichen Indiens giebt es neben den zu Goa gehörigen
Diöceſen ſolche, Die dem römischen Stuhle direkt unterſtellt ſind. Auch dieſe zählen viele
Katholiken (60--87 000). In Travanktor liegt Die Diöceſe (6.) Quilon, die bis zum K
45 Komorin reicht. Sie grenzt im Norden an Die Erzdiöceſe (7.) Verapoli, die ſchon na
Malabar binemreicht. Der ganze Rüftenftrich bis zum Gebiete von Goa bildet die Didcefe
(8.) Mangalur. Dieſe ijt ſeit 1878 den Jeſuiten überwieſen. rüber arbeiteten auf dem
ganzen Küſtenſtriche die unbejchubten Narmeliter, Denen die beiden füdlichen Kirchenprovinzen
auch jet noch amwertraut find. Dort bejteben die Gemeinden größtenteild® aus unierten
so Syrern. br Wachstum ift nur mäßig. Dagegen bat in der Diöcefe Mangalur die Zahl
der Kath. fih in den legten 15 Jahren um ca. 66 Proz. gehoben auf 83690. Die
Nübrigkeit der Jeſuiten in Nivalität gegen Die Basler ev. M., von der öfters Abgefallene
ale Monvertiten aufgenonmten werden, bat dabei mitgewirkt.
Jenſeits der Ghats liegt Die Diöceſe (9.) Myſore (Maiſur), deren Grenzen über das
55 gleichnamige Reich binausgeben. Hier wirken Miſſionare von Barifer Seminar, die in
den legten 15 Jahren den bedeutenden Kortjchritt von 27000 auf 410UUV Katb. zu ver
zeichnen baben (falls nicht in den M. C. von 1886 und 1901 eine berfchiedenartige Zäh⸗
lung vorliegt). Die Arbeit erſtreckt fih auf Die vwerichiedenen bier zuſammenſtoßenden
Völkerſchaften: Tamulen, Manarefen, Telugu und jelbjt Konkani.
&0 Die Diöcefe (10.) Haiderabad, die legte im Gebiete der dravidifchen Völker, ift dem
Milfien unter den Heiden, katholiſche 113
Mailänder Miſſionsſeminar anvertraut, neben deſſen 19 Miffionaren bier auch Yranzis-
faner arbeiten. Die Kath. zählen etwas über ein Zehntel Prozent der Bevölkerung.
Unter den ariſchen Völkern im nördlichen Indien erfcheint Die Ergprözefe 11. Kal:
kutta vor allen übrigen durch große Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Dies kommt von ben
großen Scharen der Bergvölferichaften (Kols) der Provinz Tſchota Nagpur, melde an= 5
gelodt durch die Berfprehungen einer fozialen Reformation ſich von den Jeſuiten taufen
ließen, meiſt nad) einem ganz ungenügenden, viele überhaupt ohne Unterricht. Ein Teil
der Konvertiten bejtand aus abgefallenen evangel. Chriften, welche durch die lare Praxis
der Kath. (namentlich der Trund ucht gegenüber) verführt waren. Nach der neueften Sta-
tiftit muß ein erheblicher Rückſchlag, der mwahrfcheinlich mit der Niederiverfung der fozialen 10
Sardär-Berwegung zufammenhängt, eingetreten fein. Die M.C. geben die Gefamtzahl der Kath.
der Erzdiöceſe 1898 auf 65 090 an, 1901 aber auf 54290. (Evang. Kols find 63 658 in der
Goßnerſchen M. und über 15.000 bei der S.P.G.). Die Erzdiöceſe ift aus dem früheren
Ap. Vik. Wejtbengalen gebildet. Oft: und Centralbengalen find jegt die beiden Suffragan-
bistümer (12.) Dakka (Dhaka) und (13.) Krifchnagarh geworben. Das erftere unter Milfio: 15
naren vom heil. Kreuz, umfaßt zunächſt das rg am unteren Brahmaputra, wo
noch Bengalifch . gefprochen wird, ſowie das öftliche Küftenland des bengalifhen Meer:
bufens bis Akyab, mit barmanifcher Bevölkerung, reiht aber auch hinauf in die Berge
von ‘Tippera, wo 4 Sprachen von Aborigines in Betracht kommen. Die meisten Stationen
find an Orten, ivo auch englifche Baptilten arbeiten. Schon 1886 wurden. 15000 Kath. 20
gezählt, 1892: 7680 und 1901: 11000. Am Weſten folgt die dem Mailänder M.:Se-
minar überwieſene Diöcefe Krifchnagarb, genannt nad) dem nörblih von Kalkutta ge-
legenen Diſtrikt, in welchem 1839 eine außerordentliche Bewegung Tauſende von Dorf:
leuten in die evangel. Kirche führte. Später fielen ihrer viele wieder ab und murben
leicht von den kath. Mifftonaren gewonnen. Die meiften der jet aufgeführten 4050 Rath. 28
dürften diejer Klafle angehören. (14.) Aſſam ift fett 1889 eine Ap. Präf., welche neben
der gleichnamigen Provinz; noch Manipur und Bhutan umfaßt. Die dort wirkenden
Miſſionare gehören der „Geſellſchaft vom Göttl. Erlöfer” an. Unter einer Bevölferun
von 7 Millionen giebt es 1340 Kath. Die Diöceje (15.) Allahabab (früher Ap. Präf.
Patna) umfaßt die füddftl. Hälfte der Nordweſtprovinzen, mit den Hauptitat. Allahabad, so
Benares, Känpur (Cawnp.), Lakhnau u. a. Die Hindubevölferung bildet einen harten
Boden. Unter 38 Millionen werden 6420 Kath. gezählt. Die Miffton tft in den Händen
der Hapuziner, ebenfo wie in der 1892 abgezmweigten Ap. Bräf. (16.) Bettiah, die va im
Dften anſchließt. Sie hat ihren Namen von der fonjt nicht bedeutenden Ortichaft, in
weldyer erfolgreiche kath. Wohlthätigkeitsanftalten (Waiſenhaus u. |. m.) bejtehen. Sie ss
umfaßt die Diſtrikte Gorakhpur, Patna, Gazipur und ſelbſt Königreich Nepäl. ‘Die nord:
weitliche Hälfte der N.W.-Provinzen umfaßt die Erzdiöceſe (17.) Agra, ebenfalls mit Ka-
puzinern bejeßt. Bon den Erfolgen, die bier im 16. Jahrhundert von Jeſuiten erzielt
wurden, war nichts übrig. Obgleich ſchon im 17. die fath. M. erneuert wurde und nun
feit 2’i, Jahrhunderten beiteht, beträgt der Prozentſatz der Kath. unter der Bevölkerung «0
wenig mehr als 0,03 Proz., wobei, wie es fcheint, auch die kath. Europäer mit einbegriffen
find. Abgezweigt wurde 1892 die Ap. Präf. (18.) Radfcehputana, wo ebenfalls die Kapu—
iner in den wichtigſten Städten Stationen haben. Die Reſidenz ift Adſchmir. Auch bie
Diöcele (19.) Zabore (früher Ap. Bil. Pandihäb) iſt von ara abgetrennt, aber der
genannten Kongregation verblieben. Neuerdings iſt von bderjelben wieder die Ap. Präf. as
(20.) Kafıriftan und Kafchmir abgezweigt mit den Haupftationen Peſchawar, Ravalpindi,
Erinagar u. a. Hier arbeiten Br. von St. Joſeph von Mill-Hill.
Als legte Erzdiöceje iſt endlich (21.) Bombay zu nennen. Sie erjtredt fi) von Kabul
und Afgbaniftan über Sindh bis in das Marathaland, deſſen größerer Teil jedoch feit
1886 ale bejondere Diöcefe (22.) Buna abgelöft it. Die Miffton tft in den Händen der so
Yefuiten, die in Bombay großartige Erziehungsanitalten haben. Nach Oſten zu fchließt
die Didcefe (23.) Nagpur an, welche die gleichnamige Divifion nebjt den andern Teilen
der Gentralprovinzen umfaßt. Die Million ift den Salefianern übertragen. Bei einer
Seelenzahl der Kath. von 8000 fanden bier im Sabre 1900 nicht meniger als
30827 Taufen jtatt. inbegriffen find 28 930 Kindertaufen, die in Todesgefahr gefpendet 56
wurden. Daß die Eltern dazu ihre Einwilligung gegeben batten, oder auch nur mußten,
was mit ihren Slindern geichab, iſt wohl nicht anzunehmen. Diejelbe Kongregation arbeitet
auch in der zuleßt zu nennenden Diöcefe (24.) Vizagapatam, welche Teile des Telugulandes
fowie von Oriſſa umfaßt. Hauptitationen find: Vizagapatam, Bizianagaram, Berbampur,
u. a. |
RealsEncyklopäbie für Theologie und Stirche. 3. U. XII. 8
60
114 Miffion auter den Heiden, katholiſche
Wir laffen die ftatiftifche Tabelle nach den neueſten M. C. folgen. Man darf nicht
überfeben, daß unter den Kath. auch die Europäer und Eurafier mitgegäblt find, deren
Bahl bereits im Genfus von 1891 auf mehr als 71000 angegeben wurde. Die Tabelle
enthält nur die unter der Propaganda ſtehenden Stirchenprovinzen. Eine fühere Angabe
6 über die in der M. thätigen Orbensleute ift nicht zu gewinnen, da nicht überall die ein:
ebornen von den europätfchen unterfchieden find. Im ganzen finden wir außer ben
iffionsprieftern 195 Ordensprieſter (Kapuz., Franzisk., Rarmel., Jeſ., Saleftaner u. a)
und 1873 Klofterfrauen, letztere jedenfalld meiſtens eingeborne.
— 8 | * 2 . u 4353| 0
es Heel;
Miffionsgebiete*. 3 3 —J Es 3 Ss 22 33
| = = |#8 38|0 5 |55 | ER BS
5 & & '» sale
— A no...” J
o 1. D. Matura . . .| 5000000: 2060001 37 980 2391| — |
2. E.D. Pondihery . . | 5000000; 133770) 51] 275 80) 1
3. D. Kumbatonam . . || 3000000, 85000, 27) 5021 54 — | 19 | 17 | 4
4. ED. Madrad. . . | 7075790 44870) 29 122; 76 1|233,)22| 6
5. D. Koimbatur. . . | 2028020, 35870) 22| 114) 59 1136 | 8| 8
s 6. D. Duilon. . . .| 12100001 87000) 29 167] —| 116 |28| 8
7. ED. Verapoli. . . | 1200000, 59700 41) 531 149| 1113 132| 5
8. D. Mangalur . . . || 3709000 836901 34 73| 64 1|34|47| 15
9. D. Maifur. . . . | 55000; 411701 27) 97, 71 1|47 | 10 | 15
10. D. Haiderabad. . . | 11054000° 125901 11) 54| 30 — 19 —|5
x 11. E.D. Kalkutta. . . | 21000000) 54290. 32 290, 127) — | 7727| 7
12. D. Dakla . . . . | 17000000 11000 6 al 15 —| 8|—| 8
13. D. Krifchnagarhb . . | 150000001 4050 6 43 18 —| 8|--|6
14. 4. Pr. Alam. . . | 7000000 130 71 9 9 — 9| —|—
15. D. Allababad . . . | 38147000) 6420: 15) 32) 27) — 19 5| 6
5 16. A. Pr. Bettiah ‚13000000. 4085| 11) 1 3 — 15 — 11
17. ED. Agra . . . . || 25.000 000) 8095 24 36 19 1|35| — | 12
18. U. Br. Rabfchputana . | 14200000 36501 9 14 51 112 215
19. D. Xabore . . . . | 13600000: 3590: 13) 20) 2a —-I3|1—| 4
20. A. Pr. Kafıriftan und |) | |
30 Kaſchmir. . . . | 2 000 000, 3000! 10) 11 4 — 14 —!6
21. ED. Bombay. . . | 12380000, 16160, 27) 46 231 — | 51|22| 2
22. D. Buna . . . .| 7000000) 13000) 22) 38: 981 — | 21 | 10| 2
23. D. Nagpur. . . . 1 15500000) 8000| 10 23 5 — 20 5|u
24. D. Bizagapatamı . . || 9000000) 12915: 14 59| 25 — 18 --| 4
85 254603 790| 885 195' 514311611242} 9 |672 1286 | 174
Rath. in Vorberindien 1419195
Evangel. „ n 776 362 * 19 6866 1057| 884
| |
Kath. unter Portug. Jurisdiktion 534 000 |
* Dd. — Didcefe, ED. — Erzdiücefe, U. Pr. Apoſtoliſche Präfektur. *+ Nur Eins
40 geborene.
C. Ceylon, obgleih eng mit Indien verwandt (wie denn die Tamulen der nörb-
lichen Teile fih von denen des Feſtlandes nur menig unterjcheiden), führen mir bier bes
jonders auf, da die Inſel als britijche Kronkolonie mit eigener Verwaltung mit dem
3 Kaiferreiche Indien nicht verbunden iſt. Buddhiſtiſche Singhaleſen bilden den Haupt
beitandteil der Bevölkerung, etwa dreimal jo viele wie die der Hindureligion an
Tamulen. Während der 1-40jäbrigen portugiefiichen Herrfhaft von 1517—1658 batte
der Katholicismus viel Boden gervonnen. Während der bollänbifchen, bis 1796, wurde
mit äußeren Mitteln reformiertes Bekenntnis und Gottesdienft eingeführt. Als
so mit der engliihen die Neligionsfreibeit Tam, bielt es nicht ſchwer, bedeutende Scharen
jener Neischriften zum Kath. zurüdzuführen. Die für C. anzugebenden Zahlen bebeuten
.
>]
Miffion unter den Heiden, Tatholifche 115
alfo nur gum geringeren Teile die Ergebnifje moderner kath. Miffionsarbeit. Der Um:
fang der letzteren tft nicht feitzuftellen.
G. wurde 1836 als Ap. Vik. von der Didcefe Cochin abgelöft und 1847 davon
wieder das Ap. Bil. Jaffna abgezmeigt. Das erfte ift fett 1887 Erzdidceje Ktolombo,
das andere Suffragandiöcefe, beide unter Pflege der Oblaten d. unb. E. Im Innern ift
die Didcefe Kandy in den Händen von Benediktinern. Die öftlichen und füdlichen Pro—
vinzen der Inſel bilden die den Jeſuiten überwieſenen Didcefen Trinfomalli und Galle.
Die Gefamtzahl der Kath. wird auf 275220 angegeben. Darunter find außer Europäern
auch viele portugiefiiche Mifchlinge mitgerechnet. Nach dem offiziellen Cenſus jeeint die
obige Angabe irrtümlich zu fein. Dort find 1891 nur 153000 Kath. angegeben. Auf 10
88 Stat. arbeiten 144 europ. und 43 eingeb. P. bei 592 K. und Kap. und 847 Sch.,
4 Sem., 17 W. H., 70 F., 308 $., lettere meift eingeboren.
(Evang.: 45 Etat., 49 europ. M., 95 ordin. Eingeb., 31953 Chr., 861 Cd).
D. Hinterindien. Im Reiche Barma war die ältere Miffion nur unbedeutend.
Bis 1722 Stand es unter dem Bilchof von Meliapur; dann wurde e8 zu einem Ap. Vi: 16
fariate erhoben. Verſchiedene Kongregationen arbeiteten im 18. und 19. Jahrhundert
obne fonderlichen olg, bi8 endlich nach der englifchen Eroberung die Verhältniſſe
ſich gunßige geſtalteten. Seit 1856 befindet ſich die Miſſion in den Händen des
Pariſer Miſſionsſeminars. Das Gebiet iſt in drei Ap. Vik. geteilt: Süd-Barma mit
41000 Kath. — unter denen ſich auch Tamulen, Chineſen und nicht wenige durch die 20
evangel. Miſſion befehrte Karenen befinden. Nord:Barma (6000 Kath.), wo auch unter
Schan gearbeitet wird, und Oſt-Barma mit dem Hauptplage Toungu, das dem Mailänder
Miſſionsſeminar übergeben iſt und fich öftlih bis an die Grenzen Tonkins eritredt
(0600, Kath.). Auch bier wird der längft beftebenden evang. Karenenmiffion Konkurrenz
gemacht. 26
In Siam war die Miſſion im vorigen Jahrhundert ſchon einmal zur Blüte gelangt,
ging jedoch zu Grunde, als das Land unter barmaniſche Herrſchaft kam. Erſt 1840
wurde die Miſſion wieder aufgenommen. Jetzt werden dort 22000 Kath. angegeben. Es
ift nicht erfichtlich, mie viele davon Chinefen find. Bedeutend ift die Zahl der Waifen-
bäufer (23), aus denen, wie es fcheint, fich die Gemeinden aurtärhlid vermehren. Ab⸗ 80
geziweigt wurde die Didcefe Malakka (jett 19850 Kath., darunter viele Chinejen), ſowie
das Ap. Vil. Laos mit 9430 Kath. Die Miffton in den drei Gebieten hat das Pariſer
Miſſionsſeminar in der Hand.
(Den 99010 Kath. in Barma und Siam ftehen 127707 evang. Heidendriiten gegenüber.)
In den öſtlichen Reichen Hinterindiens Kambodſcha, Annam und Tongkin, die mehr ss
oder weniger unter chinefifchem Einfluß ftanden, haben die Jeſuiten Schon zu Anfang des
17. Zabrbunderts eine ausgedehnte Thätigfeit entfaltet. Als unter ihnen hervorragend
verdient Alerander von Rhodes erwähnt zu erden. Unter gefchietter Benußgung politiſcher
Berbältniffe mußten fie fih Anhang zu verichaffen. Die Folge davon war, daß ſchwere
Chriftenverfolgungen ausbradhen, in denen viel Blut gefloffen it. Mehr als 200 Miffio: «o
nare wurden dort Märtyrer. In neuerer Zeit iſt Frankreich als „Soldat der kath. Kirche”
mit den Waffen eingefchritten. In den dadurch herborgerufenen Kämpfen, welche zur
Gründung des franzöfiichen Kolonialbefiges führten, kam es wiederholt zu weiteren Chrijten-
verfolgungen. Aber gejtübt auf franzöftihe Macht gewinnt die fath. M. immer meiteren
Anhang. Schon 1693 waren in Oft-Tongfin neben den Sefuiten fpanische Dominikaner as
m bie Arbeit eingetreten. Zwiſchen den Vertretern beider Orden gab es ärgerliche Streitig:
leiten. In der Folge kamen die Gebiete der Jeſuiten an das Parifer Seminar. Jetzt
arbeiten die Priefter des letzteren in den Ap. PVilariaten Kambodſcha, Nord-, Oft: und
Weſt⸗Kotſchintſchina, ſowie in Süd-, Weſt- und Ober-Tongkin, während Oft, Mittel: und
Nord⸗Tongkin das Arbeitsfeld der Dominikaner find. 50
Die neueſte Statiſtik (M. C.) giebt für ganz Hinterindien (948820 Kath., 512 europ.
und 527 eingeb. Prieſter, 2342 Ch. Auf die öftlichen Gebiete unter franzöf. Macht
tommen davon 830960 Kath. In 20 Jahren tft die Zahl um mehr ala 300000 ges
machten. Dort beftehen viele Frauenklöfter mit Eingeb., die 3. T. befondere Orden, mie
Liebhaberinnen des Kreuzes, Tertiarierinnen des bl. Dominifus u. a. bilden. 65
(Evang.: 127707 Ehr., 46 Stat., 94 Mifl., 209 eingeb. Pf. 599 Cd.)
E. Holländifh-Indien. Auf diefem (Gebiete bat die k. M. nur das Ap. Nik.
Batavia (Jeſuiten), und die Ap. Präf. Nord:Borneo und Labuan (Bäter von Mill-Hill).
Die legtere mit dem Sitze auf der Inſel Yabuan bat einige Stat. im brit. Borneo, ſowie
m Sarawal, wo fie der anglikaniſchen M. Konkurrenz zu machen fucht, und zählt im 60
gr
a
n
10
X
116 Miſſion unter den Heiden, katholiſche
ganzen 1200 Kath. Zu Batavia gebören 10 Stat. auf Java, 4 auf Zumatra, 3 auf
(Selebes, von Denen > in der bereite drittianifterten Minahaßa woſelbſt ſie 21 Zchulen
haben), 2 auf Timer und > auf Flores. Die Geſamtzabhl der Kath. iſt nach dem M. C.
1831. Nach der K. K. 2. 255 tr Die Jabl auf 18846 angegeben, Darunter 22382
Europäer und 2 tet Aſiaten. Die meiiten der letzteren finden ſich auf Flores (16615)
und Eelebes (47 1 umd Timer 1172 Im ganzen ‚fan man für Hol. Indien nur
38161 Natb. rechnen. 10 Zar, 62 Mn und Kap., 652 europ. M. 48 Sch, 6 W. H.
(Evang. Eingebe: 45 112.
Die Ppilippinen, welche ibre kirchliche Hierarchie baben, fteben nicht unter der
Prerganda. und iind darer in den M. C. nicht aufgefubrt. Nah der K. K. find in
den Dive. Manta. Nuere Scaevia. Nueva Carceres, Cebü und Jaro neben einer nur ge:
ringen Anzabl von — Se Keecet cn ganzen Reibe von Urden (Nuguftiner,
Relollelten. \nmusfans Demmkane „aszın uns Benediftinen) thätig. In 736 Pfar:
were, de a erärzun un Ile Motoren wurden gezäblt 6559998, für Die
37 Warten Deu NAD SSISCRNEOIMEEn. Da Die Geiamtbevölterung 71501
able. RED ads aan To se SSNE Iperin mir denen aber Die Miffton in neuerer
“
[X U Ku 7 or — 2— 9% .. nn ad nm .,_-—.
MIST III TC u DRITT r ..
Fuoma Dertoe ti, Narr semn hinrensiefaner im chineſiſchen Reiche cine
sm nz bonn arzumarnsen Beitande 1370 unter Kriegs—
FETERRNGE —* or .iToznniren wurde Ne Arbeit von den Jeſuiten.
len dom sw m. on nz Ne 0. az zurahn Wunice, ſondern ftarb an
der Zero. In S Dr Iermm Tasrsaem, Die ſich jtügend auf die
BULLS SID. TU Sn 7 Danz mun Serdrangen, it beionders Matteo
WEEZE men STATT 8 mu or (Seichicklichkeit durd Ge⸗
0» or zen oonnz — Sornmfte babe Beamte fich günſtig
. en SE Na Hunt oNs Kaiſers, ja die Stellung
N NMNODITTONTDIT LIND DIT ekrnemechode iſt mit Der des Robert
NND. went) Il om na 3m) In —S und Abnenopfer,
28. > Dear. Soma Nenn, und os wurde ihm leicht,
N 2 Sen. Fo rrer,iz zälrzanzz om. einzuführen. Ähnlich
AN Im: LS I» —88 andere, die ſich als
me Dem. ar nennen Kacnberihreiber, Nartograpben
> or oe Iran wir om Ürdenagenoffen ins Yand zogen.
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. on NE eG Nr —— 11723). Zein Sohn und
" N ei Nr ze mus Staategefährliches, und
\\ . > 02.0. ne Immilzunac Ichmolg die Zahl der
. ‘ on on. am m Nasen nech lange und adhteten
\ | on ner. ion Li, azeentmte, wäbhrend Die Priefter
\ \ nn Dr 2. Alfssuna Dee ‚eluitenorbene und
\ un 8.0. 070,7 zur zuruck. Dazu wiederholten
i x Neo nr zuNe Die Chrijtenverfolgungen.
mn tt Ne RD Demütigen mußte, erlangte
\ — | . I. pair. Fur Die Katholiken, welcher ım
\ a Non INNE Den Ratholiken alle ihre
N... Sardem hat die £ Million, bie
‘ a FE Stat zuir drohte, ich immer weiter
\ nn he durch diplomatiſchen Trud bobe
j Van ur > Zuace gefördert, weit und breit
" “ on So. nm urnal Da Diefe gebaßten Fremden
. N 085 Randarinenrang zuerkannt if. Daß
BR 0a I. enasiwönglet bilden, und die Katbolifen
Miſſion unter den Heiden, katholiſche 117
der richterlichen Gewalt des Reiches entzogen find, führt ihnen zwar fortgefegt viele Neo-
phyten zu, die bei ihnen Schuß vor dem drohenden Arme der Staatsbeamten fuchen, aber
es liegt auf der Hand, daß (wenngleich auch wohl hier und da ein Unjchuldiger der Be-
ftechlichfeit der Beamten aus dein Mege geht) im großen und ganzen recht zmeifelbafte
Elemente in die kath. Gemeinden hineinfommen. Die bedeutenden Verlufte, welche die EM. 6
in den Wirren von 1900 gehabt hat, laſſen fih 3. 3. noch nicht überfehen. (Die Liſte
der Märtyrer, 35 europ. Miffionare [darunter 2 Deutfche] und 7 deutſche Schmweitern
wird bereit3 ziemlich vollftändig fein. Die Zahl der eingeb. Katholifen wird [wahrjcein-
lich zu hoch] auf 20000 geſchaͤtzt, Db der neue Aufſchwung, den das chinefifche Reich
nach der jüngften Demütigung dur) die europäifchen Mächte vermutlich nehmen mird, 10
der kath. Kirche zu gut fommt, muß die Zukunft Ichren. Die Zahlen, die wir der K. K.
(S. 256) entnehmen, fcheinen überall den Stand vor den Wirren zu bedeuten.
‚Die 41 Ap. Vik. welche zur Zeit in China beitehen, find in folgende 5 Gruppen
eilt:
I. Betfhili (Nord-⸗, Oft, Südweſt-, Südoft:), Mandfchurei (Süd-, Nord: und Oſt-⸗), 15
Mongolei (Oft, Mittel- u. Südweſt-) und Nord-Honan.
II. Kuldſcha, Kanfu, Schenſi (Nord: und Süd-), Schanfi und Schantung Mord-⸗,
Dft und Süb-).
III. Ticheliang, Süd-Honan, Hunan (Nord: und Süd-), Hupe MNordweſt-, Oft: und
Südweſt⸗), Kiangnan und Kiangfi (Nord, Oft, Cüd-). 20
IV. Kweitſchau, Sztſchuen (Nordweſt-, Oft:, Süb-), Yünnan und Tibet.
V. Zubtien, Amoy (Emoi), Hongkong und die Ap. Präf. Kwangſi und Kwangtung.
Km ganzen find in China folgende 10 Miſſ.Geſellſchaften thätig: Rath. (oh
ath. (ohne
Felder Europ. Miſſ. Kalechum) 26
1. Pariſer Miſſ.Seminar In Yünnan, Kwangtung, Kwangſi,
O.⸗, Nw.- u. S.-Sztſchuen, N.u.
S.-Mandih. u. Ribet413 235 973
2. Lazariiten . . . . N: u W.-Tſchili, Ticheliang, N.:,
O.⸗, S.Kiangſi. . . . 115 128563 80
3. Sefuten . . . . Kiangnan, ©:0.Tihli . . . 168 168 921
4. Franzistanr . . . Scheanfi, Schanfi,N.- u. O.Schan⸗
tung, Hunan u. Hupe .. 126 109 428
5. Dominilanı . . . guhfien u. Amy . 2... 43 42 684
6. Auguitina . . . . Nfman . 2 2 22. 8 215 8
7. Mailänder Seminar . Hongkong, Sonan . . .... 39 22 200
8. Römisches Seminar . S:Shafi . .» 2 2 2... 13 9180
9. Scheutvelder M. . . Kanfu, Mongolei, Kuldſcha . . 84 30 342
10. Steyler M.. . . . SCSdhantung . . 2 2... 33 15 252
942 762 758 40
Die neueften M.C. geben bei anderweitiger Orbnung etwas andre Zahlen. Wahr:
Icheinlich find die Verlufte durch die jüngfte Verfolgung ſchon berüdfichtigt. 720 540 Kath.,
34 Stat., 904 eur. Miff,, 471 eingeb. Pr. 3584 Sch. [R. K.: 4054 mit 65 990 Schl.,
47 Briefterfeminare mit 869 Alumnen, 47 Kollegien und Knabenfeminare mit 2263 Zögl.,
239 W.H., 26825 W., 235 Spitäler, 239 europ. S. und 720 chineſ.]. Die Schweitern «
gehören meiſtens dem Franzistanerorden an. Daneben find Filiae Charitatis, Schweſt.
von St. Paul dv. Chartres, Töchter St. Joſephs u. a. vertreten. Es giebt auch mehrere
chinefiſche Orden, mie 3. B. die Helferinnen der a. Seelen im Fegefeuer.
(Evang.: 478 Stat., 973 Miff., 297 eingeb. Pf., 205747 ev. Ehr., 1823 Sch., 37057 Sl.)
118 Mifflon unter den Heiden, katholiſche
39 europ. und 9 koreaniſche Priefter. Ohne Katech. zählte man 42 450 Kath. 1 Sem,,
39 Sch. mit 481 Schl., 2 W.H. mit 312 W.; meitere 346 W. werden in fatb. Fami⸗
lien erzogen. Klofterfrauen v. St. Paul v. Chartes: 11 europ. und 11 for. nebit 33 No⸗
pizinmen.
5 H. Japan. Hier machte F. Xaver 1549 die erften Miſſionsverſuche, die Teinen
bedeutenden Erfolg batten. Erjt feinem Nachfolger gelang eg, einige der mächtigen Feudal⸗
berm zu gewinnen, die ohne weiteres ihre gejamten Unterthanen zum Übertritt brachten.
Noch mehr wuchs die Schar der Kath. als Nobunaga die bisherige Dynaſtie ftürgte und bie
Herrſchaft an fih brachte. Er trat offen als Beichüger der Chriſten auf während er die ihnen
10 wideritrebenden Buddhiſtenprieſter graufanı verfolgte. Die Wiffion mar mit der obftegen-
den politiichen Partei verbunden und zäblte mit der Zeit 600000 Anhänger. Mit Je
fuiten fanıen auch Auguftiner, Dominikaner und Franziskaner ins Yand. Auch die In⸗
quifition entfaltete ihre Thätigkeit. Die politifchen Verhältniſſe mechfelten jedoch. Es
folgten ſchwere Verfolgungen. 1641 murden alle noch im Yande befindlichen Mifftonare
ı5 mit Gewalt entfernt. Tas Chriſtentum fchien ausgerottet. Japan verichloß fich auf
2 Jahrhunderte allem auswärtigen Verkehr. Erſt 1854 murde es durch amerikanische
Macht wieder eröffnet. 5 Jahre jpäter fonnte die Miſſion erneuert werden, vorbandene
Reſte der alten kath. Gemeinden famen ans Tageslicht. Obwohl ſich noch einmal der
RER regte, fam es unter dem Seißbunger, mit welchem Japan die europäiſche
20 Kultur aufzunehmen begann, bald zur Tuldung der Milfion, die nun wieder bedeutende
Fortſchritte machte, die in neueiter Zeit jepoch unter dem Einfluß einer mächtigen natio-
nalen Richtung verlangfamt erfcheinen. Tas ganze Merk ift dem Pariſer M.-Seminar
übermwiefen. Es bejteben z. 3. 4 Kirchenpropinzen: die Erzdiöc. Tokio und die Diöcefen
Dfafa, Nagafali und Hakodate. Unter einer Bevölkerung von 41 Millionen Seelen giebt
25 05 55-153 Kath., 86 Miſſ.-Stat. 115 europ. und 32 jap. P. 36 Edi. mit 2826 Schl.
(barunter 2041 Mädchen) und 23 W.H. mit 1497 W., 35 F. und 1098. von verſchie⸗
denen Kongr.
(Evang: 145 Stat., 237 europ. Miff., 297 eingeb. Bf. 85715 japan. Chr., 104 Sch.,
7141 Schl. darunter 851 M.).
30 Ganz Alten: 2966142 Katb.*, (1583796 Chr.), 1930 Stat. (1632), 2348 P.
und 1368 eingeb. (2632 Mifj., 5809 eingeb. Pf.), 8358 Sch. (10768), — Schl.* (413 428).
* Ohne 534000 portugiefiiche Kath., die hier ausgelaſſen find, weil über jie für die an:
deren Rubrilen feine Angaben vorhanden jind. Ebenjo find die Philippinen mit angeblich
6560000 Kath. übergangen.
5 ** Die Angaben über die Schillerzahl jind fo lückenhaft, daß ſich eine zutreffende Geſamt⸗
zahl nicht ermitteln läßt.
III. Amerita. A. Tas anglofaronifhe Amerita 1. Die Bereinigten
Staaten. Kür unfere Betrachtung gliedert fih der Erdteil Amerika in zwei Teile, die
mit der geograpbifchen Einteilung in Nord: und Südamerika nicht ganz übereinftimmen.
0 Die politischen Gebilde, welche unter germanifcher (bezw. anglofaronischer Vermittelung) in
der neuen Welt entjtanden find, ſondern fich Scharf von denen, welche fich unter roma-
niſchen Nultur-Einflüffen bildeten. Dort herrſcht das evangeliihe Bekenntnis, bier das
fatholifche. Zwar waren auch in Nordanterifa an den älteren Rulturarbeiten die Tath.
‚sranzofen beteiligt. Aber feit der Entjtebung der Vereinigten Staaten find auch die
16 früheren franzöfifchen Kolonien ganz unter den angloamerilaniichen Einfluß gelommen.
Der beutige Stand der farb. Kirche in den V. St. bat ſich nicht ſowohl aus den alten
fatb. Kolonien entwidelt, fondern aus dem Ztrom der fath. Emtvanderer, unter denen
Iren und deutichredende Kath. befonders in den Vordergrund getreten find, dann aber
auch der äußerſt rührigen Propaganda, welde alle ihren Sweden günftige Gelegenheit
so mit viel Geſchick gründlich ausagenüßt bat. Dies waren die Faktoren, aus denen die groß:
artige kath. Hierarchie entitanden it, an deren Eriveiterung auch jetzt unausgeſetzt gear-
beitet wird. Die £ M. in N Amerika it aanz übertwiegend Konvertierung von Tin.
teftanten. In den Nabmen unjerer Daritellung gehört nur, was von kath. Seite zur
Chriſtianiſierung von Nichtchriften geſchieht. Wir übergeben daber die ausführlichen Mit-
bo teilungen der M.C. über Die in 87 Nirchenfreifen mit 10309970 Katb. getriebene Thätig-
feit und bejchränfen une nur auf Die Arbeiten unter Indianern und Negern.
Die Indianer: Milton kann nad den direkten Angaben der M.C. nur eine fehr
beſchränkte ſein. Nur in 5 Rirchenfreifen iſt Die Zahl befehrter Indianer angegeben,
ſammen 9487. Dazu werden in Arizona 25000 erwähnt Im Anbange wird
wo die Zahl 14000 gejegt und bemerkt, daß einſt ihre Vorfahren unter fpanijcher Herrichaft
Mifſion unter den Heiden, Tatholifche 119
kath. wurden, aber nachdem die Miffton unter ihnen aufgehört hatte, in die Barbarei
zurüdgefallen feien, obwohl die meiften ſich Kath. nennen. hnlich fteht e8 mit vielen
der 28000 Indianer in Neu-Merito (Pueblos), während andere noch ganz in ihrem alten
Heidentum find.
Aus dem erwähnten Anhange erfehen mir ferner, daß unter den Indianern in 5
Alaska auf einigen bejonderen Stationen gearbeitet wird und daß im Territorium
Waſhington die Jeſuiten 4 Stationen mit Schulen haben. %erner, daß von den
4000 Indianern in Oregon die Mehrzahl katholiſch ift und 2 Priefter und 2 Schulen
bat, ſowie daß unter den Indianern in Nord: und Süd-Dafota, von denen ein Zehntel
lalſo 2631] katholiſch ift, die Benediktiner 5 Stationen und Jeſuiten 1 Schule haben. 10
Eu (bei Duluth) beftehen ebenfalld 3 Benediktinerftationen. Dort find 2100
. Sndianer. Auch unter den 14000 Indianern [genauer 13582, von denen 7161
evang. find) in Wiskonfin und Michigan follen die meilten fatholifch fein. — Rechnen
wir die aus dem Anhange zu entnehmenden Zahlen — bei Oregon 2500 angenommen
— zu ben obigen 9487 hinzu, fo erhalten wir 23139 als Zahl der durch die k. M. ıs
gevonnenen Sindianer — wobei die (mahrjcheinlich nur geringen) Angaben von Alaska
und Wafhington fehlen. K. K. III ©. 197 gient 98638 an. Der Jahresbericht des
Büreaus für kath. Indianerangelegenheiten (die Kath. M. 1899 S.188) hat 74468. Die
Zabl fcheint faum zu erreichen, aud wenn man die in der Barbarei zurüdgejuntenen ſpa⸗
niſchen Indianer mitzählen wollte. (Die evangel. Indianer zählten 74735). 20
Noch weniger tft zu erfahren über die Erfolge der k. M. unter den Negern der
V. St., obwohl eine befondere (St. Joſephs⸗) Gefellfchaft für diefelbe beiteht und in Bal-
timore ein eigenes Seminar bat. Die M. C. enthalten uur einige vereinzelte Angaben
über die Zahl der kath. Neger. Nah K. K. III S. 196 giebt es in 25 Jurisdiktions⸗
bezirten unter 4914000 Negern 145000 fath., die 46 Kirchen, 48 Priefter, 111 Schulen 36
mit 8533 Schülern und 21 Wohlthätigfeitsemitalten. Kindertaufen fanden 1900 ftatt
4914, folche von Erwachſenen 851. (Die evangel. Neger werden auf 4—7 Millionen
—*
3t.)
2. Britifh Nordamerifa, jest Dominion of Canada, der halbjouveräne Bund,
der (mit Ausnahme der felbititändigen Kolonie Neufundland) das gefamte Brit. N.-Ame: 80
rita, 7 Provinzen, 5 Diſtrikte und 2 Territorien umfaßt. Über den Zuſtand der In⸗
Dianermillion in diejem Gebiete geben die Quellen für die neuefte Zeit nur ſehr unge:
nügende Auskunft. In den M. C. finden ſich darüber faft gar feine Angaben, und die
Kath. ſt. ſchweigt davon völlig. — Bon Kanada aus, wo mit franzöfiicher Kolonifation
der Katholicismus feite Wurzeln geichlagen hatte, war bereit3 viel von Jeſuiten unter 86
den Rotbäuten gearbeitet. Mit der englifchen Herrichaft erlahmte die Thätigfeit, wurde
aber im 19. $ahrhundert wieder aufgenommen. Oblaten von der unbefledten Empfängnis
en weit in die unmirtlichen Gebiete um die Hudfon-Bat und bi8 an die Felſen—
gebirge vor. Anknüpfungen waren ihnen gegeben durch den Verkehr kanadiſcher Pelz-
jäger; angejpornt wurden fie durch die fich Fräftig entfaltende evangel. Miffion. Während «d
in den Erzdiöc. Duebec und Toronto die meiſten der hinſchwindenden Indianer jchon
fatb. waren, wurden im Welten aus den wilden Stämmen neue Gemeinden gefanmelt,
die aber auch durch die unaufbaltfam vordringende Kultur zu verfümmern begannen. So
iſt es am Red River, wo einjt neben der evang. die k. M. zu St. Bonifacius ar:
beitete. Jetzt iſt dort die aufblühende Provinz Manitoba mit ca. 200000 Einw. ent: 6
handen. Das ehemalige Ap. Vik. ift zur Erzdiöcefe geworden aber man erfährt nicht,
wie viel unter ihren 35000 Kath. nod Indianer find — die jet nur auf Nejervationen
leben. Die Miffionsarbeit iſt weiter nach Weſten gedrängt worden. Es iſt die Diöceſe
St Albert entitanden und die Ap. Vikariate Saskatchevan und Athabasfa-Madenzie,
legteres bis an das Felſengebirge und die Geſtade des Eismeeres reichend. Jenſeits des 50
Gebirges wurden die Vik. Brit. Kolumbia und Vancouver gegründet, welche jegt zur
Dice. Neu-Weftminfter vereinigt find. Unter den 30000 Kath. derfelben jollen nad) den
M. C. 15000 Indianer fein. Überall arbeiten Oblaten der unb. Empf. Genauere An:
gaben find über das ausgedehnte Gebiet nicht zu finden. Nur in den Kath. M. 1898
S. 238 ift nach dem Globus die Notiz reproduziert, daß damals nach den neuelten offi= 55
ziellen Angaben 99394 Indianer vorbanden waren (1892 waren es noch 106205).
Darunter tvaren 70000 Chrijten und zwar 41813 Kath. (dafelbft jind von den Ev. nur
16129 Anglilaner und 10273 Metbodiften angegeben. Mit Hinzurechnung der Presby:
terianer u. S. w. fommt die Zahl der Ev. auf mehr ala 36000). Die Zahl der Tath.
Schulen wird (a. a. D., S. 71) auf 208 angegeben mit 9714 Schülern. 60
Isrgımer iz Armin aer Seither übe und Mittelamerika, ein-
ee 27222 Sorten worden, unb empfingen mit
u is emo ie te nom Schon in der eriten Hälfte
Daumen == - ml Fasz zerbanten. Zur Befebrung ber
IRB et Io ro eo m Teminikaner tbätig, mit denen
Ma un ZIIZ In arbeiteten. Später traten die
a 7 ae Bars mi Io 17. Jabrbundert alle die anderen in
N m 2. rrmoerdn Orome oo Keduttienen (in den nördlichen
een. ea xsebenätermen. Innere chriftliche
ee ZErSmZone sercen fe ibnen nicht zu geben. Als
Re ge Sram rem mußten, fielen ihre glän-
Ba re <emron Tie Inſaſſen der Reduf-
mer BT: mI>r 2 m 2m sera ıme nd — Ein großer
Den m ı2r 2er sm ee en Smifünen angenommen. (Fe
SIDE Bee ⁊— 2 Nam snmebene Kiaſſen von mebr
Bam ce san a un “rireichen Mifchlinge ver:
man ee ARndes Sontingent geliefert
I BE RN EEE menden vãänder Tatholifch ge:
nn her TE Verbältniffe
ae — sermis m enzemus sur Laſt gelegt, der, als
eu = Mes. ms Abiomanie meuttelten, auch die Religion
FR — en = nm U 0 .'tc Nebolition Die andre brängt,
nn um we : wur Der niedere Bildungäftand
ee en — ze. Meet von der Zittenlofigfeit. Dazu
” ar wine Imlr und einzelne Bifchöfe waren
ee, rn Anftrengungen (3.8. ein fübameril.
ee = m mare Mi Dan [SUN ‚dort zum erftenmal ‚ber:
A ae re er beilen können, deſſen tieffte
a ee Rirchenformen aber nicht
ee. WE Do. — — de Sieht Wangel zeigt fich auch darin, daß
wo ern en we al it Dielen Der betreffenden Qänder gar
a te "N SS Sanmatee 5 Telauslieht,
De * een Zrrderng Des „merfpürdigen und moblgeorb-
i Tee Nunueftimr das Chriftentum eingeführt. Nach
mm en Demumlaner und Auguftiner famen zu Hilfe
\ ER as ar Werke zum Erzbistum erhoben. Der erfte
ü ve mr ae Rente sr baben: Das Vizefönigreich Neu:
er ea Akuslaeriie aus Mit der fpanifchen Her:
eo. De woche, Jett ſind in der Republik Mexiko über
a st L Mill Indianer, TOO Neger — die
u u “Ne erdinhen Gegenden umberjchmeifenbe milde
ulm sd Non Mijſion bei dieſen verlautet nichte, (Da:
A #4. hulen Independenten, Vresbpterianern und Me
F ap SReugmiäiitsihäteßeit unter Der fath, Bevölferung ge
aan Narsliitiiitetent sablen bereits über 20000 Anhänger.
= de Penunhit Gebieten zu bemerken; Doch es möge bei
u FR Staaten su jagen, unter deren Be
ER Re J vr Danke vennden ſollen, Die größtenteils kath.
| wer Undos bravos, bei denen von EM nichts
— Bed Ss ernst ebleie HINTER Der Tropaganda ſtehen, ift in
Su Vo Nadeiie aufgeiubrt. Dort arbeiten Jeſuiten unter
4 = Zn. we de Rah. find. Um Heidenmiſſion
Ne iin durfte Dasfelbe in ganz über:
et et Ns werden aufgeführt: das Ap. Bit,
wor Ba N le ıinmobrern werden 13 000 Kath.
wir se die Inſeln Trinidad, Tobago, Gre—
ee Rath. umter einer Bevölkerung
Nigel, Manu, Barbuda, St. Thomas,
Miſſion unter den Heiden, katholiſche 121
Ste. Croix u. f. m. zählt 146000. Einw., unter denen 50000 Kath, Tas Ap. Vi.
Curacao, mit 38200 Kath. unter 46190 Einw. umfaßt die gleichnamige Infel famt den
übrigen holländischen: Aruba, St. Eujtatius, Saba. Auf den 3 lektgenannten Gebieten
find Dominikaner, Redemptoriften u.a. tbätig. Bon eigentlicher Miffton kann bier faum
die Rebe fein. Es handelt fich, abgejehen von der Pflege fath. Gemeinden, wohl um 6
Konvertierung aus der evangel. Negerbevölferung. Nicht erwähnt find in den M. C.
die anderen großen Antillen, deren Bevölkerung längjt als völlig Tatholiich galt. Auf
* iſt „od in neuefter Zeit das fchredlichite Heidentum in ausgebehntem Maße wieder
aufgetaucht.
Bon Südamerika führen die M. C. nur Guayana und Patagonien auf. In 10
eriterem Gebiet beitehen die beiden Ap. Bil. Demerara und Suriname nebit der Ap. Präf.
Cayenne. Zu dem eriteren gehört aud Barbados mit 500 Kath. unter 200000 Einw.,
ährend auf dem Feſtlande unter 260000 fi 23500 Kath. befinden. Hier find Se:
fuiten thätig. Suriname ift den NRebemptoriften überwieſen, welche 17000 Kath. aus
64000 Einmw. gewonnen haben. Nur wenige davon gehören zu den Bufchnegern oder 16
Indianern. Die meilten find Neger, die großenteils vorher fchon Proteitanten waren.
Wie viele von den in Cayenne vorhandenen 29000 Kath. (bei 31000 Einw.) aus ben
noch vorhandenen Indianern gewonnen find, ift nicht erfichtlich.
Endlih find das Ap. Vik. Nord-Patagonien und die Ap. Präf. Eüd-Batagonien
u nennen. Im eriteren fchäßt man die in den bis jeßt erforfchten Gebieten lebenden 20
ianer auf 15000 (bei 90000 Rath. und 3000 Häretifern), in der leßteren find neben
13000 Kath. und 2700 Evang. etma 2000 Eingeborne vorhanden. Auch die Falklands⸗
Inſeln gehören mit zur Präfeltur. In beiden Gebieten arbeiten Salefianer. — Erſt im
Sabre 1900 ift eine Präfektur in der Republik Peru errichtet und wie es fcheint Fran
ziskanern übermiejen. 25
Anbangsweije erwähnen die M. C. eine Anzahl Kollegia der Pranzisfaner und Ka⸗
puziner, die Miffton unter den heidn. Indianern treiben. In Chile beiteht ein ſolches
ſchon jeit 1756 in Chillan, 100 km (N. O.) von Concepcion, ein anderes jeit 1837 zu
o auf Ehiloe, von denen aus eine Reihe von Stationen gegründet ift, meift mit
Schulen (Internaten) zur Erziehung von Indianerkindern (Araukaner). Auch beiteht 30
eine Druderei und es erfcheint ein Miffionsblatt: El missionero Franciscano. Auch
die Kapuziner miffionieren in den Provinzen Arauco, Valdivia und Llanquihue und haben
26700 kath. Neophyten. In Bolivia beitehen ähnliche Kollegia in Tarija, Ya Paz, Ta-
rata, Sucre und Potofi. Zu dem lebteren gehören Reduktionen mit ca. 4000 Seelen,
Anaben: und Mäbchenichulen u.f. mw. In Argentinien find 5 Franziskaner-Kollegia. Es 86
wird jedoch nicht gefagt, ob fie auch Indianermiſſion treiben. Dagegen haben die Fran—⸗
isfaner in Brafilien feit 1870 eine Anzahl von Stationen zur Belehrung der beidnifchen
* angelegt, beſonders an den Flüſſen Vaupẽz und Tiquiè, die beim Sturz des
tferreiches beinahe gänzlich verlafien wurden, jetzt aber wieder aufgenonmen erden.
Auch die Kapuziner haben Mifftonskollegia zu Rio Janeiro, Bahia und Pernambuco. 40
Ihre 47 Miffionare arbeiten unter 500000 Heiden und haben 20350 Neophyten aus
den Waldbewohnern gewonnen.
Die beidnifchen Indianer Südamerilas werden auf 2 Millionen gefhägt. Dagegen
erſcheinen die vorſtehend genannten Miſſionen doch ſehr gering.
Die Angaben über die k. M. in Amerika find fo lüdenhaft und ungenau, daß eine «6
genauere ſtatiſtiſche Zufammenftellung, wie wir fie über die anderen Erdteile geben, nicht
öglich iſt. Wir können nur jagen, daß in ganz Amerika nach den erreichbaren Angaben
541402 Kath. vorhanden find. (Evang.: 813700 — ohne die Neger.) Wenn mir bier:
nad eine weitere Schäbung nach dem Durchjchnitt der anderen Miffionsfelder wagen
dürfen, würden mir bie übrigen Rubriken unferer Statiftit folgendermaßen ausfüllen: 50
Ganz Amerila: 407 St. (861), 560 P. (463), 372 F; 700 8., 328 Cd. (517),
15088 Schl.“ (58707).
* Seihäht nad; Maßgabe von Dceanien.
III. Uuftralien und Oceanien. — 1. Das Keftland Australien. Hier, wo die
Propaganda eine ausgedehnte Arbeit unter der Kolonialbevölferung treibt, hat jie nur eine 55
geringe M. unter den ausfterbenden Eingebornen. Die 1846 von fpanifchen Benediktinern
geſtiftete Abtei Neu-Nurfia im Weftauftralien bat in ihrer Umgebung noch 100
(nah K. K. 140) Eingeborne, für deren leibliches und geiltlihes Woblfein 4 P., 43 F.
md 2 Sch. ſorgen. Sie wird als ein „neues kleines Paraguay” gerühmt. Die
m Hifkon unter den Heiden, Tathelifde
upperdenn Miftpnatzafte And ungerbäimtsmäßte aroR. Weiter im Norden an der
— Wr jenen Ab "Ste Trompeffen meder. Die Nebenitationen in Broonee und an
J "Syn Au gmenen Doroossen m den Wäaldern berumſtreichend 250, bier 100
Seren Nor mern zur Nut m win Sabre SP. und 10 F. dort arbeiteten,
une ı goen enrsygner wet Tour Nommunien sugelailen waren, als 1901 bie
GL!M. Ssender euemer, Der nem Mfton wird jegt von den Pallottinern
erpmagn WI SINTE
UNI TL ne Ne ne Denise Bor Vorne uns Wulmerston werden mehrere
nes Slannpens meiser me mas zer Win unser ihnen. Für bie in Queens⸗
Nomen ne est onnzg m Hr SE onzeen Namens errichtet; aber wir finden
Ne Reaper an armer Imast ar Nm dere Stellen nur eine Yüde Bei
Sonn nen Mr DM zur mn Asazceun NE RN. (2.328) befremben, daß die
ns Momenen min wem > he Tetws für unbezähmbar gehaltenen Volkes
rad ame ent SZNT, _ B
NT Ron mr nn 8-00 7 Str mir 1100 Chr. und außerdem 11 für
N re: "nos no mam.ee ntianer mit 2000 Ghr.
ir mar Is. more nen went ſich die & M. überhaupt nicht an-
x‘ u...“ “un
m zei Xr exr. Milften in der Sübfee ben er
m re te, auf Dasieloe Gebiet Ienkten, wurde im
Nun SQ num Zenit, irrt Jabre ſpäter ein zweites Weſtoceanien
“IL Sa lan 5 .«xiſchaft Mariä (Mariſten) unter Leitung bes
on N NEN uf Reuſeeland eintraf, und gerade dort, wo
"0 w MDaimint entfaltet batte, feine Stationen Hokianga und
nn = ren N Se Menge der Eingeborenen anzuzieben, und
na sen ssnoebr als 5000 kath. Maori. Infolge des ‚be
er Ten ons Verhaltniſſe iſt dieſe Miffion zu Grunde gegangen.
u N se Se win wachſenden Solonialbevölferung zu. Es wurden
—. . tern md Wellington errichtet, aber eine Miffton unter den
wenn vw Ne meneintretende Bischof von Audland 1870 klagte.
AN on ssarmuihkilo In der jeßigen Erzdiöceſe Wellington werden
“ u " uam ALLE —BR Su, Oiati und Wairoa) erwähnt, auf denen 1500
Bu Ki. x “mi, DIN Erzbistums. In der Dibeeſe Audland jollen
ST MR TO an, ſowie daß bei ihnen 8P. von Mil:
un. HIT, a , . , , ,
op Ur Kit Weſt Oceanien wird 1842 Mittel-:Oceanien und zwei
€ u nn ae Nelaneſien abgezweigt. Cinige Jahre zuvor war Die große
open durch Die Vondoner M. mit polonefiichen Gebilfen beſetzt
” ran einelne beſetzten Div Mariſten dies Gebiet und hatten bald bie
n ya ortibritie waren jo bedeutend, daß die Inſel 1847 zu einem
u \ Sy utosubenen wande. Bald darauf aber wurde das ganze Werk bu
I wnbsanyn an dem ein Miſſionar das Leben verlor, zerftört.
az jugenkben Veftgergreifung wieder aufgenommen und breitete
wu ne Melk hayant aus. Unter verfehrter Behandlung ſchmolzen
and uhmmmaie Bon 100000 ſind jeßt noch 25000 übrig. Auch
un Natlunbateleue wirkte nicht günſtig. Schließlich gelang es im
A. abtnmanten bon Cingebornen zu ſammeln, wozu Erziehung von
N. \ andern anal Krben dieſer Inſel liegt die Gruppe der Loyaltyinſeln,
Nr hl stehguuub eberteten. Die Bevölkerung twar bereit größtenteils
na tm habe ſranzoſiſcher Waffen drangen die Marijten auch bier
aan ara Jrenman bie ſich blutig befehdeten. Die Inſeln wurden von
N lee me Malltenpi geſangen genommen und verbannt und bie kath.
"ae hen Parker he dar Kirche gewinnen. Die Mebrzabl der anderen blieb
are ng Pertayat burn Glauben treu. So namentlih auf Mare. —
N erh me ende wen ben EL5ON Math, des Ap. Vik. auf die Lopalty-
"un ea tbpilen ven den vorbandenen 33 Stat. Wenn man nad)
N. on een net heran bug PO Kath. So bleiben für Neu Kaledonien
lat en Don enbi Fond aut Die Fichteninſel im Süden und auf die
a8 \ haette bemmn omit bhalt noch immer der überwiegende Teil ber
XXE tn well ang bar Hauplinſel ſich von der & M. fern. — Es iſt eine
x
\
Kiffen unter den Heiden, katholiſche 123
bemertensiwerte Erjcheinung, daß eingeborne Lehrer von den Loyaltyinfeln (die ev. M. zählt dort
3 Stat., 2Miff., 34 eingeb. Pf. und 10195 Chr.) felbititändig eine erfolgreiche ev. M. dort
angefangen hatten, die neuerlichit, unter etwas veränderter Richtung der Kolonialpoltif, von
der Barifer ev. M. übernommen werben fonnte. Die k. M. wird von gelreihen Ordens⸗
leuten betrieben. Mariſtenſchweſtern haben 15 Sch. für Eingeb., 78 8. von hl. Sofeph 5
(Cluny) arbeiten unter der Kolonialbevölferung.
4. Die Ap. Präf. der Neu-Hebriden ii erit 1901 von dem vorgenannten Bil.
abgelöft. Auf diefer Gruppe, wo Williams 1839 den Märtyrertod erlitt, arbeiten ſeitdem unter
den größten Schwierigkeiten ev. M. Ihre Gemeinden find auf 9000 Chr. angewachſen.
In neuerer Zeit haben fich die Martiten eingebrängt und haben 16 P. 7 Sch. ein Hofpital. 10
M.C. giebt nicht die Zahl von Kath. an; K. K. zählt 1200.
5. Das Ap. Bil. Mittel-Oceanien batte feine Hauptitätten auf Wallis-Y. und
Futuna, wo ſchon 1837 Bataillon (fpäter Ap. Vilar) von der Kongr. der Mariften die
Miſſion begonnen hatten. Die ganze Bevölferung murde belehrt. Won bier aus aber
drangen fie auf die benachbarten Gruppen in die Arbeitsfelder der Methodiſten und der ıs
Londoner M. ein. Auf Tonga, wo fie von den Eingeb. zurüdgemwiefen maren, wurde
ihr Eintritt dur Frankreichs Macht erzmungen. Außer den oben genannten Inſeln
gehört allein diefe Gruppe zum Bil. Mittel-Dceanien. Es ift aber nur ein Heiner Teil
ber Bevölkerung kath. geworden (1890 unter 22000). Der Hauptfig der k. M. bleiben
Futuna und Wallis (Uda). Auf legterer befteht ein Priefterfeminar. 15 Stat., 18 P., 20
2F., 59 8., 9450 Kath, 44 Sch. 2000 Sc.
6. Die Samoa-Inſeln waren ſchon 1851 als Ap. Vil. von dem vorjtehenden
abgelöft, wo Mor. Battaillon aud bereit 1845 in das Arbeitögebiet der ev. M. ein-
gebrungen war. Der konfeſſionelle Zwieſpalt führte in der Folge zu blutigen Fehden,
die nicht befeitigt werden konnten durch die gemeinfame Oberhoheit dreier rivalifierenver 25
Mächte. Test wird es unter deutſchem Regimente beiler werden. Die k. M. bat es
auch hier veritanden aus politifchen Verhälmiffen Vorteil zu ziehen. In diefem Sinne
ft auch wohl die Begründung eines deutfchen Mifftonshaufes in Meppen zur Aus:
bildung von Sühjeemiffionaren zu deuten. 15 Etat. (25), 18 P. (10 Mifi.), 1 desgl.
engeb. (181), 3 F., 218. (darunter 11 eingeb.), 6000 Kath. (33310 Chr.), 67 Sch. (261), 80
758 Schl. (8783).
7. Die Vitiinfeln waren 1863 ald Ap. Präf. von Mittel-Oceanien abgelöjt und
wurden 1887 zum Ap. Bil. erhoben. Schon 1844 war auch bier Mar. Bataillon in
das Arbeitöfeld der Methodiften eingedrungen, als fie unter der Ichredlihen Kannibalen-
bevölferung eben einen ficheren Halt gewannen. Lange Zeit hatten die kath. Verſuche 35
febr wenig Erfolg. Als Später von Auftralien ber viel weiße Koloniften auf die Inſeln
lamen, die fchliehlich (1874) eine englifche Kolonie wurden, mehrte fich die Zahl der Kath. Seht
beträgt ihre Zahl 9848 (neben 97254 Ev.), 16 Etat. (10), 27 P. (11 Miff.), 11 F., 28 8.,
315 eingeb. Lehrer und SKatecheten (3845 intl. 66 eingeb. Pf.), 31 (obne die Dorfichulen)
Ed. (2013). 2471 Schl. (34966). Bei diefen Angaben iſt auch die Kleine, abſeits ge: «
legene Inſel Rotuma mit eingefchlofjen. -- Aus dem Ap. Vik. Weit-Cceanien wurden
1844 zwei neue gebildet, erjtens Melanefien. Ein VBerfuh der Mariften auf der Inſel
St. Dfabel in der Salomogruppe murde durch Ermordung der Miffionare abgebrochen
(1846); auch ein zweiter auf Moodlarf fcheiterte, da der Bilchof ftarb. Mailänder M.
nahmen 1852 das Werk wieder auf, aber zogen ſich zurüd, nachdem einer von ihnen er: «
kblagen war. Grit 1881 wurde das Ap. Vik. erneuert und der Kongr. U. %. Fr. vom
beiligften Herzen zu Iſſoudun übertragen. Daraus find 1889 die beiden folgenden ent:
8. Neu⸗-Guinea, den englifchen Teil der Inſel nebſt den Louifiaden und Torres:
Anfeln umfaffend. Der Biſchof refidiert auf Yule-J. Worber hatte hier die ev. Londoner 50
RM. unter vielen Schwierigkeiten Bahn gebrochen. Jetzt beſtehen 8 Stat. (10), 18 P.
(10 Miſj. und 104 eingeb. Pf), 22F., 37 8., 29h. (45), 1081. Schl (2011), 4000 Kath.
(6492).
9. Neu-Pommern tit das andere, 1889 aus dem früheren Melanefien bervor:
gegangene Bil. Es umfaßt den ganzen Bismardarcipel und ift ebenfalls ber vor: 56
genannten Kongr. anvertraut. Hier batten zuvor auftral. Methodiften eine mit Märtyrer:
gezeichnete, erfolgreiche Arbeit getrieben. Aus ihren Gemeinden wurden die meiften
der kath. Konvertiten gefammelt, nicht aus den Taufenden der auf jehr niedriger Kultur:
ftufe ftehenden Heiden. Die neuefte Statiſtik iſt: 11 Stat. (3), 20 P. (3 curop. und 4
eingeb. M. nebſt 98 Gehilfen), 29 F., 17 S., 13 Sch(101), 600 Schl. (3000), 3 Waiſen⸗ 60
124 Miſſion unter den Heiden, katholiſche
bäufer mit 225 An. Der Biſchofsſitz ift Buna-PBopi bei Herbertshöhe. Auch die Dlarichall-
Inſeln find diefen Nik. zugewiejen (ein deutsches Miſſionshaus zu Hiltrup bei Müniter
liefert die Miſſionare). Won demfelben find 1896—98 die 3 folgenden Ay. Praf. ab:
gezweigt:
6 ’ 10. Ap. Präf. Kaiſer Wilhelmsland, der Gejellihaft des Göttl. Wortes von
Steyl überwieſen. Zwei ev. Milfionsgefellfchaften waren bereit3 fett einem Jahrzehnte
auf diefem Gebiete thätig. Die kath. Stat. liegen im nordweſtl. Teile des Schußgebietes
bei Berlin: und Potsdamhafen. 3 Stat.(7), 7 P. (13 Mifj.), 9 F., 4Sch. (4). Auch
werden Klofterfrauen (Mägde des bl. Geistes) genannt, ohne Angabe der Zahl. Die
10 M.C. erwähnen feine Bekehrten; die K. K. fchreibt 400. Die Bewohner der Inſel Tumleo
jollen ſämtlich Katb. fein. ‘ ®
11. u. 12 die englifchen und die deutfhen Salomoinfeln find 1897 und 98
als Ap. Präf. den Mariften zugeteilt. Hier find 3 dort 4 Miffionare eingetreten. —
Das 1844 von Weſt-Oceanien abgelöfte Ap. Vik. Mikronefien befteht nicht mehr. Schon
15 1886 wurde davon abgeziweigt, das der
13. Karolinen, als der Papſt diefe Gruppe den Spaniern zugeſprochen batte, bie
mit ihren Karmelitern die cv. M. auf Ponape zu unterdrüden ſuchten. Trog der Ver
bannung der Mifftonare iſt ihnen das nicht gelungen. Immerhin baben fie durch Ein:
fchüchterung Scharen von eingeb. Chriften zu fich herübergezogen und nun da die Inſeln
20 deutich geworden find, bebalten fie dort ihren Grund. Auf den Oſtkarolinen (ap)
waren fchon früher P. derfelben Kongr. thätig. Die M.C. zählen 4 Stat. (3*), 12 P.
(7 Miſſ. nebit 22 eingeb. Bj. *, 14 F. Tie K. K. hat noch 16 Sch. (120*), 900 Sch. (5587 9),
1400 Kath. (18115 ev. Ehr.*. *Einſchl. der Marſchall-J.).
14. Gilbert: \nfeln, melde früher zu Mikronefien gehörten, wurden 1897 ein
25 jelbitjtändiges Ap. Vik. Die Ellices-J. wurden hinzugefügt. Die Diff. gebört der Kongr.
von Iſſoudun an. Biichofsfis iſt Nonuti. Auch bier wird der amerik. und engl. N
Konkurrenz gemadt. 11 Stat. 11 P. (27 eingeb. Pf*.), 12 F., 9 8., 67 Sch. (27*), 1220 Schl.
(3357), 11000 Kath. (10734 ev. Chr.*). *Einichl. der Tokelau⸗In. — Aus dem urfprüng-
lichen Ay. Vik. Oſt-Oceanien wurden im Jahre 1844 die 3 folgenden gebildet:
80 15. Tabiti. Hier gefchab das Eindringen der EM. in das ev. Arbeitsfeld in der
empörenditen Weiſe. Nachdem 1836 zwei Patres, Die den eriten Verſuch machten, nad
den Yandeögejegen ausgewieſen waren, erzwang franzöjische Kriegsmacht ihre Rückkehr
ſowie eine hobe Strafzablung feitens der evangelifchen Königin. Weiter aber wurde die letere
1842 genötigt, das franzöſiſche Protektorat anzuerkennen, durch welches ihre Macht zum
85 Schatten wurde. Tas durch Gemaltthätigfeit gereizte Volk erbob fih zum Kriege und
fonnte erſt nach zweijährigem Kampfe unterworfen werden. Die evangeliichen Miſſionare
wurden alles Einfluffes beraubt und verließen die Inſel. Das Volt murde mit den
verichiedenften Maßregeln dazu gedrängt, zum Katholicismus überzutreten. Es blieb je
doch unter den eingeborenen Predigern feinen Belenntnis treu. Alle Bemühungen der
0 Mrieiter wie der Negierung baben im Yaufe von jechs Jahrzehnten nicht mehr erreicht, als
einige Hundert Konvertiten, die nicht zu den Belten des Volkes gehören. Die große
Kathedrale zu Papeiti, zu deren Bau das ganze Wolf gezwungen wurde, ftimmt menig
dazu. — Größere Erfolge baben die Mifftionare (die übrigens der Gefellichaft der Beiligften
Herzen Jeſu und Maria angehören) auf der benachbarten Gruppe der Baumotus(Tuas
“5 motu⸗)Inſeln, ſowie auf den füblicheren Gambier-J. (Mangareva) gehabt. Auf den
legteren batten fie Schon gegen Ende der dreißiger Sabre, nachdem fie die noch ſchwachen
Anfänge der ev. M. überivunden batten, die ganze Bevölkerung geivonnen. Auf
anderen kleinen Roralleninjeln, die meiſtenteils noch nicht von ev. M. berührt waren,
wurde unter vielen Mübhſalen und Sefabren gearbeitet. Die meilten der 7500 Bewohner
60 ſollen Tatholifch fein, obwohl auf einigen Inſeln ſich noch immer evangelifche finden und
Mormonen nicht unbedeutenden Anhang gewonnen babe. Jedenfalls fommen die meiften
der unter dem Ap. Vik. Tahiti gerechneten Kath. auf diefes Gebiet. Das Vik. aber ift
auch über die weſtl. Inſeln (unter dem Winde) ausgedehnt, wo jedoch die k. M. bisher
feinen Gingang finden konnte. Mopl aber iſt ihr dies auf den Hervey-J. gelungen, die
55 ebenfulls zum Vik. gerechnet werden. Wie es jeheint, fand man an einem ausgeichlofienen
eingeb. Prediger Anhalt, durch den bald eine kath. Gemeinde zufammengebradt wurde.
Das Heidentum war auf Dielen Inſeln ſchon vor Nahrzehnten völlig erlofhen. — Ron
den 32000 Einwohnern des Gebietes ſind 7230 Kath. (18470), 26 Stat. (7), 18 P. (8),
I? F., 218,24. (46 9), 1800 Schl. (3389 ?).
60 16. Tas Ap. Vik. der Markeſas Juſeln beſteht feit 1844. Auch bier waren
Miffion unter den Heiden, katholiſche Miffion unter deu Heiden, proteftantifhe 125
Miffionare der Picpus-Gefellfchaft gerade bei der Station der nad) langen Bemühen
unter der wilden Bevölkerung eben aufblühenden ev. M. angeftellt worden und hatten
die Oberhand gewonnen, ald Frankreich 1842 die „nuleigruppe im Belig nahm. Lange
machten: die Kath. nur jehr geringe Fortichritte. Mit der Zeit ift es ihnen gelungen,
den größeren Teil der Bevölkerung, die in fchnellem Ausiterben begriffen ift, zu ge: 6
Be ’ Bon 4000 Eingeb. zählt man 3150 Kath., 8 Stat., 7 P., 10 F., 108. 7 Sch.,
660 Schl.
17. Das Ap. Vik. von Samaii twurde gleichzeitig mit dem vorgenannten ‚gegründet.
Nach längeren vergeblihen Verjuchen murde den Prieſtern der Picpus-Geſellſchaft dort
der Eintritt in das Miffionsgebiet des American Board durch die franzöftiche Regierung 10
erzwungen. Aus der Bevölkerung, welche bereits ohne Ausnahme das Heidentum auf:
egeben hatte, wandten fich alle, die mit der ftrengen Zucht der ev. Miſſionare unzu=
—* waren, oder durch den äußeren Glanz des Gottesdienſtes ſich beſtechen ließen,
den Kath. zu. So iſt es nicht ſchwer geworden, einen größeren Teil der ausſterbenden
Inſulaner zu gewinnen, beſonders ſeitdem die ev. Gemeinden durch die verfrühte Ver: 15
felbitftändigung eines feiten Haltes entbehrten. Einer der Wiffionar, P. Damian De-
veufter, bat mit Hingebung unter den auf der Inſel Molofat gefammelten Ausfäßigen
gearbeitet, biö er ſelbſt der fchredlichen Krankheit erlag. Von fath. Seite wird jedoch dies
Beispiel in übertriebener Weiſe benutzt, um die Vortrefflichleit der kath. Miſſ. und ihre
Überlegenheit über alle anderen darzuthun. Auch ev. Miff. treiben hingebungsvolle Arbeit 20
unter den Ausfäßigen, und einer von ihnen bat ebenfalld infolge der Anſteckung fein
Leben daran gegeben. — Bon!den jet noch übrigen 30000 Inſulanern find 14000 fath.
(14922). Aus der großen Menge der Einwanderer (darunter 19000 Chinefen, 22000
Japaner, 13700 Weiße, 8232 Vortugiefen u. a.) find ungefähr ebenfoviele gewonnen,
darunter aber werden auch die fath. Vortugiejen mitgezählt. 15 Stat.(1), 24P. (3), 28
33 F., 488., 17 Sch (50?), 1943 Schl. (5599).
Ueber die gefamte f. M. in der Südſee giebt die K. K. folgende Statiſtik. |
205 Stat. (207), 268 P. (122 Mil), 219 F., 452 S., 126032 Kath. (278000 Ehr.),
426 Sch. (2917), 19927 Sch. (71437).
Die entiprechenden Zahlen, welche fih auf die Aborigines des Feſtlandes beziehen, 80
find nicht zu ermitteln. |
Für die gefamte katholiſche Heidenmiſſion ergeben fich folgende Zahlen:
2870 Stat. (3790), 4009 P. (4485 Wiff.), 1951F., 4937 S. (3119 umverheir. Miffio:
narinnen nach Dennis), 10494 Sch. (18921), ca. 5—700.000 Schl. (867370), 3878712
Kath. (3371588 Chr. ohne Neger in Amerifa). M. Grundemann. 85
Mitfion unter den Heiden: 2., proteftantiihe. Einleitung. Unter den zahl:
reichen Religionen der Erde giebt es nur drei, melde als mifjionierende bezeichnet
werden können, deren Anhängerzahl freilich mehr als Zweidrittel der Menfchheit umfaßt:
den Buddhismus, das Chriſtentum und den Mohammedanismus. . Sie allein erheben den.
Anfpruch Univerfalreligionen zu fein, weil jte ihren Beſitz nicht an Geburt und nicht an «d
eine beftimmte Nationalität binden und fie haben ſich ausgebreitet durch Sendung. Aber
den Beruf zur Weltreligion und darum auch zur Weltmiſſion bat allein das Chriften-
tum, obgleich es den Miffionstrieb mit dem Buddhismus und Mohammedanismus teilt.
Und zwar beruht diefer Beruf nicht bloß auf dem direften Auftrage zur Weltmiſſion, der
den beiden anderen miffionierenden Neligionen fehlt, fondern er liegt im Wefen des ss
Chriſtentums felbit, eine Begründung der Niffion, wie jie weder im Buddhismus noch im
Mohammedanismus vorhanden tft. Das Chriftentum ift feiner Natur nad Miſſions⸗
religion, nicht nur in dem hiſtoriſchen Sinne, daß der ganze Beitand der heutigen Chriften-
beit auf Miſſion beruht, fondern in dem dogmatiſchen Sinne, daß der Miſſionsgedanke
einen integrierenden Beftandteil der gejamten Heilsoffenbarung Gottes in Chriſto bildet. 50
Der Mifftonsbefehl fteht nicht ale etwas Accidentielles in der Schrift des NTs, fondern
er ift fo fehr aus ihrer ganzen mit univerjalen Heilsgedanken durchtränkten Heilslehre
herausgewachſen, daß mir Dilfion treiben müßten, felbit wenn ein direkter Miſſionsauf—
trag nicht da wäre Am übergeugenditen läßt fich das ermeifen an dem evang. Grund: -
artikel vom rechtfertigenden Glauben, deſſen jieghafter Vertreter nicht zufälligerweiſe der: 56
feibe Apoftel ift, der vor anderen „ver | got der Heiden” geivefen.
Der evang. Grundartikel, daß die Gerechtigfeit aus dem Glauben fommt, beruht
auf der doppelten VBorausfegung, daß alles, was Menſch beißt, unter der Herrichaft der
Sünde Steht und darum Gotte verfchuldet ift, und daß ohne menfchliches Zutbun aus
126 Milfien unter den Heiden, proteſtantiſche
feiner fouderänen Gnade Gott ein Weltbeil bereitet bat, welches dem Weltunheil über:
legen ift. Wie die Menfchen alle obne Unterfchied verloren geben müßten, wenn fie fich
ſelbſt überlajjen blieben, jo follen fie alle obne Unterfchied felig erden, nachdem Jeſus
fich jelbit gegeben bat für alle zur Grlöfung In diefen Evangelio liegt die Kraft
6 Gottes zur Errettung für jeden, er jei Jude oder Grieche, Reifer oder Unmeifer, Mann
oder Weib, Freier oder Knecht. Und zwar allein unter der Bebingung des Glaubens.
Dieſe Heilsbedingung ftellt das Heil nicht auf irgend eine eigene menfchliche Lei—
jtung, jonden ganz auf die in Chriſto erſchienene Nettungsgnade, die frei geſchenkt
wird, und von dem gefallenen Menſchen, der ohnmächtig ift, jelbft etwas zu feiner Er:
10 löſung zu tbun, nichte verlangt als vertrauensvolle Annahme und Hingabe. Diefe troft-
volle Heilsbedingung, die den Belt wie die Kraftwirkung der objektiven Heilsgabe für
das Zubjeft nur an den Glauben bindet, ermöglicht ihre Annahme allen Menſchen ohne
Unterſchied der Nationalität, der Bildung, der fozialen Ztellung, des Gefchlechts, des
Alters, denn fie iſt erfüllbar für jeden. Nur das Chriſtentum öffnet in der Vroflamation
15 des Glaubens als Heilsbedingung einen Heilsweg, der an allen Orten und zu allen
Zeiten für jedermann gangbar ilt.
So baben wir in der Lehre von der Rechtfertigung Durch den Glauben ein uni-
verſales Heilsbedürfnis, eine univerfale Heilognade und eine univerfale Heilsbedingung.
Mit logiſcher wie mit Ddogmatifcher und etbifcher Notwendigkeit folgt daraus auch eine
2» univerjale Heilsanbietung, d. b. die Zendungsperanftaltung durch Die ganze Melt (Rö
10, 1—17).
Entiprechend dieſem Charakter des Chriſtentums ale Mitfionsreligion it auch ferne
(GGeſchichte; mit Miffion beginnt und mit Miſſion jchließt fie. Wie das Miſſionsgebiet
Die ganze Erde, jo umfaßt die Miffionszeit den ganzen gegenwärtigen Yon. Die Acta
35 apostolorum, die den Eingang in Die chriftliche Kirchengeſchichte bilden, find Mifftone-
neichichte und wenn die Miſſion ihre Aufgabe vollendet, d. h. wenn allen Völkern zum
Zeugnis das Evangelium vom Neich verfündigt fein wird, dann iſt die Kirchengefchichte
an ihrem Ausgange angelangt, denn dann wird das Ende fommen. Und was de:
zwiſchen Liegt, iſt von Miſſionsgeſchichte Durchzogen ; Die ganze Chrütenheit der Gegenwart,
on die reichlich den dritten Teil der Menjchbeit umfaßt (5330 Millionen), ift Das Ergebnis
fruberer Miſſionsarbeit.
Es giebt eine große Mifftonsgefchichte der Vergangenheit. Zwei abgefchlofiene
Mifionsperioden liegen hinter une: Die apoftoliihe mit der nadapoftoliihen und bie
mittelalterliche. Beiden war ihr Arbeitsgebiet vorſehungsvoll ebenjo erſchloſſen wie um:
us renzt. Ter apoftoliichen war durch die jüdiiche Tiafpora, die Verbreitung der griechijchen
-pruche und den Damaligen Weltverfebr die antike griechiſch-römiſche Welt, beſonders fo weit
für um Dis Meittelmeer berunlag, als Arbeitsgebiet zugemieien, während der mittelalter:
lichen Mijſion durd die Völkerwanderung und Die gejamte Damalige politische Konftellation
ala 3 bett Die germaniſch ſlaviſche Welt zugewieſen wurde. Beide Niflionsperioden endeten
4 m volligen Ehriſtianiſierung der ihr überwieſenen Gebiete.
Freilich Die Art, wie in ihnen mifjioniert wurde, war ziemlich verfchieden. Die
apelteliche Miſſion bielt fich ftreng an das Miifionsmittel des Worts. Das Wort Jeſu
une ui Jeſu, in Rede und Schrift, im Handeln und Yeiden, im Leben und Sterben
ferıcı Daten und Vekenner bezeugt, war ibr die zureichende Macht zur Chriftianifierung.
16 az mu die Hervenzeit Des jungen Chriſtentums umd Diele Heroenzeit iſt Die Zeit ber
Mifsichen Mayen, ein Borbild für die Miſſion aller Zeiten. Berufömäßige und ge
fe laufe Miſſipnvarbeit gingen neben einander ber, auf dem Wege der Einzelbefehrung
fans ro gm Grundung fleiner Gemeinden und weientlic durch Aſſimilierung gliederten
fh, un writrren Berlaufe immer wachſende Scharen Dieiem uriprünglich fleinen und ganz
te geb ben mittleren und unteren Ständen der Bevolkerung angehörnden Kerne an.
mh ann oben nach unten, jondern von unten nach oben vollzog ſich der Chriftiani-
erst pain _ ,
Urn. i ıb gu mmjlionieren trat zurüd, ſeirdem das Ebriſtentum durch Konftantin und
on Wieehtelgen m Kerbindung erit mir Dem remiſchen Ztaate und bann mit den
radeon, granwnnmben und ſlaviſchen Herrichern trat. Jetzt Ang man an, aud mit
ty... a mauneren, indem man Gotzenbilder umiturzte. Tempel zeritörte, heilige
. vll mn ulleıleı Trud auf die Richtchriſiten ausubte. Wurürli bediente man
0.5 sah. als Miſſinnsmittel, aber tm sangen leute man cs weniger darauf
.. end luhntim aut Dem Wege des Yenanifee und Der Überzeugung au er:
sehen swrshibupt ger Mirche aufzurichten und Die Maſſen in Die Kirche einzuführen.
Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 127
Erft hernach follte durch kirchliche Schulung die hriftliche Überzeugung geivedt werden,
welche Sorauslehung der Aufnahme in die Kirche hätte fein follen. Statt durch den
Einzelnen zur Gefamtheit vorzubringen, juchte man zuerſt die Gejamtheit zu gewinnen,
um innerhalb derfelben auf den Ginzenen einzumwirken, eine Miffionsmethode, die freilich
auch in der Beichaffenheit der mittelalterlihen Miffionsobjekte, bejonders der Germanen, 6
darum begründet lag, meil bei ihnen die Abhängigkeit von dem Volks- oder Stammeg-
ganen eine übermäßige war. Es iſt jet die Kirche, melde Milfion treibt, aud) wenn es
önche oder Fürften find, die fie ing Werk fegen, und firchliche Organifation: Gründung
von Bistümern, Pfarrſyſtemen und Klofterfchulen geht ihr voran oder folgt ibr auf dem
Und weil die Kirche jelbft zu einem Reiche von diejer Welt geworden, nimmt 10
e feinen Anitoß daran, ſich mit der Groberungspolitit zu verbinden, entweder dieſe in
Dienit der Miffion oder die Miſſion in ihrem Dienft ftellend.
Mit diefen beiden abgeichloffenen Miffionsperioven ift die Miffton aber nicht zum
Stillſtand gelommen. Zwar hörte im Laufe des 14. Jahrhunderts die immer mehr
veräußerlichte Miſſionsthätigkeit zunächſt auf, nachdem Europa ns ganz chriftianifiert 15
und durch die Kreuzzüge vergeblidy verfucht worden mar, die durch die mohammebanifche
Gegenmilfion verloren gegangenen chriftlichen Gebiete zurüdzugewinnen,; aber der Still:
fand war nur vorübergehend. Mit dem im 15. —— anbrechenden Entdeckungs⸗
—— in welchem durch die Auffindung des Seeweges nach Indien und die Entdeckung
merikas eine ganz neue heidniſche Welt kennen gelernt und von den katholiſchen Mächten zo
Spanien und Portugal in Beſitz genommen murde, lebte der Miffionstrieb wieder auf,
und wenn dann auch jpäter im 18. Jahrhundert noch einmal eine Zeit fam, wo er er:
lahmte, und in der evangelifchen Kirche es lange dauerte, bis er überhaupt erwachte, jo
ift doch feit dem Ende des 18. Jahrhunderts ein neues Miffionzzeitalter angebrochen, das,
was den Umfang des Miſſionsgebiets, die Zahl der Miffionsarbeiter und die Drganifation 25
des Miſſionsbetriebs betrifft, die beiden Miffionsperioden der Vergangenheit weit über:
ragt. 1800 Sabre, nachdem er gegeben, ift Jeſu Mifftionsbefehl in der Chriftenheit wieder
jo lebendig geworden, daß er je länger je mehr eine Sendung an alle Völker in Gang
gebracht, eine wirkliche Weltmiſſion ins Werk geſetzt bat. Und zwar in ber römischen
wie in der proteftantifchen Chriſtenheit. Wir haben es aber nun nur mit der proteltan- 80
tiſchen Miſſion zu tbun.
I. Die Zeit von der Reformation bis zum Anbrud des gegen:
wärtigen Miffionszeitalters am Ende des 18. Jahrhunderts. Die milfiong-
Iofe get und die erften Miffionsunternehmungen.
med, Abriß einer Gejch. der proteitantifchen Mifjionen von der Reformation bis auf 885
die Gegenwart. 7, Berlin 1901. Erfte Abteilung. Abfchnitt 1—4. Kalkar, Geſch. der chriftl,
Riffion unter den Heiden, deutſch von Michelfen, Gütersloh 1877. Erfter Teil, Einleitung;
Brown, The history of Christian missions in the 16., 17., 18. and 19. century, 3 vole.,
Lond. 1864; Thompson, Protestant missions, their rise and early progress, Newyork 1874.
1. Das Reformationgzeitalter. w
Blitt, Geſch. der luth. Million, 2 Aufl. von Harbdeland, Leipzig 1894, 1. Abjchnitt:
Luthers Auffafiung und Erfiilung der chriſtlichen Miſſionspflicht. werau, Warum fehlte
der deutichen evang. Kirche des 16. und 17. Zahrhundert® das volle Verſtändnis für Die
Riftionsgedanten der hl. Schrift? Breslau 1896; Drews, Die Anſchauungen reformatoriſcher
Theologen über die Heidenmiſſion, Ztſchr. f. praft. Theol. 1897, 1, 193. 289, [1
Dem Reformationgzeitalter ging voran und fiel noch mit ihm zuſammen eins der
Entdedungs- und Eroberungszeitalter in der Weltgejchichte und die römijche
inche benutzte die neue Meltöffnung als eine ihr gegebene Miffionsgelegenheit. Mit
den Entbedern und Exoberern zogen ihre Miffionare, durchweg Ordengleute, nach drei
Erdteilen: Afrika (Kongo und Mofambique), Amerika (Weitindien, Mexiko und Süd: so
amerifa) und Afien (Indien, Japan, malaiticher Archipel) und festen eine ausgedehnte,
freilich an Außerlichkeit und Gewaltſamkeit die entartete mittelalterliche noch überbietende,
aber an Maſſenerfolgen fruchtbare Miſſion ins Werk. Man hätte nun denten follen, die neue
große Miſſionsgelegenheit, twelche die römische Kirche zu fo bedeutjamen Miſſionsunter⸗
nehmungen antrieb, hätte auch auf die Kirchen der Reformation einen mächtigen Cindrud 56
t und um fo mehr Miffionsantrieb auch in ihnen gewedt haben müſſen, als ein fo
Hes religiöfes Leben in ihnen pulfierte und die reformmatorifche Lehre fte in die
apoftoliichen Anfänge zurüdführte. Aber das ift nicht der all. In den reformatorifchen
Schriften wird der neuen Weltöffnung und der durch fie angeregten kath. Miffionen
wenig gedacht und von einer evangeliichen Miſſion ift vollends nie die Rede. Und das eo
128 re
trotzdem die Di zur Die Miſſion in — Mar
En m Bd a de. ratione
= ea u ine
Aufgaben jtellte, welche ibre gan
öffentlicher falſcher Lehre und ärgerlichen,
dem Sinne, wie man das wohl heute
it dami | digen; er polemifiert nie
t nicht von ihr, "eine Bet um Ad un
tt jei ——
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agt das nicht in
wi ie.
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verftebt — —— * 66 — —
— rg ger Es welt Ott uns gig fi jein, —
J den Goit
"Bere, 68 vanten Got un ion Kid di He Aha A Wr fu I
Sun fehlt. 'S itverftändlich re mit — — *3* hei ———
— Beruf des ee ha die Weltreligion zu fein, voll an, * es vet di ek
a,
35 lu ogen ſogar zu beweiſen ſuchen, ſchon
+ - „sid zu gepredigt, zu feiner Zeit gilt ba dieſe Welt:
F — So oft auf den are: a zu — ſchauen
eine Auslegungen zurück auf Die V genheit; niem BER. fie. für die Sup
die Konfequenz einer ee jeltung diefes Befeh Wohl finden
0 rungen bei ihm, daß die Predigt des Evangeliums noch nicht —5 gelangt ja
„ſeien viele Inſeln erfunden worden noch zu eig „‚aeden die da —5 — ſind
niemand habe ihnen das Evangelium gepredigt“; nie Mnüpft er die Aufforderung
daran, Miffionare zu diejen Heiden zu jenden, Er mn. Die miſſie = che digt
mit einem Stein, der ins Waſſer geworfen wird und der von ſelbſt „Bülgen und
45 * Striemen um ſich macht, und die Bülgen walchen ſich immer fort und Fort, eine
die andere, bis u ie ans Ufer kommen.“ Höchſtens denkt er am eine ——
Predigt unter Ni tehriften de Yaien oder Prediger, aus der Heimat verjagt find,
niemals an eine —— Sendung. „Nach re bat niemand mehr
ben gemeinen apoſtoliſchen efehl, jondern ein Tele iichof oder Pfarrherr bat
ein aan Kirchipiel oder Pfarre.”
Auch die Erwählungslehre und bie Eschatologie Luthers ift in Rechnung zu ſetzen.
Allerdings bat Gott nad) ihm überall feine Auserwäblten, die er durch allerlei Veran—
ftaltungen zum Glauben führt, aber mie er das vollbringt, das ijt die Sache *
jouveränen Gnade; eine fortgebende menſchliche Sendungsveranftaltung liegt nicht 2.
55 Plane jeines Ratfehluffes Freilich betomt er: „ehe der jüngjte Tag kommt .. muß das
Evangelium durch die ganze Welt laufen, auf dafs fie alle —** haben über ihr Ge⸗
wiſſen, ob fie glauben oder nicht glauben“. Aber — fährt er dann fort — „das Evan:
gelium iſt getvejen in Agypten u. ſ. wm. Chriſtus thut als ein — erſtlich m. er
mit einem Flegel die Ahren aus, — wirft er die Spreu auch auf
co giebt ſie den Säuen zu frefien. Alſo bat Johannes Baptifta, die eh und 7
Miſſion unter den Heiden, proteftantifdge 129
hriftlichen Prediger auch getban ... und mo fie das gethan haben, ift dann nichts mehr
übrig als eitel Spreu“. Es ift alfo eine Strafe Gottes für die Mißachtung des bereits
angeboten geweſenen Evangeliums, daß die jeßige nichtchrijtliche bezw. nichtevangelifche
Melt es nicht noch einmal angeboten erhält, ein Gedanke, dem wir bei den orthodoren .
Dogmatifern des 17. Jahrhunderts in der ausgeprägtejten Form begegnen. Nimmt man 6
endlich dazu, daß Luther und feine Zeitgenofjen in dem Glauben ftanden, das Ende der
Welt fei angebrochen, die Vorboten des jüngiten Tages ſeien bereits vorhanden, der
Antichrift im Papſte, Gog und Magog in den Türken, jo blieb für eine meitere Aus:
breitung des Chriſtentums auch gar feine Zeit und es wird vollende bogruflich daß eine
geordnete Sendungsveranſtaltung außerhalb des Gedankenkreiſes der Reformatoren lag. 10
Ahnlich wie —*— ſtehen alle ſeine Mitarbeiter. Melanchthon behauptet, daß der
Miſſionsbefehl nur den Apoſteln gegolten, daß aber die chriſtliche Obrigkeit, welche über
peibmifche Unterthbanen berriche, die Pflicht zu ihrer Chriftianifierung babe. Am nächiten
mmen einer wenigiten® relativen Anerkennung einer Miffionspflicht der Kirche Zwingli
und Bucer, aber auch ſie denken entfernt nicht daran, in praxi mit ihrer miffiong: 15
günftigeren Theorie Ernſt zu machen. Auch bei Calvin findet fich feine Anerkennung
der Miſſionspflicht. Der Apojtolat iſt ihm ein munus extraordinarium, das Sich in
der Srijcioen Kirche nicht fortgepflanzt babe. Es fer ausfchließlih Gottes Sache, mie fich
jein Reich weiter ausbreite. Eine bejondere industria der Menjchen, alfo eine Sendung:
veranftaltung, fei nicht nötig. Nur der chriftlichen Obrigfeit jpricht auch er die Pflicht 20
zu, die wahre Religion in ein noch ungläubiges Land einzuführen.
Einen einzigen nachrejormatoriichen Theologen zweiten Ranges gab es, der ſich über
biefen Bannfreis erhob. Das war der erſt in der neueften Zeit ſozuſagen wieder
entdedte, von einem Spanischen Vater abjtammende, 1531 in Holland geborne, als Baftor
in Antwerpen und Brüfjel und ale Profeffor in Leiden thätige, jpätere nad) England 25
übergefiedelte und dort als angejehener Dechant am Weftminiter 1613 geftorbene Adrian
Saravia. Auf englifchem Boden gab diefer Saravia im Jahre 1590 eine Schrift heraus,
die den Titel führte: De diversis ministrorum gradibus sic ut a domino fuerunt
instituti. In diefer Schrift, deren Zived die Verteidigung der bifchöflichen Verfaſſung
ift, begründet er u. a. die Notwendigkeit des mit apoftolifcher Autorität umtleideten so
Biſchofsamtes auch durch die Hinweiſung auf die Pflanzung neuer Kirchen. In diefem
Zufammenhange widmet Saravia der Miſſion ein bejonderes Kapitel, das 17., unter
der Überfchrift: „der Befehl, allen Völkern das Evangelium zu predigen, verpflichtet die
Kirche, ſeitdem die Apojtel in den Himmel aufgenommen find; bierfür bedarf es apojto-
cher Vollmacht.“ In diefem Kapitel führt er folgende Gedanken aus: der Auftrag, 35
das Evangelium in der ganzen Welt zu predigen und die Piticht der Sendung zu allen
Völkern bezieht ſich auf alle Jahrhunderte bis zum Ende der Welt, 1. mweil er verbunden
it mit der Verheißung: ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. So gewiß
diefe Verheißung nicht den Apojteln allein gilt, fondern allen Jeſusjüngern, jo gewiß
auch der Befehl: gehet hin. 2. Weil die Apoftel durch die Thatjache, daß fie Mitarbeiter 40
und Fortſetzer ihres Miſſionswerkes erwählten, felbjt bezeugen, es ſei ihnen nur der An-
fang diejes Werkes aufgetragen. 3. Weil das Werk viel zu groß war, ala daß bie
werigen Apoitel in der kurzen Spanne Sei ihres Lebens es hätten vollenden fünnen,
und 4. weil eine lange Miſſionsgeſchichte bezeugt, daß thatjächlich fort und fort die Aus:
i des Evangelii unter immer neuen Völkern betrieben worden iſt. Auch heute, 45
fährt er dann fort, iſt das Evangelium noch nicht allen Völkern verkündigt, und es iſt
nicht Schwarmgeiſterei jondern Pflicht der Kirche, dem den Apofteln nur zuerft erteilten
Hfionsauftrage gehorfam zu fein. Die Kirche hat dazu mie die Pflicht, fo auch die
Vollmacht. Geichieht das nicht, jo liegt das nur an dem Mangel apoftoliicher Männer
und eines lebendigen I np Freilich Geiftesausrüftung gehört dazu, wenn man 5
dieſes große Werk angreifen will und meil der einzelne ſich über feinen Beruf zu folchen
Berle täufchen kann, fo muß firchliche Vollmacht ihn autorifieren.
Aber mit diefem gefunden Verſtändnis des Miffionsbefehls blieb Saravia ifoliert.
I hervorragende Theologen, reformierterjeitS Theod. Beza in Genf und Tutberifcher:
its Joh. Gerhard in Jena, machten jich, der erjte fchon 1592, der andere 25 Jahre 55
fpäter, daran, Saravia zu befämpfen. Beza that es in einer befonderen Gegenjcrift:
Ad tractationem de ministrorum gradibus ab Adriano Saravia Belga editam
— Theod. Bezae responsio und Gerhard im 23. Locus feiner vielbändigen Dogmatik:
Loei theologiei. Beza giebt war zu, daß in Mt 28 Verheißung und Befehl zu—
ſanmengehöre, erhebt aber den Einwand, daß in dem Befehle unterſchieden werden Inühfe, 60
Real-Eucyklopädie für Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 9
130 Miſſion unter den Heiden, proteftantifdye
was fih ausjchließlich auf Die Apvftel bezogen habe und bas jet eben die Ausfendung
zu allen Völkern; was für alle Zeiten bleibe, das ſei nur die Berufung zur Predigt
des Evangelii überhaupt. Viel fchärfer und mit der fpisfindigiten dogmatiſchen Scholaftil
befämpft „job. Gerbard den Saravia. Da wir aber jpäter auf ihn zurückkommen müflen,
6 fo fer jegt nur angeführt, wie er die Zuſammengehörigkeit von Befehl und Verheißung
in Mt 28 widerlegt: der Befehl gebe allein auf die Apoftel, die Verheißung nah Mt
18, 20 auf alle Gläubigen; tolle man bebaupten, daß der Miffionsbefehl ebenſo meit
gebe wie die angebängte Verbeigung, Dann würde ja folgen, daß alle Gläubigen zu ben
Heiden geben müßten und dag ſei abjurd. Trog Saravia blieben alſo die alten Miflions-
10 vorurteile in ungeſchwächter Kraft.
Nun tft ed allerdings in den Jahren 1555 und 59 ji zwei Unternehmungen ge
fommen, einer reformierter: und einer lutherifcherfeits, die als Miſſionen regiftiert werben.
Die eine wurde Durch einen franzöfiichen Abenteurer, der fi ſpäter ald Werräter der
Proteftanten entpuppte, Durand de Willegaignon, in Braſilien ins Werk geſetzt, um dort
15 eine franzöfifche Kolonie zu gründen. Die Kolonijten wurden von vier Geiftlichen aus
Genf — ob mit Zuftinnmung von Galvin tt nicht ausgemacht — begleitet, welche aud
den eingeborenen Heiden das Evangelium verfündigen follten. Aber das ganze Unter:
nehmen jcheiterte und zu einer wirklichen Miſſionsthätigkeit kam es nicht.
Ahnlih ging es mit dem Verſuche des ſchwediſchen Königs Guſtav Wafa, die fchon
im 12. Jahrhundert nominell Tatholijterten Lappen, der evangelifchen Kirche einzunerleiben.
Es war dies ein reformatorifcher Akt territorialer Kirchengewalt, der in der Entſend
von (wenig qualifizierten) Wfarrern und der Einrichtung von Pfarreien beitand. Au
er führte zu feinem Ergebnis; cine wirkliche Yappenmiffion kam erjt durch Thomas
von Weiten (geit. 1727) und Stockfleth (geſt. 1866) zu Stande.
25 2. Das Zeitalter der altproteftantifhben Ortbodorie —
Gröjjel, Die Mifjion u. die ev. Kirche im 17. Jahrh., Gotha 1897; derf., Suftinianus v. Weltz,
der Vortämpfer der luth Miljion, Leipzig 1891; Faber, Ter Mifjionswedruf des Baron
Juſtinian von Weltz in treuer Wiedergabe des Driginaldrudes vom Jahre 1664, Leipzig 1890;
Plath, Die Mifjiondgedanten des Freiberrn von Leibnig, Berlin 1869; Germann, Biegenbalg
8 u. Plütihau, Die Gründungsjahre der Trankebarſchen Mifjion, Erlangen 1868; Van -
burg de Bruyn, De hervormde kerk en Nederlandsch Oost-Indie onder de Oost-Indische
Compagnie 1502—1795, Arnhem 1884; Grothe, Archief voor de geschiedenis der oude Hol-
landsche zending, Utrecht 1884-1891; Callenbach, Justus Heurnius. Eene bijdrage tot de
geschiedenis des Christendoms in Nederl. Oost-Indie, Nijkerk 1897; Yritfchel, Gefch. d. chriſtl.
35 Mifjionen unter den Indianern Nordamerifas im 17. u. 18. Jahrh., Alirnberg 1870. Allen
and McClure, Two hunderd years: the history of the Soc. for promoting Christian Know-
ledge 1698—1898, London 1898; Classified digest of the records of the Soc. propa-
gation of the gospel (S. P. G.) 5., Lond. 1896.
Auch in dieſem Zeitalter tritt in den miffionsungünftigen Anschauungen der Reformatoren
0 zunächſt in Deutfchland noch Fein Mandel, fordern injofern fogar eine Verſchärfung ein,
als eine direkte Ippofition gegen die fortgebende Miffionspflicht der Kirche zu einer mit
eregetiicher, dogmatifcher und hiſtoriſcher Sophiſtik getriebenen Polemik führt, in deren
unnatürlide Gedanfengänge wir uns heute faum finden können. Dieje Polemik wird
verurfacht durch einige erſt fchüchterne und allmählich fraftvollere Stimmen, die fich aus
45 Theologen- und Laien-Kreiſen wider die Miſſionsverſäumnis der Stirche erheben; und in⸗
jofern iſt Doch ein Fortſchritt da, als die Miffion in Sicht fommt und ſich eine öffent
liche Debatte über fie erbebt.
Die Hauptvertreter der Miſſions-Oppoſition find die führenden theologischen Auto⸗
ritäten: der Jenenſer Joh. Öerbard in feinen von 1610—1621 erfchienenen Locis theo-
50 logieis (in den beiden Artikeln de ecelesia und de ministerio ecclesiastico) und die
Wittenberger tbeologiiche Fakultät in einem amtlichen Gutachten aus dem Jahre 1651,
welches durch den Reichsgrafen Truchfeß von Weghaufen provoziert worden war, der Anftoß
daran nabm, daß die lutb. Kirche feiner Zeit dem Mifftonsbefehle nicht nachkam.
Es ſind vornebmlich zwei Grundgedanten, die von der theologischen Oppofition
55 geltend gemacht werben: 1. Die Apoſtel haben bereits in der ganzen Welt das Evan-
gelium verfündigt und 2. mit den Apoſteln iſt der miſſionariſche Beruf der Kirche er-
lojben. Die erſte Behauptung wird ſowohl durch die buchftäbliche Auslegung von Me
16, 20; Rö 10, 18; Ko 1,6 u. 23 wie durch eine natv=gejchichtliche Deduktion bes
weiſen gejucht, Daß die Nunde vom Evangelio tbatfächlihd in der ganzen Belt von
0 Alters ber befannt geweſen, was bejonders durch Gerbard mit einem großen Aufwande von
Miffion unter den Heiden, proteftantifche 131
—— geſchieht. Aus dieſer exegetiſchen und hiſtoriſchen Befangenheit ergaben ſich
dann g u erichredende Konfequenzen; fei jeßt noch Heidentum vorhanden, jo komme
das — ur die Vorfahren dieſer Heiden das ihnen angebotene Evangelium verworfen
oder ihren Nachkommen nicht überliefert haben. Diefe Heiden jtehen folglich unter Gottes
Gericht und Gott jet nicht ſchuldig ſolchen Völkern dasj enige zu reſtituieren, quod 6
semel iuste ablatum est — eine Argumentation, wie fe mit der größten Schroffbeit
die Wittenberger Fakultät führt. Die Ameite Behauptung wird umftändlih dogmatiſch
begründet durch die Theorie vom apoftolijhen Amt im Unterſchiede von dem ordentlichen
Kirchenamte. Das apoftolifche Amt fei nur ein personale privilegium geivefen, jeßt
gebe es nur eim firchliches Predigt: und Negieramt, jenes jei an eine beitimmte Ge⸗— 10
meinde ggeunden, diejes habe nur Auftrag zur Berufung ind gemeindlihe Prieſter—
amt. Wer aber ohne Vokation predige, der ſei ein Schwärmer. Zudem feien zu
dem Miffionsamte Wundergaben und =träfte nötig, die heute nicht vorhanden. In
diefer ablehnenden Stellung gegen die Mifjion wurden die Theologen auch durch die
namentlid von Bellarmin inaugurierte kath. Polemik nicht erichüttert: Die prot. Kirche 15
fönne nicht die rechte fein, weil fie feine Miffion treibe. Die Antwort, die fie geben, ift
wahrhaft Kae: die Ausbreitung des Chriſtentums unter allen Vvoitern ſei gar kein
weſentliches Merkmal der Kirche, die nach Apk 12, 6 vielmehr dem in die Wüſte fliehen⸗
den Weibe gleiche. Die Bekehrung römiſcher Katholiken zum Evangelio ſei im Grunde
auch Heidenbekehrung, und wenn die Kirche eine Miſſionspflicht habe, warum dann nicht 20
auch der Papft und feine Kardinäle ausgingen die Heiden zu befehren? Ein jeglicher
Lehrer babe bei der ihm anvertrauten Gemeinde zu bleiben nach dem Worte: weidet die
Herde, die euch befohlen ift.
Neben dieſer miffionsgegnerischen Polemik machten fih nun aber auch vereinzelte
mülltonsfreunblige Stimmen geltend, fo feitens der Theologen Prätorius, Meisner, Calizt, 26
S Duräus, Dannhauer, Havemann, Beiel und bejonders Scriver (in feinem
—S und Spener (in einer Himmelfahrtspredigt). Man kann diefe Stimmen in
drei Gruppen klaſſifizieren: 1. in folche, welche eine Sendungspflicht der Kirche zwar nicht
anerfennen, aber den chriſtlichen Obrigfeiten eine Chriftianifierungspflicht ge egenüber ihren
beibnifchen Unterthanen zufprechen; 2. in ſolche, welche prinzipiell eine Mifftonspflicht go
der Kirche gelten lafien, aber aus Opportunitätsgründen zur Zeit fie für unausführbar
halten und 3. in folche, die ohne alle Klaufeln den Gehorſam gegen den Miffionsbefehl
verlangen. Sie alle entbebrten aber der praftiichen Spige und hatten Teinerlei poſitives
Ergebnis. Freilich, man muß zur Entſchuldigung jagen, da auch die traurige Zeit des
30 jährigen Krieges den Gedanken an eine Mifftionsunternehmung nicht aufkommen ließ. 85
Nur ein Unternehmen ift zu regiftrieren, das man aber, jtreng genommen, nicht ale
Miffionsverfuh bezeichnen —* und das auch ganz indivibualiftiiches Gepräge trägt,
nämlich die vermutlich auf den Einfluß von Hugo Grotius zurüdzuführende Reife des
Lubecker Juriften Peter Heiling nach Aaelfinien, um die dortige erftorbene Kirche zu
neuem eben . u erwecken. Außer der Überſetzung des NTs ins Amhariſche bat aber «0
der 20 jährige Aufenthalt Heilings in Abeffinien fein Ergebnis gehabt; fortgejegt wurde
feine Arbeit von niemant.
Mit wirklichem Nachdruck wurde die deutfche Tutherifche Chrittenheit zum erften Male
an ihre Bilftong fliht erinnert dur den 1621 in Chemnitz geboren und in Ulm er:
zogenen, einem öſterreichiſchen Adelsgeſchlechte entſtammenden Frhrn. Juſtinian von Weltz, «
einen Pietiften vor dem Pietismus, der im Zuſammenhange mit dem Drängen auf eine
geiftliche Belebung die Begründung einer freien Miffionsgefellichaft forderte. Cr that
das in drei 1664—66 herausgegebenen Sylugichriften, von denen die erfte die michtigite
war. Sie führte den Titel: „Eine chriftliche und treuherzige Vermahnung an alle recht:
gläubigen Chriſten der Augsburgifchen Konfeſſion, betreffend eine jonderbare Gefelfichaft, so
durch welche nächſt göttlicher Hilfe unſere evangelifche Religion möchte ausgebreitet werden.
In den Drud verfertiget zu einer Nachrichtung allen evangelifchen Obrigfeiten, Baronen,
und von Abdeln, Doktoren, Profefjoren und Bredigern, studiosis theologiae am meiften,
auch studiosis iuris und medicinae, Kaufleuten und allen Jeſus Liebenden Herzen.”
er ragen und Ermahnungen an bie genannten Adreffaten gliedert ſich der Inhalt 66
diefer Schrift in drei Hauptteile: 1. in die Gründe, mit denen die Notivendigkeit einer
Riffionsveranftaltung beivtefen wird (der Wille Gottes, das Beiſpiel der Geſchichte, die
Bitten im Kirchengebet und der Vorgang der Papiſten); 2. in die Widerlegung der Ein:
wände, bie jeitens der orthodoren Theologen gegen die fortgehenbe Miffionsverpflichtung
geltend gemacht wurden (daß der Miffionsbefehl nur den Apofteln gelte, daß das Evan: 60
132
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waren aber —— —— Motive, die 1602 zur Miſſion trieben.
Die Miſſionsſchrift von Heurnius: De legatione ad Indos capessenda —
erſchien 1618, Die ————— damals die niederlandiſch⸗vſtind ur Kompag
3 war das ungsorgan, fie inau ze leitete und unterhielt die Miff ird
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lichen, die zugleich Die Si in in Leiden von — Walaus eröffnetes
Seminar zur Ausbild erfelben mi. nur — st N Fa bon ber
Diiffionspflicht ber Rolomialob eit wurde bier zu in größerem ep
0 in die Praxis überſetzt. Borbild diefer Miffton, die m * uns ee über den ganzen
großen bollänbifchen | Kolonialbefit im malaiiſchen Archipel a —
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so too, wie Genlon Die der Kom agnie Ende.
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fang des 19, Yabrhunderts wieder Gegenſtand —— paftoraler Frl geworden.
Bei unſerer Rundſchau über die Miſſionsgebiete kommen wir auf ihn zurück. |
66 jn England, das nad dem Untergange der ſpaniſchen Armada (1588) gleichfalls
eine Seemacht zu werden b , berbinderten vornebmlih die fortgebenden bel iſch⸗
religi u Kämpfe das Enoaden eines Mi —— Dieſe Kämpfe —** aber Die
Veranlaffung zu dem erften Miffionsverfuche unter den Indianern Nordamerikas und
bon biefem gingen in England die erjten Miffionsanregungen aus, Nachdem ſchon 1584
von ben ſog. Havalieren die erfte englifche Kolonie in Norbamerifa gegründet worben
132 Miffien unter den Heiden, proteftantifdge
gelium nicht wieder gepredigt werden dürfe, mo fein Licht erlofchen fei, daß die Prediger
nur an ihre Gemeinden gewiejen ſeien und daß man erit im Lande das Chriitentum zu
einem befjeren Stand bringen müfje); 3. in beitimmte Vorfchläge, wie eine Miffton ins
Merk zu fegen fei, die auf die Begründung einer organifierten Geſellſchaft binauslaufen.
5 Dieſe Schrift, wie auch die zweite: „Cinladungstrieb zum berannabenden großen
Abendmahl und Vorfchlag zu einer hriftlihen Jejus-Gefellichaft, behandelnd die Belle
rung des Chriftentums und Belehrung des Heidentume” übergab Weltz dem Corpus
Evangelicorum auf dem Reichstage zu Regensburg, mo fie aber nad einer formalen
Beiprehung zu den Alten gelegt wurde. Verſtimmt ſchrieb er eine dritte Schrift, begab
10 fih dann nadı Holland und ging, nachdem er bier ordiniert worden war, als Miffionar
nad Suriname, wo der als „Fanatiker“ und Schwärmer“ verjchrieene Miſſionsprophet
bald ein einjames Grab fand.
Zunächſt blieb fein Medruf die Stimme eines Predigers in der Wüſte. Als Gegner
ftand der angejehbene Negensburger Superintendent J. 9. Urfinus gegen Wels auf in der
1» Schrift: „Woblgemeinte, treuberzige und ernitbafte Erinnerung an Juſtinianum, feine
Vorſchläge, Die Belehrung des Heidentums und Beilerung des Chriftentums betreffend“.
Der in diefer Schrift angefchlagene Ton iſt aber mebr heftig als treuherzig; Welt
wird in ihr „der Yäfterung wider Mofes und Aaron“, des „Münzeriſchen und Quäkeriſchen
Geiſtes“ befchuldigt und feine Brofchüren werden „Fluchichartefen” genannt. Inhaltlich ift
20 fie überaus ſchwach. Sie wagt allerdings nicht mehr die Gerbardichen Behauptungen
zu verteidigen, aber wegen der Hindernifje, die auf feiten der Chriſten, der Heiden und
Gottes der Ausführung einer Miſſion entgegenfteben, erklärt fie diefelbe für nicht op
portun.
Während die Theologen fih ablebnend verbieten, trug fih ein Philoſoph von Welt:
25 ruf, Leibnitz, angeregt von der jeſuitiſchen Chinamiffion, mit Miſſionsgedanken, ja er ver-
anlaßte jogar, daß „die Fortpflanzung des wahren Glaubens”, als eine ihrer Aufgaben
in die Statuten der Berliner Akademie der Wiflenfchaften (1700) aufgenonmen murke.
Seine Projekte find allerdings nicht zur Ausführung gefommen, aber fie veranlaßten
einen Briefwechſel mit U. H. Francke, auf den fie befruchtend gemirft haben.
30 Zu den eriten Miſſionsthaten innerhalb des Proteftantismus fam es in dem nad
feiner Befreiung von dem ſpaniſchen Joche zur Kolonialmacht werdenden Holland... Es
waren aber weniger religiöfe als folontalpolitifche Motive, die 1602 zur Miſſion trieben.
Die Niffioneichrift von Heurnius: De legatione ad Indos capessenda admonitio
erſchien erit 1618. Tie Kolonialobrigfeit, damals die niederländifch-oftindifche Kompagnie,
35 war das Sendungsorgan, fie inaugurierte, leitete und unterbielt die Miffton; die End,
lichen classes und Synoden beteiligten ſich nur an der Geftellung von Kolonialgeift:
lichen, die zugleich die Miffionare waren. Ein in Leiden von Prof. Waläus eröffnetes
Seminar zur Ausbildung derfelben beitand nur von 1622—34. Die Theorie von der
Miflionspflicht der Rolonialobrigfeit wurde bier zum erften Male in größerem Maßftabe
so in die Praxis überfegt. Vorbild diefer Miſſion, die fih nach und nach über den ganzen
großen holländiſchen Kolonialbeſitz im malaiiſchen Archipel ausdehnte, war die römiſche,
auf äußere Maſſenbekehrungen abzielende Methode, obgleich diefelbe nicht unweſentlich
Dadurch modifiziert wurde, daß in der Sprache der Eingebornen gepredigt, Die Bibel
überjegt und auch für Seranbildung von eingebornen Gehilfen Fürſorge getroffen murbe.
5 Es fehlte ja nicht an trefflichen, geiſtlich gefinnten Nolonialgeiftlihen 3. B. Danfärts,
Heurmus, Gandidius, Junius, Hambroek, Baldäus, aber die Mehrzahl verrichtete ihr
Amt in ſehr äußerlicher Weiſe und fehrte bald in die Heimat zurüd. Es wurden aller
dings Hunderttauſende getauft, aber ihr GChriftentum war vielfahb nur ein übertünchtes
Heidentum, dem meilt auch die geduldige Pflege fehlte und das feinen Beitand hatte,
so too, wie z. B. in Ceylon die Herrſchaft der Kompagnie zu Ende ging oder der koloniale
Miſſionseifer in Indifferenz umſchlug. Der ziemlich verrwahrlofte Neft diefer alten hollän⸗
diſchen Miſſion iſt dann aber in Verbindung mit der neu auflebenden Miffton fett An⸗
fang Des 19. Jahrhunderts wieder Gegenftand forgfältigerer paftoraler Pflege geworden.
Ber unferer Rundſchau über die Miffionsgebtete fommen wir auf ihn zurüd.
55 In England, Das nadı dem Untergange der fpanifchen Armada (1588) gleichfalls
eine Seemacht zu werden begann, verbinderten vornehmlich die fortgehenden politisch
religiöſen Nämpfe das Erwachen eines Miffionfinnes. Diefe Kämpfe wurden aber die
Beranlaffung zu dem erften Mifftonsverfuche unter den Indianern Nordamerikas und
von dieſem gingen in England die erften Mifftionsanregungen aus. Nachdem fchon 1584
co bon den ſog. Stavalieren die erfte englifche Kolonie in Nordamerika gegründet worden
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 133
war, der man zu Ehren der „jungfräulichen” Königin den Namen Virginien gegeben,
fand unter dem religiöfen Drude der Stuartö 1620 die zweite größere Ausivanderung, die
der Puritaner, der ſog. Pilgerväter ftatt, welche in dem heutigen Maſſachuſſets Neueng-
land gründeten, der 1682 noch eine dritte unter Penn folgte, die fih in Pennfylvanien
niederließ. 5
Die Puritaner hatten fofort die Belehrung der Indianer in ihr Kolonialprogramm
mit aufgenommen, aber e8 fam leider eber zu blutigen Zufammenftößen mit ihnen als
ur Miſſion. Erft 1646 wurde diefe Durch den ebenfo mwiflenjchaftlich gebildeten wie herzens⸗
Kommen Paſtor von Rorbury (Bofton) Kohn Eliot ind Werk gefest, und zwar abgeſehen
von feinen altteftamentlich-theofratischen Idealen in ganz evangeliſcher Deite Er prebigte 10
in der —— überſetzte in dieſelbe die Bibel, bildete eingeborne Mitarbeiter
beran, taufte erſt nach ſorgfältigſter Unterweiſung und organiſierte eine Reihe von firchlich-
bürgerlichen Gemeinwesen, in welchen er die Indianer zugleich in civilifiertes Leben ein-
gewöhnte. Es gelang ihm dreizehn foldher Gemeinweſen „betender Indianer” zu ftande
zu bringen, leider mußte er aber am Ende ſeines aufopferungevollen Lebens (geft. 1690)
den Schmerz erleben, daß durch die furchtbaren Indianerkriege, die mittleriveile ausgebrochen
waren, die meilten derjelben zerftört wurden.
Die beroifche und erfolgreihe Miffionsthätigkeit Eliots hatte in England Aufjehen
erregt und veranlaßte eine durch das lange Parlament beichlojfene Landeskollekte und
1649 die Gründung einer corporation for the propagation of the gospel in New 20
England, die ſich aber mwefentlih auf Gabenfammlung bejchräntte, Eine von Cromwell
geplante proteftantifche congregatio de propaganda fide kam nicht zur Ausführung
und vereinzelte Miffionsaufrufe frommer Geiftlicher (Orenbridge, Prideaux) verballten
wirkungslos. Erft 1695 und 1701 wurden zwei Gefellfchaften gegründet, die nad) und nad)
für die Miffion von Bedeutung geworden find: die Society for promoting Christian 25
knowledge, die bejonders die däniſch-halleſche Miffion in Indien unterftüßte und die
Soc. for propagation of the gospel in foreign parts (S. P.G.), deren Thätig⸗
feit fih aber im 1. Jahrhundert ihres Beſtehens weſentlich auf die kirchliche Verfor:
gung der englifhen Koloniften beſchränkte. Der mächtigen oftindifchen Kompagnie,
die 1600 durd die Königin Elifabeth ihren reibrief erhielt, lag jeder Gedanfe an so
Million fern.
Neben Holland und England beſaß jeit 1620 in Oft: und feit 1672 in Weſt—
indien auch Dänemark Kolonien und von bier ging 1705 die erfte lutherifche Miffion
aus und zwar auf Anregung des Königs Friedrich IV. Da man aber in Dänemark
feine Miſſionare fand, fo wendete fich der won Berlin nad Kopenhagen berufene Hof: 36
prediger Lütlens an feine pietiftischen Freunde in Deutichland. So Tam diefe dänische
Miſſion in Verbindung mit den deutichen Pietiften und bald mit Aug. H. Srande. Zwei
Schüler desfelben: Ziegenbalg und Plütfchau gingen als „Königliche Miffionarien” nad)
Dftindien (Tranfebar), wo fie der evangelifchen Miſſion die Bahn gebrochen. In Kopen:
bagen wurde ein königliches collegium de cursu evangelii promovendo gebildet, dem 40
die offizielle Zeitung der Million übertragen wurde, das fie aber zu Tode regiert haben
würde, wäre A. H. Frande nicht ihr Hauptträger geworden. Durch ihn verband fich
der Pietismus mit der Miifion und nur diefe Verbindung bat fie am Leben erhalten.
Und noch eine zweite Mifftion ivurde von Dänemark aus ind Werk gejegt, nämlich
in Grönland, die aber nicht vom Könige fondern von einem Paſtor auf den Lofoten, 46
Hans Egede, ausging, dem es allerdingd nur in Verbindung mit einer füntglich privi—
legierten Hanbelsgejellihaft nach unfäglihen Mühen 1721 gelang, in das Yand feiner
Sehnſucht zu kommen. Fünfzehn Jahre lang arbeitete Egede in Grönland unter großen
Schwierigkeiten faft ohne Erfolg und fein gedulpreiches Werk wäre vermutlich abgebrochen
worden, wenn nicht wieder deutjche Hilfe gefommen wäre. So führt uns diefer Rund: co
gang wieder nad Deutichland zurüd und hinein
3. in das Zeitalter des Pietismus.
Kramer, Aug. 9. Frande. Ein Lebensbild. 2 Bde, Halle 1880; Fenger, Geſch. der Trankebar—
ſchen Mifjion. Aus dem Däniichen, Grimma 1845; Spangenberg, Leben Zinzendorfg, 1772 — 75;
v. Schrautenbadh, Graf Zinzendorf und die Brüdergemeine feiner Zeit. Herausg. von Kölbing, 55
Snadau 1817; Römer, Nik. Ludiv. Graf v. Zinzendori. Sein Leben u. Wirken, Gnadau 1900 ;
Kölbing, Ueberfiht der Miſſionsgeſch. der ev. Briüderfirche in ihrem 1. Jahrh, Gnadau 1833;
Reichel, Rüdblid auf unfere 150 jährige Mifjionsarbeit, Herrnhut 1882; v. Tewig, In Dänisch:
Weſtindien, Die erſte Streiterzeit in des Grafen von Zinzendorf?® Tagen, Niesky 1882; Ryle,
The Christian leaders of the last century of England a hundred years ago, Lond. 60
eh
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uw
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134 Miſſion uuter den Heiden, proteſtantiſche
1861; Schmidt, Jorn Werten und (G. hitefield, Naumburg 1851 und 53: Wauer, Die
Anfänge der Brüderkirche ir Eraland. Ein Napitel vom geiftigen Austaufh Teutjchlands u.
Englands, Leipzig Tee.
Der Pietismus. die erſte srohe Reiermbewegung innerhalb der Kirchen der Refor:
matten, Drang auf perientiches Errütentum gegenüber der bloßen Unteriverfung unter
chriſtentum gegenuber vn Toamensmes, auf allgemeines Prieſtertum gegenüber einer ftarren
Amtotbeorie. Sein Drangen aur Berrunaung Des Glaubens, auf Aktivität, qualifizierte
ihn zur Miſſion. ſebald iein Blick zur Ne nichtchriſtliche Welt gerichtet wurde. Trotz jeiner
Weltiucht wurde er me peizesoemde Macht. Gr iſt der Water der Heidenmiſſion
wie faſt aller Sauce nis nnere Vertten bescichneten Wettungsveranjtaltungen, eine 3er:
bindung. Me fur Sofort om Man. Frencke wviſch Daritellte Es bafteten ihm freilich
STchwachen an zurga penar Zumetvmus, eine oft jüßliche Tändelei, eine eng-
berzige Angituwtet: and Smreopez zeseruker Dem Bereiche Des natürliben Weltlebens
und eine zu merpodenpe Berendang der Bekebrung; aber troß dieſer Einfeitigfeiten mar
er eine wieninde Ware an serch zisnönventitelcrijtentun verjpottet, ging von ibm
die gquavppetsiae, Baeimm®lon me Deren Verrieb dann freilich auch mit ben Yicht= Die
beraten Des Itrsittiie HE UP ITUR,
May 8 Verne vurde der Benmerriser Der dom Pietismus ausgehenden Miſſions⸗
ansnis Damp vn ampenen sadacsudeben Pläne, durch den Briefmechfel mit Yeibnig
und Narr Me zwi nr suzsun rag Berufung zweier jeiner Schüler in den däniſchen
ae vd nt Me Arperz für Die Heidenmiſſion geführt. Sein Verdienſt
u Mei desto wurden" a8 er ibr Die Arbeiter jtelltee Als ein Pädagog
abo ze Arnion ia Ubi) .T yon Aarenbaus u einen seminarium universale
da Qtanprweig sy Heer lm Hr im Dienſte des Reiches Gottes zu machen.
nn op Nr unserer ID>erterse das Bewußtſein weckte, fie ſelber müffe die
gen Ne Wespen pedert, nder eo mir ibren Gebeten binter den Miſſionaren ftehe
N NEN . Dar x durch eine periodiſche Schrift Kenntnis und
ode ui My Mergper Qipet UrDrine Francke war der erite, Der cine betenbe,
san ad nenteen eranpes Vtonsgeneinde fammelte und jo die Miſſion aus
en yihepr ppiihn, hey Nenur die Regentenpflicht der dhriftlichen Stolonial-
na et isre Dam da o pehiade Vermvrlligfeit in Die Miſſion hinein und entband
Sr one Neon Neo sp Jrrrnbett jaſt Ichlunmmernde Macht.
ie ooimar se pre rar die piertittichen ecclesiolae in Word: und Züb:
Non wen pe Ne Üptore derciliaten; Die Orthodoxie befämpfte fie noch
N gerie syrnig Werren uch Die älteren Einwürfe faft verſtummt, fo
So Prinzen Ne Bezvrserser wol, Fatultät doch als „falſche Propheten“
>. N. wyepyineirrr RNeumeiſter Die Parole ausgegeben, „Daß die
I Narn gade oo usg won Es find aus den Franckeſchen Ztiftungen
Sn homenoden ou Nltonare berborgegangen, unter ibnen neben
en Zur zen Große Chr. Friedr. Schwartz, jo daß die
urn sn Rees tn Me Deich halleſche bigeichnet wird. Unter vielem
aytue, Npamstotren und Streitigfeiten allerlei Art ver:
an dan Uran Dia vom legten Viertel des 18. Nabrbunderts
he oo egasr Se Wurzeln abgrub. Englifche Unterftügungen
\ J na rather, Marin trat Die luth. Leipziger Miſſion in das
“cn ser zesfitfentchen Geſellſchaften in Bejis genommen
an sen sur Zendungeltelle zu fein.
an ner Miitenebewegung Durch den Eintritt der Brüder⸗
ro Yöayaderr par das Werkzeug, deſſen fih Gott bediente, um
‚pin tete Ste bisher noch auf feinem geitanden. Plan
J ieiet Genius bezeichnen. Der Miſſionotrieb iſt bei
oe dene Wressnaen von außen. Allerdings haben dieſe nicht
—
oa Ne wechen Padagoginms erhielt er fie in Franckes Haufe
v. ep rennen Verwirklichung feiner Miſſionspläne gab der Auf:
NR og Sewohl mit Brönländern wie mit einem Neger aus
N nern de, aber Der Zug zur Miſſion lag in der ganzen
aan Nase Zen Chriftentum war vol Zeugentrieb, zur
en dub ſamnmelnd und organiſierend, für deren Tätigkeit
Zen als Jungling fiftete er noch in Halle einen
“”
en FE rer |
arg SH EIRAN
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 135
Drben, defien Regel lautete: „darauf fol unfere unermübdete Arbeit geben durch die
ganze Welt, daß wir die Herzen für ben gewinnen, der fein Leben für unſere Seelen
dabın gegeben.”
An feinem Hochzeitätage machte er einen Bund mit feiner Gattin: „auf des
Herrn Wink alle Stunden den Pilgerftab in die Hand zu nehmen und zu den Heiden 5
u geben”. Er erklärte es für „eigenliebifch, jo jemand denkt, ich will in meinem Nefte
erben”. „Die ganze Erde ift des Herrn und alle Seelen find fein; ich bin mich allen
ſchuldig“. Für einen foldhen Dann mußte die Welt feine Parochie fein. In der Einen
Paſſion, die er hatte, lag fein Miffionstrieb und diefen Trieb, der fein einziges Miffions-
motiv war, verjtand er andern einzupflanzen, die ihm Mitarbeiter wurden. 10
n der Gewinnung diefer Mitarbeiter iſt die göttliche Providenz unverfennbar. Er
fand fie in den um ihres Glaubens willen aus ihrem Baterlande vertriebenen, in Ber:
folgungsleiden gereiften, heldenmütigen Mähren, die er ſelbſt ald gens aeterna bezeichnete.
Aus ihnen und den fonftigen in Herrnhut fih zufammenfindenden, oft munderlichen
Pilgern formierte das organisatorische Genie des Grafen eine Gemeinfchaft, die durch 16
und durh Miſſionskirche wurde, „fertig und gewärtig, als ein gutes Cal; der Erden
nüglich ausgeitreut zu werden”. Daß jet eine Gemeine da war, die fo fehr ihre
Energie an die Heidenmilfion feste, daß geradezu ihre Exiſtenz mit ihr verwuchs und big
beute verwachſen geblieben ift, das iſt die große millionagefehichtliche That Zinzendorfs.
Dazu überrafchte er durch die Neuheit, daß er Laien ald Miffionare ausjandte und auch 20
diefer Griff im die Laienwelt ift für die gejamte proteftantifche Miſſion von der ein:
fchneidenften Bedeutung geworden.
Bei des Grafen Tode (1760) übertraf die Mifftonsleiftung der damals noch recht
Heinen Brüderkirche alles, was der gefamte Vroteftantismus bis dahin zur Belehrung
der Heiden gethan hatte. 226 Mifftonare hatte fie — Auftralien ausgenommen — in 2
alle Erbdteile ausgefandt, und nicht bloß in die damaligen prot. Kolonialreihe. Es lag
ja in dieſer geichäftigen Haft etwas von dem unruhigen Genie de3 Grafen; es wurden
die Kräfte zeriplittert und eine Reihe von Verſuchen mußte wieder aufgegeben werden;
aber es bleibt doch etwas Heroifches, daß die Fleine Brüdergemeine ſolche weltumfaſſende
Unternehmungen ind Werk fette. Ja, Zinzendorf war geſetzt Frucht zu fchaffen und 80
eine Frucht, welche geblieben it. Die „formidable Karawane” aus den Heiden, „melche
um das Lamm herum ftand” als er ftarb, hat fih auf Hundertaufend vermehrt. Pro—
portionaliter fommt die Miffiongleiftung feiner evangelifchen Kirchengemeinjchaft big heute
der der Brüdergemeine gleich.
Dennoch übte die bis dahın unerlebte Miffionsthätigkeit dieſer Gemeine auf den 85
Proteſtantismus des 18. Jahrhunderts feine Miffionsanregung aus. Die Zinzendorfjche
Miſſionsära fiel in die Grenzzeit zwischen dem zu Ende gehenden Zeitalter der Orthodorie
und dem aufgehenden Zeitalter des Nationalismus; beide hatten für die Miffionsaufgabe
der Kirche fein Verſtändnis. Diefelbe Abneigung, welche die Orthodoxie gegen die pie-
tiftifche Miſſion begte, hatte fie auch gegen die berrnbuterifche; die Aufklärung aber, die «0
bald die ganze chriftlihe Welt überflutete, und deren Ruhm die aus dem religiöfen In—
differentismus geborne Toleranz war, welche Chriften wie Nichtehrijten jeden nach feiner
Façon wollte jelig werden laſſen, batte für alle Miſſion die gleiche verächtliche Abneigung.
Aber indem die Brüdergemeine in einer folchen miffionsungünftigen Zeit das Zinzen⸗
dorfiche Erbe mutig und treu fortpflegte, wurde fie zu einer lebendigen Verbindung mit 5
der großen Miffionsbewegung des 19. Nahrhunderts, die in ausgedehnterem Maße, als
fih mit Einzelthatfachen belegen läßt, ſowohl in Deutichland wie in England von Herm:
but ber Anregungen empfangen hat.
Wie in Deutichland der Rationalismus zum Totengräber der bäntjch-hallefchen
Miſſion wurde, fo wirkte er auch in Holland miffionszerftörend. Unter dem Schatten 50
der Aufllärung ging die immer mehr zum Wlechanismug entartete und längſt am Ma:
tasmus leidende nieberländifche Kolontalmiffion ganz ein. Die alten beidenchriftlichen Ge:
meinden vertwahrloften und neue wurden nicht geſammelt. Dazu änderte die Rolonial-
tegierung ihre Politik, indem fie es für weile bielt, den Mohammedanismus zu be:
günftigen, ein Umſchlag, der bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus anz 66
gebauert hat.
In England eriftierten feit 1698 und 1701 die bereits früher genannten beiden
Gefellichaften, von denen die zur Verbreitung chriftliher Erkenntnis die däniſch-halleſche
Miſſion in Indien, für welche ein Schüler Krandes namens Böhme ihre Teilnahme er:
wedt hatte, unterjtüßte und fogar einige ihrer Miſſionare (befonders Schwark) ganz in 60
wNiffinn unter den Heiden, proteſtantiſche
are dan ande edie Beleilkhuft sur Verbreitung des Evang. in fremden
in int bndinden QWurdsrzunz der müchienden englifchen Kolonial⸗
er pagyanks Sebte@oeagmme unter den \ndianern und Negern
went hessmehe zum "ss zur wirtlichen Miſſionsgeſellſchaft.
an Muslamem 2 Surzemunz chrütlicher Erkenntnis ine
W . nn Spetamm. zu: m nordameritaniſchen Indianern
No Re et em nur cm si aber einflußreiche Thätigkeit übte
"u.a eo. Me anna Serteniannien, obgleich es mittlerweile
Mearo... a gwıDdıe nz sen Melegten Jabrzebnte Des 18. Jabr⸗
oa re myste em Tırtonatbaten. Der Grund lag in dem
a. 2 Pure am Ne mit der Reſtauration (1662) einfeßte.
INOA.A tern pero azec mehr” und auch in den (tet 1687) zum
un 2.02 0.00 Tereramerticaften war geiſtlicher Schlaf an die
N. F a a te AT
n nennen \abrbunderts eine Ermedung ein, Die zwar
ee. asmundete, aber in Der Die innere Iricbfraft lag,
x > 0.200 rer Miſſionsbewegung au Stande brachte, mit
on en, angi John Nester (1703-1791) und George
F nun Nr Ztuatefirde und beide von Hermbut und
cr tt Mr Werkzeuge Dieter nachhaltigen Erweckung,
warst und von dieſer auf Den europäiſchen Kontinent
i ren Grundzügen Dem deutſchen Pietismus ähn⸗
on ar tinicbem Boden viel treiberiſcher und tumultuariſcher
save. fubrte auch, allerdings mehr durch die Gegner:
re ae auv eigenem Antriebe, sur Bildung einer neuen,
so rer, Der metbodiltiichen. Cine geordnete Miffione:
ot eaweneittichaft erjt ſpäter; aber Durch einen Der feurigjten
erde beriite 1786 Die erfolgreiche methodiſtiſche Miſſion
he dieſelbe Dis zum Tode dieſes energievollen Mannes
ee wwninbent Ozean durchſchiffte, unter feiner Privatleitung.
son Ne engliſchen Revivals, Daf es dent erwedten Teile ber
m offnete, als Durd eine Neibe großer meltgefchichtlicher
se 8 Jahrhunderts der bl. Geiſt an den faſt vergefjenen
NR we zum Gehorſam gegen diefen Befehl willig und fähig
. neseellh Den Wick der Chriſtenheit auf Die ferne Heidenwelt
“nsrtbeittest Wlaubensleben eine Miſſionsrichtung; und in dem
enen der religiöſen Bewegung mit der Blickrichtung auf die
Se sänoenua Tod Yoorov für Die gegenwärtige Weltmiſſion,
es nelZeniitett UND Miſſionothaten nur vorlaufende Dienſte geleiſtet.
4
Pr
⸗
7
oder modernen Miifionsbewegung big auf bie
Gerrnnantivmus wird cine miſſionierende Macht, ferne Miſſion all:
nn altern centary®, New-York 1893: Graham, The mis-
a Kine ehurches, Edinburgh 1898; Bliss, Encyclopaedia of
he bel Non jept ab jind Die Sauptquellen die Monats: und
"con wiſellſchufien (dgl, über ſie Warned, Abriß, bei den einzelnen
van alleine Mifiionsorganen: The Missionary Register (Lon-
ARNLTIUNTE Evaugeliſches Miſſions-Magazin, Bafel, feit 1816;
etypaleı Werlin, ſeit I8743 Missionary Review of the world, Rem:
or Ammmbeung der einſchlagenden Aufſäße aus dieſen Organen muß
Ay Wo erſcheint ſoeben in Gütersloh ein ausführliches Reper-
ne all aber Die geſamte Miſſion der Gegenwart ſich eritredende
orten Pellvataltfib qreordnet bit.
tab br elltvartigen Miſſionszeitalters.
a At Monba 1 Abden Neben d. William Wilberforce in |. religiöfen
te ble test WW. by his sons, Yondon 1838: Mortiner, Die
> brennen Mi prallen Urrungs und ihrer erſten Unternehmungen,
N » Ah hekayotthe Landen Miss, Soc. 2 vols, London 1899; Stock,
Br lan bo \hı on Its environment, its men and its work, 3 vol. Ron:
os u a Terry um Ianslienl vents m: (v. Smith, The life of W. Carey,
Dr era renası Vanaisen 1’ Map. 1,0: Kruijf, (ieschiedenis van het Neder-
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 137
landsche Zendelinggenootsehap, Groningen 1894; Dftertag, Entjtehungsgeich. der evang.
Miſſionsgeſellſchaft zu Bajel, Safer 1865; Tracy, history of the American Board of Com-
missioners for foreign missions, New⸗-York 1842.
Es war nicht bloß das religiöfe Revival, das den Anftoß zu der modernen Mif-
fionsbemwegung gegeben hat, jondern eine Reihe weltlicher Faktoren von gejchichtlicher Be: 5
deutung find als kraftvolle Miffionsfignale in Mitwirkung geireten. Unter ihnen fpielen
bier die Hauptrolle: 1. die großen mit ben Reifen von James Coof beginnenden geo-
een Entdeckungen und der ihnen folgende immer ausgedehntere Weltverkehr; 2. die
Ranıp e gegen Stlavenhandel und Sklaverei; 3. die Erweckung des nationalen Gewiſſens
Englands gegen die Gewaltherrichaft der oftindischen Kompagnie, und 4. im Zufammen: 10
bange mit der Erkenntnis der Pflicht gegen die Eingebornen der Kolonien das Wachstum
ber kolonialen Erwerbungen. Dies alles zufammen: Forichunggeifer, Erleichterung und
Erweiterung des Weltverkehrs durch die modernen Kommunilationsmittel, immer aus:
gedehntere foloniale Befitergreifung und der die allgemeinen Menschenrechte proflamierende
Humanitätsgebante war mie ein Glodengeläute in die evangelifche Chriftenheit hinein: 15
gebet bin, die Wege find gebahnt und die Thore der Welt weit aufgethan; nun prediget
das Evangelium aller Kreatur.
Wie ſehr die Coofichen Entdedungen auch die Kreife der gläubigen Chriften namentlich
in England enthufiasmierten, das erhellt aus einer Reihe von Flugichriften, durch welche
in den lebten Jahrzehnten des 18. Jahrh. unter Hintveis auf fie Stimmung für die Miffion 20
emacht wurde; aus dem großen Einfluß, den jte auf Milliam Carey, den Hauptpionier der
iſſionsbewegung und Gründer der eriten modernen Miffionsgejellichaft, der baptiftischen,
ausübten; und aus der Wahl einer Südfeegruppe (Tahiti) zum erſten Arbeitsfeld der
zweiten modernen M. G., der Londoner. Den Cookſchen Entdedungen folgten andere, die
namentlih in Afrika immer größere Dimenfionen annahmen, und immer tmiederholte jich 35
die Thatfache, dag nach Livingſtones Parole „dag Ende der geographifchen That der An-
fang des Mifftionsunternehmeng” wurde. Geographie und Miffion ftehen bis auf diefen
Tag in engiter Verbindung miteinander: eine bahnt immer der anderen den Weg. Dazu
fam, daß die alten Verfehrömittel immer mehr durch neue erfeßt wurden, welche die Ent-
fernungen abkürzten, die Neifegefahren verminderten und (aud infolge der gefteigerten 30
Produktion) den überſeeiſchen Verkehr zu einem wirklichen Weltverkehr machten — lauter
Weltöffnung für die Miſſion.
Zum zweiten war es die im Zufammenhange mit den damaligen politifch-freiheit-
lihen und den philanthropiichen Page betriebene Agitation zur Abſchaffung des Sklaven:
handels und der Eflaverei, welche die Aufmerkſamkeit der Chriften auf die Heidenmelt 85
richtete. Der Führer in diefer Agitation war der ebenjo beredte Parlamentarier wie im
lebendigen Glauben gegründete Chrift William Wilberforce, der auch im Kampfe gegen die
böfe Wirtſchaft der oftindischen Kompagnie der Bannerträger war. „Sch kann nicht
ichlafen, jchrieb er, die armen Schwarzen mit ihrem Elend ftehen mir immer vor der
Seele und die Schuld meines gottlofen Vaterlandes“. Nach einem 19 jährigem Kampfe 40
wurde endlich 1807 der Sklavenhandel für ungefeßlih und der Seeräuberei gleih und
1834 die Sklaverei jelbft in den engliſchen Kolonien für abgeichafft erflärt. Schon 1791
batte fich eine rein philanthropiiche Geſellſchaft gebildet, welche auf der Weſtküſte Afrikas,
in Sierra Leone, freigeivordene englifche und amerikanische Sklaven anfiedelte und lediglich
ibre Givilifierung fi zur Aufgabe ftelltee Der Verfuch mißlang, aber er half mit zur 46
Gründung der engliichen Kirchen-M. G. (1799), an der Wilberforce thätigen Anteil hatte.
Wie ſchon bemerkt, war England mittlerweile zu einer großen Kolonialmadt ge
worden; aber wie überhaupt die ganze Kolonialgejchichte eines der dunkelſten Blätter im
Buche der Weltgefchichte ift, ſo war auch die alte Kolonialgefchichte Englands voll von
Blutvergießen, von Treulofigfeit, Ungerechtigkeit und Härte gegen die Eingebornen, ſpeziell zo
die indilche. Seit 1600 bejaß eine nach und nach zur erobernden Macht werdende Kompagnie
fürftlicber Kaufleute das Handelsmonopol in Indien, die nur das eine Ziel verfolgte:
ſich zu bereichern. Dazu führten ihre Beamten, von denen man jagte, daß fie ihre Reli—
gion am Kap zurüdließen, das gottlofeite Yeben, hielten fih große Harems und betrad)-
teten es als ein ergögliches Schaujpiel, wenn ihre Konkubinen in den Senanas ihren 56
Gögendienft verrichteten; ja der erfte Gouverneur von Bengalen, Charnod, brachte auf
dem Grabe einer feiner Konkubinen ſelbſt Götzenopfer dar. Über 80 Jahre lang berrichte
diefe Kompagnie in Indien, ohne daß für ihre zahlreichen Beamten auch nur eine Kirche
errichtet tuorden wäre und den wenigen Naplänen, die ſeit 1698 infolge des ermeuerten
Freibriefs hinausgefandt werden mußten, gab cin General-Gouverneur das Zeugnis, daß su
138 TEL
„Abe jd es Aleid ihnen feinen
. Bon irgenb welcher ;
Handlungen des ebenſo
; (1772—1785) daheim befannt dad
er f er
und 9. Is Dee | einem fleinen reife” ertveehter Ghriften, unter des energie
[den als Methodiſt verjpotteten en Simeon in —— in den i en ——
ienft, bringen ai Unter — die der
ie — ‚mise On ——
| wurde
Ite, «AM (weite Gent des — t unter‘ en. Diffenters; onbern
Staatstirche — — Sa E als eine —— des
en F cht wurde aber der ee Bil One
und fpäteren * ger am
onder® von eminenter begabung (geb. 1761 1834),
—E die Coolſchen —— mit le ge
—
her into the obligations of Chrirkans to use means for
the See of the heathen, in which the religious state of the different
ss nations of the world, the success of former undertakings and the practieabi-
lity of further undertakings are considered; ?. eine gewaltige Predigt über ef
54, 2 und 3: Erwarte Großes von Sott und umternimm Großes für Ö Gott, und 3. bie
Gründung der baptiftifchen Miffions-Gefellihaft, als deren erſter Sendbote er .. nach
Indien ging, wo er eine großartige, namentlich litterarifche, der modernen Miffion babn-
40 brechende Thätigkeit entfaltete.
Jetzt war eine That gejcheben, die weit über die baptiftijche —— *
id wirkte. Schon 1794 erſchien ein „Miſſionsaufruf an alle evan
Die inbertaufe praktizieren”, der vielen Beifall fand, felbjt bei Bitönliche une unter ——
Dr. Haweis die führende Rolle ſpielte. Infolge dieſes Aufrufs kam 1795 unter zabl:
45 reicher Beteiligung Die zweite moderne SR ionsnefelehaf * ſtande, die, weil Vertreter
aller Kirchenabteilungen an ihr * — ra „Die Miffions-Societät“ be—
zeichnet twurde, fpäter aber die Yondoner „Die kleinlichen Unterjcheidungen
unter und don Namen und Normen, und hie Werfeiebenbeiten der Kirchenverfaſſung
I beute von dem größeren, ebleren und bedeutungsvolleren Chriſtennamen ver
0 jchlungen werden” hieß es am Tage ihrer Stiftung. „Es it nicht unſere Abficht, Pres-
byterianismus, Independentismus, Episfopalismus oder irgend eine andere Kirchenform,
jondern einzig und allein das herrliche Evangelium unferes gepriejenen Gottes zu den
Heiden zu jenden“ — ein \interfonfe] ie der fich freilich auf die Dauer nicht
hielt; mit der Zeit iſt die Londoner 5 weientlich eine independentiſche geworden
65 — Mt die erite Ausfendung von * a onen auf einem eignen Schiffe nach
ahiti ſtatt.
Teils beſchämt durch dieſe Unternehmungen ber Diſſenters, teils durch i per
fanischen Anſchauungen verhindert ihnen beizutreten, thaten ſich auch bie Kreiſe
der Staatskirche unter Führung von John Senn, J Morton, Ch. Simeon, W. Wilber-
60 force u,a. zur Gründung einer firdlihen M.G., der Church Miss. Society for Africa
Miſſion unter den Heiden, proteſtautiſche 139
and the East (C.M.S.), zufammen und festen fie fchon 1799 ins Werl. Im Anfang
war ihr Weg fehr dornenvoll: die Bifchöfe hielten fi) zurüd und die erften Miffionare
mußte man aus Deutichland beziehen; aber nachdem es 1841 ihrem großen Direktor,
H Venn, gelungen war, einen modus vivendi mit dem Epiſkopat herbeizuführen
und fe im Kampfe wider ben Ritualismus für die evangelische Richtung innerbalb ber eng: 6
liſchen Staatskirche immer mehr das kräftige Nüdgrat bildete, entwickelte fie fich nach und
nach zur größten unter allen evang. Miffionsgefellfchaften.
So waren im Laufe von faum 7 Jahren drei epochemachende Miffiondorgane ing
Leben gerufen worden, mit welchen die Miffionsthätigkeit des Proteftantismus nicht nur
in ein ganz neue® Stadium getreten war, jondern aud eine feſte Yundamentierung er: 10
halten han die eine Garantie für den weiteren geſunden Itſchrin gewährte. Das
wurde zunächſt darin erſichtlich, daß ſich die junge Miſſionsbewegung ſowohl auf den
*2* Kontinent wie nach Nordamerika fortpflanzte. Schon mit der engliſchen
Revivalbewegung war das geſchehen, die geiſtlich belebend, wenn zunächſt auch nur auf
kleine Kreiſe beſchränkt, nach Deutſchland, Holland, Frankreich und die Vereinigten Staaten 16
hinübergewirkt hatte, in Deutſchland den älteren Pietismus verjüngend, der namentlich
im Süden und im Weſten ſich erhalten und in der durch den Augsburger Senior
Urlsperger (1780) zu ſtande gebrachten und in Baſel domizilierten deutſchen Chriſtentums⸗
Geſellſchaft eine neue Pflegerin gefunden hatte. Zwiſchen dieſen Kreiſen und den eng—
liſchen Miſſionsorganen, namentlich mit der Londoner M.G., kam es nun zu einer leb⸗ 20
haften Verbindung, deren Ergebnis nicht bloß die Erweckung eines regen Miſſionsintereſſes,
ſondern auch die Begründung ſelbſtſtändiger Miſſionsorgane war. Zuerſt in Holland,
unter Vermittelung des Dr. van der Kemp, der im Alter von 50 Jahren als Pionier
der Londoner M.G. nad Südafrika ging (geb. 1747, geſt. 1811), die Stiftung der Ne-
derlandsche Zendelinggenootschap (1897), dann in Deutjchland, unter Bermittelung 25
des Oberforſtmeiſter von Schirnding, die Begründung der erften Mifftonsfchule durch den
Berliner Paſtor Jänicke (1800), die fich aber damit begnügte, den damals beitehenden
Sendungsorganen ausgebildete Mifjionare zur Verfügung zu ftellen (in Summa 80, unter
ihnen hervorragende Männer wie Rhenius, Riedel, Güßlaff). 1815 kam es dann in
Baſel zur Gründung erit auch einer bloßen Miffionsfchule, die 88 ihrer Zöglinge (unter 30
ihnen Kölle, Schön, Krapf, Gobat, Pfander, Hörnle, Leupolt, Weitbrecht) allein an die
englifche Kirchen-M. G. abgetreten bat, die fih dann 1822 zu einer felbftitändigen Sen-
dungsanjtalt erweiterte. Frankreich trat erſt 1824, Nordamerifa aber ſchon 1810 durch
die Gründung eigner Miffionsorgane in die moderne Miſſionsbewegung ein.
2. Die Miffionsorgane. | 85
Barned, Ev. Miffionslehre?, 2. Abteilung, Die Organe der Sendung und Abrik, Ab-
fhnitt 5; Dennid, Centennial survey of foreign missions, being a conspectus of the
sachievments and results of evang. missions in all lands at the close of the nineteenth
century, New-York 1902. Vgl. U. M.Z. 1902, 327; Wiggers, Geſchichte der evongekiichen
Miſſion. I. Geſchichte der Miffionsanftalten, Hamburg u. Botba, 1845; Brauer, Das Miſ-⸗ 40
fionsweſen der evang. Kirche in feinem Beſtande, nur erſchienen I und II: Die Miffions-
anftalten und Geſellſchaften der evang. Kirche des europ. Feſtlandes, Hamburg 1847 u. 1851;
Gundert, Die evang. Miffion, ihre Länder, Völker und Arbeiten?, 1. Teil: Die Miffiond:
gefelichaften, Calw 1894; A Handbook of foreign missions, containing an account of the
incipal Prot. miss. societies in Great Britain with notices of those of the Continent and 45
ın America, London 1888; Grundemann, Die Entwidelung ber evang. Miffion in legten
hrzehnt (1878— 1888), Bielefeld 1890. I. Das Ditfionsweien in ben beimatlihen Kirchen ;
irbt, Der deutſche Proteitantismus und die Heidenmiffion im 19. Jahrh., Gießen 1896.
Aus der zahlreihen Litteratur über die einzelnen Miffionsgeiellfhaften gebe ih, nad)
Ländern geordnet, nur die wichtigften Monographien: Myers, Centenary of the t. M. Soc., 50
London 1892; Lovett, The history of the London M.S., 2 vol., Zond. 1899; Stock, The
history of the Church M.S., 3 vol., Zond. 1899; Parcoe, Two hundred years of the Soc.
for the prop. of the gospel, Lond. 1902; Anderson-Morshead, The hist. of the Univers.
M. to Central-Africa, Zond. 1897; Armstrong, The hist. of the Melanesian Miss., Lond.
1900; Moister, A hist. of the Wesleyan Missions, Zond. 1871; Weir, For. Missions of the 55
Church of Scotland, Edinb. 1900; G. Guinness, The story of the China Inland-Miss ,
£ond. 1893; Tracy, History of the American Board, New-York 1842 u. Memorial volume
of the first 50 years of the Am. Board, Bojton 1863; Reid, Missions and Miss. Soc. of
the Meth. Ep. Church. Revised and extensed by Gracy, 3 vol., New-York 1896; Schulze,
Abriß einer Geſch. der Brüdermiffion, Herrnhut 1901; Eppler, Geſchichte der Basler Miffion; so
1815—1899, Bafel 1900; v. Rhoden, Seid. der Rhein. M. G. Barmen 1888; Wangemann,
Geſch. der Berliner M.G. und ihrer Arbeiter, 4 Bde, Berlin 1872ff.; Kratzenſtein, Kurze
Geſch. der Berliner Mifjion*, Berlin 1893; Genſichen, Yortfegung derjelben für die Jahre
140 Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche
1893—1901, Berlin 1902; Karften, Geſchichte der evangeliſch-lutheriſchen Miſſion in Leipzig,
2 Bde, Güſtrow 1897; Kruijf, Geschiedenis van het nederlandsch Zend. Gen. en zeijne
zendingsposten. Groningen 1894; Lögstrup, Det Danske Missionsselbskabs historie i 80 aar,
Kopenhagen 1907; Dahle, Oversigt over det Norske Miss. S.s historie hiemme og ude?,
5 Stavanger 1897; Knight, The Miss. Secretariat of Henry Venn, London 1880; Sturäberg,
&. Taylor und die China-Anland:M., Neukirchen 1897; Hermann, Dr. 8. Graul, und feine
Bedeutung für die luth. Miſſion, Halle, 1867 ; Kober, Chr. Fr. Spittlerg Leben, Bafel 1887;
Hoffmann, Elf Jahre in der Mifjion, Stuttgart 1853; Heile, Joſeph Joſenhans, ein Lebens⸗
bild, Galm 1895; Wangemann, Ein Lebensbild von feinem älteiten Sohne, Berlin 1899;
10 Dalton, Joh. Goßner, Berlin 1898; LebenSbefchreibung des Baftor 2. Harms von feinem
Bruder, Hermannsburg 1868.
Nicht bloß in England, auch auf dem Kontinent traten die amtlichen Kirchen nicht
nur nicht in die Miffionsbervegung mit ein, jondern fie ftellten fich ihr faſt ohne Auf
nahme gegnerisch gegenüber. Dieſe Notlage brachte die Mifltionsfreunde vor Die Alter:
15 native : entiveder von jeder Miffionsunternehmung abaujtehen oder von dem amtlichen
Kirchenorganen unabhängige Sendungsorgane ins Leben zu rufen. Da ihnen der Sen:
dungstoille Gottes höher ſtand als die firchenoffizielle Autorität, jo wählten fie natürlich
das letztere. Und da auch bei den Kolonialregierungen die junge le nicht nur feine
Unterftügung, fondern heftige Gegnerſchaft fand, jo blieb fie ganz auf die chriftliche Frei-
20 willigfeit angewiefen. Auf der einen Seite war das ihre Stärle, auf der anderen be
ünftigte es aber das Norurteil, als fer die Miſſion nur die Privatliebhaberei der Heinen
Kommen Kreife. Allerdings bat fih im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Etellung
der amtlihen Kirchen zur Miſſion ein großer Wandel vollzogen: in dem Maße als fie
ſelbſt geiftlich belebt wurden, find ihre Organe, namentlich die Paftoren, die Hauptpfleger
25 des heimatlihen Miſſionslebens geworden und hat man in den freien Gefellichaften tor:
porative Neugeltaltungen erkannt, die durch die Mobilmahung der chriftlichen Freiwilligkeit
eine Steigerung der firchlichen Aktivität herbeigeführt, zu der es ohne fie nicht gekommen
fein würde, jo daß jegt zwiſchen den amtlichen Kirchen: und den freien Miffionsorganen
das freundlichite Verhältnis gegenfeitiger Dienftleiftung beſteht; doch tft trotzdem jenes
30 Vorurteil bis heute nicht völlig überwunden. Ber der veränderten Stellung der offiziellen
Kirchen zur Miffion ift nun wohl miederbolt der Gedanke aufgetaudt, die Sendung
veranstaltung in die Hände von amtefirhlicen Organen zu legen, aber zur Ausführu
ift er nur ganz vereinzelt, 3. B. in Schweden gefommen. Je länger je mehr bat fü
die Überzeugung durchgefegt, daß die urfprünglich aus der Not geborene Inftitution ber
55 freien Miffionsgefellichaften eine providentielle fei, weil fie nicht bloß belebender auf das
beimatliche Miſſionsleben eingewirkt, fondern auch praftiicher für den Miffionsbetrieb felbft
ih ertwiefen bat als ein etwaiger firchenoffizieller Apparat. Co ift in den großen
Kirchengemeinfchaften, namentlih in den Staatskirchen, der freigefellfchaftlihe Miſſions⸗
betrieb die Regel geblieben. Neben der Kleinen Brüdergemeine iſt nur in den fchottifchen
#0 Kirchen und in einer Anzahl amerikaniſcher TDenominationen die Miſſion von Anfang an
Sache der Kirche als folder geweſen. Hier iſt eine befondere Miffionsbebörde bettellt,
welche im Nuftrage der Synoden die Miffionsangelegenbeiten vertvaltet. Aber auch mo
die Miſſionen Firchliche Betriebe find, werden die Unterbaltungstoften dur freiwillige
Beiträge aufgebract. Diefe Beiträge find von febr kleinen Summen allmäbli zu be
deutenden Yeiltungen angewachſen und belaufen fih in der gejamten evangelifchen Ehrijten-
beit jegt jährlih auf rund 65 Millionen ME.
Als die amtliche Kirche den Dienſt verfagte, ftellte ſich noch ein zweiter Notftand
ein: es fanden fich feine Theologen als Mifftonare. Die alte bolländifche und die däniſch⸗
balleiche Miſſion hatten nur Theologen in den Mifltonsdienft geſtellt; jebt wo fie fehlten,
svmupte man dem Vorgange der Brüdergemeine folgen und Yaienmifjionare ausfenden.
Anfänglich wurde auf cine Ausbildung derfelben werig Gewicht gelegt, bald aber grün-
dete man Miſſionsſchulen, Deren auf einen Murfus von 4—6 Jahren berechneter Lehrplan
je länger je mehr einen wiſſenſchaftlichen Zuschnitt erhielt. Mit Ausnahme von Amerifa
und Zcottland, vo es von Anfang an die Regel war, die Miffionare von den tbeologi-
d jchen Seminaren bzw. den Unmerfitäten zu beziehen, baben in den übrigen proteft. Län⸗
dern die meisten M. -Sefellichaften eigene Unterrichtsanftalten für ihre Sendlinge errichtet.
Erſt vom legten Trittel des 19. Jabrhunderts an iſt namentlih in England der Pro-
zentjag von Theologen, die in den Miſſionsdienſt autreten find, ein großer geworden;
auf Dem europäiſchen Nontinent tft er noch immer ein geringer, wenn auch ein wachſender.
u) Etwa ſeit der Mitte und im jteigenden Maße jet dem legten Viertel des vorigen Sabre
bunderto find auch approbierte Arzte und unverbeiratete rauen ausgefendet worden, die
4
[|
2’
Miffion unter deu. Heiden, proteftautifche 141
Ießteren, um vornehmlich in der beibnifchen und beidenchriftlichen Frauenwelt als Xehre-
rinnen, Arztinnen und Diakoniſſen allerlei Art thätig zu fein.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts haben fih mit dem wachſenden Verſtändnis der
Biliht zur Ausbreitung des Chriftentums die Miffionsorgane jo bedeutend vermehrt, daß
& heute kaum möglich iſt, eine lüdenlofe Lifte derjelben zu geben. Die Vermehrung
hat ihren Grund zunächſt in der PVielgeitaltigfeit der proteft. Kirchenform. Je länger je
mebr trat faft jede Kirchenabteilung jelbitftändig in die Miflionsarbeit ein und fo ent-
ſtanden bei der Menge ihrer Denominationen nanıentlih in England und Nordamerika
zahlreiche Sendungsorgane. Da fich die immer weiter um fich greifende FR
von der gefamten firchlichen Bewegung nicht ifolieren ließ, fo führten aud die konfeſſio—
nellen und fonftigen theologifchen Strömungen namentlich in den großen Kirchenfürpern
zu bejonderen Miffionsgründungen. ‘Ferner haben mifftonstheoretifche Differenzen und
meift in Verbindung mit ihnen individuelle Eigenarten Traftvoller Perfönlichkeiten, wie
+ DB. Goßners, 2. Harms’, H. Taylors, und endlich heimatlich-territoriale und Tolonial-
politifche Motive neue Miffionsgefellichaften ins Leben gerufen. Auf der einen Seite hat 16
die jo entitandene Fülle von Sendungsorganen unzweifelhaft den Miſſionseifer multipli-
ziert, auf der anderen aber auch die Miſſionskräfte zerfplittert, viel Reibungen verurjacht
und den Miffionsbetrieb verteuert, jo daß jebt Statt Neugründung weiterer Gefellfchaften
Konzentration der beitehenden Milfionsorgane münjchenswert ift, ein Defiderium, das
erfreulichertveife wenigſtens innerhalb einiger größerer Kirchengruppen, namentlich der preö- 20
byterianifchen, eine Erfüllung zu finden beginnt. Leider gebt aber neben den auf Zu:
ſammenſchluß der Miffionsorgane gerichteten Beitrebungen auch eine ungejunde individug⸗
Iiftifche Richtung her, die mit der Abneigung gegen Organiſation phantaftifche Weltevan-
gelifierungs- Pläne verbindet. Won England her it diefe Richtung namentlich durch die
China-Inland-Miffion und durh Gr. Guinneß, von Amerika her durch den rhetorijchen 25
Dr. Pierſon, der die Parole: diffusion not concentration ausgegeben bat, und die
jog. Alltanzmiffionen begünftigt und in Eleine freifirchlich gerichtete Kreife auch auf den
Kontinent verpflanzt worden. Ihr äußerftes Extrem ift eine Art Franktireurtum, das aus
jog. Freimiffionaren bejteht, die ohne Anſchluß an eine Gefellichaft auf eigne Hand „evan⸗
gelifieren”. Ihre Zahl mie ihr fehr aieifelhafter Erfolg iſt unfontrollierbar. Bei der 80
Charakterifierung der Miffionsmethode fommen wir auf diefe ganze Richtung zurüd.
Jedenfalls iſt es ein großer Apparat, mit dem der Proteftantismus aller Kirchen:
abteilungen heute in ber Miftionsarbeit ſteht. Nun ift e8 in einem Encyklopädie-Artifel
unmöglich, die Gejchichte der Gründung und Entividelung der diefen Apparat bildenden
ca. 160 jelbitjtändigen Sendungsorgane auch nur zu ffizzieren; wir müfjen uns baher 35
darauf beichränten, eine ftatiftiiche Überficht über die hervorragenditen zu geben und zivar
2ä und in denen englifcher Zunge zugleih nad Denominationen geordnet,
mit Angabe des Gründungsjahrs, der (unter Nichtchrilten thätigen) ordinierten Mifftonare,
der Jabreseinnahme (mit Ausschluß der auf Bropagandazmwede innerhalb chriftlicher Kirchen
und auf die Tirchlihe Pflege der weißen Kolonialbevölterung verwendeten Mittel) und 40
der Arbeitsgebiete.
a
N
=)
Großbritannien.
Einnahmen
in Mt.
Miffiondorgane Mifjionsgebiete
1. &. zur Ausbreitung des
Ev. HodlirdiH . . .
1701 ca. 300 ca. 1750 000 | Kanada, Wejtindien, Brit:
Guayana, Sid: u. Weit:
afrita, Madagastar, Ozea:
nien, Borneo, Indien, 60
China, Zapan.
1799 412 7 000 000 | Kanada, Welt: u. Oſtafrika,
Mauritius, Aegypten, Pa:
läjtina, PBerjien, Indien, 55
China, Japan, Neujeeland.
1844 16 | 340 000 | Feuerland u. Südamerita.
2. Engliſche Kirchen: M. ©.
Anglil.:evang. 0...
3. Sübamerilanifhe M. G.
Schtirdli . . . .
45 17. Die Mifj.-Vereinigung
142 Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche
Sahr —
Miſſionsorgane der |Miliio-
Gründung
ne i ,
nare Miffiondgebiete
4. Univerfitäten : Miffion
Hochkirchlich . 1858
5. Die Baptiftifche M. G. 1792
6. Die Londoner®.G. In-
dependentifch
u
u
38 740 000 | frita.
141 1 555 000 Weitindien, Dftindien, Kongo,
166 2450 000 | Süb: und Dftafrita, Mada⸗
— Südſee. Indien,
Oſta
fand
-]I
Ne}
or
ine.
7. Die Miſſions-Vereini—
gung derFreunde(Quäker) | 1866
|
— 412 000 | Madagaskar, Indien, China,
Syrien. 27 nidtord. Mif:
fionare.
8. Die Resleyanifche —
hod. M.G. 1813 | 198 |ca.2090000 Süd- und Weſtafrika, Weft:
|
indien, Oftindien, China.
9. Die Miff. der vereinigten
Schottland (Presb.) bzw. 1900 | 110 2 510000 | Brit. Eentral«, Weſt⸗ u. Süb:
afrika, Indien, China,
Neuhebriden, Samaila,
|
| Sübdarabien.
|
methobdift. Freikirchen 1857 32 320 000 | Dit: und Weitafrifa, China,
Samaila.
10. Die M.G. der Pres—
byter. Kirche v. England | 1847 19 480 000 | Indien, China, Formoſa,
Singapur.
11. Die Miffion der Pres-
byt. Kirche von Irland 1840 25 216 600 | Indien, China Eyrien.
12. Die Miſſion der calvi-
nift. Kirde von Wales
(Presbyt.) 1840 18 150 000 | Alam.
13. Tie Riſſion der ſchotti⸗
ſchen Staatskirche — |
byt.) . g 1829 . 26 965 000 Pu Central⸗Afrika. Indien,
ina.
14. Die Miſſion der verei: f i
nigten freien Kirche von ; 1843
15. Die China-Inland. Miſſ.
(nterdenominational) | 1865 30 ca. 1 000 000 in 283 nidhtord. Miſ⸗
ionare.
16. Norbafrita:Miffion (In: |
terdenontinational . . 1881 — 180 000 | Norbafrita.. 28 nichtorb.
Miffionare.
der jenfeitigen Gegenden.
Regions — missio- 1889
nary union . 2 bzw. 1899 5?
50 18. Die Miſſ. der Chriſten —
oder (Plymouth-Brüder 1827
470000 | Kongo, Indien, Südamerika.
J 29 nichtord. Miſſionare.
385 000Weſt- u. Oſtindien, China,
Mal. Archipel, Gentrals
afrifa. 119 nichtord. Mif:
| fionare.
65 19. Die Heildarmee . . i 1865 470000 | Indien, China, Zapan, Süb-
afrifa, Südamerila, Weit:
indien. ca. 220 nidhtord.
| u Miffionare.
Zu dieſen britischen Hauptmiſſions— Geſellſchaften kommen nun noch 21 kleinere felb
60 jtändige Miffionsbetriebe, die teils der anglifaniichen Kirche (5), teil den Baptiften (1),
teils den Metbodijten (4), teils den Bresbpterianern (3), teile den Unitariern (2) ange
hören, teils interdenominattonal find, und eine Menge (namentlich F Frauen⸗) Hilfs⸗Mi In
Gefellichaften, welche zum Teil bedeutende Beiträge oft für befondere Zwecke
Milfien unter den Heiden, proteftantifche 143
auch Mifftonare und beſonders Miffionarinnen ftellen. Nimmt man fie_alle zufammen
und rechnet die jeblreicen Laienmiſſionare ein, welche faft alle britifchen Sendungsorgane,
einige ausschließlich, andere vorwiegend, in ihrem Dienite baben, fo ſtellt ſich die Geſamt—
leitung Großbritanniens für die Heidenmiffion auf 2700 männliche iſſionare und
ca. 29 Millionen Mark.
Bereinigte Staaten.
Anm. Da fast alle dieſe Gejellfhaften auch Evangelijationsarbeit innerhalb der römifchen
Ehriftenheit treiben und in ihren Berid)ten diefelbe von der Heidenmiſſion nicht
reinlich jcheiden, fo können nur annähernd zuverläffige Angaben gegeben werben.
Einnahmen
Miſſionsorgane Arbeitsgebiete
1. Der amerik. Board der
Bevollmächtigten für die
ausw. Miſſionen. Inde⸗
pendentiſch (Am. B.). 1810 160 2570000
Idiep China, Japan,
ürkei.
2. Die amerik. bapt. mil
Union . . 1814 150 2 300 000
3. Der Miſſionsboard der
füdlihen baptift. Kon:
vention . . 1845 35 480 000
4. Die M. ©. der proieſt.
biſchöflichen Kirche der
V. St. von Amerila . 1835 37 910.000
5. Die M.G. der metho-
Ken biſchöfl. Kirche
Nordens. 1819 2210 1850 000
6. Der Mifftonsboardb der
methodift. biſchöfl. Firde
des Süden? . . 1846 45 800 000
7. Der Milfiondboard der
presbyt. Kirche in den
V. St. von Amerita . 1837 228 3 000000
Kongo.
China, Japan, Weſtafrika.
China, Japan, Nordamerika.
Japan, Korea.
China, Japan, Korea, Nord—
amerika.
Waſtatrita Indien, Siam,
China, Japan, Korea, Sy⸗
8. Der Miſſionsboard der
vereinigten presbyteriſch.
Kirche Nordb:Am3 . . 1859 38 556 000
I. Miſſionskomitee der pres-
byt. Kirche in den V. St.
des Süden? . . 1861 46 530 000
10. Miffionsboard der refor:
mierten Kirche in Ame:
Aegypten u. Nordindien.
rita (Dutch) . . . . 1832 30 690000 | China, Indien, Sapan,
Arabien.
11. Miſſionsboard der luth.
Beneralfynode . 1841 15 180000 Indien, Xiberia.
12. Miſſion der vereinigten |
Brüder in Chriftus . . 1853. 16 85000 | Zapan, China, Weſtafrika.
13. Die chriſtl. M. &. der
jünger (disciplee) . . 1875 38 400 000
14. Miſſ.⸗G. der Freunde
Duãter). | 1873 — 160 ooo
kei, Weſtindien.
China, Japan, Indien,
Syrien, Jamaika. 14 nicht⸗
ord. Miſſionare.
China, Japan, Indien, Tür- 66
10
15
Oſt- u. Weitafrita, Südſee,
Indien, Alam, China,Sapan, 20
25
Liberia, China, Indien, go
85
rien, Perſien, Nordamerifa. o
China, Japan, Korea, Kongo. “
60
60
144 Miſſion unter deu Heiden, proteſtautiſche
— — —— — G —— — —— ——— —— — —
Jahr Miffio:| Einnahmen
nare in ME.
Mifjiondorgane Arbeitögebiete
|
15. u. 16. Die dhriftl. und |
6 Miji.-Alliance, und Die |
ſtandinaviſche Mifliong:
Alliance in Nord:Am. 1897 62 | 500000 | Gentralafrila, Indien, China,
Tibet, Japan, Syrien,
Arabien, Weftindien. Die
| Miffionare vermutlich nicht
| ord.
10
Zu diefen größeren Miffionsorganen kommen noch kleinere, die fih auf folgende
Denominationen verteilen: auf die Baptiften 3, die Metbodilten 5, die Presbyterianer 4,
die Yutheraner 4, auf die deutiche evang. Synode, die deutichen Reformierten, die chriftl.
15 Kirche, die chriftl. Konvention, die Kirche Gottes, die Adventiſten des 7. Tages, die Uni-
tarier, die Univerfaliften je 1, die amerif. (fongregat.) Miſſ.Aſſociation, die weſentlich
unter den Negern arbeitet, 2 Evang. Affociationen und 6 interdenominationale Gefell-
haften. Alfo in Summa 49 felbititändige Miffionsorgane der V. St., die mit Hinzu:
rechnung der Zaienmifjionare ca. 1700 männliche Eendboten in ihrem Dienite haben und
20 mit Einrechbnung der bedeutenden Gaben zahlreicher Hilfs, namentlih Frauen-M. GG.
für die Heidenmilfion etwa 19 Dill. ME. vereinnabmen.
Von großer Bedeutung für das Miffionsleben in den ®. St. ift die feit 1886 in
Gang gebrachte ſtudentiſche Miffionsbewegung geworden, die als ihr Loſungswort „pie
Evangelifation der Welt in diefer Generation” angenommen, einen interdenominationalen
25 Charakter trägt und zu einer internationalen Student volunteer missionary union
fih erweitert hat, die namentlich in England einen großen, auf dem Kontinente bis jetzt
aber nur einen geringen Anhang gefunden. Sie ift aber feine ausjendende M. G., ſon⸗
dern nur eine Werberin für den Miffionsdienit unter der ftudierenden männlichen und
weiblichen Jugend, die den zahlreichen Getvorbenen — es follen ihrer bereit ca. 4000
30 fein — die Wahl läßt, welcher Gefellichaft fie ihre Dienfte anbieten wollen. Auf ihre
Grundfäge fommen wir fpäter zurüd.
Britiſch-Nordamerika (Kanada).
— r —— G —
— — — —— —— G G — — — — —— —— — — — — —
Einnahmen
in af. Miſſionsgebiete
Miſſion sorgane
85
1. Die M. G. der methodiit. |
Kirhe von Kanada. .| 1824 : 45 650 000 Japan, Kanada.
2. Tas Miffiondkomitee der :
preöbyt. Kirche von Ka: |
40 nda 2.2.22... r 184 38 590 000 China, Yormofa, Oſt⸗ und
Weitindien, Neubebriden.
Gründung
Dazu kommen noch 2 kleinere baptijtifche, eine independentifche und eine anglikaniſche
M.G., jo daß die Geſamtleiſtung Kanadas für die Heidenmiffton fih auf 95 Niffionare
und 1450000 ME. ftellen.
45 Der europäifche Kontinent 1. Holland.
Die holländische Mifjionstbätigfeit bietet das Bild einer großen Zerfplitterung, deren
Folge iſt, daß feine der Gefellfehaften 15 Miffionare in ihrem Dienite bat. Die ältefte
und einſt bedeutende Niederländ. M. G. iſt ſehr zurüdgegangen, feitvem infolge ihrer theo⸗
logijchzliberalen Richtung die ftrenggläubigen Kreiſe fi von ihr trennten und fie t
8 fruchtbarſtes Miffionsgebiet, die Ninabafja auf Celebes, aus Mangel an Mitteln an die
niederl. Kolonialfirche abgetreten bat. Alle Gefellfchaften arbeiten ausfchließlich in nieder⸗
ländiſch-Indien. Es jind folgende:
Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 145
1. Die niederl. M.®. . . Gegr. 1797 12 Miſſ. 105000 Mt.
2. Die mennonitijche (taufgefinnte) Bereinigung f. Viſſion „ 147 5 „ 61000
3. Das Java⸗-Komitee „ 155 6 „ 45000 „
4. Die Bereinigung zur Ausbreitung des —2 in Megppten „ 185856 2 „ 11400 „
5. Der Niederl. 8 Verein . . „ 1856 10 „ 95000 „ 5
6. Der Utredtihe M.: nein nn „ 1859 14 „ 131500 „
7. Die niederl. luth. M rn. „180 2 „ 11000 „
8. Die reform. Kirchen: Rn rn. „1892 5 „) 70000 „
Abgefehen von den Präbdilanten, d. h. den für die europ. Gemeinden angeftellten
bolländ. Kolonialgeiftlihen (36) und den ſog. Hilfäpredigern (26), die unter der Super: 10
intendenz jener ſtehend, bie eingeb., der nieberl. Kolonialkirche inforporierten gefeitigten
Gemeinden verwalten, jtellt alfo jegt Holland 56 eigentlihe Miffionare und bringt mit
gi inzurechnung ber 90000 Mt. Beiträge für die Brüdergemeine, die Rheinische und die
ener Milfion ca. 600000 ME. auf.
2. Deutſchland. 15
Jahr .
Mifjiondorgane der miflio- Einnahmen Arbeitögebiete
Gründung | "
1. Brüdergemeine . . . | 1732 203 1023 165* | Labrador, Alasla, Nord- u
Mittelamerika, Weftindien, 20
Suriname, Süb- u. Dft:
afrika, Australien, Hima⸗
a
laya.
. Die Basler evang. M. > 1815 198 1300 893 | Wejtafrifa, China, Indien.
2
3. Die Berliner W.®. I 1824 104 62440 | Süd- und Dftafrita, China. 26
4. Die Rheiniſche M. ©. 1828 104 866 667 | Süd: u. Südweſtafrika, Nie-
derl. Indien, China, Neu:
guinea.
5. Die norddeutihe M.G. 1836 19 140 030 Weſtafrika.
6. Die Goßnerſche M. G. 80
Berlin II . 1836 45 225403 | Smdien. |
7. Die ev. luth. Reipiger
M. G. 1836 58 548 754 Si Deut u. Engliſch⸗
tafrı
8. Die luth. Hermanns⸗ Hafrit
burger M.®. 1849 62 392 258 Südafrika, Indien.
9. Die utp, Schlesw. Holſt.
M.G. 1877 13 160 613Indien.
10. Die Reufirchener (inter-
konf.) M.G 1881 18 70829 Java, Engliſch-Oſtafrika. 40
11. Der allg. evang. -proteft.
M.:Berein . 1884 8 81 380 | Japan und China.
12. Evang. M.®. f. Deuiſch⸗
—8 Berlin III 1886 19 136 5360Deutſch-Oſtafrika.
13. Die luth. Reuenbettelß:
auer MG. . 1886 14 36 345 | Neuguinea, Auftralien.
* Freiwillige Beiträge nur 652124 Mt.
au fommen noch 12 Tleinere Mifftonen, von denen 2 im Anichluß an die China-
= Piffion arbeiten; eine deutjche Alltanz- und eine felbititändige chineſiſche Perſonal⸗
iffion; eine ſog. Sudan-Pionier-M. ; 2 freikirchliche Miffionen; der Jeruſalem-Verein; 50
ausfendende Yrauen-Vereine; und endlich Die deutſche Orientmiffton — fie alle ru
kommen mit nur 50 männlichen Miffionaren und einer Einnahme von ca. 550 000 Mt
b daß aljo die fämtlichen deutſchen Gefellihaften 915 Miſſionare ſtellen und fait 6 Mil.
vereinnahmen, eine Summe, in melde allervings ſowohl die bedeutenden Gaben
Br Dedung von Defizit wie die ginſen von Spezialfonds, und die aus nichtdeutſchen 65
ieten eingegangenen Beiträge eingeichloffen find.
NealsG@uchflopäbie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 10
146 Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche
3. Ara iſche Miſſtons⸗Geſellſchaften
giebt es 2, eine in Frankreich (Paris) und eine in der franzöſiſchen Shreh N
— Jahr Mꝛiſſio⸗ | .
a Miffiondorgane | |cindung wi Einnahmen | Arbeitsgebiete |
1. Die Parifer — G. 1825 56 680000 Senegambien, Bank
| rifa, aba T,
— —
18 | 145000 Südafrika.
4
2. Die Miſſion der freien
| der
10 rg rom. a, —
4. Die ſtandinaviſchen Miffionen.
1. Die däniſche M.®. . „| 1821 16 190000
Ole,
2. Die norwegiihe M.G. 1842 | 42 | 600000 "Dadagastar,
3. Die evang. (ſchwediſche) |
DESMBSSSBRIHF UNE: „| 1861 27 330 000 Be, Indien.
4. Die —— der ſchwe
diſche 1874 15 121000 Indien, Südafrika.
» 5. Der] ———
EN 1878 | 28 216000 Kongo, China, Kleinafien.
6. Der Beiligungsbund in |
Merite 1890 10 50000 China, Südafrika.
7. Die "nnifce Mb... | 1859 9 | 120000 | Opambofand.
3 Dazu giebt es in den 4 ſtandinaviſchen Ländern 6 Kleine freifiechlich gerichtete
und 2 lutherifche Miffionen, und 3 die indiſche Santhal-Miffion ——— e PB ereine
mit zufammen ca. 45 Ku Sri und 250000 ME. Einnahmen, jo daß auf Gejamt-
—— Nee Mifj.-Gefellihaften mit 190 Miffionaren kommen und eine Einnahme
bon
30 Mit diejen europäifchen und amerifanifhen Miffionsorganifationen, it aber ber
prot. Mifftonsapparat no feinestvegs erſchöpft; es find eine ganze Reihe folder ie
nifationen auch in den überfeeifchen Kolonien teils unter den dortigen An —* —
durch zu ſtande gefommen, daß große M. GG. ihre dortigen Betriebe von ihrer beima
lichen Yeitung unabhängig gemacht und jelbjtftändig geitellt haben. Auch in den as
3 chriſtlichen Kirchen haben ſich einige Miffionsvereine gebildet, Aus allerlei Gründen, die
zu betailieren zu weit führen würde, hi es leider nicht möglich, über alle dieſe Organe
genaue Angaben zu & machen; wir müflen uns daber mit ben twichtigften und auch bei
diejen meiſt mit Schäungen begnügen. Einen großen Teil ibrer Betriebskoſten bejtreiten
die folonialen M.Geſellſchaften teils aus den Beiträgen der heiden-chriſtlichen Kirchen,
40 teil aus Mitteln der Kolonialregierungen bzw. Kolonialtirchen.
Die Kolonien.
1. Die Miffion der holländ. reform. Sirche von ESudeſ Gegr. 1857 un |
aus 4 Synoden bejtchend . . I" bis ggg ; O7 Miſſ. 7250000 Me.
2, Die Niafa-Miff ber Kapholländer HAIR 1886 6 SM „
4 3. Die a ine Union u. M.G. von Siidafr. — 17000
4. Die ſübafr. M.®. der Wesl. method. Kirche... 1883 740 „ - 175000 „
5. Die auftraliihe Wesl. method. M.®. u 0 A855 0
6. Die Mifl. der * t. Kirche von Biktoria - . „1859 1 „ 75000 „
* —— — „1849 12 „ 200000
50 itche n Niederl. Sadien 0.0. — — 286 —
— Sie Er ir: und Zolaut-Injel-Riffion „0m 185 8, —
10. Die indifche a Ian 57 70000 „
11. Die Bethel Santhal j m ABD ‘2... 25000
go Die Puna und —2 Dorfmiſſion ‚ 1893 — 200000
bloß nicht:ord. Miffionare ”
Miffion unter den Heiden, proteſtantiſche 147
13. Die Jamaika baptift. Union -. - -» 2 >» 2... Begr. 1849 24 Milj. 180000 Mt.
14. Die Jamaika bapt. M.G. . . . 2 2 2 20. „1856 6 „ 34000 „
15. Die fongregationalijt. Union von Jamaila . . . „1876 7 „ 36000 ,
16. Die Wesl. method. Kirchen: Mifjion des Oſtens . . „ 1884 42 „ 118000 „
17. Die Wesl. method. Kirhen:M. des Weiten? . . . „. 1884 16 „ 330000 „ 5
Hierzu fommen vielleicht noch 6—8 Kleine felbititändige Miſſionen und eine Menge
von M.:Hilfögefellichaften mit zuſammen einer Einnahme von etiva 2 Mill., jo daß mar
auf die Kolonien und die Seibendiftiche Kirhen insgefamt 24 M.-Gefellichaften,
370 Miſſionare und 4 Mill. ME. Miffionsbeiträge rechnen Tann.
Eummieren wir nun die Gefamtleiftung des Proteſtantismus aller Nationen und
Kirchen für die Heidenmiffion, jo ftellt fie fih auf rund 4700 ordinierte und über 2000
Laien, alfo zufammen auf 6700 männliche Miffionare und auf einen jährlichen Aufwand
von 65 Mill. Mark, wenn man die Aufwendungen einrechnet, welche die gleih zu er—⸗
wähnenden Hilfögefellfchaften für die Miffion machen. Bergrößert wird aber dieſes männ-
lihe Miſſionsperſonal noch durch 3628 unverbeiratete Wiffionarinnen, von denen ca. 3300 ı6
auf den engliſch redenden Teil der proteft. Welt entfallen, und durch 496 approbierte
Arzte und 223 Arztinnen, von welchen beiden nur 34 auf die fontinentalen Miffionen
fommen. In Summa alfo, mit Ausſchluß der 4350 Miffionarsfrauen, ein Mifftonsperfonal
von fat 11000 Köpfen, ungerechnet die zahlreichen Mitarbeiter aus den Eingebornen,
deren erit jpäter zu gedenken if. Won den 166 felbftftändig ausfendenden Mifj.-Gefell- 20
Ichaften find es nur 60, welche mehr ald 15 Mifftonare in ihrem Dienjte haben. |
Eine ſehr weſentliche Unterftügung erhalten die evang. Miffionen aller Kirchen:
abteilungen durch eine Reihe von Bibel: und Traftatgefellichaften, welche auf ihre Kojten
für den Drud und zum Teil auch für Verbreitung von miffionarifchen Bibelüberfegungen
und fonjtigen Schriften Sorge tragen. Bon den eriteren find die herborragenditen: die a
britifche und ausländifche (gegr. 1804), die nationale ſchottiſche (1809), die amerikanische
(1816) und die niederländiiche B.G. (1814); von den legteren die Londoner (1799) und
die amerif. Traftat-G. (1825) und die G. zur Verbreitung chrijtl. Kenntnis (1698), ferner
unter den ca 30 auf den Miffionsgebieten: die chriftl. Litteratur-G. für Indien (1859)
und die ©. zur Verbreitung riftl. und allgemeiner Kenntnis unter den Ghinefen (1887). so
Das immer wachſende Bedürfnis nad gegenfeitiger Verftändigung bat ſchon feit
Jahrzehnten zur Veranftaltung allgemeiner Miffionskonferenzen geführt, ſowohl folcher,
welche die gejamten Miflionsorgane eines beſtimmten Gebiets (Indiens, Chinas, Japans,
Züdafrilas), wie folcher, welche die Miffionsorgane des gefanıten Proteftantismus zu ge:
meinfamen Beratungen verfammelten. Dieſe Konferenzen, unter denen die New-Yorker 3;
im Jahre 1900 den Charakter einer ökumeniſchen trug, find jest eine ftehende Injtitution
getvorden; fie wiederholen ſich alle 10 Jahre und bilden nicht bloß ein brüderliches
Cinigungsband unter den oft recht differenten Mifftonsforporattonen, jondern in ihren.
umfangreichen Protofollen bieten ſie auch ein höchſt wertvolles Quellenmaterial für die
Miſſionstheorie. 40
Aus der Menge der hervorragenden Perſönlichkeiten, denen das heimatliche Miſſions—
leben wie die Urganilation des Mifjionsbetriebs bejondere Förderung verdankt, müſſen
wir uns leider begnügen, nur einige Namen zu nennen; aus England: W. Carey, Ha-
weis, Ch. Simeon, J. Pratt, Henry Venn, E. Biderfteth, H. Taylor, Erskine, Inglis,
A. Duff; aus Nordamerika: Mills, Anderion, U. C. Thompfon, Simpſon, Mott; aus 4
— Heldring, Neurdenburg, van Rhijn, Witteveen; aus Deutſchland: Spittler,
W. Hoffmann, Joſenhans, Barth, Volkening, Ahlfeld, Wallmann, Wangemann, Knak,
Graul, Goßner, L. Harms, Chriſtlieb; aus Skandinavien: Rönne, Kalkar, Vahl, Dahle,
Waldenſtröm, Franſon.
3. Die Miffionsgebiete. ur
Warneck, Abrig, 2.Nbt., Die evang. Mifjionsgebiete, Gundert a. a. O., Die Mifjionsgebiete;
BurkHardt:Grundemann, Kleine Mifjtonsbibliothek, 4 Bde, Bielefeld 1876 ff.; Grundemann, Die
Entwidlung u. ſ. w., II. Das Wert auf den Miffionsfeldern; derjelbe, Kleine Miffionsgeographie
und Statijtif zur Darftellung des Standes der ev. Miljion am Schluſſe des 19. Zahrh., Calw
1901; Dderfelbe, Reuer Miſſionsatlas, Calw 1896; Zahn, Der Nder iſt die Welt, Gütersloh 55
1888. Dazu die früher angeführten Verfe von Wiggers, Kalfar, Brown, Smith und Graham.
Als die moderne Miſſion ihr Werk begann, machte man fih feinen Plan, wohin
man geben follte.e Der Plan wurde im Himmel gemacht und die Wenjchen folgten ibm,
faft obne daß jte es mußten. Neflerionen traten erit fpäter ein. Man ging dahin, wo
en: Weg offen war und wo den Miflionaren der Zutritt gejtattet wurde. Teild waren 60
es chriftlihe Kolonien, die man als Miffionsgebiete erwählte, teils geographifche Ent: .
10*
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148 Miſſion unter den Heiden, proteftautifdhe
dedungen, denen man folgte, teils politische Aktionen und Verträge, die das Signal zum
Beginn einer Miffion gaben. Der Kulturftand der Miffionsobjekte ift bei der ——* der
Miſſionsgebiete kaum in Rechnung gezogen worden; aber unter dem Einfluß der gött⸗
lichen Wegleitung iſt es geſchehen, daß der auf die ſog. Naturvölker entfallende —
6 der Miſſionsarbeiter ein größerer iſt als der auf die Kulturvölker entfallende, ein Verhältnis,
das im 20. Jahrhundert vermutlich eine Änderung erfahren wird. Ähnlich ift es mit
den Religionen: mit ihnen allen mißt ſich heute das Chriftentum; aber im größten Um-
fange und mit dem meiſten Erfolge iſt der Kampf bisher mit den niederen Religionen,
den animiftifchen und polytheiftifchen, mit den ohne heilige Litteraturen geführt morben.
10 Mit den pantheiftifchen, atheiftifchen, moraliftifchen und monotheiftiichen Religionen ftehen
wir weſentlich noch in der Periode der Vorpoftengefechte, mit ihnen werben die entfchei-
denden Schlathten erft im 20. Jahrhundert geichlagen werden. Am verfchlofienften ift
bi8 heute die mohammedanifche Welt der chriftlichen Miffton geblieben; unterdes wird
wenigſtens vor den Thoren derfelben Durch eine ausgedehnte Evangelifationg- und Schul⸗
15 thätigleit innerhalb der alten orientalifchen Kirchen gearbeitet.
Nur fehr allmählich, im fteigendften Maße erft feit dem lebten Drittel des 19. Jahr⸗
hunderts, hat die moderne Miffion einen meltweiten Umfang angenommen, jo daß man
jagen Tann: foweit fie zugänglich ift, ift heute die Erde ihr Arbeitögebiet. Überbliden
wir nun dieſes Gebiet in geographifcher Ordnung.
20 A. Amerika.
Haft in ihrer Gefamtheit ift die Bevölkerung Amerikas bereits eine chriftliche,
die des Nordens, mit Ausnahme von Merilo, vorwiegend eine evangelifche, die Des
Südens faſt auöfchlieglih eine römiſch-katholiſche. ir haben es aber nur mit
dem nichtchriftlichen bzw. mit dem nichtchriſtlich geweſenen Teile dieſer Bevölkerung zu
25 thun, der das Objekt der evang. Miſſion bildet bzw. das Ergebnis diefer Miffion a
Er beitebt 1. aus den eigentlichen Ureinwohnern, 2. aus den ald Sklaven importierten
Afrilanern und deren zablreiher Nachkommenſchaft und 3. aus den freiwillig einwan⸗
dernden Afiaten. Die Ureinwohner zerfallen in zwei Hauptgruppen: in die Eskimo im
arktifchen Norden und in die Indianer, die fih in zahlreichen Stämmen von Alaska und
3 Kanada an über den ganzen langgeftredten Erdteil verteilen. Die importierte Bevölkerung
beiteht teild aus Negern, die melentlih in den V. St. und in Weftindien, aber auch in
Sentralamerifa und in Guyana heimifch geivorden find, teild aus indischen und dhinefifchen
Kulig, die nah Weſtindien und in die Kolonien des nördlichen Südamerika ald Arbeiter
eingeführt werden. Die übrigen Aſiaten: Chinefen und Japaner finden ſich faft aus:
85 fchließlich in den V. St. und im weſtlichen Kanada.
1. Die arktiſchen Regionen.
Han Egede, Ausführliche und wahrhafte Nahricht vom Anfang und Fortgang der grönländ.
Million, Hamburg 1740; Cranz, Hiftorie von Grönland enth. insbeſondere die Bei, der dortigen
Miſſion, Barby 1770; Die Miflton der Brüder-Unität. I. Labrador. Gnadau 1871. Schulze a. a. O.
40 Die aus nur ca. 10500 Eskimo beſtehende Bevölkerung des eifigen Grönland iſt völli
hriftianifiert und zwar ſowohl durch die von Egebe 1721 begonnene däniſche mie dur
die 1733 von Matth. Stach eröffnete brüderfirchlihe Miffion. Da die fpezifiiche Miſſions⸗
arbeit hier ihre Aufgabe erfüllt hatte, bat die Brüdergemeine im Jahre 1900 ihre ſechs
Stationen an die däniſche Kirche abgetreten und fih von diefem ihrem zmeitälteften
46 Milftonsgebiete zurüdgezugen.
In dem benachbarten, gleichfall® von einer nur fpärlichen Esfimobevölferung (ca 1500)
bewohnten Labrador arbeitet ausjchlieglich Die Brüdergemeine fett 1771. Auf 6 Stationen
bat fie unter unfäglicher Geduld 1266 Chriſten gefammelt.
Die dritte, allerdings mit Andianern (ca.19 000) bereits Stark durchmiſchte, fompafte
so Eskimobevölkerung (ca. 15000) finden wir in dem die nordieftliche Halbinsel des arktifchen
Amerika bildenden, wegen feiner Goldfelder jest viel genannten Mlasfa. Die Million ift
bier noch ziemlich jung, erit 1877 wurde fie von ber nördlichen Vresbyterianerfirche der
V. St. durh Dr. Jackſon begonnen. est jind 7 amerikaniſche Mifftonen, denen wieder
die Brüdergemeine als achte fich zugefellt hat, bier im Gange, die zufammen auf einigen
65 30 Stationen 9—10000 teils Eskimo-, teils Indianerchriſten in ihrer Pflege haben. Die
originellite ift die Des Freimiſſionars Duncan, der nad feiner Trennung von der eng-
lichen Kirchenmijfion mit den in Metlafabtla (brit. Kolumbia) durch ihn chriſtianiſierten
und civiliſierten Tſimſchier-Indianern nad der Annetteinſel überjiedelte, wo er in einem
Neu-Metlafahtla ein chriftliches Gemeinweſen organifierte, das namentlich burch feine
60 Kulturerfolge die allgemeine Bewundernng erregt.
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 149
2. Britifh Nordamerifa. Dominion of Canada.
Fritſchel, Geſch. der hriftl. Miffionen unter den Indianern Nordamerikas im 17.u.18. Jahrh.,
Nürnberg 1870; Batty, Forty two years amongst the Indians and Eskimo. Pictures from
de life of John Horden, Zondon 1893; Young, Unter den Indianern Nordamerikas, 2 Bde,
deutich, Gütersloh 1899. 5
Dieſes riefige, etwa 15mal fo große Gebiet wie das deutiche Reich, das jet unter
dem Namen Dominion of Canada eine ziemlich jelbftitändige Kolonie bildet, hat
neben 5 Millionen Koloniften eine Eskimo- und Indianerbevölkerung von vielleicht
120000 Seelen, von denen falt ein Drittel evang. Chriften und ein Zmölftel den foloe
nialen Kirchen intorperiert iſt. Politiſch iſt es jetzt eingeteilt in die drei Hauptgebiete: 10
Kanada, Hudſonia und brit. Kolumbia, von denen jedes wieder in mehrere Provinzen
ält. Obgleich die Engländer durch die Hudſonsbai-Kompagnie fchon feit 1669 den
Nordoſten des Landes beberrfchten und feit 1763 auch den Süden, dad damals franz.
Kanada, eroberten, jo gelang es doc erſt 1820 dem frommen Kaplan der genannten
Handelögefellichaft John Welt eine Miffton unter den Indianern in Gang zu bringen, ı5
die, von der C.M.S. aufgenommen, unter Überwindung riefiger Schwierigkeiten im Laufe
von 80 Sahren ſich von dem oberen See im Südoften bis zur Herichel-nfel an der
Grenze von Alaska im Nordweſten ausgedehnt und durch heroiſche Männer (Codran,
Comlay, Duncan, Horden, Macdonald, Bompas) unter Mithilfe tüchtiger Indianer (Budd,
Settee) auf jetzt 63, über 11 bifchöfliche Didcejen verteilten Stationen über 15000 In⸗- zo
dianer- und Eskimochriſten in zum Teil mohlgeorbnete und wirtjchaftlich blühende Ge-
meintvefen gefammelt bat.
Neben der C.M.S. ſtehen (von den Katholifen abgefehen) vornehmlih die S.P.G.
und die kanadiſchen Methodiften und Presbyterianer auf vielleicht 40 Stationen bier in
der Arbeit. In abfehbarer Zeit wird die Chrijtianifierung der heidnifchen Indianerreſte 25
in der ganzen Dominion of Canada vollendet fein. Auch unter den eingewanderten
Chinefen in Kolumbia wird nicht ohne Erfolg mifftoniert.
3. Die Vereinigten Staaten.
Yritihel a. a. DO. Bormbaum, Z.Eliot, Der Up. der Indianer, Düfjeldorf 1849; Römer,
Die Indianer und ihr Freund Dav. Zeidberger, Gütersloh 1890; Bliß a. a. O. Der Artikel so
Indians American; Noble, The redemption of Africa, New York 1899; Kap. 14: Africa
in America. Missions to black Americans.
Die farbige Bevölferung der B. St. zerfällt in 3 Gruppen: Indianer, Neger und Chinefen.
Die jebt auf ca. 260000 zufammengeichmolzenen und über einen großen Teil der
Union zerftreuten Refte der indianischen Urbevölferung find eine laute Anklage wider die ss
chriftliche weiße Einwanderung, die durch ihr befanntes ſchandbares Verhalten gegen den
roten Mann es ee erthulbet bat, daß die mit Eliot 1646 hoffnungsvoll begin-
nende, von der Familie Mayhems in 5 Generationen, von dem Schotten Dav. Brainard
(geit- 1747), dem Buritaner Wheelock (1754) und feinen Indianerpredigern Occum und
irkland, vornehmlich aber von der Brüdergemeine unter dem heldenhaften und patriarcha= 40
liſchen Zeisberger (1745— 1808) in großer Treue fortgeführte Indianermiffion ihre Er:
folge immer vernichtet fehen mußte. Auch noch im 19. Jahrhundert, als eine ganze Reihe
der norbamerifanischen Kirchengemeinichaften die zerſtörte Miffionsarbeit unter den In—
dianern wieder aufnahm und mit wenigſtens teilmerfem Erfolge, beſonders auf den (jeßt 93)
Hefervationen betrieb, legte fich der Yandhunger der Koloniften mit al den Unredlichkeiten, «s
Härten und ungerechtem Kriegen, die er in feinem Gefolge hatte, wie ein giftiger Mehltau
auf die fprofiende Saat. So ift e8 nicht zu verwundern, daß es bis heute noch nicht
gelungen ift, die Ehriftianifterung der Indianer völlig durchzuführen; nur rund 100000 find
Chriften, unter ihnen 75000 evangelifche. Am Tonzentrierteften finden fie ich in dem
Indian Territory am Unterlaufe des Miffiffippi. Hätte man die Indianer von Anfang so
an menfchlich behandelt und die Miffton unter ihnen 1'/, Jahrhundert lang nicht jo
freventlich zerftört, fo wären fie alle längſt Chriften und gute Bürger der B. St. geworden fein.
Viel größer als die indianifche ft die Negerbevöllerung der V. St., die heute auf
8, Millionen gewachſen tft. Die ältere Generation dieſer Negermafje jtammt noch aus
der Zeit der Sklaverei, die erit durch den großen Bürgerkrieg (1860—65) abgeichafft ss
worden if. Mit alleiniger Ausnahme der Duäfer, die nie einen Sklaven gehalten haben,
wie fie auch nie mit den Indianern in Kampf geraten find, find mebr oder weniger alle
Kirchenabteilungen in die Sklaverei verflochten geweſen; es bat nicht an Proteften gegen
die Inſtitution gefehlt, aber fie ift auch Eirchlicherjeit3 verteidigt worden und der heftig
geführte Streit ar oder wider fie hat mehrere Denominationen gefpalten, felbit die Bap⸗ co
tiften, die für die Chriftianifierung der Neger das meiſte geleiftet.
Miffion unter den Heiden, proteftantifche
uatmnbiaenpeite wird über dieſe Chriftianifierung wenig berichtet. Im Gange it
u oacityden Janalt vor Det Emanzipation. 1860 zählten allein die Baptiiten und Metho:
eb der Zllaven am meiſten erbarmten, 325000 ſchwarze Kommunifanten,
gan Bunmalinell Nenerbevölferung don ca. » Alılllonen. Nur trug die Arbeit unter
FT Train tuabluben ais jpezifiſch mifjtenartichen Charakter und war jehr abhängig von
OT luna den Z Havenbalter zur Miſſion. In, einen großen Zug kam jie nach dem
— Neſeubere durch Die in größtem Umfange getriebene Schultbätigkeit, an
hs nt alle, DTenominationen beteiligten, 1890 gab os 12182 Negergeiftlice und
"mer eine gabl, Die 1900 auf A000 bezw. 35enn- zertiinen war. Am eifrigiten
arm nd aber Die chriſtlichen Neger ſjelbſt an der Chriteniterung ihrer Volksgenoſſen.
orten balte ſein Hauptmotiv allerdings In dem Trange, ſich neben und innerhalb
"nam Aevolferung eine böbere ieriele Stellung su erobern: aber immer bleibt es
dewurdig. daß Die Schwarzen ſeit der Emanzipation rür Schulzwede ca. 114,
op Mn von Rirchen 160 Arien Mark aufgebracht haben und jegt jäbrlich
5 ltylhionen jur die Unrerde. cng ibrer Paſtoren und Yehrer ‚aufbringen. Infolge
oe anenyiiben Anſtrenaunzcn 3 NE faft Die ganze Negerbevölferung chriftianiſiert
Tr sel angel Wer an Maut Bruchteil Derca.ı" Millionen ewang. Neger
hr Wemeinden anszcst, De große Majorität bat ſich su ſelbſtſtändigen Neger:
on au antmtengeii X dieſen colored churches fommen auf die Bapriften
af die Namdine 2000, auf Die Presbyterianer und Indevendenten
ee [ap 2 mn ainbenglicder. Das tt die kompakteſte Heidenchriten:
ee tg auch das Ehriftentum ber Majorität derjelben beienders
rn e vr zur zer selich tiefen Stufe ftehen, fe ift 68 doch eine Thatlache
Ss 8 Deumm. Ns eis Rordobriſtianiſierung im großen Maßſtabe ſtattgefunden bat.
en B Ne na, en und japanische (ca. 1I00400) Einwanderung bilder einen
ade N nordameritaniſchen Bevölkerung, da fie ſich nur verüber—
ITS naneneli m Weſten, aufbält. Durch Veranftaltung von Gottes:
10
—A
J
1)
talaeren
aueh nn e Zdtäor md nich unter ihnen und zwar nicht ohne Erfolg namentlich
len) gain, Meiboedijten und Baptiſten miſſioniert. Von den 4— Hin Chi:
ven ST na de Warten ſind, teren viele als Chriften in ihr Vaterland
ORTS J. Japauein Nd m den 7 Jahren 1893 —– 1900 über 1500 in den
— PER, — an L
=. \ 2 i L .X % ® * F
Na = Saizen Menge nordamerikaniſcher M.GG. in ausgedebntem Mate in
SE an — ernjgalioneibaligkeit übergehen wir, da ſie ſich auf Die fatbelitche
M;e. J— = > >
Woer —IX
Nik
EERTEN Reim, Herrnhut 1800; Moister, The father of our missions.
. Des Pte and Iabotrs of the Rev. Th. Coke. London 1871: Perielbe,
Dr TXA. Nap 3. Burchell, Life of Rev. Th. Burchell, Yonden 149:
a, ® 2 Sr Anblu, Yondon IST: Underhill, The West-Indies, London 195}:
TEST a geh ‚hatt. Vondon 1809.
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vn gut Div boarepen (Nuba, Jamaika, Sam und Porterttor und ın
I ck Antulen und in Div Babamainſeln. Die ea. 5 Millionen be:
et, N het den etwa 1, Millionen Weißen und geringen Reiten
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rn N a gaailnb ne din Rachkommen der Durd Den Stlavenbandel einge:
re x, Runtime at ibnen md den Weißen und Den aſiatiſchen Rulis.
Som Gr bat geborigen weſtindiſchen Beſitzungen Den Sklawen
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— Re Aal ſolaten nach und nach die ubrigen Koelenialregierungen.
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REN e auf ven ubihleiz Weitendten iinder ſich noch cine betrachtliche furbe-
nee tern der ipantiche Beta die V. St. ubergegangen uf,
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nn en Denyangaiirtt urd Jamatta die engliichen unddanmden
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Miffion unter den Heiden, proteftantifche 151
zweite Miffionstruppe, die der Methodiften, mit in die Arbeit ein, zunächft in der Form
eines perfönlichen Unternehmens des feurigen aber etwas unruhigen Th. Coke, als orga⸗
nijierte M.G. 1813. Nach und nach dehnte fich ihr Gebiet auf die 4 Hauptpiftrikte
Antigua, St. Vinzent, Jamaika und Bahama aus, heute mit zufammen 160 000 Chriſten.
Die drei erſten Diftrikte bilden ſeit langem eine felbftjtändige weſtindiſche Kirchenprovinz. 6
1813 ftellten ſich auch die Baptiften ein und bejetten von Jamaika aus auch ver:
jchiedene fleine Antillen. Ihre Sendboten, namentlih Burcell und Anibb fpielten eine
große Rolle in der Antijklavereibewegung. Schon 1872 Zonftituierten fie mitca. 100 000
Chrijten eine baptiftiiche Union von Jamaika und heute beträgt in ganz Weſtindien ihre
Anbängerzabl über 165000. 19
Zur größten Anhängerzahl hat es aber die anglifanifche Kicche gebracht, die beſonders
nach der Emanzipation eine rege Thätigkeit entwidelte, die Miffton in die Hände ihrer
firchlihen Organe legte und einen tüchtigen eingebornen Lehrſtand heranbildete. 380 000
Negerchriſten gebören ihr an.
Zwar nicht ſehr ausgedehnt, fie zählt nur 22000 Negerchriſten, aber durch Solibität 15
ausgezeichnet iſt die fchottifche presbytertanische Miffion auf Jamaika. Bon den übrigen
Heineren Millionen können wir abjeben. Alles in allem giebt es in Weftindien eine
evangelifche Heidenchriftenheit von über 800000 Seelen.
5. Mittel: und Südamerika.
Schneider, Moskito, Herrnhut 1899; derfelbe, Ein Beſuch in Paramaribo, Stuttgart 1891; 20
Burkhardt, Die Miflion der Brüdergem. in Miſſionsſtunden, 2 Hefte, Leipzig 1898; Brett, In-
dian missions in Guiana, Zondon 1851; March, A memoir of the late Captain Allen
Gardiner, Xondon 1874; Prot. missions in South America, herausgegeben von dem Stud.
vol. movement, New-York 1900.
Mittelamerifa mit feinen 5 kleinen Staaten hat eine aus indianischen Ureinmoh: 25
nern, Mifchlingen und auch Negern zufammengejeßte falt ganz Fatholifierte Bevölkerung
von ca. 5 Millionen, unter welder von den V. St. aus eine fih ausdehnende Evangeli:
fation getrieben wird. Unter den heidnifchen Reften arbeitet neben der Ausbreitungs-©.
und den Wesleyanern vornehmlich die Brüdergemeine und zwar auf ber erft feit einigen
Jahren von Nilaragua annektierten Mostitofüfte, wo ihr jebt der Herifale Fanatismus so
die Yebensadern zu unterbinden fucht. Insgeſamt etwa 10500 evang. Heidenchriſten.
Das große Südamerika mit feinen ca. 40 Millionen aus Meißen, Mulatten, In—
dianern und auch Negern gemischten Bevölkerung ijt nur an feinem Nordrande und zwar
in dem bolländijchen und britifhen Guayana und an der Südſpitze evang. Mifliong-
gebiet. Abgerechnet die noch heidnifchen Indianerrefte im Innern, die man auf ca. 1’, Mil: ss
lion ſchätzt, iſt Südamerika Tatholifiert, freilich mit einem Katholicismus, der mehr heid⸗
niſches als chriſtliches Gepräge trägt. Seitens einer ganzen Menge nordamerikaniſcher
Denominationen wird jetzt, ſeitdem eine gewiſſe Religionsfreiheit gewährt iſt, unter dieſer
katholiſchen Bevölkerung evangeliſiert. Nur am Amazonenſtrom in Braſilien haben die
amerikaniſchen Presbyterianer des Nordens vor kurzem eine Miſſion unter heidniſchen 40
Indianern begonnen und in Paraguay, Argentinien und Chile wird ſie nebenbei von der
engliſchen ſüdamerikaniſchen M. G. getrieben.
In dem ungeſunden von ca. 60000 aus Indianern, Negern und aſiatiſchen Kulis
gemilchten Bevölkerung bewohnten holländischen Guayana (Suriname) ift es wieder die
üdergemeine, die allerdings mit Unterbrechungen ſchon ſeit 1738 eine geduldsvolle und 45
opferreiche Miffton treibt, deren beutiges Ergebnis eine um 20 Hauptftationen weſentlich
aus ebemaligen Sklaven gefamntelte Chriftenheit von ca. 30000 Seelen ift, von der über
die Hälfte in der Hauptitadt Paramaribo fonzentriert ift. Außer den in den Elimatifchen
und fozialen Verhältniſſen liegenden Schtwierigfeiten bereitet bejonders in der letztens Zeit
die gehäſſige römische Gegenmiffion viel Argernis. 50
Ausgedehnter und ergebnisreicher ift die evang. Miffion in dem benachbarten, von
einer etwa 290 000 ſtarken ähnlich gemifchten Bevölkerung bewohnten britiihen Guayana mit
der Hauptſtadt Georgetown. Hier brach die Londoner M.G., der Feindfchaft der Sklaven:
befiger trogend, 1807 durch die tapfern Miſſionare Wray und Emith die Bahn. ihre
bis 1838 auf ca. 18000 angewachſenen Heidenchriften ftellte der independentische Eifer 55
dieſer Geſellſchaft felbititändig, aber nur ein Teil derjelben (ca. 6000) hat fich als kon—
gregationaliftiiche Union erhalten, die übrigen baben ſich wohl der anglikaniſchen Kirche
angeſchloſſen, die 1839 durch Brett in die Arbeit eintrat und unter den organiſatoriſch
begabten Biſchof Auftin einen Anhang von 130 000 gewann. Auch die Wesleyaner, die Bly:.
mouthbrüder und die Herrnhuter haben hier einige 20 000 Chrijten aus den Heiden geſammelt. co
133 Miffien unter den Heiden, proteflantifdge
Ta» ſudlichſte evang. Miſſionsgebiet ift das unwirtliche, von einer fpärlichen, auf
tiejſter Civiliſationoſtufe ſtebenden Bewölferung bewohnte Feuerland mit den Yalllands-
inſeln. Kon 18144 1860 wurden vier vergebliche Verſuche gemacht hier eine Miſſion
zu begrunden, drei durch Allen Gardiner, einem früheren engliſchen Marineoffizier, der
ont allen ſeinen Begleitern den Hungertod ſtarb und ein vierter von der ſüda nifchen
M.G., Der mit Der Ermordung aller Teilnehmer endete. Bon 1862 an gelang es endlich
dem mutigen Miſſionar Stirling zwei Niederlafjungen zu ftande zu bringen (Uſchuwaia
und Tetonika), auf Denen bis heute unter unfäglihen Mühen etwa 200 Chriſten gefammelt
worden ſind.
w Siatiſtiſches Ergebnis der amerifanifchen Miſſionen (im abgerundeten Zahlen):
Grönland, Yabrador, Wasta. . 00 Chriſten
Kanada . en fr 000 „
Indianer Der 2. 22220. 75000 „
Steger dr NEL . . . 722500 „
iu Chineſen und Japaner der V. St. . 3 000 n
Weftindien . . 2.810000 n
Central⸗ und Sübamerila - - 2 2 2 2.200.000 „
Summa: 8375 000 "
B. Afrika.
wu Noble, The redemption of Africa. A story of civilisation with mape, statistical tables
uud »oluet bibliography of the litterature of African missions, 2 vols, New-York 1899.
Wis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Afrika nicht bloß der dunkle, ſon⸗
dern auch der verſchloſſene Erdteil. Man kannte von dem rieſigen Koloß, größere Teile
des Nordens und Südens ausgenommen, weſentlich nur die Handgebiete und felbit dieſe
su wicht um den ganzen Erdteil herum. Seitdem bat durch Entdeder, Händler, Koloniften
wid Eroberer die Erſchließung Afrifas fo ftaunenstverte Kortichritte gemacht, daß nicht
bloß von Süden und von Norden, fondern felbit von * und von Weſten her die
Wege in das Innere gebahnt ſind, ja bereits per Dampſſchiff und Eiſenbahn zurückgel
werden. Kein anderer Erdteil iſt ſo ſehr das Objekt des kolonialpolitiſchen Wettbewer
wo geworden wie Afrika, deſſen ungeheure Flächenräume faſt ganz unter die europäiſchen
Kolonialmächte aufgeteilt ſind. Mit dieſer neuen Ara der afrikaniſchen Geſchichte hat
auch eine neue Ara der afrikaniſchen Miſſionen begonnen, mit der das Zeitalter der
Chriſtianiſierung Afrikas eigentlich erſt angebrochen iſt.
Was die 180 Millionen wohl kaum betragende Bevölkerung betrifft, ſo wohnen
im Norden des Erdteils etwa bis zum Senegal im Weiten und zur Somaliküfte im
Ciſten teils Semiten, teild Hamiten; jüdlich von ihnen bi8 Kamerun im W. und jenjeits
des Oberlauf des Nil im ©. zwei Gruppen von Nigritiern, von da an durch den ganzen
Suden, mit Ausnahme der Südweſtecke, worin Reſte der Hottentotten und Bufchleute
ſich finden, Die in viele Stämme geglieberten Bantuneger, welche bis heute das Haupt:
wo objekt der evang. Miſſion bilden. Auf den Inſeln im Often, namentlidh Madagaskar,
haben wir es mit einer malaiiſchen Bevölkerung zu tbun.
Dir von der evang. Miffion befegten afrifanıschen Arbeitsfelder umfafjen fünf Haupt:
gebiete: 1. Die Weftküfte vom Senegal bis zum Kunene, der Nordgrenze von Deutich-
— — Dieſes Gebiet umfaßt Senegambien, Sierra Leone, Liberia, Gold- und
Sklavenküſte, Yoruba, Nigeria, Kamerun, Kongo, Angola. 2. Südafrika vom Kunene
im W. bis Sambefi im S Dieſes am dichteſten beſetzte Gebiet umfaßt Deutſch-Süd⸗
weſtafrika, Kapkolonie, Natal und Sululand, die ehemaligen Burenftaaten, engliſch Ba⸗
huto., Matabele und Maſchonaland und Safaland. 3. Die oftafrilanifchen Injeln: Ma-
duunnofun, Mauritius und die Seychellen. +4. Oft: und Central-Afrika: Das Reich der
wu Valotſe, Die Seenrepion, Deutſch⸗ und Britiſch-Oſtafrika. 5. Nordafrika mit dem italieni⸗
ſchen rien, Agppten und in ſehr beicheidenem Maße Tripolis, Algier und Marokko.
Die Weſtküſte.
mm Seven years in Sierra Leone, New-York 1897; Büttikofer, Neijebilder aus Li:
heri, Weiden 1890; Steiner, Saat und Ernte der Basler M. auf der Goldfüfte, Baſel 1895 ;
a Waul, Ile Miſſion' in unſern Kolonien, Leipzig 1898, 1. Heft: Togo und Kamerun; Hin-
derer, NDeventeen years in Yoruba country, London 1877; Goldie, Calabar and its mission,
Kung 1890; Anderbill, Alfred Suter, der Bahnbrecher hriftl. Kultur in Kamerun, deutſch,
Anhang 1885; Nömer, Kamerun: Land, Lente und Mifjion 8, Bafel 1901; Bentley, Pio-
entinge on tho Congo, London 1902.
wi Div Meinen evang. Miſſionen der Pariſer MG. in Senegambien, der Wesleyaner
win äamnbia und Der S.P.G. am Rio Pongo übergebend, wenden mir ung jofort nad
id
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om
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Miffion unter den Heiden, proteftantifche 153
Sierra Leone mit der Hauptitabt Freetown, mo bald nach der Gründung einer Kolonie
für befreite Sklaven die C.M.S. mit deutichen Arbeitern 1804 die wegen des tödlichen
Klimad und der zuchtlofen, bunt zufammengemwürfelten Bevölkerung überaus fchiwierige
Mifjion begann. Erſt nach vielen Enttäufhungen und großen Menfchenverluften — ın
25 Jahren ftarben 109 Männer und Frauen — fam die Arbeit in einen gefegneten 5
Gang, jo daß regierungsfeitig ihr wiederholt das lobendſte Zeugnis ausgeftellt wurde.
Die jeht auf ca. 12000 angewachſene Anhängerſchar der Anglifaner bildet feit 1861
eine relativ jelbititändige, aber unter einem anglifanischen Kolonialbiſchof ſtehende Kirche
mit einem ziemlich gebildeten eingeborenen Lehritand. Größer iſt der numerische Erfolg
der 1814 mit in die Arbeit eintretenden englifchen und fpäter auch afritanifchen Metho= 10
biften, die in drei Stirchengemeinfchaften etwa 29000 Anhänger zählen. Außerhalb der
eigentlichen Kolonie in dem benachbarten Bullom: und Scherboro-Diffrifte, wo neben der
C.M.S. die Wesleyaner, die Vereinigten Brüder und die Allianzmifftion arbeiten, ſollen
trog der Zerftörungen in dem Aufltande von 1898, in dem viele Miffionare ermordet
worden find, ca. 14000 Chriſten gefammelt fein. 1
Wenig Freude gewährt die benachbarte, mit amerifanifchen Yreijflaven 1824 bes
gründete Kartfatur-Republit Liberia (Hauptitadt Monrovia). Allerdings ift die Kolonie
ſelbſt völlig chriftianifiert (ca.20 000), aber auf das Hinterland iſt von ihr wenig milfio-
nierender Eintlus ausgegangen. Die innere und äußere Mifftion, welche getrieben mird,
liegt in den Händen amerifanifcher Gefellfchaften, namentlich der der bifchöflichen Metho— 20
diften, der proteſt. bifchöflichen Kirche und der Preöbyterianer.
Die englifhe Goldfüften-Rolonie, deren etwa 2 Millionen ftarte Bevölkerung in
die beiden Hauptftämme der Ga und Tichi-Neger zerfällt, it im Weiten vorwiegend von
der Wesleyaniſchen, im Dften von der Basler MO. befegt. Die eritere, die vorwiegend
mit farbigen, nicht immer genügend gebildeten Miffionaren jeit 1834 arbeitet, hat ca. 32000, 26
die feit 1828 unter großen Opfern und vielen fchmerzlichen Wechfelfällen thätige Basler ©.
ca. 19000 Chriften in ihrer Pflege. Während es bei den Methodiften revivalartig auf
und ab gebt, ift in den gut organifierten und mit einem trefflichen Schulweſen ausgeitat-
teten Basler Gemeinden das Wachstum ein zwar langfam aber ftetig fteigendes und auch
von einem bedeutenden kulturellen Erfolge begleitetes. Durch den tapferen Ramjeyer tft so
die Basler M. bis in die Hauptitadt ( umatfe) des Nijantereiches, in der er 1869—73
als Gefangener Zeuge der furchtbarſten heidniſchen Greuel geweſen, ausgedehnt worden.
Die jenjeit3 des Wolta im Eweland angelegten Basler Stationen werden vermutlich an
die norddeutſche M.G. abgetreten werden.
Diefe Gefellihaft hat nämlich ihr Arbeitsgebiet ſeit 1847 unmittelbar, nur durch 85
den Woltafluß getrennt, neben der Goldküſte in dem von etwa 2 Millionen bewohnten
Ewelande auf der Sflavenküfte, mo fie mit bervunderungswürdiger Ausdauer unter großen
Opfern an Menfchenleben und vielen Kriegsunruhen nad) langer fait erfolglofer Arbeit
um 5 folid gebaute Hauptitationen ca. 3000 Chriften gefammelt hat, die fich jebt jährlich
beträchtlich vermehren. Der Schwerpunft ihrer Arbeit fällt je länger je mehr ın das «o
deutfche Togoland. Die hier befindliche Heine Wesleyanifche Miffion wird wahrſchein⸗
Iıh auch von der norbdeutichen übernommen werben.
Jwildien dem an Togo grenzenden franzöfiichen Dahome und dem deutfchen Kamerun
liegt die engliiche Kron-Kolonie Lagos mit dem Hinterlande Yoruba, und Nigeria mit
den Hauflaftaaten als Hinterland; mit Ausnahme der lebteren, die erſt beſetzt erden 45
ſollen, alles evang. Miflionsgebiet. In Yoruba wurde von Eierra Leone aus durch die
C.M.S. 1838 der Anfang gemadit. In wenigen Jahren war eine ganze Reihe von
Stationen angelegt und zum Teil durch ſchwarze Miſſionare beſetzt, unter denen das be—
Iannte Abbeokuta eine dramatiſche Geſchichte hat. Leider wurde über neuere Unterneh:
mungen der C.M.S. die überwiegend von eingebornen Paſtoren verjorgte Noruba-M. zu 50
ſehr fich felbft überlaffen, was ihre gejunde Entwicklung eine Zeit lang aufgebalten bat.
Bald dehnte ſich die Arbeit auch an die Küfte aus, wo Lagos das Hauptcentrum mit
einer ziemlich jelbititändigen Kirche wurde. Das geſamte Gebiet, jo weit es zur C.M.S.
gehört, zählt heute rund 14000 Chriften, zu denen noch etwa 11000 kommen, melde
im der Pflege der Wesleyaner und der amerikaniſchen ſüdlichen Baptiſten ftchen. 65
Am Niger begründete wieder die C.M.S. 1857 eine vom Delta desjelben bis über
den Benue fich hinaufziehende, durch ein vielfpradhiges und jehr rohes Heidentum erſchwerte
Miffton, die dadurch ihr eigentümliches Gepräge erbielt, daß fie von Anfang an mit
lauter farbigen Miffionaren aus Sierra Leone betrieben und fogar von einem farbigen
Biſchof, dem belannten Samuel Gromtber, geleitet wurde. Nachdem fich aber heraus: co
1)
154 Miffion unter den Heiden, proteftantifdge
geitellt, daß die ſchwarzen Arbeiter einem jelbitftändigen Miffionsbetriebe noch nicht gewachſen
waren, wurde nach Crowthers Tode 1891 wieder ein englischer Bifhof an die Spiße der
Miſſion gejtellt, was zur ;yolge hatte, daß die Deltagemeinden fih von der C.M.S.
trennten und ein felbititändiges Nigerpaftorat bildeten. Mit diefem Paftorat zählt die
5 Nigermiffion beute etiva 5000 Chriften. Die wiederholten in die Hauflaftaaten gerichteten
Miſſionserpeditionen haben bis beute zu feinem Ergebnis geführt.
In dem in der ſüdöſtlichen Ede von Nigeria liegenden Altkalabar find die jegt mit
der freien Kirche von Schottland vereinigten Unierten Presbyterianer mit großer Treue
und in evangelifch gejunder Weife ſeit 1846 thätig, aber das tödliche Klima und der
10 MWiderftand des barbarifchen und demoralifierten Heidentums bat den Erfolg ſehr auf:
gebalten (ca. 2000 Chriften). Auf der benachbarten (fpanifchen) Inſel Fernando Po wird
mit ungenügenden Kräften nur eine Eleine methodiſtiſche Miffion getrieben.
Nachdem feit 1845 die englifchen Baptiften vornehmlich durch ihren praftifchen
Miſſionar Saker eine allerdings nicht kontinuierliche und auch nicht tiefgebende, aber doch
15 den Boden lodernde Vorbereitungsarbeit getban, trat mit der deutichen Befigergreifung die
Basler Miffion in Kamerun in die Arbeit ein, leider ohne daß es ihr gelang, die etwa
2000 baptiftifchen Chriften, die jegt unter der Leitung deutſcher Baptiftenmiffionare jteben,
ſich anzugliedern. Auch bier mußten große Opfer an Menjchenleben gebracht werden,
aber der Erfolg war ein erfreulicher, bis beute in zablreichen Gemeinden 3000 Cbriften
und 3200 Schüler. Im Batangalande, dent füdlichen Teile des deutſchen Beſitzes,
baben, vom Gabun ber vordringend, die amerifanifchen Presbpterianer auf jebt 7 Sta-
tionen gegen 2000 Ghriften geſammelt, deren Verbindung mit Bafel in Ausficht ſteht.
An Kamerun im Süden grenzt die franzöſiſche Kolonie Gabun, oder mie fie jegt
nach ihrer Ausdehnung am rechten Kongoufer binauf offiziell beißt: franzöſiſch Kongo.
25 Hier iſt den durch die Intoleranz der franzöſiſchen Kolonialregierung hart bedrängten
Presbyterianern die Pariſer M.G. zu Hilfe gelommen und es mögen wohl 2000 Chriften
fein, die fih auf 6 Stationen in der Pflege beider Gefellfchaften befinden.
Noch jung, aber fchon fehr ausgedehnt iſt die nach der Stanlenfchen Entdedung des
Kongolaufes und der Begründung des Kiongofreiitaates nach und nad von 7 Miſſions⸗
0 gefellfchaften (4 amerikanischen, 3 europätfchen) in Angriff genonmmene Kongomiffion, die bis
jest auf etwa 50 Stationen wohl 6—7000 eingeborne Chriſten gefammelt bat, von denen
die meiften auf die amerikanisch baptiftiiche Union kommen. Von den Pionieren dieſer
Miffion iſt der englifche Baptift Grenfell, der auch als Geograph Hervorragendes geleiftet
bat, der einzig Überlebende. - - In dem ſüdlich vom Kongo gelegenen portugiefijchen
35 Angola find neben den engliſchen Baptijten in Salvador und dem amerikanischen Board
in Bihé die bifchöflichen Mtetbodiften auf einer Reihe von Stationen thätig; alle zufammen
aber nur mit vielleicht 3000 Chriſten. Auch cine Anzabl Freimiſſionare finden ſich am
Kongo und von Angola aus nach dem ſüdlichen Kongojtaate bin, über deren Arbeits-
ergebnis wenig verlautet.
40 2. Zübdafrifa.
Van der Kenp, Ievensgeschiedenis van den med. Dr. Joh. Theod. van der Kemp,
Amſterdam 1864; lofft, Missionary labours and scenes in South Africa, London 1888:
Philip, Resenrehes in South Africa, London 1828; Livingſtone, Miffionsreifen und or:
dungen in Südafrika und Neue Mifjiongreifen in S. A., Jena 1858 und 1866; Wange:
45 mann, Die evang. Mifjionsarbeit in S.:M., Berlin 1872; Brinfer, Aus dem SHererolande,
Barmen 1896; Buchner, Act Monate in Südafrika, Schilderung der dortigen M. der Brüder:
gemeine, Gütersloh 1891; Pfitzner, Wilh. Poſſelt, Ein Lebensbild aus der ſüdafrik. Miſſion,
Berlin 1838; Merenotky, Erinnerungen aus dem Miſſionsleben in Südoſt-Afrika, Berlin 1898;
Caxalis, Mes souvenirs, Parios 1083; Jousse, La mission frangaise @vang. au Sud de
6 l'Afrique, Paris 1800; Coillard, Sur le Haut-Zambese, Paris 1897; Chalmers, Tiyo Soga,
a page of South African mission, Edinburgh 1873; Lovedale past and present, Lovedale
1887 ; Spedlmann, Die Hermanns. Miffion in Afrika, Hermannsb. 1876.
Unter Südafrika verftepen wir das große Treied, welches füdlih von der Linie liegt,
die man vom Kunene im W. bie zur Mündung des Sambeſi ziebt und das fich politiich
65 in das deutſche, englifche und portugiefiiche Nolonialgebiet gliedert. Die eingeborne Be
völferung ſetzt ſich — abgefeben von den zahlreichen weißen Afrikanern — zufammen aus
den Neften der Hottentotten und ihren Mifchlingen im W. und den in viele, namentlich
Kaffer-Stämme zergliederten Bantu-Negern nach dem Oſten zu. Zwiſchen der weißen und
der farbigen Bevölkerung beſteht ein ſcharf ausgeprägter Gegenjaß, der vermutlich in der
so Zukunft noch zu großen Neibungen führen wird, wie er aud) in der Vergangenheit der
Grund zu viel Blutvergießen geweſen iſt.
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 155
Abgeſehen von den Bemühungen einiger Privatperfonen iſt eine orgamifierte Miffion
jettend der weißen Einwanderer in Südafrika felbjt erft von der Mitte des 19. Sabhr:
hunderts an ing Merk geſetzt worden. Tie Miffionare find von Europa und Amerifa
bergelommen, zuerft von der Brüdergemeine (G. Schmidt), dann von der Yondoner M.G.
(van der emp, Schnielen, Philip, Moffat). Diefen find dann nad) und nad) namentlih 5
die englifhen Methodiften (Scham), die Episfopalen und die fchottifchen Presbyterianer
(Stewart), die Franzoſen (Cafalis, Mabille) und die amerifanifchen Independenten, und
von den Deutichen die Nheinländer (Lückhoff, Zahn, H. Hahn, Brinker), die Berliner
(Poſſelt, Nachtigal, Grügner, Merensky, Kropf) und die Hermannsburger (Behrens) ge:
folgt. Jetzt iſt Südafrifa das bejeßtefte evangeliiche Miſſionsgebiet. 10
Das heutige deutiche Südmeltafrifa (Nama-, Herero: und Ovamboland) ift feit den
40er Jahren des vorigen Jahrhundert nach einer vorübergehenden Pionierarbeit der
Londoner und Wesleyaner unter den Namas nad und nad) von der Rheinischen und in
Ovamboland teilweiſe von der Finnifchen M.G. bejegt worden. Der Leichtfinn der Hotten-
totten, der Stumpffinn der Herero und die beitändigen Kriege zwiſchen beiden ließen es 15
nur langjam zu Erfolgen fommen. Jetzt hat die Rh.M. auf 27 Stationen ca. 13000, die
Finniſche auf 3 Stationen ca. 1000 Chriften gefammelt. Die deutſche Befigergreifung
hat manche neue Schwierigkeiten gebracht, aber doch endlih Ruhe im Lande geichafft,
bie zur Förderung der Miſſion nicht wenig beigetragen.
In der Kaptolonie jtoßen wir im Weften vom Oranjefluß bis Stellenbofch bei der Kap: 20
ftabt wieder auf Rheiniſches Miffionsgebiet mit 10 ſich völlig felbjt erhaltenden Gemeinden
und ca. 16 600 Chriften, dann im Süden und Südoſten auf die beiden anderen in der Ko:
lonie arbeitenden deutichen Miffionen, die Brüdergemeine mit 17600 und Berlin I mit
000 Ehriften, deren Gebiete freilich weder von ihnen allein befett, noch geographiſch
zufammenbängend find. Dasjelbe ift der Fall mit den weit größeren englischen Miffionen, 25
der Londoner, Wesleyaner, Anglitaner und Vresbyterianer, die ſich zum Teil jehr durch:
einandergemijcht über meite Streden der Kolonie ausdehnen. Die zahlreichen vornehmlich
im Centrum und im Oſten der Kolonie ſich befindenden Londoner Mifftionsgemeinden mit
zufammen mehr ald 60000 Chriften haben ſich ſchon vor 40 Jahren zu einer Kongre-
gational-Union zujammengefchlofien und die vorzugsmeife im Often thätigen Weslchaner 30
haben eine felbftändige ſüdafrikaniſche M.G. gebildet, die in 3 Diftriften weit über
190 000 eingeborne Chriften zählt. Die Anglifaner haben ihre Million ganz in den drei
Bistümer umfaflenden Tirhlichen Organismus eingegliedert und mögen gegen 80000 ein:
geborne Chriften in ihrer Pflege haben. Faſt ebenjoviel entfallen Auf die holländiſch refor-
mierte Kirche. Ausfchließlih unter den Kaffern haben die befonderd durch ihre Schul: 35
watigteit (Lovedale) hervorragenden Schotten ihr Arbeitsgebiet (ca. 24000 Chriſten). Da
der Reg. Cenjug von 1891 392000 farbige evang. Chriften auf die Kolonie verrechnete,
fo wird man jebt wenigſtens 400000 feßen dürfen.
In dem eine jelbftitändige Kronkolonie bildenden Baßutoland treibt (neben der S.P.G.)
jeit ca. 70 Jahren die Pariſer M.G. eine ebenjo gediegene wie fruchtbare Arbeit, deren 40
Erfolg weit über die 19000 Chriſten hinausgeht, die fte in zahlreichen, wohlorganiſierten
und mit einem vortrefflichen Schulweſen ausgeltatteten Gemeinden gefanmelt bat. Auch
bat diefe junge Baßutokirche, die ihre eingebornen Lehrer ganz aus eigenen Mitteln erhält,
unter der Führung des helvdenmütigen Miffionars Coillard am Sambefi, im Reiche der
Barotje, eine eigene Miffion begonnen, deren Thränenjaat bis jegt aber noch wenig Frucht 15
getragen bat. In dem nörhlich angrenzenden Natal- und Sululand, deilen barten Boden
jeit länger ald 50 Jahren in wachſender Ausdehnung der Amerikanische Board, die Wes—
leyaner, Anglikaner, Presbyterianer, Berliner, Hermannsburger, Norweger und Schweden
mit Treue bearbeiten, iſt bis jeßt eine farbige Ghriftenbeit von etiva 48000 geſammelt;
auch in Swaſi⸗ und dem portugiefiihen Gafaland wie an der Delagvabay find die Er: wo
gebnifle noch gering (ca. 2500).
Dagegen finden mir wieder erfolgreihe Miffionen in den früheren Burenjtaaten
Oranje und Transvaal. Sie liegen vornehmlih in den Händen deutſcher M.GG., der
Berliner und der Hermansburger, die beide vor dem Ausbruch des fürafrifanifchen Krieges
auf vielen, zum Teil jehr großen Stationen (3.8. Botjchabelo, Saron, Betbanie) 72000 55
eingebome Chrijten zählten, während auf die Wesleyaner, Anglikaner, die holländische
Kirche und die Maadländiiche Miffion zujanımen etwa 50000 famen. Durdy den un-
glüdfeligen Krieg ift diefe ganze Miſſion fehr geſtört und teilweise ſelbſt zerjtört worden
und e8 werden Jahre vergehen bis neues Leben aus den Ruinen blübt.
Weſtlich von den Burenjtaaten liegt britiſch Betjchuanaland, in welchem ſchon Moffat su
156 Mifiien unter den Heiden, proteftantifdge
der Miffion die Bahn gebrochen und von mo aus fein Mitarbeiter Livingftone feine be
rühmten Entdedungsreifen antrat. Leider find Später die großen auch civiliſatoriſchen Erft-
lingserfolge diefes Pioniers, der Kuruman zu einer Stadt auf dem Berge machte, feitens
der Londoner M. nicht mit gebuldiger Treue gepflegt worden, fonft mwürbe die heute
» ca. 10000 ſtarke Betſchuanenkirche viel größer fein. Eine Lichtgeftalt ift hier der chrift-
lihe Bamangmwato-Häuptling Khama, der bejonderd durch feinen tapfern Kampf gegen
den verderblichen Branntwein fih um fein Volk ſehr verdient gemacht hat.
In dem nördlich und nordöftlid angrenzenden Matabele- und Mafchonalande (Rho⸗
defia), offiziell als Gebiet der britiſch-ſüdafrikaniſchen Chartered-Kompagnie bezeichnet, ift
10 die von Anglifanern, Wesleyanern, Yondonern und Berlinern betriebene fchwierige Miffion
faſt noch ganz in den Anfängen (ca. 1500 Chriſten).
3. Die oftafrifanite en Inſeln.
Ellis, The martyr-church. A narrative of in troduction, progress and triumph of Chri-
stianity in Mad ‚ Zondon 1870; Cousins, Madagascar of to day, Zundon 1895; Eppler,
15 Thränenfaat und ;greudenernte auf Madagaskar, Gütersloh 1874; Boegner, Rapport sur la dele-
gation à Madagascar, Paris 1900; Hanjen, Beitrag 3. Geſch. d. Inſel Madag., Gütersloh 1899.
Die Seychellen und Mauritius, wo die beiden anglikaniſchen Kirchenmiſſionen we⸗
entlich unter den eingeführten indiſchen Kulis ca. 4500 Chrijten gefammelt haben, nur
treifend, wenden wir uns fofort nad) dem jeßt franzöfiichen Madagaskar, auf dem 1820
3 die Londoner G. die Milfton eröffnete und fpäter neben den QDuäfern und ber S.P.G.
die Norweger und die Parifer mit in die Arbeit eintraten. Es ift eine ſehr mwechfelvolle
Gefchichte, welche hier die Miffion gehabt bat: nach einer ruhigen 12jährigen Anfange-
thätigleit, deren Ergebnis eine aus einigen hundert Gläubigen beitehende Eritlingsgemeinde
war, trat eine faſt 30jährige Verfolgungszeit ein, während der die Chriſtenzahl fich ver:
5 zehnfachte; 1869 nahm die Königin mit ihrem Gemahl das Chriftentum an und es fand
eine Einflutung von Hunderttaufenden in die chriftliche Kirche ftatt, auf deren dhriftliche
Erziehung die independentische Zondoner M. leider nicht genug forgfamen Fleiß verivandte.
Dann fam 1895 die franzöftfche Okkupation der Inſel, welche die inzmwifchen eingedrungene
jefuitifche Propaganda unter Ausgabe der von dem Kolonialhauvinismus begünftigten
so Barole: franzöſiſch iſt gleich katholiſch, zu einer der gewaltthätigften Gegenmiffionen ben
fo daß über die Hälfte der Yondoner Miffionschriften zum Abfall gebracht wurden, eine
Kriſis, in welcher die Barifer M.G. mit folchem Erfolg ihrer bevrängten Glaubensgenofien
I annahm, daß Religionsfreiheit gewährleiſtet und die faft zeriprengte Londoner Miſſions⸗
irche wieder gefammelt wurde. Zur Zeit beiteht Diele Air nur noch aus 70000 und
35 wenn man die in die Pflege der Pariſer M.G. übergegangenen hinzunimmt aus vielleicht
170000 eingebornen Chriften. Charakterijtifcherweife ft es nur die Londoner Miffion,
welche den großen Verluft erlitten bat, die quäferifche und die anglikaniſche iſt faft intakt
geblieben und die norwegiſche fogar geftärkt aus der Kriſis hervorgegangen; ſie bat heute
60000 Ebriften, die beiden anderen zujammen ca. 20000, fo daß die evang. Chriftenbeit
w Madagaskars heute auf 248000 berechnet werden kann.
4. Dft: und Centralafrita.
Krapf, Reifen in Oſtafrika 1837—1855, Kornthal 1858; Blaidie, Das Leben David Living⸗
ftoneg, deutſch, Gütersloh 1881; Stanley, Durch den dunfeln Weltteil, deutich, Leipzig 1878;
Anderson-Morshead, The history of the Universitiea Mission to Central Africa, London
45 1808; Baul, Die Miſſ. in unfern Kolonien, II. Deutih-Oftafrita, Leipzig 1900; Baur, Aller.
Maday, Pioniermiljtionar von Uganda, deutſch, Leipzig1902; Richter, Uganda, Gütersloh 1893;
derfelbe, Ev. Miffion im Njaſſalande, Berlin 1898; Merensky, Deutſche Arbeit am Rjafla,
(Ebend. 1894; Jack, Daybreak in Livingstonia, Edinburgh 1900.
Die mifftonarifhe Belegung des vor "1, Jahrhundert noch unbelannten öftlichen und
w centralen Afrikas fchließt fih an an die Namen Krapf, Livingftone, Stanley. Krapf, ein
württembergifcher Theologe im Dienfte der C.M.S., faßte nach vergebliben Miſſions⸗
verfuchen in Abeifinien und unter den Galla zuerit Fuß auf dem oftafrilanifchen Feſt⸗
lande, Mombas gegenüber, und regte durch feine und feiner Mitarbeiter geographifchen
Entdedungen zuerſt die Crterjäung Dftafrifas und dann dur feine genialen Miſſions⸗
65 pläne und umfaſſenden fprachlichen Arbeiten auch die dortigen Miffionsunternehmungen
an; Livingſtones große Entdedungen batten neben anderen Unternehmungen die Begrün-
dung der fchottifchen Njaſſa- und der Londoner Tanganika-Miſſionen zur Folge, Stanleys
Reife durch Afrika führte, außer zu den Kongomiffionen, zur Ugandamiffion. Namentlich der
Tod Yivingitones (1873) brachte die oftafrifanische Miffionsbervegung in Gang, ſowohl
so durch die englifche Aktion gegen den Sflavenbandel, welche Mombas gegenüber die Grün»
dung der Sklavenfreiftätte Freretown durch die C.M.S. zur Folge hatte, die dann der
Miffion unter den Heiden, proteftantifche 157
Ausgangspunkt für die Straße in das oftafrifanifche Innere wurde, wie durch die direkten
fchottifhen und Londoner Miffionsunternehmungen und durd die Ermwedung der fchon
u feinen Lebzeiten (1859) begründeten Univerſitäten-M. zu neuem thatlräftigen Vorgehen.
In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ſetzte dann die foloniale Befigergreifung
ein und mit ihr traten neben den Engländern und Schotten auch die Deutichen in 4 Kos 5
Ionnen in die oftafrifanifhe Miffionsarbeit ein. Überbliden mir diefelbe in möglichſt
geographifcher Ordnung mit dem füblichften Teile, dem Niaflagebiet beginnend.
Es waren 2 jchottifche Unternehmungen, die 1875 bier ind Werk geſetzt wurden,
eine von der Staatd-, die andere von der freien Kirche, mit der ſich die unierten Pres-
byterianer verbanden. Die erjte wählte zu ihrem Arbeitsfelde das Schirehochland im 10
Süden ded Sees, wo ſchon 1860 die Univerfitäten-M. einen leider gänzlich verunglüdten
Miſſionsverſuch gemacht hatte, die andere fiedelte fih an der Sipfpipe des Njaſſa an,
von ber jie nad und nad die ganze Weſtküſte hinauf vordrang. Beide nahmen in ihr
Miffionsprogramm die civiliſatoriſche Thätigkeit auf und haben auch als Kulturmiffionen
Bedeutendes geleijtet. Auf dem Schirehochland konzentriert fich die Arbeit auf 4 Stationen, 16
unter denen Blantyre die centrale ſt (ca. 800 Getaufte). Eine ſelbſtſtändige Sambeſi⸗
Induſtrie-M., die nur unter den Arbeitern ihrer großen Plantagen weſentlich durch Schul:
thätigfeit miffiontert (2400 Schüler), ift fpäter dazu gekommen. Biel ausgedehnter ift
die als Livingſtonia bezeichnete Miffion der Freiſchotten mit der Gentralitation Bandawe,
die jet über 3000 Getaufte, etwa ebenſoviele Katechumenen, mehr als 12000 Schüler 20
und zahlreiche eingeborne Mitarbeiter hat. Cine mächtige chriftliche Bewegung, bejonders
im Ngonilande, läßt für die Zulunft große Ernten erwarten. Den füdlichen Teil ihres
Gebiets haben die Schotten an die Kapſche reformierte Miffion abgetreten, die auch bereits
ea. 1000 Chriſten und 8000 Schüler in ihrer Pflege hat. Die Zahlen würden viel
größer fein, wenn man die Taufe nicht jo lange hinausfchöbe. 26
Wenig erfolgreich dagegen tft die von der Londoner G. mit großen Opfern an Gelb
und Menſchen unternommene Tanganila-Miffton geweſen, die ſich nach vielen verfehlten
Erperimenten jet auf 3 Stationen am Südende des Sees mit einer kleinen Chriſtenſchar
beichräntt. Die Zwiſchenſtation zwiſchen DOftküfte und Tanganika, Urambo, iſt an die
Brüdergemeine abgetreten worden. 30
In —— — ſtoßen wir am Nordende des Njaſſa zuerſt auf 2 friſch auf:
blühende deutſche Miſſionen, von denen die Brüdergemeine die weſtliche nach Urambo
bin fich ausdehnende, Berlin I die öftliche über das Akne nad) der Küfte zuftrebende
unternommen bat. Obgleich erit 11 Jahre alt, bejigen dieje beiden Miſſionen jchon
22 Stationen mit Heinen Chriftengemeinden von zufammen faft 1000 Seelen. Im s5
Süden des beutichen Beſitzes vom Rovuma bis an das im portugiefiichen Gebiete liegende
Dftufer des Njaſſa hat die UniverfitätenM. ihr ſüdliches Arbeitöfeld, von welchem meit
getrennt in der Gebirgslandichaft Uſambara das nördliche Liegt. FA beiden Diftriften
und in Sanfibar, wo jte ihre Gentrale hat, zählt fie 11000 chrijtliche Anhänger und in
97 Schulen über 4000 Schüler. 40
In dem übrigen Deutih-Oftafrifa befinden fich außer einigen in Ufagara gelegenen
früberen Untertvegeftationen ber C.M.S. nach Uganda mit nur 250 Chriften noch 2 meitere
beutiche evangl. Miffionen: Berlin -III (jeit 1886) in einem jüdlichen (Ujaramo:) und in
einem nördlichen (Ujambara-)Gebiete, jedes mit einer Küſtenſtation (Dar es falam und
Tanga) und Leipzig (jeit 1891) am Kilimandſcharo mit 5 Stationen; beide big jet nur mit #5
Heinen Gemeindebildungen (600 Getaufte). Das Ufaramo-Gebiet tft joeben an Berlin I ab:
getreten worden. Zwei weitere deutſche Dtältonen, die auch im deutichen Echubgebiet
[u arbeiten beabfichtigten, find durch ſpätere folonialpolitische Verträge in englijches Ge
iet geraten, nämlich eine bayerijche, iegt an Leipzig abgetretene unter den Wakamba
(norböftlich von Freretown) und die Neufirchner in Witu, beide auf hartem Boden arbei- so
tend mit Beinen Eritlingserfolgen. In der Nähe der letteren, am unteren Tana, find feit
1862 die vereinigten Methodiften-Freitirchen auf mehreren Stationen thätig (1200 Chrijten)
und norböftlih von Kilimandicharo ift (1892) du Kibwezi, unterftügt von der britifch
ikaniſchen Kompagnie, ein Neu-Lovedale angelegt worden, das einer Induftrie-Miffion
als Gentrale dienen foll. 55
Mit den zulegt genannten Miffionen find wir bereit in das britiche Oſtafrika ein-
‚ wo die C.M.S. 3 Gebiete bejett hält: das Küftengebiet mit der als Sklaven
. (1874) gegründeten Hauptſtation Freretown, das Dſchagga- oder Kilimandſcharo⸗
gebiet mit der Hauptſtation Taveta (beide ca. 1700 Chriſten) und Uganda mit jetzt
37000 Chr. Die Uganda-Miljion, eine der erfolgreichſten der Gegenwart, hat eine an co
158 Miſſion unter den Heiden, proteftautiidge
echjelfälen überrafchende Gefchichte und iſt ſpannend mie ein Roman. Von Stanley
angeregt und unter großen Opfern an Geld und Menſchen vornehmlich durch Aler. Maday
ins Merk gejegt, hatte fie anfänglich durch die Yaunenbaftigfeit des bedeutenden Königs
Mteſa und durch die Grauſamkeit feines jugendliden Nachfolgerrs Mwanga, der eine
5 blutige Verfolgung infcenierte und den Biſchof Hannington ermorden ließ, dann durch
die Syeindfchaft der Mobammedaner, die Gegenmiſſion der Katholiken, die zu einem
traurigen Bürgerfriege führenden Tolonialpolitifchen Wirren und durch wiederholte Auf:
ftände wider die englifche Herrichaft ſchwer zu leiden, bi$ etwa vor 9 Jahren aus noch
nicht genügend erflärten Gründen eine große chrijtliche Bewegung in Gang kam, die von
10 den Eingebornen felbit, namentlich den Häuptlingen getragen, die Chrijtenzahl jährlich um
Tauſende vermebrte, jo daß das vermehrte Arbeiterperfonal der großen ihm geftellten Auf:
gabe kaum gewachſen war. Unter der ebenfo energifchen wie umfichtigen Leitung. des mutigen
Biſchofs Tuder dehnte ſich dieſe Bewegung weit über das eigentliche Uganda in die be:
nachbarten Landſchaften bis zum Albert:Nyanza und zum Ruwenzorigebirge aus und ver:
16 fpricht auch dort, namentlich in Toro, eine große Ernte. Durh die von Mombas nad
dem Viktoria Npanza mit beiwunderungätwürdiger Energie fertig geitellte Eiſenbahn find
die früheren großen Kommunifationsichwierigkeiten überwunden und vermutlic) wird es
nicht lange dauern, jo wird fih eine Stationenfette auch an der Bahn entlang ziehen. —
Leider bereitet in dem ganzen Oſtafrika die mit Hochdrud arbeitende römische Konkurrenz
20 der evang. Miſſion große Schwierigkeiten.
5. Nordafrila.
Dietel-Paul, Abefjinien, Leipzig 1901; Rutherford, The gospel in North Africa, London 1%01.
Das von der Südgrenze de Sudan bis zum Mittelmeere fi) ausdehnende riefige,
mwejentlih von Mobammedanern bewohnte Nordafrika it von der evang. Mifjion nur
25 jehr jpärlich beſetzt und ihre Arbeitsergebniffe bejchränten ſich faſt ausfchließlich auf die
dortigen alten chrijtlichen Kirchen, namentlich in Agypten. Hier find es die amertla-
nischen unierten Presbyterianer, die feit 1861 unter den Kopten in ca. 50 organifierten
und von eingebornen Beiltlichen bedienten Gemeinden ca. 22000 evang. Ehriiten und
in 184 Schulen über 14000 Schüler gefammelt haben. Auf zahlreichen Stationen dehnen
30 fie ſich bis zu den Nilfataraften aus und beabfichtigen bis Kartum vorzudringen, ein
lan, den auch die in Kairo eine fleine Miffton treibende C.M.S. ind Auge gefaßt,
deifen Ausführung aber bis jegt die engliſche Militärregierung verhindert hat. In Abeſſi⸗
nien find wiederholt Evangelijationsverfuche, befonders von der C.M.S. unter Gobat und
Krapf, aber bis jegt ohne dauernden Erfolg gemacht. Auch die ſchwediſche Vaterland:
35 Stiftung bat fih nah Maflaua zurüdzieben müfjen, von wo aus fie nach Hamajen im
nördlichen Tigre vorgedrungen ift, trog großer Verlufte und ſchwerer Enttäufchungen immer
ihr uriprüngliches Ziel: die Galla, im Auge bebaltend (ca. 450 Chriften). — Die durd
Grattan Guinneß angeregte, mit einem großen, vornehmlich Damenperfonal betriebene und
von Agypten bis Maroffo fich ausdebnende interdenominationale Nord-Afrika-M. bat mie
40 auch die äbnliche ſchottiſche Marokko-Miſſion bis jegt nennenswerte Erfolge nicht erzielt.
Statiftiiches Ergebnis der afrikaniſchen Miſſionen:
Meitafrila . . . 180. 000 Chriſten
eidafila . 2. 2202.22. 0.610000 „
Afrikaniſche Inſelen.... .. 254 000 „
45 Dft: und Gentralaftifa . . . 2 .....60000 „
Nordafrila . . 2... 23 000 „
Summa: 1127000 „
C. Aſien.
Hier haben wir es im Unterfchiede von den amerikaniſchen und afrilanifchen
Miſſionsgebieten vortwiegend mit kompakten Völfermaffen zu thun, die durch politifche
so oder religiöfe, ethnologiſche oder Iprachlice Verbände wie durch gemeinfame Sitten
zufammengefchloffen find, mit Völkern, die eine gejchichtliche Vergangenbeit, alte Kulturen
und heilige Yitteraturen befigen, Die auch mehr oder meniger große Reiche bilden; fie
jegen der Chriftianifierung einen ganz anderen Miderftand entgegen als Heine, national
zerſetzte, kulturarme und litteraturlofe Naturvölfer mit tiefitufigen Religionen.
65 Durdwandern wir den riefigen Erdteil, deſſen Bewohnerſchaft mehr als die Hälfte
der Menfchbeit beträgt, fo finden wir evangelifche Mifjionsgebiete gar nicht in feinem auss
gedehnten ruffifchen Norden, der fih vom Himalaya bis zum Eismeer und von Ural bis
an das ochogfifche Meer eritredt und nur fpärlib in feinem unter mohammedaniſcher
Herrfchaft ftebenden Welten, der Klein: oder Vorderafien, Arabien und Perfien umf
Miſſion unter den Heiden, proteſtautiſche 159
1. Das mweitlihe Afien.
Anderson, History of the missions of the Am. Board to the Oriental churches, Boſton
1873; The gospel in the Ottoman empire. Proceedings of the Mildway Conf. 1878;
Zwemer, Arabia: the cradle of Islam, Edinb. 1900; Samuel Gobat, Biſchof in Jeruſalem,
Bajel 1884; Schneller, Vater Schneller, Leipzig 1898.
Eigentlihe Mohammedaner-Miffionen ſind auf diefen Gebiete bis jet nur wenige
feine und erfolgarme ins Werk geſetzt worden: in Verfien feitend der C.M.S. auf 4,
im norböftlichen und füdlichen Arabien von den Freiſchotten und der reforinierten Kirche
der D.St. auf 5 Stationen. Am Urmia:See, auf der ruſſiſch-perſiſchen Grenze will die
deutjche Orientmiffion eine beginnen. Auch in der europäifchen Türkei und in Bulgarien 10
find nicht völlig vergebliche Verſuche gemacht, aber zur Bildung von dhriftlichen Gemeinden
aus Mohammedanern iſt es noch nicht gefommen. Unter diejen Umjtänden hat man jich
zunächſt darauf beſchränkt, die innerhalb der islamitiſchen Reiche Vorderaſiens eingefapfelten
und verfommenen Reſte der alten chriftlichen orientaliſchen Kirchen geiftlich zu beleben,
um dur fie einen Miffionseinfluß auf die mohammedanishe Welt auszuüben. Auch
diefe evangeliftiiche und bejonders erzieherifche Thätigkeit, die vornehmlich von den nord:
amertlanischen Independenten und resßpterianern unter der Führung ausgezeichneter
Männer (Riggs, Goodell, Hamlin, Jeſſup, E. Smith), der C.M.S. und einer ganzen
Menge tleinerer Betriebe, unter ihnen vom deutſchen Jeruſalems-V., ausgeübt wird, ift
ſeitens der türfifchen Regierung aufs Außerfte erfchiwert worden. Anfangs dachte man 20
nicht daran, Profelyten zu machen und aus ihnen evang. Gemeinden zu bilden, man
wollte nur eine reformatorifche Thätigfeit auf die ganzen Kirchen ausüben; aber als die
Totengebeine lebendig wurden, erhob ſich ſeitens der amtlichen Kirchenorgane eine bis zur
Erfommuntlation gehende Verfolgung und diefe zwang zu felbititändigen evang. Gemeinde:
gründungen. Es find ca. 200 folder Gemeinden mit vielleicht 75—80000 (durch die 25
armenifchen Maflacres und durch Übertritte zur rufftichen Kirche etwas reduzierten) Glie-
dern organifiert, 1100 von 50000 Schülern befuchte Volks- und höhere Schulen bis zu
Univerfitäten hinauf begründet und neben einer Fülle von jonftiger Litteratur in 12
Spraden Bibelüberjegungen publiziert worden. Der Schauplat diefer Thätigteit erjtredt
h h von Konftantinopel, Jeruſalem und Beirut durch Kleinafien und namentlich Armenien 30
is nad) Perſien und ihr religiöfer, fittlicher und Bildungseinfluß ift ein ſehr bedeutender.
Den furdtbaren Maflacres unter den Armeniern 1896 find auch viele evang. Chriften
zum Opfer gefallen, die Treue gehalten haben bis in den Tod. Tiefe Blutbäder haben
das Evangeliſationswerk nicht nur nicht zerftört, fondern das gemeinfame Leid und die
großartige Hilfsleiftung der abendländiichen Chriftenbeit haben dem Evangeliv in das ar: 35
menifche Kirchenvolf einen Eingang eröffnet wie nie zuvor.
Das größte eigentliche Heidenmiffionsgebiet Aftens iſt
2. Britifch- Indien. |
Hough, History of Christianity in India, London 1849—60. 5 vols; Sherring,
The hist. of Prot. missions in India, London 1875; G. Smith, The conversion of 40
India from Pantaenus to the present time, London 1893; Germann, Die Biographien
von BZiegenbalg, Yabriciug und Schwarg, Erlangen 1865, 68 und 70; G. Smith, The life
of Carey, Xondon 1885; of Bishop Heber, 1895; of Alex. Duff, 1889; of J. Wilson 1878;
Birke, Life and corresp. of Th. v. French, Zondon 1895; Caldwell, Lectures on Tinne-
velly missions, Qondon 1857; Anderson, History of the missions of the Am. Board in #
India, 1875; Leupold, Recollections of an Indian missionary I u. II, Zondon 1862 u. 84;
Carpenter, Selfsupport, illustrated in the history of the Karen-Bassein mission, Bojton
1883; Handmann, Der Kampf der Geifter in Indien, Heilbronn 1887; Stoſch, Sm fernen
Indien, Berlin 1896; J. Richter, Die deutſche Miſſion in Südindien, Gütersloh 1902 und
Rordindifhe Mifjionsfahrten, Ebd. 19035; Nottrott, Die Goßnerſche Miſſion unter den Kols 60
Lu. II, Halle 1874 u. 88; Reichelt, Die Himalaya-M. der Brüdergemeine, Gütersloh 1896.
Das troß feiner 153 Sfalenkaaten ganz unter britifcher Herrichaft ftehende Indien
mit feiner Bevölferung von 300 Millionen ijt eine fehr bunte Welt, fehr verjchieden in
ethnographiſcher, Sprachlicher und religiöfer Beziehung. Ethnographiſch teilt es ſich in die
eingebornen Drawiden, die vornehmlih im Süden mohnen und in die eingewanderten 55
Arier und Mohammedaner, vornehmlich im Norden. Sprachen giebt es 117, von denen
allerdingd nur 20 von mehr ald 1 Million Menfchen gefprochen werden. Mehr ale
sw Millionen find? Mohammedaner, 210 Millionen Hinduiften, nur 7 Millionen Bub:
dbiften und der Reit Dſchains, Sikhs und Dämonenanbeter. Der Hinduismus, ein Ge
miſch der fublimften pantheiftifchen Whilofophie mit grobem Polytheismus und tieffinniger ‘co
S ionen mit wilden Phantaſtereien knechtet ſeine Millonen unter das eiſerne Joch
der tauſendgeſtaltigen Kaſte, die die praktiſche Religion Indiens und fein großes ſoziales
oo
—
5
RT, Miſſion unter den Heiden, yesackamiähdhe
elle Arohphoihh Tannen Kbel geworben iſt. Zie bilde: das mädwame Hindernis für
si up ua de hahluungg zu ihr Das jchwierigite indriche Vinmarrohlem. Auch die
Wa pl fett, Hanenffenbeit und Erniedrigung des weiblichen Göchlechts, Die Kinder:
eahbangpan db Milſpeimernihbtung ftellen Die Miſſion vor ſchwere Auigaben
Ss ſuniſel Dit ua Ehriſtentum auf der Südweſtküſte Indiens ichen frübe Fuß
haft nn die Dante gta 250000) ſog. Thomaschriſten find die ziemlich verkommenen
—88 un linden Miſſionverſtlinge. Mit der Niederlaſſung Der Portugieſen zu
Mal iso den Auſbunderto ſete die romiſche Miffton ein, die mit mechielnder Energie
be Bunte darhſetbettet abet m Verbaltnio zur Länge der Arbeitszeit und zur Menge
Abs Wubtenkvo yitiyd ienen dervorragende wie Kader, Nobili, Brito, Same) nur ein
walten Wein gti nit und dem Ran. Genius von 1901: 1445000 Chriſten inner:
ut ap Dein. pa willst send LE U0O im nichtbritiichen Gebiete fommen.
a adäbalechäg elite year {dev Ardeit erſt 2 Jahrhunderte ſpäter und betrieb
Wosesbonie AuesuNtto tg sur arten Waum lefaliftert und mit einem jebr Kleinen
alte Ne Werde cnalio 3 Nunsonnoder Die erite ift die der auf 2 Heine
Man ce Na 1 Wett Sewdenititit Biptieräraen ven 1706—1813. Dieje Gebiete waren
I SEN Nieren Diaautilit fu Diet purieren Immbung in ber beutigen Präſident⸗
St MN ud Novo yeiiuen Nimm Serorzus in der heutigen Präſidentſchaft
aaa Naomi y I Notetnäulinzer Tonne ı Ziegenbalg und namentlich
re Ne Neo cnsaliäpan Supsivit gr Ne oma Des genialen Garen, welche
ur Ne Nee tun Di α gegen Ende des 18. Jahr⸗
NINE en ad u Wet. Ne u Nahebunberie Dhemussmer ibr Erbe bie anglilam
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EN Nee an Nam. m wernlüss ber sm Tom Se C. M. S. ſtehende t
re ar aemuhst Zpänz ii IS Smüpfte auch Die Leipziger
No — ss Jrirzar aus übe Der Dur# me feindfelige Oppoſition
. wen. pn rar (are mu jenen san Mitarbeitern eine
ur en ocad erh Ipanalen, Durch melde wee on den indilchen Norben
„Nero nmnämur wurde. Ein Ticheres Trartrihes Ergebnis über diefe
Seren N 2 So zer acben, feinenfalle überimex 08 15.000 eb. Chriften.
Neon 8 Ist umfaßt den Zeitraum ran der durch Parlaments⸗
ass... 2 zn Mifltenaren in Das enalnce Andien bis zu dem
mil 2 2.,Sem Die Herrſchaft Der oitin?. Nomrugnie durch die ber
on cam 2.28 In ibr wird Das gefamte Indien der Milfion geöffnet
mzzblidb aus Dir Enge ın die Wenne aud. Am energifchften
N. 0. 2refsen Die Yondoner, Die bapriftiſche. die weslebanifche, die
NN. MDiiton in Die Arbeit ein, Deurideriärs die Basler, die
na. Von epochentacdhender Bedeutung mar beionderö ber Ein-
ER zehrpäichen wie freifirchliden Miſſionen, mel er dem miſſiona⸗
\ s..2> Ne bermorragenden Miſſionare Million, Tuff und Anderfon
Vous za und ibn auf Die höheren Klaſſen ausdebnte. Auch diefe
a ientlich den Charakter der Grundlegungsarbeit und des Experi⸗
Son nenne Ergebnis beläuft ſich auf rund 1306000 evang. Chriften.
N von 1859 Dis auf Die Gegenwart tt Die Zeit der ungebinderten,
a Veamte (Lawrence, Edwards, Montgemern, Muir, Frere) geför-
. "ren ibrer Ausdehnung über alle Provinzen des großen Reiches,
. Nessitan und an Die Thore von Tibet, der kirchlichen Urganifationen,
on. Nessprung Der Gefellfchaften (bis auf ca. 60) und des abenblän:
F ssstilgit ordinierten Arbeiterperſonals bis auf ca. 1200 beziehungsweiſe
0.200 Muſionsmethode, Der geiteigerten Schul: und litterarifchen, auch
lachen Miſſionsthätigkeit und des wachlenden Erfolge. Nach ber
ta vaio von 19012970000 evang. Ghriften. In fie fallen auch die
one Reiorm und Reaftionsbeivegungen (Brama-Samadſch u. ſ. w.), melde
sad ammllentlich dem Chriſtentum die Babn bereiten, teils mehr ober
ar VNppoſition machen, in jeden Falle aber ein Beweis dafür find, daß
Acpredigte Evangelium eine Gärung berbeigeführt hat, welche ebenfo kon⸗
Sue EObrütentum nicht mebr ignoriert wird, wie daß es Die religiöfe Atmos
vauder beeinflußt. Cine große Bedeutung bat in Diefer Zeit die mächtig
“a Kent und ärztliche Miſſion gewonnen, Die auch bereits zahlreiche einges
te hr ihrem Dienſte bat, alle überragend Die Brahmanenwitwe Pandita Rumakai
si celrnflußreichen Anſtalten in und bei Puna, eine Diakoniffin im großen Stil
Miffion unter den Heiden, proteftantifche 161
Während nody in der 2. Miffionsperiode der individualiftiiche Mifftonsbetrieb der
vorberrichende war, ift e8 in der dritten auch zur Sammlung fompafter Chrijtenmafjen
und im Zufammenhange mit ihr zu kirchlichen Organtfationen gelommen. Am Tonzen-
triertejten findet fich diefe Chriitenfammlung in der Präſidentſchaft Madras, namentlich
im Süden im Tamillande, bejonders in Tinnevelli auf dem Arbeitsgebiete der Anglifaner,
im Norden in Telugulande auf dem der amerik. Baptiften und im Südmelten in Kotſchin
und Travankur auf dem der Londoner; ferner in der Präafidentichaft Bengalen auf dem
Goßnerſchen Kolamiffionsgebiete und in den Nordweſtprovinzen mit Audh auf dem Ar:
beitögebiete der amerif. een Methodiiten; dann in Niederbarma in der SKarenen-
miffion der amerik. Baptilten. Nach Denominationen geordnet kommen nach dein bereits 10
errväbnten Genjus die meijten evangelijchen Chriften (306000) auf die anglikaniſchen, die
baptiſtiſchen (217000), die Iutherifchen (154000), die methodiftiihen (68000) und bie
presbpterianifchen (43000) Geſellſchaften. Die Ehrijtenzahl der englifchen und ameri-
lan Sndependenten ift in dem Genfus nicht korrekt angegeben; fie muß etwa 127 000
agen. 15
Die große Majorität der 970000 evang. indischen Chrilten gehört ben niederen
Kaften und den faftenlofen Stämmen der Bevölkerung an und ihre religiöfe und fittliche
Dualität iſt — nicht wenige Ausnahmen abgerechnet — noch eine elementare; aber es
ift eine miffionsapologetiiche Thatſache von Bedeutung, daß gerade durd) die religiöfe,
tttliche, geiſtige, —* und ſelbſt wirtſchaftliche Hebung dieſer Gedrückten das Chriſtentum 20
eine rettende Kraft bewieſen, die ſelbſt die Anerkennung der Brahmanen gefunden hat.
zu einer chriſtlichen Bewegung unter den höheren Kaſten ıft es allerdings noch nicht ge:
ommen, doc fehlt es auch nicht an Belehrten aus ihnen; unter den eingebornen Re—⸗
gierungsbeamten, Rechtsanwälten, Arzten, Schriftitelleen ift ein beträchtlicher Prozentſatz
Chriften und von den eingebornen Paſtoren ftammen die herborragenditen (GBanerdſchi,
Goreh, Scheihadri, Satthianadhan, Bofe) aus den höheren Kaften. Dazu giebt es gerade
unter ihnen nicht wenig geheime Chriften, denen der Mut zum Übertritt fehlt; freilich
wächſt unter ihnen auch die Zahl der religiös AIndifferenten, ja völlig Ungläubigen, die
das Studium der europ. Litteratur ebenfo aufgeblafen mie ſittenlos gemacht hat, das
ſog., Jungindien“, das ein ſchwierigeres Miſſionsobjekt bildet als der orthodore Hinduismus. an
Auf dem gleichfalls britifchen Geylon mit feiner 3 Millionen betragenden gemifchten,
teils einem jehr entarteten Hinduismus und Buddhismus, teild dein roheiten Dämonismus
ergebenen Bevölkerung hat die oberflächliche alte holländische Miffion kaum Spuren binter:
Iaffen und ift erft feit dem 2. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts eine wirkliche evangelische
Miſſion im Gange, die in den Händen der Anglifaner, Wesleyaner, Baptiften und des ss
ameritanifchen Board liegt und viel Schulthätigkeit treibt. Sie fonzentriert fih um die
Diſtrikte Dſchaffna im Norden, Kandy im Centrum und Kolombo mit Galle im Süd—
weiten und Süden und hat ca. 33000 Chriften in ihrer Pflege, fo daß fih in dem ge:
ſamten britifchen en die evang. Chriftenzahl auf rund 1 Million beläuft.
3. Das nidhtbritifche Sinterinbien fi)
ft nur fpärlid von der evang. Mifjion befegt. Das unter franzöfticher Herrichaft ſtehende
Indochina iſt ausschließlich franzöſiſches Miffionsgebiet; nur in Siam mit Laos haben die
amerikaniſchen Baptijten und PBresbyterianer auf dem fehr harten Boden und unter mancher
ol wie Enttäufchung einige Heine Gemeinden mit zufammen vielleicht 6000 und auf
M ‚ wo das britiſche Singapur Hauptſtation, gleichfalls die Anglikaner, die engliſchen 45
a aner und Methodiften wie verichtedene Freimiffionare etwa 1000 Chriften ge:
amm
4. Riederländifch Indien (Malaüfcher Archipel).
Dijkstra, Het evangelie in onze Oost. Geschiedenis der Prot. Zending in het tegen-
woordige Nederl. Indie, Leiden 1891 u. 93; Schreiber, Eine Miffiongreife in den fernen 50
Siten, Gütersloh 1899; Grundemann, Koh. Friedr. Riedel. Ein Lebensbild aus der Mina-
bafia auf Celebes, Gütersloh 1873; Lett, Im Dienjt des Evangeliums auf der Weftküfte von
Nias, Barmen 101.
Der jeit 3 Jahrhunderten im holländischen Bejig befindliche, aus den 4 großen und
vielen kleinen Sunbannjein bejtebende, zum größten Teil mohammebdanifierte malaiiſche 55
Archipel bildet das Arbeitsgebiet der fämtlichen holländiichen und zweier deutſchen Miſſ.⸗
Gefellihaften: der Rheiniſchen und der Neukirchener. Während dieje Gefellichaften nur
fpezififch miffionarifche Arbeit vornehmlich unter der beidnifchen aber audy der mohamme—
i ca. 32 Millionen betragenden Bevölkerung treiben, hat „die prot. Kirche in
Niederl. Oftindien” die Sammlung und Pflege der Gemeinderejte übernommen, welche nad) co
ResisEnchflopäbie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 1]
ei
ID
Ci
162 Million unter den Heiden, proteſtautiſche
dem Niedergange der alten Kolonialmiſſion übrig geblieben und ziemlich verwahrloſt
worden waren. Dieje von den jog. Hilfepredigern, meiſt früberen Wisfionaren, vertvalteten
(Gemeinden werden als „aefeitigte” bezeichnet und finden ſich vornehmlich auf den Mo-
lutfen und Südweſter-Inſeln. Nachdem vor 20 Jahren die Niederl. M. G. auch ihr fait
s ganz chrijtianifiertes Minabafja-Wtiffionsgebiet, Das heute ca. 155000 Chriften zählt, an
die niederl. oftindiiche Kirche abgetreten bat, beträgt die Geſamtzahl der zu dieſen „ge
feitigten” Gemeinden gehörigen Chriſten 247000. Der mifjtonierende Einfluß, der von
diefen Gemeinden ausgebt, iſt ein geringer. Auch zum Teil noch Reſte aus der alten
Zeit, aber durch treue Mifftonsarbeit bejonders Goßnerſcher Sendlinge ſehr vermehrt, find
0 die ca. 44000 Ebriften zäüblenden Gemeinden auf den Zangir: und Talaut:Infeln.
Bon den holländiſchen M.:-Gefellichaften, die außer auf Java (20.000 Chriſten) vor:
nebmlih auf Sumba, Savu, Buru, Almabaira und Sumatra Gemeinden gefammelt
baben (ea. 10000 Chriſten), bat feine bedeutende Ergebniſſe aufzumeifen; auch die Neu:
firchener oder Sulatiga:M. im öftl. Mitteljava zäblt nicht viel über 1000 Chriſten. Da⸗
15 gegen find der Rheinischen Miſſion große Erfolge befchteden unter den Bataks auf Su—
matra und in den legten Nabren auch auf der benachbarten kleinen Inſel Nias. Tie erft
1862 begonnene und unter vielen Kämpfen nad und nach vornehmlidy durch den ebenſo
tapfern wie umfichtigen Nommenſen erit bis nab Silindung, dann bi8 an den
völlig unzugänglichen Tobafee ausgedehnte Batak-M. zäblt beute (incl. SKatechumenen)
2, 340010) Ghriften, 25 ord. eingeb. Paſtoren und 221 Lehrer. Das alte Heidentum ver:
liert je länger je mebr feine Mraft und eine chriftliche Volkskirche ft im Werden. Der
Hauptfeind iſt der Jolam, aber auch aus feinen Anhängern find mehrere taufend ge:
wonnen worden. Auch auf Nias, wo die Rh. M. feit 1865 fich niedergelafien, iſt jetzt
eine große chriftlihe Bewegung im Gange, faſt 6000 find getauft und 3500 befinden
zr fi) im ITaufunterrichte. Dagegen tröpfelt es bis heute nur auf dem ſchon 1835 von der
HH. M. befegten Borneo, auf dem 1859 in einem blutigen Aufitande 7 Miſſionsgeſchwiſter
ermordet wurden. Hier bat die Zahl der Getauften eben erſt 2000 überjchritten. Syn
dem britifchen Nordborneo iſt feit 18:48 die S.P.G. unter den Tajafs mit großer Gebuld
und nicht ohne Erfolg tätig (3000 Getaufte). -- Das ergiebigfte niederländijche Mif-
s» fionsgebiet bleibt allerdings die bereits erwähnte Minabafla auf Celebes, wo im Dienjte
der Niederl. M. 6. vornehmlich die beiden Jänickeſchen Zöglinge Riedel und Schwarz
den (Hrumd zu einer alifurifchen Volkskirche gelegt baben. Die Geſamtſumme der evang.
Shriften im malatifchen Archipel beträgt alfo 390 000.
5. China.
an Medhurst, China, its state and prospects, London 1857; Williams, The Middle-
kingdom®, New-York 1883; A. Smith, Chinese Characteristics, New-York 1894; China
Miss. Handbook, Schanghai 1896; Beach, Dawn of the hills of T’ang or missions in
China, Wew-P)ork 1878; Hartmann, Ueberſicht über die ev. Mijfion in China, 9. M.8.
1900; Mackay, From far Formosa, Gdinb. 1896; Martin, A cycle of China or China
4) South and North, Edinb. 1900; Broomhall, Martyred missionaries of C. I. M., Lond. 1901;
A. Smith, China in convulsion, 2 vols, Edinb. 19015 Sclatter, Die chinejifche Fremden:
und Chrittenverfolgung im Sommer 1900, Baſel 1901.
Das in 18 ziemlich felbjtitändige Provinzen geteilte, von mehr ald 400 Millionen bevöl⸗
ferte chineſiſche Reich bietet Durch feine Schwierige Sprache, Durch die ftolze Selbitgenügfamteit
4 und Selbitgerechtigfeit jener Bervobner, durch ihren ſtarren Konſervatismus und ihren
Haß gegen die Fremden, Durch die Turchfegung des geſamten politiichen und fozialen
Lebens mit dem Nonfuzianismus und durch den alles beberrichenden Ahnenkultus der
Miſſion ganz eigenartige Schwierigkeiten. Tiefer mit einem vielgeftaltigen Aberglauben
zufanmmenbängende Kultus bildet die praftiiche Religion des in religiöfer Beziehung eflel-
so tifchen und toleranten Chineſen, der Konfuzianer, Taoiſt, und Buddhiſt zugleich tft und
der fih auch das Chriſtentum gefallen lafjen würde, wenn es ſich damit begrrügte, eine
Religion neben anderen zu jein.
Wie in Indien ſo iſt auch in China die katholiſche Miffton viel älter als die evan-
geliſche; ſie begann ſchon 1581 und war unter dem Kaiſer Kanghi, dem fich die gelehrten
65 Jeſuiten (Schall u. |. w.) durch ihre aftronomifchen und technifchen Kenntniſſe unent-
behrlich machten, nabe Daran, ihr verbeidnischtes Chriſtentum als religio licita anerfannt
zu feben. Aber ibre Einmiſchung in Die Politik führte nah dem Tode diefes Kaiſers
zerftörende Verfolgungen berbei und die fpäteren Akkomodationsſtreitigkeiten wie die Auf:
—* deo Jeſuitenordens reduzierten die Chriſtenzahl ſehr bedeutend. Im 19. Jahr⸗
vo hundert war es wieder Die Verbindung mit der franzöſiſchen Politik und die Einmiſchung
in die bürgerliche Rechtopflege, welche Die latholiſche Miſſion ebenſo gefürchtet wie verhaßi
Miffion unter den Heiden, proteftantifche 163
machte. Mit einem zahlreihen und zum Teil tüchtigen Arbeiterperjonale hat fie bie
1900 ca. 625000 Shriten geſammelt.
Die evangeliſche Miſſion zerfällt in 3 Perioden: 1. in die der bloßen Vorbereitung von
1807 -42, in der den weſentlich mit ſprachlichen und litterariſchen Arbeiten beſchäftigten
Londoner Miſſionaren (Medhurſt, Morriſon, Milne) der Aufenthalt im Lande noch ver: 5
boten war und auch der in Kanton ſich heimlich aufhaltende Amerikaner Bridgeman ſich
jeder aggreffiven Thätigfeit enthalten mußte. Nur der enthufiajtiihe Gützlaff verjuchte
fie an den Grenzen und nad der Offnung des Landes durd) eingeborne (unbefehrte)
Chineſen, die ihn fchmerzlich täufchten. Ein ſichtliches Ergebnis hatte dieſe Arbeit der
Pioniere nicht. 2. In die Periode der durch den ſog. Opiumfrieg 1842 erzwungenen
Deffnung 5 dhinefifcher Häfen (Schanghai, Ningpo, Futſchau, Amoy und Stanton) für
den Fremdenverkehr bis zur meiteren Auffchliegung der Küftengebiete und zur Defretie-
rung der Miſſions- und Religionsfreiheit durch den Frieden von Tientjin 1860, aljo
abermals durch friegerifche Gewaltakte. Die durd jolche Einführung von vornherein
jtigmatifierte Miffton hat in diefer Periode weſentlich nur jene Vertragshäfen und ihre 15
nächfte Umgebung bejeßt. Obgleich es an aufopferungsvollen und tüchtigen Mifjtionaren
(Zechler, Burns, Legge, Edkins, Boone, Muirbead, Wolfe, Stronach, H. Taylor) nicht
feblte und die 1850 einfegende Taiping-Rebellion eine ger lang zu Refornhoffnungen
zu berechtigen jchien, tft doc das miffionsitatiftiiche Ergebnid auch diejer Periode ein ge:
ringes: 1200 fommuntonberechtigte Chriften. 3. Erft in der dritten Periode, die mit der ao
befannten blutigen Kataftrophe 1900 abichließt, und in der allmählich, namentlidy auf
Anregung des Feurigen Bahnbrechers der neueren Chinamiffion, des liebeglühenden und
nicht zu ermüdenden Hudſon Taylor und feiner China-Inland-Miſſion, alle 18 Provinzen
des Reichs in den Bereich der evangelifhen Miſſion gezogen wurden, beginnt der Erfolg
in überrafchender Weife zu Steigen: 1873 — 9700; 1883 — 21500; 1893 -— 55000; 1900 5
— 100000 fommuntonberecdhtigte Kirchenglieder, d.h. eine Ehriftenzahl von 210—215 000,
von der die höchiten rogentjüße auf die Provinzen Fukiehn (60 000), Kanton (40 000),
Schantung (30000 und die Mandichurei (20000) entfallen. Die Unfruchtbarkeit der
chineſiſchen Miffion ift alfo ein unbegründetes Vorurteil. In diefer Periode vermehrten
fih die in China arbeitenden, faſt alle proteit. Nationalitäten und Sirchengemeinfchaften 30
vertretenden Gefellfchaften auf ca. 40 und das männlihe Mifjionsperjonal (darunter
allerdings ein bedeutender Prozentjag nichtordinierter) auf 1100. Wejentlih unter dem
Einfluß H. Taylors ftieg auch die Zahl der unverheirateten Miffionarinnen auf über 700
und die der Miffiongärzte und -ärztinnen auf 184.
Neben der erzieberiichen (2079 Schulen) ift von großem Einfluß die litterarijche 35
Thätigleit geworden, die in der Gefellichaft zur Verbreitung chrijtlicher und allgemeiner
Kenntniſſe in Schanghai ihr Daupicentrum bat. Aus der Fülle der durch ihre littera:
riſche Thätigkeit hervorragenden Miffionare feien nur einige genannt: Xegge, der erite
erauögeber der chinefiichen Klafjiter (als Prof. der Sinologie in Oxford, geft. 1898);
artin, der ſpätere Präſident der kaiſerlichen Univerfität in Peking; A. Emith, der treue 40
Photograph des chinefifchen Volkslebens; Th. Richards, der spiritus rector der Schang-
haier ©. zur Verbreitung chriftlicher und allg. Kenntniſſe und begehrte Berater der reform:
freundlichen Vicelönige; E. Faber, der geniale Vermittler zwiſchen der chinefifchen und
abendländiichen Gedankenwelt. Und ebenbürtig als erfolgreicher Evangelift jtebt der raft-
loje Griffith John und der Bahnbrecher der Mandſchurei-Miſſion, J. Roß, ihnen zur Seite. 45
Eine neue Epoche nicht bloß der Miſſion ſondern der Gejchichte Chinas beginnt mit dem
Schredensjahr 1900. E3 war eine ebenio Turzfichtige wie böswillige Verdächtigung der
Miſſion, ——* der evangeliſchen, daß ſie die Schuld an der blutigen Kataſtrophe trage.
Allerdings hat ſie am ſchwerſten unter dem vulkaniſchen Ausbruche des Fremdenhaſſes
gelitten: tauſende von eingeb. Chriſten (die Zahl läßt ſich heute noch nicht feſtſtellen) und ;
187 Glieder des evang. Niffionsperfonale (unter ihnen 52 Kinder) find ermordet und
Miffiondeigentum tft im großen Umfange zerjtört worden; aber die eigentliche Urfache
der Kriſis war nicht die Miſſion, fondern die gefamte Vorgefchichte der Beziehungen
— China und der abendländiſchen Welt, deren Ergebnis ein beſonders durch die
erbungen der 90er Jahre, wie die Eiſenbahn- und Bergwerksunternehmungen ge: :
fteigerter Fremdenhaß war. Dazu kam die überjtürzte Neformbeivegung des jungen Kaiſers
fü, welche eine fanatifche Reaktion der altfonjervativen Partei unter der Führung
der Kaiſerin-Witwe hervorrief und die von diefer Partei großgezogene wilde und aber:
* Boxerbewegung mit ihrer Loſung: Tod den Fremden. Nicht religiöſe Motive,
dern die gehäuften Herausforderungen des beleidigten chineſiſchen Nationalſtolzes ſeitens co
11*
vn
0
EN
—
[1
a
LIE Miffion unter den Heiden, proteſtautiſche
Berlin abendlandiſchen Politik, welche die Mandarinen und Yitteraten zur ana:
ul der unwiſſenden und abergläubiichen Maſſen benugten, baben die Kataſtrophe
Btyarehuttt Und wenn ihr jo viel Miſſionare und eingeb. Chriſten zum Upfer fielen,
hun dae daber da Diele wehrlobs und der Volkswut am erponiertejten waren und
daß das uneibe Vorurteil in tbnen Bundesgenoſſen der verbaßten fremden Mächte er-
—8* Wenn de Münton eine Schuld traf, jo war es Die katholiſche, die verantwortlich
abe sperden konnte. weil Nie ters mir der Politik verflechten war und namentlich der
N ander: br deutiche Biber Anzer. Der Ich rubmte, Daß Deutfchland ibm den Beſitz
ver nd verdanke.
ve spater Were beden dre irdtichen Ehrtiten Die Feuerprobe beitanden. Wobl
J St it Dyaforzwen wsızız Nrefe, die metiten beitanden in einem zweideutigen
2, ae cin syskır Vroyundes beames Treue bis in den oft ſehr grauſamen Tod.
3» \arrer Diem dit zu einer glänzenden Cbrenrettung
Non Nuss * ——— znerssen Ehriten ausgeſchlagen. Und was noch
—XR N: era N CRÛÚAI-. ton —— u auniten Der Miſſion eingetreten,
No. Neun Se ssn Sı hr Sukn’ berobnsr alt überall jind Die Miſſio—
RUNNTO Nam oo ygaätarnge SIAT Dan rn. | Sr zurudaenıfen und mit offiziellen Ebren
Nut mu SI Pre 55 Kemisa Eriat fur Den angerichteten Schaden ange:
N
Nov SINE 878 Sarnen Daben jeden ZSchadeneriag abuelebnt, andere ihn aller:
Neo nenne EN. AUnrerichiede von den boben ‚verderungen Der Katholiken
RENT Sn az purden von den hoben Beamten evangeliſche Miſſio⸗
wu Mein. Neo] Wstound That bei Der Einführung der ım Schulweſen nötig
N.No Were ode, chser Mur, tauſcht nicht alles, ie Kar mit der Nataftrophe
EN NRE IE Eroce der wineſiſchen Miſfien begonnen. Freilich
Nut 5 Ne Wereosps Fromroens: bald kommt es bier bald dert zu neuen Un—
N NIE met on a er sumiihen Hoffnungen warnen muß.
Wr ee das ae Dem benachbarten (5 Millionen zahlenden) Norca,
Net IN AN N nas und jegigen Zankapfel zwiſchen Rußland und Japan,
rn co entre von amerikaniſchen Presbyterianern und biſchöflichen
END Nr Sun mWange it, Die bereits 7-— 8000 Chrüten gelammelt bat
Nom Nor. A. stanr Mtellt.
x 7. Fpire. New-York 1876; Stock, en and the Japan mission®,
nn . a life story of foundation work, New-Yort 1900; Hardy,
. 8. Nara Boston 1502, Ritter, Dreißig Jahre prot. Miſſion in Japan,
N IN Geha „ ergänzte engl. üeberſebung desſelben von Greene, Totyo 1898;
OR needs Nupan, Bremen 1895; Munzinger, Die Japaner, Berlin 1898;
\ N 8.0. Wiizenmiflenid. in allen ihren Jahr: gängen.
oem von Xaver 1549 eröffnet, eine alte fatb. Miſſion beitanden,
Non 5 “Ns opinliche Allianzen erzielten großen Scheinblüte 1637 ein ge:
— Nova wurde, Das zugleich den völligen Abſchluß Des X Landes gegen
NO Na NN Erſt 1853 wurde durch die Amerikaner jeine Offnung
I INn 8 ib Japan umter der Fübrung des Mikado mit einer fat
‘ ' ed. au rinem modernen Kulturſtaate umgebildet, dem es gelungen
NN N and Großmächte sine ebenbürtigen Maß ſich zu erringen.
NR nn! Miſionsſignale. Obgleich Das Chriſtentum anfänglich religio
ea Ib 1859 Die erſten amerikaniſchen Miſſionare (proteft. bijchöf-
—BR jormierioh, unter ihnen Die großen Bahnbrecher Hepburn und
rat N a, olohama id niederzulafien, wo fie allerdings zunächit nur ale
NE RN oit Aurentbaltsrecht erhielten, aber Durch ihr Vertrauen erweckendes,
N Do yywe perionliches Verhalten cine felte Begründung der evang. Milfon
>esound und nach durch : 32 Geſellſchaften (unter ibnen ſeit 1885 auch der
‘ sen MR, mir wenigen Arbeitern) vertretene Miſſion bat eine Gefchichte
ne Bieelfalle Man kann fie in 4 Perioden teilen! 1. in Die der
Sy a Nr Verborgenbeit etwa bis 1872, wo es in Volobama zur Kon:
N am, au LI Gliedern beitehenden japanijchen Gemeinde fam; 2. in die
ra Neo alten Edikte gegen Das Ebrijtentum ermöglichten öffentlichen
“nette dio zum Sabre 1889. Der große Erfolg, den dieſelbe hatte
N mmionberechtigte Chriſten), lag weniger in einem religiöſen Be⸗
So RXlAnndaeoſen alten Religionen (Schintoismus, Buddhismus und Kon⸗
Miſſion unter den Heiden, proteſtantiſche 165
fuzianismus) nicht befriedigten, al3 in dem epidemiſch gewordenen Kulturbunger, der die
Annahme des Chriſtentums als ein integrierended Stück des civiliſatoriſchen Fortſchritts
betrachtete. In diefe 3 der Begünſtigung der Miſſion durch die führenden Geiſter
namentlich in der Preſſe fällt auch (1876) die Begründung der chriſtlichen Hochſchule
(Doſchiſcha) in Kioto durch den edeln Niſima, deren Schülerzahl bis 1889 auf 900 ſtieg. 6
Leider ſtarb dieſer bedeutende Mann ſchon 1890 und in der damals einſetzenden Reak—⸗
tionsperiode wurde die Schule ihres chriſtlichen Charakters beraubt, eine Kriſis, die aller
dings vorübergegangen, ſeit der aber die alte Blüte big jet nicht mwiedergefehrt iſt. Es
waren überwiegend Vertreter der mittleren und höheren Stände, die die von Anfang an von
einem ſtarken Selbititändigfeitstriebe erfüllten weſentlich jtädtifchen Gemeinden bildeten. 10
*— ae diefe Gemeinden damals bereitd ſich zu Firchlichen Unionen zuſammen⸗
zufchließen.
Schon träumten Enthufialten von einer Chriftianifierung Japans bis zum Ende des
19. Jahrhunderts, da trat 3. eine Periode erit des Stillftandes der Bewegung, dann der
Reaktion gegen das Chriftentum und der Sichtung ein, die bis 1900 andauerte und in 15
der ſich die Zahl der erwachſenen Chrilten nur bis auf 41000 vermehrte. Rn diejer Ebbe⸗
bewegung trugen vornehmlich 3 Urfachen bei: a) die in der jüngeren Generation ein-
geriſſene Zügellofigleit, welche der Vernachläſſigung der vaterländifchen Religionen fchuld
gegeben wurde und die unter der Parole: zurüd zu den vaterländ. Sitten, ein Wieder:
aufleben der heidnifchen Religionen zur Folge hatte; b) die Giferfucht des empfindlichen 20
japanifchen Patriotismus, welcher das Chriftentum für unvereinbar mit der japanischen
Baterlandsliebe erklärte; und ce) die Importierung des abenbländifchen Unglaubens und
der große Verwirrung anrichtenden modernen kritiſchen Theologie. Es iſt ja ſchmerzlich,
daß der Chriſtianiſierungsprozeß Japans ins Stoden geraten ift, aber die Sichtung tft
durch die dreifache Lehre, die fte gegeben, ein Segen geivorden: nämlich, daß der bloße 25
Kulturbunger nicht identifiziert werden darf mit religiöfer Empfänglichkeit; daß der ge-
funde Eroberungsmweg der hriitlihen Miſſion von unten nach oben und nicht umgefehrt
gebt; und daß man dem Evangelio Chriſti feine miffionierende Kraft nimmt, wenn
man es rationalifiert, um das Argernis des Kreuzes zu bejeitigen. Seit 1901 ift durd)
einmütige Aktion aller altgläubigen Milfionsorgane wieder ein Aufſchwung eingetreten, 30
der, wenn nicht alles täuscht, den Anfang einer neuen vierten Periode der japanifchen
Miſſion bezeichnet.
Von den 4 Hauptinjeln (Hoflaido, Hondo, Schilofu und Kiufchiu), aus denen dag
43 Millionen zäblende japanische Reich beiteht, iſt die größte, Hondo, am ſtärkſten befegt;
namentlich in der Hauptſtadt Tokyo mit dem Hafenorte Wolohama findet ſich bis heute 35
faft die Hälfte der japanischen ev. Ehrijtenheit. Die fongregattonaliftifchen, die presbyte—
rianifchen und die episfopalen Gemeinden haben fich zu je einem Kirchenkörper zufammen:
geichloffen und die methodiftifchen jind im Begriff, es gleichfall® zu thun.
Statiſtiſches Ergebnis der aſiatiſchen Miffionen:
Das weitlihe Alien . . . . 75000 evang. Chriften 40
Britifch- Indien mit Cylon . . 1000000 „
Nichtbrit. Hinterindien . . . . 6000 „ „
Malaiischer Achipel. . . . . 39000 „ „
China mit Korea . 2... .2....222000 „ „
Japan. 65000 „ 45
Ca. 1758000 „ „
D. Sözeanien.
Meinide, Die Inſeln des ftillen Ozeans, Leipzig 1875 und 76; Anderson, History
of the mission of the Am. Board to the Sandwich islands, Bojton 1872; Cousine, The
story of the South Seas, Zond. 1894; Prout, Memoirs of the life of J. Williams, London 50
1893; Beller und Kurze, %. Williams, der Mifiionar der Südfee und die Londoner Südſee—
Riliion*, Berlin 1896; Kurze, Samoa, Berlin 1900; Turner, Nineteen years of missio-
nary life in Polynesia, London 1880; West, Ten years in South-Central-Polynesia, Xon:
don 1865; Rowe, Fidji and the Fijians, Yondon 1870; J. Paton, Missionary to the New
Hebrides. An autobiography, deutſch, Leipzig 1895; Yonge, Life of J. C. Patteson, Lond. 55
1875; deutih, Gütersloh 1877; Armstrong, The history of the Melanesian mission, Lond.
1900; Kunze, Im Dienft des Kreuzes auf ungebahnten Pfaden, Barmen 1877; Better, Die
Arbeit der Reuendetteldauer M. auf Neuguinea, Neuend. 1898; Murray, Forty years mission
work in Polyn. and New Guinea, Lond. 1870; Chalmers u. Bill, Neuguinea, Reifen u.
Mifjionsthätigkeit, deutſch, Leipzig 1886; Schneider, Mifjionsarbeit der Brüdergem. in Auſtra- 60
166 Miſſion unter den Heiden, proteſtantiſche
lien, Gnadau 1882; Buller, Forty years in New Zealand und New Zealand past and pre-
sent, Zond. 1878 und 83.
Auf der in die 5 Hauptteile: Polyneſien, Mitronefien, Melanefien, Auftralien und
Neufeeland ſich glievernden und, von den reichlih 4 Millionen weißen Anſiedlern abge:
5 fehen nur von faum 1:/, Millionen Cingebornen bevölterten ausgedehnten Inſelwelt des
jtillen Ozeans, febte, angeregt durch die Cookſchen Entdedungen, die evangelifche Miſſion
durch die Londoner M.G. als Pionierin 1797 und zwar auf Tabitt ein. Dieſer Gejell-
fchaft, Die nah und nah unter der Führung hervorragender Miffionare (John Williams,
Murray, Chalmers) ihre Arbeit über einen großen Teil Polyneſiens und jpäter bis nad
10 Neuguinea ausbehnte, folgte die C.M.S. in Neufeeland (Marsden), die West. M.G. auf der
Zonga:, Witi- und Samoagruppe (Hunt, Galvert) und ſpäter im Bismardardipel (Brown),
der amerifanifche Board auf Hawar und von da aus in Mifronefien (Doane) die (ang-
likaniſche) melanefishe Miffton unter Selwyn und Vattefon, die fchottifchen und Tanabı-
chen Presbpterianer auf den Neuhebriden (Geddie, Paton). Auch einige Tleine deutſche
15 Miffionen finden fih in Auftralien und Neuguinea und die Parifer MG, mußte auf
den franzöfifchen Beligungen an die Stelle der vertriebenen Londoner treten. Seit Mitte
der 30er Jahre, als die evang. Miffion bereits bedeutende Erfolge erzielt, drängte fich,
zuerft im Bunde mit der franzöfifchen Macht, auch die katholiſche Miffion ein, mit der
unverbüllten Tendenz, die evangelifche möglichit zu zeritören. Das jtatiftifche Ergebnis
20 der letzteren beläuft jich jegt auf rund 300000 Chriſten. Eine genke Reihe von Inſel⸗
gruppen iſt ganz oder fait ganz chriitianifiert und felbit decidierte Miffionsfeinde müſſen
onftatieren, daß, wenn man das Sonft mit dem Set vergleicht, durch die Miffion „ein
höchſt erfreulicher Fortſchritt herbeigeführt worden iſt“.
1. Bolynefien.
26 Auf den jegt den V. St. einverleibten Hawaii- oder Sandwichinſeln, auf denen Coof
1779 erfchlagen wurde, begann 1820 der Am. Board das Chriſtianiſierungswerk und
1870 erklärte er «8 für vollendet. In doftrinärzindependentifcher Haft überließ er die
junge, zur Selbſtſtändigkeit noch nicht reife Miſſionskirche fich felbft, mas einen inneren und
äußeren Rüdgang zur Folge batte. Heute gehören von den auf einige 39000 reduzierten
so Voll- und Halbhlut-Eingebormen kaum noch 17000 zu ihr; der Net bat fidh der
ſpäter eingedrungenen anglikaniſchen Miffton angeichloffen oder iſt Tatholifiert worden,
vielleicht auch ins Heidentum zurüdgefallen. Unter den 82000 eingeiwanderten Japanern
und Chineſen wird von verſchiedenen Seiten und nicht ohne Erfolg miſſioniert.
Cine eräignisreiche Gefchichte bat die 1797 durch die Londoner G. begonnene evang.
5 Miffion auf den 3 Gruppen der Gefellichaftsinfeln, befonders auf Tahiti, durchlebt.
1815 verbalf ein durchichlagender Sieg des Könige Pomare der chriftlichen Partei zur
Herrſchaft, 1826 begannen die Maffenübertritte. 1836 drängte ſich die fatholifche Pro-
paganda ein, 1842 murde das franzöftfche Protektorat proflaniert, 1863 mußte die
Pariſer M.G. auf Tahiti und 1887 aud auf Rajatea, dem früheren Gentralfige des
2%. Williams, die Yondoner ablöfen. Zie bat jegt die ſämtlichen 15000 evang. Ein:
gebornen in ihrer Pflege.
Ungeftört dur katholiſche Eindrängung iſt feitens der Londoner G. der ganze (eng:
liche) Hervey-Archipel, in den Rarotonga, gleichfalls durch Williams, am befannteften ge
worden, driltianijtert (9000).
55 TDasjelbe ift der Fall mit der ihrem größten Teile nach jet deutfchen Samoagruppe,
nur daß bier eine katholiſche Invaſion ftattgefunden bat und neben den Londoner aud
Wesleyaniſche Mifftionare tbätig gewefen find (32000 evang. Cingeborne). Bon Raro:
tonga und Samoa aus find auch, weſentlich durch eingeb. Lehrer, die Tokelau-, Ellice
und ſüdl. Gilbertinfeln ganz bzw. falt ganz chriftianifiert worden. Die Londoner M.G.
so zählt bier ca. 11000 Chriſten.
Völlig chrijtianiftert und zwar durch die Weslchaner jind ferner die benachbarten
(engliſchen) Tongainfeln, allerdings nicht ohne blutige Kämpfe. Hier hat über 50 Jahre
lang der allgemein geachtete chriſtliche Knig Georg ein weiſes und fegensreiches Regiment
geführt (17000 evang. Chrijten).
> sm Witi-Archipel find, gleichfalls dur die Meslevaner, von der jeßt noch 109 000
Seelen Starten eingebornen Bevölferung 98000 zu evang. Chrijten gemacht worden. Der Sieg
des Evangelii über dieſe einft robeiten Kannibalen gebört zu den glänzenditen Partien ver
neueren M.Geſchichte, obgleich er nicht ohne kriegeriſche Rämpfe zu ftande gefommen ift.
„Es iſt bier ein Werk getban, bezeugt der englifche Gouverneur Gordon, deſſen Gründ-
co lichkeit und Weitherzigfeit alle meine Erwartungen übertrifft”.
Miſſion unter den Heiden, proteftantifche 167
Viel jünger als in Polynefien ift die Miffton in dem weſtlich angrenzenden und
von einer wilden Bevölkerung beivohnten
2. Melanefien,
deſſen beſetzteſtes und ergiebigjted Arbeitsfeld die in 3 Gruppen geteilten Neuhebriden
find. Neben den Anglifanern (melancfifhe Miſſion) find es die ſchottiſchen, fanadifchen 5
und auftralifchen Presbyterianer, welche bier die Arbeit tbun, deren Ergebnis ca. 20 000
evang. Chriften (unter 85000 Bewohnern) find, die erfteren auf den nördlichen, die letz⸗
teren auf den mittleren und füdlichen Inſeln. Ganz criftianifiert find Aneityum durd)
Geddie, Aniwa durch Paton, Tongoa durch Michelfen, faft ganz das von dem Märty-
rerblute William! und der beiden Gordon getränkte Erromanga; auch auf den nörd—
lihen Inſeln hat die melanefische Miffion bedeutende Erfolge erzielt.
Das Arbeitögebiet derjelben eritredt fich auch auf die nördlih und norböftlih an-
arenzende Santa Cruz: und Ealomon:Öruppe. Auf der zu der erjteren gehörigen Inſel
Nukapu fand der edle Biſchof Patteſon den Märtyrertod. Insgeſamt zählt die von der
neufeeländifchen Kolonialfirche betriebene melanefiihe Miffton auf 26 Inſeln der 3 ge: 16
nannten Gruppen 12000 ®etaufte.
In dem jeit 1884 unter deutfche Schußherrichaft geitellten Bismardarchipel haben auf
Neupommern, Neulauenburg und Neumedlenburg die auftralifchen Wesleyaner jeit 1875
eine wejentlih durch eingeborne polynefifche Evangeliften betriebene Miflion im Gange,
die gegen 9000 chriftlihe Anhänger in ihrer Pflege bat. 20
Mit ähnlihem Erfolge ift von den Londoner Miffionaren im britifchen (ſüdöſtlichen)
Neuguinea und zum Teil auch von den Wesleyaniſchen bier (und auf den Luifiaden)
gleichfalls durch polyneſiſche Evangelijten unter Führung beroifher Männer wie Murray,
Chalmers, Lawes, gearbeitet worden (ca. 18000 chriltlihe Anhänger). Dagegen ift im
niederländifchen Neuguinea (Doreh:Bay), wo der Utrechtſche M. V. (van Haflelt) feit 1885 25
(260 Getaufte), und im deutfchen Katfer-Wilbelmsland, wo die Neuendettelsauer und die
Rheiniſche M.G. feit 1886 und 87 ein opferreiches Geduldwerk treibt, erjt ein fehr ge-
ringer Erfolg zu regiftrieren. In dem an kleinen Inſelchen reichen
3. Mikroneſien
ft in den 3 Archipelen, dem (engliichen) Gilbert: mie dem (deutichen) Marfchall: so
und Karolinen-Archipel ausfchlieplih der amerikanische Board durch eingeborne Xebrer,
ſowohl hawaiiſche wie mifronefifche, fett 1852 thätig, mit Ausnahme der füdlichen von
der Londoner Miſſion faſt chriftianifierten Gilbertinfeln. Während auf den Gilbert: und
Narichallinfeln jeine Arbeit einen im ganzen ruhigen Gang genommen bat, tft fie auf
den Karolinen, vornehmlich der Hauptinsel Ponape, durch Die glüdlichermweife nur vorüber: 35
gebende ſpaniſche Offupation (1886—99) in der gemwaltthätigiten Weife geftört morden.
(Mit Einſchluß der zur Londoner Miffion gebörigen) zählt das geſamte Mikronefien
22000 evang. Chriften.
4. Auftralten.
Unter der ausiterbenden, höchſtens noch 55000 Seelen betragenden, berfprengten 40
und auf tiefiter Kulturftufe stehenden eingeborne Bapuabevölferung wird in Viktoria,
Neufüdwales, Queensland, Süd: und Weſtauſtralien von der Brüdergemeine (Hagen:
auer), den deutſchen Yutheranern und den Anglifanern (Gribble), am ausfichtsvolliten
von der eriteren auf der Nork-Halbinjel (im Norden Queenslands), mit der ausdauernd-
ften Geduld, aber wenig Erfolg gearbeitet; höchſtens 1200 Chriften find das Ergebnis. 45
Größer ift dasjelbe unter den eingerwanderten Chinefen (700) und den als Arbeiter ein:
gehen Ozeaniern (1000), unter denen faft alle auftralifhen Koloniallirchen mif-
nieren.
5. Neufeeland.
Hier begann 1814 die C.M.S. und 1822 die Wesleyaniſche Miffions:Gefellfchaft so
die Arbeit, die bald einen überrafchenden Erfolg hatte, der aber leider durch die mit
der wachſenden weißen Einwanderung und der englifchen Okkupation entbrennende
gandfrage, welche zu einen blutigen Kriege mit den Maori führte, jehr geitört wurde.
Richt wenige fielen ganz ins Heidentum zurüd, andere bildeten jih unter Führung eines
fanatifchen Propheten eine phantaftifche Mifchreligion, den Haubauismus, und es hat Jahr: 56
zehnte gedauert, bis diefe Wirren wieder überivunden worden find. Cine feitens nord:
deuticher Miſſionare auf Ruapufe gefammelte Gemeinde bat ſich den Vresbyterianern an:
geichlofien und die Hermannsburger Miffton hat ihre dortige Arbeit aufgegeben. Die Zahl
der Maorichriften beläuft fich heute auf 25000.
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Statiftifches Ergebnis der ozeaniſchen Miffionen:
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— — 22.000 —
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Nafelant- ; 2. 285000 „ —
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Geſamtſtatiſtik:
Amerifa . : . » 8375000 „ er
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l 9 — vermehrt ſich der ionserfolg in fteigender Pro⸗
— en. In Laufe der legten 25 Jahre ift er —J— en als in den vorhergehenden
underten zuſammen. Dazu — a iöfer, fittlicher
und fultureller Beziehung weit über d —R regiſtrierbare Man
2 muß * Sonft mit dem Jetzt vergleichen, um auf ben einzelnen Di ebieten den
— richtig zu werten, den der ion verdanken. Die Verglei ER
geivejen mit dem, was fie geworden ‚ giebt auch den richtigen *
Beurteilung der Qualität der are ten. Sp elementar auch immer das
der Majorität derjelben fein mag: ergleich zu der Nacht des Heidentums, aus *
0 fie gekommen, iſt es eine ee —— die den Aufg Ya neuen Tages be
we Und baben fie auch den alten Menſchen noch nicht vo ig muägegogen jo hr es
ſchon ein großer Sieg, wenn der Heide abgelegt ift. Trof aller ihrer Mängel ——
atten iſt die Heidenmi fion der Gegenwart doch ein Werk, an dem man Gottes
— ſieht. Leider iſt es keine einheitliche Chriſtenheit, meh die Mif 3 treibt,
» ſpeziell die rückſichts· und in der Wahl ihrer Mittel ellofe römische Segen
richtet viel Verwirrung an. Und ärgernispoll ift das Verhalten der hrofen IM ajorität
der unter den Heiden lebenden weißen Namenc hriften um berentoillen der Name des
Chriftentums geradezu geſchändet wird. Die unchriſtliche Chriftenbeit inmitten ber Heiden:
welt bildet das größte Hindernis der modernen Miſſion.
40 4. Die Miffionsmetbode.
BWarned, Evang. Mifionslehre‘, 3. Abt. Der Betrieb ber Sendung, Gotha 1903; Grunde:
mann, Miffions-Studien u. Kritiken, Ju. II, Gütersloh 1894 u. 98; Neben Ev. mil. Mag. u
Allg. ndian Evang. Review (Kalkutta, feit 1874) u. Chinese Recorder (Schanghai, feit
1868). Die Protofolle folgender Miffionätonferenzen: von Liverpool (1860), London 6
45 New⸗Yort (1900); von Allahabad (1873), Schanghai (1878 und 1890), Kalkutta (1883),
Dfafa Ko). Zofyo (1900), Madras (1905), Bremen (feit 1866 bis 1901).
n ben —— der evang. Miſſion war es bezüglich der — Anweiſungen
ähnlich wie in den nfängen der chriftlichen Miffion überhaupt: fie fehlten entiveder ganz
oder fie waren, wie Zinzendorf gelegentlich fagt: „neneral“. Die Theorie iſt i ren ——
1 exit u und wo fie ihr voraufgegangen tt, bat die Erfahrung ie torı
bie. Auch die Miffionsmetbode bat ihre Gef
le ben wir «8 allerdings bis heute noch nicht — "Sie Ver.
re der Miffionsorgane in nationaler, firchlicher und päda ——— Bien
es auch ſchwerlich zu ibr kommen laſſen; aber über die großen un N
ss je länger je mehr eine weſentliche Übereinftimmung erzielt, wer auch im
Handeln nad) diefen Grundjägen immer Variationen bleiben, die durch die Belt |
der Miffionsorgane bedingt jind. Nach und nach bat ſich der vlic für die großen Pro-
Miffion unter den Heiden, proteftantiidhe 169
bleme verjchärft, die im Laufe der Arbeit je länger je mehr zu tage traten, und wenn
diefe Probleme auch noch nicht alle gelöft jind, jo find fie doch geitellt.
Nach der Auffaffung faft der ganzen älteren Miffionsgeneration wurde als die Auf-
gabe der Miffion betrachtet 1. den einzelnen Heiden gläubig und durch den Glauben
felig zu maden und 2. diefe gläubig gewordenen Heiden in eccelesiolae zu fammeln, die 5
man ganz nad) der pietiftifchen oder methodiſtiſchen Fagon formierte. Gegenüber diefem
individualiftiichen Mifftonsbetriebe, Durch den man „Austwahlgemeinden” zu erhalten glaubte,
trat allmählich eine Ernüchterung ein, als man fich der Erkenntnis nicht mehr verfchließen
fonnte, daß die gejammelten Bemeinden, auch wenn fie ihrem Umfange nad) ecclesiolae
waren, doch nicht aus lauter wirklich „Bekehrten“ beitanden, ſondern Bruchſtücke von
Volkskirchen darftellten mit Elementarchriften, deren religiöfes und fittliches Leben fich
über das der TDurchichnittschriften daheim nicht nur nicht erhob, fondern oft unter ihm
jtand. Und indem man diefe Thatjache auch begreifen lernte, wuchs das Verſtändnis
dafür, daß gereifte Chriften nur das Ergebnis einer längeren chritlichen Erziehung fein
fönnten und zwar einer Erziehung, die fich nicht nur auf einzelne Individuen befchränfte,
fondern auf eine fittliche, geijtige und foziale Geſamthebung des Volkslebens, auf eine
Durchdringung der volflichen Naturverbände mit den Sauerteigsträften des Evangelii ge:
richtet fein müßte So brach ſich nach und nach gegenüber der bloß individualiſtiſchen
die erweiterte Auffaflung der Miffionsaufgabe Bahn, daß in Verbindung mit der auf
den Einzelnen gerichteten Nettunggarbeit eine miſſionariſche Volkserziehung ſtattfinden 20
müfle, Die es auf die Sammlung einer einheimischen volfstümlichen Chriftenheit, aljo auf
eine Vollschriftianifierung anzulegen habe.
Im engiten Zufammenhange mit diefer ertweiterten Auffaflung der Miffionsaufgabe
fteht die immer Hlarere Erkenntnis des Miffionszieles, nämlih die Begründung folcher
ſelbſtſtändigen Volkskirchen, die fih aus eigenen Mitteln unterhalten, durch eigene Kräfte 26
erbauen und regieren und aus eigenem Antrieb miffionieren. Diefes Ziel jtellt uns
wieder vor eins der jchwierigiten miflionarifchen Probleme, und bis heute experimentieren
wir noch an feiner Löſung; aber daß es jet überhaupt erfannt war, während man in
den Miffionsanfängen nicht einmal von ihm träumte, das ift der große Fortjchritt. Alle
größeren Miffionsbetriebe arbeiten jegt an der Erziehung der heidenchriftlichen Kirchen zur 80
Eelbjtftändigfeit, nur daß es die einen haftiger, die anderen befonnener thun. Am ener:
giſchſten haben die freikirchlichen Mifftionsorgane die Selbititändigftellung betrieben, allen
voran Die independentischen, die freilich in ihrem doftrinären Eifer die Reifebedingungen wie—
derbolt ignoriert haben, an welche diejelbe gebunden werden muß. Bis heute giebt es
— abgejeben von den Negerfirchen der V. St. — noch Feine wirklich ſelbſtſtändige d. h. 35
von mifjionarifcher Leitung völlig unabhängige heidenchriftliche Kirche. Wo man das Er-
periment gemacht bat, 3. B. in Hawaii, Madagaskar, brit. Guyana, da hat der der pä—
dagogiſchen Weisheit ermangelnde independentijche Doftrinarismus ein Scheingebäude ge-
ſchaffen, das der foliden Fundamentierung entbehrte,; überall tt innerer und äußerer
Rüdgang die Folge geweſen. Für die völlige Unabhängigkeit von der jendenden Chriften- 40
beit feblt falt allen jungen Hetdenfirchen nody die Reife
Aus der erweiterten, mit der Erziehung zur kirchlichen Selbtitändigfeit verbundenen
Miffionsaufgabe ergeben ſich nun eine Neihe wichtiger mifftonsmethodifcher Konfequenzen:
a) eine gejunde Pflege des Volksſtums. Nur wenn das Chriftentum in dem ihm fremden
Boden der beidnifchen Nationen fo eingepflanzt wird, daß es fich in ihm als ein einheimt- 45
ſches Gewächs naturalifiert, kann eine Wirklich jelbftitändige beidenchriftliche Kirche zuſtande
fommen. Tiefe Naturalifierung bedingt eine volfliche Artung des Chriftianifierungsprogeffes:
eine Chriltianifierung der Volksſprache, der Volksſitte, der Volksverbände; eine Aufgabe,
die die Miflion vor eine Fülle der komplizierteſten Probleme Stellt. Vornehmlich zwei
Hauptgefahren find zu vermeiden: eine religiögerigorofe Behandlung der fremden Eitten w
und eine Vermengung der Chriftianifierung mit der Europäilierung oder Amerikaniſierung.
Die erfte diejer Gefahren brachte die pietiftifche Engigfeit mit ſich, die zweite liegt in der
Rulturüberlegenbeit und in dem Nationalegoismus der Miſſionsſubjekte, und beide erden
begünftigt durch Mangel an pädagogiſchem Geſchick gegenüber den Mifftonsobjekten. Die
äbigkeit und der Wille, fremder Eigenart fich zu affomodieren, ift vornehmlich deutjches 55
barigma, während die englifche und amerifaniiche Art fich ſchwer akkomodiert. Selbft
bezüglich der Pflege der eingebornen Sprachen macht ſich dieſer Unterjchted geltend.
b) Die Heranbildung eines eingebornen Lehrſtandes. Allerdings iſt in dieſer Be-
dehung auch ſchon früher manches gefchehen, namentlich wieder jeitens der freifiechlichen
tifftonen; aber die zielbewußte Weiſe, in der es heute gejchieht, freilich manchmal etivag vo
vu
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170 Miffion unter — —
— ———— an die Bild }
nis der neueren milfie
ii pe heute 4170 ord. * aus
5 Eingebornen in ihrem Dienſte unterbält zur A ig —2 375 von RABEN
Schüle befuchte Sehranftalten. Im Zu ——— mit dieſer Vermehrung ber ein⸗
yebornen Arbeiter ſtand nicht bloß eine äußere Ausdehr des — und ve
Gendahen. un; une ——— e dab al
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‚0 mit * I oe jan Mc bin die Erziehung zur frhlichen Selbjeftänd teit Fort:
e) Eine B Bereicherung der Miſſionsmittel. zn blieb, wie fie es von Anfang
eivejen, bi ündliche Berfündigung des gelii das Hauptmiffionsmittel, ab
neben ihr nahm zunädft bie ähul- und bi — u die. Arzeliche
und die Frauenarbeit einen en bititändi |
— ja bis zu Univerfitäten — * ich 6 — —— * all
— aan er Klaſſen >. antchung do Wal be —— ie eine im Ju
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Neben ca. 19000 sichulen * über en gehts Schülern und — mas
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oo find und noch gegeben werden, iſt es ſchwer, beſtimmt au jagen, was unter ihr zu ver⸗
Miffion unter den Heiden, proteftantifche Million unter den Juden 171
fteben iſt. Mott in feinem mit. flammender Begeilterung gejchriebenen Buche: The
evangelization of the world in this generation (London 1900. Sen deutfcher Bear:
beitung Berlin 1900) erflärt: es fei gemeint, „daß allen Menfchen eine ausreichende
Gelegenheit geboten werden foll, Jeſus Chriſtus als ihren Erlöſer kennen zu lernen und
fein Jünger zu erden”, aber nicht: „Chriftianierung im Sinne von Durchdringung der 6
Welt mit chriftl. Ideen“, obgleich Schule wie litterarifche und ärztliche bat eit nicht
ausgeichlofjen, auch die Verkündigung des Evangelit feine oberflächliche fein joll. Pierſon
verfteht darunter nur „Predigt und Zeugnis. Diefe beiden Worte umfaffen alles, was
unter Evangelifation gemeint ift.” Was den Definitionen an Klarheit fehlt, erfegen die
methodischen Grundfäge, nad) denen gehandelt werden fol. Es find folgende: 1. Aus: 10
fendung großer Scharen von Evangeliften, um in fürzefter Zeit allen Menſchen Gelegen:
beit zu geben, das Evangelium zu hören. 2. Größte Beichleunigung ſowohl der Ausjendung
wie der Kundmachung, daber anderprebigt die weſentlichſte Miſſionsaufgabe. Schule,
litt. Thätigleit, Gemeindegründung und gar firchliche Organifation wird entiveder unter:
laffen oder doch als von untergeordneter Bedeutung betrachtet. 3. Weltweiter Umfang der 16
Predigt; daher Zeritreuung der Kräfte nach der Varole: diffusion not concentration.
Begründet werden dieſe Örundfäße durch den Seien Chrifti Mt 24, 14, der nur die
Predigt in der ganzen Welt verorpne; durch das Vorbild der Apoſtel, die als Reife:
prediger fchnell von Ort zu Drt gezogen feien; und durch den Zufammenhang der Miſſion
mit der Paruſie, die dure die beeilte Kundmachung des Evangelit unter allen VBölfern be &
fchleunigt werden müſſe.
Wie diefe Begründung einfeitig und eregetifch unhaltbar ift, die Unterjchiedenheit der
Berbältnifje in der apoftolifchen Zeit und in der Gegenwart ignoriert und auf geiftlofen Be:
rechnungen tie auf Ungebuld beruht, fo ftehen die methodiſchen Grundfäge im Widerſpruch
zu den Erfahrungen eines Miffionsjahrbunderts, entbehren der Bürgſchaft für den Beſtand 26
des — wenn überhaupt erzielten — Erfolgs und lafjen die großen Schwierigkeiten völlig
außer Anſatz, die ein gejunder Mifftonsbetrieb überwinden muß, wenn auch nur eine ver:
ftändnnisvolle Aundmachung des Evangelii, gejeineige die folide Gründung einer chrijt-
lihen Kirche zu ſtande fommen fol. Eine ſolche Gründung iſt Miffionsaufgabe; die Be—
ſchränkung diefer Aufgabe auf bloße Evangelifatton vermechfelt Mittel und Zweck. Tas 30
bloße Predigen genügt nicht; es ſoll vermittelft desfelben der Grund zur Eilleſia gelegt
werden. Ohne dieſen Bau thut die Miſſion ein halbes und noch nicht einmal ein halbes
Werk. Iſt aber die Aufgabe, unter den vielſprachigen und für das Verſtändnis der
evangeliſchen Heilsbotſchaft ſo wenig vorbereiteten Heiden der Gegenwart: die Ekkleſia zu
bauen, die die Pforten der Hölle nicht überwältigen, jo reicht dazu die bloße Kundmachung 36
des Evangelii nicht aus; es ift feite Stationierung, geduldige Ausdauer in gründlicher
Unterweifung, treue Seelforge, ernite Kirchenzucht, weiſe Organiſation unerläßlih, und
diefe folive Arbeit kann nicht über die ganze Erde in Eile, am menigften im Verlaufe
einer Generation gethan werden. Die unter dem Schlagworte: „Evangelifation der Welt
in diefer Generation” mächtig gewordene und von aufrichtig frommen Männern getragene «0
Miſſionsbewegung hat manche Traftuolle Anregung gegeben und enthält für alle Miſſions—
axbeiter im einzelnen viel Beherzigenswertes, aber als eine miffionsmethodifche Reform:
bewegung wird fie feine bleibende Bedeutung haben. Täufcht nicht alles, fo iſt eine ge:
wiſſe Ernüchterung bereits eingetreten; nachdem noch manches zu erjparen geweſene Lehrgeld
bezahlt fein wird, wird auch fie den mifjionsmethodifchen Grundjägen ſich anjchließen, die ss
auf der Erfahrung eines Miffionsjahrhunderts beruhen. Prof. D. Warneck.
Miffion unter den Juden. — Litteratur: Die im Tert angegebenen Mifjions-
zeitihriften und Berichte. Für die ältere und katholifche Miſſionsgeſchichte: einzelne Aufſätze
in den älteren Bänden von „Saat auf Hoffnung“ von Prof. Delipih und Dr. Fürft; aud)
Grätz, Seihichte der Juden. Für die neuere evangeliihe Miſſionsgeſchichte: Das fehr gründ- 50
lie und umfangreiche Werk: Die evangeliihe Ehriitenheit und die Juden unter dem Geſichts—
punkt der Miſſion geichichtlicdy betrachtet von Lic. 3. F. U. de fe Roi, Pfr. 3 Bde, Karlsruhe,
und Leipzig 1884—32. Ferner Israel und bie Kirche, Geſchichtl. Ueberblid der Bekehrungen
der Juden zum Chrijtentume in allen Jahrhunderten von Dr. Chr. K. Kalkar, überſetzt von
AL Micelien, Hamburg 1869; Kurzgefaßtes Handbud) ber Miffion unter Israel von Lic. 55
Dr. &. 9. Dalman, Prof., Berlin 1893, worin S. 101--119 ein reichhaltiges Verzeichnis dei
Litteratur über Judenmiſſion und Judentum enthalten ift. Für die neuejte Zeit find Die
Aufjäße von Lic. de le Roi wichtig in: Nathanael, Zeitfchr. f. d. Arbeit der evang. Kirche an
Sörael von Prof. Dr. H. L. Strad, Berlin, 16 Jahrgänge. — The Jews and their Evange-
lization by the Rev. W. T. Gidney, M. A., London 1899. 60
172 Miffion unter den Juden
Obwohl das Reich Gottes, das zu verwirklichen Jeſus Chriftus gelommen mar, fi
nad) den Weisfagungen der Propheten nicht allein auf Jsrael eritreden follte, ſondern
ſich über die ganze Erde und alle Völker derjelben auszudehnen beftimmt war, jo batte
Jeſus doch feine perfünlihe Wirkſamkeit auf Israel, das alte und einzige Bunbdesvolt
5 Gottes, befchränft, und auch feinen Jüngern hatte er geboten, nicht auf der Heidenftraße
zu gehen (Mt 10,5). Erjt bei feinem Abſchied von der Erde und den Jüngern gab er
diefen den Befehl, alle Völker zu lehren und zu taufen und zu feinen Jüngern zu machen.
Die Zwölfe ſahen fich aber vorerft auch auf die Juden angetviefen. Die erften Chriſten⸗
gemeinden waren ganz und gar aus züdifchen Glementen gebildet; die Gemeinden in
10 Judäa, Samaria, Galiläa (AG 9, 31) beftanden nur aus Juden und udengenoffen,
d. h. folchen Heiden, melde als Proſelyten des Thores oder der Gerechtigkeit die jüdiſche
Religion angenommen hatten. Die Million der Apoftel unter den Juden war von
jolben Erfolg, daß Jakobus den Paulus auf die Myriaden befebrter Juden hinweiſen
fonnte (AG 21,20). Wir müſſen für jene Zeit zum menigften 25000 Syudenchriften
ı5 annehmen. Auch eine große Menge von Prieitern wurde dem Glauben gehorfam (AG
6, 1. 7). Aber auch in den Gemeinden, melde Baulus und feine Beglelter in Klein-
alten, Griechenland, Kreta u. ſ. w. gründeten, beitand der Grundftod der Gläubigen
meift aus erachten. Pauli Miffionsreifen gingen ja der Straße nad, mo, wie ein
Brief des Königs Herodes Agrippa I. an den Kaiſer Galigula bezeugt, gerade die größten
20 Nicderlaffungen von Juden fich befanden. Ob er in Cypern oder Macedonien oder
Korintd war, überall verkündete er fein Evangelium zuerit in den Synagogen, und
feiner einzigen Chriftengemeinde unter den Heiden fehlten die Judenchriſten. Sogar die
Gemeinde in Rom muß einem guten Teil nad aus Juden beftanden haben.
Daß aud das 2. Jahrhundert der chriftlihen Zeit die Belehrung der Juden nicht
25 aus den Augen verlor, das beweiſt Juſtins Des Märtyrers Geſpräch mit dem Juden
Tryphon (viell. Rabbi Tarpho) und im Beginn des folgenden Jahrhunderts die Tertullian
zugefchriebene Schrift adversus Judaeos.
In diefer Zeit aber hatten die judenchriftlichen Elemente bereit3 längjt eine bäre
tiiche Richtung eingefchlagen, indem fie teils ſich in ihrem jüdifch-nationalen und jüdiſch⸗
30 religiöfen Bejonderheiten verfteiften, teil8 dem üppigiten Gnoftizismus buldigten. Das
weitere Anwachſen des jüdischen Elementes in der Kirche märe demnach eine ernſte Gefabr
für ihr inneres Leben und ihren Beſtand geworden; es ift darum eine wunderbare
Fügung der Vorfehung, daß mit dem Barlochbafchen Aufftand auch die maflenhafte Zu—
wendung der Juden gu Ghriftentum aufbörte, indem eine feharfe Trennung und Ab:
35 Schließung der Judenſchaft, gegen die einen immer mebr univerfalen fatholifchen Charalter
tragende Kirche eintrat. Troß feinem unglüdlichen Ausgang bezeichnet nämlich dieſer
Aufitand doch den Anfang einer neuen Epoche im geiltigen Xeben der Juden. Die
Juden, der politiſchen Macht und des nationalen Beitandes beraubt, fonzentrierten ihr
ganzes Geiſtesleben vollends auf das Gefebesitudium und produzierten den Talmud,
3 diefen ftarfen und umfaffenden Zaun, der Israels Dafein und religiös-geiftigen Beltand
zwar aufs beite fchüßte, aber auch die Juden von allen tiefer einwirkenden Lebensmächten
der Geſchichte abfperrte und insbefondere für die Annahme des Ehriftentums bis auf ben
beutigen Tag eine ſchwer zu überfchreitende Schranke bildete. Wie ftart nämlich auch zu
Jeſu und der Apoftel Zeit die Juden ſchon vom phariſäiſchen Geiſt durchjäuert waren,
35 jo hatte doch das ‚Judentum, jo lange wenigſtens der Tempel ftand, nody ein vwerbältnis-
mäßig naturwüchſiges, biftorifchsisraclitifches Gepräge. Solche Juden konnten noch unbefangen
in Jeſu den verbeißenen Meſſias erfennen und zum Chriftentum übergeben. Durch die
vollendete Verkehrung des Propbetismus in Talmudismugs aber wurde zwiſchen Juden
und Chriſten eine Kluft befeſtigt, welche eine unbefangene Betrachtung und Beurteilung
so. des Ghrijtentums feitens der Juden von vornberein unmöglih machte. Seit darım der
Talmud direkt oder indireft noch den Geiſt der Juden bildet und beherrfcht, ift es un-
möglich, daß ſich, wie in den eriten Zeiten, Myriaden von Juden dem Chriftentum zu:
wenden. Wie die talmudische Geiſtesrichtung ſchon in ihren erjten Anfängen die Dede
vor den Augen der Juden war (2 Ko 3, 13- -16), fo tft fie es noch und wird es fein,
>> bis auc ihre legten Ausflüſſe wieder verſchwunden fein werden. Dies betätigt die ganze
Geſchichte der Judenmiſſion und Dies giebt ihr ihren eigentümlichen Charakter; fie bat
Erfolg überbaupt nur bei ſolchen Juden, melde mit dem Talmud zu brechen im ftande
jind, und fie bat einen wahren und quten Grfolg nur bei foldhen, welche diefen Bruch
mit religiöfem Ernft vollzogen und ohne fich aller religiöfen Bedürfniffe und Verpflich-
co tungen zu entſchlagen. Daraus ergiebt ich eine dreifache Stonfequenz: 1. Die Judenmiſſion
Miffion unter den Juden 173
kann feither nicht an das jüdifche Volk als folches, fondern nur an Einzelne aus dem
Volke fi wenden; 2. die Belehrungen finden eben deswegen nicht oder nur ausnahms-
weife in größeren Zahlen jtatt; 3. unter denen, die zum Chriftentum übertreten, ſind
immer auch foldye, die den Bruch mit dem Tahınud nicht aus religiöfen Motiven voll:
zogen haben, deren Annahme des Chriftentums darum auch feine ernitlihe iſt. Dies
charakteriſiert die ganze Mifftonsgefchichte der folgenden Zeit.
I. Gejhichte der Judenmiffion in der katholiſchen Kirche. Eigent-
liche Beranjtaltungen zur Belehrung der Juden befaß die alte Kirche nicht, aber immer:
bin war fie vom Wunfche befeelt, auch die Juden für Chriftum zu gewinnen. Nicht bloß
gab es zu jeder Zeit ſolche, welche die Liebe Chriftt drängte, aud) den Juden das Evan: 10
gelium nahe zu bringen, ſondern aud) andere Motive wirkten mit, daß die Leiter der
Kirche wie des Staates beitrebt waren, die Juden zum Eintritt in die Kirche zu beivegen.
Eo als der Staatsminister Caſſiodorus Mönch geworden war, fühlte er fich gebrungen,
in feiner Pjalmenauslegung häufig auf die Juden Rüdficht zu nehmen, und durdh in
die Auslegung eingeflecdhtene Anrede an die Juden auf ihre Belehrung binzumirten (vgl.
3.2. feine Conclusio zu Pfalm 81). Kaiſer Juſtinian dagegen machte fein Hehl daraus,
warum er ſich Eingriffe in die Neligionsfreibeit der Juden erlaube, und warum er be:
fehle, daß fie fich in ihren Synagogen einer griechifchen oder lateinijchen Überſetzung des
Urterted bedienen, dagegen ſich der hagadifchen, d. h. talmudiichen Auslegung desjelben
enthalten jollten; er hoffte nämlich, daß fie dann cher zum Verſtändnis der chriftlichen 20
Wahrheit gelangen würden. Ihm waren politifiche Motive maßgebend, wenn er alle
feine Unterthanen chrijtlich haben wollte. Biſchöfe wiederum ließen den gegen die Juden
aufgebrachten Pöbel ihrer Städte ungehindert Gemwaltthätigleiten gegen ſie verüben, indem
fie durh Gewalt und Zwang den ftarren jüdiſchen Sinn brechen und zur Annahme
des Glaubens williger machen wollten. So batte 3.3. Biſchof Avitus von Glermont
Ferrand zuerit in Predigten die Juden der Stadt zur Belehrung aufgefordert; als dieſe
nichts fruchteten, zerftörten die Chriften die Eynagoge; es floß jüdiſches Blut; da er-
Härten jich 500 Juden zur Annahme der Taufe bereit. Ihr Tauftag war ein Freuden:
feit und PVenantius Fortunatus verherrlichte die Geſchichte in Verfen. Solche Beleh:
rungen kamen leider nur zu oft vor. Doc, verlangt die Gerechtigkeit zu bemerken, daß so
die römifchen Päpſte von Anfang an und durdy alle Jahrhunderte hindurch die Beichüger
und Fürfprecher der Juden waren (vgl. Grätz, Gejchichte der Juden, V, 41). Schon
Gregor I. verabjcheute alle Zwangstaufen und verbot fie öfter; und als einft ein übereifriger
Proſelyt ein Kruzifie und ein Marienbild in der Synagoge zu Cagliari aufftellte, befahl er
ibre Entfernung. Dagegen bemühte er fih mit aller Freundlichkeit, ja durd) Begünftigungen 35
und Belohnungen Juden zur Kirche zu ziehen; jüdischen Aderpächtern erließ er in folchem
alle die Steuern. Er verhehlte fi) zwar nicht, daß die auf diefen Weg gewonnenen
Täuflinge wenig wert feien, aber er rechnete auf ihre Nachkommen. „Wir geivinnen,
ſchrieb er in feinen Briefen, wenn aud) nicht ſie felbft, doch gewiß ihre Kinder”. Die
Erfahrung bat die Unrichtigfeit diefes Grundfages reichlich ertiwiefen und bejonders durch 40
die Geſchichte Spaniend muß die Miſſion für alle Zukunft gewarnt fein, nach Gregors
Grundfag zu verfahren. Aus diefen Beifpielen können wir ſowohl die Motive mie die
Mittel erfennen, wodurch die Chriften während der ganzen mittelalterlichen EAt die Be:
fehrung der Juden zu erreichen fuchten. Sie verbielten fh zu feiner Zeit gleichgiltig gegen
die Juden und ihre Belehrung; es ift faum ein Jahrhundert, daß nicht Schriften zu 35
ihrer Belehrung von hohen und niederen Geiftlichen aufzumeifen hätte; auch kein Jahr:
bundert, in weldem man nicht durch Belohnungen und Vergünftigungen Juden für
den Glauben zu gewinnen trachtete; es ijt aber auch fein Jahrhundert, in welchem man
mit das, mas der Eifer der Liebe nicht vermochte, mit Gewalt und Zwang erreichen
fönnen vermeinte; fo iſt denn auch fein Jahrhundert, in welchem nicht zahlreiche so
rofelyten aus aufrichtiger Überzeugung zum Chriſtentum übertraten, von denen zahl:
reiche der Kirche gu Zierde gereichten, wie auch fein Jahrhundert ift, in welchem nicht
die um trdifcher Vorteile willen oder zwangsweiſe Getauften der Kirche zur Yajt und zum
Schaden gereicht hätten. Demnach fehlte e8 auch feiner Zeit „weder an Klagen der
Smagoge über den Belehrungseifer der Kirche, noch an Klagen der Kirche über die Hals: 55
ftarrigleit der Juden” (Kalkar); beides beweilt, daß nichts weniger als Gleichgiltigfeit
gegen die Juden auf dhriftlicher Seite berrichte.
Beſonders waren es Jederzeit die Proſelyten, welche ein eifriger Miſſionstrieb be—
ſeelte, einmal vielleicht weil ſie am beſten die geiſtige Armut und Dürre des talmudiſchen
Judentums erkannten und darum ihr Volk beſonders bemitleideten und ſodann weil ihre co
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6
174 Miffion unter den Juden
Bekanntſchaft mit dem Talmud, mit Denkweiſe und Sitten der Juden es ihnen am
leichteften zu machen ſchien, auf ihre Brüder einzuwirfen. Ohne auf eine Beurteilung
einzugeben, jei nur bier als Thatjache der Gejchichte konitatiert, Daß zu jeder Zeit Pro:
jelgten die zahlreichiten Werkzeuge der Million abgaben. So war es im 7. Jahrhundert
5 der Proſelyte und Biſchof Julian von Toledo (get. 690), der feine Schrift: „De sextae
aetatis comprobatione contra Judaeos“, verfaßte, um die Juden zu widerlegen,
welche in ihren Schriften fich Dadurch vor dem Bekehrungseifer des Ba ar Könige
Erwig zu ſchützen juchten, daß fie behaupteten, Jeſus lünne nicht der Meſſias fein, da
diefer erft im 6. Jahrtauſend der Welt erfcheinen werde. Doc kannte er feine Volks⸗
10 genoffen zu gut: „Vermöge er nicht die Juden zu überzeugen, jo wünſche er wenigſtens
die Ghrijten in ihrem Glauben zu befeftigen”. Faſt gleichzeitig hatte Iſidor von Sevilla
zwei Bücher verfaßt, worin er die chriitliche Glaubenslchre aus dem AT belegte und
befonders darauf hinwies, daß das Szepter von Juda gewichen fei, und daß nun die
Chriften, welche das Neich Gottes und chriitliche Könige hätten, das wahre Israel feien.
15 Ohne Pedro Alfonſo (1106 in Osca getauft) und feinen Zeitgenofien Samuel Jehuda
mit ihren Miſſionsſchriften zu erwähnen, jei der Thätigkeit des großen Dominifaner-
general® Raymund von Pennaforte gedacht. Er führte das Studium der bebrätfchen
Sprade und talmudifchen Schriften in dein Dominitanerorden ein, ganz fpeziell zum
Behufe der Miflionstbätigfeit unter den Juden. Ein Jünger dieſes Ordens, one
20 Chriftiant aus Montpellier, auch jüdiſcher Herkunft, war der erſte eigentlihde Miſſions⸗
prediger. In Südfranfreich und anderwärts reijte er umher, predigte und disputierte mit
den Juden in Kirchen und Synagogen, inden er aus Bibel und Talmud die Meffianität
und Göttlichkeit Jeſu zu bemeifen juchte. 1263 disputierte er zu Barcelona im könig—
liben Balaft vier Tage lang mit dem eriten und berühmtelten Rabbiner Spaniens, mit
25 Moſe Nachmani. Nachher durchreiite er Aragonien. Zur felben Zeit verfaßte der Do:
minifaner Raymund Martin, ein geborner Chriſt, der gründlich Hebrätfeh, Calväifch und
Arabifch in feinem Klofter gelernt batte, fein gelehrtes Werk, pugio fidei contra Mauros
et Judaeos, eine Rüſtkammer zum Streit für die folgenden Zeiten. Die Schriften des
Talmud, Raſchis, Ibn-Eſras, NMaimunis und Kimchis benutzte er dabei fleißig. Auch
30 andere Dominikaner hatten häufige Geſpräche und Disputationen, gegen welche ih 3. B.
der Rabbi Ben-Aderet mündlich und ſchriftlich verteidigte. Abner von Burgos, ein als
Jude angeſehener und philoſophiſch gebildeter Arzt, als Chriſt Alfonſo genannt und ein-
facher Sakriſtan einer Kirche zu Valladolid, ſchrieb mehrere hebräiſche und ſpaniſche
Schriften zur Bekehrung der Juden, disputierte 1336 und ſetzte es durch, daß den Juden
35 verboten wurde, das alte Gebet gegen die Minim (Ketzer, Judenchriſten) zu beten. Nicht
viel jpäter jchrieb cin anderer Proſelyt, \obannes von Valladolid, eine Erläuterung zu
Ibn-Eſras Erklärung der zehn Gebote und eine concordia legum des Judentums und
Ghrijtentums, disputierte zu Burgos und Avila mit Moſe Coben de Tordefillas, der auch
noch mit einem anderen Proſelyten zu Dieputieren batte. Auch der Kardinal Pedro
de Yuna, fpäter als Papft Benedikt XIII. genannt, disputierte felbft in Pampeluna mit
Rabbi chem Tob ben Schaprut, twie er auch zeitlebens das lebhaftefte Intereſſe für die
Belehrung der Juden bewies, Er war auch der erfte Beichüger und Gönner des Rabbi
Salomon Halevi (1353 — 1435), der päter als Paulus de Sta Marta Erzbiſchof von
Burgos wurde und der, auch als er die höchſten Etaatsämter und Würden befleibete,
5 doch für die Bekehrung feines Volkes tbätig blieb. Mit Jofua von Xorca wechſelte er
Streitſchriften, bis diefer felbjt übertrat und ein eifriges Werkzeug zur Belehrung vieler
ward. Nie war vielleicht der litterarifche und mündliche Kampf jo an der Tagesordnung
alg um jene Zeit in Spanien und nit ohne die bedeutendften Erfolge. Unter ben
Tauſenden, die damals vielfach freilih aus irdiſchen Gründen oder aud aus Furcht und
50 Zwang in die Kirche eintraten, gab es doch eine fehr seohe Zahl aufrichtiger Belenner
und Jünger Jeſu, Die nicht bloß mit Ernſt, jondern mit Begeiſterung fih dem Chriſten⸗
tum bingaben und für dasfelbe eintraten. „Das Judentum wurde dur den Übertritt
gebildeter und gelebrter Männer, Arzte, Schriftiteller, Dichter vieler Talente beraubt”
und „manche Derjelben waren von einem Bekehrungseifer bejejlen, al8 wären fie geborne
Dominikaner“, das muß ſogar Grätz geiteben (VIII, 83). Aſtruc Raimuch, als Chrift
Franciscus, ein Arzt, desgleichen Johannes Baptijta, auch Arzt, und Paulus de Haredie,
alle drei Proſelyten, bewieſen ihren Miffionseifer mit Wort und Schrift. Am erfolg:
reichjten war die große Dieputatton zu Tordofa, vom Februar 1413 bis 12. November
1414, die in 68 Sigungen zwiſchen den acht gelehrtejten Nabbinen Spaniens mit Hiero-
6o nymus de Sta Fé (Joſua von Yorca) und Andreas Beltran, auch einem Proſelyten,
40
—
zi
Miffion unter den Juden 175
geführt wurde, unter Vorfig Benedikts XIII. und Mithilfe Pauls von Burgos. Anfolge
des für die Chriften günftigen Ausganges traten aus den größeren jüdifcehen Gemeinden
zu Saragofja, Calatajud, Daroca, Fraga, Barbajtro viele einzelne über, in kleineren
Gemeinden von Alcanniz, Caſpe, Maella, Lerida, Alcolea, Tamarit ließen fich allefamt
taufen. Oleichzeitig entfaltete eine großartige Thätigfeit der Judenbekehrung der Domi-
nikaner Vincentius Ferrer, der als Bupprediger Ztalien, Sranfreih und Spanien durd)
zog. Im ganzen follen mindeiteng 20500 Juden damals in Gajtilien und Aragonien
getauft worden fein (die übertreibenden jüdifchen Quellen reden fogar von 200000). Auch
auf den Balearen fanden zum öfteren große Befehrungen ftatt, jo ſchon im 5. Jahr—
bundert traten infolge für wunderbar gehaltener Begebenheiten 450 Juden über. Nach—
dem Mallorca jpanifch geworden, befuchte 1229 Rayınund von Wennaforte felbit die
Inſel und arbeitete erfolgreich, ebenfo 1403 Vincenz Ferrer. In der ganz auferordent-
lichen Macht, ja Übermacht, womit die jüdische Bevölferung auf die geiftige und materielle
Entwidelung Spaniens drüdte, liegt der Grund, warum gerade in dieſem Land fich der
nachhaltigſte Eifer für Belehrung der Juden fundgab. 15
Ganz anders dagegen Frankreich. Hier finden fich verhältnismäßig fehr wenige
Beitrebungen für diefen Zweck. Zwar gab es zu Zeiten Kreife, welche nicht bloß chriſt—
liche Liebe zu den Juden, fondern fogar eine bedenkliche Vorliebe für fie und Hinneigung
zum Judentum fundgaben. So der Hof Ludwigs des Frommen, deijen zweite Gemahlin
Judith eine bejondere Verehrerin der Ablömmlinge der Patriarchen war; die Höflinge 20
ließen jich von Juden fegnen und von ihnen für fich beten; fie fprachen es offen aus,
daß ihnen Moſes lieber als Chriftus jei. Ludwigs Beichtvater Bodo trat fchließlich Sur
zum Judentum über und ließ fich befchneiden. Agobards, des Bischofs von Lyon, Auf:
treten gegen folche Inklinationen gehört aber nicht in die Miſſionsgeſchichte. Eher ge
bören die Streitigkeiten de Proſelyten Dunin (Donin) dazu, der ım Talmud die Ur: 2
fache erkannte, warum die Juden dem Chriftentum fo beftig widerſtänden; er verflagte
darum den QTalmud beim Papſt Gregor IX. Ludwig IX., der Heilige, veranjtalte de3-
balb eine Disputation zwiſchen Dunin und Rabbi gehe 1240, infolge deren 24 Wagen
jüdiſcher Schriften verbrannt wurden. Außer Nilolaus von Lyra (1300— 13410), der
Door als Chrijt geboren, aber doc, jüdischer Herkunft war, und der eine Anzahl von 30
troversichriften gegen die Juden fchrieb, wird uns faum ein Name genannt, der ſich
um Belehrung der Juden bemüht hätte, obwohl e8 auch nicht in Frankreich an zahl:
reichen frommen Profelyten und Projelytenfamilien fehlte, wie auch nicht an zahlreichen
Iwangstaufen, Verfolgungen und Gewaltthaten.
In Italien, mo fich die Juden des meiſten Schußes erfreuten, find es beſonders die 35
Bäpfte und Mönche, welchen die Judenbekehrung am Herzen lag. Unter letzteren find zu
nennen Alberto di Trapani, Bernardino di Feltre und Giovanni Gapiitrano, deſſen
Miffionsreifen zur Belehrung der Keger, Juden und Türken freilich neben guten Früchten
auch blutige Spuren zurüdließen. Der Kapuzinergeneral Laurentin de Brundilio, get.
1619, predigte mit großer Kraft und vieler Milde und zog, ſtets eine hebräifche Bibel 40
in der Hand, durch Stalien; Rabbiner und Laien befehrten ſich durch feine Predigt.
Bleiben Erfolg hatte Angelus Hierofolymitanus. Rom ſelbſt war ein Ort, two zahl:
reihe Juden zu allen Zeiten das Chrifientum annahmen. Die römische Einrichtung, daß
Juden wöchentlich oder mehrere Male im Jahr in Kirchen oder Synagogen dhrift-
liche Predigten hören mußten, fanden in ganz Europa auch unter Proteftanten bis ing 45
18. Jahrhundert hinein Nachahmung. Paul III. gründete 1550 ein eigenes Inſtitut zur
elehrung. Gregor XIII. vermehrte und erweiterte diefe Anjtalten für beiberlei
chlecht. Bei den Taufen vertraten Kardinäle und Prälaten die Vatenftelle, wie auch)
die Päpjte jelbjt die Taufen jehr häufig vornabmen. Pius V. fol als Papſt der Kirche
über 100 gelehrte und reiche Juden durch die Taufe zugeführt haben. Tas Konftanzer
Konzil beſchäftigte ſich offiziell mit der Sache der Judenbekehrung; der Projelyt Theobald,
Predigermönd und Profeſſor der Theologie, hielt 1416 dafelbit eine beifällig aufgenom:
mene Rede. Ebenſo war diefe Sache Gegenftand der Verhandlung auf dem Konzil zu
Bafel 1434 und au Mailand 1565. Beſonders Karl Borromäus legte die Judenbefeh-
rung feiner Geiftlichkeit ans Herz. Zahllos find in der That die Vrofelyten, gelehrte, 55
me und reiche, welche feit dem 16. Jahrhundert in Italien fich befehrten und dann
mit Wort und Schrift fih an ihre Brüder wandten, auch hohe Kirchenämter einnahmen
oder unter den Adel der Nation aufgenommen murden.
Merkwürdiges zeigt die Miffionsgefchichte in England. Unter Wilhelm des Er:
oberers Sohn, dem Roten, kam es vor, daß Juden fich beklagten, weil fo viele ihrer 6o
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Wiederbringung Israels und der dadurch bedingten Vollendung der Kirche Jeſu —*
aufs tiefſte durchdrungen iſt“ (Delitzſch). „Die Verfaſſer huldigen dem en R
nismus, aber die Liebe zu dem Herrn und feinem Volke flammt in bielem Buche und und
die Bekämpfung des rabbiniſchen und modernen Judentums it überwältigend“. Auch
45 ber Brofelpt Abbé Bauer verwandte ea glänzende Rednergabe zu vielbefuchten Vor:
trägen für die Juden zu Paris und Wien. Die großartigſte Thätigfeit aber entfaltete
der Projelyt Marta } Mlpbonfe Natisbonne, zulegt in Baläftina. Diefer, aus mn reichen
rs ischen Familie entiproifen, trat im Jahre 1842 zur katholiſ en Kirche über =
nd jid von Anfang an ſtark gedrängt, die chriftlihe Wahrheit unter Israel
50 breiten. Mit feinem Bruber Theodor ließ er ſich von Gregor XVI. die Million von
Juden erteilen und beide gründeten nun die Kongregation der Nonnen von unjerer Tieben
Frau don Sion zur Erziehung jüdiſcher Mädchen, Die Belehrung mander von dieſen
die ihrer ganzen Familie nah ſich. Seit 1855 ftiftete dieſe Kongregation auch
n- für hriiliche Mädchen, Watjenbäufer, Arbeitsichulen und verbreitete ſich über
witantinopel nad Paläſtina. 1862 vollendete fie das impofante Klojter Eece Homo
——— —— haben ſie Anſtalten an mehreren Orten Frankreichs, Englands,
balcedon, Balacz, auf dem Yibanon u. f. w. Bei Jeruſalem befihen ie eine große
Fi St. Johann im Gebirge und in_ der Stadt jelbjt unterhalten fie ein judiſches
pital mit Apotheke für jüdifche Arme. Die Ausbreitung und Blüte diefer Anftalten
zeugt für ihren Erfolg; da jedoch die katholiſche Kirche prinzipiell die Zahl ihrer Kom:
Un Miñion amter den Tuden
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leeren bh) Bırrtriterter on Tr ***& binderte Die Ausführung ſeiner
Ra EEE lv or ‘;trz 7° 7 wwoden Juden und Gbrilten veran:
Slam Ben ogertio oo 8.2... hroszmur ichwur, er Werde Jude werden,
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Bi oaymal Dılenvers 0.0.02 SE vzeffmite en eine ähnliche Anttalt.
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«4
Miffion unter den Faden 177
vertiten geheim hält, jo laſſen ſich Teine Angaben darüber machen. Thatjache aber ift,
daß die fatholifche Kirche gegenwärtig nicht ärmer an Proſelyten fein dürfte ale die
evangelijche; fie verlegt fich bejonders darauf, in gemischten Ehen den jüdiſchen Teil und
die Kinder zu ſich herüberzuziehen. Männliche wie meibliche Konvertiten pflegen ehr
häufig in den Ordens oder Prieiterjtand einzutreten, jo daß fie im öffentlichen Xeben wenig
bemerkt werden.
II. Geſchichte der Judenmiffion in der evangelifchen Kirche. Obwohl
die religiög-politifchen Veränderungen in Deutichland im 16. Jahrhundert die Ioziale Lage
der Juden keineswegs verbeflerten, vielmehr das auf den Juden laftende Joch nur um
fo drüdender madten, indem das kaiſerliche Schugrecht über die Juden ins Belieben der 10
vielen Zandesfüriten überging und von diefen zu neuer Erniedrigung der Juden aus-
gebeutet wurde, jo war doch infolge des Reuchlin-Pfefferfornichen Handels in den refor-
matoriſchen Kreijen eine den Juden günftige Stimmung verbreitet. Luther ſelbſt äußerte
in feiner Schrift, „daß Jeſus ein geborner Jude war” die Hoffnung: „wenn man mit
den Juden freundlich handelte und aus der Hl. Schrift fie fäuberlih unterweiſete, es 15
jollten ihrer recht viele Chriiten werden, und wieder zu ihrer Väter, der Propheten und
Patriarchen Glauben treten, davon ſie nur gefchrecft werden, wenn man ihr Ding ver-
wirft und jo gar nichts will fein laſſen und handelt nur mit Hochmut und Verachtung
wider fie. Wenn die Apoftel, die auch Juden waren, aljo bätten mit uns Heiden ge:
bandelt, wie wir Heiden mit den Juden, e8 wäre nie fein Chriſt unter den Heiden 20
worden. Haben jie denn mit und Heiden fo brüderlich gehandelt, jo jollen mir wieder
brüderli mit den Juden handeln, ob wir Etliche befehren möchten, denn wir find auch
ſelbſt noch nicht alle hinan, geſchweige denn hinüber“. Diefelbe Hoffnung pridht fih in
einem Brief an den Proſelyten Bernhard aus. Dieje Hoffnung jchlug freilich fpäter in
das gerade Gegenteil um. In den Schriften: „Bon den Juden und ihren Lügen‘ und 2
„Vom Schem Hamphoras“ fpricht er ſich ganz anders aus. „Juden zu befehren, meint er
da, tft gerade fo unmöglich, wie den Teufel zu befehren. Ein jüdiſch Herz tit jo ſtock⸗,
ftein- und eijenbart, daß es in Feiner Weile zu bewegen if. Summa: es find junge
Teufel zur Höllen verdammt. Gin jolch verzweifelt, durchböfet, durchgiftet, Durchteufelt
Ding tit es um dieſe Juden, fo diefe 1400 Jahr unfre Plage, Peſtilenz und alles Unglüd so
geweſt iſt und noch find”. Geiderlei Ausjprüche gefammelt in %. Filcher, Dr. Mart.
Luther von den Juden und ihren Lügen, 1838, und Hengftenberg, Die Opfer der
bl. Schrift, die Juden und die chriftliche Kirche, 2. Ausg., Berlin 1859.) Schlimmer
noch aber als dieſe Urteile find die unbarmberzigen Natjchläge, die er zur Ausrottung des
„Unglüds” giebt. Wie nun aber überhaupt die fpäteren Anfichten Luthers von größerem 5
Einflup waren auf das pofitive, geiftige Gepräge jeiner Kirche, alg die früheren frei:
finnigeren, jo aud) bier. Wenn darum aud die äußeren Verhältnifje der lutherifchen
Kirche für die Miſſionsſache günftiger geweſen wären, als ſie faktiſch fich geftalteten, fo
wäre doch nicht zu erwarten geweſen, daß ich größerer Eifer für die Belchrung der
Da gezeigt hätte. Gleichwohl fehlte es jo wenig der lutheriſchen und reformierten 40
irche, wie der fatholifchen diejer Zeit an zahlreichen Profelyten, unter denen bejonders
mmanuel Tremellius aus Ferrara herborragt, der zu Heidelberg mit Urfinus und
levianus an der Abfafjung des Heidelberger Katechismus beteiligt war und als Schrift:
fteller und Theologe großes Anfehen genoß. Die mittelalterliche Einrichtung bejonderer
Audenpredigten, an denen teilzunehmen die Juden von obrigfeitsiwegen gezwungen ivaren, 15
wurde von vielen proteitantifchen Städten wieder eingeführt.
Im 17. Jahrhundert ijt e8 Esdras Edzard in Hamburg, der bei Burdorf hebräijche
and talmudijche Yitteratur ftudiert hatte und nun als Privatmann in feiner Vaterjtadt
fich aufs eifrigfte für die Belehrung der Juden bemühte und viele Erfolge feben durfte.
Aus jeinen eigenen Mitteln ftiftete er einen bedeutenden Fond, deſſen Zinjen ausſchließlich so
Förderung der Judenbekehrung und Fürjorge für die Neubelehrten verrvandt werden
—* Seine zwei Söhne, Georg und Sebaſtian, ſetzten ſein Werk fort mit gleichem
Erfolg. Später übernahm der Hamburger Senat die Verwaltung der Stiftung, welche
jedoch ſeitdem ihre Wirkſamkeit beinahe völlig eingebüßt hat. Edzards Beſtrebungen
wurden bedeutend unterſtützt durch die damaligen Geſetze Hamburgs, wonach alle Juden 55
isre Kinder in chrijtlichen Schulen mußten unterrichten laſſen. Erſt im Alter der Unter:
kbeidungsfähigfeit wurde es in ihre Wahl geitellt, ob ſie Chrijten werden, oder bei der
väterlichen Religion bleiben wollten. Fonds ähnlicher Art wie diefer zu Hamburg
ſcheinen auch noch in anderen Städten exiſtiert zu haben; fo trägt em Teil des Genfer
ögens beute noch den Titel fond des Proselytes. Ganz ähnlich erging es co
NealsEncpklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 12
er
*
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IN Miffion unter den Juden
Donna NEU weren die Juden im ER Jabrbhundert ac vungen worden. die Re
lebrungopreriureneme den proteſtantzöchen Narben mit amsuboren. Im 17. Jabrhundert
verhairx man heat die Ratobauſer De Landes Irm 1 Jabrbundert aber regte der
talent VOR Auen Bi NOS bebertrat —B die Grundung einer Rroſelvten⸗
REEL AM Dan Vandatat Ezet NEM ost IT eo cine odiche ins Yeben, indem er tem
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"an. sum Kirche übergetreten“
In acht alten preußiichen
Milfion unter den Juden | 179
Provinzen 3984 Juden taufen und zwar gerade die Reichiten und Gebildeiten. Anfangs
überftiegen die Taufen die Zahl von 200 im Jahr; noch 1825 waren es 147, welche
die Taufe begehrten.
1. Unter den Miffionsgejellichaften in England iſt die ältejte die London Society
for promoting Christianity among the Jews. 6
Die erfehütternden Ereigniffe der gewaltigen Zeit hatten die innerjten Tiefen des
religiöjen Lebens aufgerüttelt; befonders auch in England entftand ein neues, religiöjes
Geiſtesleben. Der Verfall und die Zerrüttung der Kirchen und ihrer Inſtitute, der offen:
bare Abfall jo vieler Taufende von allem Glauben, erzeugte in denen, Die zu neuem
Leben kamen, vielfach die Meinung, daß das Ende der Dinge nahe gekommen fei, und 19
der Ghriftenheit nur durch eine neue Ausgießung des bl. Geiftes geholfen werden könne,
und daß endlich, um beides herbeizuführen, in Bälde eine allgemeine Bekehrung der Juden
ftattfinden müſſe. Mean vertiefte fih nicht bloß in die neuteftamentlichen, jondern aud)
in die alttejtamentlichen Weisfagungen und glaubte daraus zu erſehen, daß von den
nach Jerufalem zurüdtehrenden und fich dafelbit befehrenden Juden eine neue Belebung 15
der alten Ghriftenheit ausgeben werde, und daß jie, die befehrten Juden, die legten und
beiten Miffionare für die Heidenmwelt fein würden. Dieje Ideen fpornten einige tbat-
träftige Männer an, fich der Juden und ihrer Belehrung anzunehmen. Vor allem war
es ein begüterter Geijtlicher, Lewis Way, in melchen derartige Gedanken zündeten und
der nun feine Kräfte, Zeit und Mittel gänzlich diefem Zwecke zuwandte. Mit PBrofeflor 20
Simeon in Cambridge, Dr. Marfh in Birmingham, dem Proſelyten %. F. Fry und dem
Prediger Legh Richmond gründete er 1808 unter dem PBatronat des Herzogs von Kent,
Baters der Königin Victoria, die London Society. Anfangs beſtand die Gefellfchaft
fomohl aus Epiflopalen wie aus Difjenters; jeit 1815 ſchieden legtere aus. Way machte
auf eigene Koſten Reifen nad) Holland, Deutichland, Rußland, inden ſowohl die poli: 25
lee und foziale Stellung der Juden zu verbejlern, ald auch unter den Gbrijten
ifftonseifer anzufachen beftrebt war. Es gelang ihm, auf Kaiſer Alerander I. einzu:
wirken, daß er 1817 zwei Ukaſe erließ, worin er alle getauften Juden unter feinen be-
fonderen Schu nahm und denfelben Land zum Anbau verfpradh. Dann überreichte Way
1818 dem Kongreß zu Aachen eine Denkichrift (M&moires sur l’&tat des Juifs de- 30
dies à leurs Majestes imp. et roy. r&unies au congr&es d’Aix la Chapelle,
Paris 1819), wodurch die allgemeine Emanzipation der Juden in Europa angebabnt
werden follte.e Schon 1814 batte der Herzog von Kent den Grundftein zu einer Kirche
für die Juden gelegt. Diefer reibten ſich eine Erziebungsanftalt für Kinder von Pro:
felyten, ein bebräifches Kollegium zur Ausbildung von Miffionaren und ein Arbeitshaus 35
Erlernung von Handwerten für Profelyten an, melde Anftalten dem Platze den
men Paläſtinaplatz verjchafften. Die Judenmiſſion fand in England ganz außerordent-
liche Teilnahme, jo daß die Gefellihaft ihr Merk kräftig in Angriff nebmen und ihr
Arbeitsfeld raſch auf zahlreiche Yänder ausdehnen fonnte. In London felbft, in England
und auf ihren Stationen des Feltlandes fanden zahlreihe Taufen ftatt, fo daß einige an
Profelyten, zumeiſt zugleih Mitjionare, im Jahre 1832 auf den Gedanken verfielen, in
England eine Hebrew-Christian-Church zu ftiften, ein Experintent, das jich auch bei
einem wiederholten Verſuch 1866 nicht zu realifieren vermochte. Wie diefe Geſellſchaft
die älteite aller jett bejtehenden Miſſionen it, fo iſt ſie auch die größte und mittelreichite,
unternehmendite und beitorganifierte. Aus ihrem Jahresbericht für 1900 — 1901 ergiebt fi, 5
daß fie eine Einnahme von 46338 Pfr. St. = 926760 ME. hatte, die höchſte bisher er-
reichte Summe, während ihre Ausgaben fihb nur auf 36910 Pfd. St. = 738200 ME. be
liefen, fo daß das Defizit der früheren Jahre fih auf 2800 Pfr. St. = 56 100 ME.
berabminderte. Große Beiſteuern liefern die Durch ganz England Echottland, Irland und
da verbreiteten Hilfsgeſellſchaften. Es ift ſehr wahrſcheinlich, daß der im Jahre co
1900 in London abgehaltene, vierte Zioniftenfongreß das Anterejle an der Judenmiſſion
unter den englifchen Chriſten bedeutend. fteigerte. Auf 52 Mifftonsjtationen find 199 Arbeiter
beriwendet, darunter 25 Geiftliche, 19 Arzte, 34 weibl. Miffionare, 20 Yatenmifftionare, 35 Kol:
porteure, 58 Lehrer und 8 Apotbefer, darunter find 82 Judenchriften. Bon den 52 Stationen
find 18 in England, darunter Yondon mit 18 Arbeitern im Innern und 11 in den 66
Außenftädten, 3 in Ofterreih, 1 in Frankreich, 4 in Deutjchland, 2 in Solland, 1 in
alien, 4 in Rumänien, 1 in Rußland, 1 in Konftantinopel; in Aſien find 10 Stationen,
darunter Jerufalem mit 27 Arbeiten; 7 Stationen in Afrika, darunter Tunis mit
12 Arbeitern. Auf diefen Stationen unterhält diefe Milton die verſchiedenſten Anftalten:
Heime für folche, melde Unterricht im Chriſtentum begebren, Zufluchtſtätten für Pro⸗- so
12
180 Miſſion unter den Juden
felyten, Werkjtätten zur Erlernung von Handwerken, Schulen für Kinder, Hofpitäler,
Kirhen. In den Kreifen der Staatsfirche wächſt das Intereſſe an der Judenmiffion und
der offizielle Vertretungskörper dieſer Kirche bat jchon darüber beraten, wie die Stirche
ihrer Miffionspflicht an den Juden beſſer genügen könne. In London felbjt bildeten
-6 bisher die Anjtalten auf den Paläftinaplag den Mittelpuntt der Miffion; neuerdings
find manche Anftalten verlegt worden. Tas feit 1831 beſtehende Arbeitsbaus (Opera-
tive), jest Palestine House genannt, bat bisher 965 Perfonen aufgenonmen, von
denen fpäter 102 in den Miffionsdienft traten. Tas Wandererheim, jett in Briftol, bat
in 4ö Jahren 2500 Juden aufgenommen, von denen der größere Teil getauft wurde.
10 Auch die Schulen bezogen neue Häufer und find bisher von 1300 Kindern bejucht
worden. Im ganzen mögen jeit ibrem Bejtand etwa 5000 Juden von den Arbeitern
der Gefellfchaft getauft worden fein, im Jahre 1899 waren e& 86; während der legten
drei Jahre 265. Ein Damenverein von 1300 Mitgliedern unterjtüßt die Werke, und
ein Kinderverein von 5500 Kindern, der Kinder-Bienenkorb genannt, jucht die Mittel für
15 die Schulen der Geſellſchaft aufzubringen. Im Jahre 1900 murden 7023 Bibeln und
Bibelteile, 6255 Neue Teitamente und Teile davon, 391 Gebetbücher, 48286 Milfione-
fchriften in verfchiedenen Sprachen, 180214 Zeitjchriften und 124168 verjchiedene Pub-
Iifationen und Blätter, nebit 21789 Bienenforbblättern berausgegeben. Unter den vielen
Schriften ragt durch ihre jegensreihe Wirkung auf talmudijche Juden befonders hervor
» M’Cauls Nethiwoth Olam over der wahre „\eraelit, wovon zabllofe Eremplare in
bebrätfcher, englischer, Deutjcher und franzöſiſcher Sprache verbreitet wurden. Neuerdings
bat der Sekretär der Gefellihaft Rev. W. T. Gidney recht verdienſtliche Schriften er:
en laſſen: Missions to Jews, a Handbook of Reasons, Facts and Figures;
erner Sites and Scenes, a Description of Missons (2 Teile) und endlih: The
2: Jews and their Evangelization; leßtered im Auftrage der YFreimilligen-Stubdenten-
Miſſion. Die Gefellfchaft giebt heraus die illuftrierte Monatejchrift: Jewish Missionary
Intelligence und Jewish Missionary Advocate (für Kinder). Won befonderer Be
deutung jind noch die Anftalten in Jerufalen. Die Zionsfirche, die ältefte evangelische
Kirche im Orient, feierte ihr 50 jähriges Jubiläum; 565 Israliten wurden bisher in ihr
30 getauft. Von diefen waren 150 vorher im Induſtriehauſe beichäftigt, in welchem bisber
500 Verjonen beberbergt wurden. Die Judenmiſſion zu Jeruſalem ift es auch, welche
ſchon 1824 Die erſte ärztlihbe Miffion im der Welt gründete; ihr neues Hofpital, von
den Wabbinern mit dem Bann belegt, ſtund zuerſt leer, ift aber jet ſchon wieder zu
Hein für alle Hilfefuchenden. Neuerrichtet wurde in Jeruſalem auch ein Heim für
85 forichende Küdinnen. Auch die Miffionsfchulen jind daſelbſt ſtark beſucht. — Die von
Miffionar Flad unter den Falaſcha, den ſchwarzen Juden Abeffiniens gegründete Miffton,
hatte zwar von feite der chriftlichen Priefter wie der Juden vielen Widerftand erfahren,
aber trogdem eine berrlihe Blüte und zablreiche Übertritte erlebt; und auch nachdem
den europäischen Miſſionaren der Aufentbalt im Yande verboten ivurde, waren die Ge
0 tauften dem chriftlichen Glauben treu geblieben. Die Madhiſten jedoch fchleppten viele
in Gefangenichaft. Nachdem ſie Durch Die legte große Erpedition der Engländer nad)
dem Süden ihre Befreiung erlangt batten und in ibre Heimat zurückkehren konnten,
jammelten fie jich wieder und fteben noch immer mit Miſſionar Flad, ihrem geijtlichen
Bater, in regem Verkehr.
45 In Großbritannien entjtanden einige Jahrzehnte jpäter noch eine Reihe von Juden—
Miſſionsgeſellſchaften. Gegenwärtig find außer der genannten Yondoner Gefellichaft noch
folgende thätig: Ä
2. Zeit 1840 beſteht The Free Church of Scotland Jewish Mission. Die
ſchottiſche Freikirche hat feit ihrer Entitebung Judenmiſſion getrieben. Tas Merk wird
so Durch ein Stomitee geleitet, Das von der Generalverſammlung der Kirche jährlich ernannt
wird, es nennt fih Komitee für Befehrung der Juden. Sie bat Stationen in Budapeft,
Konftantinopel, Breslau, Tibertas, Zafed und Edinburg und bejchäftigt an 77 Arbeiter,
bat auch ärztlibe Miſſion und Schulen und ein wobleingerichtetes Hopital in Tiberias.
Einkommen 16800 DE Em Hilfskomitee von Damen befchäftigt fich mit meiblicher
55 „gudenmifjion, Einkommen: 16000 DE Bon ihren Werften geben Bericht „Free Church
of Scotland Monthly und The Children’s Record.
3. The Presbyterian Church in Ireland Jewish Mission, gear. 1841, bat
zivei Stationen: Hamburg:Alltona mit 2 ordinierten Miffionaren und 3 Kolporteuren und
Evangeliften und einem Haufe für forſchende Juden, in welchem auch Handwerke gelehrt
co werden. 1897 wurden dajelbjt 18 „Juden getauft, dann Damascus mit 4 ord. Miſſ.
Miffion unter den Inden 181
und 4 anderen Arbeitern. Sie arbeiten auch an der Evangelifation der eingebornen
Syrer. Sie bejigen 1 Schule für 100 Mädchen und eine ärztlihe Miſſion. Hauptfit
der Miffion it Belfaft. Einfommen: 4160 Pfd. St. = 83200 ME. etfihrif : The
Missionary Herald of the Presbyterian Church in Ireland.
4. The British Society for the Propagation of the Gospel among the Jews, 6
gegr. in London 1842; ihre Mitglieder gehören den verfchiedenften freien Kirchen Eng:
lands an. Sie hat 22 Miflionare und viele freitvillige Helfer; 16 Stationen in Eng-
land, Deutfchland, Ofterreich, Rußland und der Türke. Sie unterhält Schulen, ärztliche
Miffionen und 2 Heime für betagte Brofelyten. Die Verbreitung von hebr. NT in der
Salkinſon-Ginsburgſchen Überfegung und Traftaten in verfchiedenen Sprachen läßt fie 10
füh angelegen fein. Einfommen: 4000 Pfd. St. = 80000 Mi. Zeitfehrift: The Je-
wish Herald.
5. The Church of Scotland Jewish Mission, gegr. 1811; Stationen in Ale:
randria, Beyrut, Smyma, Konftantinopel und Salonica In Mlerandria befigt fie
2 Knabenfchulen und 2 Mädchenfchulen; jonjt je eine für Knaben und Mädchen. Von ı5
den 2147 Kindern ihrer Schulen waren 1289 jüdijcher Religion im Jahr 1898. In
Smyma wird eine ärztlidhe Miſſion in einem twohlausgeftatteten Hoſpital unterhalten.
Auf 3 Stationen find auch weibliche Evangeliften für den Hausbefuch bei Jüdinnen. Seit
1895 unterhält fie auch unter befondrem Komitee eine Station in Glasgow. Einfommen
5455 Pro. St. = 109100 ME. Dazu eine Hilfögefellihaft von Damen mit 20 000 ME. 20
Einfommen; Zeitichrift: The Church of Scotland Home and Foreign Mission Record.
6. The Presbyterian Church of England Jewish Mission, gegr. 1860, unter
der Verwaltung der Synode der Kirche. Sie hat 2 Milfionare in Whitechapel und Lon⸗
don, 1 Agenten je in Aleppo und Korfu und 1 ärztlide Million in Marokko; Ein:
fommen: 1487 Pfr. St. = 29740 ME. 2
7. Parochial Missions to the Jews at Home and Abroad, gegr. 1875; ſie
jendet geeignete Geiftliche in Pfarreien mit größerer jüdifcher Bevölkerung als Gehilfen
der Pfarrer mit Bewilligung des Biſchofs. Sie haben ſich ſtreng in den kirchlichen
Schranken zu halten und dürfen keiner beſonderen Richtung angehören. — Ihre Abſicht
iſt, die Juden ihrer Pfarrei mit dem Chriſtentum bekannt zu machen. — Ferner bewil-⸗ 30
ligt ſie Unterſtützungen an — die ſich in Spezialkurſen zum Amt eines Judenmiſſio—
nars vorbereiten wollen. Außer in England erhält die Geſellſchaft eine Station in
Bombay zur Arbeit unter den Beni Israel. Einkommen: 1000 Pfd. St. = 20000 ME.
Zeitfchrift: Church and Synagogue.
8. Mildmay Mission to the Jews, gear. 1876 durd Rev. Willinfon. Ihre 35
Miifionare machen Reifen und verbreiten in allen Ländern das NT. Ihre Stationen
find Odeſſa, Minsk, Warihau, Wilna und Berditihew in Rußland, Cape Town in
Südafrika, Kairo, Hanger in Mfrifa, Sophia in Bulgarien. Ihre Agenten bereifen aud)
Syrien, Arabien, Indien, Südamerifa, Agypten, Nordafrita und ganz Guropa. Im
Diem von London wird eine ärztlihe Miffton unterhalten. In London befigt fie ein 40
Hem für 20 jüdifche Kinder; in Highgate ein Haus für judenchriftliche Jünglinge in
Geſchäften; ebenda auch ein Erholungshaus für Kranke. Im Jahr 1898 verteilte fie
27604 Schriften in verſchiedenen Sprachen. Einkommen: 8000 Pfd. St. = 160000 ME.
Zeitſchrift: Trusting and Toiling.
9. East London Mission to Jews, gegr. 1877 durch den Profelyten Rev. Roſen- 45
tbal, jett Vilar von St. Mark in Whitechapel, dem eigentlichen Judenquartier Londons,
Miſſionshaus und Waifenhaus. Einkommen: 2833 Pf. St. = 56660 ME.
10. Barbican Mission to the Jews, gegr. vom Profelnten Lipſchitz 1879, außer
enem Miſſionshaus befteht ein Home für Profelyten. Es iſt geforgt für bebrätfche Gottes-
Menite, Bibeljtunden, Nachichule, Lefezimmer, Verfammlungen für jüdifhe Mütter und 50
Kinder. Einlommen: 1200 Pd. St. = 21000 ME.
11. The Jerusalem and the East Mission Fund, geitiftet 1897 durch Bifchof
Blyth von Jeruſalem. Zweck ift Stiftung und Unterhalt von Miſſionswerken unter den
Juden in den Ländern der Bibel. Der Bilhof bat 18 Gebilfen in Jerufalem, Beirut,
Haifa, Kairo und Suez. Ginfommen: 9576 Pfd. St. = 191520 ME. Zeitichrift: Bible 65
Lands
Oi
12. The Kilburn Mission to the Jews, gegr. 1896 vom Proſelyten Ben Lliel.
Diefe Miſſion fucht die wohlhabenden jüdiſchen Geſchäftsleute Londons, welche aller
Miffion aus dem Wege geben, dadurch zu erreichen, daß fie an etwa 1000 jüdiſche Fa—
milien durch die Poſt Traktate verfendet. Einfommen: 470 Pfr. St. = 9100 ME, cn
um }
—
182 Miſſion unter den Juden
13. The London City Mission to Jews beichäftigt 16 Arbeiter unter den 250000
fremden Juden, die aus allen Yändern in London zufanımengeftrömt find. Straßen:
predigten und Gottesdienjte in Nirchen, Beſuche und Bibelverbreitung iſt ibre Arbeit.
Tas Verlangen, ein fejteres Band um die zahlreichen Proſelyten Englands zu jchlingen,
bat dabin aefübrt, daß an die Ztelle der früberen Hebrew Christian Prayer Union
unter dem Proſelvten Bischof Hellmuth und Rev. Bacert Ende 1897 eine Hebrew
Christian Union ſich gebildet bat, der nach Jahresfriſt fchon gegen 200 Proſelyten an-
nebörten. Neben ibnen beitebt noch cine aus Proſelyten und anderen Chriſten gebildete
„Webetoverriniaung fur Israel“ unter Yeitung von Arthur Day, die in ihrer Viertel
jabroſchrift The Friend of Israel viele über Die Judenmiſſion gut orientierende Nach:
richten bringt. Der Miſſionsgeiſt iſt in England ſehr lebendig und thätig und nicht
in leuter Stelle auf die Juden gerichtet; ihre Miſſionen auch unter den Juden teilen
alle Vorzuge und Nachteile, Die dem enaliichen Charakter und Gbriftentum anbaften.
In Deutichland giebt 8 Drei Geſellſchaften: 1. Die „Geſellſchaft zur Verbreitung
div Chrütentume unter den \uden”, gear. 1822 zu Berlin, auf Anregung und unter dem
Emiluß Des fur die Bekebrung Der Juden äußerſt tbätigen Engländers Lewis May und
div ref. Tholuck: obne ın Abhängigkeit von der Yandesfirche zu fteben, bezieht fie doc
einen qpibrlubden budgetmaßigen Staatszuſchuß von 300 Thalern. Zeit ihrem Beitand
baite Ste ungefabr 713 Taufen zu verzeichnen und im Jahre 1898 konnten beinabe 21
RProeelpten ein gememiames Weibnachtsfeſt feiern. Außer ihrer Hauptitation Berlin mit
euere Muſtenobaus bat ſie noch Stationen in ofen, Czernowicz und Ztanislau.
Sir beichgitiat > Wiſſionsarbeiter. Einkommen: 35000 ME Ihr Organ tft der von
Yuor Dr 8 Zend vertrefflicd redigierte „Natbanael“, die reichbaltigfte und gediegenite,
Sind munrNiaßde auch miſſionswiſſenſchaftliche Artikel ausgezeichnete Zeitſchrift. Unab:
pipe von der Miionsgeſellſchaft Iettet Prof. Strad auch das Institutum Judaicum,
an Kewentaung. Die Den Zweck bat, an Der Univerſität ftudierende Theologen mit der
Yon dekannt zu machen und fie in jüdiſche Schriftwerfe einzuführen. Aus diefem
Yun auch ichon eine ganze Neibe von Schriften hervorgegangen, die ſich teild auf
ser. de itteratur teils auf Milton bezieben.
cCvwngeliſch luth. Gentralverein für Miſſion unter Israel“, gegründet 1871 in
werns Dieer Verein ſucht alle luth. Judenmiſſionen zu einbeitlicher Thätigkeit zu ver-
er. Mait ibr verſchmolzen tt der ſächſiſche Hauptverein für evang.-luth. Judenmiffton,
we. sd in engerem Verband ſteht ſie mit Dem bayeriſchen evang.-luth. Verein für
Scott gear. 1850 von Prof. Delitzſch zu Erlangen; cbenfo mit dem Gentral-
yon Audenmillion, gegr. 1865 Durch Profeſſor Caſpari in Chriftianta. Auch die
00. Danemark, Medlenburg und Hannover find mit dem Gentralverein in Ver:
Node Ste ihre Einkünfte jet cs ganz, fer eo teilweiſe an Yeipzig abliefern. Der
Samen bus 3 Arbeiter in Leipzig und in Galizien. Einkommen: 20000 ME.
W Zaat auf Hoffnung“, von Delitzſch begonnen, jetzt von Miſſ.-Sekretär Paſtor
oo anatelubrt Außerdem redigiert Prof. Dalman in Leipzig das Jargonblatt
a. ven. das große Verbreitung unter den Juden des Oſtens findet und einem Be
oe ettinde Much Die von Prof. Delitzſch ſchon vor 2 Jahrzehnten gefertigte vor:
so thin Dis NT uns Hebräiſche findet immer noch Verbreitung und ftiftet
x X Jabr 1880 gründete Prof. Delitzſch in Yeipzig das erjte Institutum Ju-
ri ed imier ſeiner Leitung erſchienen auch zablreihe „Schriften des Inſt.“ Jetzt
or ed Nie Seminar für Judenmiſſionare, in welchem 2- 3 Theologen für den
> assseit perbeteitet erden. Da Diefes Seminar entſchieden einem Bebürfnis ent
ng pehte wunſchenswert, Daß ihm größere Teilmabme und Unterjtügung gewid—
28
Reildeulicher Verein für Jorael“, gegründet zu Köln 1843 unter dem Namen
ar yaathtiinber Verein für Israel“ durch den englischen Miſſionar Stodfeld und
08 ns sinpper in Köln. Der Verein arbeitet auf den Ztattonen Köln, Frankfurt a. M.
ons Muh Ztraßburg, mit 3 Miſſionaren und 1 Nolporteur. Im Jahre 1898
x. tue getauft. Einkommen: 19605 ME, darunter 2000 ME Zinfen. Beit:
et rapattt deo Weſtdeutſchen Vereins für Israel, red. von Paſtor Stolle, der
inden Mleinen Miltonsliederichag für Areunde Israels, unter dem Titel
Xbuuogegeben Dat.
x. ebeiz beſteht zu Baſel der „Verein der Freunde Israels“, gegr. 1830
“sen palent Joraeliten, welche von ſelbſt Unterricht in der chriſtlichen Wahr⸗
rn sarlieb zu fen, ſowohl daß jie zur Erkenntnis Chriftt und zum Glauben
Million unter den Juden 183
gelangen, als auch daß fie, wenn nötig, einen Beruf erlernen, um felbitftändig in ber
chriftlichen Gemeinde ihr Brot zu verdienen. Demgemäß trieb er vor allem Profelyten-
pflege, wozu feit 1844 ein eigned Haus beftimmt war. Doc wurden häufig auh Mil:
fionsreifen zu den Juden in Süddeutſchland, Elſaß und der Schweiz gemadt. Den
veränderten Verhältniffen in der Miflion mie unter den Juden Rechnung tragen,
wurde das Proſelytenhaus im Sabre 1890 aufgehoben und der Verein fonjtituierte fi als
eigentliche Miffionsgejellichaft, die ihren Sig in Bafel habend durch einen Miffionar unter
den Juden der Schweiz, Württembergd, Badend und des Elfaß arbeitet, während ein
zweiter jein Arbeitsfeld in Böhmen bat. Einkommen: 32000 Fre. — 26000 Mt. Zeit:
ſchrift: Der Freund Israels und Ami d’Isradl. 10
In Genf haben einige Damen einen Kollefteverein, Sou-Israelite, gegründet, deſſen
Ertrag für Unterhalt eines Kolporteurs in Nordafrila verwendet wird.
Auh Frankreich befist eine Zudenmiffion: Société frangaise pour l'Evangé-
lisation d’Israel, gegr. 1888 durch Paſtor G. Krüger. Sie unterhält 1 Miffionar für
Frankreich und unterjtüßt die Kolportage in Algier und Oran. Cinfommen: 8400 Fres.
eitjhrift: Le Re&veil d’Israel, deſſen Tendenz auf eine jubdenchritlihe National:
be geht.
Außerdem unterhalten 2 engliihe Damen einen Profelyten als Miffionar in Paris
unter dem Namen: The Paris Mission to the Jews feit dem Jahr 1887.
Standinavien bat drei Miffionsvereine: 1. Die evang. National-Gefellichaft, 20
gegr. zu Stodbolm 1856 für beimifhe und auswärtige Niſnen errichtete 1889 zu
Hamburg eine Station. Sie unterſtützt auch die Londoner Geſellſchaft bei ihrem Werk
in Hebron, Rom und anderen Orten.
2. Die Geſellſchaft für Miſſion unter Israel, gegr. 1875 durch Paſtor A. Lindſtröm
zu Stockholm. Ein Laienmiſſionar und 3 Bibelfrauen find in Schweden beſchäftigt. Auch
beftebt in Stockholm ein Proſelytenhaus. Auh in Budapeft und Krakau find Laien:
nifftonare ftationiert. Einfommen: 40000 ME. Zeitichrift: Missions Tidning för
srael.
3. Tas Norwegische Central-Komitee für Israels-Miſſion, gegr. 1865 in Chriftiania,
bat 2 Miſſ. in Galaz und Braila in Rumänien, unterjtügt auch das Merk Faltins in so
Kilchineff. Einkommen: 20000 Mi. Zeitfehrift: Missions Blad for Israel.
In Rußland, wo die Hälfte aller Juden der Welt wohnen, geftattet die Regie
rung den Cvangelifchen nur in beſchränkter Weiſe Miffton zu treiben. Eigentlihe Miffion
ft nur der Staatskirche erlaubt. Proteſtantiſche Miſſionare können nur die Erlaubnis
ur Bibelverbreitung erlangen, doch dürfen fie auch den Käufern die Bibel auslegen. 35
Manchmal dürfen auch Juden in Häufern unterrichtet werden. Die Taufe hängt von der
Berwilligung der Staatsbehörde ab.
In Kiſchineff unterhält der Propſt und Baftor Faltin ein gefegnetes Miffionsmwert
feit 1859. Gr gründete ein vielbefuchtes Heim für Forſchende. Von 1874 bis 1890
wurde feine Miſſion auch von der Yondoner Geſellſchaft unterjtüßt. Wohl 300 Perfonen 40
find ſchon von Paſtor Faltın getauft, und zahlreiche Schriften unter den Juden von ihm
verbreitet worden. Sein Werk bedarf jährlich etwa 8000 ME. — An Kifchineff errichtete
au Joſeph Rabinowig 1882 fein Bethaus für Israeliten des neuen Bundes, in welchem
er alle Sabbate den Juden Chriſtum predigte in ihrem jüdiſchdeutſchen Jargon. Obgleich
getauft, blieb Rabinowitz doch außerhalb jeder kirchlichen Gemeinfchaft, indem er boffte, 5
innerbalb des Judentums eine chriftliche Judengemeinde bilden zu fünnen. Aber die
Staatsbebörde unterfagte ihm die Bildung einer felbititändigen Judengemeinde und jo
mußte er jich auf die Predigt in feiner chrijtlihen Synagoge beſchränken, wo aber viele
Juden zum Forſchen nach der chriftl. Wahrheit angeregt wurden. Viele von ihnen er:
hielten dann von Paſtor Faltin chriftlihen Unterricht und die bl. Taufe. Seit R.s Tod 50
1899 iſt die Synagoge geſchloſſen. — In Petersburg beſteht immer noch feit 1870 ein
Aſyl und Erziehungsanftalt für jüdische Mädchen.
In Nordamerifa gewinnt die Miflion ein fteigendes Intereſſe. Bon etiva 1000
Juden im Anfang des 19. Jahrhunderts ift die jüdiſche Bevölkerung auf über 1 Million
geitiegen und noch richtet fich der Strom der jüdischen Auswanderer aus dem Dften dort: 55
bin. In den legten 2 Dezennien find auch die Mifftonen wie die Pilze aus der Erde
geſchoſſen: I. Kırdlide Mifftonen find 11 zu nennen: 1. The Church Society
for Promoting Christianity amongst the Jews, gegr. 1842 in New-York. 1883
anerlannt als Hilfögejellfchaft der Domestic and Foreign Missionary Society of the
Protestant Episcopal Church. Stationen: New: J)ork und Philadelphia, 5 Mifjtonare, 60
ot
fer
5
SD
—
chule, Einkommen: 25000 ME. Zeitihrift:; The Gospel of
Rücyang begriffen wegen Enttäufhung der Gemeinden fiber
Seren Miss Ad u
5 1871 1871 zu Ren-Yart, arbeitet in Urumja, Teheran, Hamadan und Sidon. 3 e
— — — Presbyterian Mission to the Jews, F 1894 in —
3 Arbeiter. Einkommen: 6500 ME. Berichte in The Christian Nation und Olive Tree.
4. Messiah Mission of Chicago, gegr. 1896 von Nev. Chalmers; jeit 1899 fort-
10 jeht als Mission of the Women’s Association of the United Presbyterian
of N.A. Einkommen: 5000 Mt. Berichte in The Midland. — Speziell lutbe-
ehe Du nen find die 4 As enden:
ie norwegiſche Zio for Israelsmissionen blandt norske Lu-
—— i Amerika, J 1878 in Minneapolis. 3 Arbeiter in Minsk und Odeſſa
15 in ie und Nev-Nort. Einfommen: 21000 ME. Bericht in Lutheraneren und
6. Jewish Mission of the Evang. Lutheran Synod of Missouri, Ohio and
other States, gear. 1885 in New-York, 2 Arbeiter.
7. Jewish Mission of the Joint Synod of Ohio, gegr. 1892.
»». #8. Mission of the German Lutheran Synod of the Jews in Chicago, gear.
1894 in Chicago. Einfommen: 6200 Mt.
a Die Methodiſten: New-York City Church Extension and Missionar
eiety, BR 1892, 2 Nrbeiter: öffentliche eher Nie in einer Kirche DE
2 DBaptijten: Missionary Society of Seventh Day Baptists, —*
26 — 188
11. Die Quäfer: The Friends’ Mission at Ramallah in Palestine, gegr. 1870
durch engl Duäfer; 1887 von amerifanifhen übernommen als Eli and Sibyl Jones
* Außer diefen giebt es 21 unabhängige Miffionsunternebmungen, von denen wir nur
so bie bedeutenderen en len: 12. New York City Mission, gear. 1828, die ältefte aller
ameril. Miffionen. rbeiter in New-York; Nähſchule mit 275 Scülerinnen und
15 Zehrerinnen; es ieh auch Religionsunterricht erteilt. Einfommen: 7000 M. Berichte
in N. Y, City "Mission Monthly.
13. Chicago Hebrew Mission, gegr. 1887 von Rev. Bladitone. 26 Arbeiter,
s5 darunter 1 Arzt. Viele von ihnen arbeiten freiwillig ohne Gehalt. Einkommen: 13000 ME,
ee Arien The Jewish Era. Entfaltet die größte Thätigfeit und bejigt das Vertrauen
aller
14. —— Mission of the Jews, früher Hope of Israel Mission, gegr. 1892
durch Gäbelein und Ströter in New-York. Gäbelein verwirft bie Kirche und erfennt
0 nur rein individualiſtiſches Chriftentum an; hält Predigten für Juden und verteilt Schriften.
Zeitjchrift: Our Hope und im Jargen: die Hoffnung Jsraels.
15. Brooklyn Christian Mission to the Jews, gegr. 1892 in New-York. Mif-
fionsbaus in Brooklyn, 7 Arbeiter, Wredigten, Rinbergarien äbfchule für jüdiſche Kinder.
Eintommen: 4500 ME.
45 16. The World’s Gospel Union, gegr. 1892. Kanſas Gity, Miffourt, 8 Miſſio—
nare, 1 in Maroffo.
17. American Mission to the Jews, gegt. 1895 vom Proſelyten Warſchaviat,
—* großen Zulauf von Seite der Juden. Eintommen: 15000 Mt. 5 Arbeiter, darunter
Proſelyten. Warſchaviak gab zu Ngernis Anlaß und wurde aus * Miffton entlafjen.
5 18. Immanuel Mission to the Jews in Cleveland, gear. 1898. Proſelytenhaus,
7 Arbeiter. Einfommen: 7500 ME. Zeitfchrift: Immanuels Weditness.
Im ganzen beichäftigen die amerikanifchen Miffionen 150 Arbeiter; aber eim großer
Teil der Mitkionen find Schöpfungen einzelner Männer, befonders von Profelpten. Dies
bringt gr grobe Uebelftände mit fi; es fehlt an aller öffentlichen Kontrolle. Da auch un
55 Yeute Miſſionen errichteten und halten, begegnet das Miffionswerk überhaupt vielfachen
Miptrauen. Daß aber in Amerifa trogdem 160000 ME. für Judenmiffton jährlid auf
gebracht werben, zeigt, daß die Chriſten Amerikas ihrer Pflicht gegen die Juden ihres
Yandes eingedent find.
In Auſtralien betreibt im Namen der Friends of Israel Association der Pro-
on jelyte Abramowitz ein befonderes Miffionswert in Melbourne,
Miſſion unter den Juden 185
Demnach arbeiten unter den mehr als 10000000 Juden der Erde (11250 000°)
mehr ald 50 Bereine und. Unternehmungen mit ungefähr 500 Arbeitern, von denen die
größere Hälfte jüdiſcher Abkunft ift, und verfügen über mehr als 2000000 Mk., wovon
allein 1750000 auf die Briten, 90000 auf Deutichland und die Schweiz, 60000 auf
Efandinavien und 150000 auf Amerika fallen. 6
5 Die Arbeiter verteilen ſich auf den verjchiedenen Arbeitsfeldern ungefähr folgender:
maßen:
Unter den 144—200000 Juden Großbritanniens wirken 134 Miffionsarbeiter
un 7700 „ Kaneide „ 5 „
„nn 568000 ,„ Deutſchlands „ 24 „ 10
vn 1860000 „ Öfterreich-Ungarns „tr ,
—W 3000 „ Belgiens n — J
„n 4000 „ Dänemarfs „ — „
on 5800 ,„ Griechenlands „ —
"nu 97000 Hollands 2 , is
„nn 50000 „ Irtaliens „ 3 „
” " 300 " Portugals ” — //
—W 300000 „ Rumäniens u 11 „
„nn 450000 „ Rußlands u 10 u
nn 4700 „ Serbiens „ — 20
„nn 31000 ,‚ Bulgariens „ 1 „
” " 2 500 ” Spaniens " ”
„nn 3400 ,„ Schwedens „ 8 „
„ ⸗⸗ 12 500 ” der Schweiz ” 1 "”
un 120000 ,„ der Türkei „ 21 „ 25
„on 150000 ,„ der afiatifchen Türkei „103 „ '
" ” 30 000 " Perſiens „ 10 "
„nn 40000 „ aftatifchen Rußlands n — „
„nn 14000 „ Turkitan und Afganiftan „, —
W 19000 „ IIndiens und Chinas „ 5 „ 30
„nn 25000 „ Aegyptens „ 12 „
„on 50000 „ Abeffinieng „ 7 n
„»n 58000 „ Tripolis „ — „
un 60000 „ Tunis „ 12 „
„nn 48500 „ in Algier und der Sahara „ 2 „ 35
„nn 100000 „ Marokkos n 2 n
„nn 12000 „ in Transpaal „ — „
un 1500 „ in Kapland „ 1 „
„nn 1000000 , der Bereinigten Staaten „1850 „
on 5000 ,„ Kanadas „ — „ 4
„on 3000 „auf den Antillen „ — „
„nn 12000 ,„ in Südamerika „ — „
„nn 17000 „ Auftraliens n 2 „
Von einer Miffionsthätigfeit der ortbodorsruffifhen Kirche kann nichts be-
richtet werden, obwohl fie vielleicht die meisten Taufen von Juden zu verzeichnen bat. #5
Da die ruffifchen Juden den gejamten Kultus der ortbodoren Kirche für Götzendienſt
balten, können bei den Täuflingen wohl nur äußere Umftände und Vorteile maß:
gebend fein.
t haben in den letzten zwei Jahrzehnten in allen Ländern und Kirchen die
Judentaufen außerordentlich zugenommen, ſowohl aus Überdruß der Juden an ihrer Ne: w
ligion, ob fie noch talmudisch jtreng oder reformatoriſch lax iſt, als auch infolge der anti:
jemitifchen Agitation. Nach den Berechnungen von P. Lie. J. de le Roi (vgl. Judentaufen
im 19. Jahrhundert. Ein jtatiftifcher Verſuch, Leigzig 1899) follen im Yauf des 19. Jahr:
bunderts mehr ald 200000 Juden zum Chriftentum übergetreten fein. Freilich beruben
feine Refultate vielfach nur auf Mutmaßungen und unficheren Folgerungen. Immerhin 55
muß in neueiter Zeit eine wahre Flucht der Juden aus der Synagoge in die Kirchen
fonftatiert werden. Nach de le Roi follen fih die Zahlen der Übertritte im Jahre fol:
gendermaßen ſtellen:
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Juden A unt en Mi unter ſolchen Juden, die zerftreut in-
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Hi zlkern begriffen.
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Viele — — von letzteren nur noch die Religion und einige Reſte von
—— liegt im Intereſſe und der Aufgabe der chriſtlichen en in
25 machen, daß diefer nicht * — — Aſſimilations⸗ und Abforbierung
einer für die chriftlichen Völker her ren Saat und fchäbfichen e fh
vollziehe und beendige. Es wäre für * ri olker und en aufs def
digend, wenn fo viele Taufende von Juden in ihrer nei ihnen politiſch, ſozial, kulturell,
moralisch und ökonomiſch —— oder gar überlegen wären, aber religiös Feindlich
30 —— egenüberſtänden. ee jelbft empfinden es, wenigftens in Deutfchland, *
ni voll und ganz un deutichen Nation auf jehen wollen, fie auch allm
Chriften werden müſſen; darum F en ſo viele Juden ihre Kinder aleich nach ber
taufen. Damit aber nun feine Zujtände, wie feiner zeit in Spanien entiteben, *
Kirche Die Aufgabe und im ie Jubenmifien in den Kreis ihrer firchlichen Thätig
35 feiten einzureiben, fie durch ihre Diener ausüben zu laffen.
Wenn jo das thatſä Bedürfnis und die Notwendigkeit der Selbiterhaltung die
Kirche Dazu mötigen, Ju —— zu treiben, ſo iſt es eigentlich — noch bejon-
ders Das y t und die Pflicht dazu theoretich nachzuweiſen. Es kann feine Frage fein,
daß der Miffionsbefehl Jeſu an feine Apoftel auch der Kirche gelte, und daß auch Die
10 Juden A t find unter die Völker, welche die Apoſtel lehren follen (Mit 28), wenn man
erwägt, ſie ausdrücklich vom Heren angewieſen wurden, mit der evangeliſchen Ver—
Fee elle den Anfang in \jerufalem und in Judäa zu machen (2e 24, 17 AG 1,9).
Der Einwand, daß für die innerhalb der Shriftenbeit [ebenden Juden feine befonderen
Beranftaltungen nötig jeien, vielmehr dazu das ordentliche Pfarramt und die öffentlichen
45 Gemeindegottesdienfte ausreichen, indem durd) die —— des Wortes auch den Juden
ſchon genügende Gelegenheit geboten werde, das Evangelium Jeſu Chriſti zu hören, iſt
—* fi tihhaltig, weil der gan e Beifteszuftand, die religiöfe Denkweiſe, Die ungen
der Juden ü ott und göttliche Dinge jo durchaus eigenartig und anders
Frl als der der Ehrijten, daß eine die chriftliche Gemeinde one Dr nicht darum
so auch ſchon den Bedürfniffen der Juden entgegentommt, wie denn ber
unterricht eine ganz andere Behandlung verlangt. Daher hat aud) jchon die mittelalter-
liche 5* jeweilen beſondere Einrichtung für Judenmiſſion für nötig gehalten.
Die Kirche bat daher fürs Erſte die Aufgabe und Pflicht, dafür zu — daß
dieſem Amt paſſende Katecheten und Evangeliſten herangebildet und zu dieſem Wert
55 und geiſtlich vorgebildet und zugerichtet werden. Fürs Andere iſt es wiederum bie
welche für den rechten Unterricht jüdifcher Ratecumenen ie forgen, und ſie — die
Taufe N Leib der Chriſtenheil Par She bat. Daß die Taufe mur durch Bevoll—
mädhtigte der Kirche und nicht don beliebigen geiftlihen und weltlichen Privatperſonen,
bie oft mit der Kirche Des Landes gar nicht zufammenbängen, fogar derjelben oft fon:
co feſſionell Feindlich gegenüberfteben, geicheben follte, erſcheint felbitverjtändlid), wo noch kirch—
188 Miſſion unter den Juden
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PR ca nicht angewandt werden, tie in England und Amerika gejchieht. Bei Juden auf
ie dem Lande * niedriger Kultur und Bi asitufe ift immerbin das Bejuchsverfabren
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Der Ben er bat ſich nad dem religiöfen Stand und der geiltigen
— der Katechumenen zu richten und muß ein ganz —— ſein, je a
der Glaube an die alttejtamentliche Offenbarung vorausgejeßt w oder nicht,
45 Während im n‘ Falle erſt die allgemeinen religiöfen —— gelegt werden
müſſen, darf doch auch im eriteren Falle nicht vernachläffigt werden, die religiöfen Grund:
begriffe richtig zu ftellen, indem jogar das Gottesbewußtſein des Juden, jeine Beg
bon Heiligkeit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. ſ. w. andere find als die chrift
lichen. Mit befonderer Sorgfalt find die —— Lehren zu behandeln, welche dem
0 Juden nicht nur Gegenſtand des Ärgerniſſes, ſondern geradezu des Abſcheus find und
die er für man zu balten aufs tieffte geneigt tft: die Gehre von Der — ——
der Gottheit Chriſti, der Verſöhnung duch Chriſti Tod u. ſ. w. Ein oft /
jchiverer Mangel ijt, daß, trotzdem die neuere Nudenmiffion fait ſchon ein under
binter ſich bat, doch nocd fein für jüdiſche Hatechumenen befonders eingerichtete ums
55 faflendes und gründliches Lehrbuch der chrijtlichen Religion ans Licht getveten ift. Vaftor
Bieling bat einen trefflihen Abri geliefert: „Zum Unterricht jüdiicher Katechumenen“
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch der Miffton unter Israel, Berlin 1893. Es wäre
jebr verbienftlich, wenn der Verfafler diefen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch aus⸗
arbeiten würde. Er würde damit der Miſſion und der Kirche ſelbſt einen wichtigen
co leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür bat auch ſeiner Zeit Prof. Dr. Franz Deli
— —
188 Million unter den Juden
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weniger I erfennende andere Zwecke verbinden. Solde voreilig q Auden
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Die Methode des Witfioniereng richtet fich nach den Berhältnifien der Nubden. So
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tigen Gebrauch zu machen, muß die Miffion —* den Verſuch machen. Doch ſind auch
bier ſchon geſchickte Arbeiter ſehr erfolgreich thätig geweſen. Manche Miſſionare balten
auch offene Hallen, Leſezimmer, Freiſchulen nicht Erfolg. Materielle Lockmittel ſollten
aber nicht angewandt werden, wie in England und Amerika geſchieht. Bei Juden auf
4 = — oder niedriger Kultur und Bi ungsjtufe ift immerbin das Bejuchsverfabren
noch ausführbar.
Der Katechumenenunterricht bat ſich nad dem religiöfen Stand und der geiftigen
Bildung der Hatedyumenen zu ridten und muß ein ganz perjönlicher ſein, ter nachdem
ber Glaube an die alttejtamentlicde Offenbarung vorausgejegt werden darf oder nicht.
Während im leteren alle ext die allgemeinen religiöjen Grundlagen gelegt werben
müſſen, Darf hat ot auch im erjteren Falle nicht vernachläffigt werden, die religiöfen Grund:
begriffe richtig zu ftellen, indem fogar das Gottesbewußtjein des Juͤden eine Begriffe
re keit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. |. ww. andere find als die chriſt
it befonderer Sorgfalt find die ſchwierigen Lehren zu bebandeln, welche dem
2 * nicht nur Gegenſtand des Argerniſſes, ſondern geradezu des Abjcheus find und
die er für Wahnwitz zu halten aufs tieffte geneigt iſt: die Lehre von der Dreieinigfeit,
der Gottbeit Chriſti, der Verſöhnung durch Chriſti Tod u. — w. Ein oft gefühlter und
chwerer Mangel iſt, daß, trotzdem die neuere Judenmiſſion faſt ſchon ein ——
inter ſich hat, doch noch kein für jüdiſche Katechumenen beſonders eingerichtetes um—
55 faſſendes und gründliches Lehrbuch der chriſtlichen Religion ans Licht getreten it. Paſtor
Bieling bat einen trefflihen Abriß geliefert: „Zum Unterricht ;übihher ——
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch * Miſſion unter Jerael, Berlin 1893. Es wäre
ſehr verdienſtlich, wenn der Verfaſſer dieſen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch aus-
würde. Er würde damit der Miſſion und der —*— ſelbſt einen wichtigen Dienſt
0 leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür hat auch feiner Zeit Prof. Dr. Franz Delitzſch
\
186 Miffion unter den Faden
evangelifche Kirche (davon 300 dur die Mifftion) 1450;
römifchefatbolifche Kirche. . . 2 2 2123503;
griechiſche Kuhe . 2 2 2 22222. 1100;
aus Mifhehen . . 2 2 2 2 1833503;
5die Zahlen find im Steigen begriffen. Den ftärfften und ohne Zweifel am tiefften drin-
genden Einfluß übt die evangelifche Chriftenheit auf Die Juden aus. Der Proteftantismus
bat die meiſte Anziebungsfraft, weil er das geiſtige Weſen der Neligion betont, was auf
die Des talmudischen Formelweſens überdrüffigen Juden den größten Eindrud macht. Die
Juden fchreiben dem Proteſtantismus den größten geiftigen Gehalt zu.
10 III. Tie Sudenmiffion in Theorie und Praris. Ber der Miffionierung der
Juden jollte unterjchieden werden: 1. Die Miffion unter ſolchen Juden, die zerftreut in-
mitten eines chriftlichen Yandes und einer chriftlichen Kirdhe wohnen; 2. die unter folchen
Juden, welche in kompakter Maſſe bei einander wohnen und eigene Sprache und Sitten
haben und 3. folhe unter \uden in mubammedanifchen und heidniſchen Ländern. Denn
15 die Art und der Charakter, die Aufgabe und das Ziel der Miflion wird in jedem dieſer
drei Faͤlle verfchieden fein. Daß Diele Unterſchiede bisher faum beachtet wurden, gereichte
der Miffion zu großem Nachteil
1. Die Miffion unter den innerbalb der chriftlichen Kirchen zerftreuten Juden kann
feinen anderen Zweck haben, als dieſe Juden in die chriftlichen Kirchen einzuführen und
Zu ihnen einzugliedern. Es find dies befonders die Juden Weſteuropas. Sie jind fett bun-
dert jahren in einem öfonomifchen und materiellen, wie auch geiſtigen, intellektuellen und
moralifchen, kulturellen und ſozialen Aſſimilationsprozeß mit ihren Wirtsvöltern begriffen.
Viele dieſer Juden fcheiden von leßteren nur noch die Religion und einige Reſte von
Rafjeneigenbeiten. Es liegt im Intereſſe und der Aufgabe der chriftlihen Kirchen, zu
35 machen, daß diefer nicht mehr aufzubaltende Aſſimilations- und Abforbierungsprozeß ın
einer für die chriftlihen Völker und Kirchen fürderlichen und nicht fchädlichen Weiſe fich
vollziebe und beendige. Es wäre für die chriſtlichen Völker und Kirchen aufs tiefite fchä-
digend, wenn jo viele Taufende von Juden in ibrer Mitte, ihnen politisch, ſozial, kulturell,
moralisch und ökonomiſch gleichftünden oder gar überlegen wären, aber religiös feindlich
30 ihnen gegemüberjtänden. Die Juden felbjt empfinden es, wenigftens in Deutjchland, daß
wenn fie voll und ganz in der deutfchen Nation aufgeben wollen, fie auch allmählig
Ghrijten werden müfjen; darım laffen jo viele Juden ihre Kinder gleich nach der Geburt
taufen. Damit aber nun feine Zuſtände, wie feiner Zeit in Spanien entjtehen, bat die
Kirche Die Aufgabe und Pflicht, die Judenmiſſion in den Kreis ihrer Tirchlichen Thätig—
35 feiten einzureiben, fie durch ihre Diener ausüben zu lajfen.
Nenn jo das thatfächliche Bedürfnis und die Notwendigfeit der Selbſterhaltung die
Kirche dazu nötigen, Judenmiſſion zu treiben, fo iſt es eigentlich überflüffig, noch bejon-
ders Das Necht und die Pflicht Dazu theoretisch nachzuweiſen. Es kann Teine Frage fein,
daß der Miffionsbefchl Jeſu an jeine Apoftel auch der Stirche gelte, und daß auc die
10 Juden befaßt find unter Die Wölfer, welche die Apoftel lehren follen (Mt 28), ivenn man
erwägt, daß fie ausprüdlib vom Herrn angewiefen tourden, mit der evangelifchen Ber:
fündigung den Anfang in Jeruſalem und in Judäa zu maden (Le 24, 47; AG 1, 8).
Der Einwand, daß für die innerbalb der Ghrijtenheit lebenden Juden feine beſonderen
Veranſtaltungen nötig ſeien, vielmehr dazu das ordentlide Pfarramt und die öffentlichen
5 Semeindegottesdienfte ausreichen, inden durch die Predigt des Wortes auch den Juden
ſchon genügende Gelegenbeit geboten werde, das Evangelium Jeſu Chrifti zu bören, ilt
nicht ftichbaltig, weil der ganze Geiftessuftand, Die religiöje Denkweiſe, die Anſchauungen
und Begriffe der Juden über Gott und göttliche Tinge jo durchaus eigenartig und anders
find, als der der Chriſten, daß eine die chriftliche (demeinde erbauende Predigt nicht darum
so auch ſchon den Bedürfniſſen der Juden entgegenfommt, wie denn auch der Ratechumenen:
unterricht eine ganz andere Behandlung verlangt. Daber bat auch ſchon die mittelalter:
liche Kirche jeweilen befondere Einrichtung für Judenmiſſion für nötig gehalten.
Die Kirche bat daber fürs Erſte die Aufgabe und Pflicht, dafür zu forgen, daß zu
dieſem Amt paffende Katecheten und Evangeliften berangebildet und zu dieſem Werk geijtig
56 und geiftlich vorgebildet und zugerichtet werden. Fürs Andere tft es wiederum die Kirche,
welche für den rechten Unterricht jüdijcher Natechumenen zu ſorgen, und jie durch bie
Taufe dem Yeib der Ghrijtenbeit einzugliedern bat. Daß die Taufe nur durch Bevoll⸗
mächtigte der Kirche und nicht von beliebigen geiſtlichen und weltlichen Privatperjonen,
die oft mit der Mirche des Yandes gar nicht zufammenbängen, fogar derfelben oft fons
vo feſſionell feindlich gegemüberfteben, geſchehen jollte, erſcheint jelbjtverftändlich, wo noch kirch⸗
Miffion unter den Juden 187
liche Ordnung Tann gehandhabt werden. Unter den evangeliichen Stirchen find es aber
nur die englifhe und fchottifche und einige kleinere freie Kirchen, welche die Miſſion als
Zweig ihrer Tirchlichen Thätigleit ausüben. Und mas die Taufen anlangt, jo kann in
Deutichland nicht verhindert werden, daß englifche und amertlanifche Methodilten, Bap⸗
titten und andere Juden taufen, ohne daß dieſe einer chriftlichen Gemeinde als wirkliche 5
Glieder tbatfächlich eingefügt werden. Daraus erwachjen für alle Teile bedeutende Nach:
teile. Die Thätigfeit kirchenfremder Miſſionare wird nie volfstümlich, nur in feltenen
Füllen und ausnahmsweife getragen und geſtützt von den Gliedern der Landesficchen.
Kirchen und Gemeinden ale ſolche nehmen kaum Notiz vom Daſein und Wirken dieler
Miſſionare anderer Kirchendenominationen, wie auch diefe meiſt thun, als mären nicht 10
ibon Kirchen und Gemeinden im Yande vorhanden. Die von Miffionaren anderer Kon:
feſſionen und Kirchen Getauften gehören dann faktiſch gar feiner Kirche an, oder fie ſehen
fih doch als Glieder der Landeskirche ihres Wohnortes an; dieſe Kirche aber bat weder
Kontrolle über ihren Unterricht gehabt, noch wird fie um ihre Einwilligung zur Taufe
und Aufnahme in die Gemeinde angegangen; noch fann fie fich jehügen, daß nicht un= 15
würdige und zweideutige Subjefte, die ſich taufen ließen, ihr nun als Glieder zugeichoben
werden. Aber auch für die Profelyten it diefer Zuftand nachteilig. Dieſe getauften
Juden bleiben der Landeskirche fremd, werden nirgend religiös heimisch; das Gefühl der
Zugebörigfeit zu einer bejtimmten Gemeinde und Kirche und die Verpflichtung der Kirche
gegenüber fommt in ihnen nie auf. Der Proſelyt giebt die feſtgeſchloſſene Gemeinichaft 20
der Synagoge auf, tritt aus feinem Vollstum und religiöfen Verband und empfängt doch
feinen Erſatz dafür; fein Wunder, daß ſich viele Proſelyten zeitlebens unter den Chriſten
und in den Gemeinden fremd fühlen und auch bei lebenvigem Glauben an Chriſtum doch
den Mangel einer Volks- und Religionsgemeinjchaft fpüren; es fehlt ihnen die geiftige
Heimjtätte. — Aufgabe Tirchlicher Thätigkeit it c3 aber nicht, auch für die äußeren Dinge, 25
für materielle Unterftügung und foziale Eingliederung der Proſelyten in die chriftliche Ge—
jellihaft und das Vollstum Sorge zu tragen. Bei der zahlreichen Einwanderung der Juden
und da Ben öfter auch ihre Heimat verlaflen, um im evangelischen Ländern überzutreten,
jo tft oft auch materielle Unterjtügung nötig; da iſt eine kirchlich eingerichtete Miffion
auf die Beihilfe privater Liebesthätigkeit angemwiefen. Nah dem Dargelegten gebürt die so
Miſſion unter den Juden des eigenen Landes fozufagen zur inneren Miſſion. Da aber
in diefer Thätigfeit die freien Vereinigungen eine glüdlichere Hand haben, als die ftaate-
firchliche, jo wird e8 im großen und ganzen nicht gerade als ein Übelſtand empfunden
werden, daß die Judenmiſſion Sache freier Vereine und Gefellichaften geworden iſt, wenn
dieſe nur der eigenen Kirche angehören. — Dagegen ijt e8 cin jehr großer Mißſtand, der 36
meift mit ſchweren Argerniſſen und Schädigungen der Miflion felbjt verfnüpft ift, wenn
einzelne Privatperfonen, ſeien es Männer oder Frauen und Fräulein auf eigene Hand perfünlich
oder Durch Angejtellte Miffion treiben oder treiben laſſen. Sie find niemand verantwortlich
für empfangene Geldmittel; meist fehlt alles Geſchick und die nötigen geiſtigen Vor:
bedingungen für rechten Erfolg; oft wird nur auf den Schein gearbeitet; manchntal fogar 46
ein einträgliche® Geſchäft daraus gemacht. Gleichwohl fehlt es an allen Mitteln, folchen
Franktireurs in der Miffion das Handwerk zu legen. Man kann nur davor warnen,
ſolche Beitrebungen zu unterftügen, die nicht von einem organifierten Verein oder Komitee
anerlannter Shriften ausgehen. — Die Miſſionsbeſtrebungen unter den innerbalb der evan—⸗
geliichen Kirchen wohnenden Juden, die alle mehr oder weniger in den Aflimilationg- 45
prozeß mit den chriftlichen Völkern verflochten find, können alfo nur die Aufnahme diefer
Juden in die evangeliiche Kirche zum Zweck und Ziel baben. Eben darum würde dieſe
Miſfion am geeignetiten durch chriftliche Geiſtliche Diefer Kirche ausgeübt, die freilich dazu
beionderer Borbildung bedürfen. Den gebornen Chriſten fällt freilib die Zurüſtung zum
Miſſionsberuf unter den Juden ſehr fchwer, ſchwerer als gebornen Juden. Zie haben so
mebr Schwierigkeiten zu überwinden, um mit Juden recht verfebren und getftlich auf fie
einwirken zu können; aber andererjeits genießen fie größere Achtung und mebr Entgegen:
fommen von feiten der Juden, weil es ihnen mehr Eindrud macht, wenn geborne Ebrijten
fh um ihr Heil bemühen und ihre Bekehrung fich zur Yebensaufgabe machen. - rrig
und verfehrt wäre es, wenn man die in evangelifchen Kirchen Ghriften getvordenen Juden 55
einer befonderen judenchriftlichen Kirche Sammeln und vereinigen wollte. Daraus ent:
Klinde nur eine neue Sekte; darauf werben ſich auch die in evangelifchen Yandern Iebenden
Profelgten nie einlaffen; folche Beitrebungen baben daber, two fie verfucht wurden, feinen
Boden finden fünnen. — Auf eines aber jollte Die Nirchenbebörde beionders Acht haben,
daß nämlid, die Geiftlihen nicht voreilig Taufen von Juden vornehmen, nicht ohne 6
188 Miſſion unter den Juden
borauggebenden gründlichen Unterricht, und nicht ohne daß wenigſtens ernftlihe Anfänge
eines wirklichen Glaubenslebens fichtbar find. Judentaufen jollten nicht bloß von der
Berilligung der firchlichen Behörde abhängen, jondern dieſe jollte ſich auch um die zu
erteilende Unterweifung fümmern und diefelbe regeln. Leider find die Fälle nur allzu
5 häufig, daß Pfarrer nach einem höchſt mangelhaften und färglichen Unterricht, oft fogar
obne irgend welche Unterweifung, fogar ohne irgend welche genauere Kenntnis der Verjon
des Petenten kurzerhand jedwedem die Taufe erteilen. Mancherorts fiebt es faft aus,
als fer der Taufaft und Taufichein gegen eine Gebühr fäuflih. Won diefer Praris bat
Die evangelifche Kirche den größten Schaden. Mit bloß bergereiften, nicht landſäſſigen
1 Juden follten Stirchendiener überhaupt doppelt vorfichtig fein und fie an ordentliche Miſſio⸗
nare weiſen, da ſolche fahrende Leute mit dem Taufbegehren faft ausnahmslos mehr oder
weniger ſchwer zu erfennende andere Zivede verbinden. Solche voreilig getaufte Juden
fallen nachber der Chriftenbeit zur ſchweren Laſt und bringen die Judenmiſſion ea in
Mipfredit, indem die leicht täufchbaren Geijtlihen dann alle Profelyten wrtümlich für
15 Heuchler und Schwindler halten.
Die Methode des Mitfionierens richtet fich nach den Werhältniffen der Juden. So
lange die Juden in faſt rechtlofen Verhältniſſen innerbalb der Chriftenbeit lebten, konnten
Staat und Kirche es erzwingen, daß die Juden entweder in ihren eigenen Synagogen
oder in Kirchen die Predigt des Evangeliums anbören mußten, was freilih nur zu
20 Smangsbefehrungen führen fonnte und dem Geift des Evangeliums nicht entſprach. Dieſes
Cogite intrare bätte die ewangelifche Kirche der katholiſchen nie nachmachen follen. Seit
der Emanzipation der Juden iſt diefe Weife unmöglich geworden. Man bat ſeitdem die
Juden in ihren Häufern aufgefucht und Durch Geſpräche mit den Ein elnen und Familien
und durch Verteilung von Traktaten und Büchern ihnen das Evangelium verfündet. Die
25 Predigt in Synagogen und Schulen tt jet nur ganz ausnahmsweiſe und jelten nod
ausführbar. Nachdem nun aber auch die Juden im fozialen Leben ſich eine höhere Stel:
fung erworben und ibr geiftiger und materieller Kulturzuſtand fich gänzlich verändert bat,
wird auch dem Aufjuchen in den Häufern immer mebr Schwierigkeit in den Meg gelegt.
Viele Juden berufen jih auf das Hausrecht und feben die Befuche durch den Miſſionar,
39 wenigſtens wenn er den Zweck des Befuches deutlich zu erfennen giebt, ald Zudringlich—
feit, wenn nicht gar als Hausfriedensbruch an. So bleibt nur die zufällige Begegnung
und die Offentlichkeit übrig. Die vom Miſſionar geſuchten, aber vom Zufall abhängigen
Geſpräche in Cafes und Wirtshäuſern, im Wartſaal und Waggon, auf der Promenade
und Landſtraße, im Kaufladen und Bureau ſind oft vom beſten und geſegnetem Erfolg.
3 Von der Offentlichkeit durch öffentliche Vorträge und Konferenzen für ihren Zwec rich⸗
tigen Gebrauch zu machen, muß die Miſſion erſt den Verſuch machen. Doch ſind auch
hier ſchon geſchickte Arbeiler ſehr erfolgreich thätig geweſen. Manche Miſſionare halten
auch offene Hallen, Leſezimmer, Freiſchulen nicht obne Erfolg. Materielle Lodmittel follten
aber nicht angetvandt werden, wie in England und Amerifa gefchieht. Bei Juden auf
40 den Lande oder niedriger ultur- und Bildungsstufe it immerhin das Beſuchsverfahren
noch ausführbar.
Der Katechumenenunterricht bat fich nach dem religiöfen Stand und der geiftigen
Bildung der Katechumenen zu richten und muß ein ganz perjönlicher fein, je nachdem
der Glaube an die altteſtamentliche Offenbarung vorauägefegt werden darf ober nicht.
5 Mäbrend im legteren ‚alle erit Die allgemeinen religiöfen Grundlagen gelegt werden
müſſen, darf doch auch im erſteren Falle nicht vernachläſſigt werden, die religiöſen Grund⸗
begriffe richtig zu ſtellen, indem ſogar das Gottesbewußtſein des Juden, ſeine Begriffe
von Heiligkeit, Sünde, Gerechtigkeit, Buße, Glaube u. ſ. w. andere find als die chriſt—
lien. Mit befonderer Zorgfalt ſind die ſchwierigen Yebren zu behandeln, welche dem
50 Juden nicht nur Gegenftand des Ärgerniſſes, jondern geradezu des Abſcheus find und
die er für Wahnwitz zu balten aufs tiefjte geneigt tft: Die VLehre von der Treieinigfeit,
der Gottheit Chriſti, der Verföhnung dur Ghrijti Tod u. |. w. Ein oft gefüblter und
ſchwerer Mangel ift, daß, trogdem die neuere Judenmiſſion fajt ſchon ein Jahrhundert
binter fich bat, doch noch fein für jüdiſche Katechumenen beſonders eingerichtetes ums
5 faflendes und gründliches Lebrbuch der chrijtlichen Religion ans Licht getreten it. Paſtor
Bieling bat einen trefflichen Abriß geliefert: „Zum Unterricht jüdiſcher Katechumenen“
in Dalmans Kurzgefaßtes Handbuch der Miſſion unter Jsrael, Berlin 1893. Es wäre
ſehr verdienſtlich, wenn der Verfaſſer dieſen Grundriß zu einem wirklichen Lehrbuch ausge
arbeiten würde. Er würde damit der Miſſion und der Kirche ſelbſt einen wichtigen Dienſt
bo leiſten. Einzelne treffliche Vorarbeiten dafür bat auch ſeiner Zeit Prof. Dr. Franz Delitzſch
Miſſion unter den Juden 189
in Abhandlungen feiner „Saat auf Hoffnung” geliefert. Da bei dem ftetig fortjchreitenven
jüdischen Affimilterungsprozeß die Taufen von Juden ſich immer mehren werben, fo wäre
auch wünfchenswert, daß in den Stirchenagenden für paſſende Taufformulare geforgt würde.
Es wäre Zeit, daß die Kirchenbehörden dieje Seite der Judenfrage, die fie berührt, einer
allfeitigen Ermägung und Regulierung unterzieben würden. 6
2. Anders muß ſich die Miſſion geſtalten in nichtevangeliſchen Ländern, wo Juden
in kompakten Maſſen bei einander wohnen. Dies iſt hauptſächlich im Oſten Europas
und vorzüglich in den polniſch geweſenen Weſtprovinzen Rußlands der Fall. Die Zahl
aller ruſſiſchen Juden wird auf mindeſtens 4/, Millionen, von manchen ſogar auf 6 Mil-
lionen geſchätzt. Aber auch in Galizien und Rumänien wohnen Tauſende von Juden 10
bei einander Auch die 100000 ruſſiſchen Juden, die enggedrängt im Oſtend Londons
wohnen, gehören in dieſe Ordnung zu den ausländiſchen Juden; nicht minder die 400 000
ausländiſchen Juden in New-York. Sie bilden gleichſam eine Welt für ſich. In den
vorhin genannten, von römiſch- und griechiſch-katholiſchen Völkern bewohnten Ländern
giebt es überall nur wenige, Kleine, geiltig unbedeutende, geiftlich oft faft eritorbene, evan-
geliiche TDiafporagemeinden. Die Miffton kann fih da an feine Kirche anlehnen, ſondern
muß jelbititändig auftreten und wirken. Hier bieten fih der Miſſion ganz befondere
Schwierigkeiten. Hier haben es die Milfionare oft noch mit tiefgewurzeltem jüdiſchem
Fanatismus und Chriſtenhaß, mit unglaublichen Aberglauben und jüdischer Engberzigfeit,
aber auch mit innigem, altwäterlihem Offenbarungsglauben, mit einer das ganze Leben 20
umfpannenden Religiofität und Frömmigkeit, mit gründlicher talmudifcher Gelehrfamteit
und ſchwärmeriſcher cheifidiicher und kabbaliſtiſcher Myſtik zu thun. Ein nicht auch mit
jüdiſchem Wiflen gründlich ausgerüfteter Miffionar wird hier wenig Achtung, wenig Gehör
und gar fein Verſtändnis finden. Er muß mit den Juden „jüdiſch“ denken und reden
lönnen und ihr Denken und Reben veriteben. Bringt e8 dazu ein geborner Chriſt, jo 25
wird er Doppelt leichten Eingang und außerordentliche Erfolge erreihen. Da dies aber
nur jelten der Fall tft, daß ein geborner Nicht-Jude folche Kenntniſſe hinreichend erwirbt,
fo find unter den talmudifchen Juden allzeit als die natürlichen Arbeiter befebrte Juden
aufgetreten. In jedem Fall find fie die, welchen dieje fchmwierige Arbeit am leichteiten
fällt wegen ihrer Kenntnis der Denkweiſe, Sitten, religiöjen Gebräuche, Sprache, Litte: 30
ratur und Yebensumftände, der geiftigen und moraliſchen Vorzüge, Schwächen und Fehler
der Juden. Sie fennen beides, das jüdiſche Herz und den jüdischen Kopf. Zudem belebt
viele Profelyten ein tiefer Drang, ihren Volksgenoſſen das Heil in Jeſu zu verfünden,
und ihre Arbeit ift auch allzeit von Segen begleitet geweſen. Doc dürfte es verfehlt
jein, wenn eine Gefellichaft überwiegend oder gar grundſätzlich nur Profelyten zur Arbeit 35
verwenden würde. Denn dann gejchiebt es leicht, daß in der Auswahl wenig wähleriſch
verfahren und oft untüchtige Leute, nur meil fie Proſelyten find, angeftellt werben, oft
auch Neophyten vorjchnell zu Lehrern anderer gemacht werden. Auch ijt nicht ganz mit
Unrecht zu bejorgen, daß folche die jüdiſchen Eigenheiten und Gewohnbeiten, die jüdiſchen
Anſchauungen und Vorurteile, fogar die Unarten ihrer Pfleglinge allzuſehr fehonen, ftatt 40
ibnen entgegenzutreten. Ebenſo verfehlt aber, ja ganz unpraftiich wäre cs, die Proſelyten
ganz vom Y ti fionsbienft ausschließen zu wollen. Die Gebrechen und Gefahren werden
am beiten vermieden durch gemeinjame Arbeit von gebornen Chrijten und Proſelyten.
Enticyieden muß aber die Leitung und Vorfteberichaft der Mifjion durch geborne Chriften
gefordert werben, einerjeits damit die Vereine uud Komitees mit der Ghrijtenbeit in Zu: 4
jammenbang bleiben und ihr Vertrauen bejisen, andererfeits damit nicht ein faljch jüdiſcher
Geiſt in der Miſſion fich feſtſetze. Doch jollten auch geborne Juden in jedem Komitee
vorhanden fein, dann würden audy die Komitees vor vielen Mißgriffen und unpraftifchen
Maßnahmen beiwahrt bleiben.
Was nun Zmed und Ziel der Mifjionsarbeit unter fremdländiſchen Juden anlangt, so
fo maden fich hier ganz bejondere Schwierigkeiten geltend. Was joll gejcheben, wenn
mitten in großen Judengemeinden ein Cinzelner oder eine einzelne Familie zum Ebrijten-
tum übertreten will? Die Aufnahme und Eingliederung in eine fehon beitebende Chrijten:
gemeinde iſt meift ganz und gar oder durch die faktiſchen Verhältniſſe ausgeſchloſſen. Ein
Einzelner kann audy feine Gemeinde bilden, kann ſich als Chrift inmitten feiner früheren 55
Glaubensgenoſſen gar nicht halten, denn fie haſſen und verfolgen folchen Abtrünnigen
(Mechummed) auf alle Reife. Wenn es junge Männer waren, bat man bisher Die
Einzelnen in Profelytenhäufer oder äbnliche Anstalten nach Yondon oder ſonſt wohin
ſchickt. Aber dieſe Verpflanzung in ganz andere Verbältniffe bat bei Vielen fchlechte
Früchte getragen. Den meijten Erfolg batte man noch bei denen, welchen das Studium 60
—
6
-
IK
—
wi
Bd
-
-
m
=
190 Miffion unter den Juden
ermöglicht wurde: fie wurden Miſſionare oder Geiſtliche in England und Amerifa. Zu
Handwerken und Bewerben waren wenige geeignet; Diele gingen auch zu Grunde. Der Über:
tritt ganzer Familien war faſt unmöglich und bereitete unendliche Schwierigkeiten. Nach
dem aber nun auch in Polen und Rußland unter den Juden eine merkwürdige Bewegung
zum evangeliſchen Ehriſtentum bin auftritt, und Tugende von Juden bei Geiſtlichen und
Miſſionaren Unterricht begehren, wird es vielleicht doch möglich und notwendig ſein, die
Ubertretenden zu jüdiſchſchriſtlichen Gemeinden zu ſammeln, welche nach ihrer Weiſe und
ihren Sitten entſprechend ein judiſch chriſtliches Gemeindeleben einrichten. Solche jüdiſch⸗
chriſtliche Gemeinden konnten unter der Maſſe ihres Volkes wie ein Licht ſcheinen und
vieles zur religivſen Wiedergeburt Des ganzen Volkes beitragen. Die Miſſion wird dieſer
Frage nicht aus Dem Wege geben können. Denn Die Juden des Oſtens find zur Aſſi—
milation und Abſorption in anderes Volkstum und Kirche weder gewillt noch fähig.
Was die Methode der Miſſion unter dieſen öſtlichen Juden anlangt, ſo bieten ſich
dem Miſſionar nicht ſo viele Schwierigkeiten, an ſie zu gelangen, wie im Weſten. Er
»kann leicht überall Zugang finden und ſofort ein religiöſes Geſpräch beginnen, Denn der
Hedanfenfreis dieſer \uden iſt noch Dur und Durch religiös beſtimmt, felbit wenn fie
am Ialmudjudentum irre geworden Ind. Um ſo ſchwieriger tt der Disput mit ihnen.
Nicht nur wrunfen fie nern mit Talmudgelebhrſamkeit und Disputieren gerne nach Art der
Talmudſchule (Jesehibar in rabulitiicher Weiſe, ſondern auch ihre rabbinifde Schrift:
auslegung ſtebt Der chriſtlichen ſeit Der Apoſtel Zeit ſchroff gegenüber. Dagegen impo—
niert ihnen ſowobl genaue und ſichere Handbabung Des hebräiſchen Bibeltertes, als auch
modern philoſophiſches Wiſſen. Dieſen Juden gegenüber bat ſich ſeit alten Zeiten die
beliebte Miſſionspraris aebtlder, aus einzelnen, aus Dem Zuſammenbang geriſſenen bibli:
ſchen Worten und Verſen Die Meſſianitat und Gottheit Jeſu Chriſti zu beweiſen. Bei
vielen Talmudglaäubigen verfanat noch dieſe Bewetstübrung, womit jedoch für einen leben:
digen und berilicen Glauben noch meta gewonnen iſt. Es ut ein Unfug, wenn Juden
blog Darauf bin bon getauft werden, Dap ſie ſich durch Diele Stellen von Der Meſſianität
set überzeuat erflaren.
Fin beionders wichtiges Mittel sur Einwirkung auf Die \uden tft Die Yitteratur.
Vor allem muß Me b. Schrit Arten und Neuen Teſtaments unter ihnen verbreitet werden,
um Me ſewehl auf Die Quellen ihrer eigenen, wie Der criitlichen Neligien hinzuweiſen.
Es iſt kein geringer Erfolg, daß die Juden üich genptig: schen, um die Miſſionsbibeln
zu verdrangen, eigene Ausgaben und Uberießungen me Erkarungen wol. das Bibelwerk
ven Dr. Bilden su veranitalten. Aucke Dr, mehrere, Tote wird von Den Juden
Des Oſtens gerne angenemien und geleſen Di wsriaen jeisgung von Prof. De
lisich thut noch ihre Wirkung. 1 Tas ber 2 Des: Tomas in umgearbeiteter
11. Aufl. unzer Mimrirtuna won NS No wen es. G. Dalman 1892,
12. Aufl. oo. Weniaer SURNTUNTIS moon or. Terms cmbdringend, aber
leichter lesbar ſit De Überkgunn der Sunooeoo Terse. Sm awory, welche Daber
von den Proſelpten Dofterarn 2.802082: >... te" mmelitteratur teilt
ſich in zwei Kigſſen, Levens UND Emm on. un - in zz und dann Trak—⸗
tate uber welltuntiebe Bieliieier me N sa. a Jmrmerrig jiber Kontro⸗
versiragen UND Lebren. NT. me os on. Do Nr Tune tab Der modernen
Budung moon) vom Dome nn 8 Dos, 1 zakben und religiöjen
Grundlage ibres besßeriui NN mem — Do grerwr 2 So mebr wächſt Das
Vedurints nach eiter arrderet Spermien 8 on Ir *:;cdernen, religionslojen
Wesin.zut Kaduna ms
Zst) de nDna Sei Wetee oo cu u, made ſich auch wieder,
NUXOMLND das BIN ron te anne. ze) Der Übertritt eines Juden
bet ſeitens ſeitter NT N Pestnth me Toon iv sönzeretende baben vorber
waraenrı ferner Bertt der Seren NDS, ns Orten ernäbren fönnte;
welch own Im. on Neo re sr Woplthätern lebten. Zie
Ba BA PO Hua 5.3 ZuRaE U 2 u BEE Zee Eee, - mp geleugnet werden, daß Die
Der. Dicht on me Nanny fommen. Es geſchieht durch
Nenn et. oe dem 9 82 Ast Des Katechumenenunterrichts
WILLNDGSTT ON ION Tee verden. Die Yondoner Geſell⸗
NEON TON ze oe N 8.2 om Yordon und Feruſalem; bie
DISS ODE IDEEN EN, © o yuzzzohern müſſen und während ber
LEE DNS RE De N I: Es iſt nun unumgänglich not:
erh Ns leer Nee, Wmducı N... wo jolde Maſſen von Juden
Miſſion nuter den Juden 191
zufammenftrömen und immer eine Mehrzahl von Juden Unterricht begehrt, folche Häufer
da jein müſſen, in denen neben dem Unterricht fie befchäftigt werden. Aber es darf auch
nicht verbehlt werden, daß manche diefe Häufer als bequemen Unterfcehlupf benugen und
dann gleihfam zum Dank ſich taufen lafjen. Ferner ijt e8 Thatſache, daß die Aller:
wenigiten bei den Handwerken, die fie da erlernen fünnen, nachber bleiben wollen und 5
dann leicht einem vagabundierenden Xeben verfallen, ihren Taufichein als Bettelbrief be-
nugend. Es follte daber niemand getauft werden, von dem man nicht die Gewißheit
bat, daß er ſich dann ehrlich und felbititändig ernähren fann und will. Das Bekenntnis
aufrichtigen Glaubens fünnte nur dann genügen, wenn die Taufe fie gleich in den Himmel
einführte. Für das Leben auf Erden unter den Chriſten aber bedarf es der Erijtenz-
fäbigfeit, ohne welche die Getauften nachher meilt verfommen. Daß wohlbegabten Pro—
felgten nachher irgendwie das Studium ermöglicht wird, iſt jehr wohlgetban und meiſt
von gutem Erfolg, lodt aber auch viele an in der Hoffnung, daß fie auch ſolch Glüd
haben würden. Auch iſt es ſchwer, in diefen Häufern alle Eiferfüchtelei, Streitigkeiten
und Intriguen zu verbüten und zu dämpfen. Trotz diejen Schwierigfeiten werden aber 15
ſolche Häufer Bedürfnis bleiben für gewiſſe Orte.
3. Die Juden, welche in heidniſchen oder muhammedaniſchen Ländern wohnen, bilden
den kleinſten Teil des ganzen Volkes. Sie ſtehen auch geiſtig und moraliſch auf einem
tieferen Standpunkt als die übrigen. Weder moderne Bildung noch alte Talmupgelehr:
ſamkeit findet ſich bei ihnen, fondern nur mehr oder weniger ftarfe Tradition der Ge— 20
bräuche und noch jtärferer materieller Sinn, als bei den übrigen Juden. Die Million
F— ihnen hat mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen und noch wenig Wurzel
gefaßt.
Noch iſt aber einer neuen, mächtig aufſtrebenden Richtung zu erwähnen, die der
Miſſion neue Probleme bietet. Es iſt der ſeit 1897 entſtandene Zionismus, d. h. die 25
ſich immer mehr organiſierende und weiter ausbreitende Partei derer, welche ſich das Ziel
geſteckt haben, das jüdiſche Land für das jüdiſche Volk wieder zu gewinnen und dem
letzteren wieder politiſche Exiſtenz und Bedeutung und nationale Einheit zu verſchaffen.
Hervorgerufen als Reaktion gegen das Aſſimilationsſtreben und als Heilmittel gegen die
Drangſale des Antiſemitismus und getragen von den uralten Hoffnungen und der Sehn: 30
fucht des Volkes nad Zion, ſchwillt dieſe politifchnationale Richtung immer mebr an
und wird bald das ganze Volk ergriffen haben, denn die Juden haben das Gefühl, daß
es fich jet bei ihnen entweder um völlige Aufgabe und Abjorption ihres Volkstums
oder aber um Wiedergewinnung voller und felbititändiger Nationalität handelt. Ihr
letztes Streben gebt aljo auf nationale Wiedergeburt und unabhängige Stellung unter 35
den Völkern. Die Juden wollen wieder eine jüdiſche Nation mit eigenem Heimatland
und eigener Freiheit ſein. Da nun bisher der Übergang zum chriftlichen Glauben immer
auch Die Aufgabe des jüdiſchen Volkstums in fich ſchloß und Losfagung von der jüdischen
Rationalität, jo muß der Zionismug eine der Miſſion feindliche Stellung einnehmen, da
er die Milfion als das Werkzeug anfiebt, wodurch immer mehr Glieder vom jüdifchen 40
Volkskörper abgeichnitten werden. Andererjeits aber willen die Zioniften, daß ſie der
moralischen und vielleicht auch materiellen Unterftügung der chriſtlichen Mächte und Völfer
Verwirklichung ihrer Bläne bedürfen, und auch daß gerade die gläubigen Chriſten,
befonbers in England, vielfach mit ihnen fumpatbifieren, weil fie eine Nüdfehr der Juden
in ibr Land für die Erfüllung biblifcher Weisjagungen balten, darum baben die Zionijten 45
von Anfang an fi möglichit freundlih zu den Ghriften geitellt und allen Haſſes und
aller Polemik gegen die chrijtliche Religion jich ftreng enthalten, denn manche von ihnen
beieelt auch der Wunſch, eine Verftändigung zwiſchen Judentum und Chriſtentum berbei-
zuführen. So find die Zioniften zwar Feinde der Miffton, aber nicht Feinde des Chrijten-
tums. Damit iſt der Miſſion ein neues, ſchweres Problem gejtellt. Was iſt zu thun? so
Wir glauben, daß die Miffion den Zioniften gegenüber eine dreifache Aufgabe bat: 1. fie
muß die Juden davon überzeugen, daß die Annahme des chrütlichen Glaubens nicht
grundſätzlich und unbedingt das Aufgeben der jüdischen Nationalität in ſich fehließt, und
daß es keineswegs Tendenz der Million iſt, die jüdiſche Nation zu zerjtören und aufzu=
löfen, daß aljo ein Jude gar wohl dem Glauben nad ein Chriſt und der Nationalität 55
nach ein Jude und Zioniſt fein kann, zumal da die Ziontften jelbjt erflärt haben, daß
fie eine rein politiiche Partet feien und nah Glauben oder Unglauben ihrer Anbänger
nicht fragen, fo daß es alſo ein Widerſpruch gegen ibre eigenen Prinzipien wäre, chrijt-
pläubige Juden von ihrer Bartei auszujchliegen. 2. Die Miſſion muß die Juden davon
überzeugen, daß eine nationale Wiedergeburt ihres Volkes unmöglich H ohne gleichzeitige 60
ut
N)
192 Miffion unter den Juden Moab
religiöſe Wiedergeburt, und daß ihre abgeſtorbene, rückſtändige jüdiſche Religion ein Hin:
dernis ihrer nationalen Wiedergeburt ift, meil bei ihnen Volkstum und Religion aufe
innigite verfnüpft it. Sie müflen zur Erkenntnis gebracht werden, daß ein Volksweſen
nicht nadı einer Seite miedergeboren iverden und nach der andern abgeitorben bleiben
5 fann, daß alfo die Wiedergeburt eine ganze, nationale und religiöjfe fein muß. 3. Die
Mifjion muß obne allen Schein der Seelenfängerei den Juden die Erkenntnis der Perſon
Jeſu und des wahren Weſens des Chriftentums erjchließen; ihre Vorurteile gegen beide
befeitigen und fie zu einer richtigen Würdigung beider veranlajjen und in jtand ſetzen;
alles Weitere aber der gefchichtlichen Entwidelung und dem Wirken des Geiftes Gottes
10 auf die Totengebeine des Haufes Israels (Ez 37) überlajfen. Nur wenn das Neid
Gottes felber identisch wäre mit einer der beſtehenden chriftlichen National: oder Landes⸗
firchen müßte es Tendenz der Miflion fein, die Juden für den Eintritt in eine dieſer
Kirchen und für Aufgabe ihrer Nationalität zu gewinnen. Das Neich Gottes kann aber
zu den Juden auch in einer anderen Form als der einer der beitebenden Kirchen fommen,
15 daher bat die Miffion den Juden nicht eine Kirche, jondern Jeſum Chriftum und das
Reich Gottes zu verfündigen. Heman.
Miffionsprieiter |. d. U. VBincentius de Baulo.
Mitra ſ. d. A. Kleider und Infignien Bb X 5. 531,26.
Mittagsland |. d. U. Negeb.
20 Mittler |. d. A. Verföhnung.
Moab. — Triſtram, The Land of Moab, 1874; Conder, Het and Moab; Pal. lor.
Fund, Survey of Eastern Palestine I; Siegfried Yanger, Reijeberiht aus Syrien u. Arabien,
1883; Dougthy, Travels in Arabia Deserta 1, 18—127; Baecdeker, Baläjtina*, 173—178;
Schick, Bericht iiber eine Reife nad) Moab, ZEPB 2, 1-12; Klein, Notizen über eine Reije
3 nad) Moab, ebend. 124 ff.; Kerjten, Ummanderung des Toten Meeres, ebend. 201 ff.; Schu:
macher, ebend., 16, 162ff.; Brünnow, Neijeberiht, MNEIPUL 1895, 65 ff., 81ff., 1898, 33 ff.,
49 ff, 1899, 235.; Bliß, Pal. Expl. F., Quart. Stat. 1895, 203—235; Hornftein, ebend. 1898,
93 ff.; Buhl, Geographie des Alten Ral., 49 ff., 122 ff, 265 ff.; &. N. Smith, Historical Geo-
graphy of the Holy Land, 552ff.; 9. W®indler, Geihichte Israels 1, 46ff., 203ff.; Die Ar:
so tifel „Moab“ im Handwörterbuch d. bibl. Altert., Schentels Bibelleriton, Haſtings Bibl. Dic-
tionary und Encyclopaedia biblica. Bgl. aud die Litteratur unter „Meja-Inichrift“.
1. Moab (ARTS, in der Meſa-Inſchr. 282, affyr. Ma’ab, Ma’aba, Mu’aba) be
zeichnet im AT das öftlich vom Toten Meere wohnende Volk, das nur einmal (2 Chr
20, 1) gegen den fonitigen Sprachgebrauch: Söhne Moabe, A872 2, genannt wird.
35 Das einzelne Mitglied des Volkes hieß Moabi. Das von diefem Wolfe beivohnte Land
nannte man 2872 YIN; aber es fommen doch auch Stellen vor, wo das bloße „Moab“
am natürlichiten als Lokalname aufgefaßt wird, bejonders wo es als Femininum kon⸗
ftruiert wird, 3. B. er 48, 4, Jud 3, 30. In der griechiichen Zeit hieß das von den
alten Moabitern bewohnte Yand „Moabitis”. Dagegen tft diefe Benennung feit der ara⸗
biſchen Eroberung verjchiwunden; das Land beißt jegt nörblih vom W. mögib: el
Belgä (als jüdlicher Teil diefer umfaſſenderen Landſchaft) und füdlich davon: Kerak.
Das moabitifche Land wurde gegen Weſten vom Toten Meere begrenzt. Gegen Oſten
bildete die Müfte die Grenze, die Deshalb mehr öſtlich oder weſtlich lief, je nachdem fich
das Kulturland nach diefer Richtung ausbreitete oder zurückzog; im allgemeinen kann man
5 die große vom Norden nach Süden laufende Pilgerſtraße als Dftgrenze betrachten. Im
Süden trennt Wadi-el-hasä (oder el-ahsä) als natürliche Grenze Noah von Edom;
möglichertveife iſt es Ddiefes Thal, das im AT (Jeſ 15, 7) das “Arabim-Thal beißt.
Cine natürliche nördliche Grenze hatte das Yand zu den Zeiten, wo es nur bis zur tiefe
eingefchnittenen Mögib- oder Arnon-Schlucht reichte (ſ. u). Dagegen fehlte eine ſolche
so in den Perioden, wo die Moabiter ihre Herrfchaft über diefe Schlucht hinaus ausdehnten,
und man kann deshalb für Ddiefe Periode die Nordgrenze des Yandes nur mitteld ber
Städte, Die als moabitisch bezeichnet werden, bejtunmen. Danach mwird ungefähr W. hes-
bän die äußerfte Ausdehnung der Moabiter gegen Norden bezeichnen, mit Ausnahme der
Sordanniederung, two der Name “Arbot Moab für den Jericho gegenüberliegenden Teil
65 von el-Ghör beweiſt, daß die Moabiter bier auch die Gegend nördlich von W. hesbän
innegebabt haben. In feiner weiteften Ausdehnung wird Moob einen etwas größeren
=
=
En
o
Moab 193
Släheninhalt ald der Kanton Waadt, faum die Hälfte von Montenegro umfaßt
ba
2. Das moabitifhe Land beiteht hauptſächlich aus einer Hochebene, die fich im Oſten
als die große Wüſte fortfeßt, von diefer nur durch einen niedrigen Höhen; ug getrennt.
Gegen Weiten ſenkt fie jih in ſenkrechten Stufen zum tiefliegenden Toten \ Meere binab.
Vor den Nandbergen lagert im füdlichen Teile des Landes eine ziemlich breite Küjten-
ebene, während im nördlichen Teile Die Feljen mehrmals fo nabe ans Waſſer treten, daß
ein Vorbeikommen hier unmöglich iſt. Vor der Mündung der beiden Thäler W. bani
hammäd und W.kerak bildet die Strandebene eine große Landzunge, el-Lisän. Der
Name der Küftenebene ift im AT ha“Emeq Sof 13,19, vgl. Jer 48, 8. Die Hochebene 10
dagegen heißt Sede Moab Gen 36, 35; Nu 31, 20; Ruth 1, 1 u. ö. oder Midbar
Moab Dt 2, 8. Was Ezechiel 25, 9 die Schulter Moabs nennt, iſt wohl der Abhang
der Hochebene, wie er ſich dem im Weſtjordanlande ſtehenden Betrachter zeigt. Nach feiner
geologifchen Beichaffenheit baltert das Plateau auf rotem nubifchen Sanbftein, auf welchem
eine Schicht harten Kalkfteing rubt, der wiederum eine Schicht weicheren Kreidekalk trägt.
An mehreren Stellen zeugen umbergejtreute Bafaltjteine und beige, ſchwefelhaltige Quellen
von ehemaligen vulkaniſchen Eruptionen. Am häufigſten ſind ſie in den unteren Teilen
der Wadis, aber auch auf der Ebene giebt es mehrere Punkte, wo der Lavaſtrom den
Kalkſtein durchbrochen hat (vgl. z. B. Doughty 1, 20). Die Hochebene, die im Norden
durchſchnittlich 800 Meter hoch tft, erhebt ſich allmählich gegen Süden und erreicht bei
Gafar cine Höhe von 1254 Meter. Getvaltige Naturrevolutionen haben fie zerriffen und
ſchwindelerregende tiefe, von Oſten nad Weiten laufende Spalten hervorgebracht, Die dem
größeren ſüdlichen Teile der Hochebene jein eigentümliches Gepräge geben. Vor allem
giebt es drei große Wadis, bie im öſtlichen Teile des Yandes als — Senkungen be—
ginnen, aber ſchnell tiefer werden, bis ſie als enge, von hohen ſenkrechten Felſenwänden2
umſchloſſene Schluchten in die Strandebene des Toten Meeres ausmunden. Die füblichite
von ihnen iſt Wadi kerak, deſſen oberer Teil (nach einer Duelle in Kerak) W. ain
-el-frangi heißt, während er unten an feiner Mündung W. harada genannt wird. Er
entiteht bet Qaträne an der Pilgerftrape und mündet bei der oben erwähnten Salbinfel
Mögliherweife fommt er im AT unter dem Namen Zered (Nu 21, 12; Dt 2, 30
131) vor. Noch großartiger tft der nächſte Wadi, W. el-mögib, der Arnon der Alten.
Er entfteht durch die Verbindung einer ganzen An; sabl von Wadis (vgl. „Die Bachthäler
Arnon” Nu 21,14), über deren Richtung die Angaben Langers und Bliſſ' endlich Klarbeit
gebracht baben. Die Hauptquelle des Arnon, Räs mögib, entipringt nicht weit von
W.kerak, nordweſtlich von Qaträne, norböftlich von Kerak. Der DQuellbach vereinigt 3
fih mit dem von Süden kommenden W. ed-debbe und läuft dann in nördlicher Rich—
tung; fpäter nimmt er_in fein jhon_tiefer getvordenes Bett W. es-sulfän ven Oſten
und W. balua von Welten auf. Dieſer erjte Teil feines Yaufes beißt gewöhnlich
W. leggün nad einer Ruine in der Nähe der Quelle. Doch fommt auch der Name
W. mach£rus vor nad) einigen Quellen nördlich von Leggün. In der Nähe von “Aräir 40
biegt er gegen Weiten und vereinigt ſich an diefer Stelle mit dem von Often kommenden
W. saida, der vorher einen füdlichen Nebenbach W. ali aufgenommen bat. (Demnad)
icheint W. el-charaze, wie Brünnow MNdPV 1898, 52 die öftliche Fortſetßzung des
W. el-mögib nennt, ein anderer Name für W. Saida zu fein). Bon jest an läuft
der Strom zwiſchen feinen boben Felſenwänden, Die ſchon bei "Aräir cine Höhe von 5
beinabe 700 m baben, in engen Thale fortwährend nad Weften und nimmt fur; vor
feiner Mündung nod) den von Nordoſten kommenden Wadi wale oder W.heidän auf,
der von feinen Anfang beit Qalat Belgä einen weiten Yauf vollendet hat. Wenn es
Nu 21,13 beißt, daß der Arnon vom Yande der Emoriten ausgehe, iſt es klar, daß an die
Hauptquelle bei Leggün nicht gedacht werden kann. Am nächjten liegt es bier an Wadi oo
wale zu denken; aber zugleich wird der Arnon als nördliche (Grenze Moabs erwähnt,
und da Dies nicht gu auf W.wafle bezogen werden fan, weil mehrere Städte zwiſchen
dieſem Fluß und W. el-mögib als israelitiich bezeichnet werben (j. unten), verjtebt man
doh wohl ficherer den Ausdrud vom W. saida, deffen Quelle ſich an der Grenze
zwiſchen dem Gmoriterland und Moab befand. Das dritte große Thal iſt W. zergä ss
ma’in, der ebenfall3 ziemlich weit im Oſten entſteht und zuletzt durch eine tief einge:
ſchnittene Kluft läuft. Im AT jcheint er nicht erwähnt zu werden; dagegen trug er
wie G. A. Smith richtig geſehen bat, den wohl berechtigten Namen Kallirrhoe
Goſ. Arch. 17, 171; Bell. 1, 657). Einige Stunden oberbalb der Mündung befinden
Reals@uchkiopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 13
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A
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im Moab
Halt sun dan Knete Des Diev weiter werdenden Thales Die berühmten heigen Quellen,
bone ande anlen anderen Herodes d. Große Heilung ſeiner furchtbaren Krankbeit
lt Sa delt bier von dibtlen Dämpfen ur ſtarkem Schwefelgeruch erfüllt. Jo—
pe ber eine eurgehende Veſcbreibung dieſes Ortes giebt, nennt ibn Baaras, Hierony—
wie Hama, Am viellenbt mit "SS Aufanmmenbänat Auch etwas ſüdlich von der Mun—
un bt Wo zergao main Di es-Sara kommen warme Luellen vor. Außer Dielen
Sy Wr luihheito ließe es eine Reibe kurzerer und weniger bedeutender Wadts am Weſt—
an int Dbrbene. udlich von W. kerak mundet W, numere aus, Den man wohl
B von Nimrim Jei 1,67 Nerv 18. SE 3uſammenſtellen kann. Zwiſchen
NW ohrtah and W. lmözih oft ſiich W. bani hammäd, der ſchon in alter Zeit
Na ben der Kuilenebene nach Der Hochebene bilder. Endlich giebt es mebrere
oo sN.sovom NW zergä main, Daramar W, "ajın Müsä, Der von Den jene:
„ MINansii Di der Rerdie:te doe Nez tem In el-Ghör nördlid vom
on "ins melen WV est in, Qusaib. Keiren un» Nimrin aus.
No mhtiae Du der HRocdetden, NT 2m dirien Errichnitten wicht berübrt wird,
oh ui mweenls ng Seren Gr bildet eine wellenformige
N WIN Nenn Mi on: we Tr. 00445280715, 9. 16f. 21;
' LEER .. vorheosırd Be Eintönigkeit Der Ebene
23 |, nam one Daroeme Hoben unterbrochen, Die
N, a no 28Weſt ſtjordanland gewähren. Süd—
lat. NN NN. No. DM F „ZERO einen inimer enger werdenden.
NM N. . 2.08.70 abiallt. Der außerlte ‘ Vorſprung
EEE FENE SER Ge 0 nor zer vitlich bilder Der Nuden eine flache,
Non Nun. N 0. Nzre 002 Zeivobl von Dielen Gipfel wie von
Kan N 2.207, Weiten und Norden. An einem dieſer
“on ta N Nase Dede. rSznbte Suchen, je nachdem man Das Ti
"0 Don oh I. ros us Girxiel“ oder „Vorſprung“ auf⸗
Don Name 27 .. 3,277 8a 28, De als Haupt vom Pisga
N Do den "Abarim-Neraum gebörte. Tiefe letztere
N 2 8* :coler und dem von ibm abbängigen Nedaftor
un: dagegen Pisga Deutlich ein beſtimmter
R des Euieb:us Onom. 216, 6) im Gebrauch.
: ic nicht 22 Zuherbett fügen, aber jedenfalle
. >. 7ysabs im allaertenen nach ihm Asdot-ha-pisga
> Dun ‚za dem Haupte von Pisga Wu 21, 20 ſcheint
a 2 > Bette des Berger su ĩein. In Der Nähe von Pisga
Nom . —Nu 23, 28, den man dont Wege zwiſchen Livias
tann er in Dem Verge el-Musaggar zwiſchen W.
J st. rohr werden. Yur der Ebene wiſchen W, zergä
F eben abgeſtumpite Berg Attärüs. Der Weſtrand
>. 726m von Schluchten umgebenen Berg Mkaur;
Ipiben Berg, auf dem Die Feſtung Machärus
x „"yanct Har-haemeg Joſ 15, 10 genannt zu werden.
„Dr SiIsm bebe Wera Sihän, Der in den alten
N. ann; ſein runder Girfel kann von Jeruſalem aus
der von Schluchten umgebene Berg, auf welchen Die
an. ri 1026 m hoch.
. „ aumlos, aber ſehr fruchtbar und gleich trefflich als
ad ergiebig DE die Gegend ſudlich von Kerak; ber
tbrodelnden vehm, deſſen viele Steinchen Die P flanzen
sn Wer ſind auch mehrere Quellen, während ſonſt Die
a vewäſſern. Selbſt bei dem jetzigen verwahrloſten Zu—
Vewohner nit leichter Mübe eine reichliche Kornernte,
Son kleinen Lande bet toragfaltiger Benutzung werden könnte.
Wher perennierend ſind, ſind unten mit Rohrgebüſch und
sc Mundungen trifft man eine halb tropiſche Vegetation
pappeln, l'sér-BRäumen tealotropis procera, Sodomo—
So Aianolieren Spielen Die Schafe Die Dauptrolle Von wilden
vo tappdachfe, amd auf Der Steppe Gazellen und Strauße;
Vluchten haben Raubvögel ihre Horſte. Von Nagetieren
Moab 195
giebt es u. a. Ratten, die den Erdboden fo unterminieren fünnen, daß die Pferde hineinſinken.
Die Ströme und Wafjertümpel in den Wadis find jehr fifchreih. Der Temperaturunter:
ſchied zwiſchen den Jahreszeiten ift ſehr hoch. Die Sommer find glühend heiß (bisiweilen
42° C. im Schatten), die Winter dagegen fühl. Brünnomw wurde im Februar in “Ain
hesbän zwei Tage dur Schnee feitgehalten und fah das ganze nördliche Moab mit 5
einer weißen Schneedede bevedt, wobei allerdings die Temperatur nie unter den Ge
frierpunkt fiel (MNdPV 1899, 24).
4. Das alte Teſtament und die Meſa⸗-Inſchrift nennen eine ziemlich große Anzahl moa—
bitifcher Städte. In Übereinftimmung hiermit giebt es eine Menge Ruinen in diefem Kane,
deren Überrefte jevoch mit wenigen Ausnahnen nicht in die altteftamentliche, fondern nur 10
in die römische Zeit zurüdweifen. Bon den in den alten Uuellen erwähnten Städten
lafien ſich mehrere ficher identifizieren; bei anderen iſt e8 noch nicht gelungen, ihre Lage
nachzuiveifen, wie es umgefehrt auch eine Anzahl Ruinen giebt, deren frühere Gefchichte
uns unbefannt ift. Obſchon der Name “Arbot Moab, wie fchon bemerkt, auf eine ehe
malige Ausbreitung der moabitishen Macht im ſüdöſtlichen Ghör hinweiſt, wird doch ı5
nur eine der hier liegenden Städte als moabitiſch bezeichnet, nämlidy Bet ha-jesimot
Ez 25, 9; die Lage der alten Stadt wird durch den Hügel Suw&me angegeben. Die
Stadt Beth Pe‘or, die nad) der Angabe des Eufebius an einem der beiden Wege von
Livias (Beth haran) nad) Hesbön geſucht werden muß, iſt noch nicht gefunden ; vgl. das
oben über den mohl benachbarten Berg Pefor Gefagte. Auch Sibma (ef 16,8; er 48,32), 20
das nad Hieronymus (zu Jeſ 16, 8) faum 500 passus von Hesbon lag, iſt noch nicht
nachgetviefen worden. Öſtlich vom oberen W. Hesban liegt die Ruinenftätte EI-“Al, das
alte EYale Jeſ 15, 4. 16, 9; er 48,34. Die umfangreichen, aber wenig bedeutenden
Auinen HesbAn füdlih davon bezeichnen die Yage des alten Hesbon Jeſ 15,4. 16,8 f.;
Ser 48, 2. 34. 45. Das nad) Eufebius in der Wähe von Hesbon liegende Minnith 3
(Ri 11, 33) iſt nicht aufgefunden. Etwas öjtlicher trifft man die Ruinen es-Sämik,
die vielleicht mit dem unten erwähnten Samaga zujammenzuftellen find. Iſt die Identi—
fijierung vom Berge Nebo mit Neba richtig, muß die Stadt Nebo (ef 15, 2; Jer
48, 1. 22; Meſa⸗Inſchr. 3.14) unter den verfchiedenen Ruinen auf diefem Berge gefucht
werden. Auf dem Höhenrüden öftli von Ras sijäga finden fich Überrejte einer Kirche. 80
Bon bervorragendem nterefje ift die Ruinenftätte Mädebä füdöftlih von Nebo, die die
Lage des alten Mödebä ergiebt (Jeſ 15,2; Meſa-Inſchr. 3. 8). Dieje Ruinen ftammen aus
der Zeit, da das Chrijtentum fich hier verbreitet hatte und enthalten Trümmer von mebreren
Kirdyen. Eine Injchrift iſt mit dem Jahre 362 datiert. Ganz befonders wertvoll iſt der
vor einigen Jahren gefundene Mojaikboden einer alten Kirche, der eine Karte von Pa⸗ 35
läftina daritellt. Südweſtlich davon liegen einige Ruinen aus der römischen Zeit, deren
Namen Main auf das alte BafalMeion (er 48,23; Ez 25, 9; Meſa-Inſchr. 3.9.30)
zurüdweifen. Der römifchen Zeit gehören die öjtlih von Mädebä liegenden Ueberreſte
von alten Kaftellen oder Wafleritationen Qastal und Zizä, während dagegen die merf:
würdigen, oft beichriebenen Ruinen Masetta öjtlih von der Pilgeritraße nach Brünnows 40
Meinung am beiten den Ghafjaniden zugejchrieben werden. — Zwiſchen W. zergä Ma’in
und W. wale findet fih mw. vom Hauptwege auf dem Berge “Attärüs eine Ruine, die
die Stelle des alten "Atarot (Meſa-Inſchr. 3. 10F.) bezeichnet. Die Nuinen Quröäjät
füblih davon find das alte Qirjataim Gen 14, 5; Ser 48, 1; Ez 25, 9; Meſa-Inſchr.
3.10. Auf dem weſtlichen Ausläufer dieſes Teiles der Hochebene enthält ein Turm mit 46
einer Gifterne die einzigen Überrefte der berühmten alten Feſtung Machäros oder Meka-
war. Im AT muß Seret-ha-sahar Joſ 13, 19 auf diefen Berge gefucht werden.
Litlih vom Hauptiwege trifft man die Nuinenjtätte Libb, und im öftlichen Teile der
Hochebene liegen mehrere Ruinen von römijchen Stationen, wie Zafrän, Umm Walid
und Qayr el-herri. — Zwiſchen W. wale und W. el-mögib liegt gegen Welten das so
Torf Dibän, das im Gegenfat zu den anderen meijt römischen Ruinen für die Kenntnis
der älteren moabitifchen Gejchichte von ſo hervorragender Bedeutung geworden ift, da
bier die Meſa-Stele gefunden wurde (ſ. diefen Art. Bd XII ©. 654). Eine gründlichere
Unterſuchung der Ruinen wäre jehr wünjchenswert, da ſie, mie Bliſſ bemerkt, wegen ihres
Mangels an klaſſiſcher Ornantentierung am unmittelbarjten in Die vigentlich moabitiſche 56
eit zurückführen. Aus der römischen Zeit ift Dagegen eine von Bliſſ bejchriebene Grab:
ätte (Quart.-Stat. 1895. 228). Die alte Stadt lag auf zwer Hügeln, von welchen der
böbere nördliche von einer Mauer umgeben war. Der alttejtamentliche Name war Dibon
Jer 48, 18. 22 (127 auf der Meſa-Stele, twahrjcheinlidd Daibon ;. fpr.), der Jeſ 15, 9
in Dimon verwandelt if. Beth gamül ‘er 48, 23 bat man mit el-Gumßil nord: 60
" AAltıh ner, Ten Arenpalıs na Te
in Moab
nlubovn Diban tembiniert. was jedoch nicht ſicher iſt. Auch bier giebt es gegen Oſten
miebrere Rhninen von VENEN Statnonen, darunter beſonders Umm er-rasäs nordnord⸗
etlnb sen el-Gnmeil Nut ement Voriprung an der Nerdſeite des W. el-mögib liegt
Bott emer vierecdigen Mauer umiehloffene Ruinenitatte “Arä ir, Das alte Aro er Jer
Is 1, Wlan No Sudhich vem Amon betritt man Das eigentliche moa⸗
tere Land. das abi wie der nkordeiche I Gm ven Ieraeliten bemohnt geweſen iſt.
ntelay Befunden gm MT Brot So van S:ad:e wie Dort erwäbhnt, während je:
Sf sn Nunennarnen between, daß dieie MARI AN rcich bevolkert geweſen iſt wie
ſene Uiaſuielben dat DON Arnen sunz I Dumır Muhätet el-hagg. Südweſtlich
Bar ATELIERS wrlwbi mb der Bra Sıliän, au" sn went, ch Reſte einer Stadt mit einer
hy und Kirhenzumen SENT 2a ırmäenen fommende Hauptweg führt an den
Nunen Friha und Qasr rabba zn man Xbedeutenden Huinenitatte Rabba, Die
Werrein ans der srosben Sor Tem m Wiſchrift aus Dem Aniange Des 4. Jahr-
penderie mini We di der v.n Gimizs „22 anderen envähnte Rabbat Moab, das
37 2.2 Q@erijot als Vertreter Des moabitijchen
Yandoe mens Bro may dar den SZ AT ER, genannte Stadi nit Dem ſpä—
pm Rahbe Muenind onen. 22T Meſa Inſchr. 3. 15 hatte Qerijot ein
nuetſritig: inn Bde kom 1 or tz Wabrſcheinlichteit darf man Qir hareset
AS oa heran Non on das nad 2.093, 25 eine beionders jtarfe
zeig sent room boya De Ten jeßige Name fommt bei Ptolemäus
ste Karmmk mant wi tms mo an enennimg der Stadt betrifft, fuhrt Die LXX auf
Su kam ot Inden N tn So Knoyydan Gartbage), Die Neitle und Triver
was Salat oo, zen rarundet ein, falls Der Name W., harasa (f. oben)
a Nr afre was 8 058 eiiinenbingen jollte. Weiter Tann man mit dieſer
ZN map a daos der Targum mit 20T n272 überfegt, au:
Somit bone noen Saab von Rabba liegen mebrere Ruinen von römi—
* Siemens ten unit, die Die bier vorkommenden Quellen beſchützen
Po on: Nu Leggün, Regüm riSän, Qagr Beser (eine
Siam en De . No Aurange Des 4. \abrb,), Rugm el-“äl u. a. Südlich
Ühael u Auen el-Möte, wo, wie wir fpäter feben werden, ein
or. beiden ſind. Die von Euſebius erwähnte Stadt Benna-
gu
un. An 2 ' - . v. . .. . ..., 0.
on 2. we „prabitte altteftamentliche Nimrim und it wie dieſes ım
\ en \ u. der Ebene ſüdlich von el-Möte nahe an der Südgrenze
\ \ Nonne Ruinenſtätte mit Trümmern aus fenjtalliniichen Nalk
San Neo te Thorma der römiſchen Zeit (Wilſon, Quart.-Stat.
. Zudelllette Des Toten Meeres muß nach den Angaben Des
„testen Schriftſteller Sofar geſucht werden. Taß Dies So’ar
see 157 Jer IS, BD identiſch iſt, und daß dieſes nicht
or eſucht werden Dart, gebt daraus bervor, daß So’ar nach Ez
u roh MD Daß ca nirgends unter den don den \eracliten be:
San zent Arnon angeführt wird. Zwiſchen Areopolis und So’ar
. tt bhateitha d. i. Das alte Luhit, das an einem Aufſtieg ges
. 0018, 595 vielleicht kann es am Hauptwege von der Südoſt—
voryssen tt W. bani hammäd geſucht werden, wo ſich eine Nuinen:
J Außer Den hier erwahnten Städten kommen im AT und der
te Znbtenanten vor, De nicht mehr lokaliſiert werden können.
lercnuim ech 15,95 Jer I8, 33. 5. 315 Meſa-Inſchr. 3.31),
won WBenes gelegen haben muß; Eglaim (Jeſ 15,85 Jer 48, 34,
oe nenn tut W, kerak lag, und Holon Jer 18, 21. Nördlich von
a. Meblatatın m IS, 22; Dein 3.305 vgl. Nu 233, 46f.; Beser
art Hepru Fer IS, 21, identiſch; Jahas Jeſ 15,4; Jer 48,21.
ap tn Wachs zwiſchen Medeba und Dibon lag; Mefafat \er
ts A Weltell om Der Grenze Der Wüſte; Qedemot Joſ 13, 18.
tn all im Umm oer-ragäs ſuchen könnte, und Beth Bamoth
\ı le "ad Bamoth Bafal Nu 22, 11,5 Joſ 13, 17. Ber den
det in, N 13, 9. 165 2 Za 21, 5 neben "Aro’er „die Stadt
"na bllenDE enbitger überſetzt: Die Vurgh, Die mitten im Wadi liegt“,
Sonata ae Arnon Wadis geſucht werden, aber eine beitimmte Yage
den Anteil imieweit ſie mit Dem “Ir Moab an der Nordoſtgrenze
do sr osbeahllfih denen, iſt nicht Deutlich, Eigentümlich verbält es ſich mit
Mond 197
dem mehrmals erwähnten “Ar Moab Nu 21, 15. 28; Dt 2, 9. 18. 29; Sef 15, 1;
während es nämlih Dt 2, 18 eine Stadt fein kann, iſt es Dt 2, 9. 29 deutlich eine
Landſchaft, und fo wird es auch ef 15,1 von der LXX mit Moabitis überſetzt. Jeden⸗
falls muß es in der Nähe vom Arnon gefucht werden.
5. In die Urzeit Moabs meijen die vielen Dolmen und Cromleche zurüd, die ftumme 6
eugen der |päteren Gefchichte des Landes gemejen find. Sonſt haben wir wie gemöhn-
lich feine fichere Kunde von den ältejten Zeiten und den damaligen Bevölferungsverhält-
niffen des Landes, Das AT nennt die Emim als Ureinwohner Moabs (Gen 14, 5;
Dt 2, 10f.) und betrachtet die Moabiter als fpäter eingewandert. Eine nad Gunkels
wahrſcheinlich richtiger Auffaffung urfprünglich moabitiſch-ammonitiſche Sage (Gen 19, 30 ff.) 10
üt in der vorliegenden Darſtellung mit der Abraham- und Loth-Erzählung verfnüpft und
läßt den Pater der „Lothjöhne” (Dt 2, 9. 17) von dem Thale des Toten Meeres in
das moabitifche Land einwandern. Hiſtoriſch iſt wohl die nahe Verwandtſchaft zwiſchen den
beiden Völkern und den Israeliten; aber dann liegt es allerdings näher anzunehmen,
daß fie wie diefe aus der Wüſte nach ihren fpäteren Wohnfigen gefommen find. Ferner 16
fest nicht nur Gen ce. 19, fondern auch die israelitiſche Einwanderungsgeſchichte voraus,
dag Die Moabiter ſchon in ihrem Lande faßen, als die Israeliten nach Kanaan zogen.
Tie Richtigkeit hiervon ift in neuerer Zeit von H. MWindler beftritten tworden, der in der
Erzählung Ri 3, 12ff. eine Erinnerung an die Einwanderung und erite Machtentfaltung
der Divabiter fiebt. Aber die Beweife hierfür find kaum im ftande, die wiederholte beftimmte 20
Tarftellung des AT.s umzuftoßen. Die Nachricht Gen 36, 35 von dem Siege des femi-
tiichen Königs Hadad über die Midtaniter auf dem Gefilde Moabs ift zu vereinzelt und
läßt zu viele Deutungen zu, um darauf etwas zu bauen. Ebenſo unfiher iſt die Er:
wähnung der Midianiter ın der Geſchichte Bileams (Nu 22,4. 7 u. ſ. w.), worin Windler
Spuren einer älteren Duelle nachweiſen will, die von den Moabitern bei diejer Gelegen: 25
heit nichts wußte; denn die beireffenden Stellen fünnen ebenso gut mit Kuenen (Onderz., 1,
324) als fefundäre Ausgleichungsverfuche betrachtet werden. Und andererjeits beſitzt die
Taritellung der Einwanderung der Israeliten in das Dftjordanland, wie befonders Well:
hauſen nachgewieſen, eine folche innere Wahrjcheinlichkeit, daß nur ganz zivingende Gründe
und nötigen könnten, fie aufzugeben. Nach diefer Darftellung faßen die Moabiter fchon 30
in ihrem Lande, als die Israeliten die Wüſte verließen, hatten aber die Gegenden nörd-
lib vom Amen an die Emoriter verloren, die dort unter Sihon ein Reich gegründet
batten. Die Israeliten kamen als Freunde der Moabiter (Dt 2, 9ff.), die wahrſcheinlich
gehofft hatten, durd ihre Hilfe das Verlorene wieder zu gewinnen. Da die Jsraeliten
h indefjen nach dem Siege über die Emoriter in den Gegenden nördlid vom Arnon 85
niederließen, wurde die Stimmung der Moabiter ftark abgekühlt, was fih in der Bi-
leamögefchichte Ausdrud giebt. Über die Niederlaifungen der Gaditer und NRubeniter
nördlich vom Arnon haben wir zwei untereinander nicht übereinftimmende Verzeichnifle
(Nu 32, 34—36; Joſ 13, 15ff). Sie werden im allgemeinen durch die Erwähnung
Aubens Rı 5, 15f. und durd die Worte der Meſa⸗Inſchrift 3.10: von jeher faßen die 40
Leute vom Gab im Gebiete‘ Atarot gejtüßt. Das nächſte Mal, wo von den Moabitern die
Rede iſt, find fie „Feinde der Israeliten, und es tft ihrem König Eglon gelungen, nicht
nur die umftrittene Landſchaft nördlich vom Arnon zu erobern, fondern auch feine Macht
über Teile des Weſtjordanlandes auszudehnen. Durch die kühne That Ehuds und die
dadurch entitehenve Erhebung feiner Landsleute wurde das moabitifche Joch gebrochen 45
und das kleine Volk für immer aus dem Weftjordanlande verjagt. Cine Erinnerung an
die Ausdehnung der moabitifhen Macht unter Eglon enthält wohl der oben erwähnte
Name “Arbot Moab für den ſüdlichen Teil_der Niederung öftlih vom Jordan. Falls
die unter dem Art. Jephta Bd VIII ©. 663f. erwähnte Duellenfcheidung Nie. 11 richtig
it, baben die Moabiter jpäter Jephta und die öftlih vom Jordan wohnenden Seraeliten 50
angegriffen, wurden aber von ibm befiegt, und zwanzig Städte von “Aroer (am Arnon)
bis Minnith (in der Nähe von Hesbon ſ. oben) erobert (Ri 11, 27. 33). Das weiſt
auf fortwährende Kämpfe in der Gegend nördlib vom Arnon bin, während Ri 5, 15f.
zu einer Zeit gedichtet tvorden ift, da Ruben als noch fräftiger Stamm ungeftört auf
feinen reichen Weidetriften wohnte. Aber gerade diejer Stamm litt allmählich fo fehr 55
unter den unaufbörlichen Fehden, daß er zuletzt vollftändig aufgerieben wurde, int Gegen:
fate zu Gab, der fich länger hielt. Nachdem das israelitische Königreich gegründet worden
war, wurden die vielen Stammesfehden von Kriegen in größerem Stile abgelöft. In—
wiefern indeſſen ſchon Saul fiegreihe Kämpfe mit Moab wie mit den anderen Nachbar-
völfern geführt hat, wie es in der zuſammenfaſſenden Überliht 1 Sa 14, 47 gejagt so
IN
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lını zz, ru Afımsmiı hs Mixe Toride mer Mech u beurstteln i2 Sa 8, 3).
Aal A Reh re beraufamkar, mom er die Ibermundenen Reabiter bebanpelte,
ink zirn man Bunde, ek anab 1 Z2D,5r mike, ale or von Saul verfolgt
mu: fun Elm sam mozkitiiben Kontace in Zicerbetz sehrat Dutte. Aber bier fünnen
maumt Fsmri Ibzren ber Woabiter, die uns unbdann: Ind, die Erklärung enthalten
kein. Cr. Bıleu sunı Des Mmuhızen ! Yerhalmintes erben Dorit und Moab würde
tim 27e Bo Hurt enthalten, fzüs man Nee Idene Stelle als Geichichtäquelle be
nugsr Some; aber Dies it aus mehreren Orunden smiärelbaft, sumal ta David in der
Fun: 1 Za 22, 38 me fanem Worre an Jane Verwandrichaft mit Den Moabitern
rrnm. Doz keiteate Voab machte Tarid nicht su einer Provinz Des Reiches, jondern
Eiznuste Ah, Tribut ven dem xuriten des Yandes zu nehmen. Klabriceinlich hörte dieſe
ee rrichait ichen untr Zalsme, oder wenigitens nah Deiten Tode und der Spaltung
Kate aus Als aber Das epbraimitiiche Reich unter der energiſchen Negierung
— rieber kraftiger geworden war, begannen die Israeliten aufs neue Die Gegenden
nordlich vom Amen unter ibre Serwalt su bringen. Genauere Einblicke in dieſe Verhält⸗
niit: zewabrt Die unichagkare Meta: \nichritt 1. d. Art, Rach ibrer Angabe berrichte
damals in Moab eine dibonitiſche Trnattie, Die alte ibr Cenmum nordlich vom Amon
hatte. Unter der 3jabrigen Negierung Des Kemoß .. . idie zmeite Hälfte Des Namens
it unſicher/, und anfangs aud unter der feines Zchnes Mesa gelang es Omri und deſſen
Nachielger beteutente Vorteile über Die Moabiter zu gewinnen. So eroberte Omri die
ganze Yandichaft Medeba, worin ſich dann Israeliten anttedelten. In der jeit alten
Zeiten von Gaditen bewobnte Yandicaft “Atarot befeitigten Die Israeliten Die gleich—
namige Ztadt. Ferner gebörte ihnen Die Ztadt Nebo, wo ſie einen \abve:Altar batten,
und Jahas, das ven ihnen bereitigt wurde. Außerdem lagen mehrere moabitijche Feſtungen
in Trummern, Die entweder Die \sracliten oder andere Ztümme, melde die Schwäche
Moabs benugten, zerttört hatten. Dieſem Zuſtande gelang es aber Dem Nönig Meſa ein
(inte zu maden. Die eroberten Yandichaften und Städte nabm er zurück; die israeli⸗
tiichen Einwohner tötete er und ließ andere fih in den Städten anlicdeln, und die zer:
itorten ‚yeitungen baute er aufs neue. Wach Dem AT fand Diele Aufiebnung erſt nach dem
Tore Ababs ſtatt (? Na 1, 1. 33, 5), aber die Worte des Meſa-Steines können kaum
anders aufgefaßt werden, als daß das igraeliniſche Joch ſchon wäbrend der Regierung
dieſes Königs abgeſchüttelt wurde. Dagegen erzählt das Königsbuch (2 Ka c. 3) von
einem Verſuch, den Joram von Epbraim in Verbindung mit \ojapbat von Juda machte,
um den König Meſa wieder zur Anerkennung der israelitiſchen berberrichaft zu zwingen.
Ter Zug verlief anfangs günſtig für Die \sracliten; Die verschiedenen ‚geitungen im Yande
wurden erobert und zeritört, Die Felder mit Steinen vertchütter, Die Quellen verjtopft und
Die Fruchtbäume umgebauen. Der moabitiſche König zog ſich in die ‚yeitung Qir hare-
set zurud und wußte ſchließlich in feiner Not fein anderes Mittel, als ſeinen erſtgebornen
Zobn auf der Feſtungsmauer als Zühnopfer zu opfern. Dann aber wendete ſich das
Schickſal; Die verbündeten Könige wurden durch ein Greignis, deſſen Weſen aus der Er
zäblung nicht Elar hervorgeht, geswungen, ıbre Pläne aufzugeben, und Moab gerettet.
Für die wetentliche Geſchichtlichkeit dieſes Berichtes Tprechen Die verſchiedenen charafteriftifchen
5 Jüge Darin, während es andererfeits leicht zu begreifen tft, dag Meſa diefe Epiſode und
das von ihm benußte verziveifelte Mittel mit Stillſchweigen übergeht. Dagegen läßt ſich
nicht mehr ausmacen, ob die Erzäblung 2 Chr ec. 20 vom Angriff der Moabiter und
Ammoniter unter Der Regierung Joſaphats auf geſchichtlicher Grundlage ruhe, oder ob ſie
nur eine Umbildung Des Berichtes ? Kg ec. 3 ſei. In der nach Meſa folgenden Zeit
wurde wohl Die von Amos gerügte Shandtbat, daß Die Moabiter Die Gebeine des ebo-
mittichen Königs zu Kalk verbrannten (m 2, 1), verübt; aber etwas näheres darüber
wiſſen wir nicht. Wer Der Wiederbelebung der ephraimitiſchen Macht unter Jeroboam II.
wurde nach Der Angabe 2 Na 11, 25 (wonach wahrſcheinlich Am 6, 14 zu erklären 11)
die Herrſchaft über Moab nicht erneuert, obſchon Die Israeliten damals Teile des Dit
jordanlandes eroberten. Auch erwähnt Amos (2,1) Moab als ein ſelbſtſtändiges Neich,
al» deſſen Hauptſtadt er aber nicht Dibon, jondern Qerijot nennt. In der folgenden
Periode werden Die ſpärlichen bibliichen Nachrichten über Moab durch Teilinfchriftliche Texte
erganzt, und einige monbitische Nönige genannt, Die im AT nicht vorkommen. Moab
tritt in den Keilinſchriften etwas Später auf als die Nachbarjtaaten, denn es fehlt nicht
nur in den Inſchriften Rammannirari's (812 783), ſondern es wurd auch fein moabt-
Monb 199
tijcher König unter den Fürften genannt, die im Jahre 854 bei Dargara gegen Sal:
manaflar fämpften, obſchon hier ſowohl Ahab von Israel ale Bafa von Ammon er:
wähnt werden, ein ‘Fehlen, das H.Windler vielleicht richtig dadurd erklärt, daß Moab
zu der Zeit noch Bafallenjtaat unter ephraimitifcher Oberboheit war. Dagegen treffen wir
in einer Inſchrift Tiglat Pileſers (745— 727) unter den Tribut zahlenden nahen Sa- ;
lamanu von Moab neben Ahaz von Juda (TI R. 67 3. 60). Der von Mebreren ge:
machte Verſuch diefen Salamanu in Salman Hoſ 10, 14 wieder zu finden, iſt gewiß
verfehlt, da der Prophet an diejer Stelle faum von einem moabitifchen Könige fpricht. Im
Sabre 722 batten die Moabiter die Genugthuung, den Untergang des ephraimitischen Erb:
feindes betrachten zu können. Aus einer Inſchrift Sargons geht indeſſen hervor, daß
Moab fich jpäter wie auch Bhilitäa, Juda und Edom auf das gefährliche Spiel einließ,
beim ägyptifchen Könige Hilfe gegen den mächtigen aſſyriſchen Oberherrn zu fuchen. Die
Moabiter müfjen aber bald das Ausfichtslofe dieſer Volitif eingejehben haben, denn San:
berib (704—681) nennt Kammusunadbi (= Kemosnadab) von Moab unter den
Königen, die ihm freiwillig huldigten und jchwere Abgaben zablten (Taylor: Prisma Col. II ı5
3. 53). Unter Aſarhaddon (681—668) dauerte diefe Abhängigkeit fort, denn Musuri
von Moab fommt unter den Fürſten vor, die Materialien für die Bauunternehmungen
des Königs abzuliefern hatten (Prisma B Col. V 3. 15). Unter Aſſurbanipal ent:
ftanden jtarfe Unruben und Bewegungen unter den Wüjtenarabern, die in erjter Linie für
Moab eine Gefahr enthielten, und die Moabiter hatten deshalb allen Grund, dem Aſſyrer- 20
fönige treu zu bleiben und ihn in feinen Kriegen gegen die Beduinen zu unterftüßen.
In einer Inſchrift lobt Aſſurbanipal einen moabitischen König, deflen Name leider nicht
iüher gelejen werden kann, weil er den gqedarenijchen Häuptling Ammuladin befämpft
und geichlagen hatte. Objchon aber die arabischen Stämme damals von den afipriichen
Truppen zurüdgemorfen wurden, blieben fie doc fortwährend eine drohende Gefahr für 25
die Moabiter wie für die Ammoniter, weshalb auch die Drohung des Propheten Eze—
cbiel gegen dieſe Völker darauf ausgeht, daß fie den Söhnen des Oſtens preisgegeben
werden follten (Ez 25, 10f.). Borläufig hatte indejlen Moab Ruhe, und auch der durch
den Untergang Aſſyriens entjtehende Wechſel in der Weltherrſchaft gefährdete nicht das
Beiteben des Volles, das vielmehr nun die Freude hatte, den Fall des ziveiten töraeli- 30
tiihen Staates zu erleben. Als Jojakim fih gegen Nebufadrefar auflehnte, fielen unter
anderen auch moabitiſche Streificharen in Juda ein und verheerten das unglüdliche Yand
(2 Kg 24, 2). Allerdings fanıen nad er 27, 2 moabitifche Geſandte mit Edomitern,
Ammonttern u. a. in Jeruſalem zufammen, um einen gemeinfanen Aufftand gegen Baby:
lon zu verabreden; aber jedenfalls ijt nichts daraus geworden und fchließlich überließen 35
die Nachbaren Juda feinem Schickſal. Als endlih Judas Vernichtung durch die Erobe-
rung Jeruſalems befiegelt worden var, freuten ſich die Moabiter, wie Ezechiel (25, 8) es
beichreibt, darüber, daß es jest den Israeliten, die eine Sonderftellung unter den Nationen
beanjpruchten, ebenjo gegangen war wie vielen anderen Völkern. Doch zeigte es fich
damals wie auch oft fonit, daß der Nationalbag in Einzelfällen Ausnahmen erlaubt, 10
denn mir hören gelegentlich von Judäern, die bei der furcdhtbaren Kataſtrophe des Landes
Aufnabme in Moab fuchten und fanden (Ser +0, 11). Nach der Darftellung des Jo—
jephus (Arch. 10, 181) bätte fich allerdings das Verhältnis zwiſchen Moab und Babel
nach dem Falle Jeruſalems geändert, denn er berichtet, daß Nebufadrefar, che er gegen
die Agupter zog, mit Ammon und Moab Kriege führte, aber es läßt fich nicht entjcheiden, 45
ob dieſe Nadıricht, die weder von der Bibel noch von den Snfchrikten betätigt wird, auf
hiſtoriſcher Wirklichkeit beruhe.
6. In der nachexiliſchen Zeit hören wir wenig von den Moabitern. Unter den
fremden Weibern, die die für die Reinheit ihres Volkslebens gleichgiltigen Juden gehei—
ratet hatten, und deren Kinder nicht mehr rein judäiſch ſprechen konnten, werden auch so
Moabitinnen genannt, Neb 13, 23; val. Esr 9, Lf. Inwiefern Nehemias' Feind San-
ballat (ein babyloniſcher Name Sinuballit oder Sinmuballit, „Sin madt lebendig“)
en Moabit war, ift zweifelhaft, da fein Epitheton „der Horonite” ebenjo gut vom israe-
Ittijhen Bethoron, wie vom moabitiſchen Horonaim abgeleitet werden kann. Indeſſen
nabte die Zeit, da die Moabiter, die bisher ihr Schifflein geſchickt und glüdlich zwischen 56
den Felſen gejteuert hatten, von einem barten nationalen Unglüde getroffen werden jollten.
Aus den oben erwähnten Unruben unter den Wültenarabern entwidelten ſich allmäblich
neue Austmwanderungen nach den benachbarten KHulturländern. Edom wurde von den
Rabaräern beſetzt, und ein ähnliches Schickſal traf in den Zeiten zwiſchen Nehemias und
der maflabäifchen Erhebung auch das mwabitiihe Voll. Schon der mit feinen Brüdern «0
—
0
200 Moab
verfeindete Hyrkan Tämpfte nach Joſephus in den Gegenden nördlich von Moab mit
Arabern (Arch. 12, 229, vgl. die „Barbaren“ 12, 222). Unter den verjchiedenen Stämmen
werden genannt die Nabatäer 1 Mak 5, 25. 9, 35, die in Medeba wohnenden Söhne
Ambri’s (1 Mak 9, 35, var. Jambri; Joſ. Ardı. 13, 11 roð "Auapaiov raldas),
5 wahrfcheinlih ein Amr-Stamm, und die Söhne Baian’s die ale Megelagerer den Juden
Schaden zufügten und nah 1 Mak 5, 3ff. wohl zwiſchen Edom und Ammon gejuct
werden müſſen (vgl. Wellbaufen, Jorael. jüd. Gefch.?, 277 im Gegenjfage zur Encyclop.
Biblica 406. 505). Zu des Joſephus Zeiten war dieſe Arabifierung des Tftjordan-
landes fo vollftändig, daß er z. B. Moabiter und Gilcaditer zu den Arabern rechnet
10 (Arch. 13, 374), Machärus am arabifchen Gebirge (Arc. 14, 83) und Hyrkans Burg
Tyros in Mrabien liegen läßt (Arch. 12, 233). Es ift deshalb ein ungenauer Ausdrud,
wenn er in feiner Wiedergabe der Gefchichte Yoths jagt 6 ui» Mwaßttas u£yıoıor
öyrtas xal vov Edvos (Arch. 1, 206), denn zu feiner Zeit waren die Moabiten feine
reinen Nachlommen des alten Volkes, fondern ein Gemisch aus den früheren Bewohnern
15 und Arabern. Eine Folge diefer Anvafionen war, daß ſich Die alten Staaten in eine
Anzahl von mehr oder weniger felbjtftändigen Stämmen auflöften, die unter Häuptlingen
ftanden, und wozu noch die belleniftiichen Städte Tamen, die ſich in ber gricchiid
Beriode gebildet hatten. Erſt allmäblih gelang es dem kräftigen Stamme der Nabatäer,
ein Reich zu gründen, das feinen Mittelpuntt in Petra batte, und dem der größere Teil
des Iftjordanlandes unterivorfen war. Uber die einzelnen Begebenheiten in diejem Zeit-
raume baben wir nur fpärlihe und zeritreute Nachrichten. Wenn das Bud Daniel (11, 41)
von Edon, Moab und Ammon fpricht, die vom Angriffe Des Anttochus verjchont bleiben
jollten, fo bewegt der Verfaſſer fich bier im alten Sprachgebrauche der propbetifchen Lit
teratur. Dasſelbe gilt von Pf 83, 7, der indeſſen auf die wirklichen Verhältniſſe mehr
35 Rüdficht nimmt, indem er die im Oftjordanlande nomadifierenden Hagriten neben Moab
nennt. Höchſt merfwürdig it der Sab im bebräifchen Terte Sirachs 36, 10 PS
N °DRD ENT „vernichte das Haupt der Schläfen Mobs“. ft der Tert bier ur:
jprünglib (die Marginalnote bat 28, der Grieche &xdo@v), fo weiſt er darauf Bin,
daß Moab damals aus einem uns unbefannten Grunde als Verlörperung der feindlichen
3 Melt galt, womit man weiter Jeſ 25, 10f. kombinieren könnte. Feſteren Boden betritt
man erſt mit der nüchternen Darftellung des 1. Makkabäerbuches. Wir erfahren bier,
daß Judas Makkabäus mit den Nabatäern befreundet war, und dagegen mit den Baian-
Eöhnen und mit den Ambri-Söhnen in Medeba fümpfte (1 Mak 5, 4f. 9, 35ff.), mo:
durch wir ſchon ein qutes Bild von den zerfplitterten Verhältniſſen in dieſen Gegenden
35 gewinnen. Ne mehr indefjen ſich die Macht der Nabatäer fonfolidierte, je leichter mußte
das VBerbältnis zwiſchen ihnen und den aufjtrebenden Hasmonäern einen feindlichen Cha:
rafter annehmen. Von wem Johannes Hyrkan Medeba und Samega eroberte (Joſ.
Arc. 13, 255; Bell. 1, 63; val. Pf 60, 10, der vielleicht dieſer Zeit angehört), wird
nicht geſagt. Aber jedenfall batte Mlerander Nanäus (102—--76) bei feinen Eroberungen
Dim Oſtjordanlande mit den Nabatäern zu kämpfen. Unter anderen Städten nahm er
ihnen aud Die alten moabitiſchen Feſtungen Medeba (das alfo in der Zwiſchenzeit wieder
verloren gegangen fein muß), Horonaim, Eglaim, und Soar (Joſ 1, 89; Arc. 13,
374. 382. 397); außerdem eroberte er Hesbon, das aber eine belleniftiiche Stadt und
Hauptpunft eines Tiftriftes Esebonitis war. Tie mit Alexander gleichzeitigen naba-
45 täiſchen Nönige waren Obodas I. und Nabilos I., der mit dem fprifchen König Antiochus
Dionyſos kämpfte und ibn bei Motho tötete (Euting, Nabatätfche Anschriften 82). Ale:
randers Schwacher Sohn Hyrkan veriprad bei feinem Aufentbalte in Petra dem Nabatäer:
fünig Aretas III, ibm die von feinem Vater eroberten Ztädte, darunter auch die mon-
bitijchen, zurüdzugeben (Arch. 14, 18%. Dagegen fcheint Hesbon unter jüdifcher Herr:
59 Schaft geblieben zu fein, denn es gebörte Serodes dem Großen, der es befeitigen ließ
(Arch. 15, 294). Esebonitis gehörte jedoch nicht zu Peräa, jondern bildete deſſen
Oſtgrenze (Bell. 3, 47). Am Mnfange des legten ‚reibeitsfrieges griffen Die Juden die
nichtjüdiſche Bevölkerung an und töteten viele davon, wie «8 au ſonſt in mehreren
Städten mit gemijebter Bevölkerung geſchah (Bell. 2, 155). Im Süden eritredte fich
55 die jüdiſche Yandjcbaft Peräa bis zur Feſtung Machärus, mo das den Nabatäern ge
ebörende Moabitis begann. Machärus jelbit gebörte aber den Juden, jo daß zu dieſer
Zeit alio Der Arnon wieder Die Nordgrenze Moabs bildete. Die ftarfe Feſtung war von
Alerander Janäus gegründet, wurde jpüter von Gabonius zerſtört, aber von Herodes
dem Großen wieder aufgebaut. Nach feinem Tode gebörten fie befanntlich Herodes Anti:
ca pas (Bell. 7, 171; Mrd. 14, 89. 18, 111; vgl. Mit 13, 3ff.). Im Freiheitskriege diente
Moab 201
ſie den Juden als eine der letzten Feſtungen, die ſie hielten. Moabitis blieb im Beſitze
der Nabatäer, bis ihr Reich im Jahre 106 n. Chr. vernichtet wurde. Nabatäiſche In—⸗
jehriften find in Umm-er-räsas (aus dem jahre 9/10 n. Ehr., Clerm. Ganneau, Arch.
Researches, PEF 2, 317) und Medeba (aus dem Jahre 37 n. Chr., CIS 2, 196 ge
funden. Nach 106 bildete es einen Teil der Provinz Arabien, mit der Ejebonitis auch 5
vereinigt wurde; bei der fpäteren Einteilung wurde es zu Palaestina tertia gerechnet.
Bon dem Aufſchwunge, den das Land unter römischer Herrfchaft nahm, legen die vielen
Ruinen, die zum größten Teile in diefe Zeit zurüdtveifen, Zeugnis ab. Ein Neb von
römischen Wegen mit Meilenfteinen durchkreuzte das Land, während eine Neibe von Ka—
itellen die ſchwache Oſtgrenze verteidigten. Allmäblid) drang das Chrijtentum in das 10
Zand ein, und es finden fich deshalb unter den Ruinen eine größere Anzahl von Kirchen;
unter den Teilnehmern an den Konzilien trifft man Bischöfe von Areopolis, Hesbon, Me:
deba, So ar, Kerak (vgl. Le Duien, Oriens Christianus 3, 729. 733f. 737. 769f.).
Nachdem die byzantinifchen Kaiſer das Sürftentum der Ghaflaniden ala Bollwerk gegen
die Beduinen errichtet hatten, kamen auch die alten miwabitischen Gegenden unter die Herr 15
haft dieſer Fürſten und wurde mit ihren anderen Befigungen in ‚Jahre 613 —614 von
den Verjern verbeert. Der Verſuch, den Muhammed machte, diefe Gegenden durch ein
ausgeſchicktes Heer zu bezwingen, wurde durch die Energie des Vikars Theodoros abge:
wehrt, und die arabifhen Truppen erlitten eine große Niederlage bei Muta (Theophanes,
Chronographie ed. de Boor 1, 335, vgl. Ibn Hiſcham 791ff.; Tabari, Annales 1, 20
1610f.). Aber wenige Jahre nach dem Tode des Propheten fiel das alte moabitische
Land in die Hände feiner friegerifchen Anhänger.
7. Moab gehört zu den Tleinen Völfern, die bejonders deshalb unfer Intereſſe er:
weden, weil ihre Geſchichte eine Parallele zu der der Israeliten bildet. Wie diefe waren
fie von der Steppe eingewandert und in inniger Beziebung zu der Tanaanätjchen Kultur
getreten; und ihre Lebensverhältniffe und politiichen Erlebniffe waren im großen und
ganzen dieſelben. Doch fand allerdings ein nicht unweſentlicher Unterjchied zwiſchen
Israel einerjeits und Völkern wie Aınmon und Moyab andererfeits ſtatt. Während die
Israeliten auf ihren Bergen verhältnismäßig tfoliert wohnten und dur den Jordan
von den Gebieten der Beduinen getrennt waren, gab es feine natürliche Barriere zwischen so
den Moabitern und den MWüftenftämmen. Die Thüre fiand fortwährend offen und
das Voll mußte immer auf die Möglichkeit einer neuen Invaſion vorbereitet fen,
die Die Zulturelle Entwidelung zurückſchrauben fünnte. Den jeßigen Zuſtand des alten
Moab vor Augen jagt Doughty (1,227): „wenn dies Land gefchwächt würde, würde es
bald teilmeife verlaflen werden, da es den Wanderungen der Beduinen offen liegt: Die 36
wenigen Bewohner würden fih in die jtärferen Städte zufammenzieben, die entlegenen
Dörfer würden ohne Bewohner gelaffen werden. Mit den unfichern Yande binter ich,
würden die gefallenen Plätze nicht wieder gebaut werden.” In der That enthält die Ge-
fchichte dieſes Landes mehrere folcher Perioden, mo es in den Beduinenzuftand zurüdjanf,
um ſich wieder emporzuarbeiten. Gelang es aber die Wüſtenſtämme zurüdzubalten, fo 40
beſaß das Land in feinen natürlichen Hilfsmitteln eine vollftändig genügende Grundlage,
um ein Kulturleben darauf zu gründen. Es it, wie Sofepbus fagt (Arch. 4,83), Frucht:
bar und im ftande, eine Menge Menjchen zu ernähren. Cine Haupterwerbsquelle war
die Viehzucht, wozu die treffliben Weiden einluden, vgl. die Schilderung Nu 32,1 ff.
Rah 289 3,4 zablte der mobitifche König einen jührlichen Tribut von 100000 Lämmern 46
und der Wolle von 100 000 Widdern (vgl. Jeſ 16, 1, wo der Text indefien wabrfcheinlich ver-
derbt ift). Auch in der Mefainfchrift 3. 30f. it vom Serdenreichtum des Yandes die Rede.
Daneben giebt es in Moab vorzügliches Aderland. Bon der Hochebene jagt Doughty (1,22):
„es giebt viele Duellen und Waſſerlöcher in dieſem jeßt verödeten Lande; das Auge fiebt
überall Haufen von Eteinen, die die alten Yandivirte beim Pflügen aufgelefen baben ; bier 2
iſt jchr fruchtbares Getreideland, der von den Bewohnern Keraks in Handtiefe gepflügt
wird; für wenig Pfund kann man cin ganzes Feld kaufen, und Korn giebt es in ihrer
Stadt beinahe wie Sand, jv daß es twegen der übermäßigen Transportfoften nicht
ausgeführt werden kann.“ Teshalb verjchütteten die Israeliten, als ſie auf den Befehl
Eliſas das Land verbeeren wollten, alle Meder und verftopften die Duellen (2Kg 3,25). 55
8
au
[We
Falls der Tert Ez 27,17 richtig ift, muß der Weizen von Minnith (ſ. oben), oder der
aus diefer Stadt erportierte Weizen berühmt geweſen fein. Ferner befabl Elija alle
Arudtbäune zu fällen. Es gab nämlih in Moab, wie die noch bewahrten Mein: und
elfeltern betweifen, eine Menge Neinfelder und Olbäume, was auc aus den Worten
Je 16, 9f. hervorgeht. Der moabitifche Wein muß ſehr gejchäßt geweſen fein, da er nad w
202 Moab
Jeſ 16,8 exportiert worden zu ſein ſcheint. Unter ſolchen Verhältniſſen konnte das
Land trotz ſeiner Kleinheit eine verhältnismäßig große Bevölkerung erhalten. Joſephus
nennt an der oben citirten Stelle die damaligen Bewohner Moabs zahlreich, und daß
es ſich in älteren Zeiten ähnlich verbielt, lehren die vielen Städtenamen, die im AT vor:
kommen. Selbſt bei der heutigen Vernachläſſigung des Landes werden die Kerakenſer,
die allerdings nicht alle in Kerak ſelbſt wohnen, auf 8—10000 geſchätzt (Quart.-Stat.
1895, 220).
8. In Die Kulturverhältniſſe Moabs giebt die Mefainjehrift einen höchſt wertvollen
Einblid. Schon ihre Exiſtenz an und für ſich ift in diefer Beziehung lebrreih. Wenn
ı nämlich die Moabiter im 9. Jahrhundert v. Chr. im ftande waren, einen längeren Text
in ein fo hartes Material wie Bajalt einzugraben, muß die Schreiblunft bei ihnen eine
ziemlich hobe Stufe erreicht baben, mie ja auch das Aufitellen eines ſolchen Denkmals
überbaupt nur Zinn bat, wenn ein Teil des Volfes es leſen fonnte. Auch zeigen die
grapbijchen Eigentümlichfeiten, Daß Die moabitiſche Schrift fich felbititändig entwidelt
15 haben muß, jo daß der König nicht nötig batte, ſich dabei fremder Hilfe zu bedienen.
Aus dem Inhalte der Inſchrift lernen wir aber allerlet Cinzelbeiten fennen. Die Moa-
biter veritanden Die Kunst, ‚yeitungen zu bauen ; der König forgte für das Verfebrötveien,
indem er eine Ztraße (mesillat, aljo eine mit Kunſt gebaute) am Arnon anlegen ließ;
in feiner Hauptſtadt lich er Mauern mit Tboren und Türmen bauen, ein Schloß auf:
20 führen, Ciſternen in allen Häufern anlegen und außerdem verfchiebene Veranjtaltungen
treffen, deren Bedeutung uns aus jprachlichen Gründen nicht mehr Har tft.
Was die Neligion Moabs betrifft, jo gebt ſowohl aus den AT als aus der
Mefainjchrift bervor, daß Kemo3 der Hauptgott des Yandes war (vgl. Ser 48,7. 13;
1 8g 11,7. 335 28923, 13). Die Moabiter beißen Nu 21,29; er 48,41 das Volt
des Kemos. Die für Moab unglüdlihe Zeit unter der Regierung des Vaters Meſas
rübrte nad der Inſchrift 3.5. davon ber, daß KemoS auf fein Wolf zürnte, und die
Rettung des Yandes verdanfte Meſa der Hilfe des verjühnten Gottes. Auch zeigen die
mit Kemo3 zufammengefegten Königsnamen Die Bedeutung dieſer Gottbeit. einem
Gharafter nah war Kemos ein kriegeriſcher Gott, vor deſſen Altar die gefangenen Feinde
30 abgefchlachtet wurden (Meſa-J. 3. 11f.). Damit ftimmt es aud, daß Meja in feiner
Hot ibm feinen eignen Sohn als Opfer brachte, 28a c.3. Er befak eine Bama ſowohl
in Dibon als in Verijot (3.3. 13). Das wiederbolte: es ſprach KemoS zu mir, in
der Inſchrift weist auf em Orakel bin, von deſſen Einrichtung wir allerdings nichts wiſſen.
Ron Prieitern des KemoS ift die Rede er 48,7. An einer anderen Stelle der Inſchrift
35 beißt es, daß Meſa die erachten in Nebo töten ließ, nachdem er fie 522 00877 ges
weiht hatte (E77), Wenn bier AStar, was wobl am nächjten liegt, eine weibliche Gottbeit
ift, erinnert Die Zufammenfeßung an Namen wie Ntargatis, deren Bedeutung für ihre
Verehrer allerdings nicht mit Sicherheit beſtimmt werden kann (vgl. Baetbgen, Beiträge zur
ſemit. Religionsgeſchichte 255 ff). Nur jo viel iſt klar, daß auch dieſe Gottheit einen
40 ähnlichen Gbarafter gehabt haben muß wie Kemoß felbit. Ferner treffen wir einen
Ba’al Peor, deſſen Kultus nach Nu 25, 1. einen orgiajtifchen Charakter gehabt bat.
Der Name bezeichnet wohl diefen Gott als Seren des Ortes Peor und läßt deshalb
jeine dentität mit KemoS oder einer anderen Gottheit zu. Endlich bängt der Name
des Berges Nebo fidher mit dem Gott Nebo zujammen, weshalb es wahrſcheinlich iſt,
daß auch er in Moab verehrt wurde. Übrigens befand fih zur Zeit Meſas auf dieſem
Berge ein israelitiſches Heiligtum, deſſen NIS (vgl. Ez 43,157) Der König vor Kemos
bringen lieh. Dasſelbe Kultusſtück in der für uns unverftändliche Verbindung TTT7 IR“
wird auch bei der Eroberung von “Atarot (3.12) erwähnt; da es von Meſa „zurüd-
gebracht” wird, war es wohl von den \sracliten aus einem moabitifchen Heiligtum dabın
50 gefchleppt worden. - In religiöſer Beziehung war alfo, trog der Parallele zwiſchen
der tsraclitifchen und moabitiſchen Geſchichte, die Entividelung bei beiden Völkern cine
ganz verjchiedene, An feinem Punkte läßt ſich bei den Moabitern irgend eine Beitre:
bung nachweiſen, fi über den Ztandpunft der ſemitiſchen Naturreligionen zu erheben.
Überhaupt ftanden fie, ſoweit wir feben fünnen, auf feiner böberen Stufe in getjtiger
55 Beziebung. Bon einer Weisheit, wie fie bei den Edomitern gerübmt wird, ift bei ihnen
nicht Die Mede. Dagegen wird ihnen wiederbolt ein prablender und brutaler Hochmut vor
geworfen (Ze 2,85 860 16, 6. 25,115 Jer 48,29), der aljo für die Israeliten der am
meiſten bervortretende Charafterzug dieſes Volkes geweſen ſein muß.
9. Da im Vorhergehenden weſentlich nur von den politiſchen Beziehungen zwiſchen
vo Moab und Idsrael die Rede geweſen iſt, ſollen noch zur Ergänzung die übrigen alt⸗
[ei |
IS
..
DL
Moab Möhler 203
teſtamentlichen Stellen, die fih mit Moab befchäftigen, genannt werden. Daß Amos den
Moabitern ein Verbrechen vorwirft, das nicht die Israeliten betraf, fondern im allgemeinen
die Gefege der Humanität und Pietät verlegte, iſt ſchon erwähnt worden. Die übrigen
prophetijhen Stellen, die gegen Moab gerichtet find, Ze 2,8f.; Jeſ e.15f.; 25,9—12;
Jer c.48 betrachten dagegen das Verhältnis vom religiösenationalen Standpunkte aus. 5
Auf die ſchwierige und verſchieden beantwortete Frage nah der Abfaſſungszeit diefer
Abſchnitte näher einzugehen ift hier nicht möglich und auch nicht nötig, da fie im all
gemeinen unfere Kenntniffe der Gefchichte nicht bereihern. Am rätjelbafteiten iſt der
Abſchnitt Jeſ 25, 9—12, da er den beftimmten Eindrud macht, aus einem ſehr ſpäten Zeit:
raum zu entjtammen, two aber nach dem, was wir fonft willen, Moab nicht mehr als ber: 10
vorragender Feind galt. Doch iſt oben eine Stelle bei Sirach angeführt worden, Die
vielleicht etwas Licht über Diefe Frage verbreitet. Tem 15. und 16. Kap. des Iefaias, von
dem er c.48 abhängig tft, jeheint ein von innigem Mitgefühle getragener Klagegejang
über Moab zu Grunde zu liegen, der jegt eigentümlich mit dem fonftigen Inhalte der
Kapitel Eontraftiert. Die Stimmung gegen Moab, die uns fonft im AT entgegentritt, ift
wechfelnd. Daß David, ehe er König wurde, in freundlichen Beziehungen zum moabitischen
Könige ftand, tft Schon erwähnt. Auch fommt 1 Chr 11, 46 unter den Männern Davids ein
Moabiter namens Jitma vor. Dagegen zeigt die Erzählung 2 Kg c.3, welche verbitterte
Stimmung gegen dies Volk in prophetifchen Kreifen herrſchte. Aus einer jpäteren Zeit
baben wir die Strenge Beitimmung Dt 23, 4ff., wonach die Ammoniter und Moabiter nicht
einmal im 10. Gliede in die Gemeinde Jahves aufgenommen werden durften. Da dies
Geſetz Neh 13,1 benugt wird, ift Bertholet geneigt, «8 erft zur Zeit des Nehemias fon:
zipiert jein zu laſſen. Da aber die unmittelbar folgende Beltimmung Dt 23, 8f., daß die
Edomiter im dritten Gliede in die Gemeinde aufgenommen werden dürfen, unmöglid)
zu diefer Zeit entitanden fein kann, muß er zu dem etwas gemwagten Mittel greifen, :
dieſe letztere Beſtimmung einer noch viel jpäteren Zeit auzufchreiben. Es dürfte demnach
doch wohl ficherer fein, beide Beitimmungen als nody voreriliich zu betrachten. Daß der
beftige Kampf Esras und Nebemias’ gegen die Eben mit fremden Meibern aud die
Moabiterinnen betraf, iſt fchon berührt worden. Um fo auffälliger iſt die fompatbifche
Schilderung der Moabiterin Ruth in dem gleichnamigen Buche, da diefe Schrift Doch den 30
Eindrud macht, erft ſpät gejchrieben zu fein (was allerdings Driver beftreitet). Viele
Neuere folgen deshalb Geiger, der in Buch Ruth den Ausdruck einer Richtung fab, Die
direlt gegen das |trenge Verfahren Esras und Nehemias’ opponierte, und in der That
läßt fich eine ſolche Auffafjung kaum vermeiden, falls die Beitimmung der Abfaffungs-
zeit richtig it. Im Buche der Chronik find Dagegen die Aınmoniter und Moabiter Typen 35
der Erzbeiden, was ſich nicht nur in der Erzählung 2 Chr c. 20 Ausdruck giebt, ſondern
auch darin, daß die Väter der beiden Mörder des Jehoas (2 Kg 12,22) in eine ammo-
nitiſche und eine moabitische Frau verwandelt werden (2 Chr 24, 26). Wie aber der Blid
allmählich freier wurde, lehrt die von Schürer (Geſch.“ 3, 135) angeführte charakteriftiiche
Erzählung Jadaim IV 4, wonach N. Joſua im Gegenfage zu Gamaliel II behauptete, daß 10
en ammonitifcher Proselyt trog der oben angeführten Beltimmung Tt23,4ff. in die
Gemeinde aufgenommen werden durfte, da die alten Ammoniter längst nicht mebr exiſtierten.
Tasfelbe galt in der That auch, mie wir gejeben haben, von der damaligen moabitifchen
Bevölferung, in deren Adern nur wenig echt moabitiſches Blut floß. Fr. Buhl.
Modaliften |. d. U. Monarchianis mus. ft;
Modeftus, antignoftiiher Schriftiteller, j. oben Bd XII, 267,2. — Pal.
Harnack, Geſchichte d. altchriftl. Litteratur 1, Leipzig 1893, 759; C. A. Bernoulli, Der Schrift:
ftellertatalog de3 Hieronymus, Freib. u. Leipz. 1895, pass.
Nah Eufebius (Kirchengeich. 4, 25 vgl. 21) bat ein fonft nicht befannter Modeſtus,
Zeitgenofie des Philippus von Gortyna und des Irenäus, eine Schrift gegen Marcion 50
geichrieben, deren Polemik bejonders eindrudsvoll geweſen zu fein jcheint. Tas Bud it
verloren gegangen. Hieronymus (Vir. ill. 32) will noch von anderen ovvraynata des
M. willen, die ab eruditis quasi wevderiyoapa repudiantur. Wober er Ddieje
Weisheit hat, iſt unkontrollierbar. Vielleicht verdankt ſie einem Mißverſtändnis des von
Hieronymus im übrigen ausgeſchriebenen euſebiſchen Textes ihr Daſein. G. Krüger. 55
—
13
19)
20
IS
Ci
Möhler, Johann Adam, geſt. 1838. — Eine Lebensbeſchreibung M.s von Reith:
mayer enthält die fünfte Auflage der Symbolif, Mainz 1838; vgl. den Artikel desjelben Verf,
204 Möhler
in dem Slirchenlerifon von Weter und Welte Bd VII, ©. 189 ff. 2. Aufl. Bd VIII ©. 1677;
B. Wörner, 3. A. Möhler, Regensburg 1866; J. M. Raich, Möhlers Symbolit. Ergänzungen
dazu aus deſſen Schrift: Neue Unterſuchungen 2c. Nebit dein Yebensbilde Möhlers von H. Kihn.
Mainz 1889; 3. Friedrid. J. N. Möbler, der Symboliter. Ein Beitrag zu jeinem Leben und
5 feiner Lehre, Münden 1894; A. Knöpfer, J. N. Möhler, Münden 1896, 2. Monaſtier, J.
A. Möhler, Zaufanne 1897. Bal. aud) den ausführlichen, teilmweife auf perjönlider Belannt:
ihaft beruhenden Artifel von Dr. Kling in der 1. Aufl. diefer R.:E. IX, 662 fi. Außerdem
find zu vergleihen Narl Werner, Geſch. der kathol. Theologie, 1866, ©. 470 ff.; H. Brüd,
Geſch. d. kath. Kirhe im 19. Jahrh., 2. Bd, Mainz 1889; A. Ehmid, Wiſſenſchaftl. Ric:
10 tungen auf dem Gebiet des Kath., Münden 1862; Haje, KG., S. 14. 727.744; derj., Bolemit,
bei. Vorrede S. VIII ff.; Baur, EG. des 19. Jahrh., 1862, S. 309ff.; Klüpfel, Geich. der
Univerf. Tübingen 409. 443; Strauß, Kl. Schr., Neue Folge, 1866, ©. 355; Nippold, Neueite
KG., S. 169; Landerer, N. Dogmengeid., S. 378; Tehler, Symbolik, ©. 25 ff.
J. A. Möhler ift geboren den 6. Mat 1796 zu Igersheim bei Mergentheim im
15 württembergiichen Franken ale Zohn eines wohlhabenden Gaſtwirts und Torfichultbeißen.
Die guten Anlagen des Knaben beitimmten den Water, ibn den Studien zu widmen.
Auf den Gymnafium twoblvorbereitet wandte er fihb auf dem Lyceum in Ellwangen 1814 .
dem pbilojopbifchen und bald darauf dem theologischen Studium zu. Mit der katholiſchen
Fakultät 1817 nach Tübingen übergefiedelt und ın das Wilbelmftift aufgenommen, machte
20 er fich die bier gebotenen Bildungemittel wohl zunuge. Neben andern Univerfitätslebrern
(3. B. dem Philoſophen Eſchenmayer) hatte er an den Mitgliedern der katholiſch⸗theo⸗
logiſchen Fakultät Drey, Hirſcher, Herbit, Feilmoſer Lehrer, die in den verjchievenen Ge
bieten ihrer Mifjenfchaft zu den eriten gehörten. Apologetik, Dogmatik und Ethik, praf
tiiche, biftorifche und exegetifche Theologie waren durch diefe Männer in würdiger und
25 liberaler Meife vertreten, in einem Geift, der teils der Sailerſchen, teild der Wellen:
bergichen Richtung fich näherte. Nachdem er 1819 die Priefteriveibe empfangen, trat er
als Pfarrvikar zu Weilerftadt und Riedlingen in die praftifche Wirkfamfeit ein; kehrte
aber, um fich dem Yebramt zu widmen, bald nad Tübingen zurüd, wo er 1820 zum
Repetenten am Konvift ernannt twurde. in diefer Zeit vertiefte er fih in die klaſſiſche
so Yitteratur, griechiſche Philoſophie und Gefchichte, die ihn fo mächtig anzogen, daß er fchon
im Begriff war eine philologifche Lehrſtelle ich zu erbitten, ale von der theologischen
Fakultät die Einladung an ihn erging, als Privatdozent das Fach der Kirchengefchichte
nebit den verwandten Disziplinen zu übernebnen (1822). Bevor er aber in dieſe Wirk
ſamkeit eintrat, jollte er zu feiner weiteren Ausbildung eine wiſſenſchaftliche Reife mit
35 Etaatsunterftügung unternehmen. Er befuchte nun im Winter 1822—-23 die bedeutenditen
evangelifchen und katholiſchen Hochſchulen, bejonders Göttingen, two der Kirchenhiſtoriker
G. J. land, und Berlin, wo bejonders Schleiermader, Neander, Marbeinefe bildenden
Einfluß auf ibn übten, ſowie andererjeits der geiftiglebendige junge Mann durch fein edles
und feines Benehmen Achtung und Vertrauen fi) erwarb. Am Sommer 1823 eröffnete
40 cr als „Privatdozent voll jugendlicher Ideale“ feine Vorlefungen in Tübingen, zunädhit
über Kircbengefchichte, Patrologie und Mirchenrecht, und beteiligte fih als Mitarbeiter an
der theologischen Duartalfchrift. Mas er in derjelben niedergelegt, findet ſich größtenteils
in den von Töllinger 1839 berausgegebenen Geſammelten Schriften und Aufſätzen (Re
gensburg 1839- 40, 2 Bände). Doc bat der Herausgeber bier ein paar der interejlan-
6 tejten Artikel aus den Jahren 1824 und 1825 abſichtlich übergangen, „angeblich weil fie,
an ſich weniger bedeutend, einer früberen unreifen Geiſtesrichtung angebören, die der Ver
faffer bald und für immer abjtreifte”. Es gebört bieber wohl die Necenfion von Schmitts
Harmonie der morgenländiichen und abendlindicen Kirche (1821), morin der Recenſent
die Bewilligung des allgemeinen Gebrauches des Stelches im Abendmahl mit großer Frei⸗
so mütigkeit befimvortet, Die Sophiſtik der Verteidiger Der Kelchentziehung mit fräftigem Un-
willen rügt und Die jegige katholiſche Zitte entſchieden mißbilligt. Noch jtärfer find die
Auperungen über Meſſe, Kelchentziehung, lateiniſche Kultusſprache 2c. in einer gleichfalls
unzweifelbaft von Möbler berrübrenden Recenſion einer Schrift von %. Schaaf über die
preußiiche Kirchenagende (1825), — Außerungen, in denen fih der Widerſpruch gegen
5 katholiſche Mißbräuche und prieſterlichen Hochmut unbejchadet feines SKatbolicismus in
energifeber Weiſe äußert. - us Derfelben Zeit ſind auch die Auffäge Möhlers: Hiero-
nymus und Auguſtin im Streit über Sal 2, 14 (1824, 1; Gel. Schriften I, 1 ff); Über
den Brief an Tivgnetus (1828, 3; Gel. Schriften 1, 19 ff); Marl der Große und feine
Biſchöfe (Tüb. Duartalfchrift 1825), - Beinerfenswert ale Schöne ‘Proben patrijtijcher und
so Firchenbiftorischer Studien. Größeres Auffeben aber machte die erjte jelbititändige Schrift,
Die unter Möhlers Namen bervortrat; Div Einbeit der Kirche oder dag Prinzip des Has
Möhler 205
tholicismus, dargeftellt im Geifte der Kirchenväter der drei erſten Jahrhunderte, Tübingen
1825, 2. Aufl. 1843. Das Ganze zerfällt in zivei Abteilungen: Einheit des Geiltes und
Einheit des Körpers der Kirche. Jene ift zuerft die myſtiſche des bl. Geiftes, die alle
Gläubigen zu einer geiftigen Gemeinfchaft vereint (Kap. 1), dann die verftändige in der
Lehre als dem begriffmäßigen Ausdruck des chriftlichen Geiftes (Kap. 2), im Gegenſatz
gegen die Härefien als die Vielbeit ohne Einheit (Kap. 3), endlih die Einbeit in der
Vielheit: Bewahrung der Individualität in der Einheit der Gläubigen (Kap. 4). In der
zweiten Abteilung wird vom Biſchof, in welchem die Einheit der Gemeinde fich zufammen-
faßt (Kap. 1), aufgeitiegen zu der firchlichen Einheit im Metropoliten und der Synode
(Kap. 2); von da zur Einheit des gefamten Epijfopats (Kap. 3) und fchlieglic) zum rö- 10
miſchen Primat, deſſen ftufenmeife Entmwidelung aus den geichichtlichen Rerhältnifien des
Altertums und Mittelalters nachgewieſen wird — nicht ohne kritiſche Bemerkungen gegen
die Reformation des 16. Jahrhunderts, die das Prinzip der Einheit negiert, aber auch
gegen den modernen Ultramontanismus, der ſteif auf den Anfichten bebarren will, die
ſich im Mittelalter unter ganz anderen Umftänden entiwidelt batten. — So zeigt ſich hier 15
Möbler als ein Mann, der über den empirischen Katholicismus wie über den bijtorischen
Proteſtantismus hinausstrebt, indem er für einen idealen Katholicismus, mie er ihn in
den alten Vätern gefunden zu haben glaubt, kämpft und ſchwärmt und in dieſem Kanıpf
gegen die Entitellung desjelben ſelbſt proteitiert.
Diefe Schrift über die Einheit der Stirche erregte in katholischen Kreifen bei den einen 20
Anſtoß, bei den anderen Begeiiterung (j. Friedrich ©. 8f. dag Urteil Döllingers), be—
ſonders aber richtete fie die Aufmerkſamkeit auf den boffnungsvollen jungen Mann;
{bon 1826 erging an ihn ein Ruf von der Univerfität Freiburg, deifen Ablehnung feine
Beförderung zur. a. o. Vrofeffur in Tübingen zur Folge hatte. Im folgenden Jahre
ließ er („zum Teil nicht ohne äußeren beitimmenden Einfluß“, mie fein katholiſcher Biograph 25
jagt) jeiner Erftlingefchrift eine zweite folgen, welche denen, die an der erjten Anſtoß
genommen, ihr Urteil zu berichtigen Gelegenheit bot: Athanafius d. Gr. und die Kirche
feiner Zeit, befonders im Kampf mit dein Arianismus, Mainz 1827, 2 Bände; 2. Aufl.
1844: — ein Bild der Arbeiten und Kämpfe der Kirche des 4. Jahrhunderts, in leben:
digen, friih aus den Quellen gejchöpften Zügen den Zeitgenoffen vor Augen geftellt. 30
Aber auch zu einer Chrenrettung des Mittelalters führten ihn ſeine kirchenhiſtoriſchen
Studien; eine der bervorragenditen Geltalten desjelben, Anjelm von Canterbury, „ven
Mönch, den Gelehrten und den Kämpfer für die Kirchenfreiheit“, bat er mit Xiche ge
fchildert in der theol. Duartalichrift 1827, 3. 4; 1828, 1; Gel. Schriften I, 32}. Wie
er (freilich nicht: ohne fophiftiihe Willkür) auch dem anerfannten Betrug noch eine ideale 35
Seite abzugetvinnen wußte, zeigen jeine Syragmente aus und über Pſeudoiſidor (geichrieben
1829— 32, abgedvrudt in Gef. Schr. I, 283 ff). Außerdem find ale fleinere, Tirchenbijto-
riſche Arbeiten zu nennen: eine Abb. über den Urfprung des Gnoſticismus, urjprünglich
Glückwunſchſchreiben zum 50jährigen Doftorjubtläum des Göttinger Planck 1831, abge:
drudt in den Gel. Echr. I, 403; eine durch die orientalische Frage veranlaßte Abhand- 40
lung über das Verhältnis des Islam zum Ghrijtentum 1830; Gel. Schr. L, 348 ff. und
Brucftüde aus der Gefchichte der Aufhebung der Sklaverei 1834, Gef. Schr. II, 54 ff.
Dagegen blieben zwei größere Tirchengeichichtliche Werke, deren lan und Vorarbeiten ibn
lange bejchäftigten, unvollendet: feine Batrologie oder chriftliche Literärgeſchichte, wovon
Reithmayer aus Möhlers Nachlaß Bo I berausgegeben bat, der aber zu zwei Dritteln ı
nicht von Möhler, jondern vom Herausgeber herrübrt (Regensburg 1840); und eine Ge:
Mbichte des Mönchtums in der Zeit feiner Entitehbung und Ausbildung, wovon ein Krag:
ment in den Gel. Schr. II, 165 ff.
Bald nach Erfcheinen des Athanaſius mar Möhler den 28. Dezember 1828 von
jener Fakultät mit der theologifchen Doktorwürde ausgezeichnet, von der Negierung den 50
31. Dezember zur ordentlichen PBrofefjur befördert worden. Sein Einfluß als afademischer
Lehrer ftieg immer höher, feine geiltvollen, mit Lispelnder Stimme und einer eigentüm—
liben Anmut vorgetragenen Worlefungen wurden auch von proteftantifchen Theologen
häufig bejucht und er übte großen Einfluß auf das heranwachſende katholiſche Theologen:
geſchlecht. Verſuche der preußischen Iegierung, ihn für Breslau, Bonn oder Münfter zu ge: 55
winnen, wurden jedoch durch Das Widerjtreben der hermefianijchen Partei vereitelt, |. Friedrich
©. 248. Wie fehr Möhler damals mit der Univerfität und dem fonjtitutionellen Staats:
leben befreundet und verwachſen war, zeigen feine „Betrachtungen über das Verhältnis
der Univerfitäten zum Staat 1829” (Gef. Schr. 1,268 ff.), worin er den Gedanken aus:
führt, daß im Zonftitutionellen Staat die Univerfität als Staatsanftalt eine unendlich co
[ei]
206 Möhler
freiere Stellung eumebme als früber. Dagegen befämpft er den kirchlichen Liberalismus
der aufgeflärten katholiſchen Profeiloren in Freiburg, als dieje jtatt an Erneuerung des
firchliben Yebens von innen beraus zu denfen, zuerit (1828) die Aufbebung des Cölibats
und Geſtattung der Priefterehbe beantragten. Möbler, der nicht obne Einfluß perjönlicher
5 Yebenserfabrungen aus einem Gegner ein Freund des Gölibats geworden zu fein fcheint,
trat jener, Damals unter dem ſüddeutſchen Klerus weitverbreiteten, auf Befeitigung des
Swangscölibats gerichteten Bewegung entgegen in einer Beleuchtung der Denkſchrift für
die Aufbebung des dem katboliſchen Geiſtlichen vorgejchriebenen Gölibats (Gef. Schr. I,
177 ff), worin er zeigt, daß die Selbſtſtändigkeit der Kirche durch den Cölibat bedingt
10 ſei: „der Cölibat des Klerus befördere nicht nur die ‚sreibeit der Kirche dem Staat, fon:
dern auch die Freibeit Des Staats der Kirche gegenüber”.
Immer deutlicher bereitet ſich jest jener Umfjchwung bet Möbler vor, der dann in
jeinem dritten Sauptwerf, der Symbol, jenen Ausdrud fand. Als Norläufer dazu
erkennen wir die Betrachtungen über den Zuſtand der Nirche im 15. und zu Anfang des
15 16. Jahrhunderts (1831, Ge. Schr. II, 1 ff), worin er die Neformation daritellt als
eine revolutionäre Bewegung, durch melde die ruhige Entwidelung der mittelalterlichen
Kirche und der in derjelben reichlich vorbandenen guten Keime zeritört, die Firchliche Ein:
beit zerrijfen worden jei. Immer eifriger bejchäftigte er ficb mit dem Studium der Quellen
des fonfeflionellen Gegenjages zwiſchen Natbolicismus und Proteltantismus und bielt (nad
20 dem Vorgang feines proteftantifchen Nollegen Baur) Vorlefungen über Symbolik. Durch
diefe Vorträge und deren WVeröffentlibung glaubte er eine fichtbare Lüde in der fatho-
lichen Yitteratur auszufüllen, ein umſichtiges willenjchaftliches Urteil über das Verhältnis
der Konfeſſionen zu befördern und damit einen ‚rieden, der aus der wahren Kenntnis
des Zwieſpalts und feiner Entjtebungsgründe bervorgebt. In diefem Sinn, zur Urien-
25 tierung feiner Glaubensgenoſſen über das Weſen des Proteſtantismus und feiner verjchie
denen Richtungen gab er jene „Symbolik oder Darftellung der dogmatischen Gegenſätze
der Katholiken und Protejtanten nach ihren öffentlichen Belenntnisfchriften” heraus (Mainz
1832, 5. vermehrte und verbeſſerte Auflage nach dem Tod des Verf. berausgeg. v. Reith:
mayer 18385 9. Auflage 1884; auch in mehrere fremde Sprachen, ins Franzöſiſche, Eng:
80 liche und Italieniſche überfegt) - das Hauptiverf feines Lebens, das einerſeits in feiner
Kirche weithin eine freudige Aufnahme und Verbreitung fand, andererjeits aber auch eine
mächtige Gegenwirkung von ſeiten der proteftantifchen Kirche und Theologie berborrief.
Unter den proteftantischen Theologen war es vor allem fein Tübinger Kollege Dr. Baur,
der zuerft in der Tübinger geitjchrift 1835, 9. 3. H dann im einem befonderen Werk:
3 Der Gegenſatz des Katholicismus und Protejtantismus nach den Prinzipien und Haupt:
dogmen der beiden Yebrbegriffe, Tübingen 1834, als gelebrter und fcharffinniger Apologet
des Proteftantismus ibm entgegentrat. Ihm ftellte Möbler jeine Neuen Unterfuhungen
der Lehrgegenſätze zwiſchen Natbolifen und Proteſtanten (Mainz 1834; 5. Aufl. mit einer
Einleitung und Anmerkung berausgeg. dv. P. Schanz, Regensburg 1900) entgegen, worin
40 er manches noch beller zu beleuchten und feitzwitellen juchte. Baur blieb die Antwort
nicht jehuldig, indem er zuerjt feine Erwiderung auf Herrn Möhlers neuefte Polemik :c.,
Tübingen 1834, dann eine zweite verbeſſerte, mit einer Überſicht über die neueiten Kon—
troverſen vermehrte Auflage jenes Gegenſatzes 2c., Tübingen 1836, erfcheinen Lich. Nächft
Baur war es Marbeinefe, der in einer ausführlichen, auch bejonders abgedrudten Recenfion
5 in den Berliner \abrbüchern Die Gebrechen des Möhlerſchen Werks aufdedte (Berlin 1833).
Als Dritter Hauptgegner erbob ſich C. J. Nitzſch mit fünf Abhandlungen in den ThStK
18312 35, welche 1835 gleichfalls im beſonderen Abdruck erſchienen u. d. T.: Eine pro⸗
teſtantiſche Beantwortung Der Symbolik Möblers nebſt einem Anhang: Proteſtantiſche
Theſes, — eine Frucht tiefer und umfaſſender ſymboliſcher Gelehrſamkeit, mild und ſcharf,
waus der Fülle proteſtantiſchen Glaubens und Lebens hervorgegangen, in der Richtung
einer höheren Vermittlung ſich bewegend. Wenn auch zuzugeben iſt, daß von ſämtlichen
proteſtantiſchen Gegenſchriften keine, ſeis unter Proteſtanten ſeis unter Katholiken, eine
dem Werke Möhlers gleiche Bedeutung erlangt hat (Haſe), ſo gehört doch ein hohes Maß
von Verblendung dazu, wenn Möhlers Biograph Reithmayer von einen glänzenden Steg
5 des Nutbolteismus und einer empfindlichen Niederlage der Proteſtanten redet, welche das
Möhlerſche Werk „verblüfft angeſtaunt“ baben follen. Vielmehr diente dasjelbe nur dazu,
das proteltantiihe Bewußtſein zu ſtärken, die Einficht in den Gegenſatz zu fördern, die
prinzipielle Tifferenz noch Elarer zu maden Man war gerne bereit den Scharflinn und
die Tüchtigfeit Des Gegners anzuerkennen und ſich zu freuen, daß er von der gemeinen
coMeife katholiſcher Polemiker, die Reformation aus den niedrigften Motiven zu erklären,
5
Möhler 207
zu einer böberen Anficht fich erbebt und fie aus einer tiefreligiöfen, wenn auch ſchwär—⸗
meriſchen Erregung abzuleiten ſucht. Aber man batte auch Grund fich darüber zu be:
Hagen, daß Möbler, Statt von den Prinzipien auszugeben, mit feiner Volemif bloß an
eine Reihe von einzelnen Dogmen ji halte; daß er, ftatt die Gegenſätze nach den öffent:
liben Bekenntnisſchriften darzuftellen, mit den Privatfchriften der Neformatoren und ein- 5
zelnen darin ſich ausjprechenden ertremen Auffaſſungen fich fo viel zu ſchaffen made, und
dadurch das Verftändnis der fombolischen Lehren nicht fürdere, jondern verdunfle; daß
ihm überhaupt, trog feiner vertrauten Bekanntſchaft mit der proteſtantiſchen Litteratur
und Theologie, das Verftändnis der reformatorischen Prinzipien und Perjönlichfeiten ab-
gebe. Und auf der anderen Seite fann nicht geleugnet werden, dag Möblers Darftellung
der römiſch-tridentiniſchen Lehre eine idealifierende, der Wirklichkeit nicht entfprechende iſt.
Kurz, indem Möhler einem ibealifierten Katholicismus einen farifierten Proteſtantismus
gegenüberjtellt, bat er feine wiſſenſchaftliche Symbolik geliefert, ſondern eine Parteiſchrift
und nicht, wie er behauptet, der Wahrbeit und dem Frieden gedient, jondern dazu bei:
getragen, den konfeſſionellen Streit neu zu entzünden. Es ift eine Verdrehung des Sach: 15
verhalts, daß Nnöpfler aus der proteitantifchen Abwehr „animoſe und gebäflige An:
griffe” macht (S. 73). Daß es aber auch innerhalb der fatholiichen Kirche an Par—
teiungen nicht fehlt, zeigte Jich eben damals einerjeitS in dem bermelianifchen Streit,
andererjeitö in dem Konflikte des Abbe Bautain mit jeinem Bilchof; an jenem Streit
bat ſich Möbler, fo ſehr er die ganze NWichtung der berinefianischen Schule mißbilligte,
grundjäglich niemals beteiligt (vgl. hierüber Reithmayer im K.-Lexilon S. 1685); über
die Anfichten Bautains ſpricht er in feiner und vorfichtiger Weiſe fein Urteil aus in
feinem Sendſchreiben an diefen (ThOS 1831, Ge. Schr. II, 141 ff); über die Ver:
hältniſſe und Zuftände der katholiſchen Kirhe in der Schweiz äußert er fihb in einem
Sendſchreiben an einen jungen ſchweizeriſchen Theologen v. 3. 1836, Gel. Schr. II,
253 ff.
Die Polemik, in welche Möhler durch jene Symbolik verwidelt wurde, trug Dazu bei,
ibm feine Stellung in Tübingen zu verleiden. Im Frühjahr 1835 folgte er einem Ruf an
die theol. Fakultät in München (ſ. Friedrich S.32 ff.), mo er (zunächſt für das Nominalfach der
Eregefe berufen) mit Vorlefungen über den Nömerbrief feine Wirkſamkeit eröffnete, in der so
Folge aber auch über andere paulinische Briefe, über Ktirchengefchichte, Patrologie ıc. Nor:
elungen bielt und mit Borjtudien zu einer Gejchichte des Mönchtums jich beichäftigte
(. Gef. Schr. II, 165 ff). Anfangs fchien es ihm bier, wo er in ungejtörtem Frieden
leben fonnte, wohl zu geben, auch feine angegriffene Gejundbeit fih aufs neue zu be:
feitigen. Aber nachdem im Sabre 1836 die Cholera ibm zugefegt batte, wurde er im ss
Frühjahr 1837 durch eine heftige Grippe aufs Kranfenlager geworfen, mußte im Sommer
feine Borlefungen ausjegen und in Meran Erbolung fuchen, two auch der Umgang mit
den frommen und gelehrten Benebiktinern ibm wohlthat. Aber die Hoffnung auf Wieder:
berftellung ging nicht in Erfüllung; mit Eintritt der winterlichen Jahreszeit bildete jich
ein Yungenleiden aus; dazu Tanıen gemütlibe Aufregungen infolge der Kölner Eretgnifje. ao
Auf dieſe bezog fich fein legter Auffab, den er zwei Monate vor feinem Tod unter dem
Trud förperlicher Leiden ſchrieb oder diftierte: Über die neuejte Bekämpfung der katho—
liſchen Kirche (Gef. Schr. II, 226 ff). Ein Mann von jolden Anfeben erjebien der
preußifchen Regierung felbjt in jenen Zeiten des beginnenden Kirchenftreites als eine
wünfchenswerte Acquifition; es war ibm fon im Dezember 1837 eine Profeſſur in as
Bonn oder ein Kanonifat in Köln angeboten worden; er ging nicht darauf ein teils aus
Scheu vor den Wirren, teild aus Rückſicht auf feine zerrüttete Geſundheit. Zu Neujahr
1838 ebrte ihn König Ludwig von Bayern mit dem Werdienftorden des bl. Michael.
Kurz darauf begann er feine Vorlefungen wieder, aber nach wenigen Wochen erfranfte
er jo bedenklich, daß er ſich mit den Sterbefaframenten verfeben lieh. Zwar genaß er so
wieder und dachte an die Erledigung dringender Arbeiten; aber dem Münchner Rlima,
den Bejchwerden de Lehramts und den gemütlichen Affeftionen des ultramontanen Partei:
treibend (vgl. ANZ.1858, Nr. 1) war feine angegriffene Geſundheit nicht mehr gewachſen.
Der König ernannte ihn zum Domdekan von Würzburg. Aber diefer Schimmer zeitlicher
Würde, momit er ohne fen Zutbun noch beffeidet wurde, war ihm ein Vorzeichen des 5;
naben Endes. Ein Zehrfieber führte die Auflöfung raſch berbei; am Gründonnerstag
den 12. April 1838 ging er ein zu dem rieden, den jeine Seele unter allen Kämpfen
und Anfechtungen ſtets liebte und ſuchte. Ein Denfmal, aus Beiträgen faft des ganzen
Intbolifchen Deutichlands errichtet, ſchmückt ſein Grab auf Dem Münchner Gottesader,
Me \snfchrift nennt ihn: Defensor fidei, literarum decus, solamen ecclesiae. — 60
par
0
5
208 Möhler Möller, Johann Friedrich
Zu den oben genannten Schriften Möhlers kam noch hinzu feine Rirchengefchichte, beraus-
gegeben von Pius Bonif. Gams, O.S.B., Regensburg 1867—70, 3 Bände nebit Ne
giſterband. Wagenmannr (Hand).
Möller, Johann Friedrich, geit. 1861. —
6 Johann Friedrih Möller, Generalfuperintendent der preußifchen Provinz Sachſen,
it geboren den 13. November 1789 zu Erfurt als Zobn eines Geiftlichen, deſſen
Borfabren ſchon in mehreren Gejchlechtern Paſtoren in Erfurt gemeien waren. Die
erite Borbildung erbielt er von jenem Water, dann bejudite er das Erfurter Gum:
naſium, bierauf die Univerfität Göttingen; von ibren theologiſchen Lehrern gedachte er
10 ſpäter befonders Plancks dankbar; philologiſche Studien in Heynes Seminar gingen den
theologifhen zur Seite; auch von Heeren und Blumenbacd bat er tiefere Eindrüde em:
pfangen. Im Jahre 1814 wurde er Lehrer der Katechtik und Methodik am Schullchrer:
ſeminar feiner VBaterjtadt, im folgenden zugleich Diafonus an der Barfüßerfirche. Mehrere
Sabre verwaltete er proviforiih das Tireltorium des Schullehrerfeminare, einige Zeit
15 auch die Stelle eines ſtädtiſchen Oberſchulaufſehers. Nachdem er 1829 Baltor an der:
jelben Kirche geworden, 1831 Senior des evangeliſchen Miniſteriums und als ſolcher
Epborus des Stadt: und Yandfreiies, erhielt er 1832 zugleih das Amt eines Konſiſtorial⸗
rats bei der Tal. Regierung. — Schon durch jeine Urdinationspredigt über 1 Ti 3, 1
(„der ſchöne Beruf eines chriftlichen Lehrere“) Klingt die zyreude am Neichtum der Schrift
20 charafteriftiich bindurch, denn in diefer Richtung rechnet er zu der Schönbeit feines Berufs
die Vorbereitung, die er nötig mache. An feinem Geburtstag 1816 ergreift ihn „vie
herrliche Predigt“ von Harms: „Was feblt mir noch“, und veranlagt ihn zu ftrengem
Selbſtgericht. Mit Harms in perfünlide Beziebung brachte ibn eine feine von dieſem
freudig begrüßte Sammlung religiöfer Dichtungen, welde WM. 1816 veröffentlicte:
25 Chriftenglüf und Chriſtenwandel in religiöfen Geſängen (ſ. Schleöw.-Holft.-Xauenb.
Kirchen: u. Schulblatt 1880, Nr. 21). Won da an find Harnız Schriften und Predigten
für M. viel geweſen, der kräftige und originale Duell religiöjfen Lebens in ihnen er
quidte und förderte ihn. Wie anders aber doch M. aus den unbefriedigenden Gegen
ſätzen des Nationalismus und Zupranaturalismus feinen Weg in die Tiefe und auf die
so Höhe fuchte, als Dies der Theſenkämpfer tbat, zeigt befonders ſein „Verſuch: Was ver:
langt die fortgejchrittene Zeit von denen, Die zu Irägern des Ewigen berufen ſind?“,
im dritten Jahrgang des Neformations:Almanace (Erfurt 1821), den Möller nach des
Berlegers, Fr. Keyſer, Tode berausgab. Bervitwillig erkennt er in dem durch Gegenſätze
hindurch fortfchreitenden philoſophiſchen Zeitgeifte die Momente an, welche der Richtung
35 Des Ewigen angebören, und findet namentlib in Jacobi und Fries Stützpunkte. „Die
wichtige Aufgabe unferes chriſtlichen Amtes iſt alfo, daß wir Die pofitiven Xebren der
bl. Schrift der Vernunft unſerer Zeitgenoſſen vorbalten, die damit vermandten, in dem
Menſchen ſchon vorliegenden, nur noch dunklen Elemente aufjuchen und nachweiſen, und
eine innere Aneignung und einen Übergang des Einen in dag Andere zu bewirken willen.
40 Je tiefer wir dabei in Die bl. Schreine Des Herzens fübren, je gewiſſer wir in den
inneriten Abnungen und Bewegungen den Menſchen ergreifen, je bäufiger es uns glüdt,
die äußere Tffenbarung fo an die umere zu balten, daß dieje, in die überrafchenden
Wirkungen emer geijtigen Wahlverwandtſchaft verjegt, Das nicht zu ibr Gebörige, Fremd⸗
artige abjtößt und das Weſen von jener als ibr eigentümliches Erbe an fi nimmt,
45 deſto glüdlicher und beilvoller wird unfere gefamte Thätigkeit ſein. M.s Anteil an der
weiteren kirchlichen Entwidelung und ibren Kämpfen bat diefe Grundlinien mit kirchlicher
Füllung verjeben, hat auch die Poſition ſelbſt weſentlich verjtärkt und ergänzt, das get
gewand ijt abgejtreift, aber die Grundrichtung, welde jih darin ausipricht, iſt geblichen,
und namentlich die fatechetifche Virtuoſität Möllere it aus ihr bervorgeivachien. In
co dieſer Nichtung iſt ſchon das Zchriftchen „Über die erjte Behandlung des Neligionsunters
richts in den unteren Klaſſen der Volksſchule. I. Die eigentliche Gotteslehre”, Erfurt 1824,
bemerfenswert. In fteigendem Maße legte dann M. für den Religionsunterricht der
Volksſchule Das Schwergewicht auf die bibliſchen Geſchichten. Vgl. „Unterlagen der
Sotteserfenntnis in der chriſtlichen Volksſchule“, 2. Aufl, Erfurt 1836. — Nach einer
5 anderen Zeite war es Die geiftliche Poeſie, im welder Die religiögsfittliche Idealität ihre
— Flügel ſuchte, und der Werfündiger Des Wortes den Ton, welder den Widerhall in den
Herzen wecken jollte. Auf jene erſte Sammlung folgte 1822 die größere: Der chriftliche
Glaube und das dirijtlide Leben; geiftliche Yieder und Geſänge für Kirche, Schule und
Haus, Erfurt, Keyſerſche B. Harms nahm eine große Anzahl in fein Geſangbuch auf,
Möller, Johann Friedrich 209
in kirchlich eingeführte Geſangbücher haben ſich doch nur wenige Eingang verichafft (vgl.
Koch, Geſchichte des. Kirchliedes 2c., 2. Aufl., III, 362ff.)., — Mitten in eine gefegnete
bauende Thätigfeit, die ſich trog mancher Hemmungen einer zarten Geſundheit frifch
immer weiter ausbreitete auf dem wachſenden Arbeitöfelde, fiel der lutheriſche Separatis-
mus Grabaus und feiner Anhänger. Möller hatte am 17. Juni 1834 mit gutem Ver: 5
trauen in Grabaus warmen und frommen Eifer ihn zum Pfarrer von ©t. Andreas in
Erfurt ordiniert und auf die Agende verpflichtet — zu einer Zeit alfo, in melcher
Scheibel bereits Preußen verlaflen hatte, und in Breslau die Separation in vollem Gange
war. Grabau, der viel Zulauf hatte, ftieß zuerſt durch eigenmächtige Einrichtung eines
Abendgottesvienites an, eine Sache, die von oben recht bureaufratiich behandelt murde; 10
bald fagte er fich von der Agende los und wurde fuspendiert (September 1836). Cine
Predigt Möllers in Graubaus Kirche vermochte die Entitehung einer feparierten Gemein-
ſchaft nicht zu hindern, weldhe nun, während Graubau abpejeht und wegen ungejeglicher
Eingriffe längere Zeit in Haft war, wegen Verlegung der landeskirchlichen Ordnungen
fortgejegten Polizeiſtrafen verfiel. Möller, perfünlih der Union zugethan, litt doch fchiver 15
in —* Mitgefühl mit dem gefangenen Gewiſſen der frommen durch Grabau und den
Polizeizwang fanatiſierten Leute. Und auf ihn gerade als Konſiſtorialrat fiel das Odium
für Dinge, die er abzuwenden nicht vermochte. „Es iſt kein Kaiphas und Hannas ſo
ſchwarz, er muß mir Namen und Bild leihen“ (M. an Dräſeke 13. März 1837). Schon
I Anfang der Bewegung (26. Dftober 1836) warnte er namens des evangelifchen zo
iniftertumd die Behörde vor jeder Maßregel, welche die Herrichaft eines Glaubens:
zwangs auch nur befürchten laſſe, weil font nicht nur „die Ohnmacht des Gejeges dem
Gewiſſen gegenüber ſich herausitellen”, jondern auch „die Verantwortlichfeit derjenigen
ſich fteigern würde, welche das Unglüd hätten, bei Vollſtreckung ſolcher Maßregeln die
Organe zu fein“. Vergeblich; im März 1837 jchüttet er Dräfele fein Herz aus. Es 25
fe ihm, als müſſe man dem König zurufen: „Den Gebundenen eine Uffnung”. Nicht:
vollitredung der verbängten Strafen genüge nit. „Es gilt den Reiz der Uebertretung
durch Aufbebung des Begriffs der Straffälligfeit zu entfernen und der fo heiß begehrten
‚greibeit der Neligiongübung durch Erlaubniſſe, welche die Freiheit regeln, einen Dämpfer
aufzujegen und eine Abkühlung zu bereiten.“ Er legt es Dräfefe nahe, mit Borjchlägen 30
an den König zu gehen. Dräfele zug den Biſchof Neander herein, der aber von Zuge:
ſtändniſſen an die 500—1000 Altlutheraner nichts willen mwollte. In einer ausführlichen
Eingabe vom 18. Dftober 1837 jest M. das Verwerfliche und auch nach den Voraus:
Iekungen des Landrechts Unberechtigte des Verfahrens und des dadurch faktiſch geübten
& szwangs auseinander und plaidierte für die landesgejeglich zuläflige Duldung, 3;
aljo für eine verfaflungsmäßig beichränfte Neligionsfreiheit, d. b. für Tuldung in Betreff
des Religionsunterrichts, der Andachtsübung und gottesdienftlichen Anitalten, „aber nicht
für die das Staatsrecht alterierende Prätenſion, ſich unter eigenes Kirchen: und Scul-
regiment zu jtellen und den geijtlichen Behörden des Landes ablagen zu tollen, noch für
das der jtaatöpolizeilichen Ordnung zumiderlaufende Beginnen, ficchlice Handlungen nad) 40
Gutbefinden überall vorzunehmen und zu regijtrieren, am menigften für den Wechjel der
Grundſätze folder Geiftlichen, welche auf die bejtehende Kirchenordnung dem Staate fich
feierlich verpflichtet haben“. Auch diefe Stimme verballtee Und in diefer für M.
fummerbollen und aufreibenden Zeit traf ihn ein erjchütternder Schlag. Seine Kirche
zeigte Riſſe; am Weihnachtsfeſte 1837 noch dicht gefüllt, mußte fie bald darauf geſchloſſen 4;
werden. Am 8. Januar 1838 war M. mit der Baukommiſſion in der Kirche, als zwei
Pfeiler mit dem entjprechenden Stüde des Mitteljchiffs und eines Seitenfchiffs vor jeinen
Augen zufammenftürzten. Alle Anweſenden, auch zahlreiche Arbeiter, twaren wunderbar
behütet; aber M. trug eine tiefe, lange nachwirkende Erjchütterung feines Nervenſyſtems
davon. Die Sache der Lutheraner ließ ihm nicht Nuhe. Am 4. Februar 1838 wendete zo
er ſich direkt an den Minifter Altenftein, jchildert die Volizeiquälereien und die Stand:
baftigkeit der Betroffenen. Seine Teilnahme rube nicht auf einer Übereinjtimmung der
Grundfäge oder auf perfünlichen Beziehungen zu den Häuptern, fondern darauf, „daß
dieſe Bedrängten faſt ohne Ausnahme rechtlich unbefcholtene Bürger, abgejeben von der
Renitenz in Glaubensfachen, treue Untertbanen S. Majeſtät, qute fleißige Familienväter, 55
lkirchlich und zu jedem Werk der thätigen Liebe willig, daß fie meine Brüder im Glauben an
tus, vor allem daß fie in ihrem Gewiſſen gefangen und für das, was fir als Wahr:
beit erfennen, zu jedem Opfer bereit ; daß je zu Ungebübrlichfeiten und Widerſetzlichkeiten
dadurch getrie find, daß ihr flebentliches Bitten um Duldung feine Erbörung ge:
funden bat. Es handelt ſich in diefer Sadye um etvige Güter, um Wahrheit und Recht, co
Real»-Suchklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XII. 14
‘
210 Möller, Johann Frievrich
um Freiheit des Glaubens, um einen Ausgang des Streitd, bei weldhem Kirchentum und
Sittlichfeit obfiegen oder unterliegen werben”. Er bittet den Minifter, fein Departement
als Konfiftorialrat von jeder Teilnahme an der Beratung ꝛc. der Scharatijtenjache zu
entbinden, bis eine entfchieden veränderte Nichtung eingeichlagen werde, oder, wenn das
b nicht angänglich, um feine Entlafjung ale Konjiftorialrat. Altenftein lieg M. nad Berlin
fommen und wies darauf bin, daß ja die Erfurter Separatiften nod nie den ge
iemenden Weg der Bitte um gewiſſe Zugeftändniffe eingefchlagen hätten, und M. ver-
hand fih dazu, „diejenigen Maßregeln allererft noch rubig abzuivarten, welche infolge einer
ſolchen von den lutheriſchen Tiffidenten etwa noch anzubringenden Bitte in Anwendung
10 kommen würden, und ſich einem dahin gehenden Verjuche nicht zu entziehen“. In dem
Promemoria vom 30. April 1838 legte M. feine Auffaflung des zu erjtrebenden vor: es
handle fich nicht um Errichtung einer neuen privilegierten Kirchengeſellſchaft, welche den
Namen und die NHechte der faktiſch fortbeſtehenden lutheriſchen Kirche für ſich ufurpiere,
fondern um Duldung einer innerbalb der lutberifehen Kirche abgejondertes Daſein präten-
15 dierenden religiöfen Gemeinschaft, deren Unterſcheidungsmerkmale darın gefunden erden,
daß fie 1. im Gegenſatz gegen den bijtorifchen Entwidelungsgang der evangelifchen Kirche
der Unton wibderftrebe, und 2. im Gegenſatz gegen die Anorbnung der Tirchlichen Oberen
durch die neue Agende fich bejchwert fühle. Unter Wahrung der landeshohbeitlichen und
fonfiftorialen Gerechtfame freie Religionsübung, alfo Gewährung eines Prediger und
20 Seelſorgers ihrer ftrengeren Glaubensanſicht, Bewilligung einer altlutherifchen Agende
und eines abgejonderten Urts für ihre Andachten. Für Dotation müſſen ſie jelbft auf:
fommen, baben aber Anfprub auf billige Behandlung in Betreff der Parochiallaften.
M. verbehlte ſich nicht, wie gering die Ausficht auf Erfolg; es müſſe aber ein Meg ge
funden werden zwiſchen der Rerlegung des Gewiſſens und der Geſetzesverletzung, und erft
25 wo dieſe klar vorliege, fei das Strafverfahren gerechtfertigt. Won diejer Überzeugung
könne er fich nicht trennen; daß er es von feinem Amte können würde, babe er bereits
ausgefprochen. Altenftein beauftragte den 8. Juli 1838 M. auf diefer Grundlage mit
den Diffidenten in Kommunikation zu treten; aber die verjuchten Vermittelungen ver:
mochten damals, wo die Führer ſchon auf eine felbitftändige Kirchengemeinſchaft bin:
30 drängten und Scheibel ebendeshalb Verhandlungen mit einzelnen Zeigen, ftatt mit dem
Ganzen, prinzipiell abmwies, nichts mehr; indejlen fie hatten doch, da gleichzeitig die
poligeitichen und prozefjualiihen Maßregeln eingeftellt wurden, überdies aber die ent:
ichiedenen Anhänger Grabaus im Eommer 1839 nah Nordamerifa auswanderten, das
Gute, daß die Herzen einander näher famen, und die frühere Schärfe und Verkennun
35 perfönlichem Vertrauen wich, wenn auch die Wunde brannte, bis der ‘Tod eier
Nilhelms III. Wandel brachte. — Tie Barfüer Gemeinde und zahlreiche Anhänger der
finnigen Predigtweiſe Möllers aus der ganzen Stadt fammelten ſich jest in dem ab-
geiperrten bohen Chor der geräumigen gotiſchen Kirche, der unverfehrt war, und Diele
Jahre, in denen M. am Hochaltar ſtehend predigte, die Kinder dicht vor fich, die Zuhörer
40 den ganzen Raum füllend, bezeichnet den eigentlichen Höbepunft feiner eigentümlichen
Predigtwirkſamkeit. — Tas Frühjahr 1843 rief ibn als Generaljuperintendenten nad)
Magdeburg, als Dräfefe, der ſchon feit Jahren in ıhm feinen Nachfolger ſah, verlegt
unter den Alnfeindungen eines König, Zintenis u. a, und müde geworden, fein Amt
niederlegte. Die Eirchliche Geſchichte der Durch die lichtfreundlichen Bewegungen tief auf:
4 gewühlten Provinz Sachen in jenen Jahren iſt befannt, ebenſo Möller Anteil an diefen
Kämpfen (f. d. A. „Yicbtfreunde“ Bd XI S. 467 f.). Wir begnügen uns mit wenigen
Andeutungen. Möllers Antrittspredigt „vom guten Hirten“ ging als noch jehr frieb-
liber Gruß zu den Getftlichen der Provinz. Auf der Provinzialiynode im Herbſt 1844
gelang der vermittelnden Natur und der geiftlichen Weihe Möllers trug der bereits hoch⸗
co gebenden Wogen der ‘Parteien nod ein Zuſammenhalten und Zufammenivirten zu er
reichen, das vielen ein boffnungsreiches Gefühl gab. Aber das Vorgehen der proteitan-
tiſchen Freunde ſchärfte die Gegenfüße und nötigte auch Möller zu entjchiedener kirchlicher
Poſition, ja erfüllte ibn jelbft mit Mißtrauen gegen Die. Vorfchläge der Generalſynode
von 1846 in Betreff der ordinatorifchen Verpflichtung und der kirchlichen Verfaſſung, fo
55 daß er fih bier auf die Seite der rechten Minorität ftellte. Die Namen Mislicenus,
Balger, Gieſe und vor allem Ublich Dezeihnen ın M.s Leben tiefgebende Schmerzen und
Kämpfe, um fo tiefer gebend, je ferner M. — überzeugt, daß geiftlihe Dinge geiftlich
gerichtet fein wollen — von emer bloß juriftiichen Aburteilung nach dem — war,
und je ſchwerer ſich doch die Verantworilichkeit für die Heiligtümer der Kirche auf feine
co Scele legte. Die Pfeile der Gehäſſigkeit, welche gegen ihn Nogen (Möller und Uhlich,
Möller, Johann Friedrich 211
Beleuchtung des Möllerfhen Schriftſtücks, Leipzig 1847, fich beziehend auf: Amtliche
Verhandlungen, betr. den Prediger Uhlich 1847), waren nicht das Schmerzlichfte. Welche
geiftlichen Wege er zur Verftändigung fuchte, davon geben unter anderem Zeugniö die
Predigt am 1. Advent zu Nordhaujen gehalten, mit einem Sendichreiben an die evangel.
Geiftlichkeit, Magdeburg 1846, Heinrich&h., und nach der Zostrennung der freien Gemeinde 6
auf Grund des Patents vom 30. März 1847 die Schrift: Laſſet Euch Niemand das
Biel verrüden! Mahnung durd Verftändigung über das Belenntnis der Neuen Ge
meinde 2c., Magdeburg 1847, Heint., und: Amtsbetrübniß und Amtstrofjt(Ausl. von 2 Ti
3,14—4,5) ald Baftoralfendfchreiben am Schluffe des Jahres 1847, Magdeburg 1848,
Saldenberg. In der zweiten diefer Schriften wird gezeigt, auf welchen mechjelnden Flug: 10
fand die neue Gemeinde fich gründen wolle; in der testen, der Verftändigung mit den
Beiftlihen der Provinz gewidmeten, iſt bezeichnend die Auslaffung über die Formel:
„Gottes Wort ift in der bl. Schrift, aber die ganze hl. Schrift iſt nicht Gottes Wort“.
„An diefem Sate findet der findlih fromme Sinn eine Wegbahnung durdy den hoben
und Töftlichen, aber auch oft dunkeln Wald der Bibel; aus diefem Sate macht fi) der 15
meifternde Verſtand der Weiſen diefer Welt eine Art, die edlen Brambäume jenes Waldes
auszufchlagen, wo es ihm gelüftet; von diefem Sage nimmt der Unglaube Anlaß, die
grage zu wiederholen (Ser 17,15): „Wo ift denn nun des Herrn Wort? Xieber laß
hergeben”. —* aber auch die Auslaſſung über die Symbole: „Von vielen, welche ich
von Denen lieb babe, weiß ich: fie beugen ſich vor der hl. Schrift, fie fcheuen ſich vor 20
den Grenzbeitimmungen der Symbole. Sit jene Beugung ihnen ein Ernſt, fo darf Diele
Scheu, jo lange fie von Ehrerbietung begleitet ift und das Gemeinfame in geiveihten
Händen hält, feine Sorge erwecken.“
Der Sturm der Märzrevolution 1848, für die loyale Gefinnung Möller ein großer
Schmerz, veränderte auch feine amtlichen Verhältniſſe. Der Konfiftorialpräjident Göſchel 25
(. d. A. Bd VI ©.748) nahm feinen Abſchied. Sintenis forderte in der Magdeburger
eitung vom 11. April öffentlich) auf, ihn mit Material zu einer Schrift gegen Möllers
mtsführung zu verjeben, und dekouvrierte fich dabei als Verfaſſer des anonymen
Pamphlets „Möller und Ublih”. Das Zirkularreffript des Miniſters von Schwerin
vom 24. wo 1848 wies unter Bezugnahme auf die Auflöfung des kaum ind Leben 30
etretenen Oberkonſiſtoriums alle Konfiitorien an, nad) Maßgabe der vom Staate pro-
amierten Neligionsfreibeitt auch innerhalb der evang. Kirche „der Freibeit der Lehre
Raum zu geben” und jede „Bevorzugung irgend einer dogmatiſch-theologiſchen Richtung
von feiten des Staat?” zu wermeiden. Dem gegenüber berief ſich das Konſiſtorium
darauf, daß die ihm auf Grund landesherrlichen Auftrags obliegende Pflicht der Auf: 35
fuht in dogmatifcher und liturgifcher Beziehung durch die neuen Staatsregierungsmarimen
überall nicht verändert worden fe, und daß daher auch das bisherige Verfahren im all:
gemeinen nad) den bisherigen Grundjägen werde fortgeführt werden müſſen. Infolge der
weiteren Berhandlungen gab Möller als dermaliger VBorfigender des Konſiſtoriums ber:
aus: Die Verwaltungsgrundfäte des Konfiftoriums der Provinz Sachſen in ihrem Ver: 40
bältnifle jur Gegenwart, unter Mitteilung amtlicher Verhandlungen, Magdeburg 1848,
Heinrichsh. Der Minifter hatte zu der Veröffentlichung die Erlaubnis erteilt, jedoch aus:
bedungen, daß auch die Separatvota der Minorität des Konſiſtoriums mit veröffentlicht
würden (vgl. Ev. Kirchenz. 1848, Nr. 55). Für Möller folgten hieraus noch perfönliche
Verhandlungen in Berlin, denen er mit dem Gedanken entgegenging, fte fünnten feinen 45
Abſchied ald Generaljuperintendent herbeiführen. Dazu fam es nicht. In einem Rund:
ſchreiben vom 15. September 1848 verwahrte ſich Möller gegen den Vorwurf, als habe
das Konſiſtorium in jenen Verhandlungen dem Miniftertum den inftanzenmäßigen Ge-
borfam verweigert, fonnte aber zugleih auch die Verficherung des Minifters anführen,
daß jenes Reſtript keineswegs die Bedeutung babe „von der Wahrung des Lehrbegriffs so
der evang. Kirche abzujehen over Gerechtfame und Güter kränken zu lajlen, welche den
Bliedern diefer Kirche teuer find“. In dem unter das Präſidium des Oberpräfidenten
bon Bonin geitellten und in feinem Perſonal veränderten Konfiftorium fand ſich M. in
bie Minorität gedrängt. Anfang 1849 erichien: Dr. F. Möller Wirken im Konfiftorium
md in ber Öeneralfuperintendentur der Provinz Sachfen. Eine Denkſchrift an das 55
Kultusminifterium von W. Fr. Sintenis, Lpz. 1849 (vgl. Ev. Kirchenz. 18419, Nr. 15—17),
ene Schrift, deren SFeinpfeligkeit durch ihr niedriges Nivenu den Eindrud ſchwächte.
M. richtete fih auf an dem mitten unter den Grfchütterungen der Zeit erfolgenden
engeren Saar. der pofitiven erhbaltenden Elemente (Wittenberger Tag 18-418
md 1849) und begrüßte freudig die wachſenden Beltrebungen der inneren Miſſion. co
14
“il Walz Norman Jatdex Möller, Rilbelm
Soest ehme, NE se It zus vermel Durb Das Vertrauen Friedrich
MON Ren on Zr Rzruzminz Verssche 1850, Weranlaflung ge
' ia nalitjfuh Isralniutipist Anizumesmenr, core ñch auf dieſem Felde
ud a dann Do Zrnitt Ne Srprapet veeume, Ser allgemeine Umſchwung,
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Novellen Metal wollt Sersfing om ganirader oichtigen Wertretern
Kr dene onen Gern til, elgiicn Zurmuns ın dieſem hre.ısen veben, beivirfte,
oe nn Steig Neo ala Frrurer Erfahrungen, daß Tu für Die wachſen⸗
we Year Neitı Zul aiiger je michr eintreten 32 zzuütfen glaubte, am
eu md Aura Nie im Nr fogen. Monbtjoufonferens — Zpätberbit 1856.
ira ben dent au Du Baden Der Unton nicht nur, jondern sse ın dent, was ein
Wa vage Dendäeniian us Zubjeftiptsmus” zu beflagen genciar mer. bat er gleichwohl
wen Careed, gie Nuntentlich ſein Yeitfaden und Spruchbuch sem Konfirmanden:
rad one Ni Katewismus Yutbers, Magdeburg 1850 (2. Auil 1853; em Dritter
era Nero ei, IE velchem ausgereift und vollendet ericheint, mas in icinen Grund:
dene wen tar od alennen läßt. In feines Lebens Herbſte reiten auch noch die
etenisihdHltit Jrüchte Diefer feiner geiftigen Nichtung, Die zujammenachorigen Tateche
hd Sebi: Häandreichung Der Kirche an die Schule zum Eingang in Die bl. zehn
rer vet, Magdeburg 1850, 2. Aufl. 1852, und Die jchr umiaſſende katechetiſch
vrägetun Unterweiſung in den bl. zehn Geboten Gottes nach Dem Karechism. Yutbert,
ud. ISIL Auch Die alte Yiederquelle war noch nicht verfiege. Lit bat M. die
wedenden der Predigt in einigen vorausgejchidten Verſen betend angekündigt; zum Teil
av veicben Predigtmeditationen find bervorgegangen: Geiſtliche Tichtungen und Gejänge
at Unlerlage der bl. Schrift, Magdeb. 1852. — Tie Gebrechlichkeit Des Alters nötigte
an Abſchied; im Herbſt 1857 meibte er noch im Gegenwart Des Königs und einer
alanzenden Verſammlung Die erneuerte Kirche auf dem Petersberg bei Halle ein, mit
Beginu Deo neuen Nabres legte M. fein oberbirtliches Amt nieder, blieb aber noch etwas
langer in jeiner Stellung als erfter Domprediger. Wach einer dunkeln Yeiwenszeit ging
er beim am 20. April 1861. Was fih nicht in einer Encyklopädie regiitrieren läßt,
div Einwirkung feiner wabrbaft geijtlihen Perſönlichkeit auf viele Hörer, viele Rinder
und Konfirmanden, die an feinen Yippen hingen, viele Geiftliche, melde Die Vorbereitung
auf Die Ordination in jenem Haufe zu tbren tiefiten geiſtlichen Anfaſſungen rechnen, —
dav ſteht im den Herzen gejchrieben. ®. Möller T.
c
Möller, Wilhelm, gejt. 1892. — Nekrolog in ZRG XIII (1892) 484 ff.; Perſonalakten
d. fl. Konſiſtoriums in Magdeburg; Univerjitätsichriften von Galle und Kiel.
Ernſt Wilbelm Möller wurde am 1. Cftober 1827 in Erfurt geboren als Sohn von
Johann Friedrich Möller, der damals Tiafonus an der Barfüßerfirche war und ale
(Heneraljuperintendent der Provinz Sachſen 1861 geftorben if. Der Sohn bat feinem
Suter jelber in dieſer Encyklopädie ein Denkmal gejegt (f. d. vorftehenden Art.) ; dies Ye
benobild Des Vaters, ein wertvoller Beitrag zur Gejchichte des Kampfes mit der [utberi-
jchen Zeparation einerjeite, mit den Yichtfreunden andererſeits, zeigt, unter welchen Ein:
wirkungen des Elternhauſes und unter welchen Eindrücken von der amtlichen Wirkſamkeit
des Vaters W. Möllers Jugend und Entwidlungsgang gejtanden bat. 1843 fiedelte er
mit dem Vater nad Magdeburg über, vollendete hier auf den Domgymnaſium feine
15 Gymnaſialſtudien und bezog zu Oſtern 1817 die Univerfttät Berlin. Vier Semeſter brachte
er bier zu; er ſchloß ſich an Neander und Nitzſch bejonders an, börte nur wenig bei
Hengſtenberg, lieber Dei Vatke Altes Teſtament. Schon bier zeigte fich feine Vorliebe
für Die Nirchengejchichte, da er neben allem, was Neander jelbit lag, auch die VBorlefungen
feiner Schüler Jacobi, Erbfam und Piper auffucte. Aber auch bei Yeopold Ranke und
0 Wilbelm Grimm juchte er Anregung und Belehrung. Die nächiten beiden Semefter bringt
er in Halle zu, bier bejonders an \ulius Müller und Hupfeld ſich anjchließend. Der
Vater geitatter ibm dann noch 3 Semeſter in Bonn zuzubringen, wo mir ibn vor allem
bei R. Notbe, aber auch bei Dorner und Dieftel als Zubörer finden. Vom Militärdienit
war er beim Abgang zur Univerjität „wegen ſehr Heinen, jchwachen Körperbaues und
zo. einer Schwäche im rechten Ellbogengelenk“ für immer freigefprochen worden. Den Auf:
entbalt in Bonn batte er zur Worbereitung aufs erite Eramen benußt, das er am 20.0%
tober 1851 in Moblenz bejtand. Die Behörde ſchrieb ibm ins Zeugnis, daß er wegen
jeiner jehr guten Kenntniſſe und Fähigkeiten zur Aufnahme ins Wittenberger Prediger:
ſeminar ganz bejonders geeignet ſei. Er kehrte ins Elternhaus zurüd, juchte Übung im
—
—⸗
Möller, Wilhelm 213
Predigen und half im Sünglingsverein dur) Abhaltung von Bibelftunden. Schon wäh—
rend ſeines Aufenthaltes in Halle hatte ihn Thilo auf patriftifche Studien hingetviefen,
und er machte fich jet zunächſt an eine gründliche Beichäftigung mit Drigenes und Gregor
von Nyſſa. Im Sommer 1852 ging er zur Fortfeßung diefer Studien wieder nad) Halle,
ichrieb bier „Gregorii Nysseni doctrinam de hominis natura et illustravit et s
cum Örigeniana comparavit W.M.“ Halle 1854. Dieje Arbeit diente ihm zur Licen-
ttatenpromotion (18. Sanuar 1854), nach welcher er fih am 6. März 1854 in Halle
habilitierte. Es war die Dei in welcher die Arbeiten von Baur und Zeller die theo—
logiſche Wiſſenſchaft ſowohl auf dem Gebiete des Neuen Teſtamentes wie auf dem ber
älteften Kirchengefchichte aufs ernſteſte befchäftigten. Der junge Privatbocent fühlte daher 10
das Bedürfnis, vor allem zu den Problemen Stellung zu gewinnen, die durch die Tü-
binger Schule aufgetvorfen worden waren. So begann er mit Studien und auch einer
Vorlefung über die Apojtelgefchichte. Dffen erfannte er die großen wiſſenſchaftlichen Ver:
diente dieſer kritiſchen Schule an: in ihrer rüdfichtslofen Stellung der Probleme und
ihrer Verbindung der Gejchichte des Kanons mit der der apoftolifchen und nachapoſtoliſchen 15
yet; aber er meinte auch mit Entjchiedenheit nicht nur die fpefulativen Vorausfegungen
aurs, jondern auch die Hauptergebnifje jener Geichichtsfonftruftion zurückweiſen zu müflen.
Baur fehle das Verſtändnis für das Individuelle, Perfünliche und Freie. An den An-
fang der Geſchichte des Chriftentums ftelle er ein Schattenbild anjtatt der Berfönlichteit,
in tvelcher dee und Wirklichkeit fich defen. Das Johannesevangelium ſei der Felſen, 20
an dem dieſe Schule fcheitern müſſe. Seine Studien überzeugten ihn von der Echtheit
der neutejtamentlichen Schriften mit Ausnahme von 2 Bt und der Paftoralbriefe. Seine
Vorlefungen gehörten anfangs fat ausichlieglich dem Gebiete des NDs an. Daneben
aber begann er vom vierten Semeſter an mit der alten Kirchengeichichte, dann auch der
Dogmengeſchichte, erſt viel ſpäter auch mit der Kirchengefchichte des Mittelalters. Befondere 25
von jeinem Vater ererbte Neigung führte ihn daneben zur Hymnologie und das durch
die Firchlichen Verhältniffe und Kämpfe in Breußen und durch jeine Lehrer in ihm gemedte
Intereſſe an der Unionäfrage fpeziell in die brandenburgifch-preußifche Kirchengeſchichte
binein. Seine Lehrer Neander, Müller, Rothe und Dorner hatten ihn zu einem ent-
fchiedenen Freunde der preußiichen Union gemacht. Er fah in ihr, troß aller Mißgriffe so
bei ihrer Einführung, eine höhere Notwendigkeit und die Erfüllung eines befonderen Be-
rufes Breußend. %.%. Herzog forderte ihn zur Mitarbeit an der im Erfcheinen begriffenen,
in Halle 1854 begonnenen (Bd VII ©. 786) 1. Aufl. dieſer Encyklopädie auf; von
Band V (1856) an lieferte er für dieje eine große Anzahl von Artiteln aus dem Gebicte
der Patriſtik, die alle eine tüchtige Belanntfchaft mit den Quellen und behutjames Urteil 86
befundeten. Aus der neueren Kirchengefchichte übernahm er die Artikel über bie drei Theo:
logen Wald. Im Zufammenbange mit den Studien für die Encyklopädie, bei denen er
beionders auch die Häupter der Gnofis zu bearbeiten hatte, fteht fein erites größeres Wert
„Seichichte der Kosmologie in der griechifchen Kirche bis auf Origenes“ 1860. Nebenbei
batte er in Halle gern die Übung im Predigen fortgefeßt und auch hier mit beſonderer «0
Luft allmonatlid im Jünglingsverein Bibelftunden gehalten. Da fih für ihn in Halle
feine Ausſicht auf eine Profeſſur eröffnete, richteten N feine Gedanfen auf ein Pfarramt.
Schon im November 1858 meldete er fich, nachdem er den vorgejchriebenen Seminarfurfus
während der großen Univerfitätsferien abjolviert hatte, zur zweiten theologifchen Prüfung
in Magdeburg, wurde auf Grund feiner bisherigen Publikationen von der Anfertigung 4
einer wifjenjchaftlichen Arbeit entbunden, beitand das Examen mit „vorzüglid” und bat
nun um die Berufung in eine Yandpfarre. Erſt im Sommer 1862 wurde ihm eine ſolche
in Grumbach (Ephorie Langenfalza) übertragen. Hier benußte er die Muße, die ihm das
Amt ließ, zur Neubearbeitung der de MWettefchen Kommentare zu Gal. und Theflalon.
(1864) und zu den Pajtoralbriefen und Hebräerbrief (1867). Aber bereit3 hatte er Die co
Anregung zu einer großen firchengejchichtlichen Arbeit bekommen. J. ©. Lehnerdt hatte
ſchon als Profeflor in Königsberg auf Grund umfänglicher Vorarbeiten (f. Möller, Oſiander
S. VI) eine Biographie Andreas Ofianders in Vorbereitung genommen, war aber dann
als (Seneralfuperintendent in Magdeburg an der Ausführung behindert geweſen. Nad)
deflen Tode nahm M. die Arbeit auf, erbielt 1868 einen längeren Urlaub, um in Kö: 66
nigeberg die nötigen archiwalifchen Studien machen zu fünnen, und im Jahre 1870 erjchien
das gründliche und gelebrte Werk über Oſiander ala 5. Teil in „Leben und ausgewählte
Schriften der Väter und Begründer der lutheriſchen Kirche”. Im Anſchluß an diefe
Studien verdankt ihm die Encyklopädie auch die Artikel „Dfiander” und „Fund“ in ihrer
2. Auflage. Inzwiſchen hatte ihn bereits (1863) Greifswald zum Ehrendoktor der Theologie ge= 60
214 Möller, Wilhelm Möndhtum
nadı * enden Sic in ber Vollendung —— * * ———— —* erg Einkommen
Orr a 44) im 1873 Minifter Falk 183
s Kiel —F — das g * der
lehrend vertreten. ſah feine befondere Gabe und Aufgabe darin,
—— wi * — se er in er *
pt e die j glei
— — us Ma ham ben Ouellen orientieren. ee eig
Bee nach fach * A l, bat
15 em en
— e Nesmfonen un — * allgemeine ———
iſche Einfälle als Geſchicht —— oder ein dogmatiſch —— Di
ern a ee ale 9 ifjenfchaft gebärdete, fonnte er auch einmal einen
% jcharfen Ton anſchlagen. Daneben publizierte er nur Weniges — id) nenne a Rek—⸗
toratsrede über die Religion —— 1881) und die wertwolle en Be über „ —
—JF 87
an der Univ noch —** er den 3. Teil feines es ne
30 * führte ſchweren Schmerzenstagen ein afutes Blafenleiven am 8. Januar 1892
vr. Tod * Auch noch als Profeſſor hatte er gern auf der Kanzel ——
en aber liche und —— Predigt wurde ſtets ne ——
Die Dem und tiefe —— feines Charakters offenbarte Ah in — re
erfennun it der er in fpäteren Jahren auf die Verdienſte und S fr bie
aan, ae ihren jüngeren Vertretern zu danken hatte; di en en auch eine metbo tiche
Schulung für ine rbeit zu teil geworden, deren chüler ſich nicht hätten
40 erfreuen dürfen. Beim Lutberjubiläum 1883 ebrte ihn bie Hhilefopbie —* in Halle
durch Ernennung zum Ehrendoktor. In erſter Ehe mit einer Tochter es Generali
intendenten Moll ın Königsberg, in zweiter mit einer Tochter Des ein iger G
reftorö Nobbe verheiratet, wußte er auch feiner Häuslichleit den Stempel, jeines W eng
u geben. Seine —— und kirchliche Stellung iſt durch das Bekenntnis charakteri-
45 u her, er 1858 bei der Meldung zum 2. theologifchen —— ablegte: er bekenne
id que — ſchen Konfeſſion, aber nicht im Sinne der Konkordienformel, ſondern
mit Einſchluß des Melandhtbonianismus und der „locupletierten“ — von 1540 —
ein edler Nepräfentant der deutichen „Vermittlungstheologie“. G. Sinweran,
Mönchtum. — Allgemeine Litteraturz. Mönchtum: Gefamtdarftellungen der Mönds-
50 —— ————— erg Rolemifer) De monachis seu de origene et
um equitum tam militarium va —— omnium, Zürich 1588;
— Helyot 30. (the), H Histoire des ordres monastiques, religieux et militaires et des
gation 1714— 19, beutfch, Lei. 1753-56 (fleifige ——
* umnkriti i); „(Groms) a 6 — eſchichte der rungen (Run)
55 orden, 10 Leipzig 1784 mit PERL, eines RT ranzojen —
(vom fa rl een Kr beugen), enrion (fatholi
religieux, 2 Bde, Baris 1835, deutſch von J Allgemeine — der —
2 Bde, Tübingen 1845 (nur für die neuere Beit Ya M. Heimbucer —— — 2
Orden und Kongregationen der latholiſchen Kirche, 2 Bde, Paderborn 18961897 (Hier ade
co führlidhe Litteraturangaben); O. Zödler (protejtantifch), Näteje und Röndtum, zweite Huflage
Möuchtum 215
der Kritiſchen Geſchichte der Askeſe 1863, 2 Bde, Frankfurt a. M. 1897 (beſte Geſamtdarſtellung
der Mönchsgeſchichte, auch die außerchriſtliche Askeſe und die asketiſchen Erſcheinungen des
Proteſtantismus berückſichtigend); U. Harnad (protejtantifh), Das Mönchtum, feine Ideale
und feine Geſchichte, Gießen 1882, 5. Auflage 1901. — Bon älterer Litteratur zur Mönchs⸗
gefhichte noch wichtig: Alteserra, Asceticon seu originum rei monasticae, 10 Bde, Paris 5
1674; Martöne, De antiquis monachorum ritibus, 5 Bde, Lyon 1690-1695; Sammlung
der Mönchsregeln: L. Holstenius, Codex regularum monasticarum et canonicarum, 3 Bde,
Rom 1661, vermehrt von M. Brockie 6 tomi in 3 Bde, Augsburg 1759; Ordensregeln ber
Regulartleriter: Aub. Miraeus, Regulae et Constitutiones clericorum in congregatione vi-
ventium, fratrum vitae communis, Antwerpen 1638; Auguftin Arndt, ©. J. die firdhlichen 10
Rechtsbeſtimmungen für die Yrauenlongregationen, Mainz 1901.
Die altdhriftliche Astele vor der Entfjtehung des. Mönchtums. Litte:
ratur: Schiwietz, Vorgeſchichte des Mönchtums oder da8 Asketentum der drei eriten chrift:
lihen Jahrhunderte, Ardiv für Tatholifches Kirchenrecht 1898 I,3 ff., IL, 305 ff.; Fr. W. Bor-
nemann, In investiganda monachatus origine, quibus de causis ratio habenda sit Origenis, 15
Söttingen 1885; Joſeph Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen in der Kirche der 4 eriten
Hrijtlihen Jahrhunderte, Zeitichrift fiir fatholifche Theologie 1887, A. Harnad, Die pjeubo-
clementiniihen Briefe de virginitate und die Entjtehung des Möndtums, SBA 1891, I,
361 — 385; Joſeph Wilpert, Die gottgemeißten Sungfrauen in den erften Sahrhunderten der
Kirche nad den patrijtiihen Quellen und Grabdenkmälern dargeftellt, Freiburg 1892. 20
Bereit? Paulus giebt dem ehelojen Leben den Vorzug vor dem Leben in der Ehe
(1 Ko 7, 38 u. 40) und rät lieber nicht zu heiraten wegen der nahen Wiederkunft bes
Herrn (180 7, 26). Vielleicht ift jchon 1 Ko 7, 36—38 ein Zufammenleben von Män-
nern mit Sungfrauen in der Art der jpäteren ovveloaxtoı yvvalxes vorausgeſetzt (E. Grafe,
Geiftliche Verlöbniffe bei Paulus, Theol. Arbeiten aus dem Rhein. Will. Predigerverein 25
S.57 ff., Freiburg 1899). In der römischen Gemeinde finden mir auch jchon im apoſtoliſchen
Zeitalter eine enfratitifche Richtung, die ſich des Fleiſch- und Weingenuſſes enthält und
vegetarisch lebt (Rö14,21; Rö 14,2). Die Apoftelgeichichte berichtet, daß die vier Töchter
des Siebenmanns Philippus ald naodevoı lebten (AG 21, 9) und in der Apofalypfe
des Johannes werden als die 144000, die drapyn Gottes und des Lammes, ſolche be- so
——— die ſich mit Weibern nicht befleckt haben, denn ſie ſind Jungfrauen (Apk 14, 4).
uch erzählt Hegeſipp, daß der Herrenbruder Jakobus der Gerechte als Naſiräer in völliger
Wein- und Fleiſchabſtinenz gelebt habe (Euseb. H. e. II, 23). Sehr zahlreich find die
Zeugniffe der apoftoliichen Väter und Apologeten, die wir über das Borhandenfein von
männlichen und weiblichen Asketen befigen. Überall in den chriftlichen Gemeinden gab 35
es folche, die die dyveia 29 oaoxl bewahrten (1 Clem. ad. Cor. c. 38; Ignatius ad
Polyc. c. 5; Justin, änodoyia I, 15; Tatian, Aoy. noös "Eilnvas ce. 32; Athe-
nagoras, roeoßeia c. 28 und c. 33; Minucius Felix, Octavius c. 31; Tertullian
Apol. c. 9; de virg. veland. c. 10; de cultu feminarum II, 9; Cyprian de ha-
bitu virginum c. 3 ff.; Clem. Alex. orowuara III, 1, 4; VII, 12, 69; VII, 6,33; 4
nawdaywyös II, 2,20; 1,7 (hier zuerft dag Wort doxnjzns); Origenes, Contra Celsum
I, 26; V, 49; Methodiug von Olympus, Convivium decem virginum oratio I, 1.
Ignatius nennt ald Motiv ihrer Chelofigkeit eis tuumv Ts oapxös Tod xvolov, Athe:
nagoras bezeichnet als folches die Hoffnung eines höheren RYohnes im Hünmel, Tod uäldor
ovv&osoda: Deoö, vgl. d. A. Astefe Bd II S. 136, 80 ff. Seit es Asketen giebt, erheben 4
diefe die Prätenjion, als die volllommenen Chriſten in der Kirche den eriten Platz einzu-
nehmen. Schon Clemens Romanus ermahnt die Asfeten, ſich nicht zu rühmen, da die
ea ein dem Einzelnen gegebenes Charisma ift und Ignatius ſchärft ihnen ein:
„wenn einer fi) mehr duͤnkt als der Bifchof, fo geht er zu Grunde”. Was dag Leben
der altchriftlichen Asketen betrifft, fo beitand noch volle Freiheit. Es gab folche, die nur so
ebelos lebten, und jolche, die aud) dem Fleisch: und Weingenuß entjagt hatten (Clem.
Alex. VII, 12, 69). Cyprian kennt ſolche Jungfrauen, die ihren Beſitz behalten hatten,
fo daß Ehelofigfeit und Beſitzloſigkeit keineswegs immer mit einander vereint war (Cy-
prian de habitu virgin. c. 7). Auch lebten die gottgemweihten Jungfrauen teild in
ihren eigenen Wohnungen, teild zufammen in bejonderen Häufern nagdevüves, mo die 55
älteren die Lehrmeiſterinnen der jüngeren waren (Athanafius, vita Antoni c. 3). Das⸗
jelbe gilt von den männlichen Asketen, mie 3. B. Sofrate® (H. e. I, 11) von dem ehe:
Iofen Konfeſſorbiſchof Paphnutius berichtet, daß er in einem doxnzorov gelebt habe. In
dem Leben bes Origenes finden mir alle Formen asfetifcher Bethätigung vereint (Eufe-
bius, H. e. VI,3ff.). Er lebte ebelog, befi los, in fteter Gebetsübung und Meditation, co
er enthielt fich nicht nur des Weines und Fleiſches, jondern legte ſich auch die härtejten
— — - 22 m—uız ai um Blöße. Nur in einem
— — our 2 vwıre Mieze, daß er noch innerbalb
- "mer oo. zur = moon Aökzentun fremd, wenn auch
2 zo ı 2.2 nr Ssfrm seien und vor Beteiligung
- - = mer Soromem mir (Cyprian de ha-
- mr r tanz grar "zer bismeilen nach Art der
. Zr rrocı mouoe m +urlicen Gemeinden. Nur
un Or zur 7 em: nz. Zabrhunderts entftandenen
- OTIomr xXE. Berührung mit Frauen
- ar Tr rn tm mr Sri rauen befinden, nicht
. ‘ol. ur | @Trz ı. . II. 1-9. Auch der auf:
: - 7 „zienne C sernten, Die Die Asketen in
= 1m 7 emmmene Culebius rühmend (de
Pr - .. ” —
Pi mE re —— 2220
nn zoom Astetenſtand ſehr hoch.
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. > x ?z sr: ıConvivium VII, 3).
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2. 2°: SHeiele, Gonctliengejchichte,
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vo „ade ur Didweigend (xara otc-
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> near Leunzn verbielt fich Die Kirche
rim Gegenſatz Au Gnoſtikern,
RR De > sum Teil von ibren An:
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> YZeege serntndli su machen. So
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- Nr Nientaniiten gebildet (Jöckler
Spt ĩtete Kontinenz (6. Ho-
.. tn Zrmmesie von Elvira von Sabre 306
>. zen ehelichen Umgang nicht ber:
2 Ss su Nicäa 325 erflärte id
>> syfmenenieben von Aungfrauen mit
J =» 2 frub in der Kirche. Bereits
Som Ni’. grrin daß ſie beſonders ın den
al Adv. Haeres. I, 63). Trotz jcharfer
„ı Cyprian ep. 02; Synode zu Ancyra
Möunchtum 217
von 314 c. 19; Pseudoclemens de virg. I, 10) blieb das Syneisaktentum auch bei
den Mönchen ein unausrottbares Laſter auf Jahrhunderte (H. Achelis, Virgines sub-
introductae, ein Beitrag zu 1 Ko 7, Xeipzig 1902).
Am Ende des 3. Jahrhunderts hören mir zuerjt von der Gründung eine Asketen⸗
vereins (Epiphanius, adv. haer. c. 67). Hierakas, ein Schüler des Origenes, aus Le 5
ontopolis in Agypten, ift fein Begründer. Nur Jungfrauen, Asketen, Witwen fanden in
ibm Aufnahme, alle lebten in Enthaltung von der Che, un und Meingenuß. Es
ift Dies der früheſte Verjuch genoſſenſchaftlichen Astejebetriebd auf dem Boden des Chrijten-
tums, von dem mir tillen (vgl. d. U. Hierakas Bd VIII ©. 38f.).
Die Entitehbung und Verbreitung des Mönchtums in Agypten: Kitte- 10
ratur: Möhler, Geſchichte des Mönchtums in der Beit jeiner Entitehung und erjten Aus—
bildung, Geſammelte Schriften und Aufſätze 1840 II, 168—225; Mangold, De monachatus
originibus et causis, Marburg 1852; Kropp, Origenes et causae monachatus, Göttingen 1863;
Beingarten, Ueber den Urjprung des Mönchtums im nadhlonftantinifchen Zeitalter, Gotha
1877 und A. Möndhtum NE, X, 758f.; Gab, Zur Frage vom Urfprung des Mönchtums, 15
ZRS 1878, ©. 254 ff.; U. Hilgenfeld, Zum Urſprung des Mönchtums, ZwTh 1878, S. 148ff.;
Keim, Aus dem Urdrijtentum, Zürid) 1878, ©. 204 ff.; C. Hafe, Das Leben des Hl. Anto-
nius, SpıTh 1880, S. 418 ff; Beitmann, Die theol. Wijfenihaft und die Ritfhlihe Schule
1881, S. 14 ff.; Eichhorn, Athanasii de vita ascetica testimonia collecta, Differtation, Halle
1886 ; 3. Mayer, Ueber Aechtheit und Glaub würbigteit der dem hi. Athanaſius zugejchriebenen 20
Vita Antonii, Katholik 1886, I, 495 ff. II, 72ff.; U. Berliere, Les Origines du monachisme
et la critique moderne, Revue Bénédictine 1891, ©. 1ff. u. ©. 49ff.; 8. Hol, Ueber das
griehiihe Mönchtum, BY 1898, Bd 94, 407—424, Schiwieg, Das Ägyptiihe Mönchtum im
4. Jahrhundert, Ardiv f. kath. Kirchenrecht 1898 ILI, A453 ff, 1899 I, 68—77, II, 272—90;
D. Bölter, Der Urjprung des Mönchtums, Freiburg 1900. 26
In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ift das Mönchtum entitanden. Die legten
Bande, die die Asfeten mit der Welt verbanden, wurden gelöjt und das Einfamfeitstdeal
in totaler Loslöſung vom focialen Verbande verwirkliht. Hatten die Asketen bisher
innerhalb ihrer Yamilien oder doch innerhalb der Gemeinden, in Städten und Dörfern
gelebt, jett begann eine gan e Maſſen ergreifende Flucht aus der Welt und Gejellichaft, so
um in der Wüſte ein as —5*— und beſchauliches Leben zu führen. Was iſt die Urſache
dieſer neuen Erſcheinung? Früher ſuchte man im Anſchluß an die Vita Pauli des Hie—
ronymus (c. 1) aus der decianischen Verfolgung die Entjtehung des Mönchtums zu er:
Hären (Gaß ©. 2541 ff). Man verwies auch auf den Bericht des Eufebius (H.e. VI,42),
wonach während der decianischen Verfolgung zahlreiche Flüchtlinge &> donwiaıs al Öpeoı 86
ihr Leben zu retten fuchten. Aber diejer Grflärung fehlen die hiftorifchen Beweismittel,
da die Vita Pauli nicht als hiftorifche Urkunde gelten kann (ſ. Weingarten RE? X, 760).
Die Anfänge des Mönchtums verraten nirgends einen direften Zufammenhang mit den
Chriftenverfolgungen. Man hat dann außerchriftliche Erjcheinungen zur Erklärung berbei-
gegogen. Hilgenfeld (5. 148 ff.) bat den Buddhismus zu Hilfe gerufen, doch lajjen ſich «
eine biltoriichen Berührungen desjelben mit dem älteften chriftlichen Mönchtum nachweiſen.
Weingarten jah in den xaroyoı der ägyptiſchen Serapistempel die Vorbilder der chriſt—
lichen Mönche. Preuſchen (Diöndytum und Serapisfult, Programm, Darmitadt-1899) hat
dagegen mwahricheinlich gemacht, daß dieſe Hierodulen ſich nicht aus asketiſchen oder melt:
flüchtigen Motiven im Heiligtum des Serapis aufbielten, fonden um dur Inkubation 45
von dem Gott Heilung, Bijionen oder Orakel zu erhalten. Reim (S. 215) bat endlich auf
den Einfluß des Neuplatonismus hingewieſen. Aber jo gewiß dieſes letzte Syſtem griechticher
Weisheit, in dem auf dualiftiicher Grundlage Askeſe, Myftil und Ekſtaſe zu einem Ganzen
vereinigt find, auf die Kirche eingemirft bat, Tann es doch für den Urfprung des Mönch—
tums als wefentlicher Faktor nicht in Betracht kommen. Iſt e8 doch gänzlich unerweislich 60
und ausgefchloffen, daß ſich der Neuplatonismug gerade unter der ländlichen Bevölkerung der
Thebais bejonders Stark geltend gemacht habe (Völter S. 39). Die Wurzeln des Mönd):
tums liegen in der Entwidelung des chriitlichen Lebensideals. Bereits bet Clemens Ale:
tandrinus in feiner Schilderung des wahren Gnoftifers und noch deutlicher bei Origenes
eriheint der von der Welt zurüdgezogene, von ihrer Leidenſchaft unberührte, in Gott 65
rubende Weiſe als der vollkommene Chriſt (Orig. hom. in Num. XXV, 4: qui mili-
tant deo? illi sine dubio, qui se non obligant negotiis saecularibus). Gewiß
baben die traurigen focialen und politischen Zuftände Agyptens in der ziveiten Hälfte
bes 3. Nahrhundert3 dazu beigetragen, den asketiſchen Heroismus zu fteigern und zum
then in die Wüſte zu treiben, während ähnliche Zujtände in Nordafrifa in An 60
ſchluß an den Donatiftenftreit die Cireumcellionen, die die politischen, bürgerlichen und
Möonchtum
ai zhatriteer als ein Reich des Satans bekämpften, bervorbrachten
roter Linie Stellt ſich Das chriſtliche Mönchtum als eine religiös—
7 era vornehmſtes Motiv Die Erlangung Der Seligkeit und ſitt—
ro greb Weltflucht war. Der alte Enthuſiasmus lebte wieder auf,
np fur Die GGroße religiöſer Hütter und Pflichten erwachte, und eine
- - ms begann, Der alle asfetiiche Leiſtung nur Mittel zu innerer
. RER
er des 3. Nabrbunderts mögen einzelne Weltmüde in Die
‘zn der pieudocyprianiſchen Schrift de singularitate cleri-
zuar, DaB Eheleute unter Dem Vorwand der Askeſe und
-; we trennen und domiecilia singularia aufjucden. Euſebius
„on daß der Biſchof Narciſſus von Jeruſalem, ein Zeitgenoſſe
Aber ſchwere Verleumdung ſeine Gemeinde verlaſſen habe
sr oo Zadar, um ein Tı4doogor Ptov zu fübren.
Angachoretentum kann in beiden Fällen noch nicht Die Rede Sein.
—Zaulus don Theben, des angeblich älteſten Eremiten, der nad
der decianiſchen Verfolgung ein 90 Jahre umfaſſendes Eremiten—
aßt ſich ein hiſtoriſcher Kern nicht mehr herausſchälen (Grütz—
—nif... So Werden wir den Kopten Antonius, deſſen Yeben
Wden erſten zu bezeichnen haben, Der wie die Vita c. 3 berichtet,
rn in der Nähe der Heimat vor Den Thoren der Städte aufgab
Daß dieſe Vita auf Athanaſius zurüdgebt, iſt zweifellos, Du
Sc Das Werk als Arbeit Des alerandrinifcen Biſchofs durch
warnt finden (orat. 21,9) 1. Haſe 2. 418 ff.; Eichhorn 2.3 ff.;
Srtage ſich nur, ob unſer griechiſcher Tert mit dem Uriginal iden:
. tt Grund der ſyriſchen Recenſion entnehmen fünnte (Fr. Schul:
.. Beulen der Vita S. Antonii, Zürich 189, mit jpäteren Zuſätzen
9 edler S. 100). An dem biltorifchen Wert der Quelle kann
werelt werden, da Athanaſius in naber Verbindung mit Antonius
Vita kurz nach dem Tode des Eremiten wilden 356 und 362 ver:
Yavnis 251 u Moma bei Groß Serafleopolis in Mittelägppten von
era Ehiern geboren. Zwanzigjährig Durch Die VBorlefung des Cvange
on Jungling Me 19 ergriffen, verjdienfte er feinen Beſiß und übte jich
an greiſen Asketen in der Askeſe. Plötzlich verließ er Dielen, ließ
aan einſchließen und dam in ein verlaſſenes Kaſtell einmauern, wo er
Zeu mit Brot verſeben in völliger Einſamkeit lebte (e. 11 --15). Nach
Errinitenleben ſammelte er jeit 306 Schüler um ſich. Sein Nuf ver:
ab, nachdem er in der Verfolgung Des Marximinus in Alerandria zur
atlichen Brüder erjchtenen twar. Leute aller Ztände Juchten ihn auf, Die
or le und denen er ſeinen feeljorgeriichen Rat angedeiben ließ. Seinen
seit jetzt in Piſpir (Palladius, Hist. Laus. e. 25) genommen, Das
od dent Wil entfernt lag (Hier., Vit. Hilar. ec. >30). Von dort machte
an ie Eremitenkolonien ſeiner Schüler im äußeren Gebirge zu befuchen.
e Wotltwolers veranlaßte ſogar den Kaiſer Nonftantin, ibn durch einen Brief
Mitten im den arianiſchen Kämpfen kam Antonius noch einmal nad
rur ce Rechtgläubigkeit Feugnis abzulegen und Die Heiden zu befehren.
so obe zog er ſich in Die tiefſte Verborgenheit zurüd, two er 356 im
ah Wien Zibafpe und Mantel vwermachte er dem ibm befreundeten
a Watt ber Rechtgläubigkeit, der aud ſein Yeben beſchrieb. Antonius
a iniſatien geſchaffen, die Eremitenkolonien, die den Namen woraotijota
a mrritigten die Genoſſen im ganz freier geſellſchaftlicher Lebensart unter
asty Ian Moncheheiligen. Die auf Antonius zurückgeführte Regel (Regula
‚1 Hllon =uos monachos, petentes hoc ipsum ab eo in monasterio
oaelflaner 1, IF und wenig abweichend aus Dem Arabiſchen von Abr. Ec:
osgpspebsnte opt nicht ſein Werk, wenn fie auch aus Agypten ſtammt und fchr
un tn Heyl des bl. Antonius, Metten-Gymnaſialprogramm 1895:1896).
en a PO griechiſchen Briefe Des Antonius (MSG 40, 963 ff.)
ch Meralueb wäre es mr, daß Die uns lateiniſch erbaltenen 7 Briefe dos
1 hmm de vir, illust. e. 80 erwähnt, auf Antonius zurüdgingen.
Mðuchtum 219
Für die weitere Verbreitung und Entwicklung des älteren ägyptiſchen Mönchtums
ſtehen uns in der Historia Lausiaca des Palladius (kritiſche Ausgabe in Vorberei⸗
tung von C. Butler, foll 1903 erjcheinen), in der Historia monachorum Rufins,
in den Schriften Gaffinns de institutione coenobiorum lib. XII und Collationes
patrum XXIV, in den Apophthegmata patrum (MSG 65), den Verba seniorum 6
(MSG 73) und den Viten des Pachomius von einander unabhängige und in den
Kirchengeichichten des Sozomenos und Cofrates felundäre Quellen zur Verfügung,
deren biftorifcher Quellenwert nicht bezweifelt werden Tann (E. Lucius, Tie Quellen der
älteften Gefchichte des ägyptiſchen Mönchtums, 3. f. R. VII, 163 ff. 1885; E. Preufchen,
Palladius und Rufinus, ein Beitrag zur Quellenkunde des älteften Mönchtums, Terte und 10
Unterfuchungen, Gießen 1897; C. Butler, The Lausiac History of Palladius, Texts
and Studies ed. by J. A. Robinson VI, 1, Cambridge 1898). Durch die beiden
zulegt genannten Forſcher ift vor allem der Nachweis der Unabhängigkeit des Palladius
und Rufin geführt worden. Kontrovers bleibt nur, ob die Historia monachorum ein
urfprünglich griechifches Werk ift, das von Rufin ins Lateinische überjegt wurde (Butler), 16
oder ob ſie urfprünglih von Rufin lateinisch gefchrieben und jpäter ind Griechiſche frei
überjekt wurde (Breufchen).
uf Grund diejer Quellen ift e8 ung möglich, die Verbreitung der Mönchsbewegung
u verfolgen. Noch zu Lebzeiten des Antonius und, wie es fcheint, unabhängig von ihm
egründete Amun (Ammonius) in Unterägypten Eremitenkolonien. Er ift der Vater des 20
nitrifehen Mönchtums (Hist. mon. c. 30; Hist. Laus. e. 8; Soz. I, 14; Soc. IV, 23).
Zur Ebe gegtvungen, gelang es ihm am Hodhzeitötage feine Frau zum enthaltfamen Leben
zu beitimmen. Nach adhtzehnjährigem Zujammenleben der Eheleute verwandelte feine Frau
ihr Haus in ein Sungfrauenheim, und Amun ging in das nitrifche Gebirgsland. Südlich
von Alerandria, an der Weſtküſte des Nilveltas gelegen, bildet e8 ein falzhaltiges Steppen- 25
land, in dem waſſerarme Felder mit Felsgeſtein abwechſeln. Hier 40 römiſche Meilen
von Alerandria, vom Mareotisfee in 1’. Tag erreichbar, fammelten fich zahlreiche Schüler
um Amun, die in Hütten aus gebrannten Biegeljteinen einzeln oder zuſammen wohnten
(Hist. mon. c. 21). Nach Palladius (Hist. Laus. ce. 7) follen zu feiner Zeit 500 GEre:
miten in den nitrischen Bergen gehauft haben. Sieben Badftuben verforgten die Ge: 30
nofjenfchaft mit Brot. In der geräumigen Kirche, an der acht Priefter thätig Maren,
verfammelte ſich die Mönchsgemeinde am Sonntag und Samstag zu gemeinfamem Gottes-
dienft. Müßiggang war verpönt, jeder Mönch mußte ſich Nahrung und Kleidung durd)
Arbeit erwerben. Bis zur neunten Tagesftunde wurde gearbeitet, am Abend fand Hymnen—
und Pfalmengefang ftatt. Die ftrengfte Diziplin berrichte in der Eremitengenoflenfchaft, 35
auch die Gäſte, die im Frembenhaus neben der Kirche beherbergt wurden, mußten nach
enmwöchentlihem Aufenthalt im Garten, Badhaus oder in der Küche thätig fein, wiſſen—
fchaftlich Gebildeten gab man Bücher zu Iefen. In der Kirche befanden fich drei Palmen,
an denen je eine Geißel für die Eremiten, die Näuber und die Gäſte hing, die fich ver-
gingen. Der Delinquent mußte die Palme umfaſſen und erhielt die über ihn verhängte 40
Debl Geißelhiebe. Amun, der Begründer der Eremitenfolonie, ftarb nach 22jährigem Buß-
eben noch vor 356, vor dem Tode des Antonius (Vit. Ant. c. 60). Unter feinen
Schülern werden Arfifius, Serapion (Hist. Laus. ec. 7; Soz. VI, 30, 1), Kronios (Hist.
mon. c. 25; Soz. VI, 30, 1), Butubaftus, Aſion (Hist. 12; Laus. e. 7), Didymus
(nicht identiſch mit dem blinden alerandrinifchen Katecheten, Hist. mon. e. 24) genannt. «6
Der jüngeren Generation der nitrifhen Mönchskolonie gehören Pambo (Hist. Laus.
e. 10; Rufin, h. e. II, 3 u. 4), Benjamin (Hist. Laus. 13), der frühere Kaufmann
Apollonius, der in Nitrien ala Arzt thätig war (Hist. Laus. c. 14) und die vier foge:
nannten langen Brüder Ammonius, Dioscurus, Eufebius und Euthymius (Hist. Laus.
e. 10) an. In diefem Kreife wurde dag Studiun der Theologie des Origenes gepflegt, so
und als Theophilus von Alerandria 399 Drigenes für einen Keger erflärte, brachen über
die nitrifchen Mönche die ſchwerſten PVerfolgungen berein.
ehn Meilen ſüdlich vom nitrifchen Gebirge in der Nähe des Ortes Krdkıa batte
ſich alls eine berühmte Eremitenkolonie gebildet, in der die Einſiedler aber ſtrenger
von einander geſchieden lebten. Hier herrſchte beſtändiges Stillſchweigen, nur am Samstag 55
und Sonntag kam man zur Kirche zuſammen. Dieſe Wüſte führte den Namen ſtetiſche
Wuſte (Hist. Laus. c. 29). Bon Nitria brauchte man einen Tag und eine Nacht, um
nach der fletifchen Wüſte zu gelangen. Die Zellen waren bier noch primitiver, es gab
ſolche, die in die Felfen gehauen waren, andere, die nur aus Brettern bejtanden. Ma—⸗
cartus der Agypter, auch Macarius der Große genannt (Hist. Laus. c. 19), war nad) u
Ga eoll, 15, 3) der erfte, der als Eremit niederlieh. R 28
Kr SS ara
den —— — Eeel. Graee. Mon. I, 524) lebte
auf EEE er gegen feinen Willen zum Priefter — in fen n 5 —
5 Mädchen
——— ſeine Un uld offenbarte. Palladius (e. 19) eb ——
Ba Ban eier ae
betie. Für die fletijche Möndsgemein er die g Unter
einer Zelle hatte er einen unterirdiſchen Gang nad) einer Höhle —— ſich
men ee rt:
lien, die wir von ihm befihen (Andrea olegomena in vitas et,
Ra —— t. ecc
J orragend ii 7
15 Dion j
—
it Er
in bie Rüf e 327 oder 323. ‚Bu ben
20 der äthiopiiche Mohr re — AT
Pior (Hist, Laus. e. 11), Pachon (Hist. Laus. c. 29)
Pe ‚den Beinamen dos Stäbters führt (Hist. een — etzteren — aus
een verüb jerzigjäbn J
en armen Cr sin — ner ser ge aus, jo daß
in jener 3 nadı dem Tod cart
iſt er faſt —— ge u En de
regula
Masarli, Paphnutü 'et alterius Macarli (MSG 34, 967 ff. und 34, 971f7.) find
—— da ſie ein —— — Kloſterleben vorausfehen. Zwei Schüler des Macarius
© — p ger riftjtellerifcher Bedeutung, rius Ponticus (Hist. Laus. ce. 86, Soe.
Pros V, 650) und Marens Crem ta (Hist. Laus, e.20, Soz. VI, 29, 11;
kan Marcus ar Leipzig 1895 ſ. d. A. Bd XII S. 280). Evagrius Ponticus
Seh einen Werken die extremſte Theorie der Askefe, — Menſch ——
von den Leidenſchaften ungeſtörte rast und V erlangen koͤnne.
»5 Noch heute befteht in der ſtetiſchen Wüſte ein Kloſter des beilinem Mac Macarius, in dent eine
en Zahl von —— Mönchen ein beſchauliches, aber recht klägliches Daſein führt,
nd ſieben andere Trümmerſtätten von Klofterruinen im Natrontbal legen noch
ag eugnis ab con dem reichen flöfterlichen Leben, das bier einft geblüht hat. Das ——
cariuskloſter bildet ein Rechteck, das von einer hohen, ſchmuckloſen, weißgetünchten
40 ug ge en en wird. Um den mit wenigen Balmen —— Sn gm
* —— — —— ia ee dee DR — ——
remitenkolonie tritt noch darin zu e, daß die Mönche geſon in engen nen
ae, in denen fich ein niedriger Hochberd befindet, mohnen und —
urch die libyſche Wüſte nach der Oaſe des Jupiter Ammon, Ber
15 Beiblatt 2 vom 18. März 1900),
Aber nicht nur in den mitrifchen Bergen und der ſtetiſchen Ar gab es *
ganz Ägypten war gegen Ende des 4. Jahrhunderts mit einzeln lebenden ei lern
oder Eremitenkolonien überzogen. In Lycopolis an der Grenze der Thebais —
hannes in einer Felfentlaute e (Hist. a e. 1), bei Hermopolis magna lebte Apollonius
5 mit 500 Mönchen (Hist. mon. c. 7), nördlich davon Kopres mit 50 Genofien (Hist.
mon. e, 9). In Oxyrynchus in Mittelägppten jollen 20000 Jungfrauen und 10000
Mönche angefievelt gewejen fein (Hist, mon. e. 5). Bei Arſinos wohnte der Priejter-
mönch an! mit 10000 Mönchen, die ſich zur Erntegeit als Schnitter für einen —*
von 60 Seſter Getreide verdingten (Hist. mon.e. 18). Im mittleren Deltagebiete <
55 bei Dioleus zablreibe Mönchszellen. Hier lebten Piammon und Johannes (Soz. v1
29, 7; Hist, mon. 32; Cass,, Collat. 18 u. 19), der Mönch Archebios aus ebler
Familie, jpäter Biſchof von Parehofis (Cass., Inst. y, 37 u. Coll. 11, 2), in ber Näbe
der Stadt Ehaeremon, Neiteros und Joſeph (Cass,, Coll. 11 ‚a”—17). Mö Werbretune Die gahlen
im einzelnen übertrieben jein, ſchon Atbanafius bezeugt die ungebeure
co Möndtums (ep, ad Dracontium ce. 10, MSG. 25, 593; hist, — =
Möndtum 221
monachos c. 10 u. ec. 67). Auch bezeugen das rafhe Wachstum der Bewegung das
Edit des Kaiſer Valens vom Jahre 365 (Codex Theodos. XII, 1, 63), ſowie dag
energiiche Vorgehen besjelben Kaiſers, der 375 fünftaufend Mönde aus der nitrifchen
Wüſte zu Zoldaten ausbeben lich (Hieronymus, Chron. ad ann. XJI Valentis).
Als Stifter des Nlofterlebene gilt der Oberägypter Pachomius (geit. 345. ſ. d. A.). 5
Sein Verdienjt it es, die loſe Gemeinſchaft der Eremitentolonien feſter organijiert zu
haben, indem er die benachbarten Gremitenzellen mit einer Mauer umgab und das Zu:
fammenleben durch eine Mönchsregel disciplinierte. Dieſe älteſte Regel (. d. Nähern d.
A. u) iſt nod außerordentlich primitiv und lüdenbaft, aber jie ſchärft den Mönchen
die Pflicht der Arbeit ein, zeigt Anſätze zur Ordnung des Gebetslebens, entbält Bejtun 10
mungen über Kleidung, Mahlzeit, acıtrube der Mönche und jucht das Nlofter durch das
Berbot der Aufnahme von Fremden möglichſt von der Welt abzuſchließen. Aber nicht
nur in der Thebais auch im übrigen Agypten verbreitete ſich das cönobitiſche Kloſterleben
ſchnell, obwohl daneben noch die Eremitenkolonien in der alten Form fortbeſtanden. So
hören wir von dem Abt Iſidor nördlich von Herakleopolis magna m Mittelägypten, deſſen 15
Mönche cönobitiſch lebten. Eine Mauer umgab auch bier die Mönchswohnungen, ein
Pförtner bewachte den Eingang. Ten Mönchen war das Verlajlen des Kloſters verboten
und Gäfte wurden nur am Stloftertbor beberbergt (Hist. mon. c. 17; Soz. VI, 28).
Für rauen war die Form des Gremitenlebens ſchwer durdführbar. Palladius
(Hist. Laus. c. 137--139) nennt einige ‚grauen Talida, Taor und cine nicht namentlich 20
bezeichnete Asketin, die in ber Thebais lebten, doch scheinen dieſe nicht ein. jtreng eremi—
tiſches Yeben geführt zu haben. Tas erite Nonnentlofter jtiftete Pachomius für jeine
Schweſter Maria, und die Form des Kloſterlebens wurde dann in der Folgezeit von weib—
lichen Asketinnen in immer fteigendem Maße ergriffen. Daneben bejtanden aber die
Jungfrauicbaften noch lange fort, in denen eine mildere Praxis in Askeſe und Abjchluß 25
von der Welt herrſchie. Die Asketinnen (oxijroi), die ſich der klöſterlichen Askeſe nicht
dr traten ſogar zeitweilig im einen gewillen Gegenjaß gegen das Nonnentum
(BB. Niffen, Die Reglung des Stlofterwwejens im Rhomäerreiche bis zum Ende des 9. Jahr:
hunberts, Hamburg 1807).
Die Verbreitung des Mönchtums in den anderen Yändern des Orients. 30
wihtigite Quellen: Palladius und Sozomenos j. o.; Theodoretus, BrAodros ioroota; Aufn,
II, ce. 4 und 8; Hieronymus, Vita Hilarionis; Sulpieius Severus, Dialogorum
—* I; Peregrinatio Silvia, cd. Gamurrini, Rom 1887; J. S. Assemani, Bibliotheca orien-
talis Tom. III, 1 und 2; P. Bedjan, A. SS. et martyrum syriace Band Iff.
Bon Ägypten verbreitete ſich das Mönchtum nach der Sinaihalbinſel, wo wir ſpäter 35
i hervorragenden asketiſchen Schriftjtellern in Nilus Zinaita (gejt. ca. 430) und Johannes
imacus (gelt. ca. 580) begegnen. Auch Palaſtina wurde frub von Mönchen beſiedelt.
Hier batte Hilarion von Gaza (ſ. d. M. Bd VIII &.51), ein Schüler des Ägypters Anz
tomius, in der erſten Hälfte Des vierten Jahrhunderte im Züden Des Yandes das Fre
mitenleben eingebürgert. Über eine Neibe feiner Schüler, Die bei Betbelia und Gerar als.
Eremiten lebten, berichtet uns Sozomenos (VL, 32). Bon anderen Paläſtinenſiſchen Ere⸗
miten wie Gabbango, Elias, dem Ägypter Abranũus am unteren Jordan (Hist. Laus.
e. 111), dem aus Kappadocten ſtammenden Höbleneinfiedler Elpidius und ſeinem Kreis
im der Nähe Jerichos (Hist. Laus. e. 107), Innocentius auf dem Olberg und Adolius
bei Zerufalen (Hist. Laus. ec. 103 und 104), dem aus I berägupten nach Bethlebem 45
gommenen. Poſidonius (Hist. Laus. c. 1782) bören wir durch Palladius. Um die
des vierten n Jahrhunderte entjtanden auch zahlreiche öfter in Paläſtina (Bafilius
ep. 207, 223, 220). gie reihe Nömerin Melania Die Altere, die Freundin Rufins,
Eine ein Klofter am lberg, und die Römerin Paula (geſt. 404) ein Nonnen- und
nchöklojter in Bethlehem (Hist. Laus. ec. 117. 129). Später war die jüngere Me: m
lania (gejt. 439) (Vita Melaniae iunioris, Ana. Boll. VHI, tft; Ufener, Der bl.
Theodoſius, Leipzig 1890, S. 196 ff.) als Kloſterſtifterin thatig. Die abendländiſchen
Ronche und Nonnen lebten in Paläſtina ganz in Nachahmung der ägyptiſchen Vorbilder,
we auch Hieronymus für Die Klöſter der Paula Die erweiterte Regel Des Pachvmus
vom
an
u,
hrien iſt nächſt Ägypten das Land, in dem Das Mönchtum am frübſten auftrat
med die größte Blüte erreichte. Tb es bier wie im Ägypten autochthon iſt d. h. ſich
sime ãgyptiſche Einflüſſe aus dem altchriſtlichen Asketentum entwickelt bat, läßt ſich nicht
behaupten. Die Bundesbrüder und Bundesſchweſtern Des Syrers Apbrantes (0) Bert,
‚ des perfifchen Weiten Homilien aus dem Syriſchen, TU III, 2, 1888) leben w
222 Möndtum
noch innerbalb der Gemeinde und pflegen mannigfachen Verkehr mit anderen Gemeinde
gliedern. Sie werden nur „Einſame“ (6. Somilie vom Jahre 337) genannt, weil fie
fraft übernommener Gelübde ebelos Icben (Ryſſel, Thuß3 1885, S. 387—89 über die
Anfänge des Mönctums in Syrien). Aber der von Theodoret (Hist. relig. c. 1) an
die Spige feiner Heiligen geitellte Jacob von Niſibis (geit. 338) foll ſchon, bevor er 309
Biihof von Nijtbis wurde, mit Eugen dem Begründer des perfiihen Mönchtums ein
Fremitenleben in den kurdiſchen Bergen geführt baben. Nach der jüngit durch Bedjan
(III, 376- 480) veröffentlichten ſyriſchen Vita feines Zeitgenofjen und Freundes, des
Dar Awgin (Eugenius), jtammte der leßtere aus Agypten von der Inſel Klysma bei
ı Zug. Er war dort Verlenftfcher geivefen und batte dann längere Zeit im Klofter des
Pachomius zu Tabennifi gelebt. An der Spige von fiebzig Mönchen joll er von Aegypten
nach Meſopotamien gezogen und am Berge Izla ſüdlich von Nifibis ein Höblenklofter ge
ftiftet haben. Wach dem Tode feines bifchöflichen Gönners Jacob von Nifibis habe er
vor Kaiſer Jovianus und den Perſerkönig Sapores Proben jeiner Weisſagungs- und
15 Wundergabe abgelegt, und dadurd die Unterftügung diefer Herrſcher zu feinem kloſter⸗
gründenden Wirken erlangt. Kurz vor jeinem um 363 erfolgten Yebensende babe er nicht
weniger ald 72 mönchiſche Zendboten, unter ihnen jeine beiden Schweitern Märt Thekla
und Wärt Stratonifa entſandt. Zollten wir es bier mit geichichtlichen Erinnerungen
zu tbun haben - - und Dies werden wir trotz mancher legendarischer Züge als ficher an-
ao nehmen dürfen — fo bat Eugenius aus den Pachomiustlöftern die ägbptifch-cönobitifchen
Traditionen nad) Meſopotamien überbract (Zödler 3.232). Vielleicht it der Diar Amgin
(Eugenius) mit dem "Awrns des Sozomenus (VI, 33, +4) identisch, der nach ihm der erite war,
welcher die ftreng einſiedleriſche Lebensweiſe bei den Syrern betbätigt habe, mie Antonius
bei den Agyptern. Weiter berichtet ung Sozomenos (VI, 33 und 34) von dem Mönd:
25 tun im Nordoften Syriens, von der Gruppe der jogenannten Bdoxoı, die in den Bergen
um Niſibis umberhioe’tten und nur von Gras lebten, von den in der Gegend von
Karrbä lebenden Mönchen, dem Biſchof Bitos, Protogenes, den Inkluſen Eufebius und
von den in ver Nähe von Phadane haufenden Gaddanas und Azizos.
Unter den Mönchsvätern Edeflas und Usrboenes gilt der heilige Julianus, ein Zeit⸗
sn genoſſe Des Kaiſer Julian, des Apoſtaten, als inchoator vitae monasticae (Hiero-
nymus ad Paulinum ep. 58, 5). Zu den asfetifchen Berühmtheiten diejer Landſchaft
gebört Epbraem der Syrer (Soz. III, 16; Hist. Laus. c. 101, ſ. d. A. Bd V S. 404.
Auch in Dfteilieien und in der Nähe Antiochias in der Wüſte Chalcis finden mir
fett der Mitte Des vierten Jahrhunderts blübende Eremitenkolonien. Wegen der zabl-
35 reichen dort anſäſſigen Eremiten erbielt Die Wüſte Chalcis den Ehrennamen der forilchen
Thebais. Bon 373 bis 380 lebte aud Hieronymus bier ald Eremit (Grützmacher, Hie
ronymus I, 155 ff.). Beſonders eingebende Nachrichten befigen wir über die Verbreitung
des Mönchtums in der Diöceſe Kyros, Deren Biſchof Theodoret war (Hist. relig. c. 14
bis 30). In Nordforien kam im fünften Jahrhundert die exrcentrifhe Form der As—
40 keſe, das Stylitentum, auf. Als älteſter Vertreter dieſer jonderbaren Kaſteiung gilt der
Eremit Symeon (Tbeodoret, hist. relig. ce. 26) Nachdem er als Inkluſe in Te
laneſſa gelebt batte, Ichte er un der Nähe Antiochias auf einer Säule, erit von 6 dann
18 und endlih 10 Ellen Höbe Wach 36jäbrigem Ylufentbalt jtarb er dort ca. 460.
Tiefes chriſtliche Stolitentum jtebt wahrſcheinlich im Zujammenbang mit forijch-heidnifchen
45 Vorbildern. Auch in anderen Yändern Des Urients fanden fich vereinzelte Nachahmer bie
ins 15. Jahrhundert hinein. Der berübmtefte iſt Symeon der Jüngere (gejt. 596), der
68 Jahre in der Nähe Antiochias auf einer Säule gelebt haben foll (9. Delehaye, Les
Stylites, Brüffel 1895).
In Kleinaſien erbalten wir über die Verbreitung des Mönchstums in Oalatien bes
co jonders in der Hauptitadt Ancyra durch den geborenen Galater Palladius Kunde (Hist.
Laus. 111, 115 u. 135). Der Begründer des Mönchtums im römifchen Armenien,
Paphlagonien und Pontus tft der jpätere Biſchof Euftatbius von Schalte (Soz. III, 14,
31). Auch jeine Parteigänger, die Homoiuſianer, wie die Bilchöfe Marathonius und
Macedonius (ſ. d. A. Bd XII S. 46,5ff.) erwieſen fih als warme Freunde des Mönch⸗
65 tums. Euſtathius batte das Mlönchtum wahrſcheinlich in Agypten kennen gelernt (ſ. d. A. Vd V
S.628). Dasfelbe nahm in Armenien einen bejonders ſchwärmeriſchen Charafter an und es
Fam zu heftigen Zuſammenſtößen zwiſchen dem mönchiſchen Enthuſiasmus und der Hierarchie.
Die Synode zu Gangra in Papblagenien 343 (2) trat gegen die Übertreibungen ber
Euſtathianer, die Den VBerbeirateten die Seligfeit abgefprochen, die Reichen zur Aufgabe des
6 Beſitzes aufgefordert und fih in Ronventifel zuſammengeſchloſſen hatten, für die keuſche
Ier Mia Tl zur Mnden zur Erziehung im
- Br .- u a 272 zmcn Hr ı Reg. br. tr. 15). Jeit⸗
mar Zomnlung geitattet (Instit. resp.
= zexter nit abgelegt, Die drrorayn
2 22 zzelzrung von jeder Beziehung zur
2.2 Zum we nloiters jtcht Der zooeorcos, den
. Im m arreterliche Eigenſchaft desſelben zu
— - Reg. br. tr. 82 „und 120). Das
I. IT Ieen erzengchet, Ten, Set, Von, Kefper
Bu or» | = oO zamein Reg. fus. tr. 37). Ülber die
- ..- 0-2: 0:2 or nr dem Wohlgeſchmack dienen joll
- = - - zr ze,raz verboten (Reg. br. tr. 9). Auch
0 u — mm „ne br.tr. 22 und 23), Tie Kappa-
nl — m 2 7 wietenmeien im mejentlichen nach den
u nn zu —* noch zu den Lebzeiten des Baſi—
.5 mo: + Im. Zr Zenen und Epiphan aus Hellas cine
_ — nnd find wir ſchlecht unterrichtet. Palladius
u — -. ma Frauen Olympias, Candida, Gelafia in
De 0 2 + man des Chryſoſtomus befannt find. Tas
Be „dreier Monchtum jcheint beiondere Gründe
-. zrun der selbit ale Eremit bei Antiochta gelebt
- -, zuädus befreundet war, batte mit Ichonungslojer
. een ar Ketdensitadt gerügt, Jich in Die Verwaltung
— md dak die ſeither ftilljebweigend geübte Nachjicht
x eueremihen Monde aus den nitrifchen Bergen,
“<>. zz Me Verfelgungen des Bijchof Theophilus von
. - Zur, bei Dem Die mißvergnügten und gereizten
= ns waren Much noch auf feiner legten Verbannungs-
m ao encde mr tierischer Wut, obwohl gerade er neben
— .. ν De Monctums gebörte,
"Le. den rt Nee Hieronymus das Mönchtum durch Hilarion
ne
are zent Salamis, der früber als Mönch in Palajtına
ET eo an net cririgen Foörderer.
u
— “. or realen Möndtume — Quellen und
>, nn ss. .rwes Via Euthrmii, Analecta graeca, Pari® 1088, I,
“772er are. Mon. Paris_1686, III, 220-376; Vita Theo-
* —5 X. .v. Yassır 1800, S. 103—113; Vita Johannis Si-
ne. oa „en "IS: Vita Cyriaci A. SS. Sept. VIII, 147—158;
= m *è EN is, Is; Theodorus, Vita Theodosii bei llfener,
ar u Se Ne 5 Zehlom Zuſtand des Kloſterweſens in der byzans
“m Ton Ne. ne zum Yang des 13. Jahrhunderts (824—1204),
en TO a Ne IJ. Oliarzewoty, Das paläftinenjifhe Mönctum
— 80a Dion den Veröſſentlichungen der ruſſiſchen Pald:
—5 au wer De Kegelung des Kloſterweſens im Rhomäerreiche
—B Er. N. Bose es Johanneums, Hamburg 1897; K. Sol,
win x ae. wen eo Ronchtum, eine Studie zu Symeon dem neuen
it an 8 NN - . - . .
= 2° 050 aan Ne Dee. hs Bis Gonobitenleben erfreute fih in ber grie
> ° oa he nern Schatzung. Wenn man einmal die Nach
urN “
oa nenznd So konnie auch Das Ziel des Mönches, die
N In achoret ganz zu erreichen hoffen. Aber das
a. > rad nebeneinander, das Kloſter galt als die
NEE SO NER, Sn Anachoretentum ale Die Stufe der Boll
no Ne re Valaſtina Das klaſſiſche Land des Möndh
Yen des zeligivien Yebens Durch Die zunehmenden
.. ssirsastfen wurde. Nachdem bereits Pachomius
rss Sri zu einem Kloſterverband zuſammen⸗
N. N an Ss 5. Jabrhunderts eine Organifation ded
PERGR NRLTIN EHI, Syenutengenojienfchaften einen gemeinſamen
296 Mön *
a entümlich Schauen des göttlichen Sichtes aus, Di
—— EX, Mona ——— De ——
404 ‚betrug. Anſ
Ba na al ———
ppthmiſche Spite nf
| er j fi beit abfre d eder t. Bis te der
es m [reichen iin Grant mb — wie ea —* Kld:
25 —— als re u Er chen Mönchtums erbalten (Ph. , |
efchichte d ſter, Leipgi 1893). erofden. nd; heute iR
—— Beine dm Bi hit iſt er bis beute nicht —— —— iſt
das heſychaſtiſch —— dem Sthos’im Brauche (Bh. Meyer, äge zur Kenntnis
der neueren ichte und des gegenwärtigen Zuftandes der Athosflöfter RS 1890,
©. 395ff. und 539 ff.)
Verhältnis des griechiſchen Mönchtums zu Kirche und * Obwohl
das Mönchtum in ſeinem Urſprung ſich als eine Bewegung —— eine I
Kritik an der Weltfi Akte I wurden doch ernitere Kämpfe vermieden, Das M
Km zwar in ber Zeit 2“ — * und dem —* rau ® — nen ha
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hohe M
diefer die größere Seiligtit Des Möndheftandes —* —— *
mandrit — (geſt. — eine —— iche Amt (Vita Sabae
0 S. ee DR ‚aber bie 4 das ‘ 1 hd, gu he — vor allem -
fius ben | 1 Mc jr
or Sfanatismus im 5, Jahrhundert gemacht hatte, führten zu einer
tönchslebens auf dem Konzil zu Chalcedon 451 (e. 4,8, 23, 24):
Känntliche Mönche der Rarocıie In e in d dem Biſchof unterjtellt. Obne biihöfliche Erlaubmis
55 darf fein Kloſter gebaut werden. Sklaven dürfen nicht ohne Willen des Herrn
werden. Den vom Konzil als verbindlich vorau efefen intrittsgelübden wird die Ver—
lihtung zur Ortsbeftändigfeit (stabilitas loci) hinzugefügt, um das Um —— |
Nönche zu verhindern. Die für Kloſterzwecke geweihten Baulichkeiten dü * —
en almählich rer eg Die — — die — e mit dem
{ 5
zu profanen Ziveden eingezogen werden. In Anknüpfung an das Ghalcevonenfe
co nian durch feine Kloftergefeßgebung, die die Grundlage aller gejeglichen
my Möonchtum
derit irt Das Moͤnchtum nirgends autochthon, ſondern überall aus dem Orient
EEE TE —8 dem nicht zu bezweifelnden Jeugnis Des Hieronymus (ep. 127, 5;
irgstcenı, Öwronpimus I, 22G6ff.) bat bereits Äthanaſius in feinem römiſchen Exil von
e die Runde don den Eremiten Antonius und den Klöſtern Dee Pachomius
ao Nat zedracht, und nach Palladius (Hist. Laus. 1) weilte auch ein Mönch Iſidor
s Agepien um Sao in Mom. Die vornehme Römerin Marcella war die erite aus den
3 teren Noms, Die ſich der Askeſe weihte, wenn fie auch fein jtrenges Nonnen⸗
rn au uhren begann, ſondern noch ganz in der Weiſe der alten Asketen iebte. Auch
Sy Zwmpeter des Ambroſius, Marcellina, nahm bereits 353 den Schleier in Rom (Am:
ruv. de virg. III, 1--3). Eine andere Hömerin Aſella (Paladius, Hist. Laus.
Pi
=:
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-
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“5 Deganın 6 ereite als aehnjähtiges Madden 3-44 ein ſtrenges Nonnenleben (Hiero-
nyımus ad Marcellam ep. 4 de laudibus Asellae). Durch den Biſchof Petrus
HT) Alerandria— der 373 in Jon eine Zufluchteftätte fand, wurde vielleicht Der Zug nad
Sen Lrient bervorgerufen, der die vornehme römiſche Aitwe Melania und Rufin nad
—8* und Jeruſalem, Hieronymus zu den Einſiedlern der Wüſte Chalcis führte.
vun den 70er Jahren des 4. Jahrhunderts ſcheinen im Occident die erſten Kloſter
vartttuerden zu ſein, Sozomenos (hist. ecel. III, 14) berichtet, daß noch in den Tagen
div Hilariub von Woitiers, des Martin von Tours, des Aurentius von Mailand 5000
—V —2R olxovow, Aneigatoı FL Novayız@r ovvomxıav Noar.
Lie Gemeinſchaften männlicher und w eiblicher Asfeten paßten jihb nur allmäblig der
kloſerlichen Aokeſe an. An dieſe beitebenden doxyrnora fnüpften die Vertreter der mön-
sbinben Propaganda ihre Bemühungen um ein jtrengeres asfetijches Yeben, mobei aber
bav Kloſterweſen nur langſam vorwärts ſchritt und durch das Beſtehen der Jungfrau⸗
haſten ſaſt mehr gehemmt als gefordert wurde. Beſonders war Hieronymus in ſeinem
lomiſchen Aufenthalt don 382 bis 385 in dieſem Sinne thätig, aber es gelang ihm nicht
Law Haupt des asketiſchen Kreiſes, Marcella, zu ſtrengerem asketiſchen Leben zu bewegen,
nur die vornehme römiſche Witwe Paula und ihre Tochter Euftochium verichärften unter
ſeinem Einfluß die Askeſe. Als aber Bläſilla, die älteſte Tochter der Paula, durch über:
tiebene Mofefe 385 einen früben Tod fand, fam die Stimmung des römischen Volkes
een Die Mönche zum beftigen Ausprud (Hier. ad Paulam ep. 39, 5), Hieronymus
mußte Mom verlaffen, und Faula und Euſtochium folgten ibm nach dem Drient, um im
Nlojter zu Bethlehem ihr Yeben zu bejchließen. Nicht ohne ſcharfe Oppoſition, die in
Helvidius und Jovinian (ſ. d. AN. Bd VII S. 654 und Bd IX S. 398) in Nom, den
beiden Mönchen Zarmatio und Brabantianus in Mailand und den \panijchen Prieſter Vigi⸗
1a lantius (ſ. d. A.) beredte Vertreter fand, ſetzte ſich das Mönchtum im Abendlande durch.
Veſonders die zu 2 oder 3 in den Städten lebenden Aofeten, die in Italien solum aut
primum genus monachorum waren (Hieronymus ep. 22), wiberjegten ſich aufs hef⸗
tigſte der mönchiſchen Klauſur. Trotzdem gab es ſchon, als ſich Auguftin 388 in Rom
aufbielt, viele diversoria sanctorum. In den römiſchen Nonnenklöſtern erwarben ſich
die Nonnen ihren Lebensunterhalt durch Spinnen und Weben von Gewändern (Auguſtin
de mor. ecel. cath. I, vu). In den 9er Jahren des 4. Jahrhunderts wurde der rö-
miſche Senator Pammachius Mönch (Hist. Laus. ec. 122; Hieron., ep. 66) und be
grundete in Gemeinschaft mit der vornehmen Witwe Fabiola im römiſchen Hafen ein
byriibmtes Xenodochium.
In Oberitalien war der Biſchof Ambrofius von Mailand (ſ. d. A. Bd J S. 483)
ber wirkſamſte Beförderer des Kloſterlebens. Er gründete in einer Vorſtadt Mailands
cin Mlofter in Nachahmung orientaliſcher Vorbilder, Das er abweichend von der morgen:
—66 Sitte, die die Mönche auf eigene Arbeit hinwies, aus ſeinen Mitteln erhielt
Auguſtin, Confess. VIII, 6). Ob das von Auguſtin (de mor. eccel. cath. I, 70)
upabnte diversorium sanetorum non paucorum hominum, quibus unus pres-
byter praeerat, mit dieſem Kloſter identiſch oder ein zweites mailändifches Klofter war,
mt nicht mit Zicherbeit feitziitellen. Neben Ambroſius it der Sardinier Euſebius von
Lercellae der wichtigite Wegbereiter Des Mönchtums in Oberitalien. Er gilt neben Auguſtin
als Der erſte, welcher ein mönchiſches Zuſammenleben der Kleriker, das ſpäter Jogenannte
„kanoniſche Yeben, begründete (ep. 63 Ambrosii ad Vercellenses c. 71: haec igitur pa-
tientia in s. Eusebio monasterii coaluit usu et durioris observationis consue-
tudine hausit laborum tolerantiam; namque haec duo in attentiore christia-
norum «levotione praestantiora esse, quis ambigat clericorum officia e&
monachorum instituta”). Wabrſcheinlich ſind dabei orientaliſche Vorbilder wirkſam,
hier in feinem Exil kennen gelernt hatte. In Unteritalien förderte der aus vornehmem
Mönchtum 229
Geſchlecht ſtammende, ſpätere Biſchof von Nola, Paulin (ſ. d. A.) das Mönchtum. Für das
wahrſcheinlich bei Terracina am tyrrheniſchen Meer gelegene Kloſter Pinetum uͤberſetzte
Rufin die Regel des Baſilius ins Lateiniſche (Praef. Hosten. I, 67). Sin Kampanien
und Sicilien gründeten die jüngere Melania, die Entelin der älteren, und ihr Gemahl
Pinianus gegen Ende des 4. Jahrhundert? zahlreihe Mönchs- und Nonnenklöfter (Palla⸗
dius, Hist. Laus. c. 118—121). Im Jahre 412 rübmt Hieronymus (ep. 127 ad
Principiam) die große Verbreitung der Klöfter in Stalien: erebra virginum mona-
steria, monachorum innumerabilis multitudo, ut pro frequentia servitium deo,
quod prius ignominiae fuerat, esset postea gloriae.
Bejonders früb und zahlreich wurden die fleinen Inſeln des nördlichen tyrrhenifchen 10
Meeres von Eremiten bejiebdelt, dieſe öden Eilande follten den Abendländern die MWüfte
erjegen. Für Gorgona bezeugt Oroſius (Hist. VII, 36), für Capraria Auguftin (ep. 48
e. 4) und der beidnifche Dichter Rutilius Namantianus (de reditu suo I, 12) die Eri-
jtenz von Mönchen. Auf dem Inſelchen Gallinaria bei Genua lebte bereit# um 360 ber
beilige Martin von Tours als Gremit (Sulp. Sev., Vita Martini c. 4). 15
Schr früb bald nad) 360 hat Martin von Tours (f. d. X. Bd XII ©. 389) in
Gallien das Mönchtum durch die Gründung des Klofters Licugé bei Poitierd und bes
Kloſters Marmoutiers (maius monasterium) bei Tours heimisch gemacht. Diefes gallifche
Mönchtum war von dem eifrigen Verlangen befeelt, das ägyptiſche Mönchtum durch
Strenge der Askeſe an Ruhm und Heiligkeit zu übertreffen (Sulp. Sev. dial. II, 5; 20
III, 1, 21). Im Süden Galliens wurde am Anfang des 5. Jahrhunderts durch den
BL Honoratus auf der Inſel Lerinum (f. d. U.) ein Eremitenverein geftiftet, und ziemlich
gleichzeitig begründete Caſſian (f. d. A. Bd III ©. 746) in Maffilia ‚ie Klöfter. Zahl⸗
reiche Kloſterſtiftungen folgten im Laufe des 5. Jahrhunderts in Gallien. Noch vor 450
legten die Brüder Romanus und Lupicinus am ſüdlichſten Teile des Jura eine Klofter- 25
folonie an, deren Mittelpunkt Condat war.
Bon Gallien verbreitete fih das Mönchtum zu den Kelten Englands und Irlands
im 5. Jahrhundert (|. d. N. Keltifche Kirche Bd X ©.204), und von den iriſchen Klöftern
fm 6. Jahrhundert die Chriftianifterung Schottlands aus. Auf iriſchem und fchotti-
or
Boden bildete fih im Anfchluß an die klöſterliche Mifjion eine eigentümlich mona⸗ 30
tiche Stirchenverfaflung aus (ſ. d. A. Keltifche Kirde Br X ©. 222).
Schon früh haben wir Kunde von einer Verbreitung des Mönchtums auf deutfchem
Boden. Vielleicht hat Athanafius während feines Exils in Trier die eriten Impulſe dazu
gegeben. Als der Offizier Pontitianus aus Trier 387 nad) Mailand kam, erzählte er
dem Auguftin von der Vita Antonii, die er dort fernen gelernt batte, und von Ein⸗ 35
fedlern, die in der Nähe der Stadt lebten (Auguftin, Confess. VI, 14 u. 15).
Auch die der dalmatinifchen Küfte vorgelagerten kleinen Inſeln wurden früh von
Eremiten bejtedelt, jo lebte Bonoſus, der Freund des Hieronymus, auf einer folchen Inſel,
und Hieronymus rühmt einen vornehmen Mann Yulianug, der eine große Zahl Klöfter auf
den Inſeln Dalmattens geftiftet und unterhalten habe (Hier. ep. 118, 5). 40
Wenig Sicheres iwiffen wir über die Gejchichte des älteften jpanifchen Mönchtums.
Ein gewiſſer Donatus foll von Nordafrika das Mönchtum nach Spanien verpflanzt haben.
Jedenfalls läßt der 6. Kanon des Konzild zu Gäfaraugufta vom Jahre 380 vermuten,
dab das Mönchtum fich hier nur gegen eine ftarfe Oppofition aus den Kreifen des Klerus
durchzuſetzen vermochte. Der Kanon verordnet, daß, wenn einer aus Eitelfeit fein Kirchen: 45
amt aufgiebt um Mönch zu werden, der das jtrengere Geſetz als die Klerifer befolgt, er aus
der Kirche erfommuniziert und nicht eher wieder aufgenommen werden foll, bis er in-
Randig darum bittet.
In Nordafrika trat vor allem Auguftin für das Möndtum ein, dag auch hier an-
fange auf Widerftand ftieß (de opere monachorum c. 22; Salvian, de guberna- w
Gone dei VIII, 4). Sein Verdienſt ift es, neben Eufebius von VBercellä den Anfang
gr Monachifierung des Klerus gemacht zu haben, indem er feinen Klerus zu mönchiſchem
Zufammenleben vereinte (Possidius, vita Augustini c.5 und c. 11.
Auch bis nad) Noricum wurde bereits in der Mitte des 5. Jahrhunderts das Mönch⸗
kam verbreitet. Hier gründete der heilige Zeverinus (gejt. 482) zu Faviana und Paſſau 55
bie erften Klöſter (Eugippius, Vita Severini ce. 14 u. c. 19).
Was das innere Ktlofterleben in der vorbenediftinifchen Periode des abendländifchen
Nonchtums betrifft, jo treten trog der Nachahmung ägpptifcher und paläftinenfiicher Vor:
bilder alsbald in der occidentaliſchen Klofterdigziplin Abweichungen ein. Die Möglichkeit
zu foldyen Umbildungen war dadurch gegeben, daß ſich noch alles im Fluß befand. Es 60
* vollſte ‚ jedes Kloſter war auf ſich geſtellt und Negel,
es | in mehrere Negeln gebraud —53 a a im
denen ber $ le 129 Mhtes an bie Stelle ner ichr — af ilder
in Bezug auf die verſchiedene Uebung des
5 ländifchen Klöſtern Hu,2:a in hune modum di
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die Faftendisziplin der Mönche erte indem er eine ziveimalige
— das prandium um 3 Uhr und die coena an Abend, ete (Inst. III
2; IV, 18). Das in ber et Kirche ya —— wollte er ſo⸗
— ben übrigen ten Des
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| , , der er wochen wes elnden Dimfleun der Mönche hlof er fi
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D. Scchaf, Über das ze elb Benetitis von Aniane ‚25, x 1895 "Royale
Ge el x, 3 in der
Überfegung Hufing, die Negel des Pachomiue in ber Rbekung * ap mer} und
die fogenannte Regel des Macarius (Holitenius I, 18—21), lebt —
ame — (geſt. 539) gegründeten Kloſter ——— Sean ( Dich Lange
ucht (Vit. S. Joh. abb. Reomaensis A.SS. 0.5 I, 635). In anderen onen
15 wie 4. B. Yerimum (f. b. V.) waren die Gebräuche nicht fd fie) aufaggei et, fondern wurden
mündlich tradiert. In Nonnenklöftern galt vielfad die fogenannte Regel Auguſtins,
urſprünglich eine Belegenbeitsich rift für eine Gemeinſchaft afrilanifcher —
(ep. 211 Augustini, Holſtenius I, 347—350). Dieſe Regel legte auch
Arles (geit. 542) feiner Nonnenregel “ runde (Reg. ad virgines, pol olftenius 7, I,
0 353—362; Fr. Amold, Cäfarius von Nrelate, Erfurs 5, die Nonnenregel des Cäfarius
©. 500-809). Auch von dem Biſchof Nurelian von ve eit. 555) beſi od ——
regel für das von ihm gegründete Kloſter, bei der er die Pegel feines ‘
benußte, Aus dem 6. Jahrhundert find ferner die Nonnenregel des Ah * —
vom St. Peterkloſter ji Vienne (Haud, AG Deutfchlands I, 238) und die Möndsregeln
56 des Gäfartus von Arles (HolfteniusI, 143Ff.), der Äbte Stephanus und Paulus (
I, 138 ff), die Slofterregel des Hlofters Agaunum (St. Maurice in Wallis) (
Tarnatensis, Holft. I, 179—186) auf uns gekommen. Aus Spanien ftammen die Ne;
des Biſchofs Ferreolus bon Ueetia (Ufez) geit. 581 (Holſt. I, 155 f}.), des Biſchofs en er
bon —— geſt. 636 (Holft. I, 187 ff.) und bes Fructuofus bon Complutum age
oo (Holft. I, 200.), Alle dieſe Kloſterregeln ſind unabhängig * der Be
u — l
Mönchtum 231
nedikts, fie haben fämtlih nur Iofale Geltung erlangt, während die Regel Benedikts
Ne) bom Mutterllofter Monte Caſſino verbreitete und alle anderen Regeln im Abendlande
verdrängte.
Mas die rechtlichen Verhältniffe der Klöfter in der vorbenebiktinifchen Periode be—
trifft, jo wurden die Klöſter als Korporationen anerkannt, denen die Befugnis, Vermögen
zu erwerben und zu befiten, zuftand. Sie bedurften dazu feiner bejonderen ftaatlichen
Genehmigung, mie die meilten PBrivatlorporationen, aber die Mönche unterftanden als
Laien durchweg denjelben Rechtsſätzen wie alle übrigen Laien (Löning, Gejchichte des
deutichen Kirchenrechts I, 352). Wie im Orient das ökumeniſche Konzil zu Chalcedon
vom Jahre 451 die Pflichten der Mönche für kirchliche Pflichten erklärte und deren Über: 10
tretung mit firchlichen Strafen bedrohte, jo verordnete dad 2. Konzil von Arles vom
Sabre 460, daß fein Mönch feinen Stand bei Strafe der Exkommunikation verlafjen
bürfe (c. 25), und das Konzil von Vannes vom Jahre 465 beſtimmte, daß ein Mönd,
der ohne Erlaubnisſchein des Biſchofs das Klofter verlaffe, mit Schlägen gezüchtigt werden
(e. 6), und nur der im Klofter bewährte Mönch vom Abt die Erlaubnis zum Eremiten- 15
leben erhalten folle (ce. 7).
Zangjam verbreitete A die Negel Benedikt von Nurfia (f. d. A. Bd II ©. 579, 59),
die ſich nicht ſowohl durch Originalität als durch verftändige Milde und fluge Elaftizität
auszeichnete, die Mönche zu ſtrengem Gehorfan, zur stabilitas loci und zur geordneten
Arbeit erzog. Durch Gaffioborus (. d. X. Bd III, S. 649) wurde auch wiſſenſchaftliche 20
Beihäftigung in den Klofterplan aufgenommen. Mit Hilfe der Päpite gelang es der
Kegel Benedikts im 7. u. 8. Jahrhundert die anderen Mönchsregeln im Nbenbland zu
verdrängen.
Die eriten Einwirkungen der Regel Benedikts zeigen fich bereits in der Regula magistri
(Holft. I, 224ff.) und in der Nonnenregel des Biſchofs Donatus von Befangon (geit. 660) 25
(Holft. I, 375 ff). Ten größten Widerftand feßte der Verbreitung der Regel Benedikts die
Kegel des Iren Columban, des Gründers von Luxeuil und Bobbio (geit. 615), entgegen, die im
Frankenreich und in Oberitalien in vielen Klöftern gebraucht wurde. Aber der jchroffe Nigoris-
mus der Columbanfchen Regel mußte der größeren Milde der Benebiktinerregel weichen.
Durch Gregor II. u. III. und Bonifatius wurde die Regel Benedikts die Norm des Klojter- so
lebens im Frankenreich, und diefes Wert fand an den fränkiſchen Königen Karl d. Gr.
und Ludwig d. Fr. nebſt ihren Gebilfen Alcuin und Benebift von Aniane feine Erhalter
und Fortſetzer. Je mehr jich die Klöfter vermehrten und je größer ihr Einfluß auf das
Bolt wurde, um fo mehr mußten aber auch die Bifchöfe auf Unterordnung der Klöjter
unter ibre Gewalt dringen. Die Abhängigkeit des Abtes vom Bilchof gründete ſich aber 36
darauf, Daß der Abt als Diakon oder Prieſter der Klofterfirche vorstand. Andererſeits
durfte der Bijchof feinen Mönd ohne Erlaubnis des Abtes zum Kleriker weihen. Ob:
wohl die Hegel Benebikts die Wahl des Abtes durch die Mönche vorfchrieb, maßten fich
vielfach die Gründer der Klöjter ein Ernennungsreht an. Seit dem 6. Jahrhundert
(Regula magistri c. 93) wurde der Abt durch die Benebiltion des Biſchofs in fein 40
Amt eingeführt. Um fich gegen die Übergriffe der Biſchöfe zu ſchützen, unterjtellten fich
die Stlöfter feit dem Ende des 6. Jahrhunderts mehrfad dem Schuge des Könige und
tömiihen Biſchofs. Das erfte Beifpiel einer vollftändigen Eremption eines Klofters von
der biichöflichen Gewalt und unmittelbarer Unterordnung unter Nom enthält dag dem
Bobbio vom Papſt Honorius I. 628 erteilte Privileg (Jaffs 1563; Xöning, 45
Geſchichte des deutſchen Kirchenrechts II, 364ff.). Was die innere Verfaflung der Klöfter
betrifft, jo verbreitete fi) das Inſtitut der Oblaten. Obwohl Bonifatius dasselbe
energiſch belämpfte, beitimmte Gregor II., daß die Kinder, die von ihren Eltern im
— dem Kloſter geweiht worden waren, lebenslänglich im Kloſter ausharren
ten.
a
co
Seit der Zeit des Bonifatius wurde das abendländifhe Mönchtum zum Kultur:
träger im meitelten inne. Die Mönche des heil. Benedikts rodeten die Wälder,
ſchufen Wüſteneien in Aderland um, wirkten ale Mifftonare, brachten das Chriften-
tun dem nördlichen Europa und forgten für die Überlieferung der altchriftlidhen Theo—
logie und eines Reſtes antiker Kultur. Die Klöfter wurden die Mittelpuntte des religiöfen 65
Sehens, überall erblühten Klofterfchulen, unter denen die zu St. Gallen und Reichenau
en. Durch Schenkungen wuchs der Neichtum vieler Abteten ind ungeheure, der
aber auch eine Beteiligung an den Werfen chriftlicher Liebestbätigfeit ermöglichte
(Üblborn, Geſchichte der chriftl. Yichesthätigfeit II, 66 ff, II, 74ff.), doch führte auch
der Befig der Klöfter und die Uebernahme von Nulturaufgaben durch die Mönche zur co
232 —
——
Eee urfprünglichen * 3 zurüd
5 Die erjte diefer Neformen —— Aniane (ſ. d. A.
33 Es A 19 Miltelm von Lobpans I
DEN von —e m bon iano m
Rranfreib und Überital alemnitanere ai erius in Umteritalien, des Abtes
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Camaldulenſer (. d. x IL, Se683), die $ — von Fonte Avellana und
20 von abulefer (| 3b VII ©. 221 ‚22) bervor. den Vallombrojern begegnet uns
pur ar. —— — Boben das nfttut der — * (fratres —— die
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5 egung (1. 5. %. Bo VII ©. 158) bradte es nicht u Der | —— er Kongre
* * — * ßten Einfluß di egründete ee ge
zum geö ie neug
Giftercienfer (ſ. d. A, die ich den verweltlichten Cluniacenjern — ——
3 * die Wiederh tellung des urjprünglichen Möndhtums zum Ziel jeßte. Dabei ver:
danften die Giftercienfer ihre —— nicht zum wenigiten dem Bruch mit dem ——
Wirtſchaftsſyſtem der älteren Benediltiner und Cluniacenſer. Sie nahmen i
in Eigen * chaft auf gefchloffenen Gütern und verbanden mit der agrarif ——
T t (Ublborn, Der Einfluß der wirtſchaftlichen Verhältniffe auf bie elu
35 des öndhtums im MA. 3RG XIV, 370ff.). Derneue Aufſchwung im AN Pier
namentlich in Frankreich eine Neihe neuer Bildungen bervor. Nody vor den Giftercienjern
entftanden die Karthäufer (f. d. A. Bo X ©. 100), die das Eremitenideal zu erneuern
jtrebten, wenig fpäter der Orben zu ? ge und ber Orben ber Gilbertiner, die beide
das Inſtitut der Doppelklöfter von Mönden und Nonnen zur Stärkung der verfallenen
10 Kloſterzucht zu beleben ſuchten. Während alle diefe Kongregationen nod die Regel
Benedikts als Grundgeſetz fejtbielten und daneben nur eigentümliche — —9—
bildeten, war der Prämonſtratenſerorden (ſ. d. U.) ein ——— der nach
enannten Regel —— lebte und die Pflichten der ug ee mie,
Nengften Möncsleben zu vereinigen ſuchte. Die mönchiſche Reform
45 11. Jahrhunderts rief dies eis —— bervor und als Produkte rege de nat
und geiftlichen Ritterorden. In dieſen Orbensbildungen verband fich das weltliche und
geiftliche Ideal des Mittelalters in eigentümlicher Weife miteinander. Mit dem Erwachen
der individuellen Frömmigkeit entjtanden immer neue Orden und Kongregationen,
das 4. Yaterankonzil vom Jahre 1215 verbot jhließlich die Neugründung weiterer Orden
so (e, 13), um einer fortgehenden Überproduftion entgegenzutreten.
Eine neue Gejtalt erhielt das Mönchtum durch den bl. Fran iskus von Aſſiſi (ſ. d. N.
Bd VI, S. 197). Franziskus wollte das Leben des armen Chrijtus und Der armen
Apoftel i in der Vredigt bes Evangeliums und in ber —— ihres Lebens erneuern.
Das alte Armutsgelübde wurde zu unbedingten Befislofigfeit nicht nur des Einzelnen
55 jondern des Ordens und zum Leben der Mönche von erbettelten Almofen umgewandelt,
Die Weltflucht, Klauſur und Suridoegogenheit des bisherigen Orbensivejens
dem lebendigjten Eingreifen in das Volt durd Predigt und Beichthören weichen. D
abendländiidhe Mönchtum, das bis zum Ende des 12. Jahrhunderts eine weſentlich a ifte
kratiſche Snftitution geivejen var, wurde volkstümlich. Eine in Hingabe der Seele an Chriſtus
so neu gejtimmte Frömmigkeit ging von Aſſiſi aus und bemächtigte fich der Kirche (Harnad
Möonchtum 233
S. 51). Kirchengeſang, Predigt, Kunſt und Wiſſenſchaft nahmen einen neuen Aufſchwung.
Neben den Franziskanerorden traten der urſprünglich zur Bekehrung der Ketzer geſtiftete
Klerikerorden der Dominikaner, der ſich aber bald ganz dem Franziskanerorden konformierte
und ebenfalls zum Bettelorden wurde (ſ. d. A. Bd IV, S. 771). Der Franzisfaner: und
ber Tominifanerorden wurden in der zweiten Hälfte des Mittelalters zum Hauptträger der 5
ſcholaſtiſchen Theologie, und die in den Klöjtern der Bettelorden erblühende Myſtik erweckte
die religiöje Individualität und hatte fchöpferifche Bedeutung für eine neue reformatorifche
Geltaltung des chriftlichen Lebens. Neben die beiden älteren Bettelorden traten im
13. Sabrbundert als Bettelorden die beiden aus Eremitengenofjenfchaften fich entmwideln-
den Orden der Karmeliter (ſ. d. U. Bd X, S. 84), der durch feine phantaftischen Legen:
den alle anderen Orden in Schatten zu Stellen fuchte, und der Orden der Augujtinereremiten.
Später wurden noch die Bettelorden um die Eerviten (ſ. d. A.), Hieronymiten (ſ. d. A.),
Pinimen (j. Bd VI 5.223), Trinitarier (f. d. A.) und Mercedarier vermehrt. Dadurch,
Daß die Bettelorden im Dienft der Meltfirche arbeiteten, verweltlichten fie au. Der
anzisfmerorben wurde durch den Kampf um das Armutsgelübde zerrüttet. In dem 15
ruch der extremen Partei der Spirttualen mit Stirhe und Papſt trat noch einmal der
immer wieder verdedte Gegenſatz zwiichen den Zielen des Mönchtums und der Weltkirche
au Tape. Trotz der Reformverfuche im 15. Jahrhundert, die durch Das Konftanzer und Basler
nzil veranlagt waren und die Johann Buſch (f. d. U.) im Benebiktiner:, Giftercienfer:
orden und in den Auguftinerchorberrnitiften, Bernhardin von Siena und Johann von 20
Capiſtrano im Franziskanerorden, Heinrich Zolter und Andreas Proles im Auguftinerorden
unternahmen, wurden nur vorübergehende Erfolge erzielt, aber fein neues Leben in den
Orden erzeugt. Troß der ftetig wachjenden Zahl der Orbensbildungen, der unüberſeh—
baren Mafje der Klöfter und der außerorventlih großen Zahl religiöfer Bruderfchaften,
die ein asfetiihes Andactsleben pflegten, jchien der Verfall des Mönchtums unauf: 25
baltfam. Nm Zeitalter der Renaiſſance fchien das Mönchtum fich felbft — menige ehren:
polle Ausnahmen abgerechnet — zur Faulheit und Nichtsnugigfeit zu verdanımen (Harnad
55).
Erft im Zeitalter der Gegenreformation brachten einige alte Orden neue lebens-
kräftige Triebe hervor, unter denen die Kapuziner 1528 als Kongregation der Franziskaner 30
iftet, Später felbititändiger Orden (ſ. d. A. Bod X S. 50), die unbeſchuhten KRarmeliterinnen
Therefe von Jeſus (geft. 1582), die unbefchuhten Karıneliter des Johannes vom
Kreuze (geit. 1591) und die franzöfifche Gijtercienferreform der Feulliants vom Sahre
1580 die bedeutendften find. Yud das ältefte Produkt der fatboliichen Neftauration, die
Theatiner vom Jahre 1524, die eine Neform des regulierten Chorberrninftituts daritellen, 36
an Strenge der perjünlichen Beliglofigfeit noch die Bettelorden übertrafen, aber die Pflichten
der Weltgetitlichen übten, find bier zu nennen. Bon viel grüßerer Bedeutung wurden
die neuen Orden, die im Zeitalter der Gegenreformation entitanden. Die erite Stelle
nimmt unter ihnen der Jeſuitenorden (f. d. A. Bd VIII, ©. 742) cin. Die Schöpfung
Loyolas ftellt ſich als eine neue eigentümliche Entwidelungsphafe des abendländiſchen wo
Mönchtums dar. Zwiſchen Klerus und Mönchtum mitten inneftehend und beide ver:
bindend ift ihm alle Askeſe und MWeltflucht nur Mittel zum Zweck, nämlich die Herrichaft
der Kirche zu ftüßen und auszubreiten. Tiefer Zweck fommt zum Ausdrud in einem vierten
de, das den drei alten Mönchsgelübden binzugefügt wurde, vitam perpetuo
domini nostri Jesu Christi et Romanorum pontificum servitio dedicare (Be: 46
Mätigungsbulle Paul III. vom 27. September 1540). Neben dem efuitenorden ent:
eine Reihe neuer Orden, in denen an Stelle der alten Ideale Llöfterlicher Voll—
tommenheit und Weltflucht der Gedanke der Vereinigung zu praktiſch kirchlichen Ziveden
kat Diefe Neubildungen waren faſt alle Orden der inneren Miffion im weiteſten Sinne
bed Wortes. Ausbildung des Klerus, Mitarbeit an der religiöfen Volfserziebung im co
Beichtftuhl, Predigt und Volksmiſſion, Jugenderziehung und Krankenpflege machten ſie ſich
u Aufgabe. Tas gemeinjame Leben der Urdensangehörigen diente nur zur Berufs:
berbilbung. Nicht der die eigene Scligfeit fchaffende, ſondern Chriftus d. b. der Kirche
m Armen und Kranken dienende Möndh oder Nonne erfcheint als deal. Befonders
bad weibliche Geichlecht wurde zur Mitarbeit für die Aufgaben der Kirche mobil gemacht. 55
Die meiſten diefer neuen Stiftungen nahmen die freiere und elaftifchere Form der Kon:
ionen an. In dieſen Kongregationen wurden die Mönchsgelübde vielfach nur auf
mte Zeit abgelegt. Auch wurden nur die einfachen und nicht Die feierlichen Gelübde
we in den Orden getban, dadurd behielten die Profeflen das Eigentum an ihren
Gütern, mußten nur die Verwaltung und Verwendung an dritte übertragen, und vo
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ie — hatte bereits den Orden große Gebiete entriſſen, aber noch weit
eingreifendere gg übte die franzöfifche Revolution auf das Snhtum aus. Cluni
und Gifterz wurden zerjtört, — in ein großes Zuchthaus umg eivandelt und in
*. die Ka —— — — ————— aufgehoben —— die
Klöfter der — ‚Orden ftarf n Deutjchland murden durch den eputations-
Srchung 3 vom J. 1803 — fi er fähularifiert. Erſt jeit 1814 mit der Wieder:
35 titenordens begann die Neftauration des Kur liſchen Monchtums, die
aber dur ————— ng der Orden und Aufhebung der Klöſter in vielen
—— im Deutfchen Reiche bejonders in dem ** des Rulturtampfes,
zen wurde. Alle alten Orden, die im 19. Jahrhundert wieder entjtehen, ſowie die
ongregationen und die zahlloſen freien Vereine, die ſich neu bilden, find jaft ſämtlich
4 vom Geiſt des Jeſuitismus drungen. Nur der Benebiktinerorden hat fid feine Selbit-
ſtändigleit zu bebaupten gewußt. Nachdem der legte Mauriner als Mitglied des Inſtituts
von Frankreich geftorben war, fauften 1833 einige Freunde Lamenais’ die alte Wbtei
Splesmes, um in ihren Kreifen die gottfelige Gelehrſamkeit der Kongregation des heiligen
Maurus zu erneuern (Hafe, KG, ©. 732). Neben Solesmes ii t die feit 1863 ——
45 hergeſtellte, Abtei Beuron, zu deren Kongregation das feit 1872 nl beit u
Maredfous gehört, eine Stätte tüchtiger tatboliieer Wiſſenſcha se
trefflichen Statiftif des Benediktiners Baumgarten (Aus den Hiftorif -politifchen B
Chronik der Chriftl. Welt 1901, ©. 468), deren Zahlen fait alle aus dem — 1001
itammen, Sp es jetzt Prieſter, Scholaftiter, Novizen, Laienbrüder der einzelnen geiftlichen
so Senofjenjchaften: 20457 chriſtliche Schulbrüder, 16458 Franziskaner, 15073 Jeſuiten,
9464 Kapuziner, 6000 Mariftenfchulbrüder, 4565 ‚Benediktiner, 4538 Trappiften, 4350 Dos
minitaner, 3304 Lazariften, 2149 Väter vom bi. Geift, 2000 Karmeliter, 1858 Augu
1698 Mitglieder der Gejellichaft des göttlichen Wortes, 1580 Oblaten der unbe
Empfängnis, 1194 Mitglieder des Pariſer Seminars für auswartige Miſſionare, 1000
55 weiße Väter, 238 Mitglieder des Seminars für afrikaniſche Miffionen zu Lyom Auf
Deutichland entfielen im Sabre 1899 (Baumgarten, Die fatbolifche irche und ihre Diener,
1899) 4116 männliche Ordensleute, von denen 818 Franzisfaner, 515 Hapuziner und
432 Benediktiner waren, nnd 32731 weibliche Ordensangebörige.
Während ſich im Orient die freie Form der Laura neben dem Gönobium erbielt
vo (Über den älteften Rlofterbau ſ. V. Schulge, Archäologie der altchriſtlichen Kunſt, München
I, Bi
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a — — ee
236 Möritofer
obannfajpar 1877. fer tterat —————
— ten Sehen b Fat ; lic nen itteratur u
Piarrer 9. G. Sulzberger
ber Sr Ehumnauithen Belt Beiträge zur vaterländijchen Seidjichte* (mit Mor,
Teer Ariel Ant Beitungen, genannt zu dem Artifel der Allgemeinen deutſchen Bin
örifofer, geboren 11. Oftober 1799 — geſto ber
u —— bei Zürich, nimmt als —— auf dem Felde
owie au
6 *
er *
10 theologiſchen Studien an der riichen € 1822 at in fine Dairadt a
ein erlangte en Umgeſtaltung
en als Rektor ——— nF hatte er ein
offenes Auge für gemeinnügige n; er f einer kanto⸗
nalen böberen Zebhranftalt den Boden zu ebnen; — —
des —5* ornhauſe gr —— — — doch eh |
die verjüngende Be des fantonalen, Stnatötoefens 1830 berührt und trat jour-
| auer “ mit dem Ausprud feiner politischen Auffafjungen
bervor. Obſchon er mit den kirchlichen Funktionen ftets in Verbindung geblieben tar,
2 erlangte cr och ef, 1851 — bie —— auf die angel der Gemeinde Gottlieben
ma ertvünfch Weg die Ankıı mit enberg. e
IR. ſchon —— 17 — * ynode — te
(ir die Kirche ſich beteiligt, jo war em das ieh, er in jeiner Stellung reg des
25 REN Kapitels, no er nn lichen Fleiß verwandte er auf die ver
ng ber — legenen 1845 gegründeten Armenerziehungsanſtalt Bernrain. A
—* er ſein Pfarramt —— und wählte als Wohnſitz die Heimat ſeiner Pre
attin, ROTER * er aber nach einigen J mit Zürich vertauſchte, mit
ſeit feiner Studienzeit ſtets vege Berührung feitgebalten hatte. Die philoſophiſche Fakultät
3 der dortigen Hochſchule hatte ihm (dom 1872 die Ehrenpromotion erteilt — 1876 —*
blieb I, in ter — bis in Die eriten Donate feines legten
. jahres thätig.
M. war au (serien Feldern ein for orfcher und Sammler, em —*
und mehrere ſeiner 3 id von bleibendem Werte. Sein
g
engeren Ansgauiiöen Hai imat ſchenkte uerſt in —* Sammelwerke: „Die
Ritterburgen und —— — * ere Schilderungen, und ebenſo ſchrieb
Auftrage der von ihm überhaupt auf das rührigſte unterſtützten kantonalen —534
40 zur — Guten und Tg mehrere Neujabrsblätter, befonders 1842
u einem Buche eriweiterte Yebensbild des 1841 veritorbenen Landammanns Under:
wi eines Bolitifers, der um die erjten Stadien der Entwidelung des 1798 jelbitjtändig
gewordenen ntonalen Staatsweſens weſentliche Werdienite ſich erworben win Wie
1858 M. als damaliger Präfident der genannten Gefellichaft zur Gründung des hiſto—
45 riſchen Vereins des Kantons mithalf, jo gab er auch zu deſſen Veröffentli
Mitwirkung. Erſt nad jeinem Tode erſchien nod 1878 in Heft VIII diefer „Beiträge“
jeine — und liebenswürdig originelle Schilderung: „Die letzten Tage des Kar—
thäuſerlloſters — eine Erinnerung aus den Tagen des Jahres 1848, wo M,,
wenigjtens jo viel an ihm lag, ſich nach Mufbebung der thurgauiſchen Klöſter die größte
Mübe gab, die wiſſenſchaftlichen und fünftleriichen Schätze vor drobender Verfchleuderung
Kam Aber auch anderen Bereichen des heimiſchen Lebens jchenkte er feine fleißige
badtung: jo ließ er fi im feinem Pfarrdorfe Gottlieben, deſſen Einwo e ——
ſächlich dem Fiſcherberufe im Rhein und Unterſee ſich hingeben, über dieſe
genau unterrichten, woraus die ſpäter, 1884, im Feuilleton der —
66 zeitung“, Nr. 136—142, abgedruckte Abhandlung erwuchs. In einer jchon 1838
nenen Brofchüre: „Die fchtweizerifche Mundart im Verhältnis zur bochdeutichen i
prache aus dem Geſichtspunkte der a der Sprache, des U ts, der
Nationalität und der Litteratur” mar M. den Verfuchen von Lehrern, die aus
land gefommen waren, die Mundart aus der ſchweizeriſchen Schule und > ‚gilt m
so perbrängen, entgegengetreten, und er erfreute ſich ber ermutigenden Aufnahme bes
Mörikofer Mörlin 237
—— — eines verſtändnisvollen Schrittes auf einer erſt viel ſpäter energiſch betre—
tenen Bahn.
Aber auf einen ungleich breiteren Boden begab ſich M. mit dem groß angelegten
Werke, das er noch als Pfarrer in Gottlieben ſchuf und herausgab: „Die Schweizeriſche
Litteratur des achtzehnten Jahrhunderts“, das 1861 erſchien und für das der Verlag von 5
S. Hirzel in Leipzig gewonnen worden war. M. wollte hier, was Gaullieur für die
franzöſiſche Schweiz verſucht, für die deutſche wiederholen, prüfen, wie es der Schweiz
vergönnt geweſen ſei, bedeutend in das Geiſtesleben und die Litteratur Deutſchlands ein-
zugreifen, trotz der mehrfach erſchwerenden Zeitverhältniſſe. Er hielt es für notwendig,
das zu thun: „Die Kritik glaubte ſich berechtigt, das Ubermaß des perſönlichen Anſehens,
das einzelne Schweizer des vorigen Jahrhunderts erworben zu haben ſchienen, an ihren
Schriften zu rächen und dieſelben eine Ungunſt erfahren zu laſſen, welche mit der Aner—
fennung der Beitgenofjen in einem grellen Widerſpruch Bene M. hatte durch einzelne
Vorarbeiten, Klopſtock in Zürich im Jahre 1750 bi8 1751” (1851), „Heinrich Peſta—
lozzi und Anna Schultbeß” (im Zürcher Tafchenbuch von 1859), feine Befähigung für
diefe Aufgabe fchon dargelegt. In vierzehn Abfchnitten führte jet M. in dem größeren
Buche, von Haller und Bodmer bis auf Lavater, Peltalozzi, Johannes Müller, die Ver—
bältnifje vor, unter denen jene Schriftfteller fich heranbildeten, mie aus der perjönlichen
Eigentümlichkeit, der Stellung der Einzelnen ihre Werke entitanden. Der bejonders viel:
feitigen Verfönlichfeit Lavaters, die M. ſchon bier mit befonderer Eindringlichfeit erfaßt 20
batte, widmete er noch in den legten Jahren vorzüglich feine Aufmerkſamkeit. Große
Sammlungen hatte er fi aus den reichen ın Zürich liegenden Materialien biefür ange-
legt und noch als legten Vortrag vor der antiquarifchen Gefellichaft im März 1877 eine
Studie „Lavater im Verhältnis zu Goethe” vorgelegt (abgedrudt im Zürcher Tafchenbud)
von 1878), ala der Tod daztoifcen trat. 25
Schon 1819 batte aber ferner M., als Studierender in Zürich, bei Anlaß der
Säfularfeier der Reformation, fi) vorgenommen, die Gefchichte diefer Epoche in die Mlitte
feiner beabjichtigten hiſtoriſchen Studien zu rüden. Nabe perfünliche Beziehungen zu dem
durch feine tiflenfchaftlichen Arbeiten bejtens befannten Schaffbaufer Kicchhofer (vgl.
Bd X ©. 196) beitärkten ihm in dieſem Vorſatze. 1864 ließ M. einen die gejamte zo
kirchliche Entmwidelung behandelnden kürzeren Abriß: „Bilder aus dem firchlichen Leben
der Schweiz” vorangehen, der für das Verſtändnis weiterer Kreiſe wohl berechnet war.
Tanadı ließ er, 1867 und 1869, das Merk über den Neformator der deutfchen Schweiz:
„Ulrich Zwingli, nad) den urkundlichen Quellen“, in zwei Teilen, folgen. Es war die
erite umfaſſende Biographie, die hier geboten wurde, und befonders juchte M., wie fchon 3;
der Titel des Buches anzeigt, „Die vielumfafjende Lebensarbeit des Reformators in den
notwendigen Zujammenbang mit den gleichzeitigen politijchen Ereignifjen Zürichs und ber
Schweiz zu bringen“. Freilich hat feitdem Hubolf Stähelins feit 1895 veröffentlichtes Werk
die Arbeit Mörikofers etwas zurüdgeichoben, zumal in den Abteilungen, wo der jüngere
Biograph feinem Plane gemäp, den Theologen und den Denker ftärter zu betonen ges 40
dachte. Doch noch brachte M. zwei weitere wohlgelungene hiftoritche Werke als Früchte
feiner Studien. 1874 erichien als die am abgerundetften ic darbietende jchriftitellerifche
Arbeit jein „Rulturbild aus der Zeit des dreikigjährigen Krieges“, das Buch „J. J. Brei-
Anger und Zürich”, von dem Bd III S. 372-—375 bebandelten zürcherischen Intiftes,
von den M. nur das zu weit gehende Übergreifen auf das Gebiet der politischen ragen 4;
Er jo erfennt, wie das feither durch P. Schweizer in der „Gejchichte der ſchweize—
üben Neutralität” berausgeftellt worden ift. Und 1876 folgte noch die mit berzlichem
mmeren Anteil des Verfaſſers gefchriebene Würdigung eines großartigen Werkes der
Barmherzigkeit in der „Geſchichte der evangelifchen Flüchtlinge in der Schweiz“.
M. war bis in feine legten Tage eine höchſt anregende, liebenswürdig feine Per: zo
lönlichfeit, deren lebhaftes Intereſſe an allem, was ſie bejchäftigte, aus dem ganzen
Beien, den nod bei dem Greifen unvermindert fefjelnden Bli des Eugen Muges, der den
Da halanaen Redeweiſe, hervorging. Dabei war M. von einfach Ichlichtem, an:
sloſem Auftreten, in feiner ganzen Art zu denken und zu handeln von echter Reli:
gioſität erfüllt. Meyer von Knonau. 565
er
0
—
5
Mörlin (Möhrle, Möbrlein, Morlinus u. |. wm.) Joachim und Marimilian,
Brüder und lutheriſche Theologen aus Wittenberg ftanmend und in den Kämpfen, die
nach Luthers Tode entbrannten, tbätig. — Litteratur: Ein allerdings unvollftändiges Ver:
zihmis. der Schriften Mörling giebt Wigand in feiner Vita Morlini. Nad) feinem Tode er:
238 Rörim
S’ılırzıetizer, Zeil, Königäberg 1576, Teil II
N INN nam Arten LER rim Ueberarbeitung abgebrudt,
- un ren mu im Sm. sm ze oe om ihn ſind gedrudi
>. So. 0 Ma “er Dei 75 = den tortgejepten Samm:
=... zz a7 Brzsiis Tom. Iıu II in
Tr 2 nnd 272 anderes Handidrift:
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. >» ewmer, d.e 2m Dekan m _ Eezersardhio) u. ſ. w.
- emur nme, "nr zeben Seinen Fur —® Briefen Drei alte
m Sirersrıcme amgedrudı in den rrriegten Sammlungen
- meer 2.22 Vita Morlini von Sener= übel (Acta Borus-
. ="; :z> Acta Borussica I, 149. Icis ®smmen M. Adami,
—8 sun ame ziche RG III; SYarttnod, $:225.’De Rirchenpiitorie
- uneie 2 Ser Bittenberger Baitoren & EZ. 12: Sms. Memoria Berkel-
Sum, Suppl. hist. evelen. Saee XVI: Zi:z Dil. der Augsb.
kr Ledrbegriũ. Zeil 4, 5, 6; Schröckh, FE set der Rei. Bd IV;
= IV, Ps: Tolinger, Ref. IL, 453; reger. isntus Dh Iu.ll:
. mag Albrecht und jeine Hofprediger 1859: Baitser, 3. Körlin,
>. ser, Arnſtadi 1556, 1863, 40 (2 Programme): Tichadert, Sutel;
«roa Iu. I: Koch, Briefwechſel Mörlins mir Herzog Albredt, alt:
a 30 Heft 7 u ðV.
e rie Wigand berichtet, mit Vornamen Jodocus und mar, ale
J “run wurde, Magiſter in Wittenberg. Er wird als Trofeilor der
m \ota Borussica II, 477). Gr jtanımte aus der Umgegend des
BEER Da er in Wittenberg nicht fein Musfommen batte (pauperri-
.. Spalatin de Wette I, 553) wurde Jodocus Mörlin Pfarrer zu
u; bite Daß es ibm bier materiell viel” beſſer ging.
aribret ſelbſt, daß er am 8. April 1514 geberen iſt (Mörlins
srrreust Zeine Jugend war bei der Armut jeines Waters jehr hart.
.. ur in zarten Jahren untergebracht, mußte cr megen der Bauern:
er, ala er elf Jabre alt war -- mit feinem Bruder Marimilion
. tube, Mörlin lernte das Töpferhandiverf und Marimilian mar
en. AT Yebre, Nach Coburg zurüdgefehrt genoß Mörlm den Unter:
a mrhite Wolfgang Söfeler und ging mit 18 Jahren nach Wittenberg,
idieren. Mörlin jab als jeine Yehrer außer Yutber und Melanchtbon
to. Im vierten Studienjahr 1536 murde er zum Magiſter pro:
a dell Aufenthalte in Coburg begiebt ſich Mörlin ale (Erzieher von
sun td Friedrich Schwall wieder nach Wittenberg. 1536 heiratete er bie
weritsn Gordus und ZSchweiter jenes Zöglings. Den Vorſchlag, fich der
. vreiben, lehnte er ab. 1539 wurde er Yutbers Naplar. Schon damals
ar nenimgeberg ala Nachfolger Polianders in Ausſicht genommen worden,
... u Wittenberg su bleiben. „Der heilige Dann Yutber bat zu ‘Pommes
ori andern geſagt: habet ucht auf Dielen magistrum, wird jemand nad
seh der Lehre treu und ſtandhaftig bleiben, jo wird es dieſer Mann thun“
„ca Fom. II, 477). Zum Tofter der Theologie wurde Mörlin in Wittenberg
0 Zwei 1510, volente sanctissimo viro Luthero, wie Wigand fih ausdrückt.
"on se zeitlebens feiner Herkunft aus Wittenberg frob geblieben. Er bat fich
ne billig einen Zchüler Yutbers genannt, bat aber ſich auch jeiner übrigen
.., Praweeptores gerübhmt. In feiner Togmatif iſt er vornehmlich von Me
sit, zeigt Sich dagegen von Der Unionstreundichaft der Pbilippiſten voll⸗
ii Zein Eifern für Die Erſte Tafel, ſein Trieb zum „Strafen“, die ſtrenge
=. Zuparationspflicht trennten ibn von den eigentlichen Philippiſten. Mörlın
\ en tale am 22. Zeptember Wittenberg wegen des ardens odium phari-
no anen babe und laetus nad Arnſtadt als Superintendent gegangen ſei.
Br Dada pn der Ruf verſchafft. In Arnſtadt entwickelte Mörlin eine große Thätig-
ale viel ſittlichen Ernſt und unerichrodenen Wut. Darum mar feine Wiri⸗
ann Aruſtadt als Pfiarrer und Superintendent auch nur fur. Eum excutiunt
Par “th bemerkt Wigand. Von Luther hat Mörlin die Heiligkeit der Straf und
ivpilicht gelernt und verfiuhr demgemäß, mie ſeine in der Poſtille erhaltenen
—W beweiſen. gegen Das Volk und auch genen ſeinen Landesberrn, Den Grafen von
nethlige Da beſchloß Der Yandesberr die Vertreibung Des unbequemen Mahners,
"nnd Rorbaltungen machte. ale er vorſchnell um etlicher Fiſche willen einen
Und halle aufhängen laſſen. Die Vittſchrift der Gemeinde wurde vom Grafen ab:
Mörlin 239
ſchlägig beichieven (Acta Borussica II, 383). Im übrigen verfuhr der Graf mit jchtwäch-
licher Nacht. Zu Martini 1543 batte er Mörlin abgejegt, ließ es aber zu, daß der-
jelbe noch bis Dftern 1544 in Arnſtadt predigte und amtierte. Yuther bat fich in dieſem
Streite durchaus auf Mörlins Seite geftellt, deſſen Zuchternft feinen Anjchauungen ent=
ſprach. Er fchrieb an die Bürger von Arnſtadt, feparierte fi) vom unbußfertigen Grafen 5
und tröftete Mörlin. Diefer mußte einen neuen Wirkungsfreis ſich ſuchen. Johann
Friedrich von Sacien bot ihm eine Hofpredigerftelle an, Luther empfahl ihn Amsdorf
al® Pfarrer nach Naumburg. Während diefer Verhandlungen ſah Mörlin Luther zum
legtenmal. 1543 ſagte er dem heiligen Luther reverendo in Christo patri et viro
Dei Lebewohl. Die legten Worte des Neformators an ihn waren: „Lieber Dr. Mörlin, 10
thut nit forgen. Ste werden’d vwerfuchen, der Kaiſer und der Bapft, sed frustra. Nostri
hoc facient. Hie wehre ich den Antinomis und draußen wachſen jie mir dieweil über
den Kopf.“ ande Nachrichten 1734 ©. 371ff.). 1544 wurde Mörlin vom Göt-
tinger Rat brieflih zur Superintendentur berufen. Am 10. Mai 1544 traf Mörlin in
Göttingen ein. Seine uns erhaltenen Predigten der Göttinger Zeit beiveifen es, daß er 16
für reine Lehre und reines Leben eiferte, daß er wirklich au Befehrung drang und mie
in Arnſtadt großen fittlichen Ernft bewies. Ein Denkmal feiner Tatechetifhen Thätigfeit
iſt fein 1544 erjchienenes und der Herzogin Elifabeth gemwidmetes enchiridion cateche-
ticum. Als Superintendent hatte er manche Kämpfe zu beitehben (Stuß ©.241 ff). An
der Lateinfchule unterrichtete er in der Rhetorik und erflärte die copia verborum et %
rerum des Erasmus. Auch hielt er Vorträge über die loci Melanchthons (Göttinger
Zeit: und Geſchichtsbilder III, 1, 6. 8). Der fchmaltaldiihe Krieg und das Interim
machten feiner Wirkſamkeit in Göttingen ein rühmliches Ende Mörlin mar entichloffen
nicht im mindeften dem Interim fich zu fügen. Mit feinem Freunde Antonius Corvinus
pulammen protejtterte er fchriftlih und mündlih gegen die Unionspolitif Karla V. Val. 26
ichadert, Antonius Corinus, und Mörlins Briete an feinen Bruder Marimiltan, Un:
ſchuldige Nachrichten 1735, ©. 409, worin er in der fchärfiten Weife jede Einmifchung
der Fürften in Glaubensjachen verdammt und jede Nachgiebigfeit in rebus adiaphoris
perborregziert. Er hat nach feinen Worten gehandelt. Der Rat, der ja innerlih dem
Interim wenig hold war, ließ ihn gewähren, der Herzog aber befahl dem Rat im De- 30
ber 1549, den Doktor auszutreiben. Rat und Gemeinde treten wiederholt bein Herzog
ür ibn ein, „da die Bürger fteif am Doktor bingen”, aber der Herzog wies nicht nur
ihre Geſuche ab, er gewährte Mörlin nicht einmal freies Geleit. Am 17. Sanuar 1550
vom Hate entlafjen, mußte er aus der Stadt weichen, aber die Herzogin-Mutter Elifabeth
forgte dafür, daß er ohne Schaden davonkam. Von Münden fchidte fie einen Edelmann ss
mit 14 Reitern nach Göttingen, der ihn per loca invia nad) Erfurt geleitete, wo er
vor Herzog Erich und den Spaniern vorläufig fiber war. Bon Erfurt begab fih M.
nach Arnſtadt, das er aber wegen der unfichern Haltung des Grafen von Schwartzbur
bald verließ, um in Schleufingen beim Grafen von Henneberg — die Herzogin Elitabeth
batte ihn an den ihr nabeitebenden Grafen empfohlen — ein Afyl zu finden. Er 40
wohnte im Schloß und predigte daſelbſt. Seine Familie folgte ihn.
Wie manchem anderen Opfer des Interims wurde auch Mörlin eine Zufludt in
Preußen, das ftaatsrechtlich nicht zum deutſchen Reiche gehörte, geboten. Die Herzogin
Eliſabeth hatte ihre Tochter an Herzog Albrecht von Preußen verheiratet und empfahl
in aufs wärmſte ihrem Schwiegerſohne, der auch gern auf ibre Wünfche einging. &
Am 25. Augujt 1550 verlieg M. Schleufingen und traf am 13. September in Könige:
ein. Man hatte ihm die Superintendentur in Preußifch-Holland übertragen wollen,
da aber Albrecht, dem er gefiel, ihn in Königsberg behalten wollte, jo twurde Hegemon
bewogen, die Stelle am Kneiphöfer Tom aufzugeben und zur Löbenichter Kirche überzu:
geben. Diörlin wurde die dergeſtalt freigemacte Stelle jamt der Infpeftion über: co
tsogen (27. September 1550). Damit wurde er in den ofiandriftifhen Streit binein-
gezogen, denn neutral zu bleiben war ihm einmal nicht gegeben.
Andreas Oſiander (ſ. d. A.) hatte wie alle andern aud religiös und theologiſch von
Luther gelernt, verhielt fich aber gegen die herrichende melanchthoniſche Dogmatik durchaus
ablebnend. Seine eigene Rechtfertigungslehre hatte er als Weiterbildung der lutberiichen 55
—— Er wußte, daß er von Luther abwich, auch ſeine Freunde wußten es, aber
icht ohne Grund konnte er auf ſeine Verwandtſchaft mit Luther hinweiſen und die me—
lanchthoniſche Rechtfertigungslehre als unlutheriſch hinſtellen. So lange Luther lebte, war
die ſachliche Differenz nicht in die Offentlichkeit getreten. Das wurde anders als Luthers
Tod und Melanchthons Verquickung mit dem Interim die Bahn für Oſiander frei machte co
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210 Mörlin
mb gı ven feiner Meinung nach richtig gedeuteten Yutber gegen Melanchtbon zu ver:
teten und damit Die herrſchende Yebre zu beitreiten begann.
Mu Vſiander feine ‘Propofitionen von der Neditfertigung am 21. Oftober 1550 ver:
lewiſtle, wehnte Mörlin Diefer verbängnisvollen Disputatton jchmeigend bei. Der Streit
bielt ſile noch in Den Grenzen Tollegtaler Urbanität. Mörlin felbjt verkehrte viel mit
Thander und fand ganz richtig Den Punkt beraus, worin Oſiander mit Luther überein:
ſtünmte (val. Vſiander an Morlin abgedrudt Grläut. Preußen III, 306 ff.). Er galt
deobalb ber vielen fur oſiandriſch. Als aber Ufianders Schrift von der Menſchwerdung
We oben Gottes und dem Bilde Gottes erichien, wurde Mörlin bedenklich. Die Diffe—
eng zwnchen dem. was er don Den Wittenberger Präceptoren gelernt batte, und mas
andrea verirat. wurde ihm klar. Uftanders Schrift „Bericht und Troftjchrift” mit feinem
deitigen Angrüj aui Melanchthon. nor Sins ‚euer. Mörlin beſchwerte fich darüber
aurꝛ Februar 1551 beun Herzog Alb oc, aber mit jo viel Pietät, daß ber Fürſt ihn
Vo vedren Vermittler aniabh und ibr Den Auftrag erteilte, mit Aurifaber, Oſianders
Sir Tortssen zu venummeln und die Eintracht berzuitellen.
De tilsntet amt Due IT. nozuss sechsten, daß Mörlin es mit feinem Friedens⸗
wet wittich ernit nah un) nel zerech: su werden ſich bemühte. Dagegen war Sta⸗
yoyasp den Jeinde der Wettenberaet azamn Die Berbandlungen wurden danach fchriftlich
I IRL TER TE Be 1 U TB us SR —S mu
Der Autilozia set voätraria Jovtrina inter Lutherum et Osiandrum der
—XWW Ba Tu ze 7 War ale Unparteiiſcher übergab, erllärt O.
dern RE EN BEN 145 ULOLLINT mie rinen, Morlin wurde immer bedenklicher,
oerb Aubied Ne ERSEER oz wre U. Marl 15519. Albrecht war erfreut, dab
Yon der yes ynz is TI 0 Brei ts 17 beivobnen mollte Mörlin
ta DE NDERLD GN mp HTT aan Briefe an O. Er vermißte in ber
Ve de ANWENDEN Sons Jr re Geborſams, Leidens und Ster:
er Sao SD Ion brwfss wurhe DIIurD SD Aerun. daß Mörlin am 19. April
——— sredigte. O. bezog dieſe Polemik
nt un, Nsr ker Sörrnar Tan tb au Mörlin, an deſſen Bekeh⸗
DD SF Run) Sn oma unlichern Freundes zu haben.
To sec, ofnr amt han am Zu Je dꝛi „Nezreibendeng zu Neubaufen dem
Nano. og Sun marnte und au on Nom Sinne and. ſchrieb. Oſiander
on uns NEE nur Dt winlensiitier — Ser zu feinem Richter ſich auf:
rn a MET re Zur, daß guch De örtlichen Verbandlungen aufbörten.
Venlo. Nah au ur Yun Allbredsse S:tancarus, Profeſſor Der hebrãiſchen
"ee zn sr burn much mit nem Kounoguium beginnen konnte, fubr der
No, nn Van ie, Mat Tarın. Tie Theoteagen wurden wegen ihres gegen-
0. Duirianne acalatonae Tijiander angewieſen. seine Lehre ſchriftlich darzulegen,
ons Salzen Lann fu aleiche tbun. Tfrander fublte ſich gefräntt und zögerte.
\
vos zn Merlot oem gen ten vor Am 27. Mai predigte er gegen U. Teufele-
nn rn Harte. 2, blieb ihm nichts ichuldig auf Katheder und Kanzel. Die fach:
Degen wurde su pelonlidet Feindſchait geiſteigert. Beide Parteien glaubten für
.. ET: il zu eifſcen. Ter Herzog underte jegt offenbar auf O.s Wunſch ſein Mandat
“oo Dip auch die Gegner Los ihr Velenninie ichriftlich aufzuſetzen hatten. Mörlin
ruhe dawider, mußte aber gehorchen und begnugte ſich mit einigen Worten über
Ru rrcbugkeit ki: olaubens und Den unſchuldigen Schweiß Chriſti (9. Juni).
Zwei weitere Mapregelt Des Herzogs reisten Morlin und ſeine Freunde zu leiden—
aıntliber Oppoſition. Cr übertrug Cftander als Sixepräfidenten Die Verwaltung des
legten Bistums Samland und erklärte Mörlin, Hegemon, Benediger, Stancarus und
tupbilus, Daß er, mubden alle Vermittelungsverſuche geſcheitert ſeien, jich an Das Urteil
ArKirche wenden wolle. Oſianders Bekenntnis vom eigen Mittler folle gedruckt werben
und fie bätten Dann Darauf zu antworten. Erfolge feine Eimigung, fo jollten aud
ibre Bekenntniſſe gedruckt un dem Urteil der Nirche unterbreitet werden. Das Schmäben
hi ernſtlich unterſagt. Tie Antwort der Theologen war für Mörlin jebr charakteriſtiſch.
Zi ſahen Oſiander als überführten Irrlehrer an, bielten ibn als Neger ipso facto
abgeſetzt und unfähig des Amtes. Sie weigerten ſich, ihn als Verwalterpräſidenten an⸗
zuerlennen. Den Appell an die Kirche hielten fie für eine Verſchleppung Eine freie
Synode ſolle entſcheiden (21. \ult).
Mörlin that nach dieſen Worten. Er predigte gegen O. und erklärte keinen, der O.
wanbing, als Tauſpaten dulden, zum Abendmahl zulaſſen und chriſtlich beerdigen zu
Mörlin 241
wollen. Er und ſeine Freunde legten ſich auch das Recht bei, ohne den Verwalterpräſes
zu ordinieren. Sie etablierten ſich alſo als kirchliche Nebenregierung. Ihre Eigenmächtig⸗
keit wurde ihnen von Albrecht verboten (12. Auguſt) und ihnen zugleich die Konfeſſion
O.s überſandt. Ungeleſen haben die Theologen ſie zurückgeſchickt. Die Führung im
weiteren Streit übernahm Mörlin durch Abfaſſung einer Widerlegung der Oſiandriſchen
Konfeſſion. Oſiander ſchwieg natürlich auch nicht. Der Herzog ſah, daß der Appell an
die Offentlichkeit der Geſamtkirche nötig war und überſandte die Konf. O.s den Fürſten
und Städten Deutſchlands, das Urteil einer Synode ſich erbittend. Oſianders Stellung
in Königsberg wurde dadurch nicht gebeſſert. Mörlin gewann in Königsberg und im
Yande immer mehr Boden. Auch die Herzogin neigte zu Mörlin, der einen baldigen 10
Sieg erwartete. Die Judicia der außerpreußiichen Kirchen, welche Albrecht fich erbeten
batte, fielen meift gegen DO. aus, weswegen der Herzog fie nicht publizieren ließ. Natürlich
blieb das M. nicht verborgen. Seine Siegeszuverficht und fein Anhang verſtärkten ſich.
Brenz (j. d. A. Bd III ©. 376) nahm eine Mittelftellung ein. Das Judicium feiner
Württemberger mahnte daher zum green und zur Liebe, die melanchthoniſche Majorität 16
fand um jo feiter hinter Mörlin. Diejer behauptete dreiſt, Brenz und die Württemberger
bätten O. mißveritanden und ftünden auf feiner M.s Seite. Mörlins Streitichrift von der
Rechtfertigung des Glaubens wider die neue verführifche und antichriftliche Lehr Andreä
Oſiandri Königsberg 23. Mat 1552, erichien jebt auch gebilligt von Hegemon und Be:
nediger. Genial ijt fie nicht, aber eine flare Darlegung der für orthodor geltenden wit- 20
tenberger Nechtfertigungslehre mit fräftiger Hervorhebung der Differenz, die zmwifchen ihr
und der Lehre Oſianders beitand.
Dieſe Schrift wurde fofort v. O. in einem Pamphlet für fchelmifch und ebrendiebifch
erklärt. Man konnte fich nicht mehr verftehen. Die Juriſten, vor allem der befonnene
Rat Köterig, mahnten den Herzog zur Vorſicht. Dfiander drängte dagegen a energifchem 25
Vorgeben. Mörlin verlangte die Eröffnung der noch immer geheim gehaltenen Judicia
und Erlaubnis gegen Oſianders „Schelmen” eine Entgegnung zu druden. Im Juni 1552
predigte Mörlin über Rö 11, 33 ff. und warnte vor Spelulationen über Gottes un:
ertorfchliches Weſen. Die Spite war gegen D. gerichtet, der auch fofort in einem Send:
briefe gegen M. losichlug und in feiner leidenichaftlichen Streitfchrift „Schmeckbier“ mit zo
jeinen Gegnern (Mörlin, Roting, Waldner, Menius, Flacius, Gallus u. f. mw.) Gericht
bielt. Immer kleinlicher und rüder wurde der Kampf geführt, immer gereister auch der
gütige, ernitfromme Fürſt. Er rügte Mörlin wegen feines Ungeborfams und drobte ibm
mit Abjegung (15. Juli 1552). Mörlin antwortete ehrerbietig aber feit, feine Sache fei
Gottes Sache, O. zu befämpfen jet feine Pflicht. Unterdeſſen lief das zweite Bedenken 35
der Württemberger ein. Der Herzog fandte es feinen Theologen zu. Wer dieje chrift:
lihen, der Eintracht dienlichen Artikel annehme, bei dem molle er fteben und bleiben, die
dawider Handelnden aber nicht leiden. Mörlin fand, daß Brenz feiner Meinung var;
Cftander nahm gleichfalls Brenz für fih in Anſpruch. Dagegen forderte. von D. eine
runde Revokation feiner Irrlehre. So blieb der Zwiſt zwischen Ofiander und Mörlin 40
beitehen, beide Parteien juchten den Herzog zu Gewaltichritten zu bewegen und trauten
den Gegnern Anſchläge auf ihr Leben zu. Dfianders Erfranfung wurde in der roben
Reife der Zeit als Gottes Strafe angeſehen. Mörlin meinte, Gott wirft Oſiandrem in
onen Winkel, daß er ftürzt und kehrt alle Vier dahin. Am 17. Oftober 1552 ftarb
finder, vom Schlage getroffen, ruhig und friedlich. 3
Oſiander ftarb als Befiegter. Die neue auf melandtbonifcher Grundlage ſich empor:
arbeitende lutheriſche Orthodorie fchritt über ihn binweg. Mörlin fam dem großen Gegner
an Gaben nicht entfernt gleich, aber er vertrat ibm gegenüber den lutberifchen Gommon-
ſenſe energifch und überzeugungstreu. Seine fiegende Sache trug ihn empor. Er bat
m diefem Kampfe ehrliche Liebe zum Evangelium, jowie er es veritand, und großen Mut 50
tiefen. Die Waffen, die er führte, waren aber oft genug mit Nobheit vergiftet. Gr
war völlig außer jtande, in D. einen Glaubensgenoſſen zu feben.
Die Friedenspolitit des Herzogs, welche jo viel zur Schürung des Haders beigetragen
batte, follte ſich auch ferner als unbeilvoll erweisen. Die württemberger Deklaration,
welche beide Parteien in ihrem Zinne gedeutet hatten, fchien ihm als Unioneformel aut 55
au ſein. Er erließ ein Ausfchreiben, an alle Stände und Rirchendiener (24. Jar. 1553),
worin er befabl, von der Rechtfertigung nach den 6 württemberger Artikeln zu predigen,
den Predigern aber, und fonderlib Mörlin, das Schmähen, Läſtern, Meutern u. |. w.
bei fchwerer Strafe unterfagte. Er trat damit für Oftanders Zache und Freunde ein.
San Boll hatte er nicht hinter ſich. Die Uppofition war allgemein. Die Eleineren co
Real»-Enchklopäbie für Theologie und Stirche. 8. U. XIII. 16
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242 Mörlin
Städte proteftierten gegen das Mandat, nur Raftenburg mit feinem ofiandrifch gefinnten
Pfarrer Neldius ſtimmte zu. In Schippenbeil predigte Marshauſen, Mörlins ;Freund,
offen dawider. Tie Altitadt von Nönigeberg, wo Lfianders Andenken lebendig war,
zeigte jib mit dem Mandate einverjtanden, Die Bürgerjchaft der beiden anderen Städte
(Rneipbof und Yöbenicht) jamt vielen Univerfitätslebrern verbielten fih dagegen ablehnen.
Der Rektor Pontanus und einige andere wurden dafür abgeſetzt. Albrechts ganzer Zorn
aber richtete ich gegen Mörlin, den ſein Mut ſehr erponiert batte. Mörlin hatte ſchriftlich
den Herzog zu überzeugen gefucht, Daß Brenz nicht für, fondern gegen Oſianders Yebre
jet und alles aufgeboten, um den Erlaß des Mandates zu hintertreiben. Albrecht blieh
feit, Das Mandat erſchien. Ta betrat Mörlin am Sonntag Ejtomibi die Kanzel. Er
Schärfte die ‘Pflicht der Untertbanentreue ein und warnte davor, in Neligionsfachen Auf:
rubr zu begeben. Tas Mandat aber dürften jie bei Verluft der Seligkeit nicht befolgen.
Es ſei nicht vernünftig noch menjchlich, jondern des Teufels Angeben jelbi. So lange
er jeinen Mund regen fünne, werde er dawider predigen und lieber alles leiden als ge
5 borcben.
Mörlin konnte gar nicht anders handeln. Mit feiner Perſon trat er für das hohe
Hecht der Kirche ein, ihre Glaubens: und Yebrfämpfe frei auszufechten ohne irritierend:
moderierendes Eingreifen der weltlichen Gewalt.
Des Herzogs eigener Bruder, Markgraf Milbelm, Erzbifchof von Riga, batte dieſe
Predigt mit angehört. Zu erfuhr Albrecht alles. Er trug dem Überburggrafen Chriſtoph
von Creytz auf, den Mörlin auazutreiben, denn er babe ibn berufen und fünne ibn aud
ſchweigen beißen oder beurlauben. Mörlin reichte dem Rate der Stadt Aineipbof am
16. Februar feine Entlaflung ein und reifte am 19. Februar, am Sonntage Invocavit,
ab. Zeine ſchwangere Frau und jeine Rinder ließ er noch in Königeberg, er ſelbſt aber
>; juchte ein Obdach in Danzig. Er wollte feine Entlaffung nob nicht für definitiv an-
jeben, jondern ertvartete eine baldige Rückberufung. Der Kneiphöfſche Wat bezablte ibm
die Heifefoften und gab fihb Mühe, eine Jurüdnabme des Ausmweifungsbefebles zu er
wirken. Cine Zupplif der Bürgerjchaft pries Mörlin als einen reich mit beiligem Geilte
begabten Wann, rühmte jeine Almtetreue, befonders in der Kinderlehre, feine Mohltbätig-
feit, feine Yopalität ale Untertban des Fürſten. Man beflagte die Feindſeligkeit des fonft
jo gütigen und gerechten Yandesberrn und bat, daß man ihnen den Mörlin laſſe. Die
Schöppen übermittelten dieſe Zupplif Dem Rate, der fih nun jelbjt bittend an den Herzog
wandte. Albrecht ließ jich nicht erbitten. Ebenſo vergeblich war die Supplif, welche die
rauen und Jungfrauen nicht bloß des Aneiphofes, jondern ganz Königsbergs, an die
Herzogin richteten. Da beſchloſſen die Freunde Mörlins den moraliſchen Druck zu ver:
jtärfen. 400 Perſonen mit ihren Nindern begaben jihb um 8 Uhr in Prozejlion auf
das Schloß und warteten auf den Herzog, der in der Altitabt dem Gottesdienfte, den
Funck abbielt, beivohnte. As er auf die Brüde gefahren fam, erfolgte ein joleınner
Kniefall der Zupplifanten. Drei von Adel und etliche „ehrbare“ Frauen übergaben ibm
eine Bittichrift. Albrecht mweift fie ab. TDarob großes Weinen und Klagen der enttäufchten
rauen und Kinder, welde das Yied „Ad Gott vom Simmel fieb darein und laß dich
dep erbarmen“ u. ſ. w. anftimmen (27. März 1553) Aus einem Briefe des Juſtus
Menius, der aus Sachſen als ‚sriedensitifter nach Preußen berufen worden war, an Mörlın
(Acta Borussica, Tom. I, 185) ift zu erjeben, Daß er den ‚sürlten vergeblich gebeten
batte, den Verbannten auf einen Tag zu feiner ihrer Entbindung entgegengebenden Frau
kommen zu laſſen. Da Mörlin Die Bemühungen feiner Freunde alle fcheitern ſah, mandte
er ſich ſelbſt in zwei Briefen am 29. April und 9. Mai an Albrecht. Der Fürſt blieb
bei jeinem Entſcheid. Jetzt ſah Mörlin jene Sache ale verloren an und mar entjchlofien,
ſich emen neuen Wirkungskreis zu ſuchen, nadıdem er den Kneiphöfſchen Nat um feine
definitive Entlafjung gebeten batte.
Bald bot ſich ihm ein neuer Wirkungskreis. Braunſchweig und Lübeck warben um
die Dienjte Des tüchtigen Mannes. Die Vokation des Braunfchweiger Rates traf früher
ein und wurde angenommen Weil er ih den Braunſchweigern gegenüber gebunden
hatte, mußte er Den Ruf des Grafen Poppo von Senneberg:Schleufingen, der ibn als
Superintendenten nach Schmalkalden bringen wollte, ablehnen. Am Tage St. Jacobi
traf Mörlin in Braunſchweig ein mit den ſehnlichen Wunſche: Facit Deus ut tandem
in hoc nidulo eum ipsius gloria possim consenescere.
Fur Morlins theologiſche Stellung war es wichtig, daß 1554 auf feinen Wunſch
Martin Chemnitz zum Nachfolger Heinrich Winckels und zu feinem Koadjutor gema
vo wurde. Beide Männer waren als Melanchthonianer, welde die Lehren des Meiſters mit
Mörlin | 213
Luthers Sägen forrigierten, einander wahlverwandt und fonnten in den theologiſchen Hän—
dein der Zeit zufammengehen. Als Freunde und Genofjen baben jie lange zujammen-
gearbeitet. Mörlins Thätigkeit in Braunſchweig war energifch und durcdhgreifend. Der
Augsburger Religionsfriede gab die Möglichkeit, das Iutberifche Kirchenweſen zu befeftigen.
Um „fih nicht fremder Sünden mitjchuldig zu machen“, wurde bejchlojfen, Saframente-
verächtern das chrijtliche Begräbnis zu verfagen. Tas war nit als Strafe im recht:
liben Sinne, fondern als ein Akt der Separationspflicht gedacht. Ein Edikt des Rates
verbot auch die Teilnabme an katholiſchen Geremonien und das Bejuchen der katholiſchen
Orte, was auf das Vorhandenfein katholiſcher Reſte Ichließen läßt (Rehtmeyer III, 223).
Für die Geiftlichen jener Superintendentur fette Mörlin 1557 leges pro ministerio
Brunsvicensi auf, welche alle Geijtlichen bei ihrem Amtsantritt unterjchreiben mußten.
Chemnitz verbollitändigte hernach diefe leges. Ebenſo beitimmt mie dem Katholicismus
gegenüber wurde das lutberiiche Kirchentvejen mit den Mitteln zeitgemäßer Intoleranz
gegen das Eindringen der Reformierten feitgehalten. Das erjiebt man aus dem Fall
Glotb. Der Bürger Henning Cloth, auch Elodius genannt, machte ſich des Calvinismus
verdächtig und Mörlin verweigerte ihm das Abendinabl. Cloth war Witwer und wollte
fich wieder verheiraten. Mörlin verjagte ihm mit Zuftimmung des geiſtlichen Miniſte—
riums die Trauung, bis er jeinen Irrtum abgetban babe. Ta Cloth ſich dazu nicht
entichloß, wurde er von Rate als sacramentarius verurteilt und am 1. Lftober 1555
aus der Stadt ausgewieſen. Glotb bat fünf Jahre jpäter feinen Frieden mit Mörlin
und Braunschweig gefchloffen. Er widerrief feine frübere Konfeſſion, leiftete Abbitte,
wurde in die St. Martind-Gemeinde wieder aufgenommen und feine Verbannung wurde
aufgehoben (1561).
Im Jahre 1564 verhängte der Nat von Braunſchweig, daß das corpus Doctrinae,
von allen Theologen zu unterjchreiben war (ſ. BPIV S.295 1ff.). Bis 1672 wurden die
Braunfchweiger Theologen auf dieſes corpus verpflichtet. Mörlin und Chemnitz billigten
dieſe Einrichtung und werden fie mit veranlagt baben, um unter ihren Paſtoren die Yebhr:
einbeit zu fihern. Der Bederiche Handel zeigt, daß das corpus doctrinae fein toter
Buchſtabe war. ob. Beder, Paſtor in Braunſchweig, batte das corpus unterjchrieben,
war aber den Galviniiten in Bremen zugetban und verteidigte Majors Yehre. Er wurde,
da er feit blieb, zur Abdanfung genötigt. 9. April 1966 reijte er nach Bremen, febrte
nach Braunfchweig zurüd und wurde ausgewieſen. 24. April 1566 verließ er die Stadt.
Während Mörlin und Chemnitz in Braunfchweig mit Emjt und Eifer ein lutberi:
ſches Kirchenweſen errichteten, waren fie in den Streitigfeiten, die damals die Yutberaner
zerriſſen, und den Angriffen der Galviniiten gegenüber auch nicht müſſig. Als einer vom
rechter Flügel der Melanchthonianer iſt Mörlin durchaus frei von kryptocalviniſtiſchen
oder ſpezifiſch philippiſtiſchen Neigungen, aber er war trotz ſeiner polemiſchen Härte einer
von den Gemäßigten und Vermittelnden, welche den Frieden und die Verſöhnung wollten.
Er wollte dem Frieden dienen und hat ihm gedient.
Eine Epiſode bildete die Verwerfung des Schwenckfeldianismus durch die Braun—
Kbweiger Prediger (14. Februar 1556). Mörlin verfaßte dieſes Gutachten. Schwenckfeld
ft für ibn ein toller Teufel. Für diefen geiſtvollen und tiefſinnigen Myſtiker und Spiri:
tualiften fehlte den Yutberanern damals jedes Verſtändnis (Zalig III, 750). Als Ber:
trauensmann der niederſächſiſchen Stände hat Mörlin in die Bremer Händel eingreifen
müflen. Um den Streit zwiſchen Timann und Hardenberg beizulegen, berief der Nat —
von Bremen Eitzen-Hamburg, Bedern-Stade und Mörlin (1556). Vgl. über den Fort—
gung und Mörlins Beteiligung den Art. Hardenberg Bd VII S. 414f. Es kam nichts
dabei beraus.
In den pfälziichen Handel griff Mörlin durch feine Streitfchrift „Wider die Land»
lügen der Heibelbergifchen Theologen 1565“ ein. M. jtellt ſich durchaus auf Heſhuſius'—
Seite, der ja in der Sache Recht hatte. Er rühmt Cheinnig, aber auch von Melanchthon
will er nicht laſſen. Das Vrotofoll der Maulbronner Disputation batte ibn mit der
Bebauptung Hardenbergs bekannt gemacht, „daß Yutberus vor jenem Tod der beilige
Gottesmann, als er nach Eisleben reifen wollte, zu Melanchtbon gejagt babe, daß in
Eaben vom Sakrament zu viel getban iſt“. Nicht der wirkliche, ſondern der gedichtete 5;
Philippus babe das gejagt. Wie Korah, Datban und Abiram fich wider Moſes em:
pörten, jo empörten jich Carlſtadt und Zwingli wider Yutber, den Mann Bottes. Heute
wifien wir, daß und in weldem Sinne Yutber jene Worte gejprocden bat, Mörlın
mußten fie um ihrer falfchen unioniftiichen Deutung willen apokryph erjcheinen (vgl.
Haugleiter NEZ Bd IX, 831 und X, 199).
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— aber er bat auch ernftlic für die Mechte bei Pfarramtes der ſtaatskirchlichen Bureau:
40 fratie gepenüber jeine Stimme erhoben. Gr flagte: die Fürſten wollen —— und
— bei Mintfterium ibrem weltlichen —— den Sockel aufs dem Juſtinian
—— Der Satan wolle geiſtliches und weltliches Amt, die heine voneinander
get wiederum vermiſchen (Salig III, 646). Seme Anſichten bat er in ſeiner Franz
rshauſen gewidmeten Schrift „von dem Berufe der Prediger” a .
4 Er iſt Staatskirchler nicht im Sinne Melanctbons, jondern des päteren Luther.
Gott beruft die Prediger durch Mittel d. b. durch die Kirche (Pfarrerjchaft) und die Dbrig-
feit (Staat und Kommune). Nur den rechtmäßig Berufenen_joll man hören. Der P
bat die potestas ordinis et jurisdietionis. Er joll Obrigfeiten und I
treulich einzureden juchen, fie aus Gottes Willen des Beſſeren berichten, wie die
— für die Bedrückten und Waiſen eintreten. Die Obrigkeit hat ins gei
egiment d. h. im die Kirchenzucht nicht zu miſchen. Die D eit ift bierin Nullus
und bie Pfarrer follen willen, daß fie micht Büttel oder Stab * er Sie follen
über reine Lehre und reines Leben wachen Papiſten und Schwärmer joll I die ——
nicht leiden, ſondern abſetzen und hinausſchaffen. Sie ſoll nach der richten und
56 * en. Die Abſetzung eines rechtichaffenen Lebrers iſt eine Nullität. Er —* gar nicht
t werben.
Eine hervorragende Rolle ſpielte Mörlin auf dem Lüneburger Konvent (Juli 1561)
ber niederſächſiſchen Theologen, der zu dem Frankfurter Nezejie *7* den Beſchlüſſen des
Naumburger Fürſtentages Stellung nahm. Die zu Lüneburg ehe Belenntnis-
oo schrift „Erklärung aus Gottes Wort und kurzer Bericht der Artikel u, ſ. w.“ "hatte Mörlin
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en, nl Nah km 155 jtarb und der nunmehrige *
des ‚gefangenen Herzogs —— in — inter. einfete und
derjelben Intoleranz. Mörlins vermittelnde
örlin bat an feinem Teil an dem Zuftande
gearbeitet, * an dem li giſchen und 35
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tenmal. 1584 den 20. * fe M. in in harter —*
Fear sch änkter aber immer | | der, Jracın Mor M)
* Confessio orthodoxa, geſt. 1647. — Littera ture as
u au aenuenden Ausgaben der Confessio und die Symboliten,
0 it der Q hiirhe, 1872 umd Sattenbufc, rg ber. ne 32
1802; De us, Graecia 01 2, 36*
ph ellı que ch dixsepti&me sidele, | 4 Bi 1894 —1
NM 5 er aber aud) an anderen Stellen, namentlich ei 50
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tie, Ausgabe von —* 1781, Bd III, ©. 609-611,
a rt ch daburd als er) -firchen:
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ic fie diejenigen Teile der Kirche, welche fie nicht um: 55
Erwägung und Sicerftellung ihrer bisherigen
Erſchunerung auf die abendländiſche e, Die
e, um der andbringenben Macht q jen zu jein,
Gegenden bes Oftens. Die griechiſch-morgen⸗
jreifenden reformatorifchen Bewegung damals 6o
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aber wollte ibm —* —* ſtehen und ſie
gekomn — umzubringen. Dem kranken Meiſter war — — —
Schüler ein Greu⸗l. mußten Mörlin und Chemnitz wieder
* acius ſi unbedingt identifizierte. Er konnte ſi wenn es ſeine
wa —* m entſcheiden. Auf dem — ad, em E
tember 1557) geht er nod mit Flactus und den Weimarer zuſammen.
verlangt wie ſie eine unumwundene eher aller wider bie — Aug. ſtreitenden
—— und erſchien den Philippiſten als der Hauptfriedensſtö Indem ſich Mörlin
it Erhard Schnepf, Erasmus Sarcerius, Vietorin Strigel, — Stößel von den
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über reine Yebre und reines Leben wachen. Papiſten und Schwärmer joll die DO
nicht leiden, ſondern abjegen und hinausſchaffen. Sie ſoll nad der Schrift richten und
66 * en, Die Abſetzung eines rechtſchaffenen Lehrers iſt eine Nullität. Er kann —
geſetzt werden.
Eine hervorragende Rolle ſpielte Mörlin auf dem Lüneburger Konvent ( 1561)
ber niederjächfiichen Theologen, der zu dem Frankfurter Rezeſſe und zu ven Beh üffen des
Naumburger Fürftentages Stellung nahm. Die zu Lüneburg angenommene
so schrift „Erklärung aus Gottes Wort und furzer ! »ericht der Artikel un f. w.“ hatte Mörlin
4
Mörlin 245
um Verfaſſer. Er war auf diefe Schrift fehr Stolz und fchrieb froblodend: wie wird
ittenberg toben! Heibelberg rajen! Tübingen jauer feben! (Nebtmeier III, 247). Dieje
Schrift wurde zu Magdeburg, Jena und Regensburg gedrudt und in Braunſchweig als
Spumbol eingeführt, worauf die Paſtoren verpflichtet wurden. In feiner „Verantwortung
der Präfation fo für die lüneburgifchen Artikel gejtellt ift wider Dr. Majors Rorrede
Anno 1562“, betonte Mörlin fein genuines Mittenbergertum. Melandtbon nimmt er
für fih in Anfprud. Philippus babe Majors Lehre gemißbilligt. Seine Yünchurger
Artikel follen dem Frieden dienen.
1563 erfuchte der Rat von Wefel, welcher die reformierten Flüchtlinge aus Eng:
land aufnehmen wollte, die Braunschweiger Theologen um ein Bedenken. Das Minifterium,
Mörlin obenan, entihied am 8. März dahin, daß den Flüchtlingen Barmberzigfeit zu
erweiten je. Dan folle fie aufnehmen und belebren, wollten fie aber den Samen des
Irrtums weiter verbreiten, fo habe der Hat die Seelen feiner Bürger vor der Ver:
führung zu ſchützen und die Verführer auszuweiſen. Dieje crudelis misericordia ſei die
Pflicht der Obrigkeit.
Als Flacius mit ſeiner Lehre von der Subſtantialität der Erbſünde hervortrat
(1566. 1567), da bat Mörlin ſich gedrungen gefühlt, mit dem alten Genoſſen zu brechen
und ibm Gottes Gerichte gemeisfagt, meil er fo viel unnötige und gefährlibe Händel
angerübrt babe (Rebtmeier III, Beil. 111, Bland V. 1, 313). Gegen die Antinomiften
richtete Mörlin feine tres disputationes de tertio usu legis(Zalig III, 56). Mörlin
war und blieb fachlich allen Ertremen abbold. Er fürchtete, daß über den Zanken die
Wahrheit verloren gebe. Während Mörlin in Braunfchweig arbeitete und kämpfte, mar in
Preußen der Kampf zwifchen der melanchthonifch:ortbodoren Majorität des Yandes und
der ofianderfreundlichen Friedenspolitik des Hofes auch nach Mörlins Vertreibung weiter:
gegangen, |. d. A. Fund Bd VI S. 322. Mörlin, der über alles, mas zu Königsberg
geicheben iſt, gut unterrichtet war, ſtärkte feine Geſinnungsgenoſſen durch feine Historia,
welcher Geitalt fich die ofiandrifche Schwärmerei im Yande zu Preußen erboben (1554
erihtenen). Sie enthält viele Urkunden und biftorische Nachrichten und proflamiert ale
Regenten der Kirche Chrijtus allein Ten 8. Mai 1555 fehidte er auch ein von Chemnitz
mitunterfchriebenes Gutachten über die Revokation der Oſiandriſchen nach Preußen.
In demjelben Jahre erjchienen zwei weitere für Preußen berechnete Schriftchen:
1. Treuliche warung und Troft der Ehriftlihen Kirchen in Preußen und 2. dag Oſiandri
Irrthum mit feiner Wergefienbeit zu Stellen oder binzulegen ſei.
Schließlich fab fich Albrecht genötigt, einzulenfen, |. d. A. Rund Bd VI 2. 322.
Nun wurde die von den Ständen geforderte Rückkehr Mörlins möglid. In einem:
mwürdevollen aber gnädigen Schreiben wandte ſich der greife Fürſt an Mörlin und
Chemnitz (Acta Borussica, Tom. I, 557), und berief ſie nach Preußen (30. November
1566). Mörlin lehnte ab, da er Braunjchweig nicht verlaffen wollte Der Herzog
wiederholte die Bitte (31. Januar 1567) und ſchickte eine bejondere Geſandtſchaft an den
Braunſchweiger Rat, um ihre Entlajjung zu erwirfen. Auch Venediger bat aufs dringendſte,
dag Mörlin den Ruf annebme Gr ließ Sich zulegt erbitten und nahm vom Braun:
ſchweiger Rate Urlaub, um die preußifchen Verhältniſſe zu ordnen, da man ibn nicht
definitiv entlaſſen wollte. Gbemniß begleitete ihn. Mit \ubel wurden beide Männer in
Königsberg empfangen (9. April 1567) und machten ſich fofort an die Arbeit. Zie
wollten durch Heritellung einer Lehreinheit auf melanctbonijch-ortbodorer Baſis den Frieden
ſichern. Sie wandten dazu diefelben Mittel wie in Braunfchweig an. Nach längerer
Beratung mit den Fürftlichen Näten, wie man am fünlichiten die Wunden der Kirche
beilen möchte, gaben fie dem Herzog den Rat, man folle feine neue Konfeſſion jtellen,
fondern bei der angenommenen Conf. Aug., Apol. und Art. Smale., ivie diefelben in
Luthers Schriften ferner erfläret, verbleiben; weil aber nach der Zeit der C. A. mancherlei
gertum eingerillen, jo jollen dieje Artikel vorgenommen und diefe Corruptelae mit Namen
und deutlich refutiert werden. Albrecht ſtimmte zu und willigte Damit in die Wer:
werfung der Lehre Oſianders.
Am 6. Mai überreihten Mörlin und Chemnitz dem Herzog ihre Nefutationsfchrift
in deutfcher und lateinischer Sprache unter dem Titel Repetitio corporis doctrinae
christianae oder Wiederholung der Summa und \nbalt der rechten allgemeinen chrift-
lidhen Yehre, welche eine Niderlegung des Oſiandrismus, Synergismus, Antinomismus,
Majorismus u. f. w. enthielt und in ihrer präzifen Mlarbeit Die Hand Chemnitzens ver:
riet. Am 26. Mai wurde die Repetitio der in Königsberg verfammtelten Synode
vorgelegt und nad vierzebntägiger Beratung genehmigt. Die Yandjtände ſtimmten
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Juli 1567 —— ——
die iſchen Schriften der ———
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—— Die Repetitio
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in Besufen zu Bleiben. Noch jah er —
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—— d ——— fe leiden au wollen. So konnte er berubigt nad
— — und das
bſchied von Braunſchw e erleichtert einen Ko
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er der at einen Menfchen, der feinen Water bis auf den Tod verwundet
frei I een m 13. Juli predigten bibe änmer datwider und tvarteten da
mit ihres Strafumtes, Das verbroß ben Mörlin und Chemmih wurden mit zwei
daß der Nat ni e—
anſti ———— — a die Obrigei ae
jen und erflärte: aljo kann ich euer Diener nicht mehr fein. Bei * enge
der Dinge ift es den Geſandten des Herzogs er A ring ann — *
wenigſtens zur Entlaſſung Mörlins zu bewegen. Der Hofmarſchall Joachim von
und der penmeiſte —— —— Mundpfort ſetzten es beim Nate >
wie Wigand erzählt. Der Nat lieh i des Konfliktes nur x ungern ‚ziehen und gab
Mörli den B Saml ıd. verlieh
== er nd —— == = Differenz von — ee nie
—— auf "ber Bohs eines mobi En Melanchtbonismus ein San ve
Konfenius berausbildete, der ſich in ber Konktordienformel einen maßgebenden Aus:
drud ſchuf.
Im Dftober traf Mörlin in Be ein, — im November vor dem alten
6 iu in iau, der ibn zum Beichen der völligen Verſöhnung umarmte.
am 20. März 1568 und feine zweite Gemablin folgte ihm an demjelben Tage ins
Mörlin bielt beiven die Leichenpredigt. Nach dem Regierungsantritt
—— hat ihn Biſchof Venediger von Pomeſanien zum —* von Samland geweiht
und er bat nunmehr einige Jahre mit Kraft und —— e preußiſche Kirche geleitet.
5 Kardinal —8 Biſchof vom Ermeland, beſtritt ihm freilich das Recht, den —*
u führen, da dieſer nur vom Papſte verlieben werden fünne und
önige von Polen (vgl. Hartknoch 44275.) Mörlin begnügte fi mi mit einer bloß
firchenregimentlichen Thäti eit ſondern fubr fort zu predigen und die Jugend im Hate
chismus zu unterrichten. Daneben beteiligte er Fr durch feine Schriften an den Yehr-
55 fümpfen in Deutfehland (4. B. durch eine Schrift über bie Notwendigkeit guter Werke
1567, Contra Sacramentarios cum altera disp. de comm. idiomatum 1571,
Mider der Wittenberger Grundveſte u. |. w.). In Preußen fcheute er vor feinem
flitte zurück, um die ſchwer errungene Yebreinbeit zu fichern. Den Bi und
Bhilippiften erflärte er unumwunden: „Irrtümer, welche ſtracks wider das
oo» doetrinae laufen, werde er in feinem Bistum nicht dulden; er babe jo ı
Mörlin 247
Schwarzen Wolf in den Rachen gefehen, daß er ſich vor keinem mehr fürchte”. Daß
es in Preußen Calviniften in angejehenen Stellungen gab, war ihm ein Greuel, und
ne ri, den Polenkönig um Schuß mider den lutherischen Biſchof an (Hartknoch
©. 441ff.).
Mörlin litt in feinen legten Lebensjahren am Stein. Sein behandelnder Arzt wollte 5
„den gar zu fetten Gott der Preußen” nicht fchneiden. Ein zweiter verjtand ſich endlich
zur Operation, die rejultatlos verlief (2. Jan. 1571). Mörlins ſtarke Natur erlag erit
nach Monaten der Krankheit und der Heillunft. Am 29. Mai 1571 ftarb „der Flacianer
Abgott“. Der Sterbende joll feinen Freund Heßhuſius zum Nachfolger gewünſcht haben.
Aus feinem Teftamente (Acta Borussica Tom. I, 597) iſt zu erjeben, daß ihn von 10
feinen zwölf Kindern acht überlebten: Joachim, Chriftian, Hieronymus, Daniel, Anna,
Jeremias, Maria, Marimilian. Die „arme Anna war wohl Träntlih und bettlägerig.
ieronymus Mörlin wurde von dem Vater zu einem der Teitamentsvollitreder ernannt.
war Nfarrer, gab feines Vaters Pjalterpredigten heraus und hatte hernach einen Kon:
flikt mit Heßhufius. Joachim Mörlin war ein Streittheologe, aber er war mehr. Er bat 15
aufbauend gewirkt und der guten Sache gedient. Er mar, wie Wigand bemerkt, fein
böftfcher Temporifierer, fondern ein wahrer Theologus speculativus et practicus, den
auch Luther, der deutiche Prophet, als feinen Schüler anerkannt babe. Wie Luther, liebte
er Muſik und Geſang und liebte e8 im Kreife der Freunde fröhlich zu fein. Er pflegte
zu fagen: Laſſet uns fröhlich fein, wenn Gott ung einen fröhlichen Tag giebt, traurige 20
baben wir jonjt genug und erden derer mehr haben als mir wünſchen.“ Mörlin
liebte Kinder und war ein freudiger und erfolgreicher Katechet. Er hatte eine vffene
gand und war bis zur Verſchwendung mohlthätig. Angehenden Predigern gab er den
: arbeite reblich, meine es treulich, bete fleißig, fo giebt Gott feinen Segen reichlich.
Sen Eifern um die Erſte Tafel bat ihn vielfach zu ungebührlicher Härte fortgeriffen, 25
daß es ihm aber in feinem Kämpfen um die Sache und nicht um feine Perſon zu thun
war, daß er aud im Streit das Wohl und den Frieden der Kirche fuchte, kann nicht
verfannt werden. Seine Freunde haben ihn fehr boch geftellt, feine Gaben und feine
Treue gerühmt, jeinen Charakter und feinen fittlihen Ernſt verehrt. Seine Gegner
baben ihn mit der Ungerechtigkeit von Zeitgenofjen beurteilt (3. B. Oſiander u. Sutel). w
Die pietijtifche Hiftoriographie bat dann von ihm ein unbilliges Zerrbild entworfen, das
noch nicht ganz jeine Wirkungskraft eingebüßt bat. Wagenmann + (Lezind).
Mörlin, Maximilian, geit. 1584. — Schriften. Ein Verzeichnis giebt es nicht.
Genannt werden 1. Apophtegmata collecta ex Eusebii. Hist. eccl. et Tripartita, Nürnberg
1552. 2. Lazarus resusecitatus, Frankfurt 1572. 3. Troſtſchrift von den Kindlein, die nicht 35
Eönnen zur Tauf gebradht werden, Nürnberg 1575. 4. Eine Streitfhrift gegen Ojiander.
Zitel unbelannt. Eine Sammlung ber meiſt noch ungedrudten Briefe M.s exiſtiert nicht.
Die Briefe an Joh. Friedrich finden fih im Koburger Haus: und Staatdardiv. Außer den
Briefen und Schriften fommen al® Quellen in Betradyt die Leichenpredigt des Koh. Frey,
Superintendenten aus Hildburghaufen, und das lateinifche Epitaph von Joh. Hofer. 40
Litteratur: Eine Biographie, die dem Manne geredt wird, fehlt. Dann kommen in
Betraht A. Bed, Joh. Friedrich der Mittlere, I und II; Preger, Flacius I und II; Steu—
Bing, Biographiiche Nadyrichten aus dem 16. Jahrhundert, 1790; J. Chr. Thomae, Das der
payen evangeliichen Kirche, injonderbeit im szürjtentum Koburg aufgegangene Licht am Abend,
722; Brüdner, Kirchen: und Schulenjtaat I, 5 ©.76; Berbig, Aus der Gefangenſchaft Koh. 45
Friedrich des Mittleren, Gotha 1898; Dertloff, Geſchichte der Grumbachiſchen Händel; Jöcher,
Gelehrien-Lezilon; edler, Univerſal-Lexikon; Pland, Proteftantiicher Lehrbegriff; Steubing,
Geihichte der Reformation iu Nafjau: Dillenburg ; A. Kluckhohn, Yriedrid) der Fromme 1879;
vgl. aud die Bictorin Striegel und J. Menius betreffenden Urtikel in PRE.
Mörlin, Marimilian, jüngerer Bruder von Joachim Mörlin und Zohn des Jodocus 50
Mörlin, wurde zu Wittenberg 1516 den 14. Oftober geboren. Der Vater beſtimmte ihn
für das Schneiderhandiverf, fand aber troß feiner Armut zulegt den Mut und die Mittel,
den Knaben aus der Lehre zu nehmen und zum (Gelehrten erziehen zu laſſen. M. ftu:
dierte in Wittenberg Theologie unter Luther und Melanchthon und blieb wie fein Bruder
zeitlebens ein lutheriſcher Melanchtbonianer. 66
Nachdem er im Pegau und Zeit im Kirchendienſte thätig geweſen war, wurde er
1543 Pfarrer zu Schallau im foburgifchen Kranken und 1544 auf Empfehlung feiner
Wittenberger Lehrer Hofprediger in Koburg. Ta er den Schalfauern wegen feiner Tüch-
tigkeit und Predigtgabe wert war, jo ließen fie ihn erjt ziehen, als Herzog Johann Ernſt
von Koburg ihnen in einem Handbillet verſprochen batte, die Stelle mit einem ebenfo @
248 Mörlin
würdigen Manne zu bejegen. Im Auftrage des Herzogs vilitierte M. M. mit Eberbard
von ver ann und den beiden Geiftlichen Job. Yanger und Wolfgang Höfler die Kirchen
und Schulen.
1516 wurde M.M. unter den Tefanate Luthers zum Xicentiaten und in demſelben
b Jahre unter dent Dekanate Grucigers zum Doktor der Theologie promoviert. Der Herzog
ernannte ihn zum Zuperintendenten. Er war Melandhtbonianer aber fein Philippiſt. In
jeın Eremplar der Conf. Aug. fchrieb er huic sacrosanctae confessioni et indubi-
tatae assertioni ex verbo Dei toto pectore assentior et subsceribo et Deum oro,
ut in illius confessione constanti et immutabili professione per spiritum Sanc-
ı tum me perpetuo servet u. j. iv. Als er hernach das Vertrauen zu Melanchtbond
Orthodorie einbüßte, jchrieb er an den Wand Ad hanc subscriptionem impulit me
impia prophanatio corruptio et mutatio praecipuorum hujus confessionis arti-
culorum per ipsum autorem in corpore suae doctrinae, quam ut hujus con-
fessionis negationem detestor et abjicio et damno in articulis. M. M. geriet
15 wie jein Bruder zeitweilig unter den Einfluß des Flacius und folgte eine Neihe von
Jahren jeiner Führung, ohne doch jemals feine melandıtbontfche Art verleugnen zu können.
Als fein Bruder in Oſtpreußen den Kampf gegen Oſiander führte, bat auch N M. eine
Streitichrift gegen O. verfaßt. Tie „Censurae der fürftlich-fächjifchen Theologen zu
Meimar und Coburg auf die Belenntnifje des A. Tſiander von der Rechtfertigung des
20 Glaubens“ bat er mitunterjchrieben. Mit dem alten Amsdorf zufammen verlangte er
auf der Synode zu Cijenach die Verdammung des Menius und als fie mit ibrem ®er:
langen nicht durchdrangen, reifte er im Gebiet der fächfifchen Herzoge umber und jammelte
Unterfchriften wider Menius. Auf Befehl feines Yandesberrn reifte er mit den ſächſiſchen
Theologen nad dem Rhein, um fih am Wormfer Colloquium zu beteiligen, wo er feinen
35 Bruder Joachim wiederſehen fonnte. Er befolgte den Rat des Flacius und bielt fid
zum Juriſten Baſilius Monner, weil er jo viel zelum Domini beige, wofür ihn ber
Wittenberger Poet Joh. Major verjpottet bat. Das Wormſer Colloquium blieb reful-
tatlos. Mit Mufäus und Stößel zujammen, aber getitig durchaus von Flacius beberricht,
arbeitete er das Konfutationsbuh aus (1557--1558), das von Johann Friedrich dem
30 Mittleren jeiner Landeskirche als Norm auferlegt wurde.
Als Kurfürft ;sriedrih von der Pfalz den verbängnisvollen Plan faßte, in feinem
Lande den reformierten Typus einzuführen, juchte ihn fein Schwiegerfohn Joh. Friedrich
davon abzubringen und reifte ſelbſt nach Heidelberg.
M. Mörlin und Stößel nahm er mit. Auf des Herzogs Wunſch fand eine Die
35 putation zwiſchen den beiden Yutberanern und Peter Boquin ſtatt, welcher beide Fürſten
beiwohnten. Fünf Tage jtritt man ſich über 24 Theſen (Propositiones in quibus
vera de coena Domini sententia juxta conf. August. propositae d. 3. et 4. Juni
1560 in Academia Heidelberg., getrudt 1561). Wie üblich blieb jede Partei bei
ihrer Meinung und fchrieb fih den Zieg zu. Die Galvinifierung der Pfalz, melde bei
40 der Start humaniſtiſchen Unterjtrömung am Cberrbein faft unvermeiblih war und der
latenten Aufklärung gemäß war, ift weder Durch M. Mörlins noch durch Heßhuſius' luthe⸗
rifchen Eifer aufgebalten worden. Indeſſen war M. Mörlin fein Radikaler. Wie fen
Bruder jagte er ih von Flacius Illyricus los, denn auf der Disputation zu Weimar
(2.--8. Auguſt 1960) batte dieſer Sätze vertreten, welche dem Melanchthonianer M. Mörlin
35 unannebmbar fen mußten, Wie Joachim M. mahnte auh M. Mörlin zur Mäßigung
und zum ‚grieden. Um der ſtaatskirchlichen Friedenspolitik des Herzogs zu dienen, wurde
M. Mörlin zum Mitgliede des Weimarer Konſiſtoriums ernannt. In diefer Eigenfcaft
bat er den Amtseifer der Flaciauer, der fib im „Ztrafen”, „Bannen” entlud, zu zü ein
ſich beſtrebt. Die Autorität und ‚reibeit des Pfarrſtandes wurde zu Gunften des Kirchen⸗
so regiments fräftig eingeſchränkt. Im Intereſſe des Friedens und der melandhthonifchen
Dogmatik iſt MM. auch für die Abjegung des Flacius und die Vertreibung feiner
Anbänger eingetreten, Maßregeln zeitgemäßer Intoleranz, worauf Das Yutbertum nicht
ftolz fein darf. Ebenjo billigte MM. die Strigelſche Tellaration vom 3. März 1562
und feste an feinem Teil es durch, daß alle Paſtoren Diefe ziemlich philippiſtiſche Urkunde
5 unterichreiben mußten. Es durfte nidst mebr wider Die Synergiſten gepredigt werden,
jo wollte es der von Flacius abrüdende lutheriſche Melanchthonismus. it Stößel
blieb M. M. im Bunde. Er bat ibn als Prokanzler und Vizedekan in Jena zum
Toftor der Theologie promeviert(156 0. „Dr. Mar Mörlin“ warnte den Herzog vor dem
Einfluſſe Grumbachs und wies noch am 13. Januar 1567 die Geiftlichleit an, dag Volt
zur Buße zu rufen und Gott um Erleuchtung Des Herzogs zu bitten. Der Sturz Job.
*
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Mörlin Mogilns 249
Friedrichs machte feinen flactanifch gefinnten Bruder Johann Wilbelm zum Regenten des
Landes, der, wie zu erwarten, den Antiflacianer M. M. feines Amtes entjeßte (1569).
Dafür berief ihn Graf Johann von Naflau-Dillenburg zum Hofprediger. Seine Mutter
Ssuliane Gräfin von Stollberg und Bernhardt, Superintendent von Eiegen, batten den Grafen
auf M.M. aufmerkſam gemadt. Eine längere Wirkſamkeit war ihm bier nicht befchieden. 5
Der Graf und feine Untertbanen batten reformierte Neigungen und die löbliche Ent-
ichiedenbeit, womit Mörlin alles auf lutberifch-melandhthonifchen Fuß einzurichten fuchte,
mußte zu Konflikten führen. Die Kirchen: und Sculpifitation, die M. M. in feinem
Bezirk abbielt, ließ über feine antireformierte Strenge niemanden im Untlaren. Er fand
nur böfe Liebe. Eobanus Geldenhauer, genannt Noviomagus, verflagte ihn beim Grafen, 10
der offen die Gegner des M. ftärkte. Da bot fich ihm eine ehrenvolle Heimkehr nach Koburg.
oh. Friedrich, der gefangene Herzog, hatte mit dem ihm teueren M. M. einen Briefmechfel
unterhalten und war über feine Bertreibung aus Thüringen wohl unterrichtet. Seinen
Bruder, den Regenten Johann Wilhelm, hatte er brieflih fo lange bearbeitet, bis er ein-
lenkte und den M. zurüdrief. Jim Winter 1572—1573 fiedelte M. Mörlin von Dillen- 15
burg nad Koburg über. Damit mar in Dillenburg die Nieverlage des Luthertums ge
fihert. Gelvenhauer hatte das Feld frei. Von Koburg aus fchrieb M. M. an die Gräfin
‚uliane einen Troftbrief, wo er unter anderem ſich dahin ausipricht: „Sch bin von vielen
hoben und anderen Perfonen jchriftlih und mündlich bericht worden, wie jchädliche An-
derungen nad) meinen Abreifen eingerifjen find, wie ich Leichtlich abnehmen Tonnte, da 20
man ın Bilderjtürmen fo bald anfing. Ad) mein Gott das heißt nicht reformieren, fon-
dern deformieren. Marimilian Mörlin hatte ein vom Flacianismus gefäubertes Thü-
ringen verlaffen und fand es jebt von Flacianern erfüllt wieder. Sein entjchiedener
Gegner war wie billig Mufäus, der früher als Flacianer abgejegt worden war und in
Mörlin nur den Verſtörer der Kirche fah. Mörlin fonnte daber in Koburg erft dann 25
ausdauern, ald Johann Wilhelm 1573 ftarb und der nunmehrige Regent Kurfürft Auguft
auf Wunſch des gefangenen Herzogs Mörlin in feine früheren Amter einjeßte und den
Flactaner Mufäus famt feinem Anhang verjagte. Als nunmehriger kirchlicher Macht:
baber bat Mörlin mit Lindemann, Stößel und Widebram Kirchen und Schulen vifitiert
und alle Geiftlihen, die nur im geringiten des Flacianismus fchuldig waren, aus ihren 30
Pfarren geworfen. Sp erforderte es der dogmatifche Territorialismus. Im Zeitalter
feiner undogmatiich-rationaliftiihen Friedensliebe verleugnete der Territorialismus fein
proteftantifches Blut nicht und befleißigte fich derjelben Intoleranz. Mörlins vermittelnde
Richtung ſiegte in der Konkordienformel. Mörlin hat an feinem Teil an dem Zuftande:
fommen dieſes hochwichtigen Lehrgeſetzes gearbeitet, auch an dem lichtenbergijchen und 35
Zorgauer Konvente teilgenommen.
Mörlin hatte fich zweimal verheiratet. Seine erjte Frau, eine Mittenbergerin, hatte
hm 2 Töchter und 12 Eöhne geboren. 1581 beiratete der 65jährige Witwer nad
ter Bauernart zum zmweitenmal. 1584 den 20. April ftarb M. Mörlin in barter un⸗
ber Zeit, ein zumetlen bejchränfter aber immer überzeugungstreuer Vorkämpfer des ww
Luthertums melanchthonischer Prägung, auch dein Geiſte HR ein Bruder, Joachim Mor:
Ind. Xitterariich hat er fich weniger bervorgethan als ſein Bruder, aber als Prediger
und als Mann des Kirchenregiments bat er in Thüringen bedeutenden Einfluß ausgeübt.
K. Färber (Lezinß).
Mogilas, Petrus und die Confessio orthodoxa, geſt. 1647. — Litteratur:s
Die Einleitingen in den unten zu nennenden Ausgaben der Confessio und die Symboliken,
namentlich Sch, Symbolik der gried. Kirche, 1872 und Kattenbufch, Lehrbuch der vergleichen:
den Konfeſſionskunde, 1892; Demetracopulus, Graecia orthodoxa, 1872, ©. 155fj. Vor
alfen Zegrand, Bibliographie Hellenique du dixseptitme siecle, 4 Bde 1894—1896, na:
mentlih Bd IV ©. 104—159, Bd II, 202 ff., aber auch an anderen Stellen, nantentlid) bei 50
welpredung der fpäteren Ausgaben der Confessio. Im einzelnen La perpetuit de la foi de
!’&gliee catholique touchant l’eucharistie, Ausgabe von Raufanne 1781, BBIIL, S.609—- 611,
IV ©. 364—375. Loofs ThStKr 1898, &. 165—171.
Die Reforination des 16. Jahrbunderts bat fih dadurch als ein univerjellsfirchen:
biftorifches Ereignis Tundgetban, daß fte Diejenigen Teile der Nirche, welche fie nicht um: 55
bilden konnte, doch zu einer erneuerten Erwägung und Sicherftellung ibrer bisherigen
Grundfäge nötigte. Direkt wirkte dieſe Erjcbütterung auf die abendländifche Kirche, Die
ſich als römische neu fonjtituieren mußte, um der andringenden Macht gewachſen zu jein,
indireft und fpäter auch auf die entlegenen Gegenden des Oſtens. Die griechiſch-morgen—
ländifche Kirche war allerdings einer durchgreifenden reformatorifchen Bewegung damals ww
Mogilas
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Mogilas 251
Für das Abendland find drei griechiich-lateinifche Ausgaben zu nennen: die erjte mit aus:
ührlicher Einleitung verjebene des Laurentius Normann, Profefjor zu Upfala, Leipzig 1695,
auf melde von Leonhard Friſch, Frankfurt und Leipzig 1727, eine deutſche Ueberſetzung
gebaut wurde, eine ziweite von G. G. Hofmann (Orthodoxa confessio eccel. — orien-
talis, Wratisl. 1751), die lebte und brauchbarite von E. J. Kimmel (Libri symbo- 5
liei ete., Jen. 1843), mojelbft der von Hofmann gelieferte Tert mehrfach berichtigt wird.
Sm übrigen vgl. Legrand a. a. O. IV, €. 149 ff.
Die Sprache der Belenntnisichrift ift die griechische Vulgäriprache, die wir hier nicht
u charafterifieren haben (vgl. Kimmel, Prolegg. p.61). Unfere Aufmerkſamkeit wendet
ih dem Inhalt zu; auch diejer wird nicht fogleich in feiner ganzen Eigentümlichkeit er: 10
fannt. Schon der Umfang beweiſt, daß wir es nicht mit einem eigentlichen Bekenntnis
p thun haben, ſondern mit einer vollſtändigen kirchlichen Lehrſchrift, die zwar in ihrer
techetiſchen Form ſich an das Bedürfnis der Schüler und Katechumenen anſchließt, aber
auch ſchwierigere und feinere Erwägungen in ſich aufnehmen will. Beiderlei Zwecke, die
katechetiſchen und die mehr theologiſchen, waren in der griechiſchen Kirche niemals ſo be⸗— ı5
ſtimmt wie in der lateiniſchen auseinander getreten. Die Richtung des Ganzen erhellt
aus der erſten Frage: was der katholiſche Chriſt feſthalten und befolgen müſſe, um das
ewige Leben zu erlangen; die Antwort lautet: zulorıw 6odNy xal Eoya xald. In dieſe
beiden Stüde zerfällt die Bedingung der Seligkeit, der Glaube geht voran, die Werke
folgen als deſſen Früchte (Ja2,24), und es entipricht durchaus dem Geifte des griechtichen 20
Kirchentums, daß dieſe zwei Prinzipien mit antiker Einfachbeit neben einander geitellt
werden, ein Bedürfnis aber, fie auf Eins zurüdzuführen, noch gar nicht empfunden wird.
Freilich verwiſcht ſich diefe Zweiteiligkeit —8* wieder, daß der Verfaſſer gleich darauf
(S. 57 Kimmel) ſeiner Ausführung die drei theologiſchen Tugenden Glaube, Liebe und
Hoffnung zu Grunde legt und diejen ebenfo drei Stoffe zuoronet: das Glaubensfymbol 25
für den eriten, die Auslegung des Vaterunſers für den zweiten und die der zehn Gebote
für den dritten Teil des Werkes. Indeſſen gebört doch das Mittelglied der Hoffnung,
indem es Glauben und Liebe verbindet, feinem Inhalt nah mehr dem dritten als dem
erften Teile an. Der angegebenen Scheidung jteht aber noch eine andere prinzipielle
Zweiheit zur Seite, die von Schrift und Tradition (S.60). Die Homologie Tann daher wu
gar nicht umbin, im Verlauf neben den biblijchen Gitaten zahlreiche patriftifche Belegitellen
einzujchalten, unter denen die der Gregore, des Athanafius, Bafilius, Dionyfius und Da-
mascenus am häufigſten twiederfehren.
ür die fpezielle Prüfung bietet der erjte Hauptteil die meifte Ausbeute. Das voran-
geftellte Symbol kann natürlich fein anderes fein als das von 381, da die beiden anderen 35
nur im Abendlande öfumenifche Geltung erlangt baben. Die Erklärung der Trinttät
(5. 66 ff.) bewegt jich in der Yehrform des Johann von Damaskus und unterfcheidet
obne übertriebene Subtilität die weſentlichen und die hypoſtatiſchen Idiome ((duwuara
wruxa xal odowön) Auch für den KRontroverspunft vom Ausgang des bl. Geiftes
vom Vater allein werden die inneren Beweiſe nur furz berührt; das Hauptzewicht rubt a0
auf dem urkundlichen Argument, daß ber älteite Symboltert den Zuſatz filioque nicht
iennt, und es wird auf die filbernen Tafeln bingemwiefen (E. 142), die nad dem Zeugnis
des Baronius (ad ann. 809) unter Xeo III. in der Kirche zu Rom aufgeitellt fein follen.
Die Antnüpfung der Lehre von der Schöpfung, die in gricchifcher Weife durch neun Klaſſen
der Engel bis berab zur irdiſchen Menfchbeit verfolgt wird, war mit dem Attribut Gottes 45
als des Schöpfer gegeben (S. 76 ff.). Nun aber beachte man wohl, wie mitten in dieſem
gemeinfaglichen kirchlichen Gedankenkreis gewiſſe feinere Ausdrücke oder Bezeichnungen
auftreten, die ganz eigentlich aus dem Apparat der altgriechifchen fpefulativen Theologie
entlehnt find, damit auch dieſer wiflenjchaftliche Faden nicht verloren gebe. Die Trans:
cendenz der Gottheit fordert die twohlbefannten Prädifate ürreoayadds Uneoreins (5.62). ww
Die Reit jol immer nod in die intelligible (voeoös x00uos), das Reid der Harmonie
und des Gchorfams, und in die fichtbare zerfallen, der Menſch aber, weil er mit beiden
zufammenhängt und das ganze Univerfum in fich darſtellt, als Mikrofosmus erfannt
werden (S. 77). Fragt man, warum die göttliche Eigenſchaft der Allmacht alle andern
überrage, fo dient zur Antwort, weil fie vor allen den Abſtand des Abfoluten vom End: 5;
lihen ausdrüdt, welches weder aus fich felbit getvorden fein noch Anderes Schaffen Tann
(S. 72). Und wie vereint ſich die Allgegenwart Gottes mit deſſen Erbabenbeit über
jedes Örtliche? Dadurch allein, daß er als fein eigener Ort (Töros abrös davrod) die
örtlichen Schranten ebenjo beberricht wie von ſich ausfchließt (73). Im ganzen balten
ſich auch die nächſtfolgenden Abſchnitte in den Grenzen der älteren dogmatifchen Über: co
19 beide in na und in ‚der böchiten —
ihrem EN aa | aa) ges
Ghriftologie, die dem Symb S. 981), die re bon der €
Se 5 vjö u
25 Hau y | e it ſa "nachher die chriftfie Kaiſer
den höchſten kirchli Rang d Neu⸗Rom verlieben haben (S. 154—156)
—* | ——2— ug vor Ronftantinopel Die Kirche aber iſt —— ——
ne —— Grundſätze der wahren | Gottesanbetung, des Faſtens, der Ans
3 Myſterien betrifft, fo —* durch M ilas die abendländiſche ———— kirchlich ſanktio—
d Entfcheid ‚ aber d wanfende und ungl
niert, und def tſch — neu urch ſch eu —
des Einzelnen verrät m
F en Ko F uf Alten * wir bei dem über —
rieſterw —— auf ältere ungen —— we o
die uerovalwors, die endmahl ftattfinden foll, entſchieden über die alte neraßadn
—5* * it feine Tr — Are eine In nern nn, *
v ueraßdhkeran) un nur wieder etwas
der ſakramentlichen Verwandlung ein ähnlicher innerer * der iſchen Einverleibung
mit Chriſtus zur Seite ſteht (S. 178 ff.). Übrigens find die en nad) grischiicher
0 Anficht Zeichen und Unterpfänder der göttlichen Kindſchaft un Seilmittel des fündbaft
erkrankten geiftigen Lebens (S. 171).
Der zweite Teil der Schrift hat die Hoffnung zur Überſchrift, d. hr das Vertrauen
auf bie a 6 —* teils dargebotene, teils verheißene Gnade, und da ai ‚poffende
— erſicht im et des Herrn und in den Seligpreiſungen der
ildlichen Ausdruck findet: jo knüpft ſich die weitere Darlegung an die) pp
Die Benutzung der Makarismen war ebenfalls nicht neu, ſondern feu Mr J
—* chen und asketiſchen Schriften des Mittelalters üblich. Inben mun der
tbifche und Praktiſche übergeht, fehlt es jehr an dem ſyſtem * 3ufanım
= erften Teils. Die Auslegung wird durch firchliche und asketi
I) — An die Stelle der inneren Entwickelung tritt die loſe —— |
en, wie fie die fpäteren Griechen liebten. Wie ©. 1 I nach Fin 4,6
* Ken 2 fieben Charismen und S. 152 nad Ga 5,22 neun Beüchte bes HB
—3 — werden: * fol es ©. 159 neun kirchliche Vorjchriften geben, zu
das Faſten, das regelmäßige Sündenbefenntnis (viermal im Yabr), die Ch) | *
55 Kirchengüter und die Entbaltung von bäretifchen Büdyern gehören. Dagegen Am en
leibliche und fieben Seelenpflichten der Barmberzi * anzunehmen (S. Boff mit Hilfe
un ebr äußerlichen Teilung wird die Zahl wirklich herausgebracht, aber der Emit |
achdrud ift anzuerkennen, mit weldem die Tröftung der Gebeugten, die a
werfelnden, die Beratung der Unjchlüffigen dem Schüler ans Herz —F wird.
60 * undſchaft ausdrücklich im dieſer Reihe auftritt, erllärt ſich aus ber a
nee 4
Mogilas Molauns 253
Neun und Sieben ericheinen alfo neben der Drei als die religiös bedeutfamen Zahlen,
die erjte bat in den Klaſſen der Engel, die zweite in den Saframenten und deren Wir:
lungen ibre vornebimite Darſtellung. Die biermit eröffnete Tugend: und Pflichtenlehre
fett fich ferner im dritten Teil unter dem Titel der Yiebe und in der Auslegung des
Delalogs auf ähnliche Weiſe fort. Aus den drei chriftlihen Haupttugenden ergeben ſich 5
zunächſt die Chliegenbeiten des Gebete, des Faſtens und der Wohlthätigfeit, dann die
wichtigen Tugenden der Klugbeit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung, ganz nad)
ihren Hafjishen Namen. Ihnen ſtellt fich jodann die Reihe der Laſter und Sünden, der
läßlichen wie der Todjünden, gegenüber, das höchſte Gebot aber fpricht die gemeingültige
Norm des Handelns aus. Eine evangelijch-freie Auffafiung der chriſtlichen Yebensaufgabe 10
fann fih in den gegebenen asketiſchen, vorfchriftlichen und ceremoniellen Schranken nicht
Bahn brechen. Indeſſen finden fich zumeilen tiefer greifende Erwägungen, 3.8. ©. 296,
wo beantwortet wird, twiefern das zweifache Gebot Chriftt den ganzen Defalog in ich
begreife, oder ©. 297, wo erflärt wird, warum das erite Gebot die Erkenntnis Gottes
von Sich jelber austrüde. Tas erfte und zweite Gebot giebt auch Gelegenheit, die Firchlich 15
vorgejchriebene Anrufung der Heiligen und den Gebrauch der Bilder zu rechtfertigen. Die
Erledigung diefer Schwierigkeiten ijt verftändig und naiv zugleih. Die Heiligen werden
als Freunde Gottes angerufen, nicht angebetet, und daß fie überhaupt von den irdiichen
Dingen Kenntnis baben, muß durh Annahme einer göttlichen Gnabenmitteilung erklärt
werden (S. 300). Es iſt ferner ein großer Unterſchied zwiſchen Idolen (eidwAor) und 20
Bildern (eixwv); jenes find menfchliche Erfindungen, diefes find Darftellungen wirklicher
Dinge und Berfonen, aljo wohl geeignet, die Anſchauung von dem Sinnlichen zum Himm—
liſchen und zu Gott felber emporzutragen. Die Verehrung gilt alsdann nicht ihnen, jon-
dern dem vergegemvärtigten Göttlichen oder Heiligen. Bilder find das notwendige Hilfs:
mittel der Anrufung der Heiligen, Doch werden jie, wird naiv binzugefeßt, nur dann 35
ihrem Zweck entjprechen, wenn jedes Bild feine Aufichrift hat.
Wir haben in diefer Uberjicht viele Einzelbeiten unberührt gelafjen, den Sinn und
Geiſt des Ganzen aber hoffentlich binreichend Tenntlich gemadt. Es tft der Standpunft
des alten Katholicismus, wie ihn das griechifch-ortentalifche Kirchentum Nom gegenüber
fortgepflanzt und feitgebalten bat. Man bat der Belenntnisfchrift des Mogilas den ent 30
gegengejeßten Vorwurf gemacht, daß jie lutberanifiere und romanijiere, weil namentlich der
angeblich lateinifch geſinnte Meletius Syrigus an der legten Redaktion großen Anteil gehabt
babe. Die eritere Anklage kann nur auf Mißverſtändnis beruben und läßt fich mit feinem
fiheren Merfmal belegen. Tie andere möchte nur infofern einen Zinn haben, als die
griechifchen Eigentümlichkeiten in Bezug auf Fegefeuer, Ungefäuertes, Kreuzeszeichen, Ulung, 35
Faften u. dal. einfach und ohne eigentliche Angriffe gegen Nom und das Bapfttum feit-
gehalten werden. Gap 7 (Ph. Meyer).
Molanns, Gerhard Walter, geit. 1722. — Ein Verzeihnid der Schriften von
Molanus bei E. A. Tolle, Lebensbeſchreibung aller Professorum Theol. g" Rinteln, Hannover
1752, IL, S. 331—338 und in Strieders heſſiſcher Gelehrtengejhichte IX, S. 136—143. Die w
wiihen Molanus und Boſſuet gewechjelten Schriften jind in den Oeuvres de Bossuet, ed.
j IX, Baris 1856, S. 809-1070 ausführliger und korrekter — die lat. Scriften
meijt auch franzöjiich von Boſſuet — twiedergegeben als in der Schrift Super reunione pro-
testantium cum ecclesia cath. Tractatus inter B. et Mol., ®ien 1782; v. Einem, Das Leben
6.8. Molani, Magdeb. 1734; Schlegel, K. u. Ne. Geſch. von Norddeutihland III, Hannover 45
1832; Hering, Geld. d. kirchl. Unionsverſuche II, 1838 ©. 214ff.; F. Uhlhorn in der ZEG
X 8.39 ff.; Wagenmann in d. AdB XXII ©. 86Ff.
Gerhard Walter Molanus, Iutberijcher Theologe aus der Schule Galirts, wurde in
Hameln an der Wefer, wo fein Bater Spndifus und Advokat war, am 22. Oktober alten
oder am 1. Nov. neuen Stils 1633 geboren und auf der braunſchweigiſchen Yandesuniverfität 50
Helmjtedt gerade noch unter Galirtus ſelbſt, welcher bis 1656 lebte, und unter deſſen
Schülen und Kollegen Gerbard Titius, Joachim Hildebrand u. a. gebildet. Dieſelbe
tbeologifche Schule erbielt gerade Damals auf der ſchaumburgiſchen Untverfität Rinteln die
Alleinberrichaft, ſeitdem jie nach dem weſtfäliſchen Frieden den reformierten Yandgrafen
von Heſſen⸗Kaſſel allein überlajfen war und dieſe Die Wflicht hatten, den beftigen gegen: 56
feitigen Haß der Lutheraner und Neformierten in ibrem Yande möglichit zu verjübnen ;
ſchon Landgraf Wilbelm VI., der Veranſtalter des Friedensgeſprächs zu Kaſſel 1661,
und nach deſſen frübem Tode 1665 jene Witwe, Hedwig Zopbia, die Schweiter Des
großen KRurfürjten von Brandenburg, jorgten daher, daß nur aus der von Haß gegen Die
ei — ex Theologen, alſo aus der helmſtedtiſchen, die
tbeologifd ee ae une vurden. "Er u ia Adel
Meer 11. an of Öfenns (9 — ———
a dr al — tr
im der | dog eng ich ——
"den late h ee Biete mehrmals ee
ahre 1674 wurde Molanus von dem Johann Friedrich nach Juſtus
die Di des nſiſtori und
— — en * — Ai — und wie a den
war von dem Herzoge Julius 1585 das Fortb der alten Rechte und das ir
rachte „Habit” F ert und ſeine evangeliſchen Abte wurden nun unter den
En — zugleich — * erſte 1992 2 ——
40 waltung —* der I geworbene. obann 5
er Nachfolger t Auguſt und Georg ‚ber bis er Tebte, hr 10h eis
halbes Jahrhundert hindurch beinahe allein überließen. Molanus benugte dieſe Stell
N e lange Zeit hindurch zu einer mehr erbaltenden und berubigenven, mehr erregte böfe
enſchaften beſchwichtigenden, als Neues ſchaffenden, reformatorifchen Wirkſamkeit; jet
+ Zymbolum war Beati pacifiei ,; als Schüler Galirtö bielt er bei der Landesgei
auf gelehrte — überbaubt und auf die auch auf der ——
insbeſondere und bewirkte er ſchon dadurch eine Vermind polemiſchen
eit gegen die anderen Konfeſſionen und des Verdienſtlichfindens ns deren; er *
r Schulen und Kinderzucht und Kultus obne Experimentieren und
50 ri —* für pr feiner kirchlichen Konſiſtorialbureaukratie von
ebörden neben ihr (Schlegel, T. III, ©. 353. 360. 376) und erbielt wann
durch verdientes Vertrauen mebr noch als durch Fügjamteit obne viel yf die Jventität
ai a ten und des land lichen Willens im Kirchenregiment und Be
mfang feiner Wirkſamkeit. Aber diefe Erfolge und fein Gölibat, feine Wü
65 > fein antwachjender Reichtum wurden ibm dabei zu einer Verfuchung, mehr Wert auf
dies alles und auf ſich felbjt zu legen, als nötig, und für die ihm anvertraute Landes: |
—— heilſam war; wenn er eine Bibliothek ſammelte, welche 12000 Thaler, und =.
jammlung, welche 66000 Thaler wert war, und „fructus sancti coelibatus“ über
ge Ser ichrieb (Dolle S. 328 ff.), jo war das nü lih und ſchön, befonders da «er
00 Ki vor Simonie frei wußte — er beteuert in feinem Tejtament, „tie er von Anfang jenes
ä
Melanıs 255
Kirchendirektorates 1674 viel hundert Candidatos zu Pfarrdienften — und zum Stüd Brot
geholfen habe, Gottlob aber ohn alle Gefchenfe, Korruption oder Simonie”, auch nicht
„für die Necommendationes bei meinem gnäbdigften Fürften und darauf allemal erfolgter
obnjehlbaren Beförderung” — nur darf man dabei nicht an ein anderes „ehrliched Ka—
pital” denken, welches um diejelbe Zeit Hermann Franke fammelte und Jeſ 40, 31 über den 5
Eingang des Haufes fchrieb, welches er davon baute. Und fagt er in dem Gutachten über den
Übertritt der Prinzeſſin Elifabeth zur fatholifchen Kirche: „Es ftehet feinem Priefter zu, fich
zum Richter über Feine Souveränen aufzumerfen, gegen fie oder ihre actiones invec-
tivas zu halten oder ſonſt etwas zu thun, dadurch die Affeltion und Reſpekt der
Untertbanen gegen ihre hohe Obrigkeit vermindert werden Tönnte”, Altes und Neues, 10
Jahrg. 1722, ©. 556, hat er nad) dem Zeugnis eines Zeitgenofien, Joh. Dav. Köhlers in
öttingen (Münzbeluftigungen T. 9, ©. 57) guten Freunden, die von ihm einen Rat
begebrt, wie fie ihr Leben klüglich und glüdlich in der Welt einrichten fönnten, die drei
Regeln angewiefen: 1. superioribus reverentiam et obedientiam praesta, 2. of-
ficium tuum fac taliter qualiter, 3. stultum est laborare ubi quiscere possis". 15
S. auch Tholud, 17. Jahrhundert 2, 57, fo fteht man einem ebenfo bedenklichen Mangel
an fittlihem Mut, wie an natürliher Energie gegenüber. Über die eigentümlichen An
fhauungen, die M. über evangelifches Kloſterleben begte, ſ. F. Uhlhorn ©. 419 ff.
Eine noch bedeutendere kirchliche Wirkſamkeit weit über die Grenzen der bannöve-
rifchen Landeskirche hinaus ſchien Molanus durch feine Teilnahme an Untonsverband- 20
lungen mit den Neformierten und mit der fatbolifchen Kirche erhalten zu follen; doch
machte er bier bald die Erfahrung, daß der Schmerz über die Zerriflenheit der Kirche
und die Anertennung der Pflicht, an ihrer Heilung zu arbeiten, nicht auch fchon die Aus-
fübrbarkeit diefer in einer gegebenen Zeit verbürge.
Über die Union mit den Reformierten fich zu äußern, erhielt Diolanus eine erfte 3
PBeranlaffung durch die Aufhebung des Edikts von Nantes und die dadurch veranlaßte
Aufnahme franzöfifcher Flüchtlinge im Hannoverifchen, und die im Sabre 1690 ihnen dort
gewährten Privilegien (Schlegel a. a. D. ©. 291); bei diefer Gelegenbeit jpricht e8 Molanus
m einem auch von Leibnig mitunterzeichneten Gutachten aus, „daß auch den moderatis,
ja moderatissimis, d. h. denjenigen evangelicis, welche die abjonderlichen Xehren so
der Heformierten nicht für fundamental, fondern vielmehr die Neformierten für Brüder
in Chriſto halten, je dennoch vor einer ſolchen per declarationem publicam_ ein:
zufübrenden Toleranz billig grauet, weil die conditio der evangeliſchen Kirche dadurch
immer jchlimmer geworden”, hat aber, um dies zu beweifen, bloß jeine in Rinteln ge-
machten Erfahrungen anzuführen, mie die helle Regierung dort nach dem Kaſſeler s
Kolloquium vom Jahre 1661 reformierte Profeſſoren, Bürgerneifter und Natsherren ein-
geſetzt und für den Gotteödienjt der Neformierten eine Kirche eingeräumt und „dann
und wann Prediger dabin gejegt babe, welche die evangelifchen Dogmata beftig perftrin-
gierten” weshalb denn Mufäus nach Helmjtädt, Edard nach Hildesheim gegangen und
Henichen früh geftorben ſei. (Das Gutachten ift abgebrudt hinter Neumeiſters Schrift, ad
„Daß das itige Vereinigungsweſen mit den ſog. Neformierten allen 10 Geboten, allen
Artikeln des apoſtoliſchen Glaubensbelenntnifjeg, allen Bitten des V.-U. u.f. m. zuwider⸗
laufe.” Hamburg 1721 in 2°, S. 7176.) Weitere Beranlaffungen, die Union nit den
Keformierten zu betreiben gaben die Verheiratung einer Tochter des Kurfürften Ermit
Auguft an den Kurfürſten Friedrich von Brandenburg, dann 1705 Verhandlungen darüber 4
wilhen Anton Ulrich von Braunfchtweig und dem Könige von Preußen; auch bier wurde
lanus zu Gutachten, zur Kommunikation mit Urfinus u. ſ. f. herangezogen, und bier
— er mehr als vorher nachgegeben zu haben, aber die Verhandlungen wurden ohne
og ſehr plöglich im Jahre 1706 durch ein Verbot an Leibnitz abgebrodyen (Schlegel
. ©. 323—326. 699). 50
Noh mehr wurde Molanus zu Arbeiten für Herbeifühbrung einer Union mit der
katholiſchen Kirche herangezogen. Herzog Johann Friedrich twünjchte fo beftig ihn felbft
in die Bidet m Kirche nachzuziehen, daß er ihm dafür anbot, er wolle ihn dann zu
feinem Biſchof machen und ibm außer einem Diefer Stellung angemelfenen Einkommen
noch ein Gefchent (oder eine Totation für das Bistum?) von 100 000 Thalern dazu
— Molanus ſchlug ſtatt ſeiner nach dem Tode des erſten apoſtoliſchen Vikars für
deutſchland Macchioni (geſt. 1676) dem Herzoge den Dänen Steno für dieſe Stelle
und zu feinem Beichtvater vor (ſ. Molanus eigenes Zeugnis vom Jahre 1710 bei Schlegel
E. 265—266. Über den Vikariat Mejer, Propaganda, T.2, ©. 218 ff). Um diefelbe
Zeit begannen auch die Unionsverbandlungen des Roras de Spinola, welcher zum erjten co
&
256 Molanns Molina und der Molinisuns
Male unter Johann Friedrich 1676 und zum zweiten Male unter Ernſt Auguft 1683
in Hannover erfchien und mebr angeboten zu baben fcheint, als er wohl nadıber bätte ra-
tifizieren lajjen fünnen, z. B. Abendmabl unter beiderlet Geftalt, Prieiterebe, vielleicht gar
Zuspenjion des Tridentinums, und mit welchem Molanus von beiden Fürſten zu unter:
bandeln beauftragt war (Schlegel S. 297 ff.; Hering, Neue Beiträge zur Geſch. der ref.
Kirche in Preußen, T. 2, Z. 352 ff.). Daran jchlofjen fih 1691, 1692 und 1693 noch
Berbandlungen zwiſchen Boſſuet und Molanus, welche man näber fennt, in welchem
man aber noch tveniger einig wurde, da Bofjuet nicht einmal fo viel wie Spinola ein-
räumen konnte. Molanus ſpricht in feinen Erwiderungen die größte Ghrerbietung gegen
10 Bofjuet aus und weiß fich faſt in allem dem einig mit ihm, was Boſſuet für Die gegen:
jeitige Anmäberung durch jeine „expositoria methodus“, d. b. durch Nachweiſung ge-
leiftet babe, in wie vielen Yebren der Difjens zwiſchen Natboliten und Lutheranern nur
auf Mißverſtändnis oder verjchiedene Bezeichnung eines gleichen Inhaltes hinauslaufe; er
bat nichts dagegen, die Eucarijtie „quodammodo proprie diei sacrificium“; er giebt
5 ihm auch zu „de coneiliis oecumenicis legitime celebratis dico: Christus nunquam
permittet ut ecclesia universalis in concilio aliquid fidei contrarium pro-
nuntiet“ u. dgl. (Boſſ. S. 848. 871. 1042f.). Aber das Tridentinum, wo die ro.
teftanten nicht gehört und dennoch verurteilt ſeien, und welches auch nicht von der ganzen
fatbolifchen Kirche angenommen fei, 3.8. vom Deutjchen Reiche und näber im Erzbistum
20 Mainz nicht, wo noch Kurfürſt Johann Philipp dies jeinem Rate Leibnitz bezeugt babe,
fönne deshalb nicht für legitime celebratum gelten, und wenn deiien Geltung, 3. 2.
feine Worfchrift der Kommunion sub una, nicht für die Proteſtanten juspendiert werde,
jei alles weitere Unterbandeln völlig vergeblid, denn in diefen Punkte könnten und
würden die Protejtanten nicht nachgeben. Auch mit dem Nachfolger Spinolas (geft.
25 1695), dem Biſchof Grafen von Buchheim, welchen der Kaifer Leopold 1698 nach Han:
nover ſchickte, Scheint Molanus nicht weiter gelommen zu fein (Schlegel S. 314ff.). In
allen dieſen Verbandlungen aber bewirkte wohl ſchon der Ton, in weldem Molanus mit
den fatbolifhen Biſchöfen verkehrte, die Zugeftändniffe, welche er ibnen machte, die Art,
wie er fih ibnen gern noch als Gifterzienjer näher ftellte u. dgl, daß er ſich um dieſe
0 Zeit gegen das Gerücht, er werde fatholiich werden, in Briefen und Schriften verteidigen
mußte. Vielleicht machte ibn dies auch noch im Jahre 1705 etwas borfichtiger und
itrenger, als ein Gutachten von ibm gefordert ward über den Übertritt, zu welchen Herzog
Anton Ulrih von Braunſchweig damals feine Enkelin Elifabetb Chrijtine ver und zu
ibrer Verheiratung mit dem nachberigen Kaiſer Narl VI. zu nötigen befchäftigt war; denn
> obgleich er bier von feiner gemäßigten Anerfennung der katholiſchen Kirche nicht abfiel
und die Meinung ausfprach, „daß Die päpftliche Kirche, excepta communione sub
una, in der Lehre lange nicht fo ſchlimm fei, als in eultu“, und daß wer „im Papſt⸗
tum geboren und erzogen jet”, felig werden fünne, jo follte Doch daraus nicht folgen,
dag ein evangeliſcher Chriſt ohne Sünde gegen fein Gewiſſen oder nah Nö 14 aud nur
so mit zweifelndem Gewiſſen übertreten dürfe.
Wolanus ftarb, 89 Jahre alt, am 7. September 1722. Die bezeichnendfte Charal:
teriſtik Dosfelben, nicht nur durch ein vorangeitelltes calixtiniiches Glaubensbefenntnig,
jondern auch Durch eine ſehr ſpezielle Selbftbeichreibung, giebt fein Teftament, welches
am volftändigften bei Strieder a. a. D. T.9, S. 108-134 abgedrudt ift, abgelürzter
bei Dolle. Henke + (Hand).
—
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[7
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⸗
T
O. Pr), Historia congregationis de auxiliis gratiae, Lovan. 1700 (fol.). &egen ihn: Theo
Eleutherius 1. Livinus Meyer S. J.), Historia eontroversiarum de divinae gratiae auxiliis,
Antwerp. 178 tfol.). Gegen diejen dann der Thomiſt C. R. Billuart (geft. 1757), Summa
summae S. Thomae, 1754. -- N. Werner, Thomas v. Aquin (Regensb. 1858F.), IIL, 378f.;
und: Franz Suarez und die Scholaſtik der legten Jahrhunderte (Wien 1861), I, 24ff.
L. Ranke, Die Päpſie, II, 203. Gerhard Schneemann 8.J., Die Entjtehung u. Entwidelung
der thomiſtiſch moliniſtiſchen Nontroverje (aus SEML, Nr. 9—-14), Freiburg 1879|. Derj.
Controversarum de divinar gratiae liberique arbitrii concordia initia et progressus, eb».
> 1861 (vgl. unten, im Tert\. Tb. de Regnon, Bannes et Molina. Histoire, doctrines, critique,
metaphysique, Paris 1883. Chr. Peſch S.T., Ein Dominikanerbiſchof als Molinift vor Molina:
3tTh 188, ©. 171ff. (ſ. u. im Tert),. Derſ. in f. Traetatus dogmatici, V, 157—164.
Hergenröther. Lehrb. d. Nirchenneichichte”, IIL(1SS6), &. 363--268). P. Schanz, ThOS 1885,
I, 141, Dollinger-Reuſch, Bellarmins Selbſtbiographie (1587), ©. 2537. 273 ff.). Reuſch.
„Der Inder der verbotenen Bücher II (Bonn 18851, S. 45f. 208-309. Morgott, KKLꝛ. VIII,
Moling und der Molinismus. - Auguſtin fe Blanc (Pſeudon. für: Hyacinthe Ser
z
-
Molina und der Molinismus 257
17341780. Sanct. Sciffini, Tractatus de gratia divina, freiburg 1901, p. 383. 448.
Sn biographifcher und bibliographifcher Hinſicht bietet bei. Neichhaltiges: C. Sommer:
bogel, FT etc. t. V, 1167—79. Bgl. Hurter, Nomenclator? I, 47—49 u. Mor⸗
gott 1. c., 1735.
Der an Scharflinn und umfafjender Gelehrfamteit den meisten feiner Orbensgenofjen
überlegene Jeſuit Ludwig Molina trat gegen Ende des 16. Jahrhunderts — fcheinbar
vermittelnd, im Grunde aber nur mit Worten den Gegenfaß verbedend — in den Zwie—
ipalt hinein, welcher ſich durch die ganze Gejchichte der Lehre von der Gnade in der kath.
Kirche binzieht und namentlich zwiſchen den Schulen des Thomas und des Scotus unab- 10
läjfige Kämpfe erzeugt hatte. Beim Übergang vom Mittelalter zur neueren Zeit mar
das Problem eine Ausgleichs zwiſchen der dem Auguftinus unausgefebt dargebrachten
boben Verehrung und dem andererſeits die ganze Fatholifch-kirchliche Moraltradition be-
—— Semipelagianismus beſonders von zwei Seiten her zu löſen verſucht worden:
uerſt durch den ſpaniſchen Thomiſten Didacus Deza (Biſchof von Salamanca, dann von
encia, geſt. 1523 als deſign. Erzbiſchof von Toledo), deſſen auf Umbildung der
Auguſtiniſchen Gnadenlehre im ſemipelagianiſchen Sinne gerichtete Beſtreben treffender⸗
weiſe als „Molinismus vor Molina“ bezeichnet worden iſt (ſo von Peſch a. a. O.; vgl.
urter, Nomenc. IV, 1023sq.); dann wieder in anderer Weiſe durch den belgiſchen
rläufer und Wegbereiter der janfeniltiichen Bewegung Michael Bajus in Löwen. Der 20
letztere (ſ. d. X. Bd II, ©. 363 ff.) war noch nicht geitorben, als der Streit in anderer
Gegend in eine neue Phaje eintrat durch ein 1588 zu Liffabon erfchienenes Buch: Liberi
arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione
et reprobatione concordia, welches außerordentliches Aufjehen erregte. Verfaſſer des-
— war der Jeſuit Ludwig Molina, welcher, zu Cuenca in Neucaſtilien 1535 geboren, 25
on früh in den Orden Loyolas eintrat, mit großer Auszeichnung in Goimbra Theo:
logie jtudierte und fpäter ein angejehener Lehrer derfelben wurde. Er fchloß ſich haupt:
ſächlich an den lufitanifchen Ariftoteles Petrus Fonſeca (f. d. A. VI, 123,34) an, lehrte
auch teils neben, teils nach dieſem feinen Lehrer zu Evora 20 Jahre hindurch thomtitifche
zbeologie; jpäter wurde er Profeſſor der Moraltheologie in Madrid. Hier ſtarb er den 0
12. Dftober 1600, 65 Jahre alt, von feinen Ordensgenoſſen bochgeehrt wegen feiner Ge:
lehrſamkeit, Demut und freiwilligen Armut. Sein großes Werk völterrechtlichen Inhalts
De justitia et jure (6 Bände, 1593— 1609), fein Kommentar über den eriten Teil der
Summa des Thomas Aquinas (Cuenca 1592 u. ö.), auch verjchiedene biftorische und
fonftige Schriften (vgl. Sommervogel 1. e.), haben ihm auch auf anderen Gebieten einen 35
angefehenen Namen erworben. Hauptſächlich berühmt aber wurde er durch das oben ges
nannte Werk, jeine erite größere Eritlingsichrift, die außer der angeführten, jest ſehr
feltenen Liſſaboner Ed. princeps bis ins folgende Jahrhundert binein verjchiedene neue
Auflagen erlebte (3.3. Cuenca 1592, Lyon 1593, Venedig 1594 und 1602, Antiverpen
1595 u. 1609, auch noch Antwerpen 1715, fowie neuerdings Paris 1876). Das Buch 40
bildet eigenlich einen Kommentar über gewiſſe Stellen der Summa des Thomas (bei.
über art. 13 u. 16 von P. T), durch welchen der Verfaſſer Auguftin und die Semipela-
gianer in einer Weiſe in Einflang bringen wollte, „mie es bisher noch von niemanden
zu ftande gebracht worden.“ Das Wiſſen Gottes, determiniert durch feinen Willen, fei
zwar, wie der Grund aller Dinge, fo auch derjenige der freien Handlungen des Menjchen. 4;
Deus semper praesto est per concursum generalem libero arbitrio, ut natu-
raliter aut velit aut nolit prout placuerit. In den Willen entmwidelt ſich die Frei⸗
beit nach vorhergegangenem Urteil der Vernunft formaliter. Durch dag Mitwirken
(eoncursus) Gottes kann der Menſch auch ohne einen befonderen Gnadenbeiftand etwas
moralisch gutes verrichten, welches feinem natürlichen Endzwede gemäß ift, wenngleich nicht so
dem übernatürlichen, d. bh. dem, wodurch das Wachstum in der Gnade oder das ewige
Leben erlangt werden fünnte. So oft aber nun der freie Wille durch feine natürlichen
Kräfte bereit ift, alles zu verfuchen, was er von fich ſelbſt kann, um dasjenige zu er:
lernen und anzunehmen, was entweder den Glauben oder den Schmerz über die Sünden
und die Rechtfertigung betrifft: jo erteilt ihm Gott die zuvorkommende Gnade und jenen os
Beiftand, damit er es fo thue, wie es zur Seligfeit nötig iſt. Nicht ale verdiene er fich
dadurch jenen Beiftand in irgend einer Art, wenn er gleich ohne Hilfe der Gnade Ver:
ſuchungen widerſtehen, ja fich zu einem oder dem anderen Akte des Glaubens, der Yiebe
und ber Neue erheben könne. Sondern Chriſtus bat ung dies durch fein Verdienſt ver.
ſchafft; um feinetwillen gewährt Gott uns die Gnade, durch welche wir die übernatür: co
Neal-Eucytlopädie für Theologie und Stiche. 8. A. XIII. 17
[3
t
Beat
mpfahl fie ſich dadurch, daß fie möglichjt weit won den Lei Häretifer Yutbe
585, 11 ff.) und Mariana in — — Molina
aber die Dominilaner ala Drbensgenofien des Doetor
zu e Blanc (Setry), bebauptet
ber, ——
n et olina
lieben. —— ihn —
über dieſe Ge ve in Spanien
haben würde, die Akten zum Spruche
Molina und der Molinismns 259
gugelandt. Er befragte die angefehenften Theologen und Biſchöfe darüber, erfannte aber
‚ daß die Verwerfung der 60 Säte Molinas, welche man angefchuldigt hatte, für die
römische Kirche ebenjo gefährlich fein würde, mie deren Annahme Daher ward das
gewöhnliche Mittel angewandt, wo etwas in der Schwebe gehalten werden follte: «8
wurde 1598 eine Kongregation zur Unterfuchung der Sache eingejeßt, welche unter dem 65
Namen der Congregatio de auxiliis gratiae berühmt wurde und der ftreitigen An-
gelegenbeit nach und nad) zablloje Seffionen widmete. Vor ihr führten nun Jeſuiten
und Dominikaner ihre Sache im Geilte ihrer Orden ganz als Parteiangelegenheit (Reuſch,
Sinder II, 298 f}.).
Unter den für die Lehrweiſe Molinas eintretenden Theologen der Gefellichaft Jeſu 10
waren ea rar Toletus und Franz Suarez, welche ſich beſonders hervorthaten. Molina felbit
jowie Papſt Clemens VIII. wurden bald vom irdiſchen Schauplage abgerufen. Während
der erften Jahre Pauls V. (feit 1605) dauerte der Streit mit SHeftigkeit fort. Die
Jeſuiten mußten ſich der ihnen wiederholt drohenden VBerdammung dur allerei Künfte
und bejonders durch ihr politifches Anſehen zu entziehen, indem fie fogar Erfcheinungen 15
der Jungfrau Maria vorgaben, die ihre Lehre beitätigt habe; fie behaupteten, es handle
fih nicht um Glaubensfäge, drohten mit einem allgemeinen Konzil u. |. w. Eine bereits
ausgefertigte Verdammungsbulle wider fie wurde wegen der Verdienfte, die fie ſich im
Kampfe des Papftes mit der Republik Venedig erworben hatten, zurüdgehalten und ge
langte nicht zur Publikation. Seit 1607 ließ Paul V. die Kongregation ihre Siyungen 20
einftellen, indem er zu gelegener Zeit eine Entſcheidung zu geben verfpradd. Statt dieſer
Entfcheivung, welche überhaupt niemals erfolgt ift, erlieh der Papſt im Sabre 1611 ein
Verbot jedes ferneren Streite über die Angelegenheit der auxilia gratiae.. Seine
Runtien mußten den geiftlichen Oberen aller Länder ein auf genannten Gegenftand be:
zügliches Drudverbot infinuieren (... ne sinant imprimi in materia de auxiliis, %
etiam sub praetextu commentandi S. Thomam, aut alio modo; et qui volunt
de hac materia scribere et imprimere, prius mittant tractatus et compositiones
ad hanc S. Inquisitionem). — Wegen der fpäteren auf die auxilia gratiae bezüg-
lihen Erlaſſe der Päpite, befonders des Inquiſitionsdekret Urbans VIII. vom 22. Mai
1625 74 dasjenige Innocenz' X. vom 23. April 1654, |. Näheres bei Reuſch, Inder so
‚303r.
Nicht ganz ein Jahrhundert nach Unterdrüdung des Streites durch Paul V. fchrieb
der Dominikaner Hyacinthe Serry, pſeudonym als Auguftin le Blanc, die Gefchichte der
Kontroverje in Gehalt eines zu Löwen erſchienenen ftattlihen Folianten (f. o. die Xitt.).
Seiner Daritellung trat als Anwalt des moliniſtiſchen Standpunktes der Jeſuit Livinus 35
M unter dem Namen Theodorus Eleutberius gegenüber (1708), den dann der Thomiſt
Billuart u. AN. befämpften (vgl. Dustif, Scriptt. O. Praed. II, 803; Reufch, Inder
308 und 688 f.). Daß die jemipelagiantsche Denkweiſe Molinas über die mehr auguftiniich
erichtete Theorie der Thomiften in der neueren römifchen Tradition faktiſch die Vor:
haft errungen hat, ift bei mehr als nur Einem Anlaſſe erfichtlih geworben; fo ao
namentlich ſchon gelegentlich der Streitigkeiten der Sefuiten mit ihren janſeniſtiſchen
Gegnern im 17. und 18. Jahrhundert. Neueftens hat der Jeſuit Gerhard Schneemann
in den Schriften: „Die Entftebung und Entwidelung der thomiſtiſch-moliniſtiſchen Kon-
troverfe” (freiburg i. Br. 1879) und Controversiarum de div. gratiae liberique
arbitrii concordia initia et progressus (1881) zu zeigen unternommen, daß Molina 45
jeie die ihm folgenden jejuitifchen Theologen die Autorität des bl. Thomas, ja felbit
ie des Auguftinus, mehr für In hätten, ala die älteren Thomiſten im engeren Sinne,
+2. jmer Bang. Die moliniſtiſche Kontroverse ift infolge davon fait vollftändig wieder
aufgelebt. Der Dominifaner M. A. Dunmermuth (S. Thomas et doctrina praemotionis
hysicae, Paris 1886) und andere richteten Angriffe wider den Echneemannjchen Neu: 60
linismus, während Jeſuiten wie V. Frins (S. Thomae Aqu. doctrina de coope-
ratione Dei cum omni natura creata, Paris 1893), S. Schiffint (De gratia div.,
. 383. 448. —, ſ. o. d. Pit.) ꝛc. ſchützend für denfelben eintraten (vgl. Schreiber, Art.
gemann im KARL? X und GC. Sommervogel, Biblioth. ete., VII, 822-—826). — Auch
noch von anderer Seite her hat man in unferem Jahrbundert Molinas Lob gejungen.
De Maiftre (De l'église gallicane I, 1,9) beivunderte ihn als „un homme de g£nie,
auteur d’un systöme à la fois philosophique et consolant, sur le dogme re-
doutable qui a tant fatigué l’esprit humain, systöme qui n’a jamais été con-
damn& et qui ne la sera jamais“. Wegen feiner Yeiftungen auf moraltbeologifchen
Gebiete überhaupt, insbefondere wegen feines kaſuiſtiſchen Scharfſinns, belobt ihn P. Gury w
17”
—
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zae -„iditate vravissimum (vgl. Hurter,
Belt + (Zödler).
—F “rse> Jjeers oncernant le Quiéêtisme et
‚2 = me ten uneerning the present state
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rue. Lar:s Ihr ingl. J. Mabillon,
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: s. Urneid. Unverteniiche Kirchen: u.
-m- 2. Disserrationum decas p. 404);
PO 5512 x. ẽ. Zaturling, Mystikeren Molinos
.. men. 3575 1854 35: H. Heppe, Be:
On. zz: Der iS) =. 110--135; 260--282;
2= ei. ade ". TII IV, Madrid 1880; John
- “or. Meutil, Ter Inder der verbotenen
Taerlen -t la Suciete de l’Abbaye de
,„ er . zer. Ethit II, 100-164; Zul.
.. .z Jersa emer Anbüngerihajt: 386
„2 mer sm Weiß Der Jahreszeiten,
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- „seie sum io am Ende Des 17. eine
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. .. Ta anrwaft tchenften. So zählten
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„zı »2 Tremmen ſpaniſchen Prieſter
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Nm anden Verfaſſer gedrängt hatte,
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der Aicael beigegebener Anhang
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„gm sam. ungeachtet Dos Anſehens,
.. Zesterzer und Beichtvater Roms
„ner Zion längere Seit dor feinem
> ann Toanafett gegen den Proteitan:
a rerenmus und Myſticismus innerhalb
Molinos 261
derfelben zu entwideln begonnen. Im ganzen einer verftändigen traditionellen Theologie
zugetban, befaß er allerdings auch Nepräfentanten einer inneren Frömmigkeit in Ye Mitte,
doch immer unter ftrenger Zucht der Neflerion und Autorität. Die allein auf die innere
Beichaulichkeit gerichtete, das Herzensgebet (die oratio passiva s. mentalis) vor allem
empfeblende und den äußeren Frömmigkeitsübungen, insbeſondere auch der Beichte abholde 5
PANNE eines Molinos, zumal bei dem Einfluß eines ſolchen Mannes auf das Ober:
upt der Kirche, konnte diefem Orden nur gefährlich erjpeinen, Die vereinzelten Be:
mwunderer, welche Molinos jelbit in feinen Kreifen, 5. B. an den römijchen Sefuiten
Appiani und Esparza, gefunden batte, blieben ohne Einfluß auf die Haltung des Ordens
im ganzen. Einer ‘einer Angebörigen, der fanatiiche Bußprediger und Asket Paolo Seg= 10
neri, Verfaſſer einiger noch neuerdings in fatholifchen Kreifen gejchägten Erbauungsichriften
gl die deutiche Ausgabe derfelben von Weisfopf, 1852), trat als eriter öffentlicher An-
äger wieder die Lehren des Guida auf. Er ſchrieb dawider, zunächſt unter Vermeidung
fchärferer Polemik, ſowie ohne des Molinos Namen zu nennen, eine Concordia tra la
fatica e la quiete nell’ oratione (Bologna 1681). Die dadurch erregte Entrüftung, ı5
nicht gegen den Angegriffenen, fondern den Angreifer wurde fo groß, daß die Inquiſition
eine Kommiffion zur Unterfuchung der Schriften des Molinos und feine Freundes, des
Biſchofs Petrucci von Jeſi, der durch feine Schrift La contemplazione mistica acquistata
als Apologet der moliniftifchen Lehren aufgetreten mar, nieverzufegen für gut fand. So
ſtark war indes noch für Molinos die günftige Meinung, daß die völlige Freifprechung 20
der Angejchuldigten erfolgte und beider Schriften als mit dem Glauben und der Moral
ber Kirche übereinftimmend bezeichnet wurden (1682). Verurteilt dagegen wurden mehrere
der gegen fie gerichteten jeſuitiſchen, bezw. jefuitenfreundlichen Schriften, dabei auch eine
von Segneri verfaßte Lettera polemiſchen Inhalts (Venedig 1681) — jene milder gehaltene
Concordia allerdings nicht unbedingterweife, fondern nur mit dem Vermerk „donec cor- 26
rigatur“ (ſ. das Nähere hierüber bei Reufh, S. 613f.).
Vom litterarifchen Schauplage bintweg wurde nun der Kampf auf den politifch-firch-
lihen verſetzt. Durch den Bater La Chaife wurde Ludwig XIV. beivogen, im Jahre
1685 dem Papſt die eindringlichiten Vorftellungen zu maden, um ihn zu einem Ein-
fhreiten gegen den der Kirche durch feine Lehren gefährlihen Mann zu bewegen. Wie so
erzäblt wird, ſoll Innocenz die Anklage von ſich ab an das Inquiſitionsgericht vertiefen
baben. Sein anfänglich mutiges Zeugnis für den frommen Spanier verjtummte nur all:
zubald, zumal als die Inquiſition ihn angeblih „nicht als Papſt Innocenz XI., jondern
ale Beneditt Odeschalchi“ um feinen Glauben zu befragen begann und gleichzeitig jener
franzöfifche Kardinal d'Eſtrées feine Nolle mechjelte und aus einem Freund ein Gegner 85
des Molinos wurde. Der Lebtere wurde nun, noch im Laufe des Jahres 1685, verhaftet.
Der bei ihm vorgefundene namhafte Briefmechjel — an 20000 Briefe aus allen Teilen
der katholiſchen Melt — ließ die Inquifitoren einen tieferen Einblid nicht nur in die
weite Verbreitung diefer myſtiſchen Lehrweiſe, fondern mwahrjcheinlic auch in die für die
berrichende Kirchenpraris, möglicherwveile bier und da auch für die GSittlichfeit bedenklichen 40
Folgen derjelben thun. Den anfänglich auch vorgeforderten Petrucci entließ man zunächſt
wieder; Molinos aber wurde im Gefängnis zurüdbehalten, um ihn zum Widerruf zu
en. Zwei Jahre, damit die für ihren Liebling erhitzte Volksgunſt fih inzmwifchen
abfüble, ruhte jcheinbar der Kampf, bis plößlich im Februar 1687 an 200 Berfonen,
zum Zeil vom höchſten Range, wegen „quietiftiicher” Grundfäge von der Inquifition ein= 45
gezogen werden. Mit diefem neuen Ketzernamen wird nämlich jene Richtung auf die
„innere Ruhe” bezeichnet, welche bei Molinos einen bejonders fräftigen Augdrud ge
funden batte, nachdem fie Schon längft in der Fatholifchen Myſtik als höchſtes Biel der
Frömmigkeit betrachtet worden war. Am 28. Auguft 1687 wurde das Verbammungs-
defret der Inquifition über 68 aus den Schriften des Molinos gezogene Sätze ausgefer: 5
tigt, drei Monate darauf vom Papſt — fer es weil er feine Privatüberzeugung feinem
Amte unterordnen zu müſſen meinte, oder teil er wirklich von den nabeliegenden Miß—
bräuchen ich überzeugt hatte — beitätigt. Dem Feuertode entging Molinos; denn der:
felbe Dann, welcher fich jahrelang im Gefängnis der Revokation geiveigert, entjchloß fich
zu ihr, als das Dekret gefällt war! Mit Überzeugung? Ebenfowenig läßt fich dies glauben 55
als bei einem Savonarola.. Molinos Abſchiedsworte an den Mönch, welcher ihn in die
Gefängniszelle begleitete, lauteten: „Lebe wohl, mein Vater, wir feben ung wieder am
Tage des Gerichtes, und dann wird es fich zeigen, ob die Mahrbeit auf meiner oder auf
eurer Seite geweſen!“ Jedenfalls erjcheint der vorgebende Widerruf nicht jo unbegreiflich
bei dem Myſtiker, welcher nichts für gefährlicher erklärt, als das fidarsi del proprio w
Molinos
& austrüdtich die Unterwerfung unter den Beihtoute foent „auch da,
—— ı ober wo be
— (1. II. e. 9. 10). vielleicht auch nicht
jedinei Brider, Simon und Yon Maria Seoni, auegefek
wen Mega u — ba, fie ur zu hihi, be
{ zamts
| ee gegen olau en ein er als Do
„ai — a au di ‚le
jäbrigem nquifitionsproge ro in —— ne ezwungen und —* zu
kn Ya Bat Ir be n (vgl. . Rämme, Zur * des a6. und
ahr une 1863, S uf ilien, wo eine — ſeit 1703
| labirinte del’ Amore) ähnliche L Molinos
j anfcheinend —— zu —* chwärmeriſcher Überſpanntheit, —— hatte, fand nod)
— Palermo ein oliniſten⸗ Autodafs ftatt, vollzogen an einer Nonne und
em Man * ee für abjolut fündfrei und volllommen —— hatten (vgl.
* ausführliche Beſchreibung ihrer Verbrennung von Antonio L'atto publico
uo di fede ete., Palerm. 1724, ſowie die neue Ausgabe an — pa
Der 1, Par um über die Sache des Quietismus zu richten
mäßig wenige vor. Bon —— des Molinos re außer Sen ou Qu 3
jamt jenem Traftat De la eottidiana communione * —— ı in
dem von einem — * herausgegebenen Réecueil de di —
s le quidtisme 1688. In — Jahre — * ebenfalls. vor von einem Engländer ges
jchrieben (ala Supplement Burnets ital. — 2 o. die Litt.) die —
auf guten Informationen — Three lettres co the present state of
Italy, written in 1687 (jpäter auch franzöſiſch, 2. * —— 1696). Hierzu fommen
dann noch j ene 68 Thefen, auf welden das Verdammungsurteil fußte und a fich
0 ſchon bei A. H. Francke im Anbang zu feiner lat. Ausgabe des Guida (Manuduetio
8 iritualis, Lips. 1687) aus dem römijchen nquifitionsdefret edrudt finden, des⸗
gleichen deutſch bei Gottfried Arnold (Kirchen- und Ketzerhiſtorie, III, 17) und weiterhin
“ ben neueren Monographien über Molinos (auch in Denzingers Enchiridion sym-
bolorum ete., 6. ed. 1888, p. 266— 274). Noch nicht gedrudt ift * RR der Win,
45 chener Hof- und Staatsbibliothek ——— —— ——
263 proposizioni, worin die dem Angeklagten g en Irrlehren
Gegenrede — 5* t ſind. Nach Heppe (S. 273) „beweiſen dieſe F
Inquiſition vieles, was ſie dem Unglücklichen anfänglich zum Verbrechen
ſpäter bat fallen laſſen, — aber auch, daß ſie damals a noch vr das *
* Schriften des tolinos Vorliegende bielt, während fie
4 Bropofitionen, ſich die gewiſſenloſeſten Werbrebungen und Lügen erlauben zu
glaubte”,
Die Aufmerkjamteit, welche diefer Prozeß in einer Zeit, wo aller Augen ſich auf die
Torigejehten Siege der Jeſuiten und den damals noch —— ⸗ der a
55 lichen Autorität gegen die gallifanifchen —— richtete, in allen Län
männern wie bei Geiſtlichen auf ſich war eine außerordentliche. —— wie
litterariſche eitungen waren voll von ° achrichten über den Duietismus. Bon
Intereſſe find die auf ibn bezüglichen Nachrichten, welche die damals in Rom w
Dauer Mabillon und Germain in ihren Briefen an Boffuet meldeten (j. de ——
oo Mabill., 1, e.). In Deutſchland verſtärkte ſich dieſe Aufmerkjamteit durch die Verwande
Molinss 263
ſchaft der PVerurteilten mit den gleichzeitigen Pietiften, deren Gegner auch nicht verfehlten,
dieſen Umſtand auszubeuten, zumal nachdem Frande zur Rechtfertigung des verurteilten
frommen Mannes deſſen Schrift in Iateinifcher Überfegung herausgegeben und G. Arnold
diefelbe dann verdeutjcht hatte. Eine abſtrakt verftändige proteftantifche Orthodoxie Freilich
(mie bei Jäger in Tübingen, 3. Fr. Mayer in Hamburg, auch bei dem reformierten 6
Theologen Jurieu in Amjterdam) richtete ähnlich wie Rom den Irrtum, ohne Berftänbnis
für die zu Grunde liegende Wahrheit. Der Pietismus freute fich der innerlichen Yröm-
migfeit, erfannte zwar den Irrtum an, fand indes in Molinos doch nur das unfchuldige
Opfer jefuitifcher Intrigue; jo Spener in feinem Gutachten an einen katholiſchen Fürften
(Bedenken 1, 317). Ebenjo Francke, vorzüglich aber Arnold, der Patron jeder Gattung
des Myſticismus, welcher den Gegenjtand in feiner Kirchen- und Keßerbiftorie TI. III,
il, mit gewohnter Gelehrfamteit behandelt; desgleichen Weismann, Memorabilia 1. o.
(). oden).
Die von Molinos in feiner Hauptjchrift dargelegte Lehre enthält in feiner Hinficht
neues, jondern, wie auch ſchon die Berufungen des Verfaſſers auf die älteren Autori- 16
täten dartbun, durchaus nur diejenigen Anjchauungen und Grundfäße, melde, nachdem
fie innerhalb der Kirche — auf neuplatonifher Grundlage — zuerft in der myſtiſchen
Theologie des Dionvjius Areopagita ausgeführt worden, nachher in unzähligen Baria-
tionen von den eriten firchlichen Autoritäten, ja ſelbſt von Heiligen, in bald mehr bald
weniger überjpannter Weife verfündigt wurden. An eveln myſtiſchen Erfcheinungen und 20
Geifteserzeugniflen mar bejonders Spanien im 16. und 17. Jahrhundert reich geweſen.
Die von Molinos unter allen Vorgängern, auf welche er ſich beruft, am höchtten ge:
feierte myſtiſche Autorität iſt die Gaftilianerin Thereſia (f. d. Art.). Ihre Schriften nebit
denen ihres Mitarbeiters an der Reformation des Karmeliterordens, des tieffinnigen un
tiefinnigen ob. vom Kreuze, müffen auf die innere Bildung von Molinog von ſtärkſtem 25
Einfluß gemejen jein. TDesgleichen weit er felbjt u. a. auf den frommen merilanifchen
Einſiedler Gregorio Lopez (geit. 1596) fowie auf Frau von Chantal hin. Inwieweit
auch Verkehr mit der ſpaniſchen Myſtikerſekte der Alombrados (vgl. d. Art. Bd I, 388 ff.)
zur Ausbildung feiner Denk: und De a beigetragen, ift ungewiß. Manche möchten
ibn ohne weiteres zum Sprößling diefer Partei feines Heimatlandes machen, ja auch für so
feine Überjiedelung nah Rom in einer deshalb ihm drohenden Verfolgung den Grund
ſuchen. Hierzu iſt jedoch ſchon darum feine Beranlaffung, da die Hichtung auf die oratio
mentalis und die damit zufammenbängenden Jrrtümer in den verfchiedenften Zeiten und
Abteilungen der Kirche, auch teilweife ohne allen nachweisbaren Zufammenhang ſich finden:
bei den Umpbalopiuchiten des Berges Athos und bei den Begharden, bei der Guyon und 35
bei den Tuäfern, felbit unter den Myſtikern Indiens und Perfiens (vgl. Jul. Köhler,
ZRG 1898, S. 593f., wo der bei tatbolifchen Beurteilern nicht felten vorhandenen Neigung,
allen Quietismus aus Einer gemeinjamen ketzeriſchen Wurzel berzuleiten und ihren Cha-
rafter als unabhängiger „Parallelerfcheinungen” zu verfennen, mit Recht entgegengetreten
wird). Überdies war vor der Anklage von jefuitifcher Seite feiner Schrift ebenfofehr der —
Beifall des Dualifitators der Spanischen Inquifition als der des italienifchen Stegergerichtes
zu teil geworden. „Non parla“, heißt es in der Approbation des ſpaniſchen Inquiſitors,
„per proprio capriccio, per che segue le vestigie degli antichi, appoggiato
sempre ne’loro prineipi e spirituali fondamenti, quale riduce ad un retto e
chiaro metodo, de thesauro suo nova et vetera proferens”. Nach Uuellen zu 45
fragen bei Anſchauungen und praftiichen Grundſätzen, melche überhaupt nicht an den Kopf
überliefert werden fünnen, ſondern auf Erlebniffen ruben und aus denjelben hervorgehen,
iſt überhaupt verkehrt: nur von follicitierenden Faktoren kann die Rede fein. Als ſolche
mag man nun die erwähnten myſtiſchen Größen feines Vaterlandes anſehen, doch außer:
dem audy die patriftifche und myſtiſche Litteratur überbaupt, eimen Auguſtin, Thomas sw
und Bernhard, einen Nreopagita und Bonaventura. Die theologijche Belefenheit nämlich
des Mannes giebt ſich in noch viel böberem Grade als in dem Guida, in dem Traftat
über die Kommunion zu erfennen. Als Grundlage von Molinos Lehren find nur jene
einfachſten Erfabrungen chrijtlicher Frömmigkeit anzufeben, wie er fie im Stile von
Auguftins Konfeflionen und Soliloquien in einem in Petruccts Werfen mitgeteilten Briefe 55
von 1676 an jenen feinen Freund ausſpricht. Er will „die Mittel angeben, welche die
ungeichaffene Xiebe, die nicht den Tod des Sünders will, fondern daß er fich befebre und
lebe, gebraucht bat, um den Briefichreiber von dem Elende der Zünde zu der Rube und
Stille des Herzens, welche er mun genießt und allein der göttlichen Barmherzigkeit ver-
dankt, zu führen”. „Eine der Grundregeln”, fährt er fort, „melde dazu dienen, meine wo
ph
1)
Seele in innerem fteten beivabren, ift dieſe: ich darf nicht Neigung Vie
oder jenes einzelne Gute Mia a Bes Fa error äh
iſt; und ich foll zu dem allein bereit fteben, was jenes böchite Gut mir verleiht und
bon mir fordert. Es find e Worte, aber 2 Is t vieles. Daraus folgt, daß
sich zwar immer mit etwas ichem mich — Ban itrebe, aber desh
mmer zugleich bereit bin, u oder jene hier tor —
ott der Herr fie niht ersehen ‚ oder daß bas Erzielte mir
es fo fs ‚daf i | n
icht gelin d ich: ts — ——— als was will,
id ir bo mitte geben, eye —
welche ſich zu k dur di ——— — 5* FE n und
das en entweder filihen oder * —— —
Grab der Tontemnplativen u bien Si
Abſtraktio
durchkreuzen. Bei der M [ der —— des praktiſch⸗ ſittl
15 mit dem Mariadienſt der —— bei anderen völlige — dom 2
, Ataftion bon der x Lorhug ber — 3 J von ——
5 — in Kontemplati
olinos, nicht nur beleten, —— —* ——* arg ein Mann der böberen
Geielhsart wie er denn aud ber damals m merlenden Königin Chriftina gejellig
35 — —— zur Seite ſtand Ä * —5 Mabillon, l. e.), gebört zu ——
arthadienſt mit dem arienſinn verbu nden wiſſen wollen. Der j
Si leins iſt die erg um innern Frieden. Zu dieſem führt ein vierfacher Weg:
Gebet, Gehorſam, —— — die innere ion. —* den Abwegen
auf dief em bierfachen Wege will der Guida warnen. Zur | von dem äußeren
0 Berufe, ermabnt er aber jo wenig, daß er vielmehr bie ie bes m... Be:
tufes, wofern fie nur mit der rechten innern Sammlung no Hingabe in den Willen
Gottes geſchieht, als virtuale oratione bezeichnet (I. * ce. 13).
Abftraktion betrifft, jo folgt Molinos denjenigen, welde darin den höch oottei
Grad erbliden — die Abftraftion auch von den tbeoretifchen —— der *
35 und von dem praktiſchen Verlangen nad ihr. Er beruft ſich auf Bonaventura in
myſtiſcher Theologie: „non ibi oportet cogitare nec de creaturis, nec de angelis,
nee de trinitate, quia haec sapientia per affeetus desideriorum, non per medi-
tationem praeviam habet eonsurgere“. Die gewöhnliche myſtiſche —— hatte das
fromme Leben in einen Wechſel von Meditation und Kontemplation zerfällt
a0 welche ſich durch den discursus mit den göttlichen Dingen beſchäftigt, Die he
fie genießend anfchaut. Diefer Anficht tritt Molinos entgegen: wer einmal zur —*
plation gelangt, babe nicht mehr auf die Meditation zurückzugehen. Dies bilbete den An:
geitepundt in jener eriten polemifchen Schrift gegen In von Segneri. Doch erflärte aud)
linos für die prineipianti die Meditation als den notwendigen Weg, jo daß alfo
45 fein Irrtum nur darin befteht, daß er die Notwendigkeit verfennt, das ganze Leben bin
durch jene Vermittelung zu erneuern. In dem Verhältnifie, welches er zwiſchen Mon:
templation und Meditation fest, unterfcheidet er fich nicht weſentlich von den meiſten feiner
Borgänger: Richard a St. Vietore, Bonaventura, Gerjon u. a. Sie iſt nidjt memoria,
nicht giudieio, nicht discorso, beiteht aber in der vornebmiten Wirkung des in
so in ber semplice apprensione illuminata della santa fede e ajutata da’ divini
doni dello Spirito Santo, „Die Meditation fäet, die Kontemplation erntet, die Medi-
tation fawet die Ep Die Kontemplation genießt fie.” Nichts anderes verfteht Molinos
unter der „einfachen Apprebenfion“, als was wir im Schleiermacherſchen Sinne das Ge
fühl oder unmittelbare Berwußtfein nennen würben, doc fo, baf —* das von Schleier⸗
56 madher „uſtändlich, ſinnlich und gegenſählich“ genannte Gefühl mit dem unmittelbar
gegenftän lichen nicht nur zufammenfällt, fondern — dem fubj einen Charakter der Myſtil
entfprechend — auch in dem Begriff bei weitem überiviegt. Mit diefem unmittelbaren
eliiöfen Bewußtſein ſoll auf praftiiher Seite Hand in Hand gehen die | Re:
fignation in den göttli Willen. Dieje Hemütsftimmung foll ein u |
60 des inneren Yebens werden; „der ganzen Tag, das ganze Jahr, das ganze Leben“ ſoll
en die innere
Ti Molinos 265
PP Tree werden. (in Nochbild iſt dieſer Zuftand bes
cecren Stiche, „jenes actus purus, welchen die
—— —een Unterſchied, als daß ſie von Angeſicht zu An⸗
—— » lauben“ (I, 13, 93). So verſtanden verliert
BEP on DOT ke or Zorftellungen der Gottheit und -
Kontemplation iſt nicht mebr jene
‚ie auch ein Ruysbroek es befchreibt:
3 Einbeit ſtrömt ihm ein einfaches
eitellt Am Dunkel verliert der Menfch
der N ladtheit verliert er alle Betrachtung und
1 Wentifigierun des Seins der Gott:
—F ee Myſtik. Molinos hat gleichfam
' auch der römische Angquifitionsqualififator
E la eima della contemplazione.
"allerdings noch zu einer abftruferen Höhe,
| in x epaulicyen zu ber contemplatio
rk bt: „Hier bringt der göttliche Bräu-
ele in einen überaus füßen und fried-
* ang * und genießt ohne zu verſtehen, was
m —
Te =
en
—— ⏑⏑ ⏑à5&ö
von Winbitille. Erhoben und verklärt zu 2
j hbchſten Gute vereinigt, ohne daß ihr
Ein anderer Begriff der Kontemplation liegt
Emm von bem Zujtande, mo die Kontempla-
Tu wir, jo beſchäftigen ibn (ähnlich wie dies
%, &, 316) vielfach die Zuftände der ariditä
der Kontemplation eintreten. Jener gusto
en id im Geelenfrieven nicht ftören zu laffen,
Ind Yodungen des Satans, an fich böje, aber
Bi fe daß auch ſie mit Refignation zu ertragen.
e, den er als Autorität anführt, ſpricht: ad-
nes nostras. — Was den Gehorſam betrifft,
- I
af:
8
unter den Beichtvater. Die äußeren
Meditation nur für die prineipianti gelten, in—
DIR Bäufie fich dabei der eigene, Gott noch nicht er:
bricht er von zwei ungeſucht jich einſtellenden inneren
Alenden „Ungeduld der habenden und doch auch
> achtet er unter demjelben (Hefichtspunft, mie Die
r —8— anime esteriori ein Vorbereitungsmittel für den
e häufige Kommunion aber empfiehlt er unter dem (de:
E war die göttliche Liebe in der Menfchwerdung, größer
Tod übernimmt, außer Vergleich größer
nigen im Sakramente zum Genuße giebt“.
b der ſpaniſche Inquiſitor das Zeugnis nicht verſagen
bon ben Dekreten der Konzilien oder der Reinheit der
A Berdammungsurteil des päpftlichen Stubles bervorzurufen!
+ Billigkeit ſelbſt gegen ein Inquiſitionstribunal, eine aus:
t zu müfjen geglaubt: ob für Die dem Werurteilten ſchuld—
—
yen mehrfache Beiſpiele derart dar, wo die Motive für das Ur—
‚uchen find, ale in der Sache ſelbſt, wären nicht oft genug ſolche
eben, die unter anderen Umſtänden die Heiligſprechung erlangt
e man eher in diejer Verdammung ein Rätſel jeben. Aber jener
t fpefulativen Myſtikern es nur das zu⸗
yu unteriverfen. Na, die Lüfte der Melt:
e andere zur Ertötung des Eigenmillens, wie:
ns, daß der unendliche Gott dent endlichen Geſchöpf 4;
don den Zeugniffen der heiligen Schrift, von den Lehren ;
Ben realer Grund vorliege. Böte nun nicht Die Gejchichte -
Q
enigungsmittel bediene: einerſeits den Beängſti— 40
[0
.-
w
=
r,
T
nd der heiligen Thereſa, Johannes a Gruce, während feines Yebens co
Molinss Moll
| | 9 Monate zu ſchwerer Kerkerhaft verurteilt — * Jahre
feinem Tode wird er. g ! Edart, 1329 dur die Verbammungs
für einen Keger erflärt 1440 von Kardinal Nikolaus von Gufa als die Ha stay
igenen bilden hei gepriefen! Statt eines et ein ——
——————
ae — eher il Sm die Akten
zeſſee nie das Tagesli — Ex
des zeichen aud jene 19 dt mie 1 „zen, dx Inqiftion
ergo Be ru at er a —
| | ein Mann, welcher die Meditation, die Beichte
ifikation — erwerke —— auch felbſt oh fr
| i Moͤnche und Nonnen die Roſenkränze, Bilder und * |
weggeworfen, um ie innerlich zu dienen, welcher zunächſt in ber vornehmen
dann in allen Ständen vieler Wolfe Länder einen begeifterten Anbang, ja jelbit das
Vertrauen des Oberhauptes der K erworben ! diefer Mann ber jefwitifchen
re gingen, wie jener Simon Leoni — Le. 615), welcher bie Not-
= einer enreformation unter einem neuen ſt predigte; auch mögen unter
== a gem En wohl manche entdedt worden fein ER und re
36 o% man * in falich and e, F au —— hat zur ——
ereits zur
die 44. Rropofition erſcheinen: „Hiob ottete Gott mit feinen Lippen obne fr
digen”; aber iſt es nicht nadı der fatbolif en Dogmatik nur ber consensus,
eoneupiscentia zur Sünde mat? Oder die 41. „Um uns zu bemütigen, läßt Gott
40 dem Teufel zu, daß einige volllommene Seelen geiviffe fleifchliche Thaten indem
fie ihre Hände wider ihren Willen phyſiſch bewegen”. Man kann erraten, auf melche
Handlungen bier ——— wird; aber wie häufig begegnet man gerade bei den ortho—
doreſten Lea ner Kaſuiſten (Kefuiten, Liguorianern 2c.) ganz ähnlich Iautenden Sätzen,
und wie viele katholische Beichtwäter würden auch auf ſolche Fälle das consensus parit
s eulpam angeivendet haben! — Bol. überbaupt noch Heppe, ©. 113—129 und ©, 272
bis 281. Tholud 7 (Zödler).
Moll, Wilhelm, geit. 1879. — J. G. R. Acquoy, Levensberieht van Willem Moll
im Jaarboek van de Koninklijke Akademie van wetenschappen voor 1879, Amjterdam
&. 66-137; Rogge, Willem Moll in der Zeitichrift Mannen van beteekenis in onze
u re 1879, mit Borträt; vgl. auch Nippold, Die römiſch-katholiſche Kirche im Königreich) der
iederlande, Leipzig 1877, ©. 486—489.
Wilhelm Mol wurde am 28. Februar 1812 in Dorbrecht geboren, wo fein Water
Tabatsbändler war. Als Schüler der lateiniſchen Schule dafelbit itand er am meiften
unter dem Einfluß des tüchtigen Präceptors Dr. J. W. Grimm, eines Anverivandten
55 der berübinten Brüder Jakob und Wilhelm Grimm. Nachdem er, der belgifchen Revo—
lution wegen, vom 1830 bis 1831 als Freiwilliger die Waffen für fein Laterland. ge
en batte, widmete er ſich der Theolo one an der —— zu Leyden. Seine ein⸗
—S Lehrer waren der berühmte Redner van der Palm, der ausgezeichnete Exeget
pan Hengel, dev vorzügliche Kirchenbijtoriter Kiſt und befonders der encyklopädiich gebildete
Moll 267
Johann Clariffe, ein Mann von feltener Belefenbeit und audgebreiteter Gelehrjanikeit,
deſſen dauernde Freundichaft er jchon durch feine im Jahre 1833 gefrönte akademiſche
Preisichrift: De musica sacra in ecclesia Protestantium ad exemplum veterum
Christianorum emendanda, Lugd. Bat. 1834, gewann. Als er 1836 feine Studien
vollendet hatte, trat er im folgenden Jahre das Rarramt zu De Vuurſche einem Dorfe
in der Provinz Utrecht, an. Kaum batte er daſelbſt zwei Jahre als glüdlicher Gatte und
ejegneter Paftor zugebracht, als eine Kehllopfentzündung ihn zwang, nach feiner Vater:
—* heimzukehren. Einige Monate nachher, im Sommer 1839, begab er ſich zur völligen
Wiederherſtellung nach Heidelberg, wo er den anregenden Verkehr mit Ullmann, Umbreit,
Bähr und Rothe häufig genoß. Im Herbſte kehrte er nach ſeinem Dörfchen zurück, 10
körperlich gekräftigt, geiſtig völlig durchgebildet. Nun entſchloß er ſich, eine Archäologie
der chriſtlichen Kirche zu ſchreiben, deren erſter Teil 1844, der zweite 1846 zu Amſterdam
erichien, während die zweite verbeflerte Auflage 1855 und 1857 in Leyden folgte. Schon
der Titel diefes ſchönen und inhaltreichen Werkes: Geschiedenis van het kerkelijke
leven der Christenen gedurende de zes eerste eeuwen, ijt beinerfensiwert, da er 15
ein Proteft ift gegen den herfümmlichen Namen „Kirchliche Archäologie” oder „Stirchliche
Altertümer”, wodurch diefe MWiffenfchaft auf eine falſche Spur und innerhalb unficherer
Grenzen gebracht worden war. Moll mar überzeugt, daß das kirchliche Leben der Chriften
äbrend aller Jahrhunderte unterfucht und befchrieben werden müßte. Die Kenntnis der
lichen Verfaſſung, des Kultus, der chriftlihen Sitten u. |. mw. des 10., 16. und 19. Jahr⸗ zu
bundert3 achtete er nicht weniger bedeutend als die der früheren Zeiten. Die Aufgabe,
die er fich ftellte, erftredte fich darum bis in die Gegenwart. Hätten äußere Umjtände
ibn nicht in andere Bahnen gezogen, fo wäre er der erite geivejen, der eine vollftändige
Geichichte des Tirchlichen Lebens gejchrieben hätte. — Kaum ar der erite Teil dieſes
ed erichienen, ala Moll einen Ruf nach der Stadt Arnheim empfing. Nur ein Jahr 25
war er da wirkſam. Am 11. Juni 1846 trat er die Profeflur der Theologie am ftädti-
ſchen Athenaeum Illustre zu Amjterdam an. Ginen fpäteren Ruf nad) der Univerfität
Leyden (1860), wo man ihn als Nachfolger feines Lehrers Dr. N. C. Kiſt wünjchte, lehnte
er ab. Bid zu feinem Tode ift Amfterdam feine Werkitatt geweſen; da hat er feine
Werke gejchrieben; da gründete er eine kirchenhiſtoriſche Schule. Obgleich er Jahre lang su
auch Exegeſe und Dogmatik zu lefen hatte, war doch die Kirchengejchichte ſein mahres
Studium, und während er mit ausgebreitetiter Sachfenntnis und anregenditem Enthu⸗
ſiasmus die allgemeine Kirchenhiltorie Docierte, widmete er ſich als Autor * ausſchließlich
der niederländiſchen Kirchengeſchichte, beſonders dem vorreformatoriſchen Teile derſelben.
Denn, feines echt proteſtantiſchen Geiſtes ungeachtet, fühlte feine feine und reine, friedliche 86
fromme Seele ſich vielmehr durch die zarte mittelalterliche Ssrömmigfeit, als durch
die oft rohe Großartigkeit der reformatorifchen Zeiten angezogen. Selbſt da, mo er ſich
bisweilen an lettere wagte, waren e8 nur Märtyrer, welche ihn recht begeijtern fonnten.
Ein ſolcher war Angelus Merula, deilen tragifche Gefchichte er in feinem 1851 zu Am-
fterdam erfchienenen Werte: Angelus Merula, De hervormer en Martelaar des ge- «0
loofs, meijterhaft bejchrieb; ein ſolcher Johannes Anaftafius Veluanus, dem er im erften
Teile des feit 1857 von ihm und Kiſt redigierten Kerkhistorisch archief einen gründ:
lihen Aufſatz widmete. Seine beften und am meilten epochemadhenden Werke aber be:
wegen fich auf dem vorreformatorifchen Gebiete. Mit jenem Johannes Brugman en
het godsdienstig leven onzer vaderen in de vijftiende eeuw, Amst. 1854,2 Teile, 45
bahnte er einen neuen Meg, indem er nicht weniger als die äußere Gefchichte auch die
innere in Betracht nahm und das geiftige Leben der Väter aus handfchriftlichen An-
dachtsbüchern und der ganzen reichen erbaulichen Litteratur des 15. Jahrhunderts zeichnete.
Nachdem er alſo einen wichtigen Teil der niederländischen Kirchengefchichte ſehr gewiſſen—
durchgemacht und allerlei Eleinere, jedoch ſtets auf das forgfältigite ausgearbeitete
ufſätze aus demjelben Gebiete geliefert batte, machte er fih mit vollem Bewußtſein der
Größe ſeines Unternehmens an eine, zwei Teile in 6 Bänden umfafjende Kerkgeschie-
denis van Nederland voor de Hervorming, Arnh. u. Utr. 1864--1871; deutſch
beaxbeitet von PB. Zuppfe, Leipzig 1805. In diefem Werke, das ein Mufter von
rünblitten Duellenftudium, allesumfaljender Beleſenheit, forgfältiger Bearbeitung und 55
Darftelung genannt zu werden verdient, ijt die innere Seite der Geſchichte eben:
fofehr alö die äußere zum vollen Rechte gebracht. Nebſt der Hiltorte der Miflionare,
der Bilchöfe, der Mönchsorden, der Sirchenverfafjung, der Stircbenlebre, des Kul—
tus u. f. w. findet man bier cine treffliche Charakteriſtik der Miffton, des Kloſterlebens, des
Schulweſens, der erbaulichen Yitteratur, des fittlichereligiöfen Yebens des Volles u. dgl. w
[el]
E
268 Moll Moller
are ke umfafjenden Werke legte er noch größere Bedeutung bei durch ein am
des ausführlichen den Ne beigefügtes Ber * * mehr als hundert gelegentlich
—— Gegenſtände, die eine genauere wi enfchaftliche Unterjuchung verdienen und
—— So viel bekannt, iſt dies das erſte Beiſpiel eines KR Derzeihmien Daß
5 es anregend gewirkt bat, ift ſchon offenbar, denn mebrere daſ —
id ſeit dem inen di in mei ls gründl
sehe "ac ice —*—— bie mitten — und 5*
ere
den Druck gab, nur noch klein deren aber zwei i
3 — von großem und bleibendem Be find. Beide twaren ig⸗
10 ie 7 der —— en zu Amjterdam, deren Mitglied und Vicepräfident er
24 Jahren war, beftimmt und find in bie Merfe der Afademie aufgenommen.
— eine, Gozewijn Comhaer, een Nederlander aan het hoofd der kerk van
Ysland, EN bon ihm jelbit herausgegeben, Amjterdam 1877 ; der andere, Geert Groote's
Dietsche vertali ngen, ift, feinem uftrage auf dem Aeantenlager zu e, J— In
15 Tode vom Unterzeichneten bejorgt, Amfterdam 1880. — Moll war nicht nur ein
ordentli ißi d Gel a Docent, Sein
Knferice Al rn —* Finn Ge umfeit, rn —— I
d Niederla umandten. Ki diefen gründete 1853
ö gie de eine Geſell die aber SE * — *
ſchaft unter de veitung 8 —* eines —— voor de nten in
fändigen & 2 —*8* Arbeiten auf —— Gebiet geliefert. Wir nennen
nur in Zeitfo ee Caspar Janszoon Coolhaes, de voorlooper van Armi-
so nius en ie — — Amſt. 1856 u. 1858, 2 Teile; Derſelbe, Johannes
Wtenbogaert en zijn tijd, Anft. 1874—1876, 3 Teile; Acquoy, Gerardi Magni
epistolae XIV, Amjt. 1857; Derjelbe, Jan van Venray (Johannes Üeporinus),
'sHert. 1873; Derfelbe, Het klooster van Windesheim en zijn invloed, Utrecht
1875— 1880, 3 Tei e; Roodhuyzen, Het leven van Guilhelmus Gnapheus, een’
35 der eerste hervormers in N erland, Amſt. 1858; Wiarda, Huibert
de prediker van St. Jacob, Amit. 1858: Assink Calkoen, Geor Cassandri
vitae atque operum narratio, Amit. 1859; Paris, Disquisitio de adgero Fri-
siorum Saxonumque apostolo, Amſt. 1859; Vos, De leer der vier uitersten,
Amſt. 1866; Pool, Frederik van Heilo en zijn schriften, Amit. 1866; van Otterloo,
40 Johannes Ruysbroeck, Amſt. 1874; Geesink, Gerard Zerbolt van Zutfen, Amft.
1879; Wybrands, Gedenkschriften van de abdij Mariöngaarde in Friesland,
deeuw. 1879. Zu allem diefem füge man mehrere wiſſenſchaftliche Aufſätze, bejonders
vom erjt- und vom legtgenamnten, in bijtorijchen Zeitichriften, wie au manche Arbeit
von Schülern im weiteren Sinne, die nur kurz oder gar nicht Molls Unterricht genoffen,
46 —5 von ſeinem Geiſte zu aeichichtlichen Studien angeregt worden find, und man wird
eine kleine Überficht haben von dem Einflufje, den er nidyt mur in feiner Dlütegeit, jon-
dern auch noch jpäter auf diefem Gebiete ausgeübt hat. — Moll, der jo viel beig
bat zum Glanze des i. J. 1632 gegründeten Athenaeum Illustre u Amfirbam,
den von ibm Ye it und fait gepropbezeieten Tag erlebt, Si dieſe
50 bekannte Lehranſtalt zur ſtädtiſchen Univerfität erhoben ward. Er ſelb hielt am Ein:
weibungstage bie Feitrede (15. Oftober 1877). Da börte man ibn noch einmal im ber
vollen Kraft feiner jeltenen Beredfamkeit. Jedoch trug er ſchon damals den Keim —
= das a ins Grab * gen —— an fe. —* at an - Her
m große m berurjachte, jeine chriitli uld aber au —
55 zen = 16, —* 1879, von Frau und Kindern, von zahlreichen Freunden und bank-
baren Schülern beweint, ein durchaus braver und liebenswürbiger Mann. Acquoy.
Moller, ha de — Bal. Are in der 1. Aufl. diefer PRE IX, ©. 704 ff, und
Thelemann in der 2. Aufl. X, S. 166ff., ferner I. Friedrich Jen, Heinrich von
Halle 1886 (Schriften des Vereins Kür Reformationageichichte Wr. 12), S. 109 und bie
Moller Moloch 269
genannte Litteratur; AdB XXII, ©. 554. — Ueber Heinrich von Zütphen als den Dichter
des Liedes „Hilf Bott, daß mir gelinge“, Koch, Geſchichte des Kirchenlieds u. ſ. ſ. f., 3. Aufl., I,
©. 411 ff, S. 482 ff., II, ©. 477; Wackernagel, Das deutſche Kirchenlied III, S. 81ff. bei.
S. 84; Wackernagel, Bibliographie S. 100, Nr. 254 f.; Fiſcher, Kirchenliederlexikon I, S. 299 f. —
Ueber den Profeſſor Heinrich Möller, richtiger Moller, vgl. AdB XXII, ©. 758 ff., und die
bier angeführte Titteratur; ferner: Behrmann, Hamburgs Orientaliften, Hamburg 1902, &.27 ff.
Unter dem Namen Heinrih Moller ift in den früheren Auflagen diefer PRE. der
befannte Märtyrer Heinrich von Zütphen behandelt, von dem man aus einem nicht mehr
nachweisbaren Grunde (ettva fett nicht lange vor 1700) annahm, daß fein Familienname
Moller, Müller, Möller oder ähnlich geweſen fei. Infolge Ddiefer Annahme hielt man
Heinrih von Zütpben dann auch für den Dichter des Liedes „Hilf Gott, daß mir ge—
elinge” ;. nady den Anfangsbuchltaben der Strophen heißt der Dichter des Liebes „Heinrich
uler” und das Lied fchließt mit den Zeilen „bat Heinrich Möller El in dem
Gefängnis fein”. Seitdem nun aber die Annahme, daß Heinrich von Zütphen urjprünglich
Moller oder Müller geheißen habe, als eine irrige erkannt ift (vgl. een a. a. D. und
die AdB am zuerit a. O., wo es 1508 ftatt 1505 beißen muß), iſt ficher, daß er nicht
Verfaſſer diefes Liedes fein kann, fo wenig als er die beiden anderen Lieder, die Wader-
nagel ihm beilegt, wegen ihrer oberbdeutfchen Sprache gedichtet haben kann. Es iß aber
ſeitdem auch kein ausreichender Grund mehr, Heinrich von Bütphen bier unter dem Namen
Heinrih Moller anzuführen; vgl. deshalb unten den Artikel Zütphen, Heinrich von.
Was das genannte Lied anlangt, jo bat Johann Chriftoph Dlearius es (1705, vgl.
Fiſcher a. a. O.) dem Heinrich Moller, der von 1560 bis 1574 Profeffor des Hebräifchen
in Wittenberg ivar und am 26. November 1589 in Hamburg jtarb, zumeifen wollen,
weil diefer in den fryptocalvinijtiichen Streitigkeiten ing Gefängnis fam; aber diefe An-
nabme wird dadurch unmöglich, daß das Lied Schon 1527 (15242) gedrudt ift, während
diefer Heinrich Moller erſt 1530 geboren ward. Wer der Dichter dieſes Liedes ift, ſcheint
noch nicht ermittelt zu jein. Gar! Berthean.
Moloch, Molet (72:7). — Thom. Goodwin, Moses et Aaron, zuerft englifch Drferh
1616 (mir liegt vor die 4. A. der lateinifhen Uberjeßung von Reiz, Bremen 1703) 1.
e. 2: De Molocho (©. 315—335); Selden, De dis Syris I, 6 (1.9. 1617) mit den Addita- :
menta Andr. Beyer in den fpätern Ausgaben; Valentin Greiffing, 975 Da rat h.e. Im-
molatio liberorum Molocho facta, juxta Levit. XX. Comm. 2, Wittebergae 1678 (Dijjer:
tation); Joh. Spencer, De legibus Hebraeorum ritualibus earumque rationibus, Cambridge
1685 (mir liegt vor die Ausg. Tübingen 1732) 1. II c.13: Lex transitum per ignem in
honorem Molechi prohibens (S. 360--370); Joh. Braun, Selecta sacra, Amjterdam 1700, :
L IV c. 8: De vitulo aureo et Molocho, $.449— 476; Herm. Witſius, De cultu Molochi,
in desſeſben Mis@ellanea sacra 1. II, 5, Bd 1, Herborn 1712, ©. 608-617; M. F. Cramer,
De Molocho Ammonitarum idolo, Wittenbergae 1720 (Difjertation) ; &. F. Rivinug, Texvodrora
Judaeorum, Xeipzig 1735 (Dijjertation); Salom. Deyling, Tabernaculum Molochi, Actor.
VII vers. 43, in bdesfelben Observationes sacrae, Bd II?, Leipzig 1737, ©. 444—456; in
Ugolinog Thesaurus antiquitatum sacrarum Bd XXIII (Venedig 1760) die Abhandlungen
von &. Schwab, De Moloch et Remphan, 8.631—644, von Dan. Diegih, De cultu
i, 8. 861—886, von Chriſt. Sam. Biegra, De crudelissima liberorum immolatione
Molocho facta, 8. 887— 924; Münter, Religion ber Karthager?, Kopenhagen 1821, S. 5—61;
Movers, Die Religion der Phönizier, 1841, S. 322—-498, Daumer, Der Feuer: und Molod):
Bienit der alten Hebräer als urväterlicher, leguler, orthodorer Kultus der Nation, 1842;
Ghillany, Die Menfchenopfer der alten Hebräer, 1842; K. Chr. Rland, Die Genefiß des Juden—
thums, 1843; Ernit Meier, ThStt 1843, S. 1007—1053 (Recenjion der Schriften Daumers
und Ghillanys); M. Löwengard, Sehova, nicht Moloch, war der Gott der alten SHebräer,
Berlin 1843 (an hiftoriijhem Urteil wertlos); v. Lengerke, Kendan, 1844, ©. 249— 251; Winer,
AB. U. „Milcom“ und „Molech“ 1848; Schwenck, Die Mythologie der Semiten, 1849,
&.277—318; Abr. Geiger, Urfchrift und Ueberfekungen der Bibel, 1857, &.299—308 („172
mb ="); J. G. Müller, A. „Moloh“ in Herzogs RE.', IX, 1858; Dort, Het menschen-
offer in I ‚ Haarlem 1865; €. H. Herwerden, Het menschenoffer in Israäl, in d. Beit-
fhrift Waarheid in Liefde, Jahrg. 1868, &.1—31, 81-—-108, 161—173; Kuenen, Jahveh
en Molech, in: Theologisch Tijdschrift, Bd II, 1868, S. 559—598; berf., De Godsdienst
van Israel, Saarlem 1869 j., Gap. IV, Anmtg. I (englijche Überfegung BI, ©. 249—252);
Ziele, De Egyptische en Mesopotamische Godsdiensten, Amſterd. 1872 (franz. Überfegung
Histoire compar&e des anciennes religions de l’Egypte et des peuples s@mitiques, Paris
1882, S. 281 ff., 311 ff., 435ff.); derf., Kompendium der Religionsgefcichte, überf. von Weber’,
1880, S.97 f., vgl. S. 95f.; derf., Geſchichte der Religion im Altertum bis auf Alerander den
Großen, deutihe Ausg. Bd I, 1896, S. 240—244, 343f., 319—352; Baudiſſin, Jahve et
Moloch sive de ratione inter deum Israelitarum et Molochum intercedente, Xeipz. 1874;
25
40
60
2
0
270 | Moloch
Derz, U. „Saturn? in Schentel® BL. V, 1875; Neftle, Die iöraelitifchen Eigennamen nad
ihrer religionsgejchichtlichen ©. 174—182; Paul Scholz, Gbhen⸗
un | — re vüern, 1877, & 182—217; Dunder, Geichichte des Alter:
‚8b TS, 1878, Schlottmann, A — —* a I Stern . Liefer.,
51 2 ®
W. Bd IL, Er Si 5, Bibtiice ‚ 1880, ©. 19; ®b. Bergen
— is, Boni — Paris 1 1881, ©. ufre : Stade, Se
es Volles Nirael, Bd I, 1837, ©. 609-611; Baethgen, Beiträge zur femi
— 16 us. —— B. ®. Cerdmans, Melekdienst en
(Zeidener Difjertation , Sehen 1801; rg
‚1a you de dep, Er tre XI du livre suivie es
25—26, Löwen 1893; dowach, Sebräifche —3 e, 1894, Bo II, S. 305
B. Gray, Studies in Hebrew names, London 1896, ©. 115 15-1 ——
ug Das Berhältnis des — zur israelitiſchen Meligion, 1896;
Meyer, 4 — —J— are ber — u. je; enge —
ü. Molech in — Biblica TEL. 1008. um 6; 8.109 in
8 Dictionary of the Bible III, 1900; Zimmern in: | —— und das
20 : He Zen ums — Schrader", 1903, ©. 469472 („Milt”). — Bol. die Litteratur zu
oloch, 9 Moleh, Molet den wird bie
Ste gan, welhe in Mede ba, belt a In Cbrim, mit Andropfm
Die xx —— den Vokal ber un Silbe, wie ähnlich in andern Fällen,
— — gleichmachend, 6 Molog 2 Kg 23, 10; Am 5, 26; Ser 32, 35: sd
Aöy Baorkei, auch 2 Rg 23,13 L un ge1,5 als Variante Meier, fönft —
18,21; 20, 2ff.; Molox bei Aquila Ze 18,21 und 2 fg 23, 13, hm 21
und 28 23, 10, Theodotion Ye 18, 21, Moloch bei Hieronymus. D br
3 Ausf —5 — im Deutſchen (ſo ‚Luther AG 7, AG 7,43, —— * Die
— x übt ihren Einfluß auch in den Varianten an ——— 1.3;
olyoi * — ——————— (A. — 38 wahr — 5 — wc
t, e Trans on — er eweſen
quila, Symmachus und Theodation in die LXX- N * Bücher ber
36 Könige und ber — eingedrungen ſei für Dice Mana es Baorkebs. Die doppelte
Wiedergabe des Wortes in Jer 32, 35 fpricht für diefe Annahme; aber MoAoy findet ſich
body auch AG 7,43, wo Am 5, 96 nad LXX citiert w
Die Ausſprache molek Er fünftlich gebilbet. Die alten erachten nannten ben
Gott zweifellos entweder melek „Höni " nach hebräiſcher oder malk (milk) A
40 pbönichde Ausiprache. Die Punktatoren haben hier (tie rer cheinlih aud in "
ie Vokale der beliebten Saal W der Götzen mit boßet „ e“ —— 6
Geiger ©. 301; vgl. A. Baal BI, S. 337, 2ff.). —— zeigt m
äoycov und Baoıkeds — er, daf mindeftens dem größern ge? der alten —— Über:
— —* ipätere Ausforache bes Gottesnamens noch nicht geläufig war.
er Mel tefbien der Isrgeliten. 1. Zur — des altteſta—
en Melekdienſtes. Abgeſehen etwa von zwei Stellen des Buches Leviticus
* —** t verſchieden beſtimmt wird, und von 1Kg 11,7, wo molek F
u a it von dem Dienfte des Sottes Melet bei den Hebräern erſt
De des — “ Ahas von Juda die Rede.
50 Man bat allerdings in dem 7252 2 Sa 12, 31 (Ketib) eine Spur bes zen
3. zu Davids Zeit finden wollen, indem man bas Wort von einem Feuer
[de jenes Dienftes verftanden hat (Thenius z. d. St); allein von einem folben Ge
rät im Kultus des Melet wiſſen wir fonft nichts. Sicher ift mit dem Ster& zu Iefen
malbön —* elform” (G. Hoffmann, ZatWe II, 1882, S. 66). Das Ketib it daraus
55 entjtanden, an dieſer Stelle der Ausdruck arm jteht, der für den Dielefvienft die
jtehende it, Es wird aber zu emendieren fein mar (jo Gräß,
ber Nuben, Bo Ln Ik S. 256; ©. Hoffmann a. a.D.; H. P. Smith, Bubbe, Nomwad
j. db. St.): bie —— Anmmoniler wurden zur Arbeit mit ber Ziegelform ver⸗
Der älte den Melekdienit jcheint der 2 Ag 16, 3 berichtete — |
fein. Danach pe dee ig Ahas feinen Sohn im Feuer dar; Melek wird hier
nicht genannt. Deutlich weift auf ihm als den von Ahas durch Ninderopfer verehrten
|
]
—
Moloch 271
Gott 2 Chr 28, 3, indem hier von dem Thale Ben-Hinnom, der Kultusftätte eben dieſes
Gottes (f. unten 8 I, 4b), die Rede ift, wobei der Bericht des Königsbuches gefteigert
wird zu der Erwähnung von mehreren im Feuer dargebrachten Söhnen. Die ganze An:
gabe der Chronik hat aber Feinerlei Wert, da fie zweifellos nur aus der des Königsbuches
berausgeiponnen iſt. In dem Bericht des Königsbuches bleibt zweifelhaft, ob das Sohnes- 5
opfer des Ahas dem Gott Melef galt. Aber aud) wenn bier an feine bejombere Bor:
ftellung der Gottheit ala „Melek“ \ondern an ein Opfer für Jahwe zu denten wäre, Äh
hätte Doch Ahas das Vorbild irgend eines fpeziellen Kultus für diefe außerordentliche
That haben müfjen, da jedenfall® zu feiner Zeit und wohl fchon jeit Jahrhunderten
Menfchenopfer im offiziellen Jahwedienſt nicht üblih waren. Da mir jeit der Zeit 10
Jeremias die Kinderopfer ald dem Melek vargebracht bezeichnet finden, iſt es mindeſtens
am nächiten liegend, auch von Ahas denfelben Kultus oder doch eine Nachahmung bes:
jelben ausgeübt zu denken. Den Bericht über das Opfer des Ahas fallen zu lafjen und
die Kinderopfer erftmals in der Zeit Manafjes aufflommend zu denken (Dloore), haben
wir feine Veranlafjung, da im Königsbuch, anders ald in der Chronik, Angaben von be 15
ftimmten einzelnen Thatſachen don nicht auf tendentiöfer Erfindung beruhen. Allerdings
ſchweigen die zeitgenöffiichen Propheten, auch Jeſaja, von einem foldhen Vorgang, der
ihnen doch als eine Greuelthat erfcheinen mußte. Auch redet Jeſaja nirgends direkt,
vielleicht überhaupt nirgends, vom Melekvienft. In der Stelle Jeſ 8, 21 aus Ahas’ oder
eber Hiskias Zeit ift bei 1272 nicht an Melekvienft des Volkes als eine befondere Kultus: 20
form zu denfen; vielmehr ift damit, was der Zufammenhang nahe legt, der von dem
Propheten gepredigte Jahwe gemeint (nad) Andern der irdiſche König). Dagegen Ipielt
: 3630, 33 mit der „Brandftätte” für „den König” auf den Meleldienit an; es Tann
: jedoch fraglich ericheinen, ob die Stelle dem Jeſaja angehört. Bielleicht ift es aber
| nicht zufällig, daß gerade Sefaja c. 6, 5 den Gedanken bes Königtums Jahwes geltend 25
macht. Es läßt ich darin eine Oppofition erkennen gegen beftebenden abgöttifchen Melek⸗
dienft (vgl. unten SIIL, 2).
Bon Manafle wird das Opfer eines Sohnes ausgefagt 2 Kg 21, 6, auch hier indeſſen
Melet nicht genannt, während 2 Chr 33, 6 auch für Manaſſes Opfer wieder ala Opfer:
ort das Thal Ben-Hinnom nennt und von Söhnen in der Mehrzahl redet. Jedenfalls so
muß zur —* Jeremias der von den Propheten ausdrücklich als ſolcher bezeichnete Melek⸗
dienſt vielfach geiibt worden fein (er 32, 35; vgl. c. 19, 5); im deuteronomiſchen Geſetz
wird Das Darbringen des Sohnes oder der Tochter durch Feuer. verboten (Dt 18, 10).
Auf Melekdienſt zu Joſias Zeit verteilt wohl Ze 1,5 (malkäm).
Ez 23, 37 wird die Sitte des Kinderopfers nicht nur Juda fondern auch dem Reich 85
Ephraim (Ohola und Oholiba) vorgeworfen. Für Melekdienſt, überhaupt für Kinder:
opfer im Nordreih iſt das nicht unbedingt entjcheidend, da Ezechiel dem Untergang
Ephraims ſchon jo ferne ftand, daß er diefem Reiche wohl eine Sünde vorwerfen konnte,
auf die er nur aus der in Juda beitehenden Übung jchloß. Dasfelbe gilt von 2 Kg
17, 17, wo das Kinderopfer unter den Sünden Ephraims genannt wird und zwar in 40
einer Klage über das Verhalten Ephraims feit feinem Beltehen. Der deuteronomiftifche
Redaktor, dem diefe Klage angehört, fchrieb früheftens kurz vor dem Untergang Judas
und wird fchwerlich zuverläffige Kunde gehabt haben über Vorgänge im Norbreich, melche
in den von ihm reproduzierten Uuellenausfagen weder direkt noch indireft bezeugt find.
Bon Abas wird allerdings im Königsbuch gejagt, daß er „wandelte auf dem Wege der #6
Könige Israels und aud feinen Sohn dur Feuer darbrachte”. Tas verweiſt aber nicht,
wie Ziele (Geichichte, S. 344) vermutete, auf Kinderopfer der Könige Israels; vielmehr
führt das „auch” und das folgende „nach den Greueln der Heiden” das Sohnesopfer
an als eine weitere Übelthat neben der Nachahmung des Weges der Könige Israels.
Am 5,26 iſt nicht ficher von dem Dienſte der fpeziell als molek bezeichneten Gottheit zu oo
verfiehen, obgleih LXX und danach AG 7, 43 ihn hier gefunden haben; o=>°n mag an
diefer Stelle lediglich Appofition fein zu dem vielleicht als Gottesname aufzufafjenden
mac. Deutlich jcheint mir nur dies, daß es fich bier handelt um Abgötterer, die nicht
während bes zeüffenzuges fondern in der Gegenwart getrieben wurde, dann alſo wohl
um ötteret im Reich Ephraim, da Amos ſich in feinen Reden an diefes wendet. 56
Über die Zugehörigkeit des nicht unentbehrlihen Verſes zu der Prophetic des Amos
wird bezweifelt.
Neben andern abgöttifchen Kultusformen machte auch dem Melekdienſt Joſia in Je—
ein Ende durch Entweibung der Kultusftätte des Tophet im Benhinnom-Thal
E Kg 23, 10). Später ift aber diefer Kultus wieder von Israeliten geübt worden. Jeſ 60
272 en
—— —*
at FEN u u ———
Das energijche Verbot des Melefvienftes in dem fogenannten eiligkeitsgeſ , einem
ı0 der ältern Bejtandteile des Prieſterkoder, Ye 18, — 20, 2ff. mit nei
De elle Ee 20, el wird noch aus der Köni t herrübren Zur Zeit des ee, wo
ara non worden ijt, lag faum Reranlaffung vor, ven Erulanten, in
deren ie diefe Redaktion zweifellos entjtand, den Melefvienft zu verbieten.
Der Gottesname „Molek“ wird ausdrüdlich im AT nur ac mal (davon viermal Ye
15 20,2—5) genannt, abgejehen bon — m und Am 5, 26 222%, eingeſchloſſen
aber 1Kg 11,7, wo molek jtatt milkom. Die Stellen find Le 18, 21; 20, 25;
5 3 = 2.Rg 23, a 7 32,35. Als —— für den Gott „melek“ wird
er gehören , wo E72 gewiß; aufufaflen ift: „ihr [Gott] melek“ und
—* BE Tin ale ee
20 * ME nur eine Melekdienſt vor
Bebräife —— mit dem Gottesnamen 7>%=. Aus judäiſcher oder
jene Fe ftammen ſcheinlich die onennamen nr=>n und mo>>lal, die
en in Jerufalem g nden Takige d (Glermont-Sanneau, Sceaux et
—— Pheniciens et Syriens, im Journ. Asiatique, VIII. Serie,
3 Bo 2 1883, < lkof). Das Wort —* iſt hier wohl Epitbeton und nr, mw ber eigent-
liche Gottesname, mo vermutlich der ägpptiihe Name Set. Zu 7 mag, man mit
Glermont-Sanneau den Perſonnamen mr 1 Chr 4, 16 vergleichen, ni ein Gottes:
name ſtecken könnte. jene beiden Namen würden — * d ———— nach
Analogie der altteſtamentlichen Namen Malk'el Malkij äh over
» Malkijjähü „König ift —* — alſo: „König ft Eh —* Um einen Gott mit
dem Spezialnamen milk elt es ſich bier nicht.
Dagegen ſcheint dies Wort einen unter den | — verehrten Spezialgott zu be—
zeichnen in dem Perſonnamen 72773 oder auch vi de t Pro auf * zu Jeruſalem
35 e 332, ff.) t nadı Analogie phöniciſcher und aramäifch: er mit 73 ober
= zufammengefepter Verjonennamen zu — chickſſal iſt (verleiht) Melek“ oder
aber „Schützling des Melek“. Nach Fundort des Steines mag der Name (nes
N. „Sad“ a. a. D,) ein bebräticher — — unter den 10. oben gi Israeliten —E
nacheriliichen eit Melekdienſt * Jeſ 57,9 bezeugt it (ſ. oben 35 Se wege
40 weile ift ein Siegel mit dem Perſonnamen "Tora „Schweiter
analogen Namen das 7m — Gottesname iſt, hebräi —— —— ei |
ciſcher Herkunft (vgl. unten S II, 2,b); die Schrift verweiſt auf verhältnismäßig alte =
vie das 7. ——
Die Herkunft des Melekdienſtes. a) Iſt der Melekdienſt alt—
46 eh äi (dh? Es ift wog, daß wo im AT Kinderopfer vorlommen, im Sinne ber
Wolliebenden an Jahwedienſt zu denken ift. Dieje Annahme ift —— nicht
aft in der von Kuͤenen (Theol. Tijdsehr. 1868 a. a. D.) ausreichend w
ffaſſung von Dort (a. a, D., 5.59 f.), daß mit ha-molek ein bejtimmtes Sahne /
— werde. Bon einem Gottesbild erfahren wir in den ® über ven
elefvienft überhaupt nichts, und mit dem Worte „der König“ kann nicht ein Bild |
fondern nur ein perjünlid gedachtes Weſen be zeichnet jein. Eher aber —— man an⸗
nehmen, daß molek nichts anderes als eine Bezeichnung für yahıve je jei, der auch ſonſt
melek genannt wird (a. Eerdmans; Smend, Eee none, 1893, |
E&. 271; R. Smith, Die Religion der Semiten, deutjche Überſehzu ©.2 284).
65 Namentlich liegt es für die Kinderopfer in den Fällen nahe, an eine wer ei
dien zu benten, io, wie in den Berichten über Ahas und Manaffe, ebenjo bei in:
im Deuteronomium und von Ezechiel erwähnten Kinderopfern, die damit verehrte Gott:
beit nicht genannt wird.
Allerdings ob oder inwiefern Ezechiel e. 20, 25 f. Die menſchlichen burtsopfer
oo anfiebt als * Jahwe dargebracht, läßt * verfchieden beurteilen. Der Propbet legt
gefundenen ——— —5 — aus der lt het mE! — Bd VI,
me
„iz » Dia u)
ng
ı 8 — J
VI—
*
gen ge, €
1J
IIIIEIII
L
LIPAAT *
IF
ha
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9
Hist. * ©. 436).
berartig, bi Übernah
Überdies F — —— ——
* 108 als Got wiederholt in babyloniſch⸗
Bi vor, . B. Nabü-malik alik, iſt aber using entlicher Getssuane nad)
de Ken | ET a. en ©. —— mit Sicherheit nur — nach |
vonafi, 190; 2 6,19 * —— —
Deu ee BER: Dt ae Se: Ba —
— (THE 1000, 67) wich di Gemahlin
die era (Andere d ——
bie Angabe dahin, daR d "Sonn | “ — An
Angabe ; e o bezei
ae * — =
sell fa rd auch jchlechtbin maliktu, nielkatır enannt wird R ehr u
25 Venfen, SB 1886, ©. Bas: —J F J ie XI, Aue ©. 239). — —
Deligfeh (Affe. Handwbrterbuch 6. ) ift zweifelhaft, ob die Gottheit
— malikat als „Fürſt, Fürſtin“ Ron bedeutet malik Aſſyriſche
i werden ſoll en md nicht vielmehr $ mälik, mälikat „Berater, Ber
lt Ber immern, Keilinſchr. u. d. AT’, ©, 126. 469). Wo in menfchlichen
mit einem Gottesnamen verbunden erjcheint (eleichtuertig damit wiel-
bie Form milbi milbi in Urkunden aus ber Zeit Artagerres’ I, ſ. Zimmern ©, 471),
* * nach Delisih — * Entſchei ung“ ( .®. Iu- „Gott ift mein
Mur iſt, und etwa — daß dieſe ac Ban — —
u jo nm ‚(eb o Zimmern ©, 470), wie das einen Teil derjelben
ji um er ei, ‚wei En . mit — anzunehmen iſt. —
weifelte ohne ndung Cpitbeton
malikatu, malkatu ein —* Klinnen beigelegt werde. Al
ab —* ers ————— und verbreitete —** a in mungen. Dos * * es —
Beftimmte Nachrichten über Kinder oder r * Dt Men — en den Afforer
ober Babploniern en wir nicht, In Dohrmenien bäftlichen Inhaltes aus der
Bibliothet Aſurbanip * in in hypothetiſcher Weiſe die * von —— yeziell
50 bon Kinderverbrennung als einer I —* ern Fällen dem Vater aufzuerlegenden Strafe.
Es ijt dabei an Se für den Gott Sin und die Göttin Belit-gäri, d. .“ an N
denken (Zimmern, GgA 1899, ©. 250f.; — tr. u. d. AT’, ©, 134. ——
wert für die Vergleichung mit den altteftament lichen und phöniciſ — it
daß es ſich um das Opfer des älteften Sohnes und der — —— J
55 der Au * — ——— iSarrap gebraucht wird wie im AT zum T das ent
ende ai (j. unten $I, 4a), Ein babylonifcher Siegel; finder. (bei Fr Jeremias
oſchers Lexikon a. a. D) ten ein Renfenopfer darzuftellen. Die Götter Der
Sephartiter Adrammelech (j. d. U. BdI, ©. 186) und Anammelech (ebend. 4 sm
dagegen, die ebenfo wie Melet mit Kinderopfern verehrt wurden (2 Ka 17, 31), Tünnen
do bier nicht geltend gemacht werden; denn mit Sepbarwajtm ift gewiß nicht. das meſopo
Moloch 275
tamifche- (aber auch ſeinerſeits nicht aſſyriſche) Sipar fondern ficher eine ſyriſche Stadt
gemeint, etwa Sibrajim zwiſchen Hamat und Damaskus ({. A. Adrammelech ©. 186, sıff.).
e) Iſt der Melekdienft fanaanätfch-aramäifhen Urfprungs? a) Die
alttejtamentlihen Angaben über die Herfunft des Melefdienftes. Wahr:
fcheinlich war der von den Judäern verehrte Melek eine Tanaanätfche Gottheit. 6
Dafür find Dt 12, 30f.; 18, 10 allerdings nicht beiweifend, wo das Opfern der Kinder
unter den Greueln aufgezählt wird, welche Israel von den Kanaanäern nicht lernen folle;
denn daneben werden Formen des Aberglaubens genannt, die entjchieden nicht nur fanaanätidı
fondern auch althebräifch waren. Die Stellen zeigen aber doch wohl, daß der Deutero-
nomiler das Kinderopfer als einen Beftandteil des zu jeiner Zeit geübten phönicifchen 10
Kultus fannte. Von dem Deuteronomiler bat der Verfafler des Königsbuches (2 Kg 16,3)
die Anſchauung über die Herkunft des Kinderopfers überlommen; eine felbftitändige
Kunde darüber befaß er nad) feinem wörtlihen Anjchluß an das Deuteronomium
faum (ebenſowenig natürlih der in Übereinstimmung damit referierende Chronift
2 Chr 28, 3 und der fpäte Pſalm 106, 38). —* kanaanäiſchen Urſprung des 16
Melekdienſtes der Judäer entſcheidet auch der Umſtand nicht, daß dieſer Gott bei
Jeremia „der Baal” genannt wird, indem von den Kinderopfern des „Molek“ auf den
Bamot des Baal die Rede tft (er 19,5 [bämöt ha-ba’al]; 32, 35; dagegen ift
20 mar Jer 19,5 nah LXX zu Streichen); denn obgleih bafal zunächſt kanganäiſcher
Gottesname iſt, bezeichnet dies Wort bei altteftamentlichen Schriftitellern in appellativem 20
- Sinne jeden ausländifchen Gott.
Aus den altteftamentlichen Angaben iſt alfo höchitens zu entnehmen, daß man von
: Ainderopfern bei den Phöniciern etwas wußte; dagegen i daraus nichts zu erſehen
über die Herkunft der bei den Judäern im Melekdienſt beſtehenden Sitte der f
oder des damit verehrten Gottes. 2
PB) Der phönicifhe Gottesname milk. Wohl aber fpricht für den alt-
teftamentlichen Melek als einen Tanaanäifchen Gott der Umstand, daß die Phönicier,
deren Kulten zumeijt die israelitiiche Abgötterei entipricht, wirklich einem Gott oder
einer Kategorie von Göttern den Namen oder vielmehr das Epitheton 52 beilegten,
das nad den Umijchreibungen der Griechen und Römer auszufprechen wäre malk over 0
au melk, milk, milik, malik (lettere® in der Benennung des Herakles, d. i.
mens, mean, als Madıxa, für Malıxao, |. Schröder, Tie phöniziſche Sprache,
1869, S. 101), nad der Wiedergabe in babyloniſchen und aflyrifchen Terten milk oder
auch melk (j. Zimmern S. 469 Anmerkg. 4, vgl. S. 471 Anmerkg. 2). Das Wort ift
dem bebräifchen melek, der gewöhnlichen Bezeichnung für den König, gleichzufegen (j. Das 35
Nähere unten SII, 1 und 2).
Das Königsbuh will in feinem Bericht über Ahas offenbar das durch einen König
vollzgogene Sohnesopfer als ein erjchredendes Novum brandmarken. Solde Opfer müffen
alfo bis dahin in Juda nicht vorgelommen oder doch nicht gemöhnlich geweſen fein.
pi it e8 denkbar, daß fjchon vorher im Benbinnom-Thal bei Jerufalem ein Kultus so
bes Melek beitanden hatte, der möglichertwweife auf die vorisraelitiihen Kanaanäer zurüd-
reichte, und daß in dem Stinderopfer nur eine alte, durch die Mofaifche Religion zurüd-
ängte Kultusfitte wieder auflebte. Es läßt fich etwa dafür mit Tiele (Gefchichte I,
.351f.) geltend machen, daß von einer Errichtung der Opferftätte des Melek, des Tophet
(f. unten 8 I, 4b) im Benhinnom- Thal, unter Ahas oder fpäter nichts berichtet wird, «6
diefe alio bei dem Aufkommen des gejchichtlich bezeugten Melekdienſtes ſchon beitanden
zu baben jcheine. Beweiſend iſt diefer Umſtand aber bei der Dürftigkeit unferer Nach
sichten doch nicht. Wie dem fei, ea wird anzunehmen fein, daß den ſchwachen König
Ahas die Not feiner Yage dazu trieb, in einen neu belebten oder auch in einem jeßt aus
der Fremde entlehnten Kultusbrauch Hilfe zu Suchen. Überfam er ihn von auswärts, fo so
fann das nur von jeiten der Phönicier oder auch etwa, wie ſich weiterhin ergeben wird,
der Aramäer getvejen en Für die Pbönicter Spricht nicht nur das auf ihrem Boden
bäufige Vorkommen des Gottheitsepithetons mik fondern noch weiter der Um:
Rand, daß bei ihnen — fo wenigſtens in fpätern Zeiten, danır aber gewiß auch fchon früber
— Rinderopfer vielfacdy vorfamen (ſ. unten SII, 1b). 55
y)MIik als Dattesbeeiömung bei den Aramäern, in Palmyra und
bei den Philiſtern. Der Umitand, daß wir aus alttejtamentlicher Zeit für Kinder:
oder überhaupt Mienfchenopfer der Phönicier feine Belege haben, wobl aber aus 2 Kg
17, 31 erfahren, daß die Bewohner von Sepbarwajim, allem Anjchein nad eine
eramäiiche Stadt, in der Zeit unmittelbar nad Ahas ibre Ninder den Göttern 60
18
inderopfer
6
276 Moloch
Adrammelech und Anammelech verbrannten, könnte vielleicht für eine Entlehnung des
Melekkultus ſpeziell von den Aramäern (vgl. oben 833b Ende) ber ſprechen, da in dieſen
Gottesnamen das Epitheton melek enthalten it. Ahas hielt ſich eine Zeit lang in Da
masfus auf, um dort dem König Tiglatpilejer zu buldigen, und ließ einen dort
5 gefehenen Altar für den jerufalemiichen Tempel nadbilden (2 Kg 16, 10ff.). Danach
wäre ſehr wohl denkbar, daß noch ſonſt aramäiicher Kultusbrauch auf ihn Cindrud
macte. Aber von Kinderopfern und dem Kultus eines Gottes Melek zu Damaskus teilen
wir nichts. Auch wurden Sinderopfer bei den Weſtſemiten durchaus nicht nur jenen
aramätfchen Gottbeiten dargebradıt (ſ. unten $ II, 4b), und das Epitheton mik- ift
10 verschiedenen Göttern der Tanaanätichen und aramäifchen Stämme beigelegt worden. Aber
auch wenn der Melek des AT nicht direft von den Aramäern ber zu den „\udäern fam,
mag dennod ein ſpezieller Zufammenbang zwtichen ‚bm und dem Adrammelech oder befier
Adad-melech (ſ. unten S IL, 1) befteben (j. unten $ II, 3b).
Als Gottesname oͤder Gottbeitsepitbeton it das Nomen milk ferner enthalten in
15 dem komponierten palmyreniſchen Perſonnamen en (Lidzbarski, Nordſemitiſche Epi⸗
graphik, 1898, Wortſchatz 8. v.) „milk iſt Gott“ oder auch „König iſt EI”. — Bid:
leicht auch liegt dieſe Gotiesbezeichnung vor in dem palmyreniſchen Gottesnamen Sa2br
Malayßnlos (. A. Baal BD II, S. 339, wff.; die Belege für den Namen f. be
Coot, A glossary of the Aramaic inseriptions, Cambridge 1898 und Yibabarefi
a. a. O., außerdem Malagbel in zwei lateinifeben Inſchriften auf ungariichem Boden,
publiziert von C. Torma in den Arhäologiich-epigrapbifchen Mt aus Lefterreich, Jahr⸗
gang VI, 1882, 2. 109. 111 und ebenda S. 111 die Sammlung der jchon früber
befannten Lateinifchen Belege für den Gottesnamen, Dazu noch eine weitere römiſche In⸗
ichrift: [Deo soli invlicto] Malachbello] bei Sumont, Textes et monuments figures
26 relatifs aux mystöres de Mithra, Br II, Brüſſel 1896, S. 114 n. 123). Allerdings
wäre die Durch Die übereinftinmenden griechiſchen und Inteinifchen Transjfriptionen ſicher
bezeugte Ausiprache malak ſehr auffallend, wenn es ſich um em dem bebrätfchen melek
(oder arabifchen mälik) entiprechendes Wort bandeln follte Es liegt desbalb nabe, mit
——
Lidzbarski (Ephemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, 1902, S. 256f.) anzunehmen,
30 daß 7-72 bier, wie arabiſches @ I, jtatt 7859 ftehe, daß aljo der Name Malachbel
„Bote des Bel“ bedeute. Aber ich weiß neben dem doch wohl andersartigen alttejtamentlichen
m enmı feine entſprechende ſemitiſche Bezeichnung einer Gottheit mit Zicherbeit nach⸗
zutveifen. Wohl mag, wie Yırzbarsfi (Ein Expoſs der Jeſiden, 3dm LI, 1897, S. 5%)
annimmt, in dem Namen melek faüs für das heilige Bild ber Feziden das Wort me
35 lek bebeuten „Engel“; das kann indefjen für vorislamiiche Zeiten nichts beiveifen. Was
aber das 7 in >22°% auch bedeutet, ſchwerlich iſt in dieſem Gottesnamen das Wort
°2 ein zu Te Binzugefügtes Epitheton fondern vielmehr wohl der eigentliche Gottesname;
denn ale bloße Epitbeton Scheint >32 bel in Palmyra nicht vorzukommen. Als olches
wird vielmehr Die Form böl gebraucht, ſo in dem ihottesnamen Jar und doch mohl
so auh in 33257 wol. A. Baal Bd IL, S. 324,47 ff.) Der Gottesnaume Sazan bedeutet
aljo, wenn 7332 bier — 773 jein ſollte, wohl feinenfalle „Malaf, der Herr” ſondern König
Bel“; Ta wäre alſo Epitheton, wie es Das auch, nur in umgefebrter Folge, ın dem
(Sottesnamen Anammeleh zu ſein ſcheint (ſ. A. Anammelech 3 I, ©. 487f).
In dem im AT wiederbolt vorkommenden philiſtäiſchen Eigennamen Abimelek wird
45 der Gottesname oder Das Gottesepitheton zu finden fein (über die Bedeutung des Namens
j. unten S II, 2b).
In einem Eigennamen einer aramäiſchen Inſchrift aus Ägypten wird "Du Dem
Gott Cſir ale Epitbeton beigelegt: Ts „Oſiris iſt König“ (Corpus Inseriptionum
Semiticarum II, n. 15°. Welder Herkunft dieſer Name ift, läßt ſich kaum beftimmen.
do Ebenſo iſt unbejtimmbar die Serfunft des Perſonnamens T57=8 Ilu-malafku] in einer
aſſyriſch aramaiſchen. Bilinguis aus Kujundſchik (Corp. I. S., II n.28). Die Analogie des
altteſtamentlichen 3=7°70 und des Ili-milki in den Ymarna- «Briefen (ſ. unten $ II,
2b und III, 1) legt es nabe, bier 7>= als Gottheitsnamen oder -Epitbeton anzufeben;
aber Die affurifche Schreibung malalku] ſpricht nach ihrer Vokaliſation für die Auffaffung
55 ale Verbum (ebenſo Zimmern 2. 471%). In dem Namen eÄAualayov auf Sevptiiben
Boden (bei Miller, Revue arch&ologique, Nouv. Ser., Bd XXI, 1870, 115) iſt
das or Genetivz wien, nicht anslautendes nominales Waw; auch bier ſcheint alay Ders
balform zu jein: „EL bericht“. In einer ägpptiſchen Lifte ſyriſcher Sklaven aus ber
Moloch 277
18. Dynaſtie findet ſich der Name 'Imrk (Imik), der mit Zimmern (a. a. O., ©. 470
Anmkg. 2) nad Steindorff ale Tor anzufehen tft, wobei zmeifelhaft bleibt, ob milk
Nomen oder Verbum ift.
Wenn in der Meichasinfchrift der Name des Vaters des Könige Mefcha zu leſen
fein follte Kemoſch-melek (f. A. Kemoſch Bd X, S. 244,28 ff.), jo märe dadurch milk ale 5
Gottheitsepitheton auch bei den Moabitern belegt. Neuerdings mollen aber Lidzbarski
und Halévy (Recherches Bibliques, Bd II, Paris 1901, ©.523 f.) Iefen swn>.
Den feilfchriftlichen Namen eines edomitifchen Königs AA-rammu hat man bisher
gelefen Malik-rammu (j. A. Edom Br V, S. 165,55ff.)., Da AA mit dem Gottes:
determinativ verjehen it, läge bier dann malik als eigentlicher Gottesname vor: 10
„Malik ift erhaben“. Aber die Leſung iſt doch unficher und AA hier vielleicht, wie ebenso
auch in der gleichen Benennung der Gemahlin des Samas, ander auszusprechen (nach
Simmern, Keilinfchr. u. dag AT’, ©. 167f. Aja). In dem teilfhriftlie vorkommenden
omitiſchen Königsnamen Kaus-malak und der entſprechenden griechiſchen gm Koo-
adiayos (f. U. Edom, S. 167, 7ff.) fcheint malak nicht Nomen fondern Verbum zu 15
fin: „(der Gott) Raus herrſcht“ (ebenfo Zimmern S. 471, der daneben vorichlägt, an
82 zu denken, was aber, fo an's Ende geftellt, gänzlich ohne Analogie wäre).
| 6) Der ammonitifhe Milkom. Der Gott der Ammoniter hieß Milkom, jo
1Kg 11, 5. 33; 2 Kg 23, 13 oder Malfam, I Jer 49, 1. 3 (dagegen ıft Am 1, 15
nad c. 2, 3 der menschliche König gemeint; über Ze 1, 5 ſ. unten; vgl. noch Baers 20
Zertausgabe zu 2 Sa 12, 30. LXX BL und Aquila (f. Fragments of the Books
: of Kings ed. Burlitt, 1897, ©. 23) haben 2 Kg 23, 13 Modox, was gewiß nur Kor:
; reltur nach der gewöhnlichen Form ift, denn LXX A hat AusAyou. Cheyne (Exposi-
tory Times 1897, S. 143f.) vermutet nicht ohne Wahrfcheinlichkeit, daß 2 Sa 12,26.
flatt Tee Tr und Dat beide Male zu lefen ſei: ED TE und daß fo die»
Gitadelle des ammonitischen Rabba genannt worden jet, meil fie den Tempel des Gottes
Milkom entbalten habe.
Der Name Millom oder Mallam iſt offenbar mit dem Namen Milf oder Malf bei
den Phöniciern identisch. Tas Wort bat dort nur den Zuwachs einer Nominalendung
erbalten (Jahve et Moloch, &. 29f.; de Lagarde, Überficht über die im Aramäifchen... so
üblihe Bildung der Nomina, AGG XXXV, 1889, ©. 190; durd Mimation: Kampff-
meyer, ZdmG LIV, 1900, ©. 631; vgl. den Perſonnamen ob: unten $ II, 2d). Biel
wertiger wahrfcheinlich ift die Erklärung dieſes Namens als einer Kompofition aus melek
und dem Gottesnamen O5 (Eerdmans S. 112) nach Analogie des palmyreniſchen Gottes:
namens Malachbel (falle hier >: —= 7272), da auf weftfemitiichem Gebiet folche kom: 35
ponierte Gottesnamen, welche aus zwei parallelen Namen beitehen, Ausnahmen find, die
fich wohl erft in fpäterer Zeit nachweiſen lafien (zu vergleihen noch die phönicijchen
Gottesnamen Meltart:Rezeph, Melfart-Esmun, wohl aud der palmyreniſche Jarchibol
und vielleicht Aglibol; fchmwerlich dagegen gehört bierber Hadad-Rimmon, |. d. A. Bd VII,
S. 293 ff.; eine Analogie aus alter Zeit könnte etwa die Bezeichnung Rekub-El in c
Sendſchirli fein; dagegen iſt in Aſchtar-Kemoſch der Meſcha-Inſchrift die Verbindung anders:
artig, |. A. Atarte Bd II, S. 156,32 ff, und aus den Bezeichnungen Adrammelech
und Anammeleh 2 Kg17,31 gebt nicht notwendig hervor, daß die Gottheiten mit dieſen
Toppelnamen jtändig genannt wurden, jondern nur, daß der Berichterftatter von einem
ihnen beigelegten Epitheton melek wußte). Beſſer ift die Erklärung von 92° als Kom: 4
m aus O2 mit Augrundelegung der Bedeutung „Wolfsfönig” nad der alten
ie des phöniciſchen Melfart „Stadtkönig“ (jo Cort S. 84; Kuenen, Theol. Tijd-
sehr. 1868, 5. 561); aber bei diefer wie der erften Deutung wäre der Ausfall des >
auffallend.
Der Kultus des ammonitijchen Milkom foll Schon durch Salomo unter den für feine w
rauen eingerichteten freinden Gottesdienſten in Jeruſalem eine Stätte gefunden haben (1Kg
11,5 und v. 7, wo mit LXX jtatt >": des maforetifchen Textes zu leſen iſt 22° (7@ Baßıder
eins, L Meiyou; Schwally, ZatW 1890, S. 214). Tiefer Spezialfult des Milkom
ſcheint neben dem Melekvienft bis auf die Zeit Joſias in Jerufalen beſtanden zu haben;
denn nach 2 Kg 23, 13 befand fih damals eine Bama des Millom auf dem Oelberg, 55
während nach mehrfachen anberweitigen Belegen der Kultus des Melek feine Stätte im
Thale Ben-Hinnom hatte (Baetbgen Z. 15).
3e 1, 5 nennt „Malkam“ als in Juda zur Zeit Joſias verehrte Gottheit und be:
ichnet deutlich diefen Kultus als neben dem Jahwedienſt hergehend und von dieſem ver:
chieden, aber von den felben Perſonen geübt, welche auch Jahwe verehrten (f. Hitzig zu so
276 Moloch
und Anammelech wer au —— eine Entlehnung des
e von den —5——— rechen, da in gi
—— das Epitheton Fr fich an a lang i in D
— um dort dem im zu buldigen, und dort
—— den ent nacbbilden (2 89 16, 107 ——
—— Hu 1 Eindrud
—— Aber von —— und bem tus eines Gottes Melet zu Damastus willen
— wurden — bei den r emiten — jenen
xaphik, 1898, Wortſchat s. v. ) „milk: ift ehe „ = —— „Nö
eicbt auch Liegt dieſe & ei vor in dem en
2 | ne EN Sal I, 339, 10ff.; Ye Bu nen —— ſJ *
Coot, A glossary Er the Aramaie inseriptions, Cam we ‚an und Yidzbarsfi
»» a. a. D., auferbem Malagbel in zwei Iateinifchen Anschriften ariſchem
publiziert von E, ehe in den — —— —— Na — ——
—— VI, 1882, ©. 109. 1 und ebenda S. 111 die Sammlung ber ibom De
(ateinifchen Belege für den Gottesnamen, dazu noch eime weitere In⸗
ſchrift: TDieo soli invlieto] Malachbel[o] bei Gumont, Textes et monuments res
% relatifs aux mystöres de Mithra, ®b II, Brüffel 1896, ©. 114 n. 123). Allerdings
— die durch die übereinftimmenden griechifchen und laleiniſchen en bien mei nor
—* Ausſprache malak ſehr auffallend, wenn es ſich um ein dem
oder arabiſchen mälik) entſprechendes Wort handeln ſollte. Cs liegt
83 Ephemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, 1902, ©. 256f.) ——
0 daß Tr bier, wie arabiſches si, ſtatt Idxdv ſtehe, daß alfo der Name Malachbel
„Bote des Bel“ bedeute. Aber ich weiß neben dem doch wohl andersartigen altt
m ara feine entjprechende jemitifche Bezeichnung einer Gottheit mit iberheit nach⸗
zuweiſen. Wohl wie Lidzbarsli (Ein Erpof6 der Jeſiden, IumG LI, 1897, ©. 598)
annımmt, in dem Namen melek taüs für das heilige Bild der Jeziden das Wort a
35 lek bedeuten „Engel“ ; das kann indeſſen für vorislamif * e Zeiten nichts beweiſen. Was
aber das 7212 in 2-58 ne; bedeutet, jchwerlich tft in diefem Gotteönamen das ort |
>2 em zu Ta binzugefü tes Epitheton fondern vielmehr wohl der eigentliche Gottesname;
benn als bloßes ( itbeton ſcheint >= bel in Balmyra nicht vorzufommen. Als folches
wird vielmehr die Form böl gebraucht, jo in dem Gottesnamen Saar und doc wohl
40 auch in Srabar (val, A. Baal Bd IL, ©. 324, a7ff.). Der Gottesname Sazın
alfo, wenn an bier — 77% jein follte, wohl feinenfalla „Malaf, der Dem jondern „König
Bel; Tan —* alſo Epitheton, wie es das auch, nur im umgelchrter e, in dem
Gotteanamen Anammelech zu jein jcheint (ſ. A. Anammelech Bd I, S.4877.).
In dem im AT wiederholt vortommenden philiſtäiſchen Eigennamen Abimelek wird
45 hunten $ IL, * das Gottesepitheton zu finden fein (über die Bedeutung des Namens
unten 2 |
In einem Eigennamen einer aramäiſchen Anjchrift aus Agypten wird * * |
Gott Ofir als Epitheton beigelegt: Trarc& „Dfiris ift König“ (Corpus Inseription |
Semiticarum II, n. 155). Welcer Herkunft diefer Name it, läßt ſich kaum — |
so Ebenfo iſt unbejtimmbar die Herkunft des Perſonnamens 58 Ilu-malalku] in einer |
|
yriſch⸗aramaiſchen en aus Kujundidif (Corp. I.S., II n.28). Die Analogie des
ttejtamentlichen TI2?8 und bes Ili-milki in den Amarna- Briefen (j. unten S$ II,
2b und III, 1) legt es nahe, bier >= als Gottbeitsnamen oder Epitheton anzufehe
aber bie aſſhriſche Schreibung malalku] ſpricht⸗ nach ibrer Vokaliſation für die Auffaſſun—
55 als Verhum (ebenfo Zimmern S. 471). An dem Nanten eAualagov auf ägwptiidhe
Boden (bei Miller, Revue archöologique, "Nouy. Sör., Bob XXI, 1870, S
das ou Genetivzeichen, nicht auslautendes nominales Wew; auch bier ſcheint uaday
balforın zu * „El herrſcht“. In einer ägyptiſchen Iſt⸗ ſyriſcher Sklaven: aus der
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- ern Zrear für einen Gott milk befannt.
> ..=.°r”mı denn in Eigennamen jcheint auf
“zer {m oder Geſchlechtsname au folgen
Fmscmz der Slural ’amläk wahrfcheinlid
_.»2. 310 XLII, 1888, &. 476%.)
= mik cine urfentitifche, nicht erit auf
nn zn Kim beftebendes eigentliches
on. m Rüũpriſchen iſt Das entſprechende Wort
vIiExndern für den Fürſten. Das Nomen
= 2, en zöeichnet baben und konnte von dieſem
2 Derrum so Neſtle S. 181, Nerber 2.38),
. se mzasiihen Gebieters vorftellten. Aber der
-„zerzzmen amicheinend nicht gebraucht haben,
"> 2 sschrier in feinerlet Spuren erkennen
”» zz Nr Konig nicht malik genannt wurde,
ee son war bei den Phöniciern und Aramäern,
oT —— mik bezeichneten Königen ſtanden,
te or zsname milk ſoliert auf phöniciich-are:
.. Javhedienst en volksreligie, (ro:
OT ATZE worden iſt von den Hebräern,
=. 'smäk fur ſich allein fan dieſe Annahme
° zzenineldben Wegen ſchon in verbältnie
In nn A GEN ſein mag.
nr ia a von Der Sottbeit als melek ur
;.n wurde Dod anzunehmen fein, daß der
Masıım Nur kennen lernen, eine Entlebnung
-=2 :.= in Nanaaniern oder Aramäern, viel:
vr. 32 Zum Bobles Spuren finden werden
nm sur kanaanäiſchen Urfprung Des
a]
s °..,»2 Vs und in feinen legten Weröffent:
-:fperzihen Uriprungs? Ron einem
2.20 v5. Movers, worüber zu vergleichen
2. Sazcnm unverkennbar jemitifchen Nanıen
or en Tiele's älterer Darftellung (Rom:
Sa, wiozbeit in Diefer Geſtalt femitt:
“cr Dieſe Oottesporftellung müßte
“zn von Oiten ber oder durch Die Ober⸗
_ sch Kanaan gekommen fein. Die
8. esmevortellung iſt aber durchaus nicht
N —8 son den andern phönieiſchen Baalim
Moloch 279
nicht weſentlich unterſcheidet (vgl. unten $ II, 3). Tiele ſelbſt redete denn auch zu—
legt (Geſchichte I, S. 352) nur von dem „alten fanaanäifchen Melef”.
4. Die Formen des Melekdienſtes. a) Die Kinderopfer der Judäer.
Melek wurde von den Judäern durch Kinderopfer verehrt (Knaben oder Mädchen: 2 Kg
23, 10 [vgl. e. 17, 17); Jer 7, 31; 32, 35; vgl. Dt 12, 31; 18, 10; Pf 106,37). 5
Ständiger Ausdrud für die mit den Rindern vorgenommene Opferhandlung tft
*57 mit und ohne ER (Xe 18, 21; Dt 18, 10; 2 Kg 16, 3; 17,17; 21, 6;
23, 10; Jer 32, 355 Ez 16, 21; 20, 31; 23, 37, 2 Chr 28, 3), was gewiß nicht
vom Dinburchgebentaften durch euer bei lebendigen Leibe “ veritehen ift, aljo etwa von
erluftrationen (Jahve et M., S. 42f.; dazu nod mit Moore als ältefter Beleg dieſer 10
. Deutung das neoıxadalowv der LXX Tt 18, 10), fondern von der Darbringung im
: euer nad vorausgegangener Schlachtung ; denn von einer Schladhtung der Kinveropfer
des Melek iſt an einigen Stellen ausprüdlich die Nede (Ey 16, 20f.; 23, 39; vgl. Jeſ
| 57, 5; BI 106, 37f.; zu der Bezeichnung der Abgötter an der legten Stelle vgl. Fe»
I geiftr Bd VI, S. 4,6ff.). Der Schladhtung gedenken nicht, fondern nur des Verbrennens 15
die Stellen Jer 7, 31; 19, 5, vgl. Dt 12, 31, und zwar mit Anwendung des nicht
mißverftändlichen Berbums IS. Der andere Ausdrud ar ift allerdings nicht unauf-
fällig. Man fünnte etwa annehmen, Sa "art bedeute: "binübergehen laſſen in's
er“ — verbrennen, wie in demſelben Sinne geſagt wird EN3 729 in's Teuer ſenden“
i 1, 8), wonab dann abfürzend, etwa abjichtlih das Schredliche der Verbrennung 20
verhüllend, Nas ohne den Sufak EN in eben diefem Sinne gebraucht worden märe.
Allein dieje verumdeutlichenne Abkürzung hat wenig Wahrfcheinlichkeit. Vielmehr ift für
257 bier wohl die Bedeutung „übergeben“ anzunehmen, eigentlich „zu Jemand hinüber:
führen“ (ebenfo verjteht den Ausbrud in eingebender Delprehung desſelben Stuenen, Theo-
Iogisch Tijdschrift I, 1867, ©. 59--64). Das VBerbum a7 wird auch ſonſt zwei⸗ 26
mal, obne daß es ſich um Melekdienſt handelt, in dem Sinne „darbringen” auf Opfer:
gaben angewandt, allerdings nur bei der Tarbringung der Erftgeburt Er 13, 12; Ez
20, 26, wo, jofern die Erftgeburt nicht zu löſen ift, ebenfall® an Darbringung als Feuer:
opfer zu denken iſt.
Abraham Geiger (a. a.D., S.305) Korreltur ">27 „verbrennen“ ftatt asrT für 30
den Terminus des Melekvienites iſt jedenfalls nicht berechtigt. In der won Geiger gel:
tend gemachten Stelle 2 Chr 28, 3, wo “ea ſteht für asıı der Barallelftelle 2 Kg
16, 3, liegt vielmehr eine erflärende Korreltur des überlieferten Ausdrudes von feiten
eines Abjchreibers vor. Dies ergiebt fich zwar nicht daraus, daß neben rar das on>
„durch Feuer“ überflüflig wäre (Bertheau z. d.St., vgl. aber SR neben Yin Di 12,31; 36
2 Sg 17, 31; er 7,31; 19,5), wohl aber daraus, daß LXX (xal dınye) auch 2 Chr
28, 3 gelejen bat “a.
Es ift allerdings auffallend, daß Le 18, 21 fich der Pleonasmus findet: „du follit
nicht geben, darzubringen (Mar) dem Molek“. Daraus könnte entnommen erden,
daß 2 eigentlich einen jpeziellen Akt des „Gebens“ oder Darbringens bezeichne. Da «0
aber ein folcher befonderer Akt, auf welchen der Ausdrud "237 paffen würde, faum zu
finden iſt, jo bejagt jene doppelte Bezeihnungsmweile wohl: „du jolljt von deinem Samen
nicht weggeben, um dem Molek zu übergeben“. Das ars ift übrigens wahrfcheinlich
fpäter eingejegt, vgl. n=> für fd allein Ye 20, 2—4.
Es ift durchweg deutlich, daß LXX in den Ausfagen vom Melekkultus asıı ge: 45
leſen bat. Meiſt überjegt fie es mit dudyaw: 2 Kg 16, 3; 17, 17, 21,6; 283, 10;
23, 37; 2 Chr 28, 3; ebenfo it & z@ dnoroomıdleodaı Ey 16, 21 = a2.
uch dem &v rois dwopisuois Ey 20, 31 liegt “asT2 zu Grunde; Ze 18, 21 beruht
larpedew auf dem Leſefehler 7 jtatt —. Freie Überjegungen wahrscheinlich bon mar
id dvapeoeıy Ser 32, 35, neoıxadaiowv Dt 18, 10. Auch an den beiden Stellen, so
wo “257 don der Darbringung der Eritgeburt gebraucht wird, hat LXX offenbar dies
Wort gelefen und ähnlich überjegt wie in den andern fällen: Er 13, 12 dgekeis, AFL
dpopısis ir Ez 20, 31); E 20, 26 & t@ Ötanopeveodal ue.
Über Bedeutung und Veranlafjungen diefer Kinderopfer erfahren wir aus dem AT
nichts. Daraus, daß das Kinderopfer Dt 18, 10f. zugleih mit Ausübung von Wahr: 56
erei und Zauberei verboten wird, kann man vielleicht mit Dillmann (zu der St.)
ließen, daß der Melekvienft „mit der Mantif und Magie in näberem Zufammenhang
“. Sicher iſt das aber dod nicht; die in De 18, 10f. aufgezäblten Akte find
aukımmengejtellt ala heidniſche, wie fie geübt tworden ſeien von den Kanaandern.
Die Form der Kinderopfer als Brandopfer ſpricht entjchieden für die Entftehung dieſer co
RR Moloch
oa .mmt Die Wpesse Nr deine Feueraltäre errichtet, kennt feine
vo N New Irvreßerst en volxsreligie, 2. 10). Bet den Arabern
v Drnespyod, wer >, Sm nn Sept auf paläftinifchen Boden
on. he, pet gem dm Bir De ISsezs zn un Nrar oder heiligen Stein ge
pm Nom iwebeonnnn, De Jan Temtını Fur nsc noch jet beſtehende
hal jan I N Inn Ten zsze Se rejpion to-day, Cbicago 19,
' Norge spe So urn dns Sen on Seren Seit Menſchenopfer
ba nern un UI Mc vorm Se Doeribenopfers als Brand-
os eo ee neyderzzeg nis Ser Wuſte meischzzez 'ondern gewiß erit in
S. Aber No N Detstee ennten vielleicht auf dic >erondere Natur dieſes
“, a em Raiund daß tim MT nur ven Der Reldopfern der Aus
e "mr tn Rus z3oraucht wird und bei ihnen rec iſt. Das fünnte
. nee MR Bio Feuer in einer befondern BResichzrz Serade zu Dem Gott
ne tan a wur Es iſt indeſſen möglich, daß zer Ausdrud nice im
“OH. se endern don den altteltamentlicen Schritmeien gewählt wurde,
. ern Neo Gettesdienſtes bervorzubeben ; denn Dem Jsraeliten, der auf Die
s. yeiiibe 1 Dev Familiengruft den größten Wert leg?e. mußte es als
ze Nr Dadinigabe erſcheinen, Daß Die Yerchen Der gechlochteten Rinder Dem
zreenib wurden. Üder vielleicht bezieht ſich die Hinzufuaung „Durch Feuer“
wensstsrlte darauf, Daß bei then, was fich etwa annehmen laßt, nicht wie bei
\ authben Opfern zunächſt das Blut dargebracht jendern Der actötete Leib jo:
nis Walde. Allerdings ſind Manipulationen mit dem Blute bei arabiichen
rn al bezeugt (R. Smith, Neligion, S. 278); das fchliegt aber nicht aus, daß für
en. hört Minderopfer eine andere Zitte beitand. Möglichenveite it SR 77
rt Ausdruck für Die Darbringung derjenigen Opferart, melche Die ſpätere Kultus
ya lei Ipextellen Zinn als foläh bezeichnet, d. b. Des Ganzopfers, das voll:
ans ntbiaine wurde. Dieſe Form des Opfers mag zunächſt nur oder doch vorzug&
is Bir din Menfebenopfern üblid geweſen fein; Denn Die vwerbreitetite Form Dee
eeplers war in der voreriliichen Zeit Afraele die des Gemeinſchaftsmables, bet welchem
An ein Teil Dep Tieres in das Altarfeuer gegeben wurde.
bbı Der Ort des Meleffultus (Tophet). Der Urt des Melekkultus war für
elle Das Topbet im Thale Ben-Hinnom (‘er 7,31f.; 19, 6 oder BeneHinnom
N 25, 10 Ketib).
Tus Wort PET bedeutet nad der vorliegenden Bunftation, Die an molek erinnert,
ehl Ort des Abſcheus“, eigentlih „Das Ausſpeien“ von vr de Hi 17, 6). Aber Jer
1, 06 lautet nicht, als ob rer ein Spottname für die Cpferjtätte wäre Tas Wort
war wohl wie TER Jeſ 30,933 (wo aber vielleicht ebenfalls Das Topbet des Benbin-
nen Thales gemeint ID eine Bezeichnung Der Feuerſtätte und iſt wahricheinlich nach LXX
ne: dh Ldagged (dagegen 2 8423,10 LAX A dopda) auszuſprechen DE (Hitzig' au
Nut, 53h oder PER (Schwally, ZatW X, 1890, Z. 219. Cine befriedigende Erklä⸗
ty des Wortes iſt Die jeßt nicht gegeben worden; denn die Ableitung von TER
baden”, alle == Ofen (Kloſtermann zu 2 Kg 23, 10), iſt mit Nüdficht auf die Mort-
bilbung wenig wabricheintlich, und die Annahme, tophet ſei ein Aramaismus: rer —=
hebraiſch FEIN. Smith, Neligion der Semiten, <. 287, Anmfg. 651), bilft nicht, da
wie jur TEE nur die Bedeutung „stellen, legen” kennen, die uns faum auf die Bedeu:
zjung Dir Feuerſtätte führt, um jo weniger da TEEN nicht den Aſchen- fondern den
Tungerhaufen bezeichnet. An einen von Alteren aufgejtellten Zufammenbang mit dem
mulliiben täften „brennen“ wird nicht zu denken fein.
Tas Thal = wal. noch Jer 32,35, 2 Chr 28, 3533, 65 über feine Yage
Venzinger, Hebräiſche Ardäologie, 1804, Z. 41) führte nach Einigen von den Melek—
kultus feinen Namen, indem man darin eine Anspielung findet auf das Wimmern der
wepferten Ninder (won 5772 „ſtöhnen“, jo Dißig zu Jer 7,31 u. A. nad Jarchi). Das
ben nacht ber Diefer Deutung feine Schwierigkeit: „Zobn des Gewimmers“ wäre nad
heblaiſcher Ausdrucksweiſe das wimmernde Mind, wobei an den einzelnen Cpferfall ge:
dacht würde; Der Plural bene 2 Na 23, 10 (Retib) könnte erflärende Anderung ‘fern.
Eher aber führte Das Thal unabhängig von dem Nultus jenen Namen nad einem fo
benannten Mate, obgleich allerdings im AT Die Bezeichnung nach dem Water ftatt des
year Perſonnamens ſonſt nur bei Berühmtheit des Waters gebraucht wird und von
nam Hinnom nichts bekannt iſt. Aber Jer 7, 327 19,6, wo der Name Des Thales
Molod) 281
Ben-Hinnom für die Zukunft umgewandelt wird in „Thal der Schlachtung”, ſcheint von
einer ſlimmen Bedeutung des gegenwärtigen Namens nichts bekannt zu ſein (Oort
S. 113f.).
Der von Ge⸗-ben-Hinnom abzuleitende ſpätere Name der Hölle Gehenna iſt dem Ort
ewiger Strafe beigelegt worden als einer Feuerſtätte wie fie im Thale Ben-Hinnom be: 5
ſtanden hatte; dieſes fcheint urfprünglich ale der Ort der Endbeitrafung angejehen worden
zu fein (j. A. Gehenna Bd VI, S. 419, 3ff). Danach tft es nicht unmwahrjcheinlich,
daß mälik als Name des Wächter der unterirdifchen Region im Islam auf den im
Benbinnom-Thal verehrten Melek zurüdgeht (Conder, Syrian Stone Lore, new edi-
tion, London 1896, S. 337). 10
eo) Angeblibe Melefbilder Aus Ez 16, 20f. könnte man jchließen
(Ruenen, Theol. Tijdschr. 1868, ©. 578), daß Melef in „Mannsbildern”, vielleicht in
Phallen (mas allerdings nad) der Erwähnung ihrer Bekleidung v. 18 wenig wahrſcheinlich),
verehrt wurde, denn Diejenigen, welchen die Kinder geopfert wurden, werden v. 17 als
„Mannsbilder” bezeichnet. Es iſt aber mahrfcheinlich, daß die folgenden Suffire fih auf ı5
den allgemeinen Begriff „Götzen“ beziehen, der aus der befondern Erwähnung der
Bilder herauszunehmen wäre. Vgl. über angebliche Bilder des Melet oder „Kronos“
unten 8 II, 4a.
II. Malk und Melfart bei den Pböniciern. 1. 75 als phöniciſcher
Gottesname. Der phönicifche Gottegname 759, welchen wir ald Vorbild des hebrät- 20
ihen „Molek“ anjeben (ſ. oben S I, 30 4 und d) bedeutet zweifellos „König“. Renan
(Histoire du peuple d’Israäl, Bd I, Baris 1887, ©. 286f.) dachte an die Möglich:
feit, daß er aus 8272 „Bote“ entitanden fei ala eine Parallele zu dem Maleach-Jahwe
des AT. Allein diefe Annahme wird, von anderm abgejehen, ſchon durch den zuſammen⸗
gelegten Gottesnamen nF = npsbn (j. unten $ II, 3a) verwehrt, der unmöglich 25
edeuten kann „Stadtbote” ſondern nur „Stabtkünig”. Der Name 57, deſſen Trane-
ffription ſchwankend iſt (fiebe oben 8 I, 3 cß), wurde mohl, nadı der Analogie
des entfprechenden hebräifchen Nomens für „König“ in feiner Grundform, urjprüng-
lih ausgeſprochen malk, fofür die im Aſſyriſchen und fonft vertretene Ausfprache
milk eine Verdünnung zu fein jcheint. Der A-Laut iſt in malk offenbar vielfach so
unrein wie e ausgeiprochen worden, mas namentlich die Benennung des Gottes von
Tyrus bei den Greden als Meixdodos zeigt (vgl. zu diefem Mechjel der Ausfprache
Schröder, Phöniz. Sprache, S. 127f.). een diefelben Wartationen finden fi) in der
Ausfpradhe des ammonitischen Gottesnamens Milfom, Mallam (f. oben SI, 309),
LXX 1 fg 11, 5. 33 L MeAyou; Ser 49, 3 Meiyou, Meiyol; 2 Kg 23, 13 85
A Ausiyou. Die Ausſprache milkom, Meiyou wird, weil nicht hebräiſch, auf be
ftimmter Tradition beruben, dagegen malkäm vielleicht auf der Deutung „ihr König“,
LXX 1 fig 11, 5. 33 Baoulevs adıav.
Tas Wort Te fommt für fih allein als Eigenname eines Gottes nicht vor. Höch:
ftens könnte dies in der nicht qut erhaltenen und ſchwer zu erflärenden zweiten Inſchrift 40
von Umm⸗al⸗-awamid der all fein (Corp. I.S.,I n. 8). Doch ſcheint bier 7: nicht
eigentlicher Name jondern nur Gottbeitsepitbeton zu fein. Es ift vielleicht zu leſen
ar da menfosrs>e|. Das bier vermutete nemersbrs findet fi infchriftlich ander:
wärts zweimal; === fteht in dieſer Verbindung wohl jtatt 7552 (f. U. Aftarte
Bd II, S. 156f.). Als Epitheton vor einem andern Gottesnamen tft das Wort Tor 15
noch einige Male zu belegen, nämlich mehrmals vor dem Gottesnamen ba’al (Corp.
L S., In. 123a. 147. 194. 380; Hadr. IX bei Euting, Puniſche Steine, in den
Memoires de l’Acad&mie imp. des sciences de St. Pötersbourg, VII. Serie,
3b XVII, 1872 [1871], S. 26) und einmal vor ’Osir (TON, Corp. I. S., In. 123b),
m Inſchriften, die auf punifchem Boden, auf Malta und Sardinien gefunden worden so
Der fomponierte Gottesname ftebt bier überall in Verbindung mit dem Worte
=2: „tele“ (fo auh Hadr. IX aus =2.. zu ergänzen), woraus ſich, da die dann fol:
gende Widmung andere Gottesnamen nennt, ergiebt, daß nesib malk-ba’al der tech:
niſche Ausdrud für eine Kultusftele überhaupt war (fo zuerft Merr bei Euting a. a. O.,
S. 27; vgl. A. Malfteine Bd XII, S. 131f. und außer dem dort Angeführten: Phil. 55
Berger, L’ange d'Astarté Etude sur la seconde inscription d’ Oum-el-awamid,
in: La Facult6 de Theologie protestante de Paris A M. Edouard Reuss, Paris
1879, S. 41, wo indefjen dieſes Tara nicht in der Bedeutung „König“ jondern — 8°:
„Engel” verftanden wird, was mir unannehmbar jcheint, ſ. Thy3 1880, K. 3847.)
In einer Inſchrift von Altiburos (ſ. Pb. Berger, Note sur la grande inscrip- 60
„erazir : ytburns, ım Journ. Asiat.
nn... ananu oe
- er. vuprcenlic der Baal
ver on DIN mu Ten oT de 2 2
wo nsure sh ZEN m leſen a
- ir ieboud, Les steles néo
U ‚es notices et memoires de Is
> VII "is 2. Hm als Ep
z nr Benennung Der Gottheit zu:
— — mer pen Inſchriften von Cirta (vgl
=.z.2 mama sem st Der Wort, Edom“
_.. „ur ve m Amtsname oder Titel Des Ur.
- 2 mzm Ita vn Doch wehl ein im Yu:
“nr,z.a zrömpepeen Vol zu Der Leſung 278
* entern, Keilinſchriften u. d. AT;
.5. Fraumenta historieorum Graecorum,
F Raanarichr aramaiſchen Adad oder Sa:
"7 2er Seremciſchen (Sottbeiten als Aaor-
ir - 2. Zetim Gon Das Präadikat milk bei:
- mr Zeuprcwrnlichfeit, daß Der vermutlich
- " ste Adad melech forrumpiert iſt (nal.
‚.zr. Ik owon ==, malach, wenn es
„one, des (hortes ſondern bloßes Epi—
0 mungen Gottesnamen dran:
per Aiarbaddon und König
un Sr ner des Weſtlandes ge
„IT 2.027, woraus Zimmern
er, dar mir dieſe Erklärung
oe zehnte Keinenfalls wäre
mar nr Hevum Terz aufzufaſſen;
medien „Baal berridt”.
ur 2 5 Minen: aber malagie
* eat Ich weiß Dies
nn waren. UÜberbaupt
„ken Gottesnamen in
.. rs uber Die Ablei—
: Aranmg (Zeitſchr. f.
N u NStien Grundform
ee opzrigen. Freilich
. = rn den ange:
0.222” weltjemttitchenn
Srreichnung in zu:
n..x als erſtem Be:
- 2, vor surber wobl Die
- ar d valmyreniſche
2:en BES und
2 nichriftlich fol:
IT, TION, TITTEN,
—3 a “A ug u GR GE LU [US 27 107
= . „wa 6 2 48 ei I )
-_ »rmien noch Die
og Dd Nr aramälldıe
. == cemem bebrät:
z.2 us "su leſen jein
ac ade und 5 net:
nennt Ar mehrere Der af:
og, vuntchen und neu—
Moloch 283
puniſchen Namensformen ſtellen ungefähr 21 wirklich verſchiedene Namen dar. In allen
dieſen Namen, vielleicht mit Ausnahme von dreien, iſt es aus der Bedeutung zweifellos,
daß mik Gottesbezeihnung, nicht etwa Titel oder Name eines Menfchen ift, und aud)
in den drei andersartigen Namen ipricht die Analogie anderer mit einem Gottesnamen
zuſammengeſetzter Perſonennamen für die felbe Auffaflung. 6
Dazu Tommen noch, nur feilfchriftlich nachgewiefen, die phönicifchen Namen Milki-
asapa, Abi-milki und Ahi-milki, ferner in den Amarna-Briefen als kanaanäiſch eben:
fall3 Abi-milki und noch Milk-ili, Ili-milki, dann gleichfalld in den Amarna-Briefen
als Parallelen zu den infchriftliben Namen 7:8 und 7>7272>: Milk-uru und Abdi-
milki, auch noch anderwärt3 ein Uru-milki von Byblos. Außerdem hat Zimmern 10
(a. a. O., ©. 470f.) aus aſſyriſchen Infchriften eine ganze Reihe von meitern Namen
gelammeit, die milki enthalten und mahrfcheinlich, obgleich es ſich nicht direkt nachweisen
äßt, fämtlich meftfemitifcher Herkunft find, nicht gerade deutlich phöniciſch oder kana—
anäiſch fondern vielleicht aramätfch und zum Teil wohl hebräiſch. Darunter find Milki-
ilu, Meliki-ilu, Milki-üri, Milki-rämu, Ilu-milki und Abdi-milki als Parallelen zu
fiher phönicifchen oder fanaanäifchen Namen zu beachten.
Die ftattlihe Anzahl phöntcifcher Eigennamen, die 572 als Gottesbezeichnung ent-
balten, ift über den meiten Bereich der phöniciſchen Sprache verbreitet. Befonders ſtark
ift daran Karthago beteiligt, im phöniciſchen Mutterland vor andern Orten die Stadt
Bublos. Der Gebrauch der Gottesbezeihnung reiht von der Zeit der Amarna-Tafeln 20
bis in die ſpäten Jahrhunderte der neupunischen Inſchriften. (Darüber, daß in den fa-
naanätjchen Eigennamen der Amarna-Briefe das Ideogramm für „König“ in der That
durchweg milki zu lejen tft, |. Zimmern S. 470 Anmtg. 1.)
a) 72:2 ale Epitheton einer Gottheit in phönicifhen Berfonennamen.
An einigen wenigen diefer Namen ift milk deutlich Epitheton eines daneben genannten 25
Gottes. Die Namenbildung wird fo zu verſtehen fein, daß milk das Prädikat zu dem
Gottesnamen als dem Subjekt darftellt. So in dem Namen Tar>r2, der doch wohl nur
bedeuten Tann „Baal tft König”. Man könnte freilich diefen und ähnliche Namen auch ver:
fteben als zu menichlichen Berfonennamen gewordene komponierte Gottesnamen, aljo „Baal,
der König“. Allein nad) der Analogie zahlreicher anderer femitischer Berfonennamen liegt zo
die Auffaffung ale Ausfagefab näher. Der Name rsra kommt vor ın einer Infchrift
von Idalion (für alle Namen, deren infchriftliche Belege ich nicht angebe, verweiſe id)
auf Lidzbarski's Nordjemitiiche Epigrapbif, „Wortſchatz“ S. 204 ff), in Münzlegenden ale
Name eines Königs von Kitton, wahrſcheinlich im 5. Jahrhundert (ſ. de Vogüé, ME-
langes d’arch6ologie orientale, Paris 1868, Appendice, ©. 7ff.), keilſchriftlich in 36
der Ausfpradhe Ba’al-maluku als Name eines Arwadäers (j. Zimmern ©. 472; vgl.
über die Form 775° unten $ III, 1 und zur Ausfprache mit u ©. Hoffmann, Phöni-
kiſche Inſchriften AbG XXXVI, 1890, ©. 6). Identiſch mit Tara iſt vielleicht der
punifche Name 7>:>2 (Corp. I. S., In. 586), wenn fo nicht vielleicht irrtümlich ge
jchrieben worden it ftatt Ta272. — Hierher gehört wohl au der im AT als Tanaa: 40
näiſch genannte Name Malkisedek in dem Sinne: „König iſt (der Gott) Sedek oder
Saddik" (j. Baudijfin, Studien zur jemitifchen Religionsgefhichte I, 1876, ©. 14f.;
ob in diefem Namen und den analogen Namensformen das i Suffix oder Nominalendung
ift, darf bier dabingejtellt bleiben) und etwa der vielleicht ebenfo zu verjtehende Name
auf cupriichen Münzen T>u77x „Sedek iſt König“, vielleicht aber vielmehr: „gerecht ift #5
Mall” (vgl. altteftl. Sidkijjähü). An dem Perfonnamen 37 = TarcsT einer
Inſchrift aus Tyrus ſcheint 2>7 ein Gotteename zu fein (alfo „Dom ift König”) wie
ebenfalls in den Namen M>21:77, xırm2r7, Aouoalws, Aouavws in einer Bilinguis aus
Athen (Corp. I. S., In. 115): „Dom jchenft Gedeihen“, „Dom ift gnädig”.
Ebenfo iſt mlk Gottheitsepitbeton in den oben (8 I, 2) angeführten jüdifchen Namen öo
rn und mas>tel, in dem aramätfchen T=cR und dem ziveifelbaften moabitischen
72913 (f.oben 8I, 30 y).
Wahrſcheinlich gehört ferner hierher der neupuniſche Perſonname Yard, worin yer
doch wohl Gottesname iſt: „König iſt Ammon“.
b) 7>:: als Name der Gottheit in phöniciſchen Perſonennamen. In
den übrigen Namen iſt mlk entweder Eigenname eines Gottes oder doch ein den Eigen:
namen vertretendes Epitbeton eines Spezialgottes. Sch Stelle zur Vergleichung entipre-
chende Namen, die den aus 7-2 gebildeten Gottesnamen MIF=2 (j. unten S II, 3a) ent:
alten, neben die mit 7>°.
Der am häufigsten zu belegende unter diefem Namen iſt nr>>2 „Malt hat gegeben“, co
õ
8
nA Moloch
Ya venre Kenigs von Kitton UND Izalien Corp. I. S., In. 10. 11. [14]. 16a.
I. so Meute gepeidh maneifribiert n. an im Genet. Milxtadwvos ;
eva Worininte N ug, Melanges, Appendice, = 10 ff.), auch von andern
Lutz. ss Prag serfzrmn Corp. IL S, In. 59. 54. [77] und nod in einer
rn Nesiez ons Immo ne vwiaun on .2.220n 3, 3.4), ebenjo in
Know ers IS, Im 0. Je Ten. ler auch in der fürgern xormm mer
») yoozı.yan Teer Se Kamc Ser nm der Form wen, in lateinifchen In⸗
—W co, Miiehato:s, Möeatenis und rund au in umgefehrter Stellung
rue in or... Ann Ir Suenname our „Diener Des Malf”, Daneben
TI. ar mus co m NMöfunumg für ==; eine andere Erklärung
None nn eo Veen, =. . Abdi-milki in den Amarna-Briefen,
nn er. 8, 2 ne, messe vielleicht noch gebört puniſches
ea per mim, ma J. und S. Derenbourg geichrieben ſtatt
en a nen. m Ben kamen St ubrigens mit 722 nach der Analogie Des
uno IP I2T TOR tr. 2:4 mik nicht nowendig büottesname. Zu Guniten
NR wenn ipeißhiii NIE zu veraleichen Der phontctiche Name 7222725
Se Min. ad Me umidhen Peemuren, reesere Wggd des Melfart”,
Mara 77.72 "edinilear.
0. en Nee getuit De Ramen 22m (Corp. 1. S., I n.50) „Zchütling
N aETN.T8 boende, neupuniſch Seems, doc twohl = = eltgenofle bes
=. Skin des letztern Namens mit „Wohnung tit Mall” (Ulmer,
N Ba wa hwztiteiritailb SH Alten Teftament I, 1901 | Erlanger Tiiertation], S. 34)
x Arsen Zum geitend machen. Die erſtere Deutung, die von Renan (zu
— Sn en omg, wird nicht durch den undeutlichen edomitiſchen Namen
an tus Hieiber gebört ferner Teen = "mn „Befig bes Malt”
ro each Siegelein ME A. Yeop, Siegel und Gemmen, 1869, 2.2.
she HE alt Me Wartet, Welche Die Zugebörigfeit zu der Gottheit zum Aus:
“2 me os elrilen der puniſche Name Teen = Teen „Bruder der Malt”, ent:
. iieitamenilichen TIITR und den keilſchriftlichen Namen eines Arwadaͤers
oe lage dont Asdod Abi-milki (j. Zimmern S. 470; [A?-]huni-milki in
Voten testen Rerzeichnis zu den Amarna-Tafeln iſt nach Knudtzons „Kollation
rm Sehe mm: Beträge zur Aſſyriologie, Bd IV, Hft. 1, 1809, S. 110 zu
uaran u Kuna er bedeutet nicht eiwa „Bruder ift Malt“, denn 08 kommt, als
nt none dat hebraiſcher Name, in einer Siegelinſchrift das entiprechende ermN dor
wi ud Gemmen, S. 58), Das nur bedeuten fann „Scweiter des Malt”,
hi die TIP, lateiniſch otmile, daneben puniſch re=eern, Dem männ:
a anal ltipanbt Hamilear, Himilcar, d. i. mern. Danach iſt auch >> in dieſer
letlu gewißk eniegname: weniger ſicher iſt dies 12° in dem nabatätichen
ei 1 PPR Corp. I. S. IIn. 231; vgl. unten S IL, 2d über wre).
Uran nn Nun, De ein Fnvansiicaftsverhilini au der Sottheit ausdrücken, er
oe nabosrell ber Perſonname 72223 in einer phöniciſchen Inſchrift von Abydos (ſ. J
ern ande. Les inseriptions ph£niciennes du temple de Seti ä Abydos,
5 Revue dÄsnyriologie, BD 1], 1886, 2. 87). Er bedeutet am wahrfcheinlichiten
a ME, ie wohl auch Das altteltamentlide Bönajähl, Benajäh befagen
tl lin ba ROUTE .
Nato Kamin druiten nicht ein Verbältnis zu dem Gott aus, ſondern enthalten
tea anni Stelle angeführte Namen jm°=2:3 eine Ausfage von der Gottheit.
null Nanıy JPrT2T2 ,Malf errettet“. Auf phönicifchen Siegeln und Gemmen
losmanı enn ' Mut iſt erhaben“, in emem ‚all altbezeugt, nah dem Fundort des
an Kur vos DANN, Jabrhundert angebörend (ſ. Levpv, Ziegel und Gemmen
rg Patti ninriicben Inſchriften wiederbholt Milki-rämu, jo ale Eponymen⸗
Yen abe bohvt, ſ. zimmern 2. 171. Nur keilſchriftlich, für einen König von
re ETIT PUT WETTEN] Annan Milki-asapa (1. Simmern < S. 470), etwa = bebräifch
Anataı, Meilinpbr a. d AT’, 2.1857 dal doxSczd Er 6, 24), das wohl be:
ee Uellennnmnt anf”, oder and : DEN = De Malt vermehrt (Die Familie)“.
on baehude Habt om ben Mamen, Die eine usjage enthalten, 72 an zweiter Stelle
ae nal Jassptlut vorausſtehenden Nomen beziebungsiweife Apjektivum oder Verbum.
rn be buinpipynte Adjektivum oder ob Berbum, läßt ſich nicht überall erkennen.
u Net Dust ale Konngename vor 7272778 „berrlich ift Malt” (ſ. A. Adrammelech
Moloch 285
Bd I, S. 187, 8ff.) ferner in Tyrus und mehrfach in Karthago der Name Taa1r „ſtark
ift Mall” (Altixos, |. Schröder, Phöniz. Sprache, ©. 128; Nöldele, Artikel Names
in der Encyclopaedia Biblica III, 1902 8 29 giebt noh an nmn>217, das ich nicht
nachweifen fann). Etwas anderer Art ift die Bildung des Namens TER, für einen
König von Byblos (Corp. I. S., I.n. 1, 3. 1), falls fo zu lefen tft; er würde be 5
deuten „euer iſt Malk“ (vgl. hebr. IR und TIME, WER), schwerlich, weil gegen
die Analogie: „Feuer des Malt" Man hat freilich aud ergänzt TaTR oder TonaR;
aber Eeilfchriftlich fommt Uru-milki als Name eines Königs von Byblos vor (f. Zim—
mern ©. 470) und in den Amarna-Briefen Milk-uru, wie es ſcheint, ebenfalls als
in Byblos geführter Name (zu den Stellen in Windler® Ausgabe noch Milkur 53, 10
43 nach Knudtzons KRollation a. a. O., S. 113). Hierher würde auch gehören der
jüdifche Name 7573 (f. oben 8 I, 2), wenn er wirklich fo zu leſen iſt, = „Schidfal ift
(verleiht) Malt”. — In andern Namen ift dem milk ein als ſolches nicht zu verkennen⸗
des Verbum vorangeftellt, jo in dem Königsnamen von Byblos 1 (Corp. I. S., I
n. 1), vielleicht mit der Bedeutung „Mall ſchenkt Leben”, vielleicht aber „Malt verfün- ı6
det” (dur ein Orakel), vgl. Amarjah „Jahwe redet” (jo Nöldefe, A. Names a. a. O.
$ 33), und in dem puntfchen Perfonnamen T2>77 „Malt weiß”. Möglicherweife gehört
noch bierber neupunifches 72:27 ftatt 22271 „gnädig ift Mal”, wenn nicht etwa Tom
— mens zu leſen iſt (Lidzbarski s. v. Ta2:7).
In der ganzen zweiten Neihe von Eigennamen iſt mlk zu verjtehen als Gottes: 20
name oder wohl eher als für den eigentlichen Gottesnamen gejeßtes Epitheton. Daß
mik der eigentliche Name eines Spezialgotted war, ergiebt fi aus diefen Namen mit
Deutlichleit ebenfomwenig als für baal aus Eigennamen wie Hannibal u. ſ. w. Biel:
mebr ift wahrfcheinlich, daß malk ebenſo mie 'adon und bafal an verfchiedenen Orten
jeweild dem höchſten Gott beigelegtes Epitheton mar, ſodaß dann nur der Malk des a
und des Ortes eine Beſonderheit darftellte.e Auch einen Spezialgott des Namens Adon
oder Adoni hat es bei den Phöniciern nicht gegeben. Obgleich die Griechen die fehr be-
ſtimmt individualifierte Geftalt des Adonis von den Pböniciern entlehnten, bemeift das
doch nichts für den Namen, fondern zeigt nur, daß das Epitheton Adoni von den Griechen
Fi wurde als der Eigenname des Adon von Gebal, dem ihr Adonis zumeiſt ent= 30
pricht.
In die zweite Eigennamen-Reibe mit mik an Stelle eines eigentlichen Gottesnamens
gebört vielleicht auch der Name ’Abimelek, der nicht nur im AT als hebräifcher und
pbiltftätfcher vorfommt fondern auch keilſchriftlich, geſchrieben Abi-milki, als Name in
Tyrus (Amarna:Briefe) und Arados (bei Afurbanipal, |. Zimmern ©. 470; vgl. den 35
Ramen des aflyrifchen Eponyms für das Jahr 887 v.Chr. Abu-malik in dem aflprifchen
Regentenlanon, Schrader, Keilinjchr. u. d. AT’, ©. 470), mag man ihn nun verjtehen:
„Bater ift Malk“ oder „Vater des Malk“. Nah Analogie des Syrauennamens TrannR
„Schweſter des Malk“ wäre die Auffaflung „Vater des Malk“ die richtige (jo Nöldele,
3dm® XLII, 1888, ©. 480) aber da fübarabifh Te[e]2R als Frauenname vorkommt a
(Corp. I. S., IV n. 85), fo ift doch mohl die Bedeutung entweder „Vater (mein Vater)
ft Malt” (fo jetzt Nöldeke, A. Names 8 14: „mein Vater iſt Melek“) oder auch nad)
einer dritten Möglichkeit iſt "28 „mein Vater” als Bezeichnung eines beftimmten Gottes
aufzufaflen (jo Olshauſen, Hebräifche Sprache, 1861, S.615; Windler und Zimmern, Keil:
inſchr. u. d. AT?, ©. 480, Anmtg. 2; nach Hummel, Auffäge und Abhandlungen II, #
10, S. 160, Der Geftirndienft der alten Araber, 1901, ©. 13. und Ulmer, Eigen:
namen, 5.2 fpeziell Bezeichnung des Mondgottes Sin), ſodaß dann >= Prädikat märe:
„mein Vater ift König“. So wird "a& in dem hebräifchen Namen AFRIN und noch in
andern (feinenfalls aber in "I8) zu verfteben fein (ſ. auch Nöldefe, A. Names a. a. O.);
in der Zufammenitellung mit dem jo oft als Gottesname vorfommenden mik liegt so
es näber, diefes in ’Abimelek als Gottesnamen und alfo als das Subjekt der Ausfage
aufzufaflen nach Analogie des bebräifchen ’Äbijjäh. Diefer Name fpricht zugleich dafür,
daß melek in’Abimelek nicht etwa Name oder Titel eines Menfchen if. — In dem
en eines jüdpaläftinischen Häuptlings der Amarna-Briefe Milk-ili und dafür einmal
Ii-milki (auch nody ein anderer Ili-milku, f. Zimmern &. 470) ift es namentlicd) bei 56
dem Wechſel der Stellung zweifelhaft, ob milk Prädikat oder Subjekt ift, alfo ob eigent:
liches oder aber für den Gottesnamen eintretendes Epitheton: „EL iſt König” oder „Milk
ft Gott“. Ebenfo liegt e8 mit dem palmyreniſchen Ss= (j. oben $ I, 3e y).
c) Bhönicifche Berfonennamen mit 72, deren Leſung oder Bedeutung
286 Moloch
Abkürzung fein für TzaR8 oder Tr72r, 75272, wenn > bier nicht, wie vielleicht auch
== (j. oben 8 II, 2b), Bräpofition ift: „mit Malk.“ Wielleicht liegt diefer Name auch
vor in einer Inſchrift aus Abydos (3. und H. Derenbourg a. a. O., S. 95). Möglicher:
weile iſt der Gotteönane oder das Epitbeton mik ferner zu erfennen in dem nicht
10 vollftändig erhaltenen Perſonnamen einer neupunifchen Inſchrift von Ain-Jufjef [Tops
(ſ. J. Derenbourg in der Revue arch&ologique, Nouv. Ser., BP XXXI, 1876, ©. 175f.);
ob Name oder Epitbeton, bleibt unficher bei der zweifelhaften Bedeutung von SR, das,
nach dem punifchen Berfonnamen SRT2> zu urteilen, Gottesname fein fünnte, aber nad
F puniſchen Frauennamen >r2no-R auch Appellativum fein kann: „Verlobter des
15 a “
d) Die nabatäiſchen, palmyreniſchen und phönicifhen Perfonennamen
1>2>::, Malıyos, MaAyos, N2">, (2=2>'2). Urſprünglich eine Gottesbezeihnung ift viel:
leicht zum Keil der nabatätfche und palmprenifche Eigenname 1252, der vielfach vor:
fommt, beſonders als Name mehrerer nabatäifcher Könige (ſ. die AInfchriften-Belege bei
20 Soof, Glossary, dazu noch Corp. I.S., II n.158, ferner Palm. 33. 35 bei de Vogüé,
Syrie Centrale, Inseriptions Se&mitiques, Paris 1868—1877, eine palmyrenifche
Inſchrift vom S.116 n.Chr. bei De Vogüe, Journ. Asiatique, VIII.S6rie, BdI, 1883,
S. 244 und eine palmyreniſche Infchrift von Nazala bei Glermont:Ganneau, Etudes
d’arch6ologie orientale II, in ber Bibliothöque de l’Ecole des Hautes-Etudes,
a; fasc. 113, Maris 1897, S. 99; der Königename 712°: auch auf Münzen, f. de Vogüs,
Melanges, Appendice, S. 22. 27. 34). Dieſer Name kann neben andere menjdhlice
Eigennamen zu jtellen jein, die aus einem Gottesnamen ohne Zuſatz beftehen (f. darüber
U. Hadad Bd VII, S. 284,25 ff, wozu nod zu vergleihen Georg Hoffmann im Anhang
zu 9. Meyerſahms Kieler Difjertation: Deorum nomina hominibus imposita, fiel
31891, S.33--37 und die Analogien römischer und griechischer Perfonennanten bei Meter:
ſahm). Handelt e8 fih bei dem Namen 12°°2 überhaupt um eine Gottesbezeichnung, fo
müßte fie aber nicht notwendig als eigentlicher Gottesname, fondern könnte auch als
bloßes Epitbeton verftanden werden; denn in hypokoriſtiſchen Namen, die aus einer Aus:
ſage von der Gottheit entitanden find, iſt bald der Gottesname für ſich allein, bald die
35 Ausfage mir Weglaſſung des Gottesnamens jtehen geblieben (Fälle der letztern Art der
Verkürzung |. bei Nöldefe, U. Names 8 49f. 53). Auch der Name Mdaiyos Jo 18, 10
(und ſonſt, jo im einer Inſchrift aus Geraſa als Name eines Gerajeners, |. H. Zu:
cas, Griechiſche AInfchriften aus Geraſa, Mt und Nachrichten des deutfchen Palaeftina-
Vereins 1901, S. 37; dazu noch die palmbrenichen Namen xc'3>72 = Malchus, r=>r
0 — Maiyiwv, auch *>°:, bei Cook und Xidzbarefi s. vv.) Tann bierber gehören; ein
jüdischer Name, in welchem >: Epitheton Jahwes geweſen wäre, würde ſchwerlich fo
abgefürzt worden fein.
Aber => und MaAyos iſt nicht notwendig überhaupt Gottesname, ift es jeden:
falls nicht überall. Der nabatäiſche Königsname wurde ausgeiprocden mäliku, iſt alfo
45 der arabiiche Name Se, wofür Nöldefe (bei Euting, Nabatätfche Inſchriften aus
Arabien, 1885, S. 63) bingewviefen bat auf den Periplus Maris Erythraei $ 19
(Geographi minores ed. Müller I, S. 272: eis II&roav nods Maliyav, Buodéo
Naßaraiwr). Die Form MaAıyos kommt öfters vor, und zwar nicht nur bei Joſephus
von den nabatätjchen Königen, wo die Überlieferung (nach Niefe) daneben Mdixos bietet
zo (wabrjcheinlih unter dem Einfluß des neuteftamentlichen ‚Maixos), jondern auch von
andern Berjonen, fo in der Bilinguis Palm.35 bei de Rogüe, mehrmals ald Name eines
Juden bei Joſephus (Antiq. XIV, 5, 2 u. |. w.), auch als idumäiſcher Name Corp.
Inscript. Graec. 5119. In dem nabatätfchen Berfonnamen semar (Corp. I. S.
II n. 161. 195. 230) it 23 nach der Analogie zweier anderer, mit 727 und einem
65 Königsnamen zufammengejegter nabatäifcher Perſonennamen ſchwerlich Gottesname fons
dern der Name eines Königs Mäliku (jo Nöldele bei Euting, Nabat. Inſchr. ©. 32f.;
vgl. jedoch Wellhauſen, Reſte arab. Heidentums?, S. 4). Auch MdAyos Tann einem
.c-
ale Eigenname nicht mebr vorfommendeh (sCLg entiprechen (Nöldeke a. a. D., ©. 63)
Moloch 287
und wird dann ebenſo wie Mäliku ſchwerlich auf einen Gottesnamen zurückzuführen fein,
da wir einen arabifchen Gott Malf oder Malit nicht Tennen. Eben deshalb ift in dem
Berfonnamen 15:8 (doc) wohl fo zu verbinden) einer Injchrift aus Higra (Corp.
1.S., II n. 231) fchwerlid ein Gottesname ">> zu erfennen, obgleich der entiprechende
Name Adhimelek, 7er, Ahbi-milki im AT (j. unten S III, 1) und bei den Phöniciern 6
(f. oben 8 II, 2b) vermutlich den Gottesnamen enthält. Einem Menjchen fonnte mit
Bezug auf die an ihm beobachteten oder von ihm erhofften perfönlichen Eigenfchaften der
Name „König“ oder „Herr“ beigelegt werden (vgl. Nöldefe, A. Names a. a. O. $ 57
und oben S I, 3d über SW Aue). Bei der in nabatäifchen Inſchriften vorkom⸗
menden jefundären Namensform n>N>2 (Malsıyados, bei Lidzbarski s. v.) ald Mannes: ı0
und auch als Frauenname iſt jedenfalls nicht an einen Gottesnamen zu denten.
Aber der Name Malyos — >72 fommt auch von Phöniciern vor und ſcheint auf’
pböniciichem Boden nad jenem öftern Gebrauch einheimilch zu fein. MdAyos war der
eigentliche Name des Philoſophen Porphyrius aus Tyrus und Mayos, entitanden aus
Maäiyos, der Name eines ſidoniſchen Schriftitellers, auch eines puniſchen Märtyrers. 15
Müuyos tommt vor ald Name eines Phönicierd und Milicus als der eines afrikaniſchen
Bischofs (ſ. Schröder, Phöniz. Sprache, S. 104. 128; der Perjonname Milcho ebend.
©. 128 iſt wohl Abkürzung eines fomponierten Namens). Ein phönieciſcher menjchlicher
Eigenname Malt könnte fehr wohl von Haus aus der Gottesname fein. Inſchriftlich
it ein phöntcifcher Perfonname 757 noch nicht mit Sicherheit nachgemwiefen. Allerdings 20
ift er zu lejen in einer farthagifchen Inſchrift (Euting, Sammlung der farthagifchen In—
fchriften, I, 1883, n. 139); möglicherweife fehlen aber Buchjtaben am Anfang und ift
etwa zu ergänzen 7217 (Bloch, Phoeniciſches Gloffar, 1890, 8. v.).
o der Name 2>52 auf einem aramätfchen Siegel von unbeitimmbarer Herkunft
(Corp. I. S., IIn. 94; vgl. M. A. Levy, Phöniziſche Studien IL, 1857, ©. 31 f.) 26
einer Bedeutung nach unterzubringen iſt, läßt ſich ſchwer jagen. Der Berfonname Malkam
ommt 1 Chr 8, 9 in einem benjaminitifchen Gejchlechtsregiiter vor und mird dort mit
Aufenthalt in Moab in Verbindung gebracht. Einheimiſch hebräiſch ift er danach nicht
fiher. Für das Sabäiſche finde ich die Namen D>>= und E>5r angegeben, kann fie
aber meinerjeit3 nicht nachweiſen. Jedenfalls tft die Endung äm in dem alttejtamentlichen so
Namen die in Eigennamen häufige Zitdungeſitbe. Ob dieſem 2572 der Gottesname zu
Grunde liegt oder nicht, läßt jich nicht entfcheiven, obenfomwenig bei dem hebräiſchen Eigen-
namen 727 in ber Chronik (ſ. unten $ III, 1).
3. Die Borftellung von Malf und Melkart. a) Meltart:Herafles und
der pbönicifche „Kronos”. Der, wie es fcheint, zunächſt als Epitheton gebrauchte 35
Gottesname malk ijt zu Tyrus mit einem Zuſatz verjehen worden, der zunächſt nur auf
den Ort der Verehrung hinweist. Mit diefem Zufag verbunden iſt malk Eigenname eines
von Tyrus aus meithin verbreiteten Gottes geworden. Der Spezialgott von Tyrus wird
nämlich infchriftlih Ap>i2, bei den Griechen MeAxdodos genannt, ſ. A. Baal Bd II,
©.331,»ff.; vgl. noch die infchriftlichen Belege für den Gottesnamen bei Lidzbarski s. v. 40
und dazu ferner n=pDr2 oder wohl eher mars, als Perſonname in einer 1894 zu Zar:
nala auf Eypern gefundenen Inſchrift, |. ©. U. Coofe in The Academy, Bd XLIX,
1896, ©. 59 und G. 3. Gray, ebend. S. 100. Vielleicht gehört hierher auch der keil—
fhriftliche Name für einen König von Sidon Abdimilkutti, iva8 eher = maps
ald = n257727 zu fein ſcheint (Zimmern S. 472). Der Name mp ift ohne Zweifel a
en aus np Ta „König der Stadt”. Er macht deutlich, in welchem Sinne die
Gottheit bei den Phöniciern als „König“ bezeichnet wurde. Man nannte fie fo als den
teter des zum Staat organijierten Stammes,
In Tyrus und in der tyrifchen Kolonie Karthbago fommt daneben in Eigennamen
das einfache malk oder milk als Gottesname vor. Wir haben in den Amarna:Briefen co
den Namen eined Tyriers Abi-milki, freilich aber in dem turifchen Namen Tr
dad Wort mik, wie es Scheint, als bloßes Prädikat eines anders benannten Gottes. In
zahlreichen A Sigennamen wird 572 wie ein Gottesname gebraucht. Überhaupt
erſcheint in den phönicifchen Eigennamen >72 vorzugsmweife in dem Wert eines Gottes-
namens angewandt, nur vereinzelt und dazu noch in mehreren Fällen unficher als ein 55
bloßes Gottheitsepitheton (j. oben $ II, 2 a und b). Milichus ift bei Silius Stalicus
III, 104 der Name eines phönictichen Gottes in Spanien (über den Zeus Meilichios
des Philo Byblius, der nad) der Vofalifation des Namens kaum hierher gehört, ſ. Bau-
biffin, Studien II, 1878, ©. 174). Ob mir, wo in Tyrus und Karthago em Gott
N eat ne. do ne hy Solo :z Summe Daben, ılt zweifelhaft. Es
a ne Te N. np wirm Far Waage rom mehrer anderer Gott trug,
one Nr mar To zei unurı. ebenfalls müſſen
\ Non na. su m ren Beiazeaung 777 iben frühzeitig wie
an 2 gept hervor aus Der Tieergott Melifertes
nz Nm aler Zeit durch Ne:imten von Tyrus
0.0.0. pamfn, Studien II, 2.171.21>. wenn aud vie:
N . 0.0.00, 57 Kam entnommen wurde; Denn er VWintbos des
. rn zrägeres: S. Reinach, Les Cabires et Melicerte,
No oe. sed... Serie, Bod XXXII, 1808, S. Sn--H1).
por roh von den Phöniciern entlehnt hasın, fünnte er
.* „= Trrus, Da Die Bejonderbeit des „Molct" :Rultus jeden:
2: Zaaemein Die Verehrung irgendeine: pbentricben oder
. ra wie mit Dem Baalfultus. Auch wird im AT molek
\ „era Wogenname gebraucht. Die Judäer baren den Gott
2: en zu denfen ſein jollte, nicht Melfart iondern einfach
vw Ne nicht in ſeiner Beziebung zu der „Stadt“, d. b. zu
. J >. Richtigkeit dieſer Kombination vorausgeſetzt, wäre der
ms wer rine Wiederaufnahme des ſchon unter Abab in Ephraim
“se dere Nabe Baal war obne Zweifel der Schußgott von Tyrus,
20. ammte (ihr Vater Etbaal war Prieiterfönig ven Tyrus
ser Contr.Ap. I, 18; „Sidonter” 1916,31 tt allgemeiner
Sec atkultus kam von Ephraim aus auch nad Juda (j. N. Baal
sonen in dem ſpätern judäiſchen Meleffultus feit Abas wären
oe sterprt, oder auch unſere altteftamentlichen Tuellen fönnten über
“ ramgeberrichaft von Menſchenopfern desbalb ſchweigen, weil ſolche
. dr gerade don Königen zu berichten waren.
onen DO „Molek“ gerade mit dem Melkart von Tyrus it Doc
et einen andern Gott, konnte das Epitbeton milk wie fein Eigen:
lermont-Ganneau (Etudes d’arch6ologie orientale I, in der
one des Hautes Etudes, fasc. 14, 1888, Z. 10) fieht milk an
on Ip Gottes don Byblos, da die beiden Namen Tr und TR,
netten in Byblos vorfommen (ſ. oben S II, 2b) und als nmtbi-
ray genannt wird Waixardoos, der Gemahl der Aſtarte (Plutarch,
. 1» Dazu iſt noch hinzuzufügen der keilſchriftliche Name Milki-
ng don Byblos ud ebenfalls als Königsname von Byblos TR
J tl, 2b)y. Danach mag in der That Der Hauptgott von Bprblos,
partie Kronos oder ZAos, den er als Gründer von Byblos bezeichnet
. “Yrasın. historic. Graec. III, Z. 568), ſpeziell das Epitbeton milk
wer Darauf könnte ferner verweilen Die Angabe über den El-Kronos
er IS Xwpas (aa. C. n. und 5 2. 570f.). Auch der weit—
one lli-milki, Milk-ili, 282°, Elimelech, Malkiel (ſ. oben $ II, 2b
0 19 kommt bier in Betracht, obgleich er ſich nicht in Byblos nad
ya nach Serodot (II, 14) zwei Tempel des Serafles, nach Joſephus
th Leupel Des Herakles und einen andern des Zeus, Herakles iſt bier Be:
.. ettart: Melit. I (Corp. I. S., In. 122), eine bilingue Inſchrift, ſetzt
2, ts Dentiicb mit „Meltart, Baal von Tyrus“; Philo Byblius: Med-
ra UHoaxziizs. Von Menjchenopfern im Dienjte des Melkart iſt nicht
as aber vielfach bei Griecden und Roͤmern von pböniciichen Menſchen-,
WVWrieeekephein Für den Mronos oder Saturn Die Rede. Dagegen berichtet Pli—
Sao tus NNAVL 5 [5,12 von Menſchenopfern des Hercules bei den Buniern,
NS demeint ſein wird. Sonſt nennen Die Abendländer den durch Rinderopfer
ee tab ſpeziell bei Den Karthagern ſtändig Kronos. Ta Nartbago eine
rruv War, jo Bitte es ohne Frage Den Hauptgott mit dieſer Stadt gemein.
“av ale hier etwa eine Bezeichnung des Melkart fen. Aber Diodorus
\\ tr erwahnt neben Dem Kronos einen Herakles, alle wie es ſcheint Miclkart,
Ye and Philo Boblins unterſcheidet in den angeführten Stellen den pbönt-
BReernere veſtimmt don Dem Melkart Derafles und gibt jenem den phöniciſchen Na-
Nuhl nur bet ihm jondern auch auf Münzen von Byblos, die das Bild des
Moloch 289
Kronos zeigen (Imhoof-Blumer, Monnaies Grecques, Paris 1883, ©. 442—444), er:
jbeint „Kronos“ als der Gott von Byblos. Allerdings alle diefe Gleichjegungen find
mebr oder meniger mwillfürlicher Art. Diodor mag mit feinem Herafles den von Andern
Kronos genannten Gott und mit feinem Kronos einen von diefem verfchiedenen gemeint
haben, und Philo fonnte den Gott EL dem Kronos entfprechend finden, Andere einen 6
andern. Die Verehrung durch Kinderopfer mochte in verſchiedenen phönicifchen Kulten
vorfommen und fo zur Gleichfegung verſchiedener Götter mit dem feine Kinder ver:
ichlingenden Kronos Anlaß geben.
Es iſt aber doch zu beachten, daß Philo Byblius den El oder Kronos, der nadı
dem oben Bemerkten, wie es jcheint, fpeziell das Epitheton milk führte, in eine ganz 10
bejtimmte Beziehung zu den Kinderopfern bringt, indem er von ihm berichtet, daß er
feinen eigenen Sohn geopfert (der Tert iſt forrupt) babe (fr. 2, 24 ©. 569; vgl. n. 4
und 5 ©. 570f.), und an anderer Stelle von ihm angibt, daß er einen Sohn und eine
Tochter eigenhändig tötete, fodaß die andern Götter darüber erftaunt waren (fr. 2, 18
S. 568). Danach mag die ftehende Bezeichnung des farthagifchen Gottes, welchem die ı5
Kinderopfer dargebracht wurden, als Kronos und nicht als Herafles doc) begründet und
anzunehmen fein, daß dem Dienite des tyrifch-Tarthagischen Melkart-Herakles die Kinder:
Opter nicht peziell angehörten, daß neben ihm aber in Karthago ein anderer Gott verehrt
wurde, der dem El-Kronos von Byblos entiprach und vorzugsmeife der Gott der Kinder:
opfer war. Dann erklärt ſich auch, daß ſich auf israelitiihem Boden in dem Kultus des 20
Baal von Tyrus feit der Zeit Ahabs Kinderopfer nicht nachweiſen laſſen. Sie jcheinen
erit aufgefommen zu fein mit der Einführung eines andern phöniciſchen Kultus feit Ahas
oder Manaſſe, nämlich des Kultus des Gottes El-Kronos, den man als Melek bezeichnete.
Es ift ferner nicht zu verjtehen, weshalb der Melfart von Tyrus bei den JIsraeliten zuerft
(jeit Abab) nur allgemein als „der Baal” (f. A. Baal Bd II, S. 336,4 ff.) und erſt 25
von dem Aufkommen der Kinderopfer an als „der Melek“ follte bezeichnet worden fein.
Auch diefer Wechſel der Benennung jpricht für die Annahme zweier verjchtedener Gott-
beiten
Die Judäer müßten den Melek, wenn er mwirklih dem El von Byblos entfipricht,
nicht gerade direft aus dieſer Stadt entlehnt haben, wofür fich gefchichtlich eine Veran: 30
laſſung nicht erfehen läßt; der Spezialgott von Byblos kann auch in andern phönicifchen
Städten Aufnahme gefunden oder ein Pendant gehabt haben, vielleiht auch zu Tyrus,
wo ihm etwa der „Zeus“ von Tyrus bei Joſephus entſpricht. Daraus würde fih am
einfachjten die Angabe Diodors erklären, daß zu Kartbago neben dem Herafles, d. i. dem
Mellart von Tyrus, auch ein Kronos verehrt worden fei. 35
Der Kultus von Boblos und der von Tyrus weiſen auch ſonſt Analogien
af. Tem Melkart feierte man ein Feſt der Auferftehung, und ein Gott von Byblos
war der befannte Adonis der Griechen, deſſen Erjterben und Wiederaufleben in feinem
Kultus dargeftellt wurde. Diefer Gott ift nicht identisch mit dem El-Kronos von By—
blos bei Philo; denn der dem Adonis unverlennbar entiprechende Gott beißt bei ibm 40
"Yınoros oder ’Edıoödv (ſ. Baudiſſin, Studien I, ©. 36.299). Es fcheint mir alfo deutlich
zu fein, daß zu Byblos, zu Tyrus und Kartbago ein der Würde nad älterer und ein
jüngerer Gott neben einander verehrt wurden. Der ältere wird von Philo für Byblos,
von Andern für Kartbago als Kronos, von Jojepbus für Tyrus ale Zeug bezeichnet;
va Äingere ift in Byblos der Adonis der Griechen, zu Tyrus und Karthago Melfart: 45
es.
Die Kinderopfer fcheinen fpeziell dem Dienfte des ältern Gottes, des Kronos, cha:
ralteriſtiſch geweſen zu fein. Wielleicht kamen fie gelegentlihb auh im Melkartdienſt vor,
worauf die Ausjage des Plinius über den punifchen Hercules zu verweilen jcheint.
baupt wird der tyrifche Melfart von Haus aus in feiner Vorftellung nicht wejentlich so
verſchieden geweſen fein von dem „ältern”“ Gott, dem „Kronos”, wenn dieſer cbenfo wie
jener das Prädikat mik führte.
Möglich ift e8 immerhin, daß die Rinderopfer fpeziell in den Kulten derjenigen Götter
vorfamen, welchen dies Prädikat beigelegt wurde. Es ijt zu beachten, daß die Judäer
den Gott, welchem fie Kinder opferten, Melek nannten, daß der mythiſche Urheber des 55
Kinderopfers, El-Kronos, das Epitheton mlk geführt zu haben jcheint, daß auch die Götter
bon Sepbarwajim, in deren Dienft nah 2Rg 17, 31 Kinder verbrannt wurden, Adram-
meleh und Anammelech, das Prädikat melek trugen. Ta in den pbünteifchen Inſchriften
bis jeßt eine zmeifellofe Ausſage über Kinder: oder Menjchenopfer nicht gefunden worden
ft (j. Corp. I. S., I, 1 ©. 248), find wir nicht in der Lage, die Namen der Gott= 60
Neal⸗Encytlopãdie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. 19
290 Moloch
heiten, denen ſolche Opfer galten, mit Sicherheit zu beſtimmen. In einer neupuniſchen
Inſchrift (Numidica VIII bei Gefenius, Seripturae linguaeque Phoeniciae monu-
menta, 1837, S. 452 ff.) berubt die Auffaſſung von einem Sohnesopfer für den Baal-
ram auf der unſichern Xefung und der ſehr unmwabrjcheinlichen Erflärung des Wortes
6°C mit immolavit bei Gefenius. Aus demjelben Worte konſtruierte Geſenius in zwei
andern neupuniſchen Inſchriften (Numid. VI und VII, a. a. O., S. 4M5 ff.) die Ermäh-
nung eined Sohnesopfers.
Ohne dafür in den Inſchriften einen Anhalt aufweiſen zu können, glaube ib in—
deſſen doch, in dem „Sronos“ von Bublos, der, wie es feheint, das Präbitat 7 rn führte
10 und mythiſch mit den Kinderopfern in Verbindung gebracht wird, jetzt die noch von
Moore in ſeiner trefflichen Darſtellung über den „Molech“ vermißte Kombination eines
Gottes Melek mit Kinderopfern gefunden zu haben. Dagegen fehlt auch mir der Nad-
weis des Weges, auf welchem diefer Melek-Kronos und feine Opferfitte zu den Judäern
gekommen mären.
15 b) Charakter und Naturgrund der Malk-Gottheiten. Sofern der „Mole“
der Judäer jedenfalls dem Namen nach fich mit dem Melkart von Tyrus berührt und
diefer in feinen Anfängen faum wefentlich verfchieden gedacht wurde von andern phöni-
cifchen Gottheiten, twelden man das Prädifat mik beilegte, dürfen wir noch immer, trog
der Ablehnung eines direkten Zufammenbangs zwiſchen dem altteftamentlichen „Molet”
2» und dem tyrifchen Melkart, zunächft nach der Natur des Melkart fragen, un die des
alttejtamentlichen Melek zu verfteben. ‚jener ift die einzige greifbare Gottesgeſtalt, die
wir mit den Namen mik belegt finden.
Die nah Movers’ Vorgang früber beliebte Unterfcheitung bes Malt, als eines dur
Menſchenopfer zu verfübnenden verderbliden Gottes, von Baal als dem mohltbätigen (jo
2 auch Jahve et M., S. 31ff.) läßt fich nicht rechtfertigen, da ba’al und malk von Haus
aus gar nicht göttliche Eigennamen waren. Co it Demnad eine unbegründete Annahme
(Movers, Tunder, jo auch Jahve et M., 39), daß der tyriſche Gott die Doppel:
bezeichnung melkart und ba’al deshalb trage, weil in ihm die Natur des Baal und
des Malf zufammengefaßt jei, indem man ibn als eine das Verberbliche überwindende
30 Gottheit zu denken babe. Die phöniciſche Religion weiſt überhaupt nirgends in ihren
Göttergeſtalten (auch nicht in den weiblichen, f. A. Altarte Bo IL, S. 161,2ff.) den Dua⸗
lismus des Wohlthätigen und Verderblichen, noch weniger den des Guten und Böfen
auf, fondern lediglich den gefchlechtlichen Tualismus. Ein und dieſelbe männliche oder
auch weibliche Gottheit wird in einem Fall als Heil bringend, in dem andern als Ber:
35 derben bringend gedacht, iſt gnädig und furchtbar „zugleich. Das gilt von dem tyriſchen
Melkart ebenſo mie von den andern Göttern. Die Unterfbeidung der Göttergeftalten
bei den Vhöniciern beruht überhaupt nicht oder doch nicht überall auf einer urjprüng-
lichen Verſchiedenheit der ihnen zugefchriebenen Wirkſamkeit ſondern zunächſt großenteils,
ſo ſcheint es, auf der lokal verſchiedenen Verehrung eines gemeinſamen Stammgottes.
40 Tiefe führte durch den Austauſch der einzelnen Städte zur Verehrung der lokalen Be:
jonderheiten des Stammgottes neben einander, jodaß fie nun wie verſchiedene Götter
erschienen. Es mochte Dann etwa in dem einen Gott Die verderbende, in dem andern
Die wohlthätige Macht als überwiegend gedacht werden, fo letztere in dem Gott der
Frühlingsvegetation zu Byblos, dem Adonis der Griechen, und in dem Heilgott Es—
16 mun-Asklepios, erſtere, wie cs ſcheint, in dem von den Abendländern als Kronos⸗Saturn
bezeichneten Gott oder in den verjchiedenen unter dieſem Namen zujammengefaßten Götter:
gejtalten
In Melkart bat die wohltbätige Natur nicht gefehlt. Infchriftlih kommen die pu-
nijchen Eigennamen vor: n7=:227 (Hamilecar), unneean, Unnep% „Melkart iſt gnäbig”,
ia Kenn? en „ Melkart errettet“, ler >= „Melfart erbört“ ; auch nm „Shüß:
barati: au “=> noch eine Srabinicrift, f. Telattre, L’&pitaphe d’un Rab, in den
Comptes rendus der Academie des Inscriptions et Belles-Lettres vom J. 11,
S. 168). Ter allerdings vielfad unzuverläffige Nonnus preift den eralie Aitroiten
5 von Tyrus als den Spender der Xruchtbarfeit (Dionys. XL, 369 Überhaupt be:
zeichnet das Epitheton milk audı wobltbätige Götter, tie mehrere —8 den oben (SII,
2b) aufgezäblten. Eigennamen zeigen: mom „Matt bat gegeben“, Te „Schüt-
ling des Mal“, ferner yarnzız „ Malt errettet“, "Milki- -aSapa „Malt nimmt auf“ oder
„Malt vermehrt“, auch 77257, wenn es bedeutet „gnädig iſt Malk“, ganz befonders aber
[FD der bybliſche oͤnigsname 227, wenn er bedeutet „Malk ſchenkt Leben”.
Moloch 291
Melkart war anſcheinend ein Sonnengott oder wurde doch in beſtimmten Lokalkulten
mit der Sonne kombiniert (ſ. A. Baal Bd II, ©. 332,8 ff). Danach kann es nahe
liegend erjcheinen, auch für den „Molek“ an einen Sonnengott zu denfen. So Deyling,
Münter, Tunder, J. G. Müller, de Vogüé, Kuenen, während Andere ihn für den
Gott des Planeten Saturn, jo Gefenius, oder für einen Feuergott, fo Moverd, 6
Pland, balten (j. Jahve et M., S. 41 Anmkg. 1). Als Feuergott will den „Molek“
auch Schrader verjteben, inden er ihn beftimmt von Baal unterjcheidet ald den aus
Aſſyrien nach Kanaan gelommenen Gott des Planeten Saturn, „Adar-Malik“ (ſ. THEIR
1070 S.328 ff., Jenaer Litteraturzeitung 1874, S. 482 f.; vgl. Tiele, Religionsgefchichte!,
S. 98). 10
Daß Mellart-Herakles, wenn nicht ausfchließlich, jo doch auch als Sonnengott ge:
dacht wurde, gebt wohl hervor aus dem un feiner Auferjtehung, morunter fi) auf dem
Gebiet der Naturreligion nur das Neuerſtehen der Sonne nad dem tinterlichen Todes:
fchlaf oder beiler da3 dur den Sonnenlauf bedingte Wiederaufleben der irdiſchen Natur
veriteben läßt (ſ. W. Baal, S. 332, ff). Der Hauptgott von Karthago, alfo doch wohl 15
Meltart, führt infchriftlich die Bezeichnung ba’al bamman, die vielleiht „Sonnenbaal”
bebeutet (ſ. A. Baal, S. 330, ff.), und wird mit einem Strahlenfranz abgebildet. Nonnus
(Dionys. XL, 370 ff.) bezeichnet den Herakles von Tyrus als Helios. Der palmyrenifche
Malachbel war deutlih ein Sonnengott, wobei jedoch die Sonnenbedeutung gewiß an
dem Namen >23, nicht an 75 haftet, da der palmprenifche Bel, das Abbild des babylo- 20
nifchen Marduk, auch für fich allein ein Sonnengott geweſen zu fein fcheint (ſ. A. Baal,
©. 339,10 ff). Für folare Bedeutung des als malk oder melek bezeichneten Gottes
würde der Varallelismus mit der Meleket ha-ſchamajim fprechen, wenn diefe ald Mond—
Bei angejeben werden dürfte, mas indeſſen zweifelhaft iſt (j. A. AltarteBd IL, S. 156, 260ff.).
al ſpeciell als die verfengende Kraft der Sonne zu beitimmen und in Mellart eine 25
Zufammenfafjung diejer Seite und der lebenfchaffenden Kraft der Sonne zu erkennen
(Dunder, ebenjo Jahve etM.), find mir nach dem oben über Bedeutung und Verhältnis
der Gottesnamen ba’al und malk Bemerften nicht berechtigt.
Melkarts Naturgrund fcheint indefjen nicht nur die Sonne geweſen zu fein. Es ift
infchriftlih von einem Melkart-Rezeph (E”) die Nede, mo '7 die im Gewitter herniever- 30
fallende Glutfohle bezeichnen könnte (Jahve et M., S.43). Doc iſt mahrjcheinlich zu
en felbititändiger und von Melkart verjchiedener Gewittergott, der mit diefem trotzdem
lofal verihmolzen wurde (ogl. den Gott 10, reseph oder rassäph „Blit, Blitzer“,
m Agypten reshpu, |. Ed. Meyer, ZtmG XXXI, 1877, ©. 719), ebenfo wie Esmun
mit Melkart (j. Phil. Berger, L’ange d’Astarte, S. 41). Oder wohl eher in diefen Kom: 35
tionen ijt der Name Melfart als ein ehrendes GEpitheton behandelt: der Stabtfönig
b, der Stadtkönig Esmun. Überhaupt läßt fe in den doppelten Gottesnamen
weſtſemitiſchem Boden (val. oben S I, 3 c 6) wohl überall der eine Name als bloßes
Epitheton anjeben. Wie melkart in melkart reseph und melkart ’esmun wird aud)
dem Namen des irdiichen Königs der Titel Tr infchriftlih und auf Münzen immer 40
borangeftellt, mern nicht der Eigenname der Stadt dabei ſteht (f. de Vogüe, M&langes,
Appendice, ©. 8).
Daß Dellart fpeziell das Feuer der Sonne (Jahve et M., ©. 43) oder dad Feuer
überhaupt repräfentiere, ift aus der ewigen Flamme auf den Altären des phöniciichen
Heralles nicht geradezu zu fchliegen (Silius Stalicus III, 29 von dem Kultus des gadi- 45
taniſchen Herafles: Inrestineta focis servant altaria flammae), da nicht verlöfchenves
Altarfeuer auch ſonſt außerhalb des eigentlichen Feuerdienſtes vorkommt. Der Perfon-
name in Byblos 7:8, Uru-milki, Milk-uru „Licht iſt Malk“ oder „Feuer ift Malt“
(. oben SII, 2b) kann allerdings auf eine Feuernatur des Gottes Malk verweilen, muß
dies aber nicht notwendig thun, da „Licht“ oder „Feuer“ in übertragenem Sinne gemeint so
em fönnte. Es ift aber noch darauf hurücgubertueilen, daß fich in den altteftamentlichen
jagen über die Feueropfer des Melefdienftes vielleicht eine Beziebung auf eine Feuer:
Ratur des (Gottes erfennen läßt (ſ. oben S I, 4a).
Es find aljo mehr oder minder deutliche Spuren vorhanden, daß die Sonne einer:
its und das Feuer oder der Blitz andererjeitö fombiniert wurde mit dem Melfart von 55
> und mit Gottheiten, die das Prädikat mik führten, aber vielleicht von ihm zu unter:
Kheiden waren. Abgejehen ettva von dem Namen Uru-milki leitet feine von diefen Spuren
u auf den El-Kronos von Byblos, in welchem wir das Urbild des altteftament-
Melek und ein Pendant des fartbagiichen, mit Kinderopfern verehrten Kronos ver:
mutet baben. Wahrſcheinlich aber gehört doch die Feuernatur, nämlich die bes Blitzes, so
19*
292 Moloch
ſpeziell ihm an. Wie der EI von Boblos, fo ſcheint auch der aramäiſch-phöniciſche Gott
Hadad, der Adodos des Philo Byblius, Malk genannt worden zu fein (ſ. oben SIL,1).
Tanach mögen El und Hadad als parallele oder identijche Öottesgejtalten anzujeben jein.
Hadad wurde auch in Byblos und der Umgegend verebrt (ſ. A. Habab: Rimmon Bd VI,
» 2.290, ff.). Er iſt ficher ein Gewittergott (j.a.a.C.,.291 ff). Vielleicht war dies auch der
phaniciiche „Kronos“. Ebenſo mag der „Zeus“ zu Tyrus bei Jofephus dem Hadad ent-
iprechen. Daß jpeciell der Gewittergott als mik bezeichnet wurde, zeigt auch der alt:
teitamentlihe Name Regem-melek „Rägimu iſt König“ (j. unten 8 III, 1). Der ba
boloniiche Name rägimu „Brüller“ für den Wettergott Namman oder Adad bat nad
1" ven Belegen für den Samen Negem (. unten a. a. U.) mwabrjcheinlih ein fanaani-
tiiches Pendant gehabt. Im Unterfchied von dem ältern Gott El-Kronos oder aud
Hadad ſcheint in dem jüngern Gott, dem Adonis von Byblos und dem Melkart von
Torus, das durch den Zonnenlauf bedingte Yeben der Vegetation repräfentiert zu jein.
Aber Züge des ältern Gottes, Des Gewittergottes, find auf Melfart übergegangen, wie
15 andererjeits in _Ipäter Zeit Züge eines Zonnengotted auf Die Geſtalt des Hadad (ſ. Bd VII,
S. 291 ff.). Der Gott von Heliopolis-Baalbek würde nach einer oben (8 IL, 1) wieder⸗
gegeben, allerdings recht unſichern, Vermutung Terz genannt worden fein. Er muß
trog des Namens SHeltopolis nach jeinem Bilde, Das ihn mit dem Blitz in der Hand
daritellte, eigentlich ein Gewittergott geweſen fein (ſ. A. Hadad⸗ Rimmon S. 291, fl.
292,34 1.). Vielleicht bieß er geradeau Hadad (ſ. a. a. TC. S. 289,83 ff.). Alſo hätten
wir in dem Gott von Heliopolis möglicherweife nochmals einen Haba mit dem Prä-
bifat milk. Dieſe Kombinationen, deren Fäden allerdings zum Teil dünn find, mürden
uns zu dem Reſultat führen, daß bei Aramäern und Phöniciern fpeziell der Gewitter:
ott Hadad als mik bezeichnet wurde und daß ihm der El-Kronos des Philo und der
5 karthagiſche Kronos entjpricht.
Tie Identifizierung des phöniciſchen Gottes EI, vielleicht auch noch anderer Götter,
die das Epitheton mlk trugen, mit dem griechiſchen Kronos, zunächſt wohl auf der Ver:
gleihung des phöniciſchen Minderopfers mit Der Kinderverichlingung des griechifchen Gottes
berubend, mag jpäter, da man Kronos wegen irgendivelcher Ähnlichkeit auch mit dem
3 babyloniichen Gott des Planeten Zatum identifizierte, Dazu geführt haben, daß der
phöniciſche Gott ebenfalls auf den Planeten Satum bezogen wurde Philo By:
blius jtellt feinen El-Kronos geradezu als den Planetengott dar. Urſprünglich aber ſcheint
die Verehrung der fünf andern Planeten neben Sonne und Mond bei den Phöniciern
nicht zu Haufe gewejen zu fein und iſt wobl erjt durch Berührung mit Babylonien, dem
35 Lande der Sternfundigen, zu ibnen gefommen.
4. Der Kultus der Malt: (Hottbeiten. a) Bilder desMalf oder „Kronos“.
Der Hercules Gaditanus, d. i. Melfart, wurde nach Silius Italicus III, 30 f. bildlos
verehrt. Das Zeichen Melkarts waren wei Säulen, wie ſie nach Herodot im Tempel
zu Tyrus ſtanden und in den Säulen des Herakles zu Gibraltar und an andern Orten
40 des phöniciſchen Heraflesdienjtes wiederfebren (vol. A. Maljteine Bd XII, S. 135, 1ff.
138,241 ff). Silius Italicus nennt aber, neben jener Angabe von der Bildlofigteit des
Kultus, an anderer Stelle (III, 104}. die cornigera frons eines mythiſchen Herrſchers
in iberiſchen Gegenden, des Milicus (Milichus). In dem Namen iſt doch wohl eher das
ſemitiſche mlk zu erkennen als das griechiſche ueilıyos, namentlib da von einer Herr:
45 Schaft des jo Benannten die Kede ift und die Ableitung des Gehörntſeins aus ber
Abſtammung von einem Satyrn ausſieht wie eine fünitlihe Erklärung. Diefer Milicus
ift ichwerlich Der nicht abgebildete, aljo doch wohl in feiner beſtimmten Geſtalt vorgeftellte,
gaditaniſche Melkart (Hercules), vielleicht aber der puniſche „Kronos“. Ging dieſer wirklich
zurück auf den kanaanaiſchen Gewittergott . oben S II, 3b), jo könnten die Hörner
beritammen von dem Ztier, der ſpeziell Das Tier Dee "Savittergottes Hadad mar. Hadad
iſt m Sendſchirli dargeſtellt mit einer Kopfbededung, die an den Zeiten zwei Hörner hat
(ſ. A. Kalb BDIX, S. 708f... Tagegen find für das AT Zujammenbänge des Melel:
dienſtes mit Dem phratmitiichen Stierdienft zu Unrecht bebauptet worden. Aus Ho 13,2
kann darauf (jo Eerdmans 2.22.) nicht geichlojfen werden; «8 iſt hier überhaupt nicht
55 don „eentehenopfern bei dem Kälberdienſt die Rede (ſ. A. Kalb, S. 712,58 ff.) Noch
weniger iſt Ho 10,7 unter dem melek Samariens der Stiergott (fo Eerdinang S. 24f.)
zu verſtehen, ſoudern der irdiſche König: zuerſt wird der Untergang des Königtums, dann
erſt (v. 8) der der Heiligtümer dargeſtellt; von dem Kälbergott war ſchon v. 5f. die
Rede. — Eine andere Frage iſt, ob nicht etwa im legten Grunde der Gott des Stier:
wu bildes der Israeliten zu Dem Melek im einem vertvandtichaftlichen Verhältnis ſtehe. Sie
J
..
*
=
w
Moloch 293
wird, wenn wirklich beide Kultusformen auf den Dienſt des Gewittergottes zurückgehen,
zu beinhen jein.
on ſehr zmeifelbaftem Werte find die aus einem fpät (13. Jahrhundert) redigierten
rabbinischen Sammelwerk, dem Jalkut Schimeoni, entnommenen Angaben über das eherne
Melekbild mit Kalbskopf und ausgeftredten Menfchenarmen, auf welche die Kinderopfer 5
egt worden fein follen (j. Andr. Beyer zu Selden; Jahve et M., ©. 42 Anmkg. 2).
. F. Moore bat wahrjcheinlih gemacht, daß das eherne Bild bier aus dem bei Dio—
dorus Siculus (XX, 14) beichriebenen ehernen Bilde des Farthagifchen „Kronos“ ftammt, das
Menfchengeitalt hatte und mit ausgeftredten Händen die Kinderopfer aufnahm und in
einen Feuerſchlund fallen ließ. Der Kalbskopf des Molochsbildes, der fich in einer, 10
wie e3 Scheint, ältern Variante der rabbinischen Befchreibung nicht findet, mag mit Moore
aus einer Meminifcenz an den Minotauros der Griechen zu erklären fein (vgl. A. Kalb
Bb IX, S. 709). immerhin fcheint die Befchreibung bei Diodor, die auf Klitarch im
4 Jahrhundert zurüdzuführen ift, einen dem altteftamentlichen Tophet entſprechenden Ver:
ungsapparat zu fennen. Der in diefer Weiſe verehrte „Kronos“ wäre nad) unfern 15
Kombinationen (oben $ II, 3 a) angufehen als der Gott, welden die Kartbager milk
nannten. (Vgl. über angebliche Melekbilder im AT oben S I, 4 c.)
b) Die Menſchenopfer der Phönicier. Über die Opfer des phönicifchen
Kronos“ wird mohl übertreibend von Klitarh und Andern, welche ſich ihm anſchloſſen,
berichtet, daß fie lebendig verbrannt worden feien, mie ebenfo die rabbinifchen Angaben 20
über Lebendigverbrennen der Kinder im Molekdienſt (ſ. Jahve et M., S. 41f.) durd)
das AT nicht geftügt werden. Die Menfchenopfer wurden dem „Kronos“ dargebracht
Bei Bedrängnifjen des Staates, fo in Kriegsgefahren, ferner bei andern Kalamitäten mie
oder Dürre. Toch fanden aud ohne befondere VBeranlaflung jährlih Kinderopfer
Große Mafjenopfer famen vor (Belegitellen |. Jahve et M., S. 50 ff.; dazu noch 25
weitere bei Moore, A. Molech $ 6 Anmkg. 10).
Menfchenopfer, jpeziell Kinderopfer, wurden übrigens in den meftfemitifchen Religionen
auch andern Gottheiten ald den mit milk bezeichneten dargebradht. Für den Kultus des
moabitifchem Gottes Kemoſch ift uns cin altes Beifpiel der Dpferung eines Sohnes be
fannt (f. U. Kemoſch BoX, ©. 245,8 ff). Kaifer Heliogabal opferte auf italiſchem 30
Boden vornehme Knaben (Vita Heliogabali ce. 8); es wird nicht gejagt, im Dienfte
weicher Gottheit es geſchah, wahrjcheinlich aber doch im Kultus des Sonnengottes Ela:
gaaı, den der Raifer aus Emeja in Syrien importiert hatte (über die Trage, ob dieſer
r tell phöniciſchen Urſprunges mar, |. U. Höbendienftt Bd VIII, ©. 181,5 ff.).
Au Tübfemitiichen Boden, bei den Mrabern, war die Eitte des Menfchenopferd bis 35
äte Zeiten verbreitet: der „Morgenftern” und die Uzza werden als Gottheiten genannt,
ſolche Opfer dargebracht wurden (ſ. Wellhaufen, Refte?, ©. 115f.).
Zumeift erjcheint in dieſen Kulten das Menfchenopfer (vgl. darüber N. Smith,
Religion, ©. 276--280: „Das Menfchenopfer“), ſoweit wir über feine Bedeutung etivas
fönnen, als ein Akt der Dabingabe, der Entäußerung. Sp überall da, mo es 10
um dag Upfer der eigenen Kinder oder doch der Kinder des eigenen Volkes handelt.
Entäußerung kann entweder die Gunſt der Gottheit gewinnen oder ihren Zorn ab:
wenden follen. Beides wird fich nicht überall trennen laflen. Mi 6,7 denkt die Opfe—
Bang des eritgeborenen Kindes veranlaßt Durch die Sünde des Darbringenden. Von den
. ern wird berichtet, daß fie in Mriegsgefahr zahlreiche Opfer edler Kinder dar: 45
Beachten (Jahve et M., S. 51f.), und in der euemeriftifchen Darftellung bei Philo
blius opfert El-Kronos in Kriegsgefahr feinen eigenen Sohn, nachdem er ihm
"Weiglichen Schmud angelegt (Fragm. historic. Graee. III, n. 4 u. 5 S. 570f.); nad
Mer andern Stelle opfert „Kronos” den Sohn bei dem Ausbruch einer Beftilenz feinem
Vater Uranos (fr. 2,24 S. 569. Auch Meſcha von Moab opfert feinen Sohn, als 50
"wich in Kriegsnot befindet (2 Ha 3,27). In diefen Fällen wollen die Darbringenden durd)
"We Dahingabe die Ungnade ihres Gottes abwenden. Anders liegt es für die alttefta-
’ Mentliche und nach der Meſcha-Inſchrift (f. A. Kemoſch Bd X, S. 246, ı ff.) au moabi—
Ne Sitte, eroberte Städte mit ibren Bewohnern der Gottheit zu weihen (ever), d. h.
Ab Berpohner zu töten, eigentlich zu opfern. Diejes Opfer läßt fich wohl nur verfteben 55
en Dant dir den errungenen Zirg. .
Wo es fih bei dem Mienfchenopfer um eine Sühne zur Abwendung des gött-
m Zornes handelt, haben wir es faum mit einer uralten Vorftellung zu thun. Der
und ältefte Gedanke beim Opfer iſt Doch wohl der Wunsch, der Gottheit ein
k zu machen. Dies Geſchenk wurde in der Regel von dem Geſichtspunkt aus ge= 60
*
294 Moloch
wählt, daß es für die Gottheit den Wert habe, welchen eben dasſelbe Geſchenk als nutzen⸗
bringendes für den Menſchen hatte. Deshalb wird das Opfer in alter Zeit ald Speiſung
der Gottheit gedacht. Ties würde auf die Anſchauung —5— daß das Menſchenopfer
in einer Zeit des Kannibalismus entſtanden ſei. Bei Völkern dieſer Stufe wird mit dem
5 Menſchenopfer gewiß die Vorſtellung verbunden, daß der Gott auch ein ſolches Opfer
eſſe. Diefe Borftellung fpricht in der That Ezechiel c. 16, 20; 23, 37 aus, wo die Kinder
als den Abgöttern „zur Speiſe“ geopfert dargetteift werden. Aber in diefer Auslegung liegt
zweifellos eine Konfequenz vor, die lediglich aus der Analogie des Tieropferd gezogen
wurde; eine Erinnerung an fannibalifhen Brauch iſt für Ezechiel nicht anzunehmen.
10 Zudem iſt es doc fraglich, ob wir ung überhaupt die Vorväter der Phönicier und
Hebräer auf der Stufe des Kannibalisnus zu denken haben. Vielleicht ift er nicht eine
ursprüngliche Erfcheinung der älteften Menſchheit aus einer Zeit, wo fie der Tierwelt
noch näher geitanden hätte, jondern eine fpätere Entartung bei einzelnen gefuntenen
Völkern. In der höhern Tierwelt ift das Verzehren der eigenen Spezies durchweg eine
15 Ausnahneerfcheinung, ebenfo bei den „wilden“ Völkern das Verzehren der Stammes
enofien. Danach fünnte man etwa zu urteilen haben, daß das Menfchenopfer, meil es
Nch nicht als Speifung der Gottheit denken laſſe, zu den ältelten Formen der Religion über:
haupt nicht gehöre, fondern erſt aus relativ fpäten Theorien des Opfers entitanden fei.
Freilich müßten diefe doch fchon recht alt fein; denn die altteftamentliche genuine Jahwe—
20 —e— weiſt nur noch umgedeutete Reſte der bereits überwundenen Sitte des Menſchen⸗
opfers auf.
Es iſt indeſſen nicht undenkbar, daß irgendwelche rohe Auffaſſungsweiſe der Urzeit
vermeinte, der Gottheit mit der Opferung eines Menſchen einen Dienſt zu erweiſen oder
eine Freude zu bereiten, ohne daß man die Gottheit dabei als den geopferten Menſchen
25 verzehrend dachte. Sie könnte etwa vorgeſtellt fein als eine ſolche, die an der Ver⸗
nichtung des Lebens ein Moblgefallen findet. Aber diefe Auffaffung läßt fich, unver:
bunden mit andern, begründenden Momenten, in den fjemitiichen Religionen und wohl
überhaupt in den Neligonen der Rulturvölfer nicht nachweiſen, und es bleibt mehr als
zweifelhaft, ob fie auf einer frübern Stufe diefer Religionen vorauszufegen ift.
30 Dagegen wäre vielleicht denkbar, daß man, ehe man bei den Cpfern an eine Sühne
handlung dachte, die Darbietung der liebiten Angehörigen anſah ale das geeignetite Mittel,
fih mit der Gottheit durch das Blut der Familien- oder Stammesgenoffen in einen
direften Kontakt zu ſetzen. Dies Opfer war dann die dringendfte Form der Huldigung
und der Bitte. Solche Auffaffung baben R. Zmitb u. A. als die urfprüngliche angejeben.
35 Wäre fie wirflih der Ausgangspunkt des Meenfchenopfers, jo müßte meines Erachtens
dennoch Die dabei geltend gemachte Idee der Ipferbandlung fchon für fefundär gehalten
werden, wenn nämlich der Gedanke der Gabe überall das Erfte bein Dpfer ift. Jene
Erklärung für die Anfänge des Opferkultus geltend zu machen, fcheint mir überhaupt ba-
durch verwehrt zu werden, daß dann die vegetabiliichen Opfer ſich nicht aus dem felben
10 Gedanken ableiten laffen wie die animalifchen. Es wird danach dabei zu verbleiben fein,
dag dem Menjchenopfer als Ausgangspunkt entweder Kannibalismus zu Grunde liegt
oder andernfalld die Vorjtellung der Opfergabe nicht als einer nugenbringenden fondern
ala einer wertvollen. Dieſe Vorſtellung muß nicht notwendig erit eine fpätere Um:
biegung von jener fein; dem auch bei der „Speiſung“ der Gottheit durch das Opfer
45 liegt doch wohl die Abficht vor, ihr etwas von Wert zu bieten, und nicht der Gedanke, ibr
etwas für ihr Dafein Notwendiges darzubringen; denn die Vorftellung ift für feine Ur:
zeit anzunehmen, daß der Gott der Grbaltung feiner Exiſtenz von feiten der Menſchen
bedürfe (vol. A. Malzeihen Bd XII, S. 149, uff). Es wird, was bier nicht weiter
auszuführen ift, überhaupt faum anzunehmen fein, daß der Gedanke der Spetfung der
Gottheit den Ausgangspunkt der Ipferfitte bildet.
Wenn Diefe Ausführungen nicht unberechtigt find, fo liegt fein Grund vor, daran
zu zweifeln, daß Die in dem Gherem des AT und der Meſcha-Inſchrift anjcheinend vor
liegende Anwendung Des Menſchenopfers als einer Dankesäußerung den Urſprüngen des
I pferfultus angeböre. Dagegen läßt ſich die ebenfalls ſchon im AT vorliegende Auffaſſung
>> des Ninderopfers als eines Zübnemittels zur Bejänftigung des göttlichen Zornes nicht
als eine primitive verſteben; fie iſt aber zurückzuführen auf den allgemeinen Gedanken
der Entäußerung, deſſen Altertümlichkeit nicht zweifelbaft it. Jede Gabe, auch die des
naiven Menſchen, bringt Diefen Gedanken zum Ausdruck, und eben nur darin bejteht ber
Wert der Gabe. |
un Daß die geopferten Ninder als die Unjchuldigen die Schuld der Erwachſenen fühnen
IS
-
Molod) 295
jollten, wird nirgends angedeutet, mag aber Doch für fpätere Auffaflungsart nicht auszu-
fchließen fein. Keinenfall® dagegen wurde „das Verbrennen der Kinder als ein Durch:
gang (mas) betrachtet, wodurch die Kinder nach Auflöfung der irdischen, unreinen
Schladen des Körpers zur Vereinigung mit der Gottheit gelangten“ (Movers ©. 329) ;
denn von einem befeligenden Jenſeits mar dem Altertum der weftjemitifchen Wölfer 5
(abgefehen von einigen Anſätzen dazu in der jpätern alttejtamentlichen Zeit) kaum etivas
befannt, und der “Dualismus von Seele und Leib ift der femitifhen Anfchauung völlig
fremd, nach welcher das Leben nur zu denken iſt als das des befeelten Leibes.
III. Jahwe und „Molek“. Die von Berfchiedenen (auch von dem Unterzeichneten
in Jahve et M.) behandelte Frage, ob Jahwe eine veredelte Form des verderblichen 10
Gottes Molek fer, beruht in diefer Faſſung auf einer irrigen Anfchauung von dem Gott
Melet und von den weſtſemitiſchen Religionen überhaupt. Die urfprüngliche Identität
der beiden Gottheiten iſt in oberflächlicher Auseinanderfegung behauptet worden von
Daumer und Ghillany (1842), deren Schriften nur deshalb noch erwähnt werben
dürfen, meil fie nicht obne Einfluß geblieben find auf fpätere ernjtere Darftellungen. Weit 15
einfichtöpoller ijt die verwandte Auffaflung von Planck (1843). Schon früher hatte ein
ſehr beachtensiwerter Forſcher, Vatke (Die bibl. Theologie, Bd I, 1835, S. 190—199),
zwar nicht den Melek, aber den PBlanetengott Saturn in einer der gewöhnlichen Vor-
itelung vom Melek nahe ftehenden Auffaffung desjelben zum Gott der alten Hebräer
gemadt. Neuere haben molek als eine Benennung Sabtoes in volfstümlicher Vor⸗ 20
ftellung angejehen (f. oben SI, 3a).
1. Melek in hebräifhen Eigennamen. Es iſt zweifellos, daß ſchon in
alter Zeit des Aufenthaltes der Hebräer in Ranaan ihr Gott mit dem allgemein welt:
jemitifchen Gottheitsepitheton melek benannt wurde. Das ergiebt fi) aus dem Namen
Adyimelet „Bruder des Melek“ (zur Bedeutung f. oben $ II, 2 b) für die zweifellos ge⸗ 25
jchichtliche Perſon des Priefterd von Nob aus dem Haus Elis (1 Sa 21,2.
Daß in diefem und fo in allen hebrätfchen mit melek zufammengejegten Namen das
Wort nicht Gottedname fondern menfchlicher, Perfonname fet und ”Ahimelek bedeute
„Bruder des [Menjchen] Melek“, ebeno ’Abimelek „Vater des [Menjchen] Melek“ und
daß mit dem menjchlichen Eigennamen Melek Sottesnamen verbunden worden feien, 30 °
wie in Malkt’öl, lediglih um neue Namen zu bilden, aber nicht in der Abficht, eine
Ausfage von der Gottheit aufzuitellen (De song, Over de met ab, ach enz. zamen-
gestelde Hebreeuwsche eigennamen, Amſterdam 1880, aus den Verslagen en
Mededeelingen der K. Akad. van Wetenschappen, Afdeeling Letterkunde, 2.
Reeks, Deel X, bejonders S.14), ijt nicht anzunehmen. Die analogen Namen Adhijjah 35
und Abijjah fprechen dagegen, da dod) weder jäh noch ’ah und ’ab für ſich allein alg
Berfonname vorfommen und phönicische Berfonennamen wie mn „Malt hat gegeben“,
in weldhen milk nichts anderes ale Gottesname fein kann, für diefelbe Bedeutung auch
in den bebräifchen Eigennamen fprechen. Überdies läßt fich alleinftehendes melek nicht
mit Sicherheit als hebräiſcher Perſonname nachweifen. ber nach der Analogie des 40
arabiichen Eigennamens Mälik, des palmyreniſchen ‘>= und des phönicifchen MaAyl[os]
iſt freilich auch ein hebräiſcher Eigenname Melek denkbar. Es ift deshalb nicht von vorn:
berein ausgefchlofien, daß melek in den zufammengejegten Namen gelegentlih auch
menfchlicher Perſonname jein könnte. Ber faſt allen dieſen Namen iſt es aber nad
analogen, in welchen dem melek ein anderer Gottesname entipricht, mit Sicherheit an- 45
zunehmen, dab das Wort als Gottesnane gemeint var.
Jener Prieſter Achimelet wird an andern Stellen Achijjab „Bruder des Jahwe“
genannt. In Wirklichkeit führte er mohl nur den Namen Achimelel, und ein Späterer
bat das ihm bedenkliche melek in jäh umgewandelt. Gewiß ift der Name nicht dahin
veriteben, daß der, welcher ihn wählte, den hebräiſchen Jahwe mit einem andern Gott 50
elet oder Maik identifizierte, fondern melek wurde wohl als eine Bezeichnung Jahwes an:
gefeben; denn Achimelet ftanımt aus der alten, bis auf den Auszug aus Ägypten
ickreichenden Priefterfamilie des Moſaiſchen Jahwedienſtes, und eben diefer Dienſt
* in Nob nach dem Untergang Silos ſeine Hauptſtätte. Noch deutlicher würde der
e ebenſo aufzufaſſen ſein, wenn der Prieſter von Nob wirklich mit den beiden Namen 55
Adimelet und Achijjah benannt worden fein follte.
Schon früher —* der Name Abimelek „Vater iſt Melek“ (vgl. Abijjah „Vater
iſt Jahwe“, zur Bedeutung ſ. oben S II, 2b) vor für den ebenfalls geſchichtlichen Sohn
Gideons, den König von Zichem (Ri8,31). Hier kann man bei den in der Nichterzeit
beitebenden gottesdienſtlichen Verhältniſſen ſchwanken, ob an eine Bezeichnung Jahwes vo
a
1
—
pub
=}
25
Wu
=
en
WM
FD)
246 Moloch
als König oder an einen von Jabwe verſchiedenen unter dem Namen melek verehrien
(Gott zu denfen fei, namentlih da in Sichem, dem (Gebiet des Abimelef, der Baal-Berit
verehrt wurde, morunter jedenfalls nicht Jahwe zu veriteben tft (ſ. A. Baal BD II,
S. 334, 2177). — Neben dem Namen Abimelek kann ſehr wohl, wie das Buch Nut mil
(ec. 1,2 u. |. tw.), der Name Elimelek in der Richterzeit unter den Hebräern vorgelommen
fein. Tie ſpäte Entjtebungszeit des Buches Nut bietet allerdings feine Gewähr für die
gefchichtliche Nichtigkeit diefer Namensangabe Gin zu irgendwelder Zeit unter den
Hebräern gebrauchter Name iſt darin aber gewiß zu erkennen (vgl. Ili-milki in den
Amarna-Briefen). Er kann, wie ebenfo der entfprechende Tanaanätfche Name, bedeuten
„Melek iſt Gott“ oder aber „EI ift König“, it alfo für den Kultus eines beftimmten
Gottes Melek bei den Hebräern nicht beweiſend. — Auch die umgeltellte Form eben
diefes Namens: Malki⸗el, Die in der Genealogie des Stammes Ajcher, und zivar für Die
zweite (Seneration nach Aſcher, in der Prieiterichrift und in der Chronik (Gen 46, 17;
Yu 26,455 1 Chr 7, 31) vorkommt, ıft bei der Art diejer Duellen nicht als altbebräifcher
> Name zu erfennen, gewiß aber als ein irgendivann beiden \eraeliten vorlommender (vgl.
Milk-ili neben Ili-milki in den Almarna:Briefen).
Ein Sohn Sauls wird unter dem Namen Malfifhua „Malt ift Hilfe” genannt
(1 Sa 14,19; 31,25 1Chr 8,33; 9,39; 10,2) und in der Chronik ein Urentel des
Eaulsfohnes Jonatan mit dem einfachen Melek ohne Zufag: 1 Chr 8,35; 9,41. LXX
bat dafür in 1 Chr 8,35 gelefen Malfizel (L MeAyına, B Meiyni). An der Ge
jchichtlichteit des eriten diejer beiden Namen iſt überhaupt nicht, an der des zimeiten
nur mit Nüdficht auf die ſchwankende Form zu ameifeln. In dem erſten ſteht ficher
mik als Gottesbezeihnung; in dem zweiten ift dies für die fürzere Form in ber
Überlieferung, Melek, zweifelbaft (vgl. oben $ II,2.d). Nach dem, was wir über Die religiöfen
Berbältniffe in der Familie Zauls willen, fcheint es mir unannchmbar, daß für den
Namen des Sohnes Saul an einen andern Gott Melet neben Jahwe zu denken fe;
mik ftebt hier alfo wohl als Bezeichnung Jahwes. Über die Religion der vierten Gene
ration nadı Saul tft ung dagegen nichts bekannt; immerbin tt es recht unwahrſcheinlich,
daß ein ihr Angebörender mit feinem Namen einem andern Gott ald Jahwe zugeeignet
fein follte (vgl. die Namen mit >32 in der Familie Sauls und dazu A. Baal Bo II,
S. 335, 22ff.). Melek ift demnach gewiß in dem erften Namen und mahrfcheinlich auch
in dem zweiten, wenn er überbaupt hierber gehört, Bezeichnung Jahwes.
Ein Sohn Jechonjas, alfo ein Enfel Softas, der dem 7. oder 6. Jahrhundert an-
achört baben muß, bieß nab 1 Chr 3,18 Malkiram, d. i. „Melek ift erbaben” (vgl.
Joram „Jabhwe ift erbaben”), jchwerlih mit Auffaſſung von C= als Gottesname (als
welcher das Wort meines Miffens nicht nachweisbar): „der Hohe iſt König”. „Malkiram“
beweist aber in feinem all einen jtcbenden Gebrauch des Wortes melek als Gottesbezeich⸗
nung bei den Hebräern, jondern kann ein frembländifches Vorbild haben, wie für den Namen
Schenazzar eines andern Sohnes Jechonjas zweifellos anzunehmen tft. Phöniciſch kommt
der identische Name 2===°2 vor (iſ. oben S II, 2b). — Auch der Name Regem:nelet für
einen Juden zur Zeit des Propheten Sacharja (Zad 7,2) kann fremden Urfpru jein,
wie der unmittelbar daneben ſtehende Name eines andern Juden Sareger es ficher ift.
Für =37 iſt mit der arabischen und bebrätfchen Bedeutung des Stammes 57 „Steine
werfen” kaum unmittelbar auszufommen. Nöldeke's Grflärung (U. Names $ 41):
5 „Melek bat gejchleudert“ nadı Analogie von Jirmjähü „Jahwe bat geivorfen” befriedigt
faum, da die Sottbeit bei den Semiten wohl als Pfeile, ſchwerlich aber als Steine
werfend vorgejtellt wird, man müßte denn etwa an den Gottesnamen mx” denfen und
ihn von dem Schleudern glübender Steine durch den Gewittergott veriteben. Es tft
aber zweifelbaft, ob F27 den Glühſtein oder nicht vielmehr die glühende Kohle bedeutet.
Tesbalb vermute ih, daß in 37T ein Gottesname jtedt und melek daneben Gottheite-
epitbeton ift (vgl. den Berfonnamen =37 unter Ralebitern 1 Chr 2, 47; vielleicht 23” aud
auf einem zu Ninive gefundenen Bronzejtüd mit phöniciſcher Schrift, ſ. Clermont:
Ganneau, Journal Asiatique, VIII. Serie, Bd I, 1883, ©. 152). Es ift in biefem
regem gewiß mit Simmern (Keilinſchr. u. d. AT? =. 450f.) der babylonifche Name
5 für den Wettergett rägimu „der Brüller” zu erkennen. Der jübifche Träger dieſes
Namens braucht fein Bewußtjein von deſſen Bedeutung gebabt zu baben (vgl. den
jüdijchen Eigennamen Henädad, vermutlich — Hön-Hadäd, „Hadad iſt gnädig“).
Unter den mit melek zuſammengeſetzten Perſonennamen kommt nur einer von
mebreren Perſonen vor, nämlich Malkijjah „König tft Jahwe“. Er findet fich, wie Gray
(a. a. C., 2. 119) gezeigt bat, feit der Jeremianiſchen Zeit, nämlich von zwei Zeitgenoffen
Moloch 297
Jeremias und von fünf nachexiliſchen Perſonen und einer nachexiliſchen Familie. Daß
die Liſten der Chronik ihn für eine vordavidiſche Perſon gebrauchen (1 Chr 6,25) und
die Priefterfamilie Malfijjab bis auf Davids Zeit zurüddatieren (1 Chr 24, 9), kommt
bei dem Charakter diefer Liſten nicht in Betracht.
Hiermit find die altteftamentlihen Namen erjchöpft, welche den Gotteönamen oder 5
das Gottheitsepitheton melek enthalten und von Hebräern getragen iverden. Bei andern
altteftamentlihen Namen nit melek iſt Ießteres nicht oder doch nicht ficher der Fall.
Ter Name eines Eunuchen unter Sofia, Netannıelet „Melek hat gegeben” (2 Kg 23,11),
worin melek deutlich Gottesname iſt, iſt nicht ficher bebräifch, da die Eunuchen häufig
Fremde waren und wir den entiprechenden phöniciſchen Namen jm°>>°: fennen, der in der 10
altteftamentlihen Form hbebraifiert fein fünnte. Auch der Name Ebedmelek, den ein
fufchitifcher Eunuch unter Zedekia trägt (Jer 38, 7), Elingt freilich bebrätfch, muß es aber
besbalb nicht feinem Urfprung nad) fein. Überdies bezieht fich hier das melek nicht
notwendig auf die Gottheit ſondern vielleiht auf den menſchlichen König (Baethgen
S. 146; vgl. den nabatäifchen Namen 12372, in welchem aber 122°: Eigenname des 15
Königs zu fein Scheint, ſ. oben SII, 2d). Der Name einer Stadt in Afcher TIER
oder TER (jo Baer) Joſ 19,26 (LXX ’Eleıuölex, gewiß gebildet nach "Adıuedex
Rut 1, 2A, ’Edsueley L; Joſ 19,26 L ’KEAuedey), der nad Gefenius etwa zu
erflären fein fünnte quercus regis, mag den Gottesnamen enthalten, giebt aber über
defien Gebrauch bei den Hebräern feine Auskunft, da diefer Ortöname vermutlich vor: 20
hebräiſch iſt.
Vielleicht liegt auch dem Namen »2, der nur Neh 12, 14 im Ker& vorkommt,
der Gottesname zu Grunde. Das Ketib >72 (LXX Malovy, L Malovx) ſoll gelejen
werden ">1272; der Name 172 kommt in den Büchern Esra, Nehemia und Chronik vor (vgl.
dazu den phöniciihen Namen in feilfchriftliher Wiedergabe Ba’al-maluku oben 25
S II, 2a). Sollte in eine andere Ausſprache für 77° oder eine daraus entitandene
Korruption vorliegen (vgl. den nabatäifchen Perſonnamen n=">7 oben S II, 2d), fo
zeigt das in jo fpäten Uuellen in feinem Fall etwas für die Gottesporftellung, da der
Name Nachbildung des arabifchen mälik fein fönnte (wie der palmprenifche Name
=>= maliku) oder auch des phönicifchen Namens malk (vgl. oben SII, 2 d, ebenda 30
über den nicht ficher hebräifchen Namen &=='2 1 Chr 8, 9).
Unter den ficher von Hebräern getragenen Perfonennamen Abimelek, Achimelef, Mal:
tiichua, Melek (Malki⸗el), Malkijjah, Malkiram, Regemmelek find die beiden legten viel-
leicht trotzdem nichthebräifch (f. oben). Als wirklich bebräiiche Namen mit melek fünnen
alfo, mehr oder weniger beftimmt, nur fünf angejeben werden. Ron ihnen fcheint der 55
Name Malkijjah erft feit der Jeremianiſchen Zeit in Aufnahme gefommen zu fein, viel:
leicht im Gegenſatz zu dem in Juda geübten Melefvienft, um zum Ausdrud zu bringen,
daß Jahwe „der König“ fchlechthin ſei. In der nacherilifchen Zeit fommt von den mit
melek zufammengejegten Namen nur diefer Name, welcher eine unverfennbare Ber:
berrlihung Jahwes ausfpricht, öfters vor, daneben eimmal der nichtbebräifche Name «0
egemmelel, außerdem in exilifcher oder nacherilifcher Zeit einmal Malkiram, vielleicht
ebenfalls nichthebräifch. In den vier aus porjeremianifcher Zeit für Hebräer nachmweisbaren
Ramen: Abimelet, Achimelek, Malkiichua, Melek (Malkisel), zu denen etwa als fünfter
nob in Betracht fommt Elimelek, kann melek eigentliher Gottesname oder auch all:
gemeine Bezeichnung der Gottbeit fein. Gray (a. a. O., ©. 146f.) bat zu ihnen richtig 45
analoge altteftamentliche Namen in Barallele geitellt, in Denen das ben melek entfprechende
Glied bald das eine und bald das andere it, nämlich zu Abimelek: Abijjab „Vater
iſt Jahwe“ und Abi⸗el „Vater ift Gott“, zu Achimelet: Achijjah „Bruder Jahwes“ und
Chi⸗el „Bruder Gottes”, zu Malkiſchua: Jehoſchua „Jahwe iſt Hilfe“ und Eliſchua „Gott
iſt Hilfe“, zu Elimelek: Elijjahu „Jabwe iſt Gott“ und Eliab „Gott iſt Vater“. Mit co
Raltı:el iß zu vergleichen Joel „Jahwe iſt Gott” (vgl. jedoch Baudiſſin, Studien I,
2.223) und Abi⸗el „Bater iſt Gott”.
Aus den gefchichtlichen Belegen diefer fünf Namen mit melek ergiebt ftch, Daß man —
aber, wie es scheint, Doch nur vereinzelt — in der Nichter- und in der erften Königszeit melek ale
Gottesbezeihnung gebrauchte. In den Namen Ichimelef, Malkiſchua und Melek (oder 55
Malki-el) meinte man mit diefjem melek twahrfcheinlich Jahwe, und wohl nur der Name
des Gideonsſohnes Abimelek fünnte auf einen befondern Gott Melek verweiſen. Es it
jedenfalld nicht zufällig, daß in dem andern Namen Gideons, Jerubbaal „Baal kämpft“,
der Gottesname Baal, in dem feines Sohnes der Gottesname Melek und ebenfo in
Ramen aus der Familie Sauls beide Gottesnamen vorkommen. Für den Gottesnamen 60
Moloch
Malone dar nubt nur langanaiſch ſondern auch altarabiſch iſt 4. A. Baal Bd II,
bonn emiger Wabrſcheinlichkeit anzunebmen, Daß er bei den Hebräern ſchon
FRwranderung ugch Rangan gebraucht wurde al. A. Baal 3.3357). Das
jagen Janet da ven ein arabeichen Worteenamen mälik nicht fennen, aus jenen Eigen
ag rt der hellen Atabribeinlidhfett für Me Gortesbezeichnung melek vermutet
kadtebt die Moglichleit. daß Die Hebraer Meile Gottesbezeichnung bei den
ons dennen WIEN und vereinzelt aut ihren Jabwe übertrugen oder auch fchon
dh vnientgelt den Tanaananden Gou Melek oder Malt verehrten. In be
Renee m der Gideens und derjenigen Sauls, bar man Die mit kanaa—
usgyanamen anlanmenfallınden Benennungen der Gottheit entweder von Jahre
sr pre ande Gen neben Jabwe achraucht. Andersivo ba man fie, wie es
u ag zu dertelben Zeit verwieden.
pay Neranlaiunz vor zu der Annahme, daß Die Sebräcr, erſt ſeitdem
Bu kosten, ihren \ahme mit dem Gottesnamen melek meinten
na hen Sie lonnzen dur de: Den Kanaanäern kennen gelernte Vorſtellung
a Melok or Muhr a Jadwe übertragen; fie fünnen auch ewa dieſe
ne de den Cmmanderung m Kanaan mitgebracht haben. Was wir über das
Segen wostesnamene mik DEM Semiten überbaupt beobachtet haben (f.
Ned ende iu: Wacdhahmıme NT kanaanäiſchen Gottesbenennung. Bon den
Se up norurennanmihern un? MENT DON Hebräern getragenen Eigennamen mit
Dan sm Mathis ter Vendant bei den Phöniciern oder Kanaanäern.
tal men ireilie ale IR jete alter, der vormoſaiſchen “Periode angebörender
Se nehrar amansnen inzden, wenn man aus dem Namen des Weibes bes
in a0 tajmerm durite, daß Die alten Hebräer eine Göttin Milka
So Abaite: werelazen WI MAN meh ein Hott Melek oder Malk entſprochen baben
N am ang wenn der Kcgenname Milka urſprünglich Name einer Göttin ift
ne; Winroloatt XI, 1896, 2.299), bemeift das doch nichts für
SINN asien Aspräet. da er wie andere unter ben Berfonennamen der Räter:
nr iminen Stamm entlebnt ein fann.
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a Auch außerhalb der Eigennamen ift die Bezeichnung
\ 0 upnrton melek im AT. keineswegs häufig. Sicher datierbat
Ka | Yan vor 106,0, gewiß aud c. 8,21, wo „feinem König und
Beer “ u ahnen rom Zujanmenbang, nach der liturgifch feitftehenden Men:
ET men Bert“ im Pſalmen, auf Jahwe zu beziehen ſein wird).
ze ie Nie Stellen Se 33, 17, wo von Jabwe ſchlechthin als „einem
.. \ RR m A 22: „unſer König“, leßtere Stelle aber vielleicht aus
u ef Woſos (Ti 33,5): et (Rahme) wurde in Jeſchurun König“
ann me NT Zeit vor der Zerſtörung Samariens, läßt fih aber nicht
Tem. Eben dieſe Stelle, die Das Königſein Jahwes von ber
Te umlet Mofe ber datiert, zeigt, daß in Israel der Königsname,
212 : R . ;
N melkart, Die Gottheit als das Haupt des nationalen Ge
ar aus kann ea (c. 6, 5) das Epitheton melek ge:
er za Gottes zum Ausdrud zu bringen, indem er Jahwe fchlecht:
en
- nn ek nannte, und Da Er e. 15 fich febr verſchieden datieren läßt,
5 wo Verbums von Jahwe nicht als alt zu erkennen. Aller
7 np FE dagegen vorjeſajaniſch Die Hinweiſung auf Israels Stellung zu
Ua anfprud Nu 23,21 mit den Worten: „Königsjubel ift in
er . Ai
27 Ser, Daß er Die Freude an ibm mit der ‚Freude an einem
SAna liegt Die Vorſtellung des göttlichen Königtums vor in ber
mit der Darin vorfommenden Benennung Jabwes als Stönig
dem Todesjahr Uſias; Die Aufzeichnung fällt aber in fpätere
Moloch 299
Zeit, wahrſcheinlich in die des Ahas. So iſt es denkbar, daß Jeſaja im Gegenſatz zu
dem unter Ahas aufkommenden Melekdienſt Jabwe als den König bezeichnete. Neu auf
gebracht hat er aber diefe Bezeichnung für Jahwe nicht; nad den mit melek zu—
ſammengeſetzten bebräifchen Eigennamen (f. oben SIII, 1) gebrauchte man ſie vereinzelt
ſchon ſeit der Richterzeit, und Jeſaja führt „den Rönig Jahwe Zebaot” anjcheinend wie 6
eine befannte Titulierung ein. Aber er bat diefe Titulierung allerdings worbereitet durch
die Erwähnung des Thrones, den er nicht wie einen befannten aufführt. Jedenfalls
ſcheint vor Jeſaja die Benennung Jahwes mit melek und die damit verbundene Vor⸗
Nellung nicht gerade vielfach angewandt worden zu fein.
Anfcheinend war dies auch nad Jeſaja bie in die Zeit des Exils nicht der Fall. 10
Die Stellen im Buche Micha ce. 2,13 und e. 4,7 find mahrfcheinlich beide nicht von
Micha, die zweite vermutlich erilifc: in beiden iſt Jahwe der König des Volkes Israel,
das er anführt oder von Zion aus regiert. Die Daritellung 1 Sa 8, 7, wonach die
Israeliten mit dem Begehren eines irdifchen Könige das Königtum Jahwes verwerfen,
iſt keinenfalls älter als aus der Zeit des degenerierenden Königtums. Alter dagegen 15
fonnte fein dieſelbe Vorſtellung von Jahwes Königtum in der Ablehnung der Könige:
würde durch Gideon Ri 8,23, wobei übrigend weder das Nonen melek nod das
Verbum 72 gebraucht wird, fondern das Verbum Sr. Jeremia (ec. 8, 19) redet von
Jabme als dem König Zions,
Häufiger angewandt wird die Noritellung von Jahwe als König erit nad dem 20
Untergang des Königtums. Deuterojefaja gebraucht fie, um wie Dt 33, 5 Jahwes
Terbältnis zu Israel auszudrüden (ef 41,21; 44,6); „Schöpfer I \öraela” und „euer
König” gelten ihm (Jeſ 43,15) als parallele (Sottesbezeichnungen. Nicht anders iſt
bei ibm zu verftehen die Freudenbotfchaft an Zion: „König ift geworden (77) dein
Son“ (Jeſ 52, 7); Gott wird das eben durch die Wiederberitellung Jsraele. Ebenſo 26
bietet nad) . e 3, 15, in einem wabrjcheinlich nachexilifchen Abfchnitt, Jahwe als „der Rönig
Israels“ feinem Volle Schuß und Berubigung gegen Anfeindung.
Tagegen erfcheint Jabwe in Pfalmen, welche wohl alle nacherilifch Sind, als der
König der Völker, der ganzen Erde (Pf 47, 3. 8; 98, 6; das Verbum 727 » 93,1;
96, 10; 97, 1; 99, 1; Tem Bf 22, 29), ebenfo in einer nacherilifchen apofaltıp- 30
tiſchen Darftellung Sach 14, 9 und fo wobl auch in zwei Jeremianiſchen Abſchnitten,
die in ihrer vorlie enden Form ſchwerlich Jeremianiſch find, Jer 46,18; 48,15. In
dem ſpät naderiliihen Zuſatz der Schrift Ohabdja wird v.21 die Königeberrfchaft Jahwes
(7272°277) hergeſtellt durch die Beſitznahme Kanaans nach Befreiung der Gefangenen Jeraels
aus den verſchiedenſten Gegenden der Erde.
Aber die ältere Beziehung des Königtums Jahwes ſpeziell auf Israel zeigt ſich auch“
in Pſalmen häufig, nämlich in den Wendungen „unſer König“ Bf 47, 7, „mein König“
J 44, 3 und 74, 12, „ihr König” Bj 119, 2 und in der mehrmals vorfommenden
Formel „mein König und mein Gott” (PA, 3; 84, 45 vgl. Pi 68, 25 „mein Gott,
men König”, Bf 145, 1 „mein Gott, der König“ ). In einem Pſalm, der voreriliſch 40
ſein müßte, wenn er fih wirklich auf die Rückkehr der heiligen Yade aus dem Kriege
beziehen ſollte (Pi 24, 7— 10), wird Xabtve gefeiert als „der König der Ehre”. Jeden⸗
fallö beißt bier Jahwe fo als der König Jsraels, denn der Ehrenfönig wird gefchil:
dert als „Starter und Held“, als „Nriegebelb”. Pſ 48, 3 beißt Jeruſalem „eines großen
Könige Stadt“ '= = m, was ſehr bejtimmt an ben Gott nen Te zu Tyrus er: 45
innert. Auch Pſ 20, 10 lin einem vielleicht vorexiliſchen Pſalm) wäre nach dem maſo—
retiſchen Teri Jahwe als „der König“ angeredet, und dieſe Benennung müßte auf ſein
Königtum in Joragel bezogen werden; aber zweifellos iſt die Beziebhung auf den irdiſchen
König nad dem LXX-Tert die originale. Deutlich dagegen beißt Pſe10, 16 Jahwe „ein
König”, und zwar zunächſt im nationalen Sinne, denn er ift es „für immer und ewig“, 50
nachdem „die Heiden aus feinem Lande verſchwunden find“; die Vorſtellung iſt aber zu:
gleich univerſaliſtiſch gemeint, denn in 9, der mit BF LO einen Zuſammenhang bildet,
ft v. 5 und 8 von dem Throne Jahwes die Rede, von meldem aus cr den Gröfreis
und die Völker richtet.
Die Vorftellung von dem nationalen Königtum Jahwes konnte kombiniert werben 55
mit der Anſchauung von feiner Königsberrſchaft über die Völker oder die Welt. Die ſpät
nachexiliſche Apokalypſe im Buche Jeſaja läßt Die Königsherrſchaft Jahwes eintreten „auf
dem Zion und in Fetzſalem nach Überwindung aller feindlichen Mächte auf Erden
und am Himmel (ef 24, 23). In Diefem weltumfaſſenden Zinne feiner “önigebern
ſchaft wird dann zuletzt Sabine bezeichnet ale „der König des Himmels“ (Da 4, 34). wo
300 Moloch
Auch dieſe letzte Form der altteſtamentlichen Vorſtellung von Jahwes Königsberrſchaft iſt
nicht ohne Vorbilder im weſtſemitiſchen Heidentum. Sie hat ihre allerdings weſentlich
anders zu verftehenden Analogien in dem Baal-fbamajim „Himmelsbaal“ einerjeits und
der Meleket-ha-ſchamajim „Himmelskönigin“ andererſeits (ſ. A. Baal Bd II, S. 331, æff.
sund A. Aſtarte ebend. S. 155f. $ 3). Der „Himmelsbaal“ kann nicht, wie neuerdings
Lidzbarski cs darjtellt (Epbemeris für ſemitiſche Epigraphik, Bd I, S. 213—260: „Bel:
ſamem“), erjt jpät unter jüdiſchem Einfluß gebildet worden fein, wenn wirklich der Name
eines der Götter des Meftlandes in dem feilfchriftlichen Vertrag zwiſchen Aſarhaddon und
König Baal von Torus (Zimmern, Keilinſchr. u. d. AT’, 5. 357) lautet (lu) Ba-al-
iv sa-me-me und mit Baalſchamajim gleichzujegen iſt. (Zu der altteitamentlichen „Idee der
königebereichaft Gottes“ überbaupt vol. ‘ob. Mei, Die Predigt Jeſu von Reiche Gottes',
1900, 1—17.)
—* allem, was wir über hebräiſche Eigennamen, welche den Gottesnamen melek
enthalten, und ſonſt über die Entwickelung der altteſtamentlichen Vorſtellung von Jahwes
15 Königtum wiſſen, iſt es nicht wahrſcheinlich, Daß dieſe Vorſtellung althebräiſch, aud nicht,
daß fie auf ioraelitiſchem Boden gebildet iſt nach der Entjtebung eines einbeimijchen König
tums. Nielmebr ift die Auffaſſung der Gottheit als eines Königs im AT höchſt wahrfchein-
lich von den Kanaanäern entlebnt und auf Jahwe übertragen worden, teilmeife anfcheinend im
Gegenſatz zu dem abgöttifchen Melekdienſt. Keinenfalls kann aus dem vorliegenden Da:
2) terial mit Eerdmans (a. a. O., S. 113) gefolgert erden, daß der Melekdienſt nichts
anderes ſei als die alte Form der Jahweverehrung und daß Jahwe zu einer befondern
Klaſſe von Melef-Gottheiten gehört babe. Daß der „Molek“- -Dienfti in Juda an einem beſtimm⸗
ten Punkte der Geſchichte ploͤtzlich hervortritt, läßt ſich unmöglich mit Eerdmans (S. 146f.)
ohne eine neue Vermittelung als das Wiederaufleben einer beinabe in Wergefienbeit
25 geratenen altbebrätjchen Nultusfitte verfteben, ſchwerlich auch lediglich als die Neuaufnahme
eines ſchon bei der Einwanderung Israels bon den Kanaanäern überfomnenen Brauchen.
Von irgendwelcher Seite ber muß bei dent Auffommen des Melefdienites unter Abas oder,
wenn man fo will, unter Manaffe ein Anſtoß erfolgt fein. Die wahrſcheinlichſte An-
nabme bleibt, daß dieſer Kultus damals aus der Fremde fan, allem Anfchein nad aus
30 Phönicien (ſ. oben 8 I, 3e). Er fand um fo leichter Aufnahme, als man ın Israel
bereits früber, wenigftens vereinzelt, nach dem Worbild des fanaanäifchen Malf die Gott
beit als melek bezeichnet batte.
Aber wenngleih der Gedanke des Königtums Jahwes weder bebräifchen noch ur:
ſemitiſchen fondern ſpeziell aramäiſch-kanaanäiſchen Urſprungs iſt, jo iſt er doch nur eine
35 aus der beſondern Form der Staatlichen Verfaſſung bei den fanaanätfchen Semiten bervor:
gegangene Spezialiſierung der allgemein ſemitiſchen und auch althebräiſchen Vorſtellung von
der Gottheit als dem Führer und Gebieter des einzelnen Stammes.
Die Babylonier haben dieſem Gedanken Ausdruck gegeben, indem ſie das Epitheton
Sarru, bei ihnen die Bezeichnung für den König, weſchinehen Göttern, beſonders dem
wo Anu, beileglen (Zimmern, Keilinſchr. u. d. AT’, 3527.) Der Gedanke bes gött⸗
uchen Königtums auf israelitiſchem Boden iſt aber — aus Babylonien herzuleiten.
Konſequenterweiſe würde dann überhaupt Die weſtſemitiſche Vorſtellung von der Gottheit
als Malk oder Melek auf Babylonien zurückzuführen ſein. Dieſe Herleitung bat aber
feine Wahrſcheinlichkeit für fich, weniger deswegen, weil die Weſtſemiten ftatt Des auch
35 ihnen geläufigen Wortes sar Das andere malk, melek auf die Gottbeit anmwandten, als
deswegen, weil, wenn ich recht ſehe, Die Rorftellung des göttlichen Königtums auf weit:
ſemitiſchem Boden viel intenfiver bervortritt als auf babyloniſch-aſſyriſchem. Nur dort tft
mik geradezu zum Gottesnamen geworden. Zudem bereitet das häufige Vorkommen
des Gottesnamens milk ſchon in den kanganäiſchen Namen der Amarna-Tafeln der Her:
leitung aus Babylonien Schwierigfeiten. Überbaupt haben wir keinerlei Veranlaſſung,
die weſtſemitiſche Auffaſſung von der Gottheit ale König in Babylonien entftanden
denken, Da Die kanaanäiſchen Stämme jeit alters, fo ſchon in der Zeit der Amarna- Tafeln,
von kleinen Königen regiert wurden. Im Vande des babyloniſchen Königtums kann ſich
die Vorſtellung von der Gottheit als einem Sarru, in den Gebieten der weſtſemitiſchen
> Ztadtfünige Die entiprechende als von einem milk jelbitftändig aus der alten Anfchbauung/
von dem Stammgott berausgebildet haben. Jedenfalls tft der altteftamentlihde Name für
den göttlichen König weſtſemitiſchen, nicht babvlonijchen Urſprungs. Der babylonifce
Anu fit allerdings auf einen himmliſchen Throne, der kussü genannt wird (Zimmern
aa. 05, 2.352), wie der Thron Jahwes NZZ in den Vifionen Jeſajas und Michas
w des Zobnes Jimlas. Auch hier braucht aber nicht mehr vorzuliegen als eine Analogie.
Moloch 301
3. Die althebräiſche Vorſtellung von Jahwe und die Malk-Gott—
beiten. Wenn die mit malk bezeichneten Gottheiten nur beſondere Formen der mit
dem Namen ba’al allgemein benannten phöntciichen Götter und das Verderbenwirken
nur eine Ceite ihres Weſens und nichts fie von andern Göttergeitalten Kanaans Unter:
ſcheidendes iſt, jo kann nicht geradezu gefragt werden, ob der Gott der älteften Hebräer mit 6
einem Spezialgott Malf, deflen etwaige Bejonderheiten die ſpätere Bildung eines Lofal-
kultus waren, identifch fei, jondern zunächſt nur ob die altbebräifche Religion nicht außer
Verbindung ſei mit den Religionen der benachbarten und verwandten Völker überhaupt.
Auf jeden Fal war die von Einigen gegebene Antwort unrichtig oder doch nicht er:
ichöpfend, daß der alte Hebräergott wie angeblich auch der „Malk“ ein verderblicher, dem
Leben feindliher Gott geweſen je. Der Gott der Hebräer war dies, wo feine Erhaben-
beit von jeiten feiner Verehrer verfannt und durdy Ungehorfam gereizt oder von deren
Feinden durch Verlegung des gottermwählten Volkes angetajtet wurde; er war aber zu:
gleich ein das Leben jegender und fürdernder Gott. Ebenſo iſt auch von dem „Malt“
die legtere Seite nicht auszufchliegen, tie überhaupt nicht von der ganzen Neihe der
Baalım. Das und geläufige Bild des Molochs als eines btutbürftigen Scheuſals iſt ent-
ſtanden durch die Polemik der ſpätern israelitiſchen und griechiſchen Religionsauffaſſungen,
die in dem phöniciſchen Gott über den für ihren höhern Standpunkt verabſcheuenswerten
— die damit kontraſtierenden mildern überſahen. Doch mochten letztere wirklich in der
raxis des volkstümlichen Kultus von den Verehrern der Malk-Gottheiten vergeſſen 20
werden. Nach einzelnen phöniciſchen Götterbildern zu urteilen, thut die Auffaſſung
jenes Kultus als eines überaus rohen ihm nicht Unrecht, aber nur dem entarteten
Kultus nicht, der nicht mehr dem urſprünglichen, noch jetzt durchſichtigen, Gottesbegriff
bau
0
pa
5
Es iſt nicht zu verfennen, daß uns aus dem ältejten Glauben und Kultus der He= 25
brüer Züge berichtet werden, welche an Vorftellung und Dienſt de „Malk“ erinnern,
wie vor allem die auch bei den alten Hebräern beftehende Sitte der Menfchenopfer, die
weniger durch Jephtas Opfer bezeugt wird, weil diefes auf Synkretismus beruhen Tann,
als durch die Abweifung der Opferung Iſaaks, worin der Sieg der geläuterten Gottes:
idee über eine ältere rohere zu erkennen iſt. Auch die Löfung der menjchlichen Eritgeburt so
wird nicht nur eine theoretiihe Komjequenz jein aus der Sitte, die tieriiche Erjtgeburt
darzubringen, ſondern vielmehr urfprüngliche wirkliche Opferung derjelben vorausjegen.
Es gebt dies hervor aus der jedenfalls alten Beziebung des Paſſahs auf ein Ereignis
der Beribonung von Israels Eritgeburt bei göttlicher Vernichtung der ägyptifchen, wo—
nach das Ballahopfer ericheint als ein Erfag für die eigentlich der Gottheit verfallene 35
menfchliche Erjtgeburt der Jeraeliten. In alter Zeit wurde dieſe, fo ſcheint es, gleich:
eitig dargebracht mit der am Paſſah fälligen Erftlingsgarbe. Wenn der Friegsgefangene
Moon am Heiligtum zu Gilgal „vor Jahwe“ getötet wird (1 Sa 15, 33), fo ift das
doch eine Art Opfer. Das auch an Menſchen zu vollziehenve Cherem, im altteftament-
lihen Geſetz als Strafe der Vernichtung aufgefaßt, iſt nach feinem Namen urjprünglich 40
zweifellos als Opfer gedacht worden.
Daß in dem ephraimitifchen Stierdienft, der alten Form des Jahwedienſtes, Menſchen⸗
opter noch bis in die prophetifche yet hinein üblich geweſen ſeien, iſt allerdings ſchwerlich
"aus Ho 13, 2 zu entnehmen, wo kaum von Solchen, die Menſchen opfern, die Rede iſt,
ſondern eher von Opfernden unter den Menihen (ſ. A. Halb Bd IX, S. 712, 58 ff.). 5
Die Frage bei einem wahrjcheinlich ungefähr der Jeremianiſchen Zeit angebörenden Pro—
pheten im Buche Micha (c. 6, 7): „Soll ich darbringen meinen Erftgeborenen um meine
Zünde, die Frucht meines Yeibes um die Verfehlung meiner Seele?” zeigt nur, daß der
damaligen Zeit das Kinderopfer nicht fremd war, aber nicht daß «8 von Haus aus im
Jabmwedienft geübt wurde. 50
Die einitmals in Israel vorkommenden Menfchenopfer berubten aber nicht not:
wendig auf einer der „Moloch”= dee verwandten Anſchauung von dem verderbenden
e der Gottheit, fcheinen vielmehr wenigftens teilweise, jo das Gritgeburtsopfer in
ele mit den dargebradhten Eritlingen der Früchte, ein Tribut des Dankes an die
ende Gottheit zu fein. Wohl aber erjcheint in den Sagen nicht nur der pa= 55
triarchalifchen und mofaischen jondern noch der jpätern Zeit bis in die der Königsberrichaft
hinein, wie bei der Volkszählung Davids, der Hebräergott als ein furchtbar und ver:
derblich zürnender, als ein das Irdiſche, wo es unberufen vor ihn tritt, vernichtender und
deshalb dem Menfchen unnahbarer Gott, deſſen von Manoah gefürchtetes, dem Mofe und
Elia nur annähernd gewährtes Anſchauen den Tod bringt — cine Vorftellung, welche co
— ⸗
—
Pe |
30% Moloch
im ethiſih geſärbter Modifikation noch in der Furcht Jeſajas bei der Viſion der Propbeten-
weihe nichklingt.
Aber alle Zuge Des Hebräergottes, Die ihn als einen verderblichen, furchtbaren charal⸗
were, dannen an ſich nicht einen ſpeziellen Juſammenhang mit dem Melekdienſt konſta⸗
en denn Ne berubren Sich mit der altſemitiſchen, namentlich mit der phönicifchen
(Nottvsporitellum uüberbaupt. Das Men'ſchenopfer, auf das man fich für jenen beſondern
Ruſimmenbang zumeüt berufen bar, iſt in ſemitiſchen Kulten auch Gottheiten dargebracht
werdet. welche nieht ale mik bezeichnet wurden. Jene Charakterzüge des alten Hebräer—
ollev ale einee verderdlichen. die auch bei feiner in der altteſtamentlichen Religion all⸗
mabhlich dub vollziebenden Ummwandlung niemals ganz vergeſſen und verwiſcht wurden,
atmen uber dak Me Iudaer m Jeuen der Ver und der Ver zweiflung Hilfe fuchten bei
KiKa venden Wort Ni us rerter alten, jetzt wieder auflebenden Anfchauung ven
ber Goltheit antun.
Car Hugen der Jurce:arkerr m der Veritellunz Des alten Sebräergottes wird em
(Musibwioude gegeben in audern veride tor dertellen ala den Werfmetiter Himmels und
ber Win und ihm den Segen der —— uidreen. in Erzäblungen, die ibn unter
Wa vebenvmmdeten den zuunenden Daumen un am den vebenäfroft ſpendenden Quellen
verchel werden ZN ® Zuhmli 21m 287, vgl. A. Haine Bd VIII,
zZ alt
Sie alles NP ni nungn uns Sulmerormiz. melde Das hebräiſche Altertum
ut dem nibthebrtotig Sermrishan nun Zin (Sr mer einitmals ein den pbönicifchen
eanliin abe verwendter wm Der alte Schraerzse 3 Ssmmelägott mar — wie Died
Wub einigen oben anantuprien Anseutunaen „Malt >= Melkart neben einer vereinzelt
nufttetenden Seinen Redeutung and Jemen jom m2s - ein Gebieter des himmliſch
Feuers, worm er fuhb offenbart, io Dem Abrabam :m der zwiſchen den Stüden de
Aundesopfers wandelnden ‚slanıme Er iendet euer nz, um fündige Städte zu zer
ſioren; er entzundet mit Himmelsieuer das wohlacts.:zc Üvrer auf dem Altar und
wandelt als Feuerſaule vor Dem Heere feines Volkes. rm umgeben Die Serapbim, „die
Arrmmenden”, Die Dod wohl Jarienintationen ſind des zundenden Bliges in feinen
Windungen, vorgeſtellt als cin Den Himmel durchictrendes geflügeltes Schlangen:
weſen wall. Baudiſſin, Studien I, 2. 285.. Dieie Feuernatur Des Hebräergottes
aber iſt nur eine Seite ſeiner Brkcutung alz Simmelsası. vermöge Deren er an andern
Ziellen im Lichtglanz und nicht minter im Wolkendunkel K& offenbart. Nirgends erfcheint
der Naturgrund m der althebraiſchen Gottwsitee in der Weüe pestalifiert, Daß Die Gott-
beit geradezu als Die Sonne oder als eine andere Einzelericheinung Des Himmels vor:
wejtellt würde. Tarın bat fih wehl der (Gott Der alten Hebraer unterſchieden von
den fanaanatichen Yaalım überhaupt. An den pboniciſchen Gottern läßt ſich nur noch
dunkel als Naturgrund Die Bedeutung von Himmelsgöttern allgemeiner Art erkennen.
Die Hebräer ſind bei der weitern Auffaſſung eines Himmelsgontes ſteben geblieben. Auch
bedurfte ihr (Gott nicht Der Erganzung durch eine weibliche Paredros, mie die Baalat des
Raal, Die Meleket Des Melek oder Mall. Sie haben, ſofern ſie nicht zu fremden Kulten
abfielen, Me Gottheit, ſo ſcheint es, niemals ſo tief in Das Einzelleben der Natur hinab⸗
gezogen, wie ihre Nachbarn es thaten. So konnten an den altbebräiſchen Gottesglauben
Die Propheten, denjenigen welcher an ihre Spitze gebört, Moſe, nicht ausgenommen, ihren
ethiſchen Gottesbegrifi anknüpfen, während Die phöniciſche Götterwelt einer ſolchen Ver:
geiſtigung unzugänglich blieb und in immer widerwärtigere Verzerrungen der menſchen⸗
artig auigefaßten Naturkräfte ausartete.
Die Verwandtſchaft der althebraiſchen (GGottesvorſtellung mit der allgemein⸗phöniciſchen
iſt unbeſtreibbar. Inwieweit Dies auf urſemitiſchen Zuſammenhängen beruht, inwieweit
auf Entlehnungen oder auch auf einer beiderſeits erfahrenen Beeinfluſſung von außen ber,
it bier nicht zu unterfucden. Cs mag Dabei noch ein beſonderer Zufammenbang be:
iteben zwiſchen einer beſtimmten als malk bezeichneten Wottbett und Jahwe. Es wär
Dies der Fall, wenn wirklich, wie wir vermutet baben (oben SII, 1 und 3b), jpeziell ber
aramärch: phöniciſche Gawittergen Hadad das Epitbeton mik führte. Der Gott der alten
Hebräer ſtand vorzugsweiſe in einer Beziehung zu den Gewittererſcheinungen. Cine Ana
logie und vielleicht irgendwelcher hiſtoriſche Zuſammenhang liegt auch darin vor, daß der
Hebräergott im Stierbild verehrt wurde und der Stier bei den Meitfemiten vorzu
weile als Das Tier Des (ewittergottes erichemt (wol. A. Kalb, Bd IX, S. 704ff)
Nach Dielen Nonmbinattonen mag immerbin Der zu den Judäern von auswärts gekommene
vo Melekdienſt Dem älteſten hebräiſchen Gottesglauben nicht nur homogen jondern
— nie a Schiene een man.
Moloch Monarchianismus 303
direkte Zuſammenhänge verwandt geweſen ſein. Der Meleldienſt der Judäer wäre dann
als eine mehr oder minder bewußte Zurückwendung zu altnationalem Kultus um ſo eher
zu begreifen. Aber wenn wirklich Hadad und der Hebräergott in einer beſtimmten Be:
ziehung zu einander ftehen, fo wird doch die Gemeinſamkeit des, wie es fcheint, and) dem
Habad beigelegten Prädikates melek nicht aus den älteften Zeiten jtammen jondern 5
erft aus Berührungen auf dem Boden Kanaans. olf Baudiffin.
Molther, Menrad, Humanift, Mitreformator in Heilbronn, geb. 1500,
geft. 1558. — Litteratur: Beith, Bibliotheca Augustana Bd 3. Blätter für württemb.
K8., 1887, 57 ff., wo ein Lebensbild und ein Verzeichnis feiner Schriften gegeben iſt. Jäger,
Mitteilungen zur ſchwäb. und fränf. Nef.-G.; Dürr, Heilbronner Chronif; Töpfe, Heidel-
berger Matritel. Alten des Stadtarchivs Heilbronn (mitgeteilt von Pfarrer Dunder in Beljen.
Preſſel, Anecdota Brentiana. ©. 288.
Menrad Molther aus Augsburg befuchte die berühmte Schule des Joh. Pinictanus
dafelbft und fam 1526 nach Heidelberg (inffribiert 4. Mai, Töpfe 1, 539), wo er neben
dem Stubium ſich der Erziebung junger adeliger Herren und fchriftftellerifeher Thätigfeit 15
befonders der Herausgabe feltener, teilmeife neu aufgefundener meift theologifcher Werte,
B. von Alkuin, Avitus, Chriftian Drutmar, Williram von Ebersberg, widmete. In
Snerfennung feiner Gelehrjamfeit wurde er 1529 zum Baccalaureus der Theologie Ereiert,
obne Baccalaureus und Magister artium zu jein, welche Mürden ihm 1530 nad):
täglih auf einen Tag erteilt wurden (Töpfe 2, 446). 1532 war er Regens der 0
Realiſtenburſe, wurde aber 1533 (20. Mat) als Prediger nad Heilbronn an die Seite
yo. Lachmanns (vgl. Bo XI, S. 197) berufen und 1539 deilen Nachfolger. Eine
eibe ungedrudter tbeologifcher Gutachten Tennzeichnen ihn ale tüchtigen, humaniſtiſch ge:
bildeten Theologen von fonferbativer, antizwinglifcher Richtung, der das Vertrauen des
ilbronner Rates mit Recht befaß. 1543 bearbeitete er die Haller Kirchenorbnung für 25
ilbronn. Die Ereigniffe nad) dem Schmalfaldifchen Krieg mit der ſchweren Einquar-
tterung Spanischer Truppen brachten ihn in perfönlihe Gefahr (Dürr a. a. O. 105).
De fchmerzlichen Überrafchung von Brenz riet M. 1548 dem Heilbronner Rat bei dem
aft unerträglichen Drud der Einquartierung zur Annahme des Interims, da die Predigt
des Evangeliums nicht verboten, die Meſſe nicht als Opfer für Tote und Lebendige, 30
jondern als Dankſagung und Gedächtnis des Todes Chriftt gefordert fer und Vigilien,
Seelenmeflen u. |. w. Kirchengebräuce ferien, melde man mit Bejcheidenheit (db. b. cum
reservatione) wohl zu halten wiſſen werde. Wohl hielt jebt ein Interimiſt Gottes-
dienft. M. aber predigte daneben ftreng evangelifch und antirömiſch und mied die Meile,
weshalb er vom Interimiſten Keger gefcholten wurde, der verbrannt werden follte. 1551 35
ſchlug Heilbronn M. zum Gefandten der Städte auf das Konzil nad Trient vor, aber
man ſah von ibm ab. Er ftarb 1558 (vor dem 6. Juni), nachdem das Interim in der
ee reiner war. Eein Nachfolger war Jakob Nat (f. d. Art. Nat). 1546
e M. im Auftrag des Rats die Beichreibung von Heilbronn zu Münſters Kosmo-
graphie geliefert. G. Boffert. 40
—
0
Monardjianismus. — Duellen: Sie find bei den einzelnen Abfchnitten angegeben.
Litteratur: Sämtliche Darjtellungen der Dogmengejdichte von Münſcher bis zur Gegen:
wert. Der Abfchnitt in meinem Lehrbuch der Dogmengeſchichte Bd I? S. 648—739 dedt ſich
weientlich mit dem nachſtehenden Urtitel. Dorner, Entw.-Geſchichte der Lehre v. d. Perſon
Chrijti, ſ. Th. 1845; Lange, Geſch. u. Entiv. der Syiteme der Unitarier vor der nic. Synode 45
1831; Hagemann, Die römiſche Kirhe ... in den erjten drei Jahrh. 1864 (die bedeutendite
und anregendite Monographie iiber den Gegenſtand); Joh. Bornemann, Die Taufe Chriſti
durch Sohannes in der dogmatijchen Beurteilung der vier eriten Jahrh. 1896. Aloger:
Kerle, Aufflärung der Streitigkeiten der Aloger 1782; Heinichen, De Alogis 1829; Zahn,
b 1875 S. 72f.; Caspari, Duellen 3. Geſch. d. Taufiymibols III S. 377f. 398f.; Zahn, 50
dh. d. NTlichen Kanon? I S.220 ff.; Harnad, Das NT um d. 3.200 ©. 58ff.; Sülicher,
31889 Nr. 7; Salmon, Hermathena 1892, p. 161}. — Theobdotianer und Artemoniten:
Rapp, Historia Artemonis 1737; Lipſius, Quellenfritif des Epiphanius ©. 235f.; Chronol.
der röm. Biſchöſe S. 173f.; Harnad, 3hTh 1874 5.200; Gasparı a. a. O. III S.318—321.
WAf.; Langen, Geſch. der rum. Kirche I S. 1925. - Beryll: Ullmann, De Beryllo 1835; 65
‚ Dissert. de christol. Berylli, 1843; Nojjel, Berl. Juhrbb. 1844 Nr. 41f.; Kober,
S 1848 I. — Paul von Eamofata: Feuerlin, De hacresi P.S. 1741 ; Ehrlid), De erro-
sibus P.S. 1745; Schwab, Dissert. deP. S. vita atquo doctrina 1839; SHejele, Concilien-Geſch.
Ir €. 135; Routh, Relig. Sacrac III? p. 286-- 367; Frohſchammer, THOS 1850 1. —
Abendländiſche Modaliften: Töllinger, Hippolytus und Mallijtus 1853: Volkmar, Hipp. ı. d. 60
301 Monarhiaunidmnd
. zenifen Ind Auzemaen 22 O.: Lanzen a. a. C. 2.1925; Lipſius, Quellen⸗
ne 2.43, Kererieit. Z.1S,°. IT Des Tu: Harnack, 3hTh 1874, S. 2007.;
_ z \
girten. Worirtionite Ersiise sulen nie Ein Tepe und Unterjuhungen XV, 11.—
Siieliımamus: Eielermiken Tre. ayzr ID 9.3: Nange i. db. 35h. 1832 II 2
2. - n2sn, karl sun Anırı IST.
Bir zesien Ente des 2. war rsunterze tann man tretz Dem entgegenftebenden Schein,
ir con ben Mrolageren, von Irenaus und Tertullian jewie von Clemens erregt wird,
ie Jegcelehre in der Chriitenbeit neh nich: als cine allgemein giltige Lehre bezeichnen.
Ze Fir es im allgemeinen itand, daß man uber CEbriſtus denken müſſe ns zeol Veov
:. II Clem. ad Cor. 1; „Christo quasi deo“, Ausſage der Chriſten bei Plinius), weil
1
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B
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7
14)
er ter „Bert“, Der „änaeborene Zchn Gottes“, Der „von Dem bl. Geiſt Gezeugte”, der
„Hidter der vebentigen unt Toten“ et, Te ſelten hibrte Diefe Anerfennung, von den
vbileiephiſch geichulien Arologeten und einigen anderen Yebrern abgeſehen, zu feiten
Zrefulatienen über den Sorn Gottes ale Yoxos und uber Den Begriff (Sottes jelbi. Was
; wir über Diesen und uber den Sobn Gottes ım Hirten Des Hermas leſen (3. 3. Mand.
I. Sim. V, IX, einem Bude, Das ib um Das Jabr Zum noch hoben Anſehens erfreute,
mag ungefähr ala der Musdrud einer weitverbreiteten Meinung gelten. Es läßt fid
durchaus noch nicht auf Die Formeln bringen, in welchen man ipäterbin die Natur und
Wurde Des Erleiers und Die Seinsweiſe Gottes gefaßt und auszugleichen verjucht bat.
Auf cine Ausgleidung waren uberbaupt Die wentaiten Damals bedacht; Denn zu einer
ſolchen bedufte es philejepbiicher Reilerionen, Die den meiſten als Entbuſiaſten oder Idioten
fernlagen. Zie war aber auch nicht geiordert. Denn ſelbit die Anerkennung der Prä—
exiſtenz Des Erloſers in beliebiger Form verbielt ſich jo lange gleichgiltig zu dem Begriffe,
den man ſich von Der Gottheit machte, als man den praeriſtenten Chriftus für en
geichaffenee Weſen bielt und Dazu noch unbefangen von viner Ntelbeit binimliſcher Geiſter
und pertenifiziert zu denkender Kräfte redete. Zwar tft ſchon einem Juſtin die aleran⸗
driniſchjudiſche Streitfrage über Die ſelbſtſtändige Qualitat der von Gott ausgebenden
Nräfte wichtig und er bat su ihr Stellung aenommen (Dial. 128); aber es iſt bezeichnend,
daß er fie nicht als eine chrtitliche Montreverie dem Tryphon vorgeitellt bat. Was man
in den enticheidenden Jahren zwiſchen 140 und 180 in Bezug auf bie Perſonlichkeit
des Erloſers als allgemein giltig verteidigte und ſicherſtellte, fiel noch immer in den
Rabmen des kurzen Vekenntniſſes, welches auf Grund der Formel Mt 28, 19 erwachſen
war (der aus bl. Geiſt und Der Jungfrau geborene Gottesſohn; der Herr; der Heiland).
Die Anerfennung der übernatürliden Geburt Jeſu, Durd welche eine gewiſſe Prãerxiſtenz
allerdings bereits vorausgeſetzt iſt, iſt das für ausreichend gehaltene Minimum geweſen,
durch welches man ſich von den ſtrengen Judenchriſten und denen unterſchied, welche in
Chriſtus nur einen zweiten Sokrates bewundern wollten, während die Anerkennung der
wirklichen Geburt aus dem Weibe und eines wirklichen menſchlichen Lebens, wie es nach
den Weisſagungen Der Propheten verlaufen tft, bier die Schranke gegen den Gnoſticismus
bildete. Welche Mühe es gekoſtet baben muß, aud nur diefes Minimum in den Ge
meinden, bei Gebildeten und Ungebildeten durchzuſetzen und vor Verwilderung zu jebügen,
daruber konnen die jest als doketiſch oder gnoſtiſch geltenden apokryphen Evangelien und
Apritelgeſchichten, ſowie die Hypowpoſen Des Clentens belehren. Es iſt trotz der fo
lückenhaiten Ueberlieferung ned nachweisbar, daß in dieſer Zeit, im Laufe des 2. Jahr:
hunterte, innerhalb der Durch Das Gemeindebekenntnis Berbundenen jomohl folche Chrifte:
logien jrietlich neben einander geſtanden baben, welche als Vorſtufen der ſpäteren
numurcbianiichen als auch ſolche, welche als Reime der arianifch- athanaſianiſchen, ja au
fer enfettich gnoſtiſchen zu betrachten ſind. Ber demſelben Schriftiteller finden fich Formeln,
in welchen Die göttliche Würde Des Erlöſers bald auf eine beſondere Erwäblung und
Begabung Durd Die Gottheit, bald auf Die reale Einwohnung des hl. Geiſtes, bald auf
eine himimliſche Hypoſtaſe oder auf eine Inkarnation der Gottheit zurüdgeführt wird
wahrend Der liturgiſche Sprachgebrauch unbefangen einen Teil der Präpifate Gottes auf
ihn, ſeiner perſonlichen Erlebniſſe und Thaten auf Gott übertrug. Für dieſen Zuſtand des
dniitologijcen Dogmas ın der Seit bis zum Aabre Iso iſt vielleicht fein Zeugnis Ichr:
reicher und entſcheidender als Das des Celfus, TDiefer scharfe Beobachter belchrt Darüber,
wie ſchwankend Die Formeln Damals in Der Großkirche noch geweien find. Man *
folgende Stellen: I, 57: „Wenn Du ſagſt (Anrede an Jeſus), daß jeder Menſch, den
die göttliche Vorſehung geboren werden ließ, ein Sohn Gottes iſt, was haſt du dann
vor einem anderen voraus?” II, 30: Chriſtus nad der Meinung der Chriſten Gott und
(Sottes Zobn. IL, 31: „Die Chriſten verſchmähen Scheingründe und Trugjchlüffe nicht,
Monardianismns 305
um damit ihre Angabe zu ſtützen, es fei der Sohn Gottes zugleich deſſen leibbaftiges
Wort“. IV, 18: „Entweder verwandelt ſich Gott wirklich, wie dieſe meinen, in einen
iterblichen Leib“. VI, 69 giebt Gelfus den chriſtlichen Gedanken fo wieder: „Da Gott
groß und der Anichauung nicht leicht zugänglich iſt, legte er feinen Geift in einen Yeib,
ber uns ähnlich ift und ſandte ihn herab, damit wir uns von ihm untermweifen laſſen 6
ünnten”.
Dan fann einen „naiven Modalismus” jtatuieren (eine modaliftifche Kontroverſe
fennt Irenäus noch nicht); aber es giebt Feine Beweiſe dafür, daß man Chriftus in
jener Zeit mit bemwußter Ablehnung jeder Gegenlehre für die Gottheit felber gehalten
habe, wohl aber galt er ala der Menfch, in dem die Gottheit oder der Geiſt Gottes ge= 10
wohnt bat, oder — das war gewiß die verbreitetere Anfiht — er galt ald das himm—
liſche Geiſtweſen, welches Fleijch angenommen bat und erjchienen if. Was den ent-
jcheidenden Zeitpunft und Vorgang betrifft, von welchem man feine außerordentliche
Würde ableitete und in welchem man fie gewährleiſtet jah, jo war es geitattet, bei dem
Ereignis der wunderbaren Entſtehung jteben zu bleiben oder unter Anerkennung derfelben ı5
nach vorwärts oder rückwärts vorzufchreiten. Für die, welche in Chriftus ein himmliſches
Geiſtweſen intarniert fahen, lag der Vorgang, durch welchen er Alles geworden ift, was
er iſt, in feiner vorweltlichen Erichaffung, und die wunderbare Geburt war nur die
jelbftverftändliche Folge derſelben (doch war auch auf diefem Standpunft der Gedanke
einer „Erhöhung“ nad) dem Siege über den Tod nicht ausgefchloffen). Die aber, welche zu
ihn als den Menſchen verehrten, mit dem der Gottes Geiſt fich in befonderer Weiſe verbunden
bat, durften noch immer an den Vorgang bei der Taufe denken, um das Walten des
Geiſtes in Chriftus an ein entſcheidendes Ereignis zu fnüpfen, wobei dann die wunder:
bare Entitebung nur als ein Worbereitendes galt. Aber fie durften auch noch von einer
Bewährung Ghrifti und einer fortichreitenden Erfüllung des Menfchenfohns mit dem a5
Geiſte und einer wirkliden und wunderbaren Erböhung desfelben durch die Auferstehung
predigen.
Auf die beiden genannten Formeln laſſen ſich die verfchtedenen chriſtologiſchen An-
ſchauungen in den unter fich verbundenen Gemeinden des 2. Jahrhundert? zurüdführen.
Ste konnten in der Predigt, in den Gejängen, in den Gebeten fo verwertet werden, daß 30
ein Unterjchted zmifchen ihnen wenig oder gar nicht empfunden wurde, aber darüber
darf nicht überjeben werden, daß ein folcher wirklich beitand. Allerdings iſt er bereits
als ein tbeoretijcher, ein theologifcher bezeichnet, wenn es richtig iſt, daß er religiös nicht
funden zu werden brauchte. Aber es kann doch nicht auffallen, daß die Theologen fich
nicht über ihn hinwegzuſetzen vermochten, und das öffentliche Belenntnis bat je und je durch 35
die Sfrupel der Theologen feine Ausbildung erfahren. Aber eg waren nicht nur die Theo—
logen, welde an dem Sireite teilnahmen. Auch die Maſſen wurden aufmerffam und
traten mit ihrem Schwergeivicht auf die eine Seite. Für beide Formeln ließen jich die
bi. Schriften anrufen. Aber entichieven waren unter den damaligen geitverhältmiffen die
im Vorteil, welche die Inkarnation eines befonderen göttlihen Weſens in Chriſtus 40
erlannten, fo gewiß es in Wahrheit angeſichts der urſprünglichen evangeliſchen Verkün—
digung, die auch in den ſynoptiſchen Evangelien nicht mehr rein vorliegt, diejenigen waren,
welche in Jeſus den vom Geiſte erfüllten und zum Sohne Gottes berufenen Menſchen
ſaben. Doch jene Auffaſſung entſprach der Deutung der altteſtamentlichen Theophanien,
welche von den Alexandrinern übernommen war und die ſich im apologetiſchen Beweiſe «s
als ſo überzeugungskräftig erwieſen hatte (die chriſtliche Sohn-Gotteslehre konnte den ge—
bildeten Heiden durch die Logoslehre am leichteſten annehmbar gemacht werden; ſ. das
denfwürdige Geſtändnis des Celſus II, 31: „Iſt wirklich nach euerer Lehre das Wort
der Sohn Gottes, dann ftimmen wir euch bei”); fie ließ fich ftügen durch das Zeugnis
des Paulus und einer Reihe von alten Schriften, deren Autorität mehr und mehr eine so
abfolute wurde, und endlich — was nicht das geringite war — fie ließ ſich mit wenig
Mübe den fosmologifchen und theologischen Sägen einordnen, die man als das Fundament
für eine rationale chrijtlihe Theologie von der religiöjen Philoſophie der Zeit entlehnt
hatte. Wo man den Glauben an den göttlichen Yogos zur Erklärung der Welt-Entftebung
und =&efchichte aufnahm, da war cs jchon entjchieden, durch welche Mittel auch die gött: 55
liche Würde und die Gottesjohnichaft des Erlöjers allein zu beftimmen ſeien. Bet dieſem
Berfahren batten die Theologen felbit für ihren Monotheismus nichts zu fürdten —
auch dann nicht, wenn fie den Logos mehr fein ließen als ein aus dem Scöpfermillen
Gottes herworgegangenes VBroduft - ; Juſtin, Tattan, die anderen Apologeten zeigen
nicht die geringfte Beforgnis um ibn. Denn Die unendliche, binter der Welt rubende co
RealsEncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XIII. U)
306 Monardianisnms
Sub ls bie Gottheit t wurde, f &
en ge green ann ei here ubjeften
er ——— — — ——
v — wie ber u a ie | en
s auch für bie eg — a ig . —— er —— —— * jenes
2 w 1. er a
—* — —S für feine, pirkuofe es * — bereite —
| orarbei Diefer Begriff Eonnte jeder Wandlung und Steigerung des
religiöſen Intereſſes jeder Vertiefung der Spekulation, aber auch allen Bebürfniffen des
Au Ahnen bibliſcher a andepaht werben, Er offen:
allmäblich als die bequemite Variable, die jofort ſich bejtimmen ließ d Te
aus entiprungen war,
15 logische Entjtehung des Bee An volljtändig verdeckte. Aber es dauerte lange, bis
dies erreicht war o es noch nicht erreicht war, ſo lange der Logos
als die Formel verwendet wurde —————— ei es nun das Urbild der
Welt, ſei as vernünftige tg — gl ſo * at Gens m in
Bezug auf die Zweckmäß ung der Gottheit Chrift nicht
20 ganz auf. De e Got men —— in dem Erlöſer aı
und nichts weniger. Grit — ihnen das durch feine Deutung der Formel
vom Logos Be aber * auch den ganzen eh zwar nicht zu
aber d ich zu Fe bie ——— —— von
nafius bis Auguftin iſt Die like ber Subfritution osbegriffes durch den des
26 ea ren en ni ber frei mod) „x © Züge des alten Logos
begri
ie en doch nicht die Bejorgnis um die göttliche Würde Chriſti geweſen, welche
den eriten formulierten Widerjpruc gegen bie —— ogie im 2. —— ner
vorgerufen bat; vielmehr war es die Beforgnis um den Monot us,
so die durch die Apologeten vertretene Theologie richtete, in der En des ——
aber lediglich das Intereſſe an der denſchheit des Erlöfers.
Angriff auf die Verwendung ber platoniſch-ſtoiſchen — N side in
Glaubenslebre. Die erſten öffentlichen und litterarifchen
Logosipelulationen jind dem Vorwurfe nicht entgangen, die ae bes Ciisfens berab-
35 zu wenn nicht aufzuheben. Erſt in der Folgezeit, in einer zweiten ‚ baben
die er der Logoschriftologie den Vertretern diefer jenen Vorwurf zurüdgel Tönnen,
Zunäcit bandelte es ſich den Menſchen Jeſus, dann um den Monotheismus und die
göttliche e Mürde Chrijti bei den Monarchtaneın. Bon bier aus wurde aber allın
Die gefamte tbeologifche Deutung der zwei erjten Artikel der regula fidei wieder
10 —— dur Verjtändnis war gegen den Gnoſticismus ficher gejtellt. Aber enthielt
nicht die Lehre von einem himmliſchen on, der in Chriſtus inkarniert ſei, noch einen
Reſt des alten gnoſtiſchen Sauerteigs? Erinnerte nicht die mgoßoAn Tod Adyov am bie
Emanation der Honen? War nicht der Ditheismus — wenn zwei göttliche
Weſen angebetet werden jollten? Nicht nur die ungebilveten Yaienchriften mußten fo
45 urteilen — was veritanden fie von der „ökonomiſchen Seinsweiſe Gottes’? — jondern
auch alle diejenigen Theologen, welche von der platonijch-ftoifchen — aan urn in ber
chriſtlichen Dogmatik nichts wiljen wollten. Ein Kampf begann, der mehr als 150 Jahre
edauert hat. Wer ihn eröffnet bat und zuerft agareffiv geworden ift, wiſſen wir micht.
Der Kampf nimmt in berfchiedener Sinfih das höchſte Intereſſe in Anfprud und kann
so unter verſchiedenen Gefichtspunften bejchrieben werden. Zwar nicht als ein ns der
le;
Theologie gegen eine noch entbufiaftiiche Religionsauffaſſung — denn Entbufiaften
auch die litterarifhen Gegner der —— nicht mehr geweſen, vielmebr ale
anfangs erflärte Gegner derjelben —; wohl aber als das Ringen des ——
nismus um die Herrſchaft in der —— als der Sie i 3 und
55 Arijtoteles im der chriftlichen Wiſſenſchaft, als die Geſchichte —* — des
— Chriſtus durch den präeriftenten, des lebendigen du gedachten, ın ber
ogmatif, endlich als der fiegreiche Verſuch den chriſtlichen G —* Ma Laien durch
eine ihnen unverjtändliche theologische Formel zu bevormunden und das der
Perſon an die Stelle der Perfon zu ſetzen. Das Erſte aber, was dem entgegentritt,
co welcher die Geſchichte dieſes Ehreitea überſchaut, ift bie Beobachtung, daß fich Die Gegner
Monardianismns 307
bald wechſelweiſe, wenn auch nicht gleichzeitig, diefelben Vorwürfe zufchleudern und jeder
den anderen wirklich zu widerlegen vermag. Die Lehre aus diefer Beobachtung ergiebt
fih von jelbit. indem aber die Logoschriftologie zu vollem Siege gelangte (Xoworös
Aöyos al vöuos), wurde mit der Vorftellung von der Einperjönlichteit Gottes auch jeder
Gedanke an die wirkliche mienfchliche Perfönlichfeit des GErlöfers als kirchlich unerträglih 5
verdanmt. Die „Natur” trat an die Stelle, die ohne die Perſon ein Nichts ift. Unſere
Sympathie wendet fidh bier dem Unterliegenden nicht zu, weil er unterliegt, ſondern weil
er Nichtiges vertreten bat. Aber der Hiftorifer fann auch Sympathie geiwinnen für einen
ibm fremden Gedanken, wenn er fonjtatieren muß, daß er die pafjende Formel für den
gefamten religiöjen Inhalt des Bewußtſeins einer Zeit geivefen ift. Welcher Wert diefem 10
Inhalt zukommt, iſt freilich eine zweite Frage.
Mit einem Ausdruck, den Tertullian geprägt bat, verjteht man unter Monarchianern
die Vertreter des ftrengen, nicht:öfonomifchen Monotheismus in der alten Kirche, d. h.
eben diejenigen Theologen, welche die Erlöferwürde Jeſu feitbielten, aber zugleich den
Glauben an die perfönliche (numerische) Einbeit Gottes nicht aufgeben mwollten und das 15
ber Gegner der Spekulationen wurden, die zu der Annahme der Zei: reſp. Dreieinigfeit
der Gottheit geführt haben. In Wahrheit iſt diefe Definition zu eng; denn ein Teil
der älteren fog. dynamiſtiſchen Monardianer (ob alle?) bat neben Gott als eivigen
Eohn Gottes den bl. Geiſt anerkannt, aljo zwei Hypoſtaſen angenommen. Dieje Binitarier
baben aber in Jeſus feine reale \nfarnation diefes bl. Geiſtes geſehen und find daher 20
als Ghriftologen weder trinitarifch noch binitarifch, fondern monarchianiſch. Übrigens ift
der Name „Monarchianer“ in der alten Kirche nicht für dieſe gebraucht worden, jondern
allein für die Theologen, welche in Chriſtus eine Inkarnation Gottes des Vaters jelber
lehrten. Auf die älteren dynamiftischen Monarchianer ift er nicht ausgedehnt worden,
weil im Kampfe mit ihnen, fo viel mir wiſſen, die Frage nach der Ein- oder Mehr: 5
perjönlichfeit Gottes überhaupt nicht kontrovers getvorden ift. — In einem weiteren Zinne
fönnte man auch die Artaner und alle diejenigen Theologen zu den Monardhianern (vom
Standpunft der abfoluten, nicht der ökonomischen Theologie) rechnen, welche die perfün=
liche Selbſtſtändigkeit eines Göttlichen in Chriſtus zwar anerkannten, aber dasjelbe für
ein Produkt der Schöpfertbätigfeit Gottes des Waters bielten. Indeſſen empfiehlt es fich so
nicht, dem Begriffe jo weite Grenzen zu geben; denn eritlich entfernte man ſich damit
von der alten Klaflifizierung, jodann ift doch nicht zu verfennen, daß auch bei den
radikalſten Artanern die Ehriftologie auf die Gotteslehre zurückgewirkt bat und der ftrenge
Monotbeismus irgendiwie eingefchräntt if. So bleibt es aus fachlichen und gefchicht-
lihen Gründen das Zweckmäßigſte, unter Monarchianern lediglich folde Theologen zu 35
verfteben, welche in Jeſus den geifterfüllten und zum Sohne Gottes berufenen Menſchen
oder eine Inkarnation Gottes des Waters erfannten, wobei vorbebalten bleibt, daß die
eriteren in einigen Öruppen den bl. Geiſt als göttliche Hypoſtaſe beurteilt haben, aljo
eigentlich nicht mehr Monarcianer im ftrengen Sinne des Wortes find. Übrigens iſt der
Ausdrud „Monarhianer” infofern unzwedmäßig, als ja auch die Gegner die Monarchie 40
Gottes feſthalten wollen (ſ. Tertull. adv. Prax. 3sq.; Epiphan. h. 62,3: od noivdelar
donyovusda, dila uovapyiav xmoVrrouer), ja ibrerfeits den Mlonarchianern den
Vorwurf, die Monarchie zu zerftören, zurüdgeben. „Il novaoyia tod Yeod“ war im
2. Jahrhundert ein jtebender Titel in der Polemik der Theologen gegen Polytheiſten und
Gnoftifer (j. die Stellen aus Auftin, Tatian, Irenäus u. f. w., welche Gouftant zu ep. #
Dionys. Rom. adv. Sabell. [Routb, Relig. S. III p. 385sq.| geſammelt bat). Ter:
tullian bat den Wamen „Monarchiani“ darum feinestwegs im Sinne der direften Be:
zeichnung einer Härefie feinen Gegnern gegeben (adv. Prax. 10: „vanissimi Monarchiani“),
fondern fie vielmehr nad dem von ihnen ausgegebenen Stichwort ironisch benannt. Der
Rame iſt auch in der alten Kirche nicht eigentlih Ketzername getvorden, wenn er aud bie so
und da für die Gegner der Trinitätslehre gebraucht worden tft.
Für das richtige Verſtändnis der Stellung der Monarchianer in der Entividelungs:
gefchichte der kirchlichen Dogmatik ijt es, wie bereits aus dem Obigen Deutlich fein
wird, enticheidend, daß fie erit bervorgetreten find, nachdem das antignoſtiſche Verſtändnis
der la fidei im weſentlichen in der Kirche gefidert war. Hieraus ergiebt ſich, daß
fie ſelbſt im allgemeinen als Gricheinungen auf dem Boden des Katholicismus zu
würdigen jind, und daß fomit, abgejeben von den deutlichen Nontroverspunften, Über:
einftimmung zwilchen ihnen und ihren Gegnern vorauszufegen iſt. Es ift nicht über:
Hüfftg, daran von vornherein zu erinnern. Zu welcen Konfufionen die Mißachtung
diefer Vorausſetzung geführt bat, darüber kann z. B. der betreffende Abjchnitt in Dorners so
20*
—⸗
—X
—
ber Lehre von der P Ion 6 hriſti belehren. Indeſſen io
| i die Gefchichte vu Monarchianismus ohne N ficht auf d
? | | u ü ' des | Lu | # „ — —
zu bekle hohem Maße, wie die kirchlichen Berichten die wahre Ge
Ichichte — jo Montanismus verfchtviegen und verdunfelt haben, baben fi ie
Monarhianismus zu begraben oder zu entjtellen verſucht. Sie bereits jebr frühe,
— a —— — — er Ebioni⸗
haben | ; Die Arbeiten
—— als —SE —J— des Chriſtentums oder als Fälſchungen
und die —— * als Abtrünnige, 2* die Glaubensregel
*3* den Kanon preisgeben, — urch dieſe Art der Polemik haben ſie der
Folgezeit unter anderem das Urteil da —— ob gewiſſe Eigen
monarchianiſcher in Bezu * kn "nette entlichen iftenfanon aus einer
—— überhaupt keinen neuteſtamentlichen Kanon = —
** liſchen Sinne gab, oder X fie —— * * =. ——— ob
erungen zu beurteilen jin en unter t au i amt⸗
charakter —— vh ngen, weiter auf die Thatſache, da Kar nachdem ber
neuteftamentliche non in jeinen twejentlichen Umfange und in Anſehen fixiert
erjcheint, auch von feinem Widerſpruch gegen denjelben mebr jeitens |
25 berichtet ift, endlich in en daß auch den Montaniſten, ja felbit —* Marcioniten
und Gnojtifern jehr bald Attentate auf den Fatholijchen Kanon vorgeworfen worden find,
während iefelben doch bei ihrem Auftreten einen ſolchen noch gar nicht vorfanden, wird
De —————— —— — der Monarchianer von dem
katholiſchen Aanon uns lediglich auf eine Zeit weiſen, wo es eimen jolden noch nicht
gab, und daß auch Ionftüge „Härefien“, die bei dem älteften Gruppen uns en
= — werdenden, nicht der —— ade zu beur⸗
bier ehrt in * eine —— der 8 a —, * * u —
mancher Hinſicht iſt, doch nicht ohne Gewaltſamkeit durchgefübrt werden. —— liegt
10 das Gemeinſame der monarchianiſchen Richtungen, ſoweit ein ſolches upt v
in der Faſſung des Gottesbegriffes, das Unterſcheidende im 56 Offenbarung;
— eine reinlichere Sonderung in zwei Parteien iſt in den Quellen ni
nbalt geboten, abgejeben davon, daß die —— und wichtigſten „Syſteme“ in der
—2* Ueberlieferung vorliegen. Eine verläßliche Einteilung gi m
45 der im allen jeinen Formen die | meer von einer phyſiſchen V ft Gottes ab—
gelebnt und lediglihh in dem in be —— ſtehenden Jeſus den ohn Gottes ge
jeben hat, it auf dem Grunde dev bisher befannten Quellenſchriften micht ee Bon
ein paar Drag agmenten —— beſitzen wir nur Berichte von Gegnern. Cine beſondere
Schwierigkeit macht nod die Chronologie. — Man bat de jeit der Entdeckung der
so Philofopbumena viel Mübe um diefelbe gegeben; aber im
geblieben. Über die Daten für die Aloger, Artemas, Praxeas, Sabellius, Die Erle
niichen Synoden gegen Baul von Samelate ta u. |. w. ſchwanten —* die Urteile. End
auch über den geograpbifchen Umfang der Kontroverjen find wir rin S
Wir können — mit einiger Wahrſcheinlichleit vermuten, daß in
55 Chriſtenheit des Reiches zeitweilig ein Kampf ftattgefunden bat. he —
— der Schein — werben, als ließe ſich bier eine zuſammenhängende Gef
en.
I. Die fog. Aloger in Kleinafien. Aus dem Syntagma des Hippolyt fennen
Epipbanius (Ch. 51; nad ibm Auguſtin h. 30, Prädeſt. h. 30, Iſidor h.26, Paul. h. 7,
o Honorius h. 41, ob. Damascenus —; die Angabe des liber Praedest., daß ein
etail ift das Meifte unficber
4
Monardianismns 309
Biſchof Philo die Mloger widerlegt habe, kommt natürlih nicht in Betracht. Ob der
Name in Rüdficht auf den alerandrinifchen Juden gewählt ift, ftebt dahin) und Philaftrius
(h. 60) eine Partei in Kleinafien, welcher der Eritere den Spottnamen „Aloger“ ans
“ gehängt hat. Hippolyt berichtete von ihr, daß fie das Evangelium und die Apofalypfe
des Johannes verwerfe, indem fie diefe Schriften dem Cerinth zufchriebe — über die 5
Briefe bat er nichts berichtet. Epiphanius wird wohl im Rechte fein, wenn er auch fie ver:
worfen fein läßt, |. ec. 34; vielleicht aber war von denfelben überhaupt noch nicht die
Mede —; fie erfennt aber auch nicht den Logos Gottes an, welchen der hl. Geift in
dem \johannesevangelium bezeugt habe. Hippolyt, der fruchtbarfte alte Ketzerbeſtreiter,
bat gegen diefe Leute außer feinem Syntagma ein befonderes Werk zur Verteidigung der 10
jobanneifchen Schriften gefchrieben (ſ. das Schriftenverzeichnis auf der lateranifchen Hip-
polytitatue: vreo Tov xara ıwwarlv|nv evayyelıov xaı änoxalvyews, und Ebed-
Jesu, catal. c.7 [Afjemani, Bibl. Orient. III, 1, 15]: „apologia pro apocalypsi
et evangelio Joannis apostoli et evangelistae”) und vielleicht auch noch in einem
Werke gegen alle Monarcianer fie befämpft. Gewiß ift, daß Epiphanius außer dem betreffen- 15
den Abfchnitt aus dem Syntagma mindeltend noch eine zweite Schrift wider die „Aloger“
ausgefchrieben bat, und mwahrfcheinlich ift, daß dieſe ebentalls bon Hippolyt herrührt. Die
Zeit ihrer Abfaflung läßt fih aus Epipban. h. 51, c. 33 leider nicht mit Sicherheit be=
itimmen. Am meiſten Wabhrfcheinlichfeit bat die Berechnung — fie bedarf freilich einer
Tertlorrettur —, welche auf das Jahr 20415 führt (ſ. meine Chronologie der altchriftl. zu
Pitteratur I ©. 376 ff). Hippolyt hat in feiner Schrift feine unbenannten Gegner als
Zeitgenoſſen behandelt; aber eine genauere Prüfung zeigt, daß er diefelben lediglich aus
deren eigenen Schriften (es waren deren mehrere; ſ. c. 33) fennt und daher von den Per:
bältnifjen, unter denen fie aufgetreten find, aus eigener Anjchauung nichts weiß. Ein
ewiſſer Anhaltspunkt für das Alter diefer Schriften und jomit der Partei felbft ergiebt 25
fh aus der Thatfache, daß zu der Zeit, als dieſelbe blühte, nach ihrem eigenen Zeugnis
Thyatira lediglich eine montaniftiihe Gemeinde exiftierte, während der Gewährsmann
bereit s von einer aufjtrebenden fatbolifchen Kirche und anderen chriftlichen Gemeinfchaften
dafelbft berichten kann. Beitimmter läßt fich die Blütezeit diefer Heinaftatischen Bewegung
dur Kombination der Angaben des Hippolyt mit den Nachrichten des Irenäus III, 11,9 w
ermitteln, eine Kombination, deren Berechtigung Zahn (Z3hTh 1875, ©. 72f.) erwieſen
bat. Danach war die Partei gewiß ſchon zwiſchen den Jahren 170 und 180 in Klein:
aftien vorhanden. Ihr Charakter läßt fich in den Hauptzügen nach den Zeugniflen des
Irenäus und Hippolyt noch beitimmen. Um das hrifto ogifche Problem handelte es ich
in eriter Linie nicht, vielmehr um die „Stellung zur Prophbetie”. Die Namenlofen, ss
die Aloger, find eine Partei der radikalen antimontaniftifchen Oppofition in Alematien
(dien) innerhalb der Kirche getvefen — fo radikal, daß ſie die montaniftifchen Ge—
meinden nicht mehr als chriitliche anerkannten. Sie wollten alles Prophetentum von der
Kirche fern gehalten wiſſen; in diefem Einne waren fie entfchiedene Verächter des Geiftes
(ren. III, 11, 9: Epipb. 51, e. 35). Diefe Stellung veranlaßte ſie d einer biltorifchen 40
tif an den beiden johanneifchen Schriften (Irenäus erwähnt die Kritik an der Apo-
talupfe nicht), von denen die eine die Ankündigung des Parafleten durch Chriftus, die
andere prophetiſche Offenbarungen enthielt. Aus inneren Gründen Tamen fie zu dem
Schluffe, fie müßten unecht fein, eis övoua ’Iwavyvov verfaßt (c. 3. 18): die Schriften
frien daher nicht firchlich zu rezipieren (e. 3: odx Afıa aürd paoıy elvar Ev Exxinoig). 15
Dem Evangelium wurde vorgeworfen, es enthalte Unwahres, es miderfpreche den übrigen
Evangelien (ce, 1: pdoxovaı, Ötı od ovuywvei ra Bıßlia Tod ’Iwdvvov Tois Aoınois
dnooroloıs, c. 18: 6 ebayy&lıov eis Övona’lwarvov weddera:, 1.'0.: Adıdderov elvaı),
' 26 eine ganz andere Reihenfolge der Ereigniſſe, ermangle jeglicher Ordnung, laſſe
tige Thatſachen aus, berichte von zwei Paſſahfeſten — ihre Kritik der Begebenheiten 50
Jo 1. 2 und der job. Chronologie it ung noch erbalten -- (e.3. 4. 15. 18. 22. 26.
28. 29). Gegen die Apokalypſe wurde vornehmlich eingetwandt, fie enthalte abjolut Un-
verftändliches, ja Abjurdes, zugleich aber auch Unwahres (c. 32—34). Co fpotteten fie
über die fieben Engel und fieben Trompeten, über die vier Engel am Eupbrat, und zu
Apk 2, 18 meinten fie, e8 babe zu Thyatira gar feine Chriftengemeinde gegeben, der Brief 55
fei alſo fingiert. Unter den Einwürfen gegen das Evangelium muß aber auch der ge:
ftanden baben (c. 18), daß dasſelbe dem Doketismus Vorſchub leifte, indem cs fofort
von der ‚zleifchtwerdung des Logos zu der Berufswirkſamkeit Jeſu übergebe. In dieſem
Zufammenbange fpielten fie das Marcusevangelium, welches die Arwder yErvnos Jeſu
nicht Ichre, gegen Johannes aus (c. 6) und beanftandeten den Ausdruck „Logos“ für den oo
310 Monarchiauismus
Sohn Gottes (ec. 28), ja ſie witterten in demſelben Gnoſticismus und kamen ſchließlich zu
den Reſultate, daß Schriften, die einerſeits Doketiſches, andererjeits Jüdiſch-ſinnliches und
Gottes Unwürdiges enthielten, von Gerinth, dem gnoftifierenden Judaiſten, verfaßt fein
müßten (Irenäus erwähnt das nit). Cs iſt bei diefem Thatbeftande bemerkenswert,
5 daß Irenäus fie nicht in den Steßerfatalog (Buch I) eingeftellt und fie troß der fcharfen
Ablehnung ale Schismatifer (nicht ale Häretifer) behandelt. Er billigte ihren entjchtedenen
MRiderfpruch gegen alles pieudopropbetifche Unmefen, aber er meint, daß fie das Kind
mit dem Bade ausjchütten, indem fie auch die echte Prophetie verwerfen. Ahnlich SHip-
polyt (nicht Epiphanius). Ausprüdlich beitätigt er, abgejeben von dem zu Nügenden,
iv ihre von ihnen felbjt (c. 3) beanſpruchte Kirchlichkeit (c. 4: Öoxodoı xal adroi ra ioa
nur nuotevew ... doxodar Aoınöv Erılaußaveodu ns üyias al E&rdkov Öudao-
xaktas), die auch in der ‚yorderung der ovupwria ww PißAwv hervortrete. Er ſtellt
fie durchaus nicht auf eine Stufe mit Gerintb, Ebion u. ſ. w., und unzteifelbaft bat aud
er ihre chriſtologiſchen Meinungen, über welche Irenäus überbaupt nichts mitgeteilt bat,
15 milder genommen, weil er jo vieles bei ihnen fand, mit dem er übereinftimmen Tonnte.
Aber welches waren nun ihre dhriftologifchen Meinungen? Hätte Lipſius (Ouellen
S. 102. 112) Recht mit der Annahme, daß die Aloger in Jeſu nur einen natürlic
erzeugten Menſchen gejeben hätten, deſſen Exiſtenz erjt feit feiner irdiſchen Geburt durch
Maria datiere, daß fie überhaupt nur vorgegeben bätten, an der allgemeinen Xehre zu
»0 halten, fo wäre die Stellung des \renäus und Hippolvt zu ihnen fchlechtbin unbegrerf:
lich. Aber die Duelle giebt zu einem folden Urteil feinen Anlaß. Yipfius bat fich dur
die Bolemif des Epiphanius täufchen laſſen. Aber noch in der Bearbeitung, in welcher
die Polemik des Hippolyt bei Epiphanius vorliegt, iſt erfennbar, daß diefem über bie
Chriſtologie der Partei aus deren eigenen Schriften nichts weiter befannt war, als ihre
25 Verwerfung des Logosbegriffes ſowie der Geburt „von ben” und ihr antignoftifd
Intereſſe an der Geburt, der Taufe, der Verfuhung, fur an dem menfclichen Yeben des
Erlöfere. Hippolyt bat in feiner Polemik ledigli vor den Konfequenzen geivarnt, die
aus einer Verwerfung des Logos fich ergeben mußten. Daß die Partei dieſe Konje
quenzen gezogen babe, jagt er nirgends deutlich, ja ſogar Epiphanius wagt bier feine
30 ganz beftimmten Behauptungen. Somit fann von einer Nicht:Anerfennung der wunder⸗
baren Geburt feine Rede fein; auch die Formel, Chriftus jet yılds Avdownos, wird
die Partei nicht gebraudst haben. Möglich, ja wahrſcheinlich it, daß fie auf die Bor:
gänge bei der Taufe ein bejonderes Gewicht gelegt bat; aber aus c. 18 (vgl. c.20) läpt
fih das nicht mit Sicherbeit folgern (die vowilortes dnö Moapias xal deüpo Apıorör
» avror xalsiodaı xal viov Peov, xal eivam Ev nO0TEDovV yılov Avrdownov, xard
noo0xonnv ÖE elinp&vaı nv Tod viov Tod Veod nooonyoolav ſind vielleicht gar
nicht die Aloger).
Die erften uns befannten Gegner der Yogoschriftologie find Leute von ausgeprägt
firchliber Haltung in Kleinaſien geweſen. Dieſe ibre Haltung baben fte dargethan durd
so entfchiedenes Auftreten ſowohl gegen den Gnoſticiomus eines Gerintb als auch gegen die
fatapbrugiiche Prophetie. In Bekämpfung der leßteren find fie dem Gange der Tirchlichen
Entwickelung um ein Menſchenalter vorausgeeilt, inden fie alle Bropbetie und Deren
Charismen verwarfen (c. 35), baben aber eben damit ihren katholiſchen Charakter am
deutlichiten offenbart. Neil fie an ein Yeitalter des Parakleten nicht glaubten und feine
+ ſinnlichen Zufunftsboffnungen begten, jo vermochten fie fich in die johanneifchen Schriften
nicht zu jebiden, und weil fie an dem ſynoptiſchen Chriſtusbilde feitbielten, jo verwarfen
fie Das Evangelium vom Yogos. Eine ausgefprocen kirchliche Nichtung hätte Dies aber
nicht unternehmen fünnen, wenn fie fib einem bereits abgeichlofjenen NTlichen Kanon
gegenüber befunden bätte, in welden Die jobanneifchen Schriften eine feite Stelle hatten.
;o Die rüdfichteloje Kritif der Partei an denjelben, die innere ſowohl als die äußere (Hypo⸗
tbeje Des cerimtbifchen Ursprungs), iſt ein Beweis dafür, daß 08, als jie auftrat, noch Teinen
allgemein anerkannten Fatbolijchen Kanon in Kleinaſien gegeben bat, daß fie aljo ungefä
jo alt als die montaniftiiche Richtung tft, Der fie wohl auf dem Fuße folgte (oder war fie
nicht noch älter). Unter Diefer Vorausſetzung tft Die Bartei innerhalb der werdenden Tatho:
>5 lifchen Kirche, wenn auch mur furze Zeit lang, legitun geweſen, und nur jo erflärt fich die
Beurteilung, Die ibre Schriften in Der nächjten ‚Folgezeit erfahren baben. Indeſſen —
der erjte Widerſpruch gegen Die Yogoschriftelogie ift innerbalb der Kirche erhoben worden
von einer Nicbtung, Die doch in mancher Sinficht als ſpezifiſch verweltlicht aufgefaßt
werden muß. Denn der radikale Gegenſatz zum Montanismus und die formale, zugleich
aber jpottende Kritif an der Apokalypſe kann nur jo beurteilt werden. Aber die Bevor
Monardianismns 311
zugung der Logoschriftologte vor anderen ift freilich ſelbſt, worüber Gelfus belehrt, ein
Symptom der Berweltlihung und der Neuerung in dem Glauben. Die Aloger haben
ſie auch als ſolche angegriffen, wenn fie diefelbe ald dem Gnoſticismus Vorſchub lerftend
aufgefaßt haben. Aber fie haben die Xogoslehre und das Logosevangelium auch mit
hiſtoriſchen Gründen, durh Rüdgang auf die fonoptifchen Evangelien zu widerlegen ver: 5
ſucht. Die Vertreter diefer Richtung jind überhaupt innerhalb der großen Kirche, foviel
wir wiſſen, die erjten geweſen, die eine hiftorifche Kritik, welche dieſes Namens mert
it, an chriftlichen Schriften und kirchlicher Überlieferung unternommen haben. Gie
haben zuerit den Johannes mit den Synoptifern Tonfrontiert und zahlreihe Wider:
fprüche gefunden: „Aeıdnooürres" hat fie daher Epiphanius (ec. 34) — wahrfcheinlich 10
ſchon Hippolyt — genannt. Wechſelweiſe Tonnten fte und ihre Gegner fih den Vorwurf
der Neuerung zufcieben; aber man wird nicht verfennen dürfen, daß das größere
Map einer jolchen bei den „Alogern” zu fuchen iſt. Wie lange fte fich erhalten haben, tie,
warn FA von wen fie aus der Heinafiatischen Kirche ausgeſchieden worden find, wiſſen
wir nicht. 1
II. Der Lederarbeiter Theodotug, feine Partei zu Rom (Asklepio—
Dotus, Hermophilus, Apollonides, Theodotus der Wechsler, Natalius)
und die Artemoniten; adoptianifchellehren und Formeln im Abendland.
Als Duellen für den älteren Theodotus fommen in Betradht 1. das Syntagma Hippolpts
(repräjentiert durch Epiphan. h. 54, Philaſtrius h. 50, Pfeudotertull. h. 28; aus dem 20
eriteren ee Auguſtin h. 33, Prädeſt. h. 33, Joh. Damascenus u.a). 2. Die
Philoſophumena VII, 35. X, 23 (IX, 3. IX, 12. X,27). 3. Das Fragment Hippolyts
egen Not (c. 3), welches wahrſcheinlich der Schluß eines größeren antimonardhianifchen
es iſt und von Epiphbanius in feinem Artifel über. Theodotus mitbenußt wurde.
4. Das in Ercerpten bei Eufebius V, 28 erbaltene jog. kleine Labyrinth, deſſen Verf. 25
unbelannt tft, jedody von vielen mit guten Gründen Fir Hippolyt gehalten wird. Es
it früheltens im vierten Decennium des 3. Jahrhunderts und nah den PBhilofophumena
geichrieben, aber ſchwerlich auch ſpäter (hierfür ift Gasparı III, Quellen ©. 318--321.
404. zu vergleichen), und richtet fich gegen römiſche dynamiſtiſche Monarchianer (um
235) unter der Führerfchaft eines gewiſſen Artemag, die von den älteren, den “Theodo: 30
tianern, zu unterjcheiden find. Eufebius aber hat dem Werke ausfchließlich ſolche Partien
entnommen, in denen von den Iheodotianern gehandelt wird. Euſebius' Excerpte und
die Philoſophumena 1, X find ausgefchrieben von Theodoret h. f. II, 4. 5; jedoch tft es
möglich, wenn auch nicht wahrjcheinlich, daß er das fleine Labyrinth ſelbſt eingefehen hat.
Die genannten Quellen, unter denen die’ vierte die reichhaltigjte it, Ddifferieren zwar im 35
einzelnen nicht unbedeutend, geben aber doch in der Hauptfache ein übereinftimmendes
Bild. In dem Syntagma fcheint eine Schrift des Theodotus benugt zu fein. Irenäus
und Tertullian haben über ihn und feinen Anhang nichts überliefert. — Was den
jüngeren Theodotus (den Wechsler) betrifft, fo ift fein Name lediglich durch das Fleine
Yabyrinth (Eufebius V, 28), die Vhilofophumena (VII, 36; nad beiden Theodoret h. f. 4x0
Ho, 6) und Pjeudotertull. h. 29 überliefert. Das Eyntagma Hippolyts (Epiph. h. 55,
Philaſtrius h. 52) hat zwar über cine Bartei der Melchifedefianer berichtet, welche in den
Philoſophumena und von Pjeudotertulliaon auf den jüngeren Theodotus zurüdgeführt
wird, deflen Name und Urheberfchaft aber nicht genannt (darum fehlt der jüngere Theodot
auch bei Auguitin h. 34, Prädeſt. h. 34, Honor. h. 32, Iſidor. h. 17, Paul. h. 15). — #5
Sehr rätjelbaft nad Urfprung und Inhalt iſt das von Caspari aus Pariſer Handfchriften
edierte Stück: Meixıoedexiavav za Oeodoriaviw xal ’Adıyyavw» (Tidsskr f.
d. ev. luth. K. N.R. Bd VIII 9.3 ©. 307—337). — Die einzige uns bekannte
Streitihrift gegen Artemas (Artemon) ift das oben erwähnte fog. kleine Labyrinth.
Leider aber hat Eufebius die gegen ihn gerichteten Abfchnitte nicht ercerpiert ; in dem Syn- 50
ma und den Philoſophumenen fehlt Artemas noch. Daber baben auch CEpipbanius,
Beilartrius und Pfeudotertullian feinen eigenen Artifel für ihn. Da er aber in dem
Schreiben der gegen Baul von Samofata gebaltenen antiochenifchen Synode an hervor:
ragender Stelle erwähnt wird (ebenfv in der ep. Alexandri bei Theodoret h. e. I, 3
und in Pamphilus' Apol. pro Orig.), jo nennt ihn auch Epipban. h. 65, 1 (gegen Raul 55
von Samof.) und deshalb in demſelben Zufammenbang Augujtin h. 44, Prädeſt. h. 44,
Pſeudohieron. h. 28 (Gennadius h. 3, 22); vgl. Tbeodoret h. f. II, 6. Erwähnt bat
im Photius cod. 48. Schlieplich ſei bemerkt, daß die Angaben im Synodicon Pappi
nicht in Betracht Tommen, daß die Angabe des Prädeft., ein ſyriſcher Biſchof Craton
babe die Theodotianer, Dionyfius von Jeruſalem die Anhänger des jüngeren Theodotus ww
-
7
312 Monarchiauismus
beſtritten, auf Erfindung beruht und daß die Identifikation des jüngeren Theodotus mit
dem Gnoſtiker gleichen Namens, aus deſſen Werken wir Auszüge beſitzen, unſtattbaft iſt
(gegen Neander und Dorner mit — Forſch. III, S. 123), nicht minder unſtatthaft
als die ‚rentiftfation mit Dem Mentaniften Theodotus, von welchem wir durch Eufebius
s(h. e. V, 3,4. V, 16, 14sq.) willen. Als Quelle für die römifchen Monarchianer
fommt ach noch Novatian, de trinit., in Betracht.
Gegen Ende des Epiſkopats des Eleutherus oder am Anfang des Epiſkopats des
Victor (geſt. 190) kam der Lederarbeiter Theodotus aus Byzanz nach Rom, der nachmals
als „der Erfinder, Führer und Vater des gottesleugneriſchen Abfalls“, d. h. des dyna⸗
io miſtiſchen Monarchianismus bezeichnet worden iſt. Hippolyt (Epipbanius?) hat ihn ein
änöonaoua der Aloger genannt (in den Philoſoph. bat Hippolyt die Ghriftologie des Th.
mit der der Gnoſtiker, Cerinths und Ebiong zufanmengeitelt), und es iſt in der That
nicht unwabrjcheinlich, daß er mit jenen kleinaſiatiſchen Theologen in Berübrung geſtanden
bat. Betont wird feine ungewöhnliche Bildung (ky naudeia EMnvixjj dxpös, zoiv-
15 nadns tov Aöyov), um deretivillen er in Anfeben in feiner Vaterftadt eitanden babe.
Das Spntagma erzählt aber nun weiter, ev babe in einer Verfolgung Chriltum in Byzanz
verleugnet. Ties babe bei einem fo hervorragenden Manne doppeltes Aufjeben erregt.
Weil er die Schmac nicht babe tragen fünnen, fei er nadı Nom gegangen, ſei dort aber
von einem Yandemanne erfannt und mit neuen Schmähungen überhäuft worden. In
=9 diefer Notlage babe er zu feiner Verteidigung gejagt, daß er nicht Gott, fondern nur
einen Menjchen verleugnet hätte — Chriſtus ſei ein bloßer Menſch geweſen. Die Metbobe,
eine Irrlehre aus fittlicber Verfeblung abzuleiten, ift zu befannt, ale daß man diefem
Gejchichtchen Glauben ſchenken könnte Möglich ift, jo dürfen wir vielleicht nad her
Geiftesart des Mannes urteilen, daß Theodotus in der Streitfrage über den Umfang ber
23 chrijtlichen Pflicht zum Belenntnis den Standpunkt einnahm, welchen Tertullian in der
Schrift de fuga in persee. bejtritten bat, aber aud) dies ift unfiher. Aus jeiner Ge:
ſchichte wiſſen wir lediglich nur noch Diefee, daß ihn der römiſche Biſchof Victor feiner
in Rom verfündeten Chriftologie wegen erfommuniziert hat (Eufeb. V, 28, 6: deici-
ov&e rijç xowwerias) -» 88 ift der erfte uns ſicher befannte Fall, daß ein auf ber
»» Slaubensregel ſtehender Chriſt doch ale Irrlehrer gemaßregelt worden iſt.
Die Lehre betreffend, ſo bezeugen die Priboſoxbum na ausdrücklich die Orthodorie
des Theodotus in der Theologie und Kosmologie (VII, 35: pdox za negl Ev Tüc
Tod navrös ‚aexiie avug’wra &x Egovs Tois ıns dA "Bode Exninolas, Io Tod Veov
ndyvra Önokoyar yeyovevarı). In Bezug auf Die Beon Chriſti Ichrte er alſo: Jeſus
> fei ein Menſch geweſen, der nad einen befonderen Ratſchluß Gottes aus einer Jung:
frau geboren jet durd Wirkung des bl. Geiſtes, nicht aber fei in ihm ein bimmlifches
Weſen, welches in der Jungfrau Fleiſch angenommen habe, zu erkennen. Nach einer
vollkommenen Bewäbrung in einem frommen Leben ſei in der Taufe der hl. Geift auf
ihn berabgeftiegen, dadurch fer er zum Ghriftus geworden und babe die Ausrüftung 3
40 feinen befonderen Berufe erbalten (durdueıs) und diejenige Gerechtigkeit ertviefen, haft
welcher er über alle Menschen bervorragt und ihnen Autorität ſein muß. Indeſſen be⸗
rechtige die Herabkunft des Geiſtes auf Jeſus noch nicht dazu, zu behaupten, er fer nun
„Gott“. Einige von den Anhängern des Theodotus ließen Jeſum durch die Auferweckung
zum Gott geworden fein, andere jtellten auch dies in Abrede. — Die Darftellung ift
15 wejentiih nach den Philoſophumenen gegeben, mit deren Auffaſſung das, was im S
tagma geſtanden bat, nicht ſtreite. Nur darf man nicht, wie Lipſius (Quellenkritik
S. 235f.) gethan bat, Die bosbafte Entitellung Des Epipbanius, Theodotus babe die
wunderbare Geburt aeleugnet, in das Syntagma hineinleſen wollen. Lipſius erreicht dies
nur, indem er durch eine völlig willkürliche Konjektur den Pſeudotertullian genau das
Gegenteil von dem ſagen läßt, was er geſagt hat. Die Darſtellung der Philoſophumen⸗
erſcheint höchſtens an einem einzigen Punkte unzuverläſſig, wo ſie nämlich im Sinne des
Theodotus das rei ua, Das bei der Taufe berabgefonmten, „Ebriftus” nennen. Allem
möglicherweiſe iſt auch bier alles in TC Ordnung, ſofern ja auch Hermas und ſpäter der Ver:
faſſer der Acta Archelai den bl. Geiſt mit dem Sohne Gottes identifiziert haben (ogl.
» auch was Urigenes zeoi doyam praef. über Den bl. Geiſt als Tirchliche Tradition mit:
geteilt Bad. Es wäre Demmach nur jtatt „Chriſtus“ vielmehr „der Sohn Gottes“ zu
jagen und anzunehmen, Dippolvt babe jenen Ausdruck gewählt, um die Lehre des Theo
dotus als gnoſtiſch (cerinthiſchj bezeichnen zu fünnen. \ndejlen können die Theodotianer
wirfich den bl. Geiſt „Ehriſtus“ genannt baben.
7 Für Diefe Chriſtologie juchten Tbeodotus und ſein Anbang den Schriftbeweis zu
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Monardianismns 313
liefern. Philaſtrius fagt im allgemeinen „utuntur capitulis sceripturarum quae de
Christo veluti de homine edocent, quae autem ut deo dicunt ea vero non
accipiunt, legentes et nullo modo intellegentes”. Gpiphantus bat uns zum Glüd
Stüde aus den biblijch-theologifchen Unterfuhungen des Theodotus durd Vermittlung
des Syntagma bewahrt. Diefelben zeigen, daß über den Umfang des Kanon fein Streit 5
mehr tft; das Johannesevangelium iſt anerkannt, auch in diefer Hinficht iſt Theodotus
alfo Katholiker. Die Unterfuhungen find aber interejfant, weil fie nach derfelben nüchternen
eregetiichen Methode ausgeführt find wie die oben befprochenen Arbeiten der kleinaſiatiſchen
Aloger. Epiphanius erwähnt die Berufung der Theodotianer auf Dt 18, 15; Ser 17, 9;
Jeſ 53, 2f.; Mt 12,31; 1,35; Jo 8,40; AG 2,22; 1 Ti2,5 Aus Mt 12, 31 10
folgerten fie, daß der hl. Geift höher ftebe als der Menfchenfohn. Befonders lehrreich ift
die Bebandlung der Deuteronomium: und Yufasftelle. Dort betonte Theodotus nicht
nur das „ yenv Ss &ul“ und das &x r@v ddeipir“, fondern auch das „Zye-
oe“, und folgerte nun, die Stelle auf Chriſti Auferwedung beziehend: 6 dx Beov
Eyeıpönevos Aoıorös obros 00x Tv Veös dia Avdownos, Een EE abı@v Tv, 15
os xal Mwvons äydownos 7» — alfo auch der auferweckte Ehriftus iſt nicht Gott.
Zu %c 1,35 argumentierte er jo: Das Evangelium ſelbſt jagt in Bezug auf Maria:
„Geiſt vom Herrn wird auf dich fommen”; es jagt aber nicht „Geiſt vom Herrn wird
in deinem Leibe fein“; auch nicht: „wird in dich eingeben“. Ferner fuchte er die zweite
Hälfte des Satzes (did xal rö yervlusvov Ex cod Ayıov „Andnoeraı, vldös Beod) — 8
wenn wir Epiphanius trauen dürfen — von ber erjten zu trennen, als ob die Wörtchen
„do xal" fehlten, jo daß der Sinn Sich ergiebt, daß die Gottesfohnfchaft Chriſti erft
ipäter (infolge der Bewährung) eintreten werde. Mielleiht aber bat Theodotus „did
xai ganz getilgt, wie er ja auch ſtatt „mweüua äyıov“ vielmehr „nmvedua xvoiov“
gelejen bat, um jede Zmeibeutigfeit zu vermeiden. Und wenn Hippolyt ihm entgegen: 25
bält, daß Jo 1, 14 nicht ftünde „ro nvedua oao& &yevero“, fo muß Theodot mindeiteng
das Wort Adyos im Sinne von nvedua interpretiert baben, und ein alte Formel lautete
ja wirklich Xoords dv usv TO noWrov nvevua Eyevero odo& (II. Clem. ad Cor.
9.5, mo freilich fpäter Adyos für nvevua eingefeht worden iſt, ſ. d. Cod. Con-
stantinop.). 3U
Diele Seheimeite ft in Rom noch zu Lebzeiten ihres Urbebers für unerträglich ge
halten worden. ewiß unter dem Titel, er bverfündige Chriſtus als yılöv Ardow-
wor, it Theodotus in Rom vom Biſchof Victor erfommuniziert worden (ziwifchen 189
und 199).
Mie groß der Anhang geweſen ift, den Theodotus feiner Lehrweiſe in Nom er: 3
worben bat, willen wir nicht. Man wird ihn mwahrfcheinlich als unbedeutend veranjchlagen
dürfen, da der Biichof ſonſt die Exkommunikation nicht gewagt hätte. Jedenfalls it es
durch feine Wirkſamkeit noch nicht zu einer befonveren Kirchenbildung in Rom gekommen.
Der ältere Theodotus bat nur erjt eine Schule gegründet, in welcher bald verichievene
Streitigfeiten über das Detail der chriftologifchen Lehre und über die eregetifche Begrün: w0
dung derfelben auflamen. Sein bebeutenditer Schüler, Theodotus der Wechsler, und ein
gewiſſer Asklepiopotus, beide höchſt mahrfcheinlich ebenfalls Griechen, machten nad
der Exkommunikation zur Zeit des römischen Biſchofs Zephyrinus (199— 218), des Nach—
folgers des Victor, den Verſuch einer eigenen Kiechengründung in Rom. Cin Ein:
beimifcher, der Konfeflor Natalius, ließ ich, wie das fleine Labyrinth erzäblt, bewegen,
57 eine Beſoldung von monatlich 150 Denaren, Biſchof dieſer Partei zu werden.
Dieſer Verſuch mißlang. Der gepreßte Biſchof wurde bald abtrünnig — wie erzählt wird
durch Geſichte, die ihm zu teil wurden, ſchließlich durch Schläge, die ihm in der Nacht
„heilige Engel” verabfolgten — und kehrte in den Schoß der großen Kirche zurück. Co
Intereffant diefe Unternehmung an fich ift ale Beweis, wie groß bereits die Kluft ziwifchen 5
der katholifchen Kirche und diefen Monarchianern um das Jahr 210 in Rom mar, nod)
lebrreicher ift die Schilderung, twelche der Verf. des kleinen Yabyrintbs von den Führern
der Partei entivorfen hat. ie jtimmt vortrefflich mit den Berichten über die Ae&ıd700ÜVres
in Alien und über die Bemühungen des älteren Theodotus zufammen. „Die beiligen
Schriften haben fie ohne alle Scheu verfälicht, die Richtſchnur des alten Glaubens ver- 55
worfen und Chriſtum verfannt. Denn fie unterjuchen nicht, mas die heiligen Schriften
fagen, fondern fie finnen jorgfältig darauf, was für eine Schlußform zum Beweiſe ibrer
Gottloſigkeit gefunden werden fünne Und wenn ihnen jemand eine Stelle aus der
beil. Schrift vorbält, fo forſchen fie nad, ob die konjunktive oder die disjunktive
Schlupform daraus gemacht werden fünne. Die bl. Schriften Gottes ſetzen fie bei feite und so
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314 Monardianismus
beichäftigen jich dafür mit Erdmeſſung als Leute, welche irdiſch find und irdiſches reden
und denjenigen, der von oben kommt, nicht kennen. Ginige von ihnen ſtudieren darum
die (Heonietrie des Guflides mit der höchſten Hingebung; Ariftoteles und Theophraſt
werden bemundert, Halenus von Einigen ſogar angebetet. Daß aber Yeute, melde die
5 Wiffenichaften der Ungläubigen zum Beweiſe ihrer häretiſchen Anichauung migbrauden
und mit der den Gottlojen eigenen Zchlaubeit den jchlichten Glauben der bl. Schrift
verfälichen, nicht emmal an den Grenzen des Glaubens jteben — mas braucht es da
Worte? Tesbalb baben fie auch ihre Hände jo ungefcheut an die bl. Schriften ge-
legt unter den Worgeben, fie bätten fie nur kritiſch verbeilert (diwodwxevarı). Daß
io Dies feine Verleumdung ift, davon kann, wer will, fih überzeugen. Denn wenn jemand
die Handjchriften eines jeden von ihnen ſammeln und fie untereinander vergleichen würde,
jo würde er fie in vielen Stücken voneinander abweichend finden. Wenigſtens merden die
Handſchriften des Asklepiodotus mit denen des Theodotus nicht überinjtimmen. Man Tann
aber Beifpiele bierfür im Überfluß baben: denn ihre Schüler haben mit ehrgeizigem Eifer
15 alles das vermerkt, was von einem jeden von ihnen (tertfritifch) „berichtigt“, wie fie
jagen, d. b. entjtellt (getilgt) worden ıft. Mit dieſen ſtimmen biniviederum die Hand
jchriften des Hermopbilus nicht überein ; ja die Des Apollonides weichen fogar unterein-
ander ab. Denn wenn man die früber von ibnen (ihm?) bergeitellten Handichriften mit
den fpäteren, wieder geänderten vergleicht, fo findet man an vielen Stellen Varianten...
» Einige von ihnen aber baben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die bl. Schriften
u verfälſchen, fondern fie baben einfach das Geſetz und die Propheten verworfen und
N unter dem Vorwande einer geſetz- und gottlojen Lehre in den tiefſten Abgrund des
Verderbens geftürzt”.
Ein Dreifaches ift es, was der Verfaſſer des Heinen Labyrintbs an den Schülern
des gelehrten Schufters rügt: Die grammattich-formale Eregeje der heiligen Schriften, die
einſchneidende Tertkritif und die eingebende Beichäftigung mit Logik, Matbematif und den
empiriichen Wiſſenſchaften. So ſcheint es auf den erjten Blid, als jeien dieſe Xeute
überbaupt nicht mehr theologiſch intereſſiert geweſen. Allein das Gegenteil iſt der wall.
Ihr Widerſacher muß felbjt bezeugen, daß fie grammatifche Eregefe treiben, „um ibre
30 gottlofe Sätze zu beweiſen“, Tertfritif, um die Handſchriften der bl. Schrift zu ver
beſſern, Philoſophie, „um mittelft der Wiſſenſchaften der Ungläubigen ihre häretiſche An:
ſchauung zu begründen“. Er muß auch bezeugen, daß dieſe Gelehrten die Inſpiration
der beil. Schriften und den Umfang des Nanon nicht angetaitet haben (V, 28, 18).
Ihre gefamte Arbeit Steht alſo im Dienjte ihrer Theologie. Aber freilich die Metbode
35 Diefer Arbeit — es iſt Diefelbe, Die man ſchon für die Aloger und den älteren Tbeodotus
erfchliegen fonnte -— wiederfpricht der herrſchenden theologifchen Methode. Statt Plato
und Zeno werden bier Die Empiriker gefeiert, ſtatt der allegorifchen Methode der Schrift:
erflärung joll Die grammatiſche allein gelten, Ttatt den überlieferten Tert einfach hinzu:
nebmen, wird bier ein urjprünglicher Tert zu ermitteln verfucht. Wie einzigartig und
foftbar find doch dieſe Mitteilungen! Wie lehrreich ift es zu eben, dab dieſe Methode
den Kirchenmann fremd, ja bereits bäretifch anınutet, daß er zwar gegen die Beichäftigung
mit Plato gewiß nichts einzuwenden gebabt bätte, aber ein Grauen ihn befällt, werm
Ariitoteles, Euflid und Galen jene Stelle einnebmen follen. Der Unterſchied war frei:
lich nicht nur ein metbodifcher. Bei dem Damaligen Yuftande der firchlichen Theologie
15 mußte er zu einem prinziptellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß die Kraft
und Wärme der religiöjen Überzeugung bei Männern, welche die gefamte religtiöje Philos
ſophie der Griechen zurüditellten, eine befonders erhebliche war. Denn von wo anders
ber fchöpfte man damals vornehmlich frommen Enthuſiasmus, wenn nicht von dort oder
aus der Apokalyptik? Auch it es wenig verwunderlich, daß der Verſuch einer Kirchen:
gründung zu Rom, welchen dieſe Gelehrten unternahmen, fo ſchnell fcheiterte. Sie mußten
Offiziere bleiben obne Armee; denn mit Srammatif, Textkritik und Logik konnte man felbft
die vorzüglichfte und durch lange Überlieferung ehrwürdige chriſtologiſche Yehrform in den
Gemeinden nur Disfreditieren. So fteben diefe Gelehrten neben der Kirche, obſchon fie ſich
ale Katholiker fühlten. Als „echte Gelehrte -- es iſt Das ein überaus charafteriitifcher
5 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — baben fie auch eifrig darüber gewacht, daß jebem
der Ruhm feiner Monjefturen und Verbeſſerungen gewahrt bleibe. Von den Arbeiten —
auch das Syntagma weiß von ſolchen; ſ. Epipban. 55, e. 11: aAdrrovow Eavrois xal
Bißkovs Erunkaorovs -- dieſer eriten gelebrten fircliden Eregeten iſt nichts auf und
gefommen. Ohne eine ipürbare Wirkung auf die Kirche ausgeübt zu haben find jte da⸗
go bingegangen. Siebzig Jahre jpäter iſt unter ganz ähnlichen Verhältniſſen zu Antiochien
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Monarchiauismus 315
neben der großen Kirche eine Gelehrtenſchule entſtanden, die die Arbeit der römiſchen
Theologen wieder aufgenommen hat. Aber ſie hat eine der gewaltigſten Kriſen in der
kirchlichen Dogmatik herbeigeführt.
Die methodiſch-exegetiſche Unterſuchung der hl. Schriften hat die Theodotianer in
ihrer Vorſtellung von Chriſtus als dem Menſchen, in welchem der Geiſt Gottes in be 5
jonderer Weife wirkſam geweſen, beſtärkt und fie zu Gegnern der Yogoschriftologie ge:
madt. Der Verfafier des Kleinen Labyrinths giebt nicht an, worin ſich die Lehr—
form des jüngeren Theodotus von der des älteren unterjchieven babe. Wenn er fagt,
daß Cinige der Theodotianer das Geſetz und die Propheten vertoorfen haben, fo
darf man wohl annehmen, daß fie lediglich die Nelativität der Autorität des AT be- 10
tont baben; denn von einer Verwerfung des katholiſchen Kanons feiteng der Theodotianer
iſt ſonſt nichts befannt. Aus den Philoſophumena iſt zu erjeben, daß die Frage, ob man
Chriſtus etwa nad) der Auferjtehung „Gott“ nennen dürfe, in der Partei fontrovers ge-
weſen ift, Die übrigens die wunderbare Geburt, d. b. überhaupt die Tatholifhe regula
fidei, anerlannt hat. Nun aber hat Hippolyt im Syntagma aus den exegetifchen Ar-
beiten des jüngeren Theodotus, ohne die Duelle näher zu bezeichnen — ſie wird aber
durch Pjeudotertullian und die Philoſophumena deutlich — eine Stelle vorgenonmen, die
Behandlung von Hbr 5, 6. 20f.; 6, 20f.; 7, 3. 17, und daraus eine fapitale Härefie
geitaltet. Die fpäteren Berichterjtatter haben dies begierig aufgegriffen und eine Sekte
der Melchiſedekianer erfunden, die allerdings den Chriftennamen faum mehr verdiente — 20
wenn fie überhaupt beitanden hätte. Theodotus foll gelehrt haben (Epiph. h. 55),
Melchiſedek fei eine ehr große Kraft (Övvawis tıs ueylorn) und erhabener als Chriſtus
geweſen; dieſer verhalte fih zu ibm lediglich wie das Abbild zum Urbild. Melchiſedek
fei der Fürfprecher der himmlischen Mächte vor Gott und der —** Prieſter der Men:
ſchen (det Huäs to Meiyıosdex ngoopEgew, iva di’ adrov noo0eveydj Into Yumv, %
xai edowmuev di adrov Lwrnv), Jeſus ſei als Priefter um einen Grad niedriger; jenes
Urſprung fei vollig verborgen, weil eben himmliſch (nach Hbr 7, 3), Jeſus aber ſei von
Maria geboren. Dem weiß Epiphanius noch hinzuzufügen, daß die Partei fogar eis
övoua tod Meiyweötx ihre Oblationen darbringt; denn er fei der ‚Führer zu Gott,
der Fürſt der Gerechtigkeit, der wahre Sohn Gottes. Daß Theodotus und feine nüch: 80
ternen Schüler nicht einfach jo gelehrt haben fünnen, liegt auf der Hand. Auf den eriten
Blick ſieht es ganz fo aus, als hätte ſich Iheodotus hier einen eregetifchen Scherz mit
feinen Gegnern erlaubt, der ihm in der empfindlichiten Weife angefreidet worden ift.
Vielleicht hat er zeigen wollen, daß nach derfelben Methode, nach welcher feine Gegner
überall die Präexiſtenz und das himmlische Weſen Chriſti in der Schrift bezeugt finden, 86
man auch aus Hbr 5—7 einen präeritenten, ja über Ebrijtus erhabenen Melchiſedek ab-
leiten könne. Tiejer Spott wäre um fo iveniger überflüflig, als Epiphanius felbjt be:
kennen muß, daß unter den Katholifern Streit fei über die Beurteilung des Melchiſedek
(55 ec. 7): ol uev yao, jagt er, adıov vonilovan YVceı ıöv viov tod Veod Ev löla
avdomnov ıdıe 1 Aßopaau nepnvevaı. (5. aud Clemens, Aler., Strom. IV, 161; 0
Hieralas bei Epiphan. h. 55 ce. 5, h. 67 ce. 3; Philaftr. h. 148. Wichtig iſt Hieron.
ep. 73. Um +00 hat der ägyptijche Eremit Marcus eine eigene Schrift eis tov Mel-
zwoeö&x xara Melywedexeicv gejchrieben d. b. eben gegen folde, die in Melchiſedek
eine Erfcheinung des mwahrhaftigen Sohnes Gottes gejehen haben, f. Photius, Biblioth.
200; Diet. of Christ. Biogr. III p. 827, ferner Theodoret, h. f. II, 6, Timotheus 45
Presb. bei Cotelier, Monum. Ecel. Gr. III p. 392 ete.).
Alleın fo einfach kann man fih mit den Berichten des Syntagma und der Philo—
fophumena nicht abfinden; denn augenjcheinlih liegt ihnen eine fchriftlihe Duelle zu
Grunde, und die fompromittierenditen Zeugniſſe für einen Melchiſedekkultus bei den Theo:
dotianern find mit paol» eingeführt und jteben im Zufammenbang mit Ausfagen, Die 50
augenjcheinlih in mwörtlicher Miedergabe tbeodotianiiche find. Unmittelbar nad den oben
‚ mitgeteilten Worten: dei Huäs alt nooopEgew xt4. (Epipbantus h. 55, c. 8) folgt
; mämlich: xal Aguorös ulv, paoiv, E&cieyn va Hhuäs xalkon &x nollav 6öav eis
navy tavıny mv yr@o, Uno Veov xeypiouevos xal Exkextös yerdusvos, Erreidt)
—
6
äntoroewev quãc ano eldwiwrv zul Unedeıkev Nuiv vv ödor. ’EE obnep 6 äno- 55
erolos Anooraleis aneraivwev Huiv Öt eyas Eoriv 6 Meiyıeöix xal.. . Öt
16 Einooov Ex Tov ueilovos edioyeltau, dia Tovro, pol, xal Töv “Aßoaau ToV
aaroıdgxny ebÄöynosv cds ueicwv oiv' od (scil. Tov "Aßoaau) Hueis Eouev uvoraı,
Tuywusv nag abrod ıns ebdoylas. Die chriſtologiſche Anſchauung, wie fie in
der erften Hälfte diefer Satzgruppe formuliert ft, ift num getwiß nicht Yon einem Gegner @
314 Monardjianismus
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a . Er muß auch bezeugen, daß Diele ehrten Die Anfpiration
—— und den Umfang des Kanon nicht angetajtet haben (V, 28, 18).
re gefamte Arbeit ſteht alfo im ‚Die —* Theologie. Aber freilich die Methode
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erſchließen konnte — wiederſprich — theologiſchen M Statt Plato
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—— ſoll die grammatiſche allein „ſtatt den überlieferten Tert einfach
nebmen, wird bier ein urjprünglicher a ermitteln verſucht. Wie einz I
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den Kirchenmann fremd, ja bereits häretiſch anmutet, daß er zwar gegen die
mit Plato gewiß nichts —— gehabt hätte, aber ein Grauen ihn
Aristoteles, Euflid und Galen feine Stelle einnehmen follen. Der Un ied war „mem
lich nicht nur ein methodiſcher. Bei dem damaligen Zuftande der kirchlichen Theologie
45 mußte er zu einem pringipiellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß die Kraft
und Wärme der veligiöfen Überzeugung bei Männern, welche die gefamte religibſe Philo-
jopbie der Griechen zurüctellten, eine beſonders erhebliche war. von wo anbers-
ber jchöpfte man —— vornehmlich frommen Enlhuſiasmus, wenn nicht von dort oder
aus der Apokalyptik? Auch ift es wenig verwunderlich, daß der Verfuch einer
x gründung zu Rom, Die dieje Gelehrten unternabmen, jo Schnell fcheiterte, Sie mu
ziere bleiben ohne Armee; denn mit Grammatif, Tertfritif und Logik fonnte man jelbjt
bie vorzüglichite und durch lange Überlieferung ebrivündige —— ne — in den
Gemeinden nur diskreditieren. So ſtehen dieſe Gelehrten ne
als Katholiker fühlten. Als „echte” Gelehrte — es ift das ein — i
56 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — haben fie auch eifrig darüber —* dab
der Ruhm feiner Konjelturen und Verbeflerungen gewahrt bleibe. Von den Arbeiten —
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Bißkovs Erunkaorovs — diejer erſten gelebrten firchlichen Exegeten iſt nidts auf uns
gefommen. Ohne eine fpürbare Wirkung auf die Kirche ausgeübt zu baben find fie dar
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314 Monardjianismus
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eben konnte — wiederſpricht der berrichenden theologiſchen a Statt Blato
* —* werben bier die Empiriker gefeiert, ſtatt der allegoriſchen Methode der Schrift—
— ſoll die grammatiſche allein gelten, ſtatt den überlieferten Text einfach hinzu—
nebmen, wird bier ein urfprünglicher Tert ——— ermitteln verſucht. Wie nr
10 foftbar find doch dieſe Mitteilungen! Wie lehrreich ift es zu ſehen, daß dieſe
Kirhenmann fremd, ja bereits häretifch anmutet, daf er zwar gegen Die
mit Plato gewiß nichts re nebabt hätte, aber ein Grauen ibn bef *
Ariſtoteles, Euklid und Galen feine Stelle —— ſollen. Der ——
lich nicht nur ein methodiſcher. Ber dem damaligen Zuſtande der kirch —9— Sisto
5 mußte er zu einem prinzipiellen werden. Und es iſt nicht anzunehmen, daß bie
und Wärme der religiöfen Überzeugung bei Männern, welche die gr vefigtöfe Ppile- Bde
opbie der Griechen zurüditellten, eine > befonders erbebliche war. Denn von wo anders
ſchöpfte man damals vornehmlich frommen Entbufiasmus, wenn nicht bon dort —
aus der Apofalyptit? Auch iſt es wenig verwunderlich, daß ber Fe einer
” grünbung zu Nom, welchen dieſe Gelehrten unternabmen, jo ſchnell fcheiterte. Sie n
ffiziere bleiben obne Armee; denn mit Grammatik, Textkritik und Logik fonnte man vi
die vorzüglichite und durch lange Überlieferung ebrivürdige hriftologifche —— in den
Gemeinden nur diskreditieren. So ſtehen dieſe Gelehrten neben der Ki ı fie ſich
als Katbolifer fühlten. Als „echte“ Gelehrte — «8 tft das ein überaus 6
55 Zug, der von ihnen mitgeteilt wird — haben fie auch eifrig darüber getwacht, Dan ed
der Ruhm ſeiner Konjekturen und Verbeſſerungen gewahrt bleibe. Bon ben Arbeiten
auch das Syntagma weiß von folden; ſ. Epipban. 55, e. 11: nÄdrrovam davrois zal
Bißkovs Erunkdorovs — diejer eriten gelebrten kirchlichen Eregeten iſt nichts auf =
nefommen. Obne eine fpürbare Wirkung auf die Kirche ausgeubt zu haben find fie da⸗
so bingegangen. Siebzig Jahre jpäter it unter ganz ähnlichen Berbältniffen zu Antiodyien
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316 Morerchi rid
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nun aanı tolaered: un? nit: untaeriıt, zen Ro Skemmium. dem Den Abraham er:
ichienenen Keniae der beredzister, 2a on un! Same atmen db Die Chriften,
geſegnet babe, Lem warten, erızen Soon: (Hsmee, seküsre Clarion und Anberung. Und
wenn Meem Zchne (menge zesenuker der ervetlte un? aetelbee Kecht Gottes, Jeſus,
ſofern er eben Nenich iit, zuncchit: is inierie: crichein: o mer darin ibre Vvoñtion keine
ungünſtigere, als es die ge Sermas zorden it Denn sub nad Hermas iſt Jeſus als
der nur adoptierte Zohn (sozie im BL Mate ls dem amisen Zchne eigentlich un:
vergleichbar, oder vielmehr er verbal: Ah su ihm, um einen shertstiantichen Äusdruck zu
gebrauchen, wie das Abbild sum Urbild. Tob walte: intorerm allerdings ein großer
Unterjchied zwiſchen Theetotianern un? Hermas ob, als jene die Srefulatienen über den
ewigen Sohn (srttes unsreitelbaft Dazu benug: haben, um ven dem biftertichen Menſchen
Jeſus aufzufteigen su jenem Zohne und das Hiſtoriſche uberbaupt als ein Untergeordetes
zu überwinden Evirb. h. 55 c.», weven ſich bei Hermas nichts findet. Somit baben
50 jich dieſe Theodotianer in abnlicher Weiſe wie Origenes durch die Spetulation von dem
bloß Geſchichtlichen beircien wollen, indem fe wie jener den ewigen Sobn Gottes dem
Gekreuzigten übergeordnet haben. Tie Probe auf die Nichtigkeit dieſer Annabme bietet
Die Beobachtung, daß ſich tie Meichieretipekulationen gerade in Der Schule Des Urigened
fortgeiegt haben. Wir finden fe, und zwar mit Derielben auf Die Herabſetzung De?
3 hiſtoriſchen Sohnes Gottes gerichteten Tendenz, bei Hierakas und feinem Mönchsverein
ſowie bei origeniitiihen Menden in Ameten im 4. und 5. Jabrbundert. Es ergiebt
ſich alſo, daß dieſe Ipeologen Die alte remüche, von Hermas vertretene Cbhriſtologie bei-
behalten, aber tbeologiſch bearbeitet und Demaemäß ihre Abswedung verändert baben.
Wurde Damals Der Sir in Der romiichen (Semeinde noch aeleien, während doch Die
theodetianiiche Chriſtologie verdammt war, jo bat man jich die Chriſtuslehre des
Buchs umdeuten müſſen. Dies fonnte nad der eigentümlichen Belchaffenheit Des Buchs
nicht ſchwer fallen. Man kann aber fragen, ob Die Lebre der Theodotianer wirklich als
eine menarcianiiche zu bezeichnen iſt, da ſie Dem heiligen Geiſt neben Gott eine beſondere,
wie ar Seine jelbitſtändige, Rolle zuweiſt. Indeſſen, vs läßt ich nicht mehr feſtſtellen,
»wie Arte Thenlegen Die beiondere Hwpoſtaſe des Geijtes mit der Ginperjönlichfeit Gottes
vermittelt bahen. Zewicl Mt aber gewiß, daß in ter Chriftologie der Geiſt nur als Kraft
fir ſie in Betracht gekommen it, und daß ſie Die Gegenlebre, Die Yogeschriftologie, nicht
eu. bulb wuriwerfen haben konnen, weil ſie von einem zweiten göttlichen Weſen nchen Gott
iiherhaupt nichts wiſſen wollten. Dies wird durch ihre eigene Yehre von bl. Geift und
ſrinen Erſcheinung im AT bewicen. Dann aber liegt die Tifferenz mit ihren Gegnern
bt auf dem EGebiete Der (Gotteslebre, vielmehr ſind fie in der Hauptfache bier mit einem
Tbenfegen wie Hippolyt einig. Jit Dem fo, Dann find Die Gegner ibnen unziveifelbaft
uherlegen; ſie ſelbſt aber bleiben binter der überlieferten Schätzung Chrifti zurück. Giebt
Nnaämlich einen ewigen Sobhn Gottes oder etwas dem ähnliches und iſt derſelbe im
„I. B. erſchienen, To kann Die überlieferte Scatzung Jeſu nicht mehr feſtgehalten werden,
wenn man ibm dieſen Zohn entfremdet. Die Formel von dem geiſtgeſalbten Menſchen
reicht dann nicht mebr aus, um Die überragende Größe der Uffenbarung Gottes in
Ehriſtus feitzuftellen, und es iſt nur folgerecht, daß die altteftamentlichen Theopbanien in
hellerem Yichte erſcheinen. Hier zeigt es fich, warum in den Gemeinden, nachdem bie
theologiſche Neflegion einmal erwacht war, Die alten chriſtologiſchen Vorftellungen ver:
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Monarchianissuns 317
baltnısmäßig fo fchnell ſich ausgelebt und der vollftändigen und weſenhaften Apotbeo:
fterung Jeſu Plab gemacht haben. Es iſt vor allem auch die cigentümliche Betrachtung
des AT.S geweſen, welche dazu geführt bat.
Sofern die Theodotianer eine einſt giltige, aber entbufiajtiiche Glaubensform auf bie
Stufe der Theologie zu erbeben und als die einzig zutreffende zu verteidigen geſucht 5
baben, foren ſie die Bezeichnung Jeſu als Hess ausdrücklich abgelehnt oder doch für
fontrovers erllärt haben, jtellt jich ihr Unternehmen als eine Neuerung dar. In dieſem
Zinne, aber auch um des neuen Intereſſes willen, welches ihre Vertreter an der alten
Formel nahmen, ift es als eine Neuerung zu beurteilen. Denn fchmwerlic wird man vor:
katholiſchen hrijten wie Hermas ein bejonderes Intereſſe an der weſenhaften Menjchheit
Jeſu zufprechen lönnen. Sie glaubten gewiß in ihren Formeln die höchitmögliche Schägung
des Erlöfers zu vollziehen und wußten es nicht anders. Diefe Theologen dagegen ver:
teidigten eine niedere Vorftelung von Jeſus gegen eine höhere. So darf man in ihrem
eigenen Sinne urteilen, denn ſie ließen die Voritellung von einen himmlischen Sohne
Gottes beitehen und haben überhaupt diejenige Gefamtrevifion der herrſchenden Lehre 15
nicht vollzogen, die fie berechtigt hätte, ihre hriftologifche Anſchauung als die wirklich
legitime und zureichende zu erweifen. Sie haben zwar den SchriftbeiveiS für dieſelbe
angetreten und find gewiß dabei ihren Gegnern überlegen geweſen, aber diefer Beweis
deckt nicht die Xüde in dem dogmatiichen Verfahren. Da fie auf den Boden der regula
fidei jtanden, jo ift es ungerecht und unhiſtoriſch zugleich, ihre Lehrform für „ebionitifch” 20
zu erklären oder fie mit der Formel abzutun, Chriftus fei ihnen lediglich yılos Avdowros
geweſen. Überjchlägt man aber die „eitberhälimile, unter denen fie auftraten, und die
erzeifiven Erwartungen, welche ziemlich allgemein fchon an den Belig des Glaubens ge:
beftet wurden — vor allem die Ausficht auf eine zukünftige Theopoieſis aller Gläu—
igen —, fo fann man fih dem Gindrude nicht verfchließen, daß eine Xehrform für:
nibiliftifch gelten mußte, welche es nicht einmal bei Chriftus ſelbſt zu einer Apotheofe
brachte oder doch höchſtens zu einer ſolchen, wie fie etwa auch für die Kaiſer oder für
einen Antinous von den Heiden erträumt wurde. Der apofalyptifche Enthufiasmus ging
allmählihb in den neuplatonischen Myſticismus über. Diefen Übergang haben jene Ge-
lebrten nicht mitgemacht, vielmehr einen Teil der alten Vorftellungen auszulöfen und mit so
den Mitteln der Wiſſenſchaft, wie ihre Gegner, zu verteidigen geſucht.
Noch einmal, 20—30 Jahre fpäter, iſt von einem gewiſſen Artemas der Verſuch
gemacht worden, die alte Chriftologie zu repriſtinieren — wahrjcheinlih zu Nom, jedod)
ift dies nicht direkt überliefert, fondern kann nur erfchloffen werden. Über dieje legte
Phaſe find mir aber am fchlechtejten unterrichtet; denn Euſebius bat aus dem Werte 85
gegen Artemas und feinen Anhang, dem kleinen Yabyrintb, fait nur Nachrichten, welche
die Theodotianer betreffen, mitgeteilt. Wir erfahren bier indes doch, daß die Partei ſich
auf das biftorifche Recht ihrer Lehre berufen bat, indem fie behauptete, erſt der Biſchof
Zephyrin babe die wahre Lehre, welche fie verteidigten, verfäliht (V, 28, 3: gaol ya
ToVs EV nporepovs Änavras xal adrols Tovs dnoorölovs napeinpevaı Te xal v—
x&vaı ravra, A vüv obroı Akyovaı, xal ternonoſas ın» dAndeıav Tod xn0UyY-
paros u£roı ı@v xodvwy ta Bixtooos . . ano det tov d1adoxov abrod Zepvolvov
aagaxeyapaydaı ıyv dinderav. — Tas relative Hecht dieſer Behauptung 4 unbe⸗
ftreitbar, zumal wenn man erwägt, daß Zephyrin die gewiß neue Formel: „der Vater
bat gelitten”, nicht mißbilligt hat). Wenn der Verfaſſer des kleinen Labyrinths ihnen 45
entgegenhält, daß ja bereits Victor den Theodotus erfommuniziert babe, jo kann dieſe
Thatfache doch den Artemoniten nicht unbefannt geblieben fein. Zieht man aber weiter,
wie jich der Verf. augenjceinlid bemübt, ihnen den Theodotus als ihren geijtigen Vater
iden, jo kommt man zu dem Sclujie, daß jich die Partei eben mit den Theodo—
tianern nicht identifiziert bat. Worin fie von dieſen unterfchieden iſt, läßt fich allerdings 50
nicht mehr angeben. Nur das ijt gewiß, daß auch jie das Prädikat „Gott“ für Jeſus
abgelehnt hat; denn der Verf. jicht ſich genötigt, die Berechtigung desjelben aus der Tra—
Mtion zu erweilen. Der Beweis wird aus den Schriften der Apologeten, des Glemeng
und — ſowie aus angeblich uralten kirchlichen Pſalmen und Oden geführt. Arte—
mas bat noch am Ausgange des 7. Dezenniums des 3. Jahrhunderts in Nom gelebt — 55
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; aber freilich öl von der großen Kirche getrennt und obne bedeutende Wirkſamkeit:
| findet fich doch jelbjt in den Briefen Cyprians feine Notiz über ibn. Daß er um 270
noch gelebt bat, willen wir aus dem antiochenischen Synodaljichreiben wider Paul von
| Samofata. Dort heißt e8 (Euſeb. VII, 30): „Baulus mag an Artemas Briefe jchreiben,
und Die Anhänger des Artemas jollen mit ibm Gemeinſchaft balten“, und ſchon vorber: &@
AT.) Monarchianiemus
ander ont bye Website Religion zum (Geſpotte und tbut mit ber ruch—
las anlte dan Mbit Aveß denn warum follten wir nicht endlich jeinen Vater
nen ntanterostattd lt its noch einmal, daß Artemas su Den dynamiſtiſchen
nf hebt to Duni Be Kuſammenſtellung mit dem ſchen durch ſeine
ent an so Nissdenn Vaulus Samoſata iſt Der Name des Ar:
andren son. Ne Brnprzsisoon Drient gekommen und bat telbtt Den
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Monardianismns | 319
diefen und den Mooptianern. Derfelbe Zweifel erbebt fih in Bezug auf die Lehre des
Beryll von Boſtra, den Origenes bekämpft hat. Gewiß tft, daß diefer Bifchof monardia-
nifch lehrte und Widerſpruch bei feinen Kollegen in Arabien fand (Eufeb., h. e. VI, 33,
j. auch Sofrat., h. e. III, 7). Aber wie die Charakteriſtik feiner Lehre (bei Eufeb) zu
deuten iſt, ift nicht ganz ficher: rôy owrrjoa xal xUgLov Yußv un ngoügpeordvan xal 6
idiay obolas nepıyoaynyv oo Tis eis dvdownovs Enuönuias unde Yedınra ldiav
Eyeıv, AA’ Eunokrevousvnvy aut uöynv my naroımnv. Doch iſt es überwiegend
wabricheinlich, daß die dynamiftifche Lehrweiſe hier gemeint ift. Origenes murbe nad)
Arabien berufen, und es gelang ihm in einer Disputation (im Jahre 244 jagt man),
den Biſchof gütlich von feinem Irrtum zu überzeugen. Derjelbe mag in Arabien mit 10
allgemeineren theologiſchen Lehren, in denen die platonifche Religionsphiloſophie feine
Stätte batte, in Zuſammenhang geitanden haben.
Daß auf dem femitisch-helleniftifchen Boden die dynamiſtiſche Chriftologie auch ſonſt
verbreitet war, zeigte ji) darin, daß der Inhaber des wichtigſten Stuhls im Orient, Paul
von Samofata, Bifchof von Antiochien, fie feit ce. 260 nachdrücklich geltend machte und 15
der Lehre von der phyſiſchen Gottheit Chriſti entgegenſetzte. Dadurch kam es erſt zu
einer großen Kontroverſe im Orient, die mit der Niederlage des Adoptianismus endete.
Die wichtigſte Quelle für Paulus' Geſchichte und Lehre ſind die Akten der gegen
ihn gebaltenen antiocheniſchen Synode (d. h. die tachygraphiſche Nachſchrift der Disputa-
tion zwoifchen Paulus und dem antiochenifchen Presbyter Maldion) und die Synodal- 20
ſchreiben. Wir befigen diefelben, während fie noch im 6. Jahrhundert exiftierten, heute
nur in Fragmenten und zwar bei Eujebius h. e. VII, 27—30 (Hieron. de vir. ill. 71
Chron. Hieron.), in Juſtinians Tract.c. Monophysit., in der Contestatio ad Clerum
CP. in den Alten des ephef. Konzild, in des Leontius Byzant. Schrift adv. Nestor.
et Eutych. und in dem Bude des Petrus Diaconus de incarnatione ad Fulgen- 25
tum. (Alles dies bei Routh, Rel. S. III?, p. 300 sq. 326sq., wo aud die Fundorte
angegeben find.) Ilngezweifelt ift das Eynodalfchreiben von fechs Bifchöfen an Paulus,
weldyes Turrianus veröffentlicht hat (Routh 1. c. p. 289 sq.); doch fprechen für die Echt:
beit überiwiegende Gründe. Entſchieden unecht tft ein Brief des aler. Dionvfius an Paulus
(Manſi I, p. 1039 sq.), ebenfo ein angeblich nicänifches Symbol gegen ihn (f. Gaspari, so
Quellen IV, S. 161.) und ein anderes, welches ſich in dem Klagefchreiben gegen Neſto—
sus findet (Manfi IV, p. 1010). Aus der Schrift „Doctrinae Patrum de verbi
incarnatione“ hat Mai (Vet. Script. Nova Coll. VII, p. 68 sq.) fünf Fragmente von
Reden des Paulus („ol roös Zaßıvov Adyoı“) veröffentlicht, die von dem höchſten In:
tereffe find (nicht ganz korrekt abgedrudt bei Routh 1. c. p. 328 89.). Doch wird man, 36
da fie bisher nicht geprüft worden, gegen ihre Echtheit Bedenken erheben Tünnen, die ſich
vielleicht nicht völlig erledigen laffen. Schriften des Paulus erwähnt Vincentius, Com-
monit. 35. In zweiter Linie kommen die Zeugniffe der großen Kirchenväter des 4. Jahr:
bunderts in Betracht, die zum Teil auch auf den Alten, zum Teil auf münblicher Ueber:
lieferung beruhen: ſ. Athanafius, ec. Apoll. II, 3. IX, 3 de synod. Arim. et Seleuc. «0
26. 43. 45. 51. 93. Orat. c. Arian. II, n. 43; Hilarius, De synod. n. 86, p. 1200;
Epbraem junior bei Photius, Cod. 229; Gregor Nyſſ., Antirrhet. adv. Apoll. $ 9,
p. 141; Bajilius, ep. 52 (olim 300); Epiphan. h. 65 und Anaceph.; vgl. auch dic
3. antioch. Formel und die form. macrostich. (Hahn, Biblioth. der Symbole, 2. Aufl.
85. 89), jowie den 19. Kanon des Konzils von Nicäa, nach welchem Anhänger des 46
us behufs Aufnahme in die fatholifche Kirche noch einmal getauft werden müſſen.
in paar Notizen auch in Cramers Gatene in S. Joannem p. 235. 259 sq. Ginzelnes
Brauchbare noch bei Innocenz I. ep. 22, bei Marius Mercator, in der Suppl. Impp.
Theodos. et Valentiniano adv. Nestor. des Diaton Bafılius, bei Theodorus de Raithu
(j. Routb 1. c. p. 327 sq. 357), Aulgentius u. |. w. Bei den fpäteren Keßerbeitreitern co
son Philaſtrius ab und in den Beichlüffen der Synoden vom 5. Jahrhundert ab begegnet
Rur anntes (Philaſtr. h. 64; Auguftin h. 44. Prädeſt. 44 u. f. w.). Sozom., h. e.
IV, 15 und Theodoret h. f. II, 8 ijt noch von Wichtigkeit. Vom libellus synodicus
M abaujehen. V |
urch die alerandrinifche Theologie des 3. Jahrhunderts war der Gebrauch der Bes 55
griffe Adyos, odola, nodownov ete. in der Dogmatik legitimiert und unumgänglich ge=
nacht. Zugleich war ın den meiteften Kreifen die Vorftellung zur Herrichaft gefommen,
up vie urjprüngliche Natur des Erlöjers nicht menfchlich, ſondern göttlich jei, daß der:
| mithin nicht erft von der menſchlichen Geburt ab exiftiert babe. Hier feste Paul
im. Nähere Nachrichten über die Vorausfegungen und die Anläffe der Kontroverſe fehlen oo
320 Monarhianissuns
und. Tod bleibt es denfwürdig, daß nicht eine Provinz des römischen Reiches, ſondern
Antiodyien, das damals zu Palmyra gebörte, der Schauplag dieſer Bewegung geweſen iſt.
Achtet man darauf, daß Paulus Vizefünig im Neiche der Zenobia war (|. Bernbarbt,
(Gejchichte des römischen Meiches jeit dem Tode Valerians S. 170. 1787. 306 F.), daß
5 von naben Beziehungen zwiſchen ibm und der Königin berichtet wird, daß jein Sturz
den Steg der römischen Partei in Antiochten bedeutete, jo darf man annehmen, daß
binter dem tbeologifchen Streit auch noch ein politifcher lag, und Daß die Gegner des
Paulus zur römischen Partei in Syrien gebörten. Dem vornehmen Wetropoliten und
fundigen Theologen, der von den Gegnern freilih als ungeijtlicber Kirchenfürft, eitler
10 Prediger, bochfabrender Weltmann und verjehlagener Sophiſt gejchildert wird, war nicht
leicht beizufommen. Die Brovinzialionode, in der er ja den Vorjig zu führen batte, reichte
nicht aus. Aber ſchon in der novatianifchen Angelegenbeit, welche den Urient zu ſpalten
drohte, war im Sabre 252 (253) das Erxperiment eines orientaliichen Generalfonzils mit
Glück verfudt worden. Es wurde wiederbolt. Cine große Synode trat im Sabre 261
15 — wir wiſſen nicht, wer fie berufen bat --- in Antiochien zujammen, der Bilchöfe aus
verjchiedenen Teilen des Urients benvobnten, jo vor allem ;sirmilian von Gappadocien.
Der greife alerandriniihe Biſchof Dionyſius entjchuldigte ſein Nichterfcheinen durch ein
Schreiben, in welchen er wenigſtens nicht für Baulus Partei nahm. Dieſe erite Synode
verlief refultatlos, angeblich weil der Beklagte feine faljchen Lehren Hug verbüllt batte.
Auch eine zweite war noch ohne Erfolg. Firmilian jelbit verzichtete auf eine Verurteilung,
„weil Paulus feine Meinung zu ändern verſprach“. Erſt auf einer dritten Synode
(zwijchen 266 und 269, wahrjcheinlih 268) zu Anttochten — Firmilian jtarb auf dem
Wege dortbin zu Tarfus - - wurde die Grfommunifation über den Metropoliten verbängt
und ibm ein Sachfolger in Domnus gegeben (die Zabl der Synodalen wird verjchieden
2; angegeben, auf 70, 80, 180), nachdem namentlich cin antiochenifcher Sophiſt und Bor:
jteber einer Gelebrtenjchule, zugleich Presbypter der Nirche, namens Maldion, wider ibn
disputiert hatte. „Er war allein unter allen im ſtande, jenen verjtedten und trügeriſchen
Menſchen zu entlarven”. Die Alten der Disputation zuſammen mit einem ausführlichen
Schreiben wurden von den Synodalen nad Rom und Alerandrien und an ſämtliche
30 katholiſche Kirchen gefandt. Bon Zenobia geſchützt blieb aber Paulus noch vier Jabre
in feinem Anite; die Kirche zu Antiochien fpaltete fih (Eyevorro oxiouara Aawr, üxa-
raotaciaı legEwr, Tapgayı) zouuerwv, ſagt Balılius Diaconus | Act. Conc. Ephes. III,
p. 127 Labb.)). Erſt im Jahre 272 wurde Antiochien von Aurelian eingenoninten, und
perfönlich entichied der daſelbſt anweſende Kaiſer, an den appelliert wurde, daß das
35 Nirbenbaus demjenigen zu übergeben fei, mit welchem die chriftlihen Biſchöfe Italiens
und der Stadt Nom im brieflichen Verkehr jtünden - ein Befcheid, der natürlich aus
politifchen Gründen erfolgte.
Die Yebre des Paulus, melde von den Vätern als eine Erneuerung der artemonis
tiſchen, bald aber auch als neujüdifch, ebionitiſch, Später als neſtorianiſch, monothele⸗
so tiſch ()) u. f. w. bezeichnet wird, war Diefe: Gott iſt fchlechtbin einperfönlih zu denken.
Vater, Sohn und Geiſt find der cine Gott (dv novownor). Wohl kann in Gott ein
Logos (Sohn) rejp. eine Zopbia (bl. Geiſt) unterfehieden werden (Xogos übrigens bei
Paulus identisch mit Sophia), aber fie find Eigenfchaften Gottes (un elvam row viör
tod BEod Erunooraror, üahka Er alt To de — & Veo bruuoryun dvvndoraros —
185 Heros 6 narıjo al ö viös altod Er attad as Aöyos &r dvdowno). Gott fehl
den Yogos von Ewigkeit ber aus ſich beraus, ja zeugt ibn, jo daß man ihn Sohn nennen
und ibm ein Sein beilegen kann, aber er bleibt eine unperfünliche Kraft (Adyos ro0pe-
oIxös - - Ö no0 air wios - - Tor Aöyov PyErınoev Ö Deös Äävev nagdevov
ävev TIvög OVÖEVös Övros ni Tod Veov' zal obtws önéorn 6 Aöyos). Er tann
zo darum jchlechterdings nicht in die Erſcheinung treten (oopla obx 17 Öbvaros Er
narı ebgioxeodau, otör &r VE Ardods' elsav yao TWv dowusrwv Eori). Dieſer
Yogos bat in den Propheten gewirkt, in noch böberem Maße in Mofes, auch in viden
anderen, am meiften (wilkov zal drageoortons) in dem von der Jungfrau aus dem
hl. Geiſt geborenen Davidsſohn. Der Erlöfer ijt feinem Wejensbeitande nach ein Menſch,
55 der in der Zeit Durch Die Geburt entjtanden tt, er it alfo „von unten her”, aber von
oben ber wirkte in ibn Der Yogos Wottes binein (Adyos usw Avywder, ’Inooüs Ö8
XKoworos avdownos &rtedder : - Notorös ano Maoias xal devoo dorw — Gr
Vownos 1» 6 Inooös, xal Er alto) Ev&nvevaer üvwder 6 Aöyos. O nariyo yde
äna 7a via |scil. tw Aoyw| eis Weus, ö de Avdomnos xndrwder rö Ldıoy
wwror Laogalreı, xal olTtws Ta ÖVo Agdowna Anpovrraı -- Ägıorös Evrevder
*
—
*
Monarchianismus 321
rijc bnaokews nv coxn Loynxos — Akyeı Thooõũv Xgroröv xdrwder). Die Ber:
bindung des Logos mit dem Nenfchen Jeſus ift vorzuftellen als eine Einwohnuug (wc
&v va --- Eidövra röv Adyov xal &vormnoarra £v ’Inoov dvdounw Öyrı, bierfür
berief fih Paulus auf Jo 14, 10 -— sapientia habitavit in eo, sicut habitamus
et nos in domibus) vermitteljt einer von außen wirkenden Inſpiration Aoyov &veoyor 5
EE oboavod & adıd — oopias Zunveovons EEwder), \o daß der Logos das in
Jeſu wird, was ih dem Chriſten vom Apoftel „der innere Menſch“ genannt wird; aber
die Gemeinschaft, die jo entjteht, ijt eine ovvapeıa xara uddmow xal uerovolar, eine
ovv&lsvars ; nicht entjteht eine oboio odowusrn, & owuarı, d. b. der Logos bat in
Jeſus nicht gewohnt odawöws dAla zara nowenta (ob Öldws, fagt Malcion,
ovowodar Ev To ÖAm owıngı Töv uovoyern). Daher ijt der Logos ſtets von Jeſus
zu untericheiden (dAAos ydo Eotv ’Inooös Xoworös xat Allos 6 Aödyos), er ft größer
als dieſer (6 Aöyos ueillwv NV ToV — Xoworös yap da oopias utyas EyE-
vero). Marta bat auch nicht den Logos geboren, jondern einen ung —— Men:
jhen, und in der Taufe ift nicht der Yogos mit Geift gefalbt worden, fondern der
Menſch (Mapla röv Adyov oüx Erexev ode yao Tv oo alavwv T Mapia, dlda
üvdownov Hüv loov Erexev — üvdownos yoieraı, 6 Aoyos od ypistar 6 Nalw-
gatos yoleraı, qHh xUolos Hua). Indeſſen andererjeits iſt Kerıs in beionderem Maße
der göttlichen Gnade gewürdigt worden (otx Zouv 6 Ex Aaßlö yowwdeis dAlödtpios
ts ooyiuc) und feine Stellung tft eine einzigartige (N) ooria &r Ulm oüy oüTws 2%
I — xoelttwy xara ndvra, Eneiön 2x nvevuaros Ayiov xal EE Enayyelıar xal
&x 109 yeyoauubwv N En avıa yägıs). Zeiner bejonderen Ausjtattung (Paulus
ah fogar von einer dıayopa Tijs xaraoxeviis [ovordoews) Tod Xoıoroöd) entiprad)
aber auch feine fittlihe Bewährung. Zwiſchen zwei Perſonen ift nur Einheit der Ge
finnung und der Willensrichtung möglich (al dıdpopoı pVoeıs xal ra Öldgooa I000- 25
wra Eva xal uövov Evmoews Eyovor TE0N0v nv xara Heinoıw odußaoıy, EE Ns
/ xara Evepyaiav Ent tõy odıws ovvßıßaoderıwv dAAnloıs dvapaiverar uovds) ;
oldhe Einbeit fommt nur durch Liebe zu Stande; aber dieje bringt es auch gewiß zu einer
vollen Einheit (un Yavunons Ötı iav uera Tod Beod mv Üeinow elyer 6 owrijo'
doneo yao ) Yvcıs ulav ı@v nolilav xal iv abımv Ündoyovoavy Yarepol Tv w
obolay, oGtooc N oytoıs ins Aydarıns ulav ı@v noAlav xal ımv abımv £oydleraı
dEinow da wmäs xai Täjs adrijs Yavegovukrny edapsornosws) und nur Das, was
aus der Liebe geſchieht — nicht das durch die „Natur“ Erreichte --- bat Wert (ra xoa-
tovusva ı@ A0oyw Tis pioews obx Eyovar Enawov' da Ö& oykoesı pılias xnaTov-
vrregamweitau, ud xal ij auıi yraum »patovusva, dia jäÄs xal ıns abıng 35
tveoyeias Beßaovusva, xal tjs xar EnadEnow odögnoTE navouevns KUNOEWS).
Jeſus ift Durch die Unveränderlichfeit feiner Geſinnung und feines Willens Gott ähnlich
und mit ihm Eins geworden, und zwar, indem er nicht nur felbft ohne Sünde blieb,
fondern aub in Kampf und Mühen die Zünden unferes Vorvaters überwand (Ta
Konto Tns yrouns Öuowdeis iO VE xal ueivas xadapös Auaprias hrvWdn 4—
adıd —- äyıos * Ölxaıos yeyernuvos Ö 0WTNo dy@rı xal NöVW TÄS TOV N100-
adıopos Hußyv xoarnoas duaprias' ols xatopdwoas nv dpermy avynodn 1 den,
pay xal 179 alınv noös avıöv Bovinow zxal Evkoyaar tais av Ayado)v n00-
xonais Eoynxos). Wie er aber jelbit fortichritt in Bewährung des Guten und in ihm
bebarrte, jo rüftete ihn der Vater aus mit Macht: und Munderthaten, in denen er feine s
ſtetige Willensrihtung auf Gott befundete (Korotös raoywv xara piow, Bavua-
GV xara yüpıv ... xal Evnoyndn nowiodaı mv av davudımv Övvaoreliay,
E 0v ular adrös Dei xal ınv adım ngös ıjj Deinosı Evegysıav Fywv Ösıydeis
Anpwrns Tod yEvovs xal owıno Eyonudroer). So wurde er der Erlöjer und Heiland
des Wenſchengeſchlechts und trat zugleih in eine in Ewigkeit unauflöslide Verbindung so
mit Gott, weil feine Liebe nicht mehr aufbürte (zara mv xar! EnadEnow oWöenote
aavousvnv alvnow ins pılias TO Ve ovvapdkeis 6 owıno olÖEnote Öeyeru
penouöv els tous alövas, niav abım xal m adrızv Eywv Veinoıw xal Erkoyear
dei zırovulımy ıj) pareowoeı ı@v dyadav). Nun bat er als Ziegespreis feiner Yiebe
den Namen erhalten von Gott, der über alle Namen ift (mW Ev&oyeıay ddtaioeror %
guidkas Oo Övoua xAnpovrau To Into när Övoua orooyis Enadiov altcö yaoıo-
der), Gott bat ihm das Gericht übergeben (zo) de yırdozxeır, heißt es in der Catena
in S. Joann., ötı 6 u8v Ilavkos 5 Zauooarebs oftw Pnoiv Eöwnxev abted xolow
aowiv, Sri vlös dvdownov Eoriv) und bat ibn in göttlihe Würde eingeſetzt, alſo daß
man ibn nun nennen fann „den Gott aus der Jungfrau“ (Athanaſ.: /Tavlos 6 La- ©
Realstäncpflopädie für Theologie und Stirche. 3. A. XIII. 21
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are; Debn du us napberon önolone, debn bu Natagkr bene) So Kür
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——— — Rn eine leeren. erteunbare Görlihtei
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ein nur darau uweiſen, fonplizierte
beariff. Dh — die —— J —— wenn fie fr
„das Myſterium des chriitlihen Glaubens verraten” (Euſeb. h. e. Mens
45 den myſtiſchen Gottes» und Chriſtusbegriff, oder fich beichweren, P.
ei deshalb eine Einheit, weil der Vater die Quelle derjelben bleibe op den
* onen (Epiphan. e. 3: PJadlos ob Akyaı eöv did TO np
narega). Was beit das anders, als zugeiteben, daß Paulus bei feinem Gottee 5
nicht von der Subſtanz, ſondern von der Perſon ausgeht? Es iſt das J
so tereſſe, im Gegenſatze zu dem akosmiſtiſch— 6 des Platonismus, 1
hier vertritt. Und in der Schätzung der Perfon Jeſu mill er nicht in der „Natur“, fon
dern in ber Gefinnung und Willensrihtung das Einzigartige und Göttliche erlennen;
—* ibm ſteht es feſt: ra »garoüuera 1 Adym Ts pboews obx Erawor.
Daher it ihm Ghriftus nicht xar“ odola», fondern (gegen Origenes) zard usrovalar
65 Deös; aber deshalb ift ihm Doc Chriſtus als Perfon durchaus nicht —* —VVV —
ſondern nur die Naturausſtattung Chriſti gilt ibm als keine abſonderliche. Aber r
Chriſtus in einziger Weiſe Gegenitand der göttlichen Vorherbeſtimmung *5 i
bat auch gemäß den Verheißungen der Geiſt und die Gnade Gottes in befonberer U
auf ihm gerubt, und jo ift auch jein Wirken im Beruf und fein Leben mit und in
co ein einzigartiges gewwejen. Dieje Anſchauung läßt Naum für ein menjchliches Leben;
Monardiianismus 323
bat Paulus auch fchlieglih die Formel gebraucht, daß Ghriftus Gott geivorden fei, fo
zeigt feine oben angeführte Berufung auf Phi 2,9, in welchem Sinne dies gemeint ivar.
Die Gegner haben ihm freilich vorgeivorfen, daß er feine wahre Meinung hinter orthodox
Hingenden Formeln fophiftiih und täufchend verhüllt habe: es ift auch z. B. angelichts
der Beobachtung, daß der unperjünliche Yogos von Paulus „Sohn“ genannt wird, möglid, 6
daß an der Beichuldigung etwas wahres iſt; indeilen iſt es nicht wahrſcheinlich. Man
bat den Paulus eben nicht veritanden oder vielmehr man hat ihn mißveritanden. Wird
doch noch heute die Chrijtologie ded Hermas von manchen Theologen für geradezu nicä-
niſch angefeben, obgleich ſie um nichts ortbodorer iſt als die des Paulus. Paſſiert ſolch
ein Mißverſtändnis beute noch den Gelehrten — und Hermas heuchelte doch gewiß nicht —
warum fonnte Firmilian nicht zeittveilig den Paulus für ortbodor halten? Cr lehrte
doch einen ewigen Sohn Gottes, eine Einwohnung desfelben in Jeſus; er verfündete die
Gottheit Chrijti, lehrte dyoprofopisch (Gott und Jeſus) und lehnte mit den Alerandrinern
den Sabellianismus ab. a in diefem Punkte fcheint man ibm fogar auf der Synode
eine Art von Konzeſſion gemacht zu baben. Wir willen, daß dieſelbe den Terminus 15
„Suoovoos“ ausprüdlich verworfen hat --- zur Zeit des arianifchen Streite8 war dies
eine befannte Sache, auf die ſich z. B. die Semtarianer zu Ancyra ausbrüdlich berufen
baben, j. Athanaſius de synod. 43sq.; Baſilius ep. 52; Baſilius de synod. 81. 86;
Sozom. h. e. IV, 15 — und zwar bat fie dies nad der Vermutung des Athanaſius
getban, um einem Einwurfe des Paulus zu begegnen. Diejer foll nämlich jo argumen: 20
tiert haben: ijt Chriftus nicht, wie er lehre, weſentlich Menjch, jo ift er Öuoovoros mit
dem Bater. Gilt das aber, fo iſt nicht der Vater letztlich Urquell der Gottheit, ſondern
die oval und es entitehen drei odoiaı (dvayxın toeis ovolas elvaı, ulav utv ngon-
eynrv, Tas Ö& 600 EE Exeivns), d. h. die Gottheit des Vaters wird Fetbft eine ab
eleitete, der Vater mit dem Sohne in der Urigination fomit identisch („fie werden 2;
Früder ”) Dies kann ein Einwurf des Paulus geweſen fein — die artjtoteliiche Faſſung
der odoia würde feiner Denkweiſe entiprechen, ebenſo der Umftand, daß er die Möglichkeit
aner untergeordneten Gottheit des Sohnes gar nicht in Anſchlag bringt —, auch fann
die Synode ſehr wohl in antifabellianifchen inne das Öuoovoros abgelehnt haben; in:
deſſen iſt es doch ebenjo möglich, daß, wie Hilarius jagt, das Öuoovaıos verworfen 30
wurde, weil Paulus felbit Gott und den (unperfönlichen) Logos (Sohn) für duooroıos
erllärt hatte. Wie dem auch fei, nachdem man einmal die Anfiht des Paulus durch:
batte, wurde fie von der Mehrheit als im höchſten Maße bäretiich empfunden.
mar man jelbjt nicht darüber im klaren, welcher Art das weſenhaft Göttliche in
Chriſtus ſei — daß er eine „Gottheit“ babe, zu der nicht gebetet werden bürfe, hatte 35
noch Origenes gelehrt (de orat. 15. 16) —, aber für ein Attentat auf die regula fidei
t es, dem Grlöjer die göttliche Phyſis abzufprechen (Euſeb. h. e. VII, 30, 6. 16).
ichtig fühlte man den wirklich Schwachen Punkt in der Ehriftologie des Paulus heraus,
daß er nämlich eigentlich zwei Söhne Gottes Ichre (Malchion bei Leontius Routh 1. ce.
p. 312]: Zlavlos grow, un Vo Enioraodaı viors' el Ö& viös 6 I. Xo. tov Beov, 40
E xal N oopia, xal ällo utv Ti oopia, Allo ÖE I. Xo., ÖVo Öpioravraı
vioi — (Ephraem bei Photius, cod. 229): fo aber batte auch Hermas ſchon gepredigt,
und Paulus nabm es mit dem „ewigen Zohne” nicht Ernſt. Doch dies war ja aud
nur eine Nebenſache. Die entfcheidende Differenz murzelte in der Frage nad) der gött—
. Ihen Phyſis des Erlöfers. 6
Mit der ng und Nemovierung des Paulus iſt für die Berichterftatter feine
m
0
2
-
Sache abgethan. Fortab war cs nicht mehr möglich, fi auf dem großen Markte des
Griftlichen Lebens für eine Chriſtologie Gehör zu verichaffen, welche die perjönliche ſelbſt—
ige Präexiſtenz des Erlöfers leugnete. Niemand durfte ſich mehr damit begnügen,
das gottinenjchliche Leben des Erlöfers an feinem Wirken klar zu machen; er mußte so
a die göttlihe Phyſis des Erlöfers glauben. Die Eleineren abgelegenen Gemeinden
mußten notivendig allmählich den größeren folgen. Wir wiſſen aber aus dem Rund:
Weeiben des Alexander vom Jahre 321 (bei Theodoret h.e. I, H, daß die Lehre Pauls
nicht fofort untergegangen iſt (das Nicänum, can. 19, bejtimmt, daß die Paulianiſten
noch einmal zu kaufen find). Lucian und feine Gelehrtenſchule ift vom Seifte Des Paulus 55
befruchtet worden (ſ. den Art. Yucian Bd XI S. 659). Yuctan bat während der Dauer
ceier antiochenifcher Epiſtopate als Haupt einer Schule außerhalb der großen Fatbolifchen
gejtanden, wie einjt Theodotus und fein Anbang zu Nom. Aber indem er fid
me Annahme des origenitiichen Logos bequemte, bat er den Grundgedanten des Baulus
glälfcht, und feine Schüler, die nachmaligen Arianer, baben in dem Bilde, das fie von ww
31*
Wunardlanisınnd
RE ET BETTITETE DET U NGEERTIN TEL IN. UBELLLUSN Ieitbalten können, in welchen Taulus
nn ht unbe bie Wenns Deo Willens in Chriſtus betont babın. Ter
. hbbebun Merus ou QNNMÄNTEO NET adoeptianiſchen Ebriſtologie und der
| —R , \esenrderz Vbormus dem Paulus gekommen;
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ost Daynane Inper ibm nicht fern. Denn be
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.. . i ſci: hr 2 Mal Des 3, \abrbandeer manımem ıl3 „Sa
nun Zdunmauetı tod it irnen de dar: ‚Teotpassiani"
ra in ep. ad Tit. fragm. II ed. Lomrazsıa V. p.28:
superstitiyse magis quam religiose, ut ze Tıiwuntur duos
.y. ursum negare salvatsris deitat-m, unar =z7’emque sub 1
. w li asseverant, id est, «us quidem nomizs swandum di $
aut Peeipientes, unam tamen roragır scheisgere, id est,
. iuvbus nominibus subiacentem, qui latine Psiripassiani ap-
Souası De synod. e 7 nı+ der formula Antiwch. rıacrostich.)
one N Me MONDEIIEIRBU NIRMTONDE Die ganze KEœre Suwerc (Philo- |
\ ν Tlorizeor Zamı TOTAL Tor Z00U0r Er Um TOds SUGTOR
„ap Jemen un) Inaenes vaben bezeugt, Dak se the Jar bei der
„Stang Rettes dir monde” Trinitat und Die Mnwendarnz des Yogobe
sadtie fur vrlapen sn Tertull. adv. Prax. ::: „Simplices quique,
x... wpiwdentes rt jıliotae, qQuae major semper credentium pars est,
ı psa vogula fideia pluribus diis saeculi ad unicum et verum deum.:
.. ws miellegentes unieum quilem, sed cum sua ofxoroua esse ere-
u, Ngaresrunt ad aizemwin . .. Itaque duos et tres jam jactitant a
us ndtaiati, Se vero unius dei eultores praesumunt ... monarchiam in-
1%
Monarchianismus 325
quiunt tenemus“; ähnlich Origenes, in Joann. t. II, 3, wo er von „der großen
Maſſe der für gläubig Geltenden“ fpricht, welche, „indem ſie nichts Tannten als Sefum
Chriſtum und zwar den Gelreuzigten, den fleifchgeivordenen Logos für das Ganze des
2ogos [d. b. der Gottheit überhaupt] bielten”). Wie verbreitet überall, namentlich aber
im Abendland, der natve und der refleftierte Modalismus waren, zeigen die zahlreichen 5
apokryphen Apoftelgefchichten, die viel gelefen wurden und die fat fäntlich eine mobali-
ftifche Ebriftologie vertreten oder ihr doch nahe kommen. Sehr lehrreih iſt auch die
Chriftologie des Irenäus; fie ftellt den Verfuch einer eigentümlichen Verbindung der Logos⸗
hrijtologte mit dem Modalismus dar. Origenes unterjcheidet 1 Klaffen: (1) Götzen—
anbeter. (2) Anbeter von Engelmädten. (3) Solche, denen Chriftus der ganze Gott ift. 10
(4) Solche, die ſich zum höchſten Gott aufſchwingen. In Rom war, wie wir jeßt aus
den Philoſophumena willen und mie die Evangelienprologe bezeugen (j. Corſſen, Monar-
dianische Prologe 1896), fat ein Menjchenalter bindurh der Monarchianismus die offi-
ielle Lehre, und daß er feine Neuerung in der Kirche geivefen ift, beweiſt am Beften die
—* daß es unter den Montaniſten eine monarchianiſche — es war wohl die ältere ı5
— Fraktion gab (Philofoph. VIII, 19; X, 26): ſpeziell in Rom war Aeſchines am
Anfang des 3. Jahrhunderts ihr befanntefter Vertreter, während der römische Montanijt
Proclus „ökonomiſch“ Lehrte (Pfeudotertul. 26). Daß auch Philaſtr. h. 51 auf mo:
narchianiſche Montaniften zu beziehen fei, fucht Lipfius (Quellen d. Kegergeih. S. 997.)
nachzutveifen. — Modaliftifches in der chriftlihen Bearbeitung der Tejtamente der 12 20
tarchen. Eine erflufive modaliftifche Lehre bat es in der Kirche erit infolge des
fes mit dem Gnoſticismus gegeben. Auch darauf darf veriviefen werden, daß es
in den Kreiſen der Marcioniten Modaliften gab. Neander (8.:G. I, 2, S. 796; Gnoft.
Spiteme ©. 294) hat fogar Marcion ſelbſt für einen folchen gehalten. Die mag un:
ichtig bzw. eine faljche Frageſtellung fein. Aber gewiß ift, daß jpätere Marcioniten im 25
Abendlande patripaffianiich gelehrt haben (j. Ambros. de fide V, 13, 162, T. II,
P 579; Ambrosiaster ad 1 Cor. 2, 2, T. II, App. p. 117). Es mag zutreffen,
ß dieſe modaliſtiſchen Monarchianer zum größten Teile theologifche „Idioten“ waren
(Tertull. 1. c. und c. 1: „simplicitas doctrinae“ c.9. Epiphan. h. 62, ce. 2: dgpe-
ioraroı N Axkoauoı. Philoſoph. IX, 7. IL: Zepvoivos löuwrns xal dygdunaros. o
Le. c. 6: duadeis). Daß fte aber doch auch ihre wifjenfchaftlihen Gerwährsmänner
hatten, lehrt die Rolemif der Kirchenväter. Die refleftierenden Modaliften behaupteten ihre
‚ (1) um den Ditheismus abzuwehren (2) um die volle Gottheit Chriſti zu behaupten,
(3) um dem Gnofticismus jeden Boden zu entziehen. Es ließe fich aber unfchiver zeigen,
wie —2 der nativen Vorſtellung von der Inkarnation der Gottheit des Vaters in ss
iſtus jede theologifche Berührung werden mußte, und man kann fagen, daß es um fie
eben war, als te jich genötigt ſah, anzugreifen oder fich zu verteidigen. Indem fie jich
m ein tbeologifch-willenfchaftliches Gewand büllen und über den Sottesbegriff reflektieren
mußte, entleerte fie fich jelbit und verlor ihre urfprüngliche Urientierung; was fie aber
noch zurüdbebielt, das entftellten ihr die Gegner vollends. Hippolyt bat in den Philoſo- so
phumenen die Lehre des No&tus als von Heraklit übernommen dargeftellt. Dies tft
freilich eine Übertreibung. Faßt man aber einmal das ganze Problem „philofophifch und
wiflenichaftlich”, jo ähnelt es allerdings frappant der Kontroverſe zwiſchen den genuinen
Stoikern und den ftoifchen Platonifern über den Gottesbegriff. Wie diefe dem herafli-
tifch-ftoifchen Adyos — Beds den transcendenten, apathifchen Gott Platos übergeordnet 45
— ſo hat auch z. B. Origenes den Monarchianern vor allem dies vorgeworfen, daß
bei dem offenbaren, in der Welt wirkſamen Gott ſtehen geblieben ſeien, fiatt zum
en” Gotte vorzufchreiten und jo die Gottheit ökonomiſch zu fallen. Es Tann des—
auch nicht aufallen, daß der modalijtiihe Monarchianismus, nachdem er einntal
ve Wiſſenſchaft d. h. die Stoa zu Hilfe gerufen, fih im der Richtung auf einen pan— 50
iftiichen Gottesbeariff betvegt bat. Aber es ſcheint dies doch nicht anfangs und nicht
a dem Maße geicheben zu fein, als die Gegner annabmen. Die älteften litterarifchen
er des Monarhianismus - - von den Idioten zu fehweigen — baben ein aus—
gerrägt monotheijtijches und wirklich biblifchechriftliches Intereſſe gehabt. Für die Gegner
ber ıft es charakteriltifch, daß fie fofort den Gott Heraklits und Zenos gewittert baben 55
— ein Beweis, wie tief fie ſelbſt in der neuplatonifchen Theologie ftedten (über die Be-
- en zur Stoa ſ. Hagemann, Römiſche Kirche S. 354 ff. und meine Togmengelch.
I’ &. 696f.). — Duellen: Für Noötus: Hippolyts Syntagma (Epiphan., Philaſtr.,
Bleubotertull.) und jeine große antimonarchianiſche Schrift, als deren Schluß höchſt wahr:
Geinlich die jog. "Ouudla Innoivrov eis ty» aliveon Noytov wos (Xagarde, Hippo- 0
Iy ie feruntur 138g.) gelten beide Werfe
1. 57. On Epipt 3 * 5 ir vor + 2
Baul. h. 2
27 (abon
e ift nicht
Rür 9 oh.
— — — de
i er e ‚nd 0; ie klei |
ii Kontroverfe geweſen au F nt:
icht m u ermitteln — mögl daß er mmuni
25 u dr Io ſcheint “| —5— zu ſein, da er Fe 4 ls M ———
Au mkeit t hat, —— im Re ne Ne re Mer gm
leicht in feinem G urtsort Smyrna p. e. Noöt. 1 nad) *
auf G re: verurteilt, jondern erjt ſpäter infolge
ua 6 — och war. Die Notiz, No&t bätte —*
oſes, ſeinen Bruder für Aaron eben, darf man au in Dr a en;
os. IX, Di vielleicht in Epheſus (Gr . e. I). Seine Erfommunifation in
alien durch die Presbyter, wird erfolgt fein, nachdem in Nom bie ganze —
*5* zum Ay Hu — —* war. & erfärt es fi, daß Aa * der
en ;
‚6: do jet, gr: Umftand
— bat den Theodoret ( 6)
je Nor ein ſpäterer Mona ae gen
igonus und Kleomenee He etreten = — ni 3 -
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Monardiauismns 327
anders Yipfius, Duellen, S. 150)). Die chriftologifche Formel, welche Kalliſt ſelbſt auf:
jtellte, follte die weniger leidenfchaftlichen Anhänger beider Parteien befriedigen und bat
dies aud, foviel wir vermuten dürfen, getban. Die Heine Partei des Hippolyt, die
„wahre fatholiiche Kirche”, erhielt fich nur etwa noch 15 Sahre in Rom, die des Sa-
bellius dagegen länger. Kalliſts Formel ift die Brüde geweſen, auf welcher die urfprünglich 5
monarchianisch gefinnten römischen Chrilten, dem Zuge der Zeit und der firchlichen Seifen.
ſchaft folgend, zur Anerkennung der Hypoftafen-Ghriftologie übergegangen find. Als No-
vatian * (. deſſen Schrift de trinitate), muß dieſe Lehre in Rom bereits herrſchend
geweſen ſein, und iſt ſeitdem dort nicht mehr verdrängt worden. Ein Politiker hat ſie
daſelbſt begründet, der für ſeine Perſon dem mobalifichen Zehrbegriff mehr gugeneigt 10
eivefen ift. — In Vorftehendem iſt der Verfuch gemacht worden, aus der tendenziöfen
Darftelung Hippolyts in den Philofophumenen den geichichtlichen Kern berauszufchälen.
Hippolnts Bericht ift am forrefteften von Caspari (Uuellen III, ©. 325—330) wieder:
gegeben. Er iſt ſchon deshalb verdächtig, weil er überall Heuchelei und Ränke mittert,
wo auch jet noch erfichtlich tft, daß die Bijchöfe die Einheit und den Frieden der Ge: 15
meinde vor der rabies theologorum habe jchüten wollen. Sie thaten damit nur, was
ihres Amtes war, und bandelten im Geifte ihrer Vorgänger, zu deren Zeiten die Aner-
fennung des kurzen und weiten Gemeindebekenntniſſes allein entjchied, und ſonſt Freiheit
berrichte. Erfichtlich ift auch, daß Hippolyt den Zephyrin und die übrigen deshalb für
Idioten hält, meil fie auf die neue Wiſſenſchaft und deren „ökonomiſchen“ Gottesbegriff 20
nicht eingehen wollen.
Wie dürftig unſere Quellen für die Geſchichte des Monarchianismus in Rom —
von anderen Städten zu ſchweigen — trotz der Auffindung der Philoſophumena ſind,
zeigt wohl am deutlichſten der Umſtand, daß Tertullian die Namen Noët, Epigonus,
Kleomenes, Kalliſtus niemals nennt, dagegen uns mit einem römiſchen Monarchianer be— 25
kannt macht, defjen Name von Hippolyt in feiner feiner zahlreichen Streitjchriften erwähnt
wird — mit Praxeas. Man bat diefe Thatjache fo auffallend gefunden, daß man fehr
abenteuerliche Hypotheſen aufgeitellt bat, um fie zu erklären. Man bat gemeint, der Name
„Brareas” fer ein Spottname (— Händelmacer) und unter demfelben ſei in Wahrheit
Roätus (nach Pfeudotertull. h. 30, Ivo in der That dem Noätus der Name „Prareas” ww
fubjtituiert ift) oder Epigonus (de Roſſi, Bullett. 1866, p. 70), oder Kalliftus (fo 3.8.
Regemann, Geſch. der röm. Kirche, S. 234f.; früber ſchon Semler ähnlich) zu verftehen.
a8 Richtige findet fi) bei Töllinger (a. a. DO. ©. 198) und Lipſius (IdTh 1868,
9. 4). Praxeas iſt bereit3 vor Epigonus nad Nom gelommen in einer Zeit, bis zu
welcher die perfünlichen Erinnerungen Hippolyts nicht zurüdreichen, ala etwa gleichzeitig 35
mit Theodotus unter dem Cpiflopat des Wictor, nach Lipfius ſogar I unter Eleu:
tberus (f. auch Chronol. der römischen Bilhöfe ©. 173f.). Er hat ſich vielleiht nur
burze Zeit in Nom aufgehalten, ohne dort auf Widerſpruch zu ftoßen. Als 15 Jahre
fäter ın Rom und SKarthago die Kontroverfe brennend wurde, und Tertullian ſich ge-
nötigt ſah, wider den Vatripaffianismus aufzutreten, war der Name des Praxeas bereits 1
verſchollen. Tertullian aber fnüpfte an ihn an, mweil er der Erſte geweſen, der in Kar:
tbago einen Streit erregt hatte, und weil Praxeas als entfchievdener Antimontanift ihm
isch war. In der Polemik aber berüdlichtigt Tertullian die zeitgejchichtlichen Ver:
bältniffe, wie fie un das Jahr 210 etwa beitanden — um diefe Zeit ift die Schrift
adv. Prax. geichrieben —, ja er fpielt wie e8 feheint, auch auf die römischen Mlonar: 46
bianer, d. h. auf Zephyrinus und feinen Anbang an (f. Yipfius a. a. O.). In dieſer
Beobadıtung berubt die Wahrheit dey Hypotheſe, Praxeas fei nur ein Name für einen
anderen belannten römiſchen Mlonarchtaner.
Prareas war ein Heinafiatiicher Konfeſſor, der erfte, der die Kontroverfe über Die
Chriftologie nach Nom trug (adv. Prax. 1: „iste primus ex Asia hoc genus per- „
versitatis intulit Romam, homo et alias inquietus, insuper de iactatione mar-
tyrii inflatus ob solum et simplex et brevecarceris taedium“). Zugleich brachte
er aus feiner Heimat den entjchiedenen Eifer gegen die neue Prophetie mit. Wieder
werden wir bier an die Partei jener Eleinafiatifchen „Aloger” erinnert, die mit einer mo—
narchianiſchen Chrijtologie den Widertoillen gegen den Montanismus verband. In Nom 55
fanden feine Beitrebungen nicht nur feinen Widerſpruch, fondern P. veranlaßte auch den
Biſchof Durch die Mitteilungen, die er ihm über die neuen Propheten und ibre Gemeinden
in Aſien machte, die litterae paeis, die er dieſen bereits ausgeftellt batte, zurüdzunehmen
und den „Charismen“ die Anerkennung zu verfagen (Tertull. 1. c.: „Ita duo negotia
diaboli Praxeas Romae procuravit, prophetiam expulit et haeresim intulit, w
428 Monardiauismns
parzeletum fugavit et patrem crueifixit). Wer dicict BR: man ie, ſagt
2; — nicht; vielleicht Eleutherus (das iſt nad Euieb. h. e. V. - 7richeinlich,
Lda Kictor. Ber Pſeudotertullian leſen wir: „Praxeas quidam baeresim intro-
* quam Victorinus corroborare curavit“. Tieter Yinımrıs zo mir Recht
it de meiſten Gelehrten für den Biſchof Viector gehalten. Terar mt: cuitlich der
Km außer Kictor. Viectorinus ſ. Yangen, Geſchichte Der sem. ME. 2. on: Gas
..zt, —_ttellen, III, Z. 525, n. 102), ſodann Der Ausdruck „curavit“, zieht auf eine
..erstlfte Kerſönlichkeit führt, endlich der Umftand, daß die Nacictat Sa Victor, wie
tr beininmt willen (ſ. oben), monarchianiſch aejfınnt waren. Daß Niet den Theo:
"0 xxkrunmuniziert bit, Spricht durchaus nidıt Dagegen; Denn ter Monarchianismus
2. Mans war ganz anderer Art, als der Des Praxeas. Es nt ZU Ne Drei Bi
1. Futer, Zephyrin und Kalliſt für ihre Perſon monarchianiich zcrzn: Screen, und
x oiimiſtiſche Monarchianismus iſt durch einen Vertreter des modalurichen zuerjt für
2itlullijch erklärt worden. Zu einer dauernden Nontreverie kam es aber in Nom durch
‚zn Rlirlſamkeit Des Praxeas überhaupt noch nicht; er war nur Der Vorlauier Des Epi:
arm me Kleomenes daſelbſt. Von Nom begab ſich Praxeas nach Kartbaae (dies iſt
at mem orten Tertullians: „fructificaverant avenae Praxeanae hie quoque
superseminatae dormientibus multis in simplieitate doetrinae", su Ichlicken, ſiehe
Cs d. Co; Hauck, Tertullian, S. BUNT Yangen a. a. O. 2.190: anders Heſſel⸗
ri, dert. Yebre, Z. 215 Hagemann a. a. U.) und wirkte gegen Die Hoppoitaſenchriſto—
l.ı (Gr wurde aber von Tertullian, der bamals noch Der katholiſchen Kirche angeborte,
hr und zum Schweigen gebracht, ja gezwungen, jchriftlih zu widerrufen. Damit
steh to erjte Phaſe Dee Streits („avenae Praxeanae traductae dehinc, per quem
dens yoluit |seil. per me], etiam evulsae videbantur. Denique caverat pristi-
ann doetor de emendatione sua, et manet chirographum apud psrchicos,
npiul quos lune esta res est; exinde silentium“). Praxeas' Name wird nun nicht
werden gen Aber erſt mebrere Jahre ſpäter wurde die Kontroverſe in Rom und
Wendbengo vrft recbt eigentlich brennend und veranlaßte nun Tertullian su ſeiner Streit:
Plant 1,Avenne vero illae ubique tune semen excusserant. Ita aligquamdiu per
hypwwerisin nubdola vivaeitate latitavit, et nunc denuo erupit. Sed et denuo
rrahlenbitur, si voluerit dominus“). "Über den Ausgang des Monarchianismus in
Gardbungo allen wir nichts Sicheres.
Cam einheitliche Darſtellung der Lebre Des älteren modaliſtiſchen Monarchianismus
ln ande Der Tuellen nicht möglich, Aber es find wobl die Quellen daran
srl «llein ſihulbe Tobald der Gedanke, in Ehriſtus ſei Gott ſelbſt inkarniert geweſen,
Ne -hignids ermittelt weiden ſollte, mußten jebr verſchiedene Verſuche erfolgen. Sie konnten
la nensaluben Kerwandlungsauffaſſungen oder bis nahe an die Grenze Des dynami—
Hydan Menuenbuaranus jühren und Daben jo weit geführt; denn jobald die Einwohnung
vr lellass panlrioon FJeſus nicht im ſtrengen Zinne als eine Inkarnation gefaßt wurde,
babe no urhenbuleende Element in Jeſus nicht ausfchlieglich in der Gottheit Des Vaters
on lnstl nein, Mu Der VBoden Dev artemonitiſchen Ketzerei betreten. Hippolyt hat denn
che ten Kealliſt vergewoörſen, er ſchwanke wiſchen Sabellius und Theodotus WPbilo—
Bl IN, IN, ' . bpb h. 57, DD, und in der Schrift gegen Noctus jpielt er
2 ale halle Lerwändtſebaft weichen Diefem und Dem Yederarbeiter an. In
rt ba Norte aber finden ſich mehrere Ztellen, betreffs deren man immer
nel Hilbert, vb he Mb auf Modaltiten oder auf Artemoniten beziehen. Das kann
neh hellen, tt ae. Neönebianer baten ein gemeinſames Intereſſe gegenüber der
eehee ſie vertraten die hbeilsgeſchichtliche Auffaſſung der Perſon Chriſti gegen⸗
a ttehbaubtiuben Unter den verſchiedenen Referaten über die Lehre der
len Mer elite zeige tes en Dr Hippolvt in der Schrift gegen Not fie in ihrer
ntebllbiit yerım U Dive dedulderten Noöẽtianer werden als ſolche vorgeführt, welche
bon Uühriftire Nr in Kater ſelbſt. und der Vater ſelbſt ſei geboren, babe gelitten und
Ya rttenbsit ae 19 1 buntes Gott. ſo iſt er gewiß der Vater oder er wäre nicht
Poll seabotebnalter abe yahntsiht gelitten, ſo bat der Gott, der es allein iſt, gelitten
0 Mayo ultonmbto nur ein entſchiedelies monotheiſtiſches Intereſſe, welches fie [eitet
rer En tl tet ra) UND welches Ne bet ihren Gegnern, die fir dideor
niittttein Nebst Piberstae IE De Wen richten zwei Gotter, ja eine ſucceſſiv entſtan⸗
he ielhert von Wet ti dr. foren, I Hippolpt, (LTog alretaı adv dewr
PEOEBELEZOREPUE TE Seo, NUDE. TEN, jendern es iſt auch Das | Intereſſe an
er Göltheit Jeſu, weleche, wie ur menen, DIT durch ihre Yebre behauptein werden kann
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Monardianismns 329
(Hippolot legt c. 1 dem Noöt das Wort in den Mund: ri 00» xaxov now ÖokdLwr
109 Xowoıov, J auch c. 9). Für diefe berufen fie ficb lediglih auf die Schrift, und
zwar auf den Tatholifchen Kanon: fo auf Er 3, 6; 20, 2f.; Jeſ 44,6; 45, 5. 14f.;
Baruch 3, 36; Io 10, 305.14, 8f.; Nö 9, 5. Auch das Jobannesevangelium ift alfo
anerfannt; aber — und dies ift die mwichtigfte Mitteilung, die Hippolyt über die Schrift: 5
auslegung diefer Noötianer macht — das Necht, einen Logos einzuführen und ihn Sohn
Gottes zu nennen, finden fie nicht aus dem Evangelium zu begründen. Der Prolog des
Zobannesevangeliums jei allegorifch zu veriteben, wie überhaupt jo mande Stellen in
biejem Buche (ec. 15: àM 2oei nor is — seil. cin Noütianer — EEvov or pEgeıs
ieyav Aoywy viöv. ’Ilmdvıns ut» yao Aeyeı Aöyov, aA Allws Adimyogei). Der 10
Gebrauch des Logosbegriffes in der Glaubenslchre wird alfo beſtimmt abgelehnt. Mehr
erfabren wir über die Noötianer bier nicht. In den Philoſophumenen aber referiert Hip⸗
polyt über den Gottesbegriff derfelben und jtellt ihn alſo dar (ſ. auch Theodoret): „Sie
lagen, der eine und felbe Gott fei der Echöpfer und Water aller Dinge und er fer in
feiner Güte den Gerechten alter Zeit erſchienen, obgleich er unfichtbar fei; ſofern er nämlich 15
nicht gefeben wird, ift er unfichtbar, fofern er ſich aber zu fehen giebt, ſichtbar; unfaßbar,
wenn er nicht gefaßt werden will, faßbar, wenn er fd zu faffen giebt. So it a in
gleiher Meife unüberwindlih und überwindlich, ungezeugt und gezeugt, unſterblich und
fterblih”. Hippolyt fährt fort, Not ſage: Sofern alfo der Vater nicht gemacht worden
ift, ift er zutreffend Water genannt worden; fofern er aber geruht bat, fich einer Geburt zu
zu unterziehen, ijt er felbit als Geborener jein eigener, nicht eines Anderen Sohn”. „Auf
diefe Weiſe wollte er die Monarchie begründen und jagen, was Vater und Sohn ge:
nannt wird, fer ein und derfelbe, nicht ein zweiter aus dem eriten, jondern er ſelbſt aus
ah jelbft; dein Namen nach werde er unterfchieden als Vater und Sohn gemäß dem
Wechſel der Zeiten, es fer aber der Eine, der da erſchienen iſt und fich der Geburt aus 25
der Jungfrau unterzo en bat und als Menſch unter den Menfchen gewandelt ft. Er
bat fih ala Sohn befannt denen, die ihn ſahen, um feiner Geburt willen, fich aber auch
ala Vater denen, die es fallen fonnten, enthüllt. Daß der an das Kreuzholz Genagelte,
welcher ihm jelber feinen Geiſt befoblen hat, der Geftorbene und nicht Geftorbene, der
jelbjt am 3. Tage ermwedt hat, der im Grabe gerubt hat, der mit der Lanze Ge: 30
ene und mit Nägeln Befeitigte — daß diefer der Gott und Vater des Alls ei,
verfündet Stleomenes und fein Anhang”. — Der Unterſchied zwiſchen Vater und Sohn
ft aljo ein nomineller, injofern aber doch mehr als ein nomineller (ein heilsgejchichtlicher),
ala der eine Gott, fofern er Menſch geboren ift, ale Sohn erfcheint. Für die Identität
des Erfchienenen und des Unfichtbaren wird auf die alttejtamentlichen Theophanien ver: 35
wiefen — mit demjelben Rechte, ja mit einem befieren, als die Vertreter der Logos:
chriſtologie fich auf dieje beriefen. Was nun den Gotteöbegriff betrifft, fo hat man gejagt,
„das Moment der Endlichkeit werde bier potenziell ſchon im Gott felbft hineingelegt”,
dieſe Monarchianer feien ftoifch beeinflußt u. ſ. w. Indeſſen dürfte diefe Erklärung dod)
dem Texte fremd fein; das lebtere, der ſtoiſche Einfluß, ift dagegen nicht zu leugnen (vgl. 40
oben und Philoſ. X, 27: zovrov To» nareoa abröv viov vouisovarı xatd xagoVs
— ngös ra ovußaivorra). Aber als auf die Grundlage iſt zu verweiſen auf
jene alten Formeln liturgifcher Art, wie fie Ignatius, der Berfaffer des zweiten Glemens-
briefes und Melito gebraucht haben (f. z. B. ad Eph. 7, 2: eis iarods 2otıv oapxıxds
re xal ryeupanınds, yevvnTos xal Ayevyııros, Ev 0agpxi yevöusvos Veös, & Va- &
ao Lon dAndıwn, xai &x Maolas zul &x Veov noW@rov nadnrös zul tote Anadıis,
nooũc —— und für Clemens die Zuſammenſtellung in der Z8G IL =. 3300)
er fennt auch Ignatius nur eine Geburt des Sohnes, nämlidh die Gottes aus der
. au. Wir haben bier die Worjtellung anzuerkennen, nach welcher Gott fraft feines
illend auch endlich, leidensfähig u. f. w. werden, ſich ſelbſt jomit zum Menſchſein bes 50
fimmen kann und auch wirklich beſtimmt bat, ohne feine Gottbeit dabei aufzugeben. Ce
M der alte, religiöfe und naive Modalismus, der bier, mit den Mitteln der Etva zur
tbeologifchen Lehre erhoben, erflufiv geworden iſt. In der Formel aber „der Vater hat
itten”, two fie gebraucht wurde, liegt allerdings ein Moment der Neuerung; denn fie
äßt jich im nachapoftoliichen Zeitalter nicht nachweisen. Es ijt aber ſehr fraglich, ob fir 55
je von den tbeologifchen Wertretern des Modalismus rund gebraucht worden ft. Site
werden wohl nur gejagt haben: „der Zohn, der gelitten bat, tft derfelbe mit dem Vater.”
In welcher Weife dieſe Monarchianer die menschliche oaoE Jeſu gefaßt und welche
Bedeutung fie ihr gegeben baben, erfahren wir nicht. Nomplizierter find bereits Die mo-
narchianifchen Formeln, welche Tertullian in der Schrift adv. Prax. befämpft, Sippolyt wo
[41]
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330 Monardianismns
dem Ralliit in den Mund gelegt bat. Man erkennt leicht, daß fie geprägt find ın einer
Rontroverfe, in welcher Die theologiſchen Schwierigkeiten, welche der modalifttfchen Lehre
anbaften, bereits offenfundig geworden find. Die Monarcianer Tertullians balten noch
jtreng an der vollen Identität des Waters und Sohnes feit (ec. 2: „post tem-
pus pater |[,ob jie „pater“ an diejer Stelle gejagt baben, tft fraglich”) natus et
pater passus, ipse deus, dominus omnipotens, Jesus Christus praedi-
catur“), fie wollen von der Verwertung des Logos in der Chriftologie nichts wiſſen,
denn das Wort ijt feine Zubjtanz, jondern nur ein „Scall“ (ce. 7: „quid est enim,
dices, sermo nisi vox et sonus oris, et sicut grammatiei tradunt, aör offen-
sus, intelligibilis auditu, cetertum vanum nescio quid“), fie teilen mit ben
Koetianern das monotbeiftiihe Antereffe (ec. 2: „unicum deum non alias putat
credendum quam si ipsum eundemque et patrem et filium et spiritum s.
dicat“; c. 3: „monarchiam inquiunt tenemus“; c. 13: „inquis, duo di
praedicantur“), jie befürchten in der Hypoſtaſenlehre die Wiederkehr des Gnoſticismus
s(e. 8: „hoc si qui putaverit me zooßo4r» aliquam introducere“, jagt Tertullian,
„quod facit Valentinus“, fie baben dieſelbe Anjicht über die Sichtbarkeit und Unſicht⸗
barkeit Gottes (c. 14. 15), jie berufen fih auf diefelben Schriftftellen, mie jene (ef 45,5;
Jo 14, 9f., ſ. e.20), aber fie baben fich doch ſchon genötigt gejeben, mit den Zeugnitien
ſich auseinanderzufegen, in welchen der Sohn als cin eigentümliches Subjelt dem Vater
gegenübertritt. Sie tbun das in der Weiſe, daß fie jagen, Gott bat fich ſelbſt zum
Sohn gemacht durch Annabme des Fleiſches (c. 10: „ipse se sibi filium fecit“), ge
nauer: das Fleiſch macht den Vater zum Sohne, oder au: in der Perfon des Erlöfers
it das Fleiſch (der Menſch, Jeſus) der Sohn, der Geift (der Gott, der Chriftus) aber
der Vater („aeque in una persona utrumque distinguunt, patrem et filium,
discentes filium carnem esse, id est hominem, id est Jesum, patrem autem
spiritum, id est deum, id est Christum“. Hierzu bemerft Tertullian: „et qui
unum eundemque contendunt patrem et filium, jam ineipiunt dividere illos
potius quam unare. Talem monarchiam apud Valentinum fortasse didice-
runt, duos facere, Jesum et Christum‘“). Hierfür beriefen fie fih auf Le 1, 35
(„propterea quod nascetur sanctum, vocabitur filius dei. Caro itaque nata
est, caro itaque erit filius dei“). Da nun Gott fchlechtbin Geiſt ift, jo bat er nicht
leiden fönnen, jofern er aber ſich in das Fleiſch begeben bat, bat er mitgelitten: gelitten
bat der Sohn („qui mortuus est non ex divina sed ex humana substantia“, aber
mitgelittent (ſtoiſcher Ausdruck) bat der Vater (ec. 29: „compassus est pater filio“).
Daber jagt Tertull. e. 23: „Ut sie duos divisos diceremus, quomodo jactitatis,
tolerabilius erat duos divisos quam unum deum versipellem praedicare“,
Es iſt leicht erfichtlidh, daß, jobald die Unterfcheidung von caro (filius) und spiri-
tus (pater) ernſthaft genommen wird, die Yebre fich der artemonitischen näbert; fie iſt
in der Ibat „versipellis“. Daß fir aber auch in dieſer Faſſung die Vertreter der Yogos-
chriſtologie nicht befriedigen konnte, liegt auf der Hand; denn die perfönliche Identität
zwiſchen dem Vater und den Ghriftusgeift wird noch immer feltgebalten. Überhaupt mußte
jeder Werfuch, auf Dem Boden des Modalismus der Yogoschriftologie gerecht zu werden,
folgerecht ſtets zum dynamiſtiſchen Monarchianismus führen. Bon den Formeln des
Zephyrin und Mallift wiljen wir beitimmt, daß fie aus Kompromißverſuchen entitanden
» jind (ſ. Philoſoph. IX, 7, p. 140, 35 8q.; 11, p. 450, 72 8q.), wenn auch der Vorwurf
der Yiveigdtteret gegen Sippolvt und feinen Anhang erboben wurde (l. c. p. 452, 88;
158, 78). Zephyrins Zaß (p. 450. S2sq.): „Ich weiß nur von einem Gott, Jeſus
Chriſtus, und außer ibm von feinem anderen geborenen und leidensfähigen. Nicht der
Inter bat gelitten, jondern der Sohn“, ſtimmt völlig überein mit der Lehre der Mona:
chianer Tertullians, it aber fon als Nompromißformel zu verfteben. Noch weiter if
Kalliſt gegangen, indem er es für angezeigt befand, in jeine von Sabellius (p. 458, 1 8q.)
und Hippolvyt (fie waren ſchon erfommuniziert) geſchmähte Cintrachtöformel den Begriff
Des Yogos aufzunehmen! Gott an fi ift em unteilbares Pneuma, welches alles erfüllt
(rd ara yEeucıw Tod drlov eduatos Ta TE Arw xal xarw), oder, was dasſelbe
bejagt, er iſt Logos; ale Yogos iſt er Dem Namen nach ziveterlei, Vater und Sohn. Das
in Der \ungfrau fleiſchgewordene Pneuma tt ſomit realiter vom Vater nicht verjchieden,
ſondern mit ibm identifch (No 14, ID. Tas was in Die Erfcheinung tritt, d. h. der
Menſch, iſt der Zobn, der Weit aber, der in den Sohn eingegangen tft, ift der Water.
„Denn der Vater, der in dem Sohne iſt, vergöttlichte das Fleiſch, nachdem er es ange
wo nommen batte und vereinigte es mit ihm jelber und ftellte fo ein Einiges ber, alfo daß
Monarchianismus 331
nun Vater und Sohn ein Gott genannt wird, und daß dieſe einzige Perſon unmöglich
mehr in eine Zweiheit getrennt werden kann, daß vielmehr der Satz gilt: der Vater hat
mit den Sohne mitgelitten” (nicht hat der Water gelitten).
Hippolyt hat in Diefer gormel ein Gemifch aus fabellianifchen und theodotianifchen
Gedanken gefunden, und er hat Recht. (Katholifche Theologen bemühen fich freilich, die 5
Sätze des Kalliſt nicänifch zu deuten und Hippolyt zum Ditheiften zu machen; jo Hage:
mann a.a.D.; Kuhn, ThOS 1855, II; Lehir, Etudes bibliques II, p.383; de Rofji
u. d. a) Die Annäherung an die Hypoftafenchriftologie und die Entfernung vom älteren
Modalismus fommt bier in der That nur dadurch zu ftande, daß Kallıft auch einen theo—
dotianischen Gedanken verwertet hat. Won dem platonifchen Gotteöbegriff hält er fich 10
noch fern, ja es klingt wie eine ſtoiſche Reminiscenz, wenn er En Begründung der
Menfchwerdung Gottes auf das Pneuma verweiſt, welches das AL erfüllt, das Obere
und das Untere. Daß aber feine Formel in Rom trogdem den Wert einer Eintracht:
formel bat gewinnen fönnen, ift nicht nur in der Yulafiung des Logosbegriffes be-
ündet, jondern vielmehr in dem ausgefprochenen Gedanken, daß Gott im Momente der 15
enſchwerdung das Fleiſch vergöttlicht hat, und daß der Sohn, fofern er die weſenhaft
vergöttlichte aodoE& repräfentiert, als eın zweiter und doch als ein mit Gott real geeinter
aufgefaßt werden fol. Hier trat das legte Fatholifche Intereſſe an der Chriftologie deutlich
und forreft zu Tage. & berubigte man fih in Rom allmählich, und nur die menigen
„Extremen“ von von links und rechts leifteten Widerftand. Die Formel war aber aud) 20
durch ihre Unflarheit außerordentlich geeignet, da® Myſterium beim gläubigen Volfe auf:
zurichten, unter deſſen Schuße die Hypoſtaſenchriſtologie allmählich ihren Einzug gehalten
bat. In der Folgezeit fcheint e8 übrigens in Rom felbit doch nicht ganz vergeflen worden
u fein, daß Kalliſt eigentlih Monarcianer geweſen it. So heißt es in fpäteren ge:
—78* — Synodalakten (Manſi II, 621): „qui se Calistus ita docuit Sabellianum, :
ut arbitrio suo sumat unam personam esse trinitatis“. Die fpäter folgenden
®orte „in sua extollentia separabat trinitatem“ find ohne Grund Döllinger (a. a. O.
©. 247) und Langen (a. a. D. ©. 215) befonders fchmwierig erfchienen. Dem Cabellia-
nismus ift ja vielfach eine Zerreißung der Monas Schuld gegeben worden; f. die Stellen
bei Zahn, Marcell. ©. 211.
Die Hppoftafenchriftologie ift im Gegenjate zum Modalismus von den großen
RKirchenlehrern zwiſchen 200 und 250 auf Grund der Theologie der Apologeten aus:
gebildet worden. Sie hatten leichtes Spiel mit ihren Gegnern, fofern fie ihnen vor:
hielten, daß nach dem Zeugniffe der Schrift Vater und Sohn zwei Eubjelte jeien, und
onnten fie mit wenig Mübe hier ad absurdum führen. Auch die Formel „ber ss
Bater hat gelitten”, wenn fie von den Monardianern wirklich gebraucht worden ift,
tonnte als eine Neuerung aufgewiefen werden. Aber in der Faflung des Gottes:
begriffes hatten die Monarchianer die ältefte chriftliche Überlieferung im allgemeinen
für fich, wenn fie von der allmächtigen Perfon und nicht von der Subſtanz auögingen.
Ihre Gegner haben die Schwierigkeiten ihrer eigenen Auffafiung mohl gefühlt. Aber um 40
jo entjchlojfener warfen fie fich der Spekulation in die Arme, obfchon fie fih mit ihr
dem Gnoſticismus bedenklich näberten. Die Definition des Monotheismus, welche Ter:
tulliaon adv. Prax. 3 gegeben bat, darf bier ale Beispiel gelten: „ego monarchiam
nihil aliud significare scio quam singulare et unicum imperium; non tamen
praescribere monarchiam ideo quia unius sit eum cuius sit aut filium non s
habere, aut ipsum se sibi filium fecisse, aut monarchiam suam non per quos
velit administrare. Atquin nullam dico dominationem ita unius |sui] esse, ita
singularem, ita monarchiam, ut non etiam per alias proximas personas ad-
ministretur, quas ipsa prospexerit offieiales sibi“. Bekanntlich ift diefe Auffaſſung
die heidniſche (Tertullian hat dies felbit unklar gefühlt; |. e. 13), und genau fo bat der zo
Reuplatonismus mit dem Polytheismus fapituliert. Aber in das gleiche Fahrwaſſer tt
auch Hippolyt geraten, wenn er (e. Noöt. 11) behauptete, im legten runde ſeien auch
Valentin und Marcion als Monotheiften anzuerkennen, weil ja auch bei ihnen „zo näv
eis Eva dvarokyeı" (!). Die Zauberformel „zar’ olxovowiav", die von Hippolyt und
Tertullian ein paar Dutzendmal gebraucht wird, fell freilih den Monotheismus gegen den 55
—— abgrenzen, und ſofern ſie dieſen Dienſt ſo ziemlich geleiſtet hat, mag man
e reſpektieren. Aber ſie leiſtete ihn doch nur, indem ſie ſtatt des Gottes der Offen—
barung den Gott des Geheimniſſes ſetzte. Aber auch in der Chriſtologie gelang es Ter—
tullian und Genoſſen nicht, die chriſtlichen Anſprüche zu befriedigen und ihre Gegner zu
überbieten. Ihr Logos iſt zwar weſenseins mit Gott, aber er iſt doch durch feine Ori⸗- vo
IS
[el]
30
332 Monarchianismus
gination, die erſt behufs der Weltſchöpfung erfolgte, ein inferiores göttliches Weſen. Dieſe
Auffaſſung aber ſtritt mit der kultiſchen Ueberlieferung, welche Gott ſelbſt in Chriſto an-
ſchauen lehrte, ebenfofehr wie der VBerfuch, den Sohn-Gottesnamen für Ehriftus nicht von
feiner wunderbaren Geburt, fondern von einem vorweltlihen Alte abzuleiten, die dog:
5 matifche Tradition gegen fih batte. Einen gemeinfanen Boden mit ihren Gegnern be
baupten übrigens die älteren Beltreiter des Monarchianismus noch dadurch, daß für jie die
Selbitentfaltung Gottes zu mehreren Sppoftafen durchaus noch offenbarungsgeſchichtlich
bedingt ift. Der Unterjchied zwifchen ibnen und den Monarcianern, wenigſtens den
jpäteren, it bier nur ein gradueller. Dieſe beginnen bei der Menfchwerbung (refp. bei
ı0 den Theophanien im AT) und datieren von ihr ab eine nominelle Mebrheit, jene laſſen
die „ölonomifche” Selbſtentfaltung Gottes unmittelbar vor der Weltſchöpfung ihren Ur-
fprung nehmen. Es ift das fosmologifche Intereſſe, welches auch bier wieder bei den ka—
tholifchen Lehrern bervortritt und das gejchtehtliche verdrängt, indem es dasjelbe angeblich
auf eine höbere Stufe bebt. Aber die Theologie Tertulliand und Hippolyts it auch des
15 Monarchianismus noch nicht Herr geworden. Dies gelang erft Origenes und der aleran-
drinifchen Theologie. Soweit fih die Logoslehre im 3. Jahrhundert durchſetzte, wurde
die Antwort auf die Frage, ob das Göttliche, welches auf Erden in Chriftus erjchienen
it, mit der Gottheit identisch fer, unficher. Erſt Athbanafius gab auf den Boden ber
Yogoslebre eine fichere Antwort. Bis dabin vertraten die Modaliften ein uralte und
u wertvolles Intereſſe in der Kirche.
V. Die Ausgänge des Modalismus im Abendland. Seit der Kompro-
mißformel des Kallıft und der Exkommunikation des Sabellius trat der aggreffive Mo-
dalismus im Abendland zurüd (die Lehre des Zabellius wird daher im nächiten Abjchnitt
beim Morgenland dargejtellt werden). Aber audı Hippolyts Sekte erlofh nach kurzer
25 Zeit. Denn modaliſtiſche Tendenzen und modaliftiiche Formeln baben jich zähe unter
der Hülle der Logoschriſtologie erhalten, ja beſtimmte modaliftiiche Kehren fanden fich noch
bin und ber. Um die Batripafitaner auszuschließen, erbielt nadı dem Zeugnis des Rufın
(Expos. Symb. Apost. c. 19) das Symbol von Aquileja den Zufag: „(Credo in deo
atre omnipotente), invisibili et impossibili". Dionyfius von Mom bezeichnet bie
30 Lehre von der Identität von Vater und Sohn als eine „Blasphemie“ (bei Routb, Relig.
Sacrae III? p. 373), und Cyprian nennt die Batripafjianer neben Gnoſtikern und Mar:
cioniten eine „Belt“ (ep. 73, 4. Das mobdaliftifche Element kann man bejonders in
den „Inſtruktionen“ des Commodian ftudieren ſowie an feinem „Carmen apologeticum".
Ghrijtus heißt bier jtets „deus omnipotens“ bzw. „Christus omnipotens“; er ijt der
„deus pristinus ipse“; „pater in filio venit, deus unus ubique“; „ideirco ne6
voluit se manifestare, quid esset, sed filium dixit se missum fuisse a patre".
Epipbanius berichtet (h. 62, 1), daß es zu feiner Zeit zu Rom noch Sabellianer gebe,
und tim Sabre 1742 wurde bei Tor Maranzia an dem Wege nah ©. Paolo in einem
jetzt nicht mehr aufzufindenden Cubiculum eine Inſchrift entdedt (4. Jahrhundert), die da
lautete: „Qui et filius diceris et pater inveniris“. Der cigentlibe Ausgang des
abendländifhen Modalismus liegt in der feſten Haltung, welche das Abendland im römi⸗
ihen Kampf angenommen bat, in dem energifchen Eintreten für die Homoufie und m
der Ablehnung der Formel von drei Hypoſtaſen. Auguftins Ghriftologie, die allmäblich
in der abendländifchen Dogmatik die berrichende wurde, muß ſogar als eine Überordnung
5 monarchianiſcher Gedanken über die Logoschriſtologie aufgefaßt werden.
VI Tie modaliſtiſchen Monardianer im Morgenland, der Eabel:
lianismus. Da der Name „Sabellianer” jeit dem Ausgang des 3. Jahrhunderts im
Orient die allgemeine Bezeichnung für die modaliſtiſchen Monarchianer geworden ift (auch)
im Oeccident wird er bier und da in diefer Bedeutung im 4. und 5. Jahrhundert ge:
50 braucht), fo ijt Die Überlieferung über die Lehrweiſe des Sabellius ſelbſt und feiner näch—
jten Anhänger eine fehr getrübte Es iſt Zahns Verdienft, gezeigt zu baben, wie
namentlich Sätze, welde Marcel von Anchra zuerit aufgeltellt bat, von den Gegnem
als ſabellianiſch, weil als monarchianiſch, bezeichnet und nun in der Folgezeit dem
älteren Theologen imputiert worden find. Aber nicht nur Marcelliiches geht unter dem
5 Namen des Sabellius bis beute noch; der Monarchianismus bat in dem Jahrhundert
zwiſchen Hippolyt und Atbanafius unzweifelbaft ſehr verfebiedene Kormen angenommen;
er it von der philoſophiſchen Spekulation durchtränkt worden; Tenotifhe und Verwand—
lungs-Lehren find ausgebildet worden -- und das alles baben die Berichterftatter
mit einer und derjelben Etiquette verjeben; fie baben zugleih Ronfequenzmacherei getrieben
sound jo Lehrformen gefchildert, die in dieſer Weiſe höchſt wahrjcheinlih gar nicht exiſtiert
g&
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Monardianismus 333
haben. Es iſt deshalb auch bei forgfältigfter Beachtung aller überlieferten Nachrichten
leider nicht mehr möglich, eine Gejchichte des Mionarchianismus von Kalliſt bi8 Marcellus
zu fchreiben. Denn das Material iſt ein zu fragmentarifches. Gelingt e8 doc fogar faum,
die Geſchichte der Logoschriftologie von Origenes bis Athanafius-Artus zu entziffern, ob:
gleich hier die Überlieferung relativ viel reichhaltiger if. So viel fteht aber feit, daß im
Orient der Kampf wider den Monarchianismus mindeſtens zwiſchen 220 und 270 ein
ſehr heftiger mar, und daß felbit die Ausbildung der Xogoschriftologie Durch diefen Gegen:
ſatz direft beeinflußt wurde. Ja der Uniſtand, daß der Name „Sabellianismus“ faſt der
einzige ift, unter welchem der Orient den Monarchianismus fennt, weift darauf hin, daß
es erft durch das Auftreten und die Wirkſamkeit des Sabellius, reſp. jeit derfelben, im
Drient zu Kirchenfpaltungen gekommen ift, d. h. erjt feit den 4. Dezennium des 3. Jahr:
hunderts (Eujeb., h.e. VII, 6).
Quellen: In den Schriften des Origenes finden ſich nicht ganz felten Mitteilungen
über Monarchianer; jo epi doy@v I, 2, in Mt. XVI, 8. XVII, 14, in Joann I],
23, II, 2.3; X, 21, in ep. ad Titum frgm. II., c. Cels. VIII, 12 ete. Für Sa⸗ ı;
bellius ift der Bericht der Philofophumena (l. IX) trog der Dürftigfeit von grundlegen:
der Bedeutung. Hippolyt führt ihn übrigens in einer Weiſe ein, die es offenbar macht,
daß Sabellius damals der römischen Gemeinde hinreichend befannt mar, daher feiner
näberen Charafterifierung bedurfte (f. Gaspari, Quellen III, ©. 327). Aus guten Quellen
ihöpfte Epiphanius h. 62. Die wichtigſten Urkunden über S. und feinen libyſchen An- 20
bang würden die Briefe des Dionyfius Aler. (Eufeb. h. e. VII, 6. 26) an Ammon,
Telesphorus, Eupbranor und Euporus, fowie die Korrefpondenz dieſes Bifchofs mit feinen
römischen Kollegen fein, wenn mir dielelbe noch befäßen. Aber wir haben nur rag:
mente, teild bei Athanafius (de sentent. Dionys.), teil® bei fpäteren (nicht vollitändi
gefammelt von Routh, Rel. S. p. 371—403). Fragmentarifh aber doch unentbehrlich 35
ift alles, was Athanaſius mitteilt (namentlich in den Schriften de synod.; de decret.
Nic. synod. und c. Arian. IV. Diefe Rede ift durch unvorfichtige Benugung Anlaß
iur Entftellung der fabell. Lehre geworden; doc ſ. Rettberg, Marcell. Praf.; Kuhn,
atbol. Dogmatif II, ©. 344; Zahn, Marcell. ©. 198f.). Einzelne wichtige Angaben
noch bei Novatian, de trinit. 12sq.; Methodius, Conviv. VIII, 10; Arius in ep. ad 30
Alex. Alexandriae (bei Epiphan. h. 69, 7); Alerander v. Alex. (bei Theodoret, h. e.
I, 3); @ufebius, ec. Marcell. und Praepar. ev.; Bafilius, ep. 207. 210. 214. 235;
Gregor von Nyfla, Adyos xara ’Ageiov xal Zaßeiliov (Mai, V. P. nov. coll. VIII,
2 p. 1sq.) — vorfihtig zu benugen —; Silarius, 1. ad Constant. II, 9. de trinit.
VII, 39; Ambrofius, de fide (passim); YAuguftin, traet. in Joann. (pass.); Philaftr. 35
h. 54; Pfeudogregor (Apollinaris) bei Mat, 1. c. VII, 1 p. 170sq.; Theodoret, h.f. II. 9;
Bigilius von Tapjus, Dial. adv. Arian. ete. (Biblioth. PP. Lugd. VIII); in der ano:
nymen Schrift noös robs Zaßellilovras (in Athanas. Opp. ed. Montf. II, p.37sq.);
bei Nicepb. Gall., h. e. VI, 25. Die lateiniſchen Härefiologen, von Epiphanius abhängig,
‚bringen kaum etwas Beachtenswertes; ſ. Auguftin h. 41 (hier find die Bemerkungen 10
über das Verhältnis des Sabellius zu Noet intereflant. Augujtin vermag nicht einzu-
feben, warum die Orientalen den Sabellianismus neben dem älteren Wonarchianismus
als eine bejondere Härefie zählen); Prädeft., h.41; h. 70 werden Priecillianer und Sa:
bellianer zufammengeftellt (jo ſchon bei Leo J.); Iſidor, h. 43; Gennadiug, ecel. dogm.
1.4 („Pentapolitana haeresis“); Pjeudohieron., h. 26 („Unionita“); Honorius, h. 59; #5
Paul, h. 28 („contra hanc haeresim tempore Aurelii exortam scripsit Diony-
sius Alex.“). Für den Monarcianismus überhaupt fommen noch einige Stellen bei Gre—
gorius Thaumat., Philaftr., h. 51 und ein paar Anfchriften (de Rossi, Bullet. 1866
p. 86sq. 95) in Betradit.
Wahrſcheinlich noch mährend des Epiſkopats des yaphprin trat Kleomenes von 50
Schauplatze ab und Sabellius, vielleicht von Geburt ein Libyer (aus der Pentapolis) —
doch taucht dieſe Nachricht erit bei Baſilius auf, dann bei Philaftrius, Theodoret und
Nicephorus, und I möglicherweije Daher, daß die Lehre des Zabellius jpäter in Libyen
befonders Anklang fand —, trat an die Spige der monarchianiſchen Partei (Schule) in
Rom. Sabellius foll anfangs noch zu Vermittelungen geneigt geweſen fein (Philoſ. 55
p. 451, 75 sq.). Allein in Gegenfag zu Kalliſt entjchied er * für Die monar—
hianifche Lehrform in ftrenger Faſſung. Es iſt ſchon bemerkt worden, daß fich dieſer,
m Bilhof erhoben, genötigt ſah, den Sabellius aus der Kirchengemeinfchaft auszu—
bließen. So beitand in Nom nun cine fehismatische monardianifche Partei unter der
Führung des Sabelius, die es an Vorwürfen gegen Kallift als gegen einen Apoftaten wo
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far‘
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OT Monardhianismud
pe npben beiraboep Det /Ssq\ Wo Söꝛvelv: die Philoſophumena jchrich, be:
ud oabeibene ihn Mate za o zoom Nom, Wir wiſſen auch nicht, daß er die
nennen My navi oa oe mie Tod muß er von Nom aus
organ — 2m rn enı namentlich Beziebungen mit den
aa ier nein Nase \oreı zam Sim Tode Des Drigenes, um das Jahr
Kom Na rn Duo ponmzianmihe vehre Die Derziaen Gemeinden erregte
ont 8. TI > wer Zabellius ſchwerlich mehr am Yeben, und
X. 0.00. Zets setelt worden ıAtbanai., de sentent Dionys.
non Neo. neo am erjten Male geſcheben. Urigenes wenig—⸗
nom X Nemcu Der Manues bei feinen Auscinanderjegungen
NT ren 2 meabnn Diele bentnnen ſchon um Das Jabr 213. Da—
Sees pe Icrdyrinus, iſt Urigenes in Nom geweſen. Aus den
Sn F are pelpt getreten iſt wiſſen wir Doch, daß er eine
SIND en X: man mit Recht geſchloſſen Doͤllinger a. a. O.
un 20,82, Nangena.a U. S. 2417), Daß Urigenes den
ee N it und für Hippolut Partei ergriffen bat. Auf
seen Depot Dur Pontian (im Jabre 231 oder 232) in Rom
IT nenn ee Einfluß geineien fein. Wir leſen aber auch be
. 0. en. ach Bifchöfe, welche, um Gott zu verberrlicen, den Wäter:
Dad au einem nur nommellen macen. Dies fcheint auch
- my Verhältniſſe gejagt zu fein. Die Theologie Des Tri:
ne werden energiſchen Gegner aller monarchianiſchen Lehrweiſen;
wertgellten Yebrfüße, daß der Yogos, auf den Inhalt jeines
. Beszbett befige, und daß er don Ewigkeit ber aus dem Weſen
wetten ſich zwar ſcheinbar einer monarcianiichen Denkweiſe,
Rorheit viel energiſcher ab als Dies Tertullian und Hippolyt
har der pbilofopbiichen Theologie des Urigenes folgte, war gegen
Saar irixit. Es iſt aber wichtig zu bemerken, daß an allen Stellen,
ensndtaner zu Sprechen fommt, er ihre Lebrweiſe lediglich in einer
ne zone jede ſpekulative Verbrämung zu kennen ſcheint. Immer find
Lacwlicn, daß Vater und Sohn zwei Hypoſtaſen find“ (fie jagen Ey or
il ÖTORELLENG)), welde Water und Sohn „verſchmelzen“ (ovy-
u der „Auffaſſung“ und im „Namen“, nicht in der „” Zabl“, Unter:
sine wollen u... Origenes bält fie darum auch für untbeologijche
, Iladubende“. Gr bat aljo Die Lehre Des Zabellius nicht gekannt und
' Du ‚al Dei jvropaläftinenfijchen Boden feine Gelegenheit, ſie kennen zu lernen.
u war unzweifelhaft, wie auch Epiphanius richtig geſehen bat (haer. 62, 1),
el run verwandt; fie unterfchied ſich aber von ihr ſowohl durch jorafältigere
üneiuhrung als Dur Die Berüdfichtigung des bl. Geiſtes. Die Annabme
“nad anderen, man müſſe zwiſchen zwei Ztadien in der Theologie Des S.
rn vild unnötig, ſobald nur die unzuverläffigen Tuellen ausgeſchieden find.
“ep atab Des Zabellius lautete, daß Derjelbe Der Water, derjelbe der Sohn,
7,2 Geiſt ſei. An einem und demſelben Weſen baften aljo drei Namen. Cs
' Sr tinbe vIntereſſe, welches auch Sabellius leitet: de Ay EINWUEN, jagen Die
to Apipbantus, Fra deor Eyouer, N} Toeis Deols, — ob nolıdelay
‚Fu wundert Cpipbanius. Ob S. den Vergleich mit dem trichotomiſchen Weſen
na und mit Der Sonne (ein Weſen, drei Energien: roͤ pœortorixovr, rö dul-
go ſelbſt gebraucht bat, ſteht dahin (Epiph. J. e.). Das eine Weſen iſt von
ect genannt worden, ein Ausdruck, der ſicherlich gewählt worden iſt, um
"pn. naudnis, alv bandle es ſich doch irgendwie um eine Zweiheit, abzuſchneiden.
0 erikbene iſt nach S. letzte Bezeichnung für Gott ſelbſt und nicht etwa nur für
N daumen einer im Hintergrunde rubenden tovds. Wohl aber lehrte S.
Yrhantito ad Athanaſius), Daß Gott nicht gleichz eitig Vater und Sohn iſt; viel⸗
ou db vrei aufeinander folgenden Energien wirkſam geweſen, zuerſt im Kroſopon
lea CProſupon Erſcheinungsform, Geſtalt, nicht — Hypoſtaſe) als Schöpfer
oc hlibenber, ſodann im Proſopon des Sohnes als Erlöfer -— dieſes beginnt mit der
Yeti und findet Fein Ende in der Himmelfahrt —, endlich und bis beute im
ton da Wrrftes als Lebendigmacher und Yebenjpendender. Ob es Sabellius möglich
nhit all war Gedanken Der fragen Suecceſſion der Proſopen, jo daß dag eine Die
ge ber ulleaeit iſt (Epiph. e. 3: 0° zao 6 viös abror &yErvyoer, obÖE Ö narıo
Monardianismns 335
neraßeßintaı dno Tod nano elvar viös), wirklich durchzuführen, fteht dahin. Mög-
Ich, ja nicht unmwahrfcheinlich ıft, daß er nicht umhin gekonnt hat, eine fortgehende Ener:
gie Gottes als des Vaters in der Natur anzuerkennen (j. Zahn a. a. O. ©. 213). Daß
Sabellius und fein Anhang den katholiſchen Kanon anerkannt hat, verftebt fich von felbit,
wird aber von Epiphanius noch ausdrücklich Tonftatiert. Auf Stellen wie Dt 6, 4; Er 5
20, 3; Sef 44, 6; Jo 10, 38 follen fie fich befonders berufen haben. Epiphanius be-
merkt aber außerdem noch, daß die Sabellianer ihre ganze Irrlehre und die Kraft der-
jelben aus gewiſſen Apokryphen fchöpfen, hauptjächlich aus dem fog. Agupterevangelium
(&v adteö yap noAla tomürta @s &v napaßvoıw uvormmowödWs &x NE00WNOV TOD
ocrgoc Avapkperaı, ds adrov Önloüvros rois yanmrais röv abıov elvaı narkpa,
tov adıöv elvaı viöv, röv adröv elvar Ayıov nvedua). Diefe Notiz ift lehrreich; denn
fie orientiert nicht nur über eine verjchollene Litteratur des 2. Jahrhunderts, fpeziell über
das Agypterevangelium (im 2. Glemensbrief, wo basfelbe vielfach gebraudt tft, finden
ſich mehrere mobdaliftifche Formeln), fondern fie betätigt auch, daß die Chriftologie des
Sabellius nicht weſentlich von der älteren fog. patripaflianifchen verfchieden geweſen ift. ı;
Bon dieſer unterfcheidet fie fich nicht durch die Annahme einer hinter den Profopen
ruhenden trandcendentalen Monas, auch nicht durch die Einführung des Logosbegriffes,
der vielmehr von Kallift, nicht aber von Sabellius verivertet worden tft, ferner nicht durch
eine fpetulative, der Stoa entlehnte Theorie über die verjchlofjene und wiederum ſich ent-
faltende Gottheit, endlich auch nicht durch eine irgendivie geartete Trinitätslehre (da viel- 20
mehr eine Trias bei Sabellius ausdrüdlich nicht zu ftande kommen foll) oder durch den
Ausdrud viondıwo (der im Sinne des Sabelliu8 doch nur die Einperjönlichleit Gottes
tonftatiert), fondern die allein beachtenswerten Unterfchieve von dem älteren Modalis-
mus liegen 1. in dem Verſuche, die Succeflion der Proſopen nachzuieifen, 2. in
der Neflerion auf den bl. Geilt, 3. in der formellen PBarallelifierung des Profopon des
Baters mit dem der beiden anderen Proſopen. Jener Verſuch (ad 1) darf als eine Rück—
febr zu der ftrengen Form des Modalismus gelten, welche durch Formeln wie die „com-
passus est pater filio" als verlett erjcheinen konnte. In der Reflexion auf den Hl.
Geiſt folgt Sabellius lediglich der neuen Theologie, welche den Geiſt eingehender zu be:
rüdficbtigen begann. Am michtigften ijt der sub 3 genannte Punkt. Denn indem das 30
Projopon und die Energie des Vaters in eine Reihe mit den beiden anderen geitellt
wird, ift nicht nur die Kosmologie in die modaliftiiche Doktrin als eine Parallele zur
Soteriologie eingeführt, fondern «8 ijt auch mit der Bevorzugung des Vater vor den
anderen Projopen im Prinzip gebrochen und damit in eigentümlicher Weiſe die athana=
fianifche und noch mehr die auguftinifche Ehrijtologie vorbereitet. Hier liegt ohne Zweifel 35
der entſcheidende Fortſchritt, welchen der Sabellianismus innerhalb des Monarchianismus
bezeichnet. Er hat das erflufive duoovowos vorbereitet; denn daß fich Sabellianer diejes
Ausdruds bedient haben, ift wahrfcheinlich. Sie konnten ihn mit vollem Recht anwenden.
Ferner, während innerhalb der mobdaliftifchen Theologie bisher fein deutliches Band Kos-
mologie und Soteriologie verknüpfte, wird nun durch Sabellius die Welt: und Heils- 40
dichte zu einer Geſchichte des fich in ihr offenbarenden Gottes. Anders ausgedrüdt:
iefer Monarchianismus wird der den Logosbegriff verwendenden Theologie formell eben:
bürtig, und hierin nicht zum mindeften mag die nicht geringe Anziehungskraft beftanden
haben, welche der Sabellianismus im 3. und im Beginn des 4. Jabhrbunderts ausübte.
(Zur Zeit des Bafılius gab es in Nev-Cäfaren noch Sabellianer; Epiphanius weiß von 45
folden nur in Mefopotamien |h. 62 c. 1]. Dort hat fie auch der Verf. der Acta Ar-
ehelai fennen gelernt, der fie als erklärte Häretifer [e. 37] behandelt hat). Indeſſen iſt
nicht verhehlen, daß gerade die auf das Proſopon des Vaters ſich beziehenden Lehren des
Sabellius ganz beſonders undeutlich ſind. Ja der Satz, welchen Athanafius (Orat. IV,
25) dem Sabellius in den Mund legt: @oneg dtaıpäoeıs yapıoudımwv eloi, TO de wm
abıd nyevua, odıw xai 6 narıo 6 adrös ufv Eou, nÄarüverar Ö& eis viöv xal
avevua, ſcheint dem zu widerſprechen, was oben ausgeführt worden iſt. Indeſſen die
np) iedenen Charismen jind ja der Geiſt felbit, der ſich in ihnen h entfaltet, u; er
n
ſich
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t ein hinter ihnen ruhendes bleibt, ſondern total in ihnen aufgeht. Ebenſo entfaltet
der Vater in den Proſopen. Die Zeugniſſe für die Succeſſion der Proſopen bei Sa: 5
bellius find zu ſtark, als daß man aus diefer Stelle folgern dürfte, daß der Vater nad
dem larvouös zum Sohne noch Vater bliebe. — Marcellus bat die Lehre des Sa:
bellius, die er genau fannte, verworfen. Es war die Anerkennung des Logos, die er bei
©. vermißte; Deshalb fei auch der Gottesbegriff von ihm nicht richtig erfaßt worden
(Euseb. c. Marcell. p. 76sq.). Allein die Geftalt, welche Marcell dem Monardianis: co
33 Monarchianismus
mus gegeben bat, bat demſelben wenige Freunde erworben. Allerdings - - Die Zeiten
waren andere geworden. Bereits war Das rettende Wort von der Einweſentlichkeit (Ho:
mouſie) Deo Waters und Des Yogos geiprochen, weldws, jo bedenklich monarchianiſch es
anfang jebien, eben Deabalb Das Mittel geivorden tft, um den Monarcianisnus in der
Kirche überflüffig zu machen und zum Musiterben zu bringen.
Der Streit der beiden Tionpie, Der an fich nicht bierber aebört, jondern in Die Vor:
geſchichte des arianiſchen Streits, kann Doch nicht ganz übergangen werden, Da Die fabel:
lianiſchen Neigungen in der Pentapolis den alerandriniichen Dionyſius zur ftarten Aus:
ſprache jener Yehre beitimmt haben. Der bl. Geiſt iſt in Diefem Ztreite bereits mit be
rüdjichtigt. Tie Unſicherheit Der Terminologie, in welcher Origenes felbjt noch Die ganze
Frage gelaſſen batte, zeigt fich beionders deutlich in der Nechtfertigungsichrift Des aler.
Tionpfius. Hier finden wir unter anderem den Satz: oro uEv Nuels eis TE TV rordda
ri» uovada iarırouer dötaigeror, zal rı,y Toıada aalıy dueiorov els vv uovdda
oryxeyaluotueda eine Formel. Die ſelbſt monarchianiſch gedeutet werben kann, mas
Dionvſius gewiß am wenigiten beabſichtigte. Auch in Der Chrijtologie eines zweiten
Schülero Dev Origenes, Gregorius Thaumaturgus, Die nach allem, mas mir über fie
wiſſen und vermuten kommen, ganz weſentlich Die origeniftiiche geivefen ift, fanden fich
Sabe, Die nachmals als monarchianiſche gedeutet wurden. So erzäblt ung Baftlius (ep. 210),
daß in Der verlorenen Schritt Gregors, AradeSız ons Alkıavov, ein Satz geſtanden
babe, ungefabr Folgenden Inbaltes: zarı;o xal vios Eruvoia uev eloı ÖV0, bnoordaeı
SE, und daß ſich su Seiner Zeit neocaſareiſche Sabellianer auf denjelben beriefen
(ij. Caspari, Quellen IV, S. 367. Ta Gregor den Yogos andererfeitö als xrioua und
organ bezeichnet bar, ſo laßt th jene Ausdrucksweiſe wahrſcheinlich jo erklären, daß
im Gegenſaß zu einer Dem Tritbeismus ſich nabernden Anficht von den göttlichen Hypo⸗
ſtaſen Gregor auf Grund Des origeniſtiichen Gedankens von der Homouſie Des Sohnes
Die ſubſtantielle Einbeit Der Wortbett auf dieſe Weiſe bervorbeben zu müſſen gemeint hat
(andere Erklarungen giebrz Baſfilius Selbit, Dem Der Satz große Verlegenbeiten bereitet bat).
Wett aber uberbaupt unumganglich anzunebmen, Daß in der Seit der ärgften dogma-
tunben nennen und Der Drobenden tbeologiſchen Auflöſung und völligen Ethniſierung
dev Evangeliums, D. b zwiſchen 250 und 220, auch Neigung zum Tritheismus bei einigen
vorbanden geweſen dt reſp. umgekehrt dauerndes Mißtrauen gegen die Logos-Theologie
Alv Die Monarchie geiabrdend, und daß desbalb Schuler des Urigenes das xrjovyua is
vorapyias beſtimmter su betonen Tih genotiat ſaben. Dies gebt nicht nur aus ber
Korreſpondenz der Dionvie bervor, jondern auch aus den Werfen des Gregor Thauma:
turgus. Zwar it Die Echtheit der Dem Gregor beigelegten Schrift an Philagrius über
die Weſendaleichbeit 1 Aipiſel, Gregor, Z. 657, 1oof,, Dazu aber Dräſeke, IpTh 1881,
2: Dverbat, Toy 1881, Wr 12) noch nicht entichieden, jedenfalls gehört fie aber
der Zeit vor Athangitus an. In Diefer Abhandlung ſucht der Verf. die Einfachheit und
Einzigartigkeit Wortes zu begrunden unter der Vorausſetzung einer gewiſſen bupojtatiichen
Verichiedenbeit. ET mabert ſich aber zuſichtlich dabei monarchianiſchen Gedanken, obne
Dub un ſie einzzumünden. In dem ſehr merkwürdigen Traktat ferner über Die Leidens—
uniabigteit und Leidensfahigkeit cAiyſſel a. a. C. S. 71f. 118f.) an Theopompus (ob
echt:;wird ſogar Über dies Thema gehandelt, ohne daß eine Scheidung zwiſchen Vater
und Zobn in dieſem Zuſammenhang auch nur angedeutet wird — der Verf. ſtellt ſie freilich
‚ab nicht in Abrede. Es gehört eben zu den Eigentümlichkeiten der origeniſtiſchen Theo—
late, daß alle ihre Formeln in utramque partem interpretiert und verwertet werden,
daß nicht nur auf Dem Wege der Halbierung etwa, ſondern ſchon auf dem der Grup:
pierung Die Zäße Des Urigenes den verſchiedenſten dogmatiſchen Abjichten dienſtbar ge
macht werden konnten. So trat in Der zweiten Hälfte Des 3. Jahrhunderts bei der
Iluſſigkeit aller dogmatiſchen Begriffe ein Zuſtand theologiſcher VBerfumpfung ein, der
auch Die monarchianiſchen Lehrweiſen mitbetraf; Denn das, was z. B. Athanaſius und bie
ſpäteren als Sabellianismus kennen, it ein Sammelbegriff für verſchiedene Lehrweiſen,
welche durch philoſophiſche, ſelbſt alexandriniſche Philoſopheme bereits entſtellt ſind, ſich
aber allerdings in dieſer Geſtalt beſonderen Beifalls bei den ſpekulativen Theologen
unſerer Tage erfreuen. Der kühne Verſuch des Paul von Samoſata, auf die älteſte Tra⸗
dition zurückzugehen, ſcheiterte ſofort, und auch Das Unternehmen Marcells, die geſamte
alerandriniſche Theologie bei ſeite zu laſſen und durch Wiederaufnahme bibliſcher Gedanken
und der irenäiſchen Theologie das chriſtologiſche Problem zu löſen, kam zu ſpät. Das
Problem blieb auf Dem Boden der origeniſtiſchen Theologie gebannt und wurde auf
vo dieſem entſchieden. Adolf Harnad.
Monate bei den Hebräern Mond bei den Hebräcn 337
Monate bei den Hebrfäern |. d. AA. Jahr bei den Hebr. Bd VIII S. 524,00 ff.
und Mond unten.
Monate, päpftl. j. d. U. Menses papales Bd XII ©. 629.
Mond bei den Hebräern. — Bol. die Artitel „Mond“ von Winer, NW, 1848;
von 3. &. Müller in Herzogs RE.'!, Bd IX, 1858; von Kneuder in Schenteld BL IV, ö
1872; von Riehm in feinem HW., 11. Kiefer. 1879, 2. A. 1894, ®d II; Art. Moon von T.
G. Binde? in Yaltings‘ Dictionary of the Bible III, 1900 und von A. C. Baterfon in ber
Encyclopaedia Biblica III, 1902.
Senjen, Die Kosmologie der Babylonier, 1890, S. 101—108: „Der Mond”; Bim:
mern in: Die Keilinfchriften und das Alte Teitament von E. Edyrader?, 1903, passim, be: 10
jonder® ©. 361—367: „Der Mondgott (Sin)”. — Uber die „Mondfeſte“: Wellhaufen,
Geſchichte Israels, Bd I, 1878 (2. Auflage 1883 und fpäter: Prolegomena zur Geidid)te
Söraeld), S. 115—119; Denzinger, Bebräihne Archäologie, 1894. ©. 464 - 466; Nomad,
bräijche Archäologie, 1894, Bd II, ©. 138—144. — %. Hildesheimer, Die aftronomifchen
apitel in Maimonidi3 Abhandlung über die Nreumonböheiligung, in dem Sahresbericht des 16
Rabbiner-Seminars zu Berlin pro 5641 (1880—1881), ©. 3—64.
Der Mond wird in der poetifchen Sprache des AT 7522 „der Weiße” genannt,
vielleicht von feinem im Gegenſatz zur Sonne matten Lichte, vielleicht aber ein uraltes
Hort von nicht mehr durchfichtiger Bedeutung (vgl. unten 8 III, 2 über Yaban). Auf
die Farbe könnte auch verweiten der gewöhnliche Name T, etwa „der Fable” (vgl. 7" 20
„grün, gelb fein“, Geſenius); eher aber wohl bezeichnet dies Wort den „Wanderer“ (vgl.
mer mit de Lagarde, Überficht über die im Aramätfchen . . . übliche Bildung der No:
mina, AGG XXXV, 1889, ©. 46 und dazu noch aſſyr. arbu „Monat”). Der Neu:
mondtag, eigentlich der Neumond felbit, heißt DIT „der Neue”, wm aud im Phöni—
cifchen, und der Bollmond oder die Vollmondszeit NOE oder 1°3, eine Bezeichnung, die:
wahrfcheinlich zu erklären it nad) dem aſſyriſchen Kuse' u „Müge”, nämlich aus der Vor:
ttellung, daß der Mondgott zur Vollniondszeit eine Kopfbinde (agü) trägt (Jenſen
S. en, 104; Zimmern ©. 362; vgl. Hommel, Auffäge und Abhandlungen II, 1900,
271).
Daß Jeſ 14, 12 unter >97 der Mond zu verftehen fei (Zimmern S. 565 An: 30
merkg. 7 nad Windlers Vorgang), iſt fchmwerlich anzunehmen, da arab. hiläl die Neu:
mondſichel bezeichnet, bei dem „Sohn des Morgengrauens” aber nur etwa an die Sichel
des abnehmenden Mondes gedacht werden fünnte, weil nur diefe am Morgen jichtbar ift.
Es ift alfo doch wohl bei der alten Erklärung vom Morgenftern zu verbleiben.
Mondfiniternifje ftellte man fich, wie es jcheint, im hebräiſchen Altertum, wie bei 35
vielen andern Völkern (f. Roſcher, Über Selene und Verwandtes, 1890, ©. 92 und N.
G. Bolitis bei Rofcher a. a. O., S. 186 ff.), vor als verurfadht durch einen den Mond
verichlingenden Trachen. Jedenfalls bejteht jegt in Syrien diefer Glaube, wobei der Drache
>
IS
+1}
N
(N
mit Üe> bezeichnet wird (Littmann, Mt und Nachrichten des deutjchen Palaeftina:Ber-
ans 1901, S. 21). Hi 26, 13 mag darauf binweifen (f. A. Drache zu Babel Bd V +
©.8,sff.). — Ausführliche Darstellungen des Mondes in feinem Umlauf und feinem Ver:
bältnis zur Eonne werden im Buche Henoch gegeben ce. 72, 3. 375 e. 73f.; ©. 78f.
Der Mond war im Leben der Hebräer nicht nur als Zeitmeſſer und wegen des ibm
efchriebenen phyſiſchen Einflufjes auf die Erdwelt von Bebeutung, ſondern aud) in der
erehrung der abgöttifchen Israeliten nahm er eine nicht unbedeutende Stelle ein. Viel: #5
leicht tbat er es ſchon im Kultus der ältejten Hebräer.
I. Der Mond als Zeitmeffer. Die in regelmäßigen Perioden wechſelnden
Phaſen des Mondes haben alle Völker veranlaft, nad ibm die Zeit zu beſtimmen, noch
er und ſchon früber wohl, als das felbe geſchah nach den erjt in längern Zeitab—
pnitten wahrnehmbaren Weränderungen des Sonnenlaufs. Jer 31, 35 iſt die Rede von wo
den Eatungen des Mondes und der Sterne, nicht von denen der Sonne, weil jene fich
in ibrem regelmäßigen Wechfel viel deutlicher beobachten laffen als dieje. Der Mond
beist von der Berechnung der Zeit nah ihm in indogermanifchen Sprachen „der Meſſer“
ffrit. mäs von mA „meſſen“, |. Mar Müller, Borlefungen über die, Wiffenfchaft der
prache, bearbeitet von GC. Böttger, Bo T’, 1866, S. 6). Bei den Agyptern iſt der 5
Mondgott Tehuti (Thoth) der Gott Des Maßes, dann der Wiſſenſchaft, von den Griechen
RealsGncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. Yufl. XIII. —R
u
—
—
una ee} iei des Hebrãern
Dee Iosr Fyrızar Arms % Ieescbinann, Hermes Triemegi-
oo: ion on. 3 rm, Be, ze Volker rechneten auch die
em Now So, oo wo, zei Ir Journ mmiusmen Stadien feiner Gr:
een Ne NONE. A m 22 iur nach Dem Monde
N ame _ ...zmz Ader Das Nalendezmen der Israeliten vor
Notar rn. 2m m $gl Mlademie der Iricaften zu Berlin,
RR Deo zas nee Namen des zum en Male mieder erſchei⸗
NN Tr er Sorzkitichen nur in ber Berczzıng „Neumendtag“
nr nn Tu Araber und Hebräer rechner: wie andere Völler,
N. on en — Handb. der Chronologie, #3 I. 1825, S. 80),
Ne io 2. 2070 mr das AT aus dem Feſtkalender und auch aus
Soon rer Dans, wie mir jcheint, aus Gen. e. Ir. Tiefe Vor:
> 9.2 sr. roemer zur Ihrer Wichtigfeit für das Leben Der Säg er- und
N on. Fier Te Weibos bei den Hebräern, 1876, 2.74.) Die nt
eos pas Somit bei Üölfern niederer Rulturiture übliche Zählung
oo. .- *, Tan zu > 1m AT, deſſen Ausſagen ſämtlich aus Der Periode
no 0. m mer zschmwetien.
meta du Rebentägige Woche zunächtt auf Dem Mondumlauf,
> s2.20..r I Rendumlaufs von 29 Jagen und 12 Stunden, indem
>. namen 77, Tage in runder Summe 7 Tage fegte (jo Ide⸗
Ddemene zubr undenkbar, daß die mögliderweile in Babplonien
sn er zaa &x von Haus aus Jich vielmehr auf Die ſieben Planeten
ON nr Susaamur Mubseitig beobachtete und als Gottheiten verebrte (Kuenen,
Nee ut a, Narlem 18609f. Bd I, Kap. IV Anmtg. 5; engl. Aus
moon." Ardrian (Die Siebenz abl im Geiſtesleben der —8 Rt
ua —E in Wien, Bd XXXI, 1901, 2. 225- 274) nimmt an
ar aenus Die fosmtichempftüche 7 von den älteſten Gulturfigen in
mer ai Der XxXGSedenſten Weltrichtungen ausftrable“. Toch läßt ſich die
a 8 wer TZeodge mit den ſieben Planeten erſt ſehr ſpät nachweiſen, erit
ae Ganz Den dies Saturni nennt zuerſt Tibull (geb. 59 v. Chr.).
ee da Sr iſt Dagegen nicht, wie fich bei ;grübern angegeben findet,
- wi ixxxt Vlanetennanen der Tage nennt. In Rleinafien kommen fie
ae Tunr ver: Apollonius von Tvana beſaß ſieben Ringe für die
>. Nm ern jedes Tages (Maaſs, Tie Tagesgötter in Nom und ben
— wi Ice Rlutarch in der zweiten Hälfte Des eriten Jabrbunderts bat
- Ne Zee Nr Meibenfolge der Planeten in den Tagenanten beichäftigt
Sure cin pompejanijches Wandgemälde, das ungefähr um 50 n. Chr.
Sonia Ne Sieben Planeten, mit Saturn beginnend, in der Folge der Tage:
Sue ID, Ed iſt immerbin denkbar, daß Diefe Benennung der Tage den Abend:
nr XxnXtet hat, aus Babplenien, etwa Durch Vermittelung der Syrer
vSöorader, Der babvlon. Urjprung Der fiebentägigen Woche, ThEMN
- a Reidele, Tie Namen der Wochentage bei den Semiten, Zeitjchrift für
N Neem I, TH, S. I61-- 1621.
ee Sp Pub aber ein Zuſammenhang der Tagenamen mit irgendwelcher
> Near aubriiuchlichen Planetenfolge nicht, und babyloniſche Herkunft
— — MR con Deshalb sticht twabricheinlich, meil bei den Babyloniern
N art einen ſiebenten, aber nicht jedes feſtſtehenden ficbenten Tages
Seren VWirlmehr fmden ſich puren dafür, daß der bedeutfame fiebente
> ar ſich nach Dem dreißigtägigen Monat richtete, da in babyloni⸗
> NT 7. IL, 21. und 28. Tag und Daneben der 19. Tag auf
— au Mami Div betreffenden Tage jedes Monates, der 19. deswegen,
u Wr N Tagen Dis vorhergehenden Monates zuſammen der 49. Tag iſt
Se von cenien Tag darſtellt Jenſen, Die ſiebentägige Woche in Baby—
Sana Zurrkhr. 1. Deutſche Aortioric. I, =. 150— 160). Übrigens bat gr
N rn NUN, wenn fie aus Der Nierteilung Des Mondumlaufs entjtanden iſt,
* warrhulb eines jeden Monates bewegt und iſt erſt Pater eine feſte,
— — unabhängige geworden (Wellhauſen! 116). Die nicht an den
u See Weiterbewegung Der Woche wendet Nöldehe (a. a. O. S. 160) em
Mond bei den Hebräern 339
gegen ihre Entftehung aus dem Mondmonat. Aber die Unbequemlichleit einer an den
Mondumlauf gebundenen und deshalb variierenden Wocheneinteilung Tonnte doch ſehr
wohl eranlaflung geben, die Woche zu einer feiten zu macen. Eher läßt ſich mit Nöl-
defe daran zweifeln, daß „das alte israelitiiche Bauernvolf” diefe „geniale Erfindung”
gemacht haben jollte. 5
Jedenfalls ift der babylonische Ursprung der fiebentägigen Woche und ihre Ent-
ftebung aus dem Planetendienſt Babels ſehr zweifelhaft. Die Annahme befist große
Mabrjcheinlichkeit, daß zuerit im Hellenismus des Orients die Kombinierung der Planeten—
götter babylonifchen U prungs mit der fiebentägigen Woche der Juden vollzogen worden
it (MMaaſs a. a. O., S. 278f.). Vielleicht aber fand diefe Kombinierung doch ſchon ältere 10
Antnüpfungspunfte vor in weftjemitifchen Anfchauungen. Es läßt ſich dafür vielleicht
an die Siebenzahl der phöniciichen Kabiren denfen. In einer phönicifchen Tempelinfchrift
aus Kition anfcheinend etwa aus dem vierten vorchriftlichen Jahrhundert ift Die Rede
von Tagesgöttern, nämlib von „Herren der Tage”, cı Ir2 (Corpus Inserip-
tionum Semiticarum, I n. 86 B 4), wobei es an fich nabe läge, darunter Gottheiten 15
eines kleinern Zeitabjchnittes, tvie etwa der Woche, zu verftehen. Da aber in der vorher:
gehenden Zeile von Göttern des Neumondtages die Nede ift, wird man doch wohl bei
den „Herren der Tage” an Gottheiten der übrigen Monatstage zu denken haben. Hier
fönnte ägyptiſcher Einfluß vorliegen. Irgendwie fcheinen aber auf fanaanätfchem Boden
die Zablen jchon in alter Zeit mit Heiligem und Göttlichem in Verbindung gebracht wo
worden zu jein. Dafür läßt fich geltend machen der Ortsname Beerfcheba „Sieben:
brunnen”, wohl au Kirjat-Arba „VBierftadt”, wahrſcheinlich ferner der phönicifche Gottes-
name Esmun, der doch wohl mit der Acht zufammenbängt, ſchwerlich Dagegen der Orts:
name Baal-Schaliicha, der faum mit der Zahl drei direkt etwas zu thun bat. Für den
Ramen Beerjcheba hat man freilicy geglaubt an eine Rundzahl denken zu jollen, aber
dar dieſer Ort feit alten Zeiten ein Heiligtum war (Gen 21, 31), iſt e8 doch jehr wahr:
deinlich, daß der Name mit fultifcher Bedeutung in Zufammenbang Steht. Tie beiden
amen Beerjcheba und Kirjat-Arba fcheinen nach ihrer Bildung und dem in der Geneſis
über ſie Angegebenen vorisraelitiich zu fein. Planetengötter waren etwaige Tanaanätfch-
pbönicifhe Zahlengötter von Haus aus kaum, da Planetendienft überhaupt nicht fanaa= 30
näiſch geweſen zu ſein fcheint. Da ich aber nicht wüßte, was anderes als die ſieben
Planeten der Heiligkeit jpeziell der Stebenzahl auf kanaanäiſchem Boden zu Grunde liegen
follte, jo fönnte bier uralter babylonischer Einfluß anzunehmen fein. Die für die israe-
litiſche Anſchauung vielleicht ausreichende Herleitung der Heiligkeit der Sieben aus der
des Sabbats kann hier nicht in Betracht Fonımen. Indeſſen werben Bedenken gegen alte 3;
Heiligkeit gerade der Siebenzahl auf phöniciſchem Boden dadurch nabe gelegt, daß in den
gewiß nad phöniciſchem Vorbild gewählten Zahlen des Salomoniſchen Tempels die
Sieben keine Rolle ſpielt, ſondern nur die Zehn und Zwölf: zehn Becken, zweimal fünf
Leuchter und zwölf Rinder unter dem „Meer“. Daß die zehn Leuchter ſiebenarmig waren,
wie der eine Leuchter der Stiftshütte und des nachexiliſchen Tempels, läßt ſich nicht nach- 40
weifen und ift, weil dieje Befonderheit gewiß angegeben fein würde, nicht wahrſcheinlich..
Sehr hohes Alter der Heiligkeit der Sieben bei den Hebräern ift Dagegen erfichtlich aus
dem Worte „fich fiebnen” in der Bedeutung von „ſchwören“.
Auch wenn die Heiligkeit der Siebenzahl auf femitiichen Boden von den Planeten
we jein follte, Tünnte doch die Kombinierung der fieben Tage mit den Planeten 45
ehr ſpät aufgefommen fein, als die Woche längit feitftand. Und jelbit wenn die
tage fchon verhältnismäßig frühzeitig mit den Planeten kombiniert worden fein
follten, bleibt doch die einfachite Erklärung für die Entſtehung der jtebentägigen Woche
dad von diefer Kombinierung unabhängige Bedürfnis nach Unterabteilungen des Mond:
monatee. 50
2. Monat und Jahr (vgl. A. Jahr Bd VIII, ©. 524ff.). Wie immer die Woche
en fein möge, das hebräiſche Jahr war fiher ein Mondjabr von 12 Mondmonaten.
Aus nachbiblifcher Zeit willen twir, daß die Juden den Anfang eines neuen Monates
variierend nach dem Ablauf von 29 oder 30 Tagen anfegten, je nachdem der neue Mond
am dreißigiten Tage am Himmel gejeben oder nicht gejeben wurde (ſ. BD VII S. 17, ff.; 5
J Maimonides bei J. Hildesheimer a. a. O, S. 9 833). Daß die Rechnung nad
ondmonaten und dann doch auch nach Mondjahren bei den Hebräern die gewöhnliche
ſchon in ſehr alten Zeiten war und wohl die urſprüngliche, zeigen deutlich genug die
bon dem Mond entlehnten Namen für den Monat, namentlich 977 (Tillmann a. a. O.,
S. 931; dagegen beantwortete Scyffartb die Frage: „Haben die Hebräer ſchon vor Jerus on
22"
[7]
IV
Mond bei den Hebräern
—* Mondmonaten gerechnet?“ Zom& II, 1848, ©, 344355 aus
au 3 finden f m uren bon ——— Sonnenjal
in der Ang der Lebensdauer des — vielleicht nalich ein Got
Jahresanfangs, don * a in —— prieſter eſterlichen € |
(= ode ei * in ©
Bi — Man Donates bis um re seite
dem Verfaſſe ——
ge geläufig war, da er ——
ei —— (68 wäre danad) mög
db, dat | Hebräern das ältere war und ——
das 9 a doch Fünnen jene beiden Spuren von tjchaft mit
dem Someni ären fein aus ungen mit dem Ausland, etwa mit ben
Agybter ‚ die Bas Jahr auf 12 dreifigtägige Monate und 5 Zufaßtage, alfo auf 365 Tage
Aber gerade F —— ieſterlichen Schrift auf ein Jahr und
Rn Tage * un weiter ab er nach dem Monjah von 354 eg en rechnen
d Az — — ie 6 mr * gr a
Es er im —— ten 3 eltung fommen,
direft erfennen. ne man allerdings —* af ei ein Jahr von 360 en (aljo von
12 dreißigtägigen ' ten, jomit nicht veinen Mondmonaten), wie es "lie don
und Ägypter gebrauchten, die Anjegung von Perioden der Sintflut in * beſondern
25 Quelle der priefterl Schrift zu 150 Tagen (Gen 7, 24; 8, 3). Freilich ift die.
150 nicht aus 5mal 30 entjtanden, wie man ag angenommen bat (jo U. Jah—
3b VIII, ©. 526, wff.; —— Kalenderweſen, S. 930). Windler (, ustuf,
Altorientaliiche Forihungen, II. Heft 1, 1898, ©. 99) hat dieſe
mit Recht eingewendet, daß au auf, nk‘ v3 die Einführung ber 19 na eine bleibe.
0 Vielmehr fcheint bier die von Windler doch wohl konſtatierte Berechn
tägigen Woche, hamustu, zu Grunde zu liegen, , min — —— er — J—
hamustu von 1800 — 360 X 5 Tagen. e ——
nic F erklärende Dreiteilung des Monates, ſo abe a. a. mann, Kalender
©. 930.) it wohl auch zu erfennen in ber im AT mehrfach vorfommenden An-
gebe cine ‚cm Yetrauns (Gen 24, 85; 67 12, 8 uf @- ‚ Windler a. a. D,
S. 100) ned wäre auf die ägyptiſche zehn tag e Ben (. „Bere, Die Chrons
logie der Aegypter, Bb I, 1849, ©. 132.) zu verwe — wohl
der hamustu entfprungen jein wird. Diefe wird ferner bie e Grundlage f Kr den
Monat von 30 =6X 5 Tagen. — Sedenfalls laſſen ſich Perioden —* —* Tagen
“einem Mondjahr nicht eingliedern. Aber auch die Angabe der Perioden vo ran
eigt nur, daß dem Pe ein Jahr von 360 Tagen befannt, nicht bob ee
"5 räern gebräuchlich
Bei der Sinbalung eines Jahres von 12 Mondmonaten mußte man beobachten,
ba er es Jahr id mit dem Kreislauf der Jahreszeiten nicht dedte, daß die Jabreszeiten
15 fi dem Sonnen nicht nach dem Mondumlauf beitimmen, und bie ei
Des — mußlen auf jenen Bezug nehmen, nicht auf dieſen. Daher die
oleihung des Mondjabrö mit dem Sonnenumlauf durd den erſt aus nachaltteſtament
icher Zeit bezeugten, gewiß aber in irgendwelcher, vielleicht ziemlich willfürlichen, 2 n
Mn ältern Schaltmonat (vol. Dillmann a. a. DO. ©. 933). Er iſt nad babyloniſchem
sorbild aufgefommen. Die Babylonier jegten auf 19 Jahre 12 Gemeinja und 7
Itjabre mit einem breizebnten Monat an (ſ. F. X. Kugler, Die Babvloniihe Mon
— Zwei Syſteme der Chaldäer über den Lauf des Mondes und ber Sonne, Z
Von der im AT vorliegenden und, wie es fcheint, allgemein: und altjemitischen Zeit
s einteilung nad dem Mondlauf bat fich bei den Diandäern, wohl direft aus babylonifc
Quelle, eine Erinnerung erhalten, die bas Prinzip diefer Einteilu deutlich ‚geltend
macht, indem in einer ber manbätjchen Schriften der Demiurg Ptabil }
den Mond zur Mechnung für die Welt“ (Brandt, Die Mandäihe Kelie, 1899, S. 61)
3. Neumondtag und Feſtkalen der. Die Wiederlehr des neuen ırbi
don den Hebräern bei der Michtigleit, die er für die Ordnung des Lebens hatte, J— ber
Mond bei den Hebräern 341
fonderer Freude begrüßt und einstmals feitlich gefeiert, vielleicht ein Reſt alter göttlicher
Verehrung ded Mondes (Kuenen a. a.D., ©. 244f., 266f.; vgl. unten $ III, 1). Das
Feſt Des Neumondtages iſt eines der älteften unter den bebräifchen Feiten und wurde wie
der Sabbat durch Ruhe gefeiert (Am 8, 5). In der Gefchichte Davids (1 Sa 20, 5f.
24) und in der Elifa-Gefchichte (2 Kg 4, 23) wird das Neumondfeft genannt. Bei den 5
ältern Propbeten (Am 8, 5; 20 2,13; Jeſ 1, 13; vol. 2 Kg 4, 23) wird es in
Parallele mit dem Sabbat erwähnt (Ho 5, 7 dagegen ift fchiwerlih vom Neumondtag die
Rede; der Tert ift offenbar Torrupt, wahrfcheinlich gerade in dem Morte OT). Wenn
das hebräiiche Verbum 22:7, das den Feltjubel bezeichnet, mit der. arabifchen Benennung
des Neumondes hiläl zufammenbängen follte (Wellhaufen, Prolegomena?, S. 117), fo 10
ergäbe ſich daraus fehr hohes Alter der Neumondsfeier. Der Zuſammenhang iſt aber doch
zweifelhaft (Mellbaufen, Reſte arabifchen Heidentumes', 1887, ©. 107 ff.).
In dem jehoviftifchen Gejeh, dem Bundesbuch, und im Deuteronomium wird der Neu:
mondtag nicht genannt, fondern als Feſte nur der Sabbat und die drei alten Nahres-
feſte. Die Nicbtermähnung iſt namentlich im Bundesbuch auffallend, da doch noch Sefaja ı5
den Neumondtag als Feittag Tennt. Offenbar ijt die Tendenz jener eeleggenungen dahın
gegangen, den Neumondtag durh den Sabbat, mit dem ihn feine wechſelnde Anfegung
in Kollifion brachte, zu verdrängen. Auch mögen abergläubifche Gebräuche, die ſich mit
der Beobachtung des neu erfcheinenden Mondes etiva verbanden, die Feier feines Tages
anftögig gemacht haben (Wellhauſen). Der Neumondtag bat fi aber, wie aus den 20
Propheten zu ſehen ift, im volfstümlihen Bewußtſein und Brauche noch länger als Feſt
behauptet. In Ezechiels Geſetz (Ez 46, 1ff.) und im Priefterfoder (Nu 28, 11ff.), deſſen
Feitlalender in der vorliegenden Form nachdeuteronomifch tft, fommt der Neumondtag
auch Für den legalen Kultus zur Geltung, jedoch in anderer Weiſe als in der älteften
Br Er ift nicht mehr, mie früher, ein Ruhetag, wird aber durch Vermehrung der:
fer über die täglichen binaus ausgezeichnet. Dies neue Derbortveten des Neumond:
tages bat gewiß darin feinen Grund, daß der gefamte Feſtkalender der fpätern prieiter-
lichen Geſetzgebung bejtimmt nad) dem Mondlauf geordnet it, was im Bundesbuch und
im deuteronomifchen Geſetz nicht der Fall ift. Es iſt demnach fpeziell der Mond gemeint,
wenn nach der priefterlichen Schrift des Pentateuchs zu den Aufgaben der von Gott so
erſchaffenen Himmelslichter die Beltimmung der Feſte (STET>) gehört (Gen 1, 14; vgl.
Pſ104, 19; Sir 43, 6ff.). — Nach dem Schema der heiligen Siebenzahl bat im Prieiter:
oder der Neumondtag des fiebenten Monates vor den andern die Auszeichnung eines
wirflichen Feſttages erhalten (Xe 23, 24; Nu 29, 1ff.).
Das Berwußtjein, daß die Feſtzeiten, wenigſtens daß die des fiebenten Monates, nadı 35
dem Mondlauf geordnet ſeien, Spricht fich deutlich in Pi 81, 4 aus. Der Chronift er:
mwähnt mehrfach das Neumondsopfer als eine beftehende Ordnung (1 Chr 23, 31; 2 Chr
2,3; 8, 13; 31, 3; Er 3, 55 Neb 10, 34). Noch um fpätern Judentum fpielt der
Neumondtag als ein geweihter Tag eine Rolle (Kol 2, 16) und neben den Numenien
auch die Pronumenien, entiprechend den Vorſabbaten (Judit 8, 6). 10
Auf den 15. des Monates, alſo auf den Vollmondtag, fallen im Prieſterkoder zwei
der großen Jahresfeſte, Mazzot- und Laubhüttenfeſt, von denen wahrſcheinlich das letz⸗
tere Pi 81, 4 mit dem Feſt am Vollmondtag gemeint iſt. Vielleicht wird Pr 7, 20
die Rückkehr des verreiften Ehemanns am Bollmondtag deshalb erwartet, weil er zu
diefem Tag als zu einem Feſttag daheim fein will. 15
Auch auf griechifhem Boden ift nach Diele („Ein orphiſcher Demeterhymnus“ in ber
„Feftſchrift Theodor Gomperz dargebracht“, 1902, S. 9) „im Apollocult ... in Folge der
Bedeutung des Mondes und feiner Phaſen für die alten Feſte ein Cult der fiebentägigen
Feiften entitanden”. Diefe mit jemitifchen, Speziell mit den bebrätfchen, Feſtzeiten parallel
ende Ordnung der Feſte in fiebentägigen Friſten und zugleich mit Berüdfichtigung der 50
ondpbafen — mag fie nun fpontan auf griechiſchem Boden entitanden oder von ſemi—
tiſchen Einflüjfen abhängig zu denken fein — kann der Anfchauung zur Beftärfung dienen,
Laß die bebräifche Woche auf nichts anderm als auf der Vierteilung des Mondumlaufs
8*
II. Phyſiſcher Einfluß des Mondes auf die Erdwelt. Im Altertum 5
fhrieb man wohl aller Orten dem Mond einen Einflug zu auf Das Wachstum der
Pflanzenwelt, eine Annahme, die begründet wird ntit der Behauptung, daß der Mond
den Taufall befürdere, und auf der Thatjache berubt, Daß in mondbellen Nächten der
Zaufall bejonders reichlich iſt (ſ. Belege: Baubijfin, Jahve et Moloch, 18714, S. 23
Anmig. 3; Studien zur ſemitiſchen Neligionsgejchichte I, 1876, S. 24115 I, 1878, 60
2
2 Mond bei den Hebräern
Ge
151 Anmkg. 3; wozu ferner: Cornutus Phurnutus,, De natura deorum ce. 34,
.233 ed. Gale; Appulejus, Metamorph. XI, 1, S. 205 ed. Eyſſenhardt; vgl. Welcker,
Griech. Götterlehre, Bd I, 1857, S. 552f.; Goldziher, Der Mythos, S. 185. und be
fonders Nofcher, Über Selene, S. 19ff.). Unter den griechifchen Zeugniffen für dieſe
Auffaflung tft namentlich beachtenawert die Daritellung der Erfa, der Göttin des Taus,
bei Alkman als einer Tochter der Selene und des Zeus. Wachſen und Gebeihen nit
nur der Pflanzen jondern auch der Tiere leitete man in Griechenland und andermwärts
bei den Indogermanen von dem zunehmenden Mond ab, deſſen eigenes Wachſen aud
Wachstum zu befördern ſchien (Roſcher S. 61 ff.). Bon diefen Anichauungen findet fih im AT
10 feine direfte Spur. Dt 33, 14, wo von den „Spenden des Triebes der Monde (Er7=7)”
neben den „Zpenden der Erzeugnifle der Sonne” die Rede ijt, denkt ſchwerlich an ben
vom Monde beivirften Taufall (jo Steuernagel 3. d. St.), da dann nicht der Plural
er” jteben würde, auch v. 13 Ichon von dem Tau als einer Spende des Himmels die
Nede var. Die Ausfage wird fich beziehen auf die in der Reihenfolge der Monate ge:
15 fpendeten verſchiedenen abreserträgniffe. Der immerhin neben SS auffallende Blural Orr
wird daraus zu erllären fein, daß der Verfafjer des vorliegenden Textes von Dt 33,14
in dem Jakobsſegen Gen 49, 25 ftatt er erIT3 fällhlih enim-m Sad gelefen bat
(ogl. Bertbolet 3. d. St.).
Auf den Mond als den Urbeber der Fruchtbarkeit deutet in iweitfemitifchen Kulten
u die Verehrung der weibliden Naturgottbeit, wenn dieſe wirklich als Mondgottheit auf:
gefaßt wurde (f. A. Aſtarte Bd IL, S.15+f.). Überall erfcheint hier die weibliche Gott:
beit alg die das Leben der Erd: und namentlich der Pflanzenwelt begünftigende. In
der Geftalt der Atargatis wurde fie als die Urheberin der befruchtenden Feuchtigkeit ge:
radezu in eine Maflergottbeit umgewandelt (ſ. U. Atargatis Bd II, S.174f. 177, 47ff..
25 Die weiblichen Gottbeiten der Weltfemiten waren wohl ferner Helferinnen bei den menid-
lichen Geburten. Daher wird es fommen, daß in Juda die als Himmelskönigin bezeich⸗
nete Göttin befonders von den Weibern verehrt wurde (f. U. Altarte, S. 155f.). Be
den Indogermanen ſpielten Mondgottheiten dieſe Rolle; man brachte mit den Geburten den
Mond in Zuſammenhang, ausgehend von der Beobachtung des Monatlichen beim Weibe
und der nach Monaten zu berechnenden Entwickelung im Mutterleib (Cicero, De nat. deor.
Il, 46, 119: Luna graviditates et partus adferat maturitatesque gignendi;
vol. Roſcher S. 55ff.).
Dod das Mondlicht hielt man unter Umſtänden nah Pi 121, 6 bei den Hebräem
auc für fchädigend (anders Hupfeld z. d. Et.), wie es zu allen Zeiten bei wohl allen
> Völfern mit dem Erd: und Menſchenleben in fördernde und zugleich ſchädigende Be:
ztebung gejegt worden iſt, in fchädigende unter anderm wegen feiner nachteiligen Ein-
wirkung auf die Augen. Auch jtellte der abnehmende Mond an ſich felbft das Ber-
geben Dar, wie der zunehmende das Wachstum (vgl. Roter ©. 66 ff). Wohlthätigen
Einfluß des Mondes auf Die Geſundheit dachte man wohl verbunden mit dem ihm zu
gejchriebenen Taufall: in der ſyriſchen Baruch-Apokalypſe (73, 2) „Iteigt Geſundheit
berab im Tau“.
Grit aus der neuteltamentlichen Zeit baben wir in der Bezeichnung oeAnvıaldueror
„Mondſüchtige“ für beſtimmte Kranke (Mit 4, 245 17, 15) ein direktes Anzeichen dafür,
daß Die Juden, wie ſeit alters auch andere Völker, von dem Monde gewifle Krank:
heitserſcheinungen abhängig dachten. Gemeint find mit den Mondjüchtigen in den evan⸗
gelifchen Berichten (vgl. Wie 9, 22) unverkennbar, wie mir fcheint, Epileptiiche. Man
könnte etwa diefe Darjtellung aus einer Altern entftanden denken, melde Fieberktanke
befchrieben bätte. Bei den Babvloniern laffen der Mondgott Sin und der andere Mond:
gott Nergal in Waſſer und in Feuer fallen. Nah Zimmern (a a. O., ©. 363. 366)
jol dies von Fieberfroſt und ige zu verſtehen fein, was als richtige Erklärung kaum
zu beanitanden tft, Da neben dent „Fallen in Waffer und in Feuer“, wie es jcheint als
anderer Ausdrud für diefelbe Sache, vom „Erglüben und Erblaffen des Gefichtes“ Die Rede
nt (Zimmern 2.364 Anmkg. 1; vgl. S. 112 Anmkg. 1). Ebenſo fällt der osAnvıa-
Soneros in euer und in Waſſer (Mit 17, 155 Me 9, 22). Aber da man andermwärts
sim Altertum zweifellos die Epilepfie vom Mond ableitete (ſ. Roſcher S. 68f. 167 und
% ©. Politis bet Roſcher a. a. O., S. 185), jo liegt doch fein Grund vor, Die deut:
lichen Angaben der Evangelien aus einem Mißverſtändnis zu erflären. — Simmern
(a. a. O., 2.366. 115) Deutung des 275 0-49, 10 als vom Mond ausgehende Fieber:
glut Scheint mir auf nicht ganz Sichern Kombinationen zu beruben, aud für den Zufamnten-
bang in Jeſ 19, 10 weniger gut zu paſſen als die Erflärung vom Glutwind der Müfte,
X
o!
x
=
>
=
„'
3*
7
w
Mond bei den Hebräern 313
Dit der Vorftellung von verderblidem Einfluß des Mondes hängt es mohl zu=
ſammen, daß bei den Mandäern der Mond mit dem Todesengel Sawri’el identifiziert
wird (Brandt, Die Mand. Religion, S.126; derſ., Mandäiſche Schriften, 1893, S. 45.
85). Der babylonifche Gott Nergal, der fetundärer Weife als Mondgott gedacht wird, ift
ein Gott der Seuchen und des Totenreiches (Zimmern S. 412f.). Bei den Griechen 5
wird der Mond, namentlich in der Geftalt der Hekate, zu den Seelen der Abgefchiebenen
in Beziehung geſetzt (Roſcher S. 9Yf.).
Einen rabbiniſchen Einfall über die Stellung des Mondes im Kosmos f. bei Ferd.
Weber, Jüdiſche Theologie?, 1897, S. 201.
III. Kultifhe Verehrung des Mondes. 1. Monddienft bei den He= m
bräern. Nicht nur in den von abgöttifchen Israeliten verehrten weiblichen Gottheiten
wurde vielleicht der Mond angebetet, aljo indireft — denn der nächjte Gegenftand der
Anbetung waren dabei Baumftamm oder Bild der Göttin — AA. Aſtarte und Atargatis
Bd II, S. 147ff. 171ff.) —, ſondern daneben fand auch direkte Verehrung des am
Himmel ftehenden Mondes ſtatt. Die beftimmten im AT erwähnten Fälle der Ver:
ebrung von Sonne und Mond wie überhaupt des eigentlichen Gejtirndienjtes beruhen
auf jpätern Berübrungen mit den Afiyrern und Babyloniern, obgleich jedenfalls dieſe
Art der Anbetung an ſich urjprünglicher iſt als die Verchrung der Sonne und bes
Mondes in perfonifizierter Geftalt. Von direlter Anbetung des Mondes wie der Ge:
ſtirne überhaupt ift im AT erit feit dein Ende der Königszeit die Rede. Die Anbetung 20
des Mondes wird im TDeuteronomium verboten neben der Verehrung von Sonne und
Himmeldbeer (c. 4, 19; 17, 3). König Joſia that in Befolgung dieſes Gefetes den:
jenigen Einhalt, welche der Sonne, dem Monde, dem Tierfreis und dem ganzen Hinmels-
beer räucherten (2 Kg 23, 5). Uber den Dienjt der Sonne, des Mondes und des ganzen
Himmelsheeres in Jerufalem klagt Jeremia e. 8, 2, allgemein über den des Himmels: 25
beeres c. 19, 13, ebenfo Zephania c. 1, 5. Unter der zu Jeremias Zeit verehrten
Himmelstönigin iſt feinenfalls direkt der Mond, vielleicht aber eine Perſonifikation des—
jelben in einer weiblichen Gottheit zu verſtehen (f. U. Aftarte Bd II, S. 155f.). Wenn
es ſchon von Joſias Vorgänger Manaſſe beißt, daß er dem ganzen Himmelsheer diente
(2 21, 3), fo wird auch bier der Mond eingefchloffen zu denken fein. Dagegen bat 0
ber Redaktor des Königsbuches 2 Kg 17, 16 den ihm aus der lehten Periode Judas
befannten Dienjt des Himmelsheeres gewiß fälfchlich aud) dem alten Reich Ephraim zur
Laſt gelegt. Aber die vielleicht ſchon von Jeſaja, vielleicht allerdings von einen Inter—
polator, genannten Monde, E77T2 (von arab. Sahr „Mond“), als Schnudgegenftand der
sserufalemerinnen (Jeſ 3, 18) hängen doch wohl zufammen mit Mondverehrung und ebenfo 35
die Sabaronim als Schmud der Kamele der Midianiter (Ri 8, 21. 26; vgl. unten 82
über den aramäifchen Gott Sahar und den füdjemitiichen Gottesnamen Sahrän). Tiefe
Schmudgegenjtände werden eigentlich Amulete getvejen fein, wie fie in der Form des Boll:
mondes oder der Mondfichel bei indogermanischen Völkern vorkommen (Roſcher a. a. O., S. 72f.).
Die Mondverehrung im Reiche Juda wird (in den angeführten Stellen) dargeſtellt 1
als beitebend in Sichnieberwerfen und Näuchern. Anders iſt H131,26f. von Kußhänden
für Sonne und Mond die Rede, eine Kultusart, welche der Verfaſſer des Buches, der
beitrebt ift, die älteften Sitten sarzuftelen, in die patriarchalifche Zeit verlegt. Die Sitte,
den Göttern Kußhände zuzumerfen, fommt auch jonjt im Altertum vor (Plinius, Nat.
bist. XXVIII, 2 [5], 25; XZucian, Saltat. S 17; Encom. Demosth. $ 19; vgl. 1 Sig 15
19, 18; Ho 13, 2). Die Räucheropfer für Das Himmelsbeer wurden nad Jer 19, 13
auf den Dächern der Häufer vorgenommen, ebenjo überhaupt die Verehrung des Himmels—
heeres nach 3e 1, 5 (vgl. 28923, 12; Jer 32, 29), natürlich deshalb, weil man von dort die
Geſtirne jchauen konnte. Es iſt Dies Nachahmung babvlonifcher Opferfitte (f. Zimmern S. 601).
Sichere Spuren dafür, daß der Monddienft ſchon von den Hebräern der ältelten 5
Zeit geübt wurde, haben wir nicht. Allerdings fünnte in der altteftamentlichen ‚Feier
des Neumondtages Sich ein Reſt alten Monddienftes erbalten baben (j. oben 8 IL, 3).
Indeſſen iſt dies Feſt Doch nicht für Monddienſt beweifend, da die ‚Feier vielleicht nur
dem Anfang eines durch den Mond bezeichneten Zeitabjchmittes gilt und der Gefeterte
nicht notwendig urfprünglich der Mond felbjt ſein muß, fondern etiva der Himmelsgott 65
in fann, der das neue Licht Des Mondes erfteben läßt. Nah der Analogie anderer
femitifcher Religionen liegt es aber freilich febr nabe, bier alten Monddienſt zu Grunde
legend zu denken. Auch darauf mag hingewieſen werden, daß der den alten Hebräern
beilige Berg Sinai, mo er denn gelegen haben mag, vielleicht von dem babyloniſchen oder
altſemitiſchen Mondgott Sin feinen Namen trug. Aber diefer Berg konnte den Hebräern wo
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Mond bei den Hebräern 345
10, 125.5; 2 Kg 23,535 Jeſ 13, 19; 60, 19 .; Ser 8,2; 31,35; E32, 7; Joel 2,10;
3, 4; 4, 15; Hab 3, 11; Pf 72,5; 121,6; 136, 8f.; 148,3; 9% 6,10; Prd 12,2;
vgl. Di 33, 14; Hi 31, 26). Eine einzige Ausnahme iſt die ſpate Stelle Jeſ 24, 30
wo die Beihämung des Mondes (a5) vor der der Eonne (Men) erwähnt wird; man
kann bier aber eine Steigerung erfennen: nicht nur der Mond fonbern fogar bie Sonne
wird fich jchämen müſſen im Endgericht, wann Jahwe allein die Königsherrichaft an fich
nimmt. Dagegen ift überbaupt nicht ale Ausnahme anzufeben Pf 104, 19, wo aller:
dinge vom Monde vor der Sonne die Rede ift: der Mond ift hier als Zeitmeffer voran⸗
geftellt; dann folgt als etwas anderes der Wechſel von Tag und Nacht, anbebend mit
dem Sonnenuntergang. Daß die Sonne im Sprachgebrauch den Vorrang vor dem Monde 10
bat, wird jchwerlich erſt einer fpätern Entwidelungsftufe der Hebräer angehören; denn
in folchen Dingen ift doch wohl der einmal entitandene Brauch unerfchütterkich. Belonbers
tommt die höhere Rangitufe der Sonne zur Geltung in dem Traume Joſephs Gen 37, 9
wo Sonne und Mond Pater und Mutter repräfentieren und zwar unter der deutlichen
Vorausfegung, daß der Vater das Familienhaupt iſt. Aber der Vorrang der Sonne vor 15
dem Mond in Anfchauung der Natur ſchließt höberes Alter der Verehrung des Mondes
vor der der Sonne nicht aus.
Für die Annahnıe diefes höbern Alters hat man auf den Mondgott Sin vertiefen,
der im babyloniſch-aſſyriſchen Bantbeon eine böhere Stellung einnimmt als der Sonnen:
gott Samas. Es find freilihb in den Göttergeftalten, die dem Sin ſeinerſeits über: 20
geordnet find, vielleicht Züge zu erfennen, welche auf eine urfprünglich folare Bedeutung
bintveifen, eber jedoch nur allgemein auf eine mit dem Simmel zufammenhängenve. Aber
died ganze Syſtem der Götterfolge ift in verhältnismäßig ipäter Zeit künſtlich gebildet.
Urſprünglich wurde an beftimmten Kultusftätten Sin, an andern Samas als der größere
oder auch als der überhaupt größte Gott verehrt. In den babyloniſchen Perſonennamen 25
aus der Zeit der Hammurabi-Dynaſtie ſcheinen die Gottesnamen Sin und Samad un:
gefähr gleich häufig borzulommen (f. H. Ranke, Die Perfonennamen in den Urkunden
der HSammurabidynaitie, 1902, S. 14).
Unwahrſcheinlich ift es indeſſen nicht, daß Jägervölker und nomadiſierende Völker
die Geſtirne der Nacht und unter ihnen beſonders den Mond früher als die Sonne ver: zw
ehrt haben. Die ſüdländiſchen Nomaden beginnen ibre Wanderungen in ber fühlern
AÜbendzeit. Die Jagd wird überall großenteile zur Nachtzeit ausgeübt. Als die Gottheit
der Jäger ijt bei den Griechen die Mondgöttin ſelbſt eine Jägerin. Wenn wirklich in
der germanifchen Sage von dem zur Nachtzeit jagenden Grönjette unter diefem der Mond
beritehen fein follte, fo ginge daraus für fich allein noch nicht hervor, daß man den
Rond grün dachte, wie E. Studen (Grün die Farbe des Mondes, Mt der Borderafia
ten Geielihaft 1902, &.39—45) e8 daraus und aus andern Indie ien für das Alter:
tum —— — entnehmen will, ſondern nur daß man den Mond als einen Jäger dar:
Belle: für diefen iſt Grün die entiprechende Farbe als die des Waldes. Auf der Wichtigkeit
cht für die Lebensentfaltung der Jäger⸗ und Nomadenvölker beruht jene bei den
—2* und teilweiſe auch im AT vorliegende Rechnung nah Nächten und nicht nach
Tagen (ſ. oben S I, 1).
Auch abgefehen von den Berürfniffen Des Jäger- und Nomadenlebens fonnte der
Mond befonders den Bewohnern heiferer Gegenden vor der Sonne ald das für das
menfchliche Leben und das Erdenleben überhaupt woblthätige Geftirn erfcheinen (vgl. oben 45
SI], Ferner wird H% 6, 10 der Mond als „Schön“ bezeichnet und nicht fo die Sonne,
ohne Frage weil dem menfchlichen Auge der milde lan des Mondes mohlthuend ift im
Gegenſatz zu der blenvenden Sonne.
Wenn es nach allem als wohl möglich erſcheint, daß namentlich bei Jäger: und
Romadenvölfern der Mond vor der Sonne und ihrer Glut Gegenstand der Verehrung x
war, fo darf doch diefe Annahme kaum generalifiert werden. Jedenfalls hat mar Unbe:
behauptet, wenn man bei allen Völkern mit Sterndienft die Verebrung des
ie Ka vor die der Sonne anſetzte (jo 3. B. Fritz Schulte, Der Fetiſchismus,
71, S. 231.)
Im allgemeinen ift es mindeſtens ebenfogut denkbar, daß die Völker mit der Ver: 5
der Sonne anfıngen, da, abgejeben von vereinzelten Zittuationen, Die Sonne das
Leben des Menſchen -- und nicht erit Dann, wenn er zum Mderbau fortgefchritten iſt
vielfacher und eingreifender beeinflußt als der Mond, Darauf ift allerdings für altſemi⸗
tiſche Anſchauung kein Gewicht zu legen, daß in Pf of v. 22f. die Zeit der Sonne,
ver Tag, als die Zeit des Menjchen Dargeftellt wird im Gegenfag zu der Nacht als der ww
ci
Ss
Qu
*
)
1.
Salm Febr jung it, konnen
2 direkt fur Me Auffaſſungs—
eilt auch für Die Ausſage
zriygten werden, obaleich gewiß
Sas in Der israelitiſchen No:
and Nomade kann ſich ohne
»de ohne Ne ſeine Herde nicht
a auch der niederſten Kultur—
md obaleich man nach Der in
vr am ſich von der Sonne un
ar ale das in der beſtehenden
"raus nicht zulaſſig, anzunebmen
Nnagegangen ſei. Jedenialls aber
Str mindeſtens auf ſemitiſchem
st und Fritz Schultze uber ein
tr, wo der Monddienſt zeitlich
So Verehrung Des Himmels; uber
209 za ſtand zu Ur eſ. T sche,
100, Z. 104ff. Fr. Feremia⸗ in
> —R — 2. 1760f., vgl. z.h ist:
N N Ueberſetzung, 1. Liefer. In,
J . chus muy, Aauaodn, Euſebius.
"um Graecorum, BdIII, S. 212,
> Mr babvleniichen Religion haben
is uüubertommen (Brandt, Die Mand
SS Neben Dem mann ge—
nn, weibliche Mondgottheit verehrt,
. zznebmet, Die neben Dein Zonnen.
„.erogt erfenmen ſein ſollte (anders
- zz 71f. . Ten Kultus Des Sin
‚nz Nergal, ſonſt Wert Der Sb
“zz der Mondſichel, ſpeziell des ar
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ecnicher Namen will H. RNianke
D:. Alrsraelitiſche Überlieferung,
»SINesnamen und darin eine Spur
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Sys ovralt Om Mittelpunkt Des
28 als „aramäiſche“ genannt
S. 13h und das Bo
»d.: Verlinichriften und Geſchichts
rzts Dieter Kultus zu Den
ER icheint ferner zu Ralmvra
d. 28T Stammnamen 267x
sriptions Sémitiques, Varis
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atnaiſcher Bildung, wie Si"
ietn ſcheint KJenſen, Wochen
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der romiſchen Kaiſerzeit und
"3:80 IL =. 156 1985
zn des Septimius Zeverus
—Idole des Mondgottes Es
> altteſtamentlichen Aramaer
ZT Mond”, Die Aſſprer nennen
Mond bei den Hebräern 347
einen Gott La-ban oder La-pan (Schrader, Ketlinfchr. u. d. AT’, S. 149; Jenſen,
Zeitſchr. f. Aſſyriologie XI, ©. 298 Anmkg.; Zimmern ©. 363).
In einem Nelief aus Sendfchirli aus dem achten vorchriftlichen Jahrhundert, das
den König Barrekub von Samal darftellt, find Mondfichel und Vollmond angebradit.
Auf wen diefe Zeichen hinweisen, bejagt die Inſchrift IrT>r2 "82 „mein Herr ift Baal:
Haran“. Mit dem Baal-Haran ift der Gott Ein gemeint, deilen Kultus demnach von
Haran zu den Nramäern Weſtſyriens vorgedrungen war (f. Sachau, Baal-Harrän in einer
Altaramätjchen Injchrift, SBA 1895, S.119— 122). Ein erbielt diefe Bezeichnung nicht
etwa erjt im Reihe Samal als ein aus Haran importierter Gott, fondern wurde, wie
es ſcheint, ſchon in Haran fo genannt; denn in aflyrifchen Eigennamen feit der Zeit
Sanberibs fommt Bäl-Harrän vor (Zimmern S. 363).
Ob man im Reiche Samal für den Mondgott auch feinen eigentlichen baranijchen
Namen Sin gebrauchte, iſt zweifelhaft. Auf zwei altaramäifchen Etelen von Nerab
bei Aleppo, die vielleicht etivag jünger als jene Inschrift von Sendſchirli find, wird eine
Gottheit “> Sahar, offenbar der Mongott, genannt; vgl. altteftamentlih BT
(j.obenSIIL,1), "IT H% 7, 3 und namentlich den fabätjchen Sahrän (f. weiter unten;
vgl. Geo. Hoffmann, Zeitſchr. f. Afiyriol. XI, S.210). Es find Grabftelen für zwei Prieſter
des 222 TS, Des Mondgottes zu Nerab; auf der einen wird die Götterreibe
Sahar, Semes, Nikal (>>>) und Nusk (72), auf der andern ebendiejelbe mit Aus-
lajlung des Semes genannt (f. Hal&vy in der Revue Sämitique, Jahrg. IV, 1896,
S. 279 ff. 371f.; Clermont:Ganneau, Les stöles Aram6ennes de Neirab in bejjen
Etudes d’archöologie orientale, Bd II, Bibliothöque de l’Ecole des Hautes
Etudes,. fasc. 113, Paris 1897, S. 193—195. 211— 215). Da der Name Sahar in
der großen Inſchrift von Sendfcirli nicht vorfommt, wird man mit Glermont:-Sanneau
annehmen dürfen, daß der Kultus des Mondgottes im weftlihen Syrien im achten Jahr: >
Bundert noch neu und erft fürzlihb von Haran aus importiert war.
Übrigens iſt auch TC>, dem babyloniſchen Nusku (f. oben) entſprechend, ein Mond:
gott. Nusku fommt feilfchriftlich wor in dem Götterfreis um den Sin von Haran (Zim:
mern S. 116). Zunächſt dortber fam auch die Gottheit >>>, die der ſumeriſchen Nikfal,
Ningal, der „großen Herrin”, der Gemahlin des Sin entſpricht (Jenſen, „Nik[k]el-
ratu — "0 ın Harrän“, Zeitſchr. f. Aſſyriologie XI, 1896, S.293— 301; Zim:
men ©. 369). ,
Der Name des Mondgottes Sahar fcheint fich erhalten zu haben in dem des Mond:
engel Zaoın4 im Buche Henoch 6, 7 S (vgl. 8,3 S 2ödldafe ta onueia tijç oeAnvns,
G Zeoını |2didake| veAnvovaylas), den man aus Ni erflärt bat. Daran kann er:
innern der Name Dis Mondes ale Todesengel bei den Mandäern Sawri’el (f. oben
8 II), obgleih er allerdings cher aus RE (Brandt, Mand. Schriften, S. 45)
nen zu fein fcheint. Much der rabbiniſche Engelname -8nmmw (mit doppelten ,
ſ. M. Schwab, Vocabulaire de l’angelologie d'après les manuscrits h&breux etc.,
m den M&moires présentés par divers savants A l’Acad. des Inser. et Belles-
Lettres, I. Serie, Bd X, 1897, ©. 365) könnte mit einem jener Namen oder auch
mit beiden zufammenbängen. In diefen fpäten Engelnamen wird auf die vorliegende
Schreibiveife bejonderes Gewicht nicht zu legen fein.
Für den Kultus von Hierapolis erflärt Lucian (Syria dea $ 31) ausdrüdlich, daß
Bilder der Sonne und des Mondes dort nicht gezeigt würden und zwar deshalb nicht,
weil man angebe, diefer Bilder bevürfe man nicht, da ja Eonne und Mond felbjt Allen
ſichtbar ſeien. Damit fcheint er eine direkte Anbetung des am Himmel ftehenden Mondes
vorauszuſetzen.
In Palmyra ſind die Gottheiten Jarchibol und Aglibol deutlich Mondgottheiten.
gr Malibol ift Dies erfichtlich aus der ibm beigegebenen Abbildung der Mondfichel (f. M. :
Bd II, S. 329, 11 ff. 334, 14 ff), für Jarchibol aus dem Namen, der aus 7” „Mond“
und >12, palmprenifch für hebräifch-phöntcifches >22 (f. U. Baal 5.324, 17 ff.), zuſammen—
est ift (j. Belege für den Gottesnamen >72777 bei Baethgen, Beiträge zur femitifchen
eligionsgejchichte, 1888, S. 87). Auch als menſchlicher Eigenname fommt palmyreniſch
ya, san, war vor, und ebenjo verteilt auf Mondverehrung der palmyreniſche
Eigenname 7=V, vielleiht auch rrr” (Belege bei. A. Coof, A glossary of the Ara-
maic jnscriptions, Cambridge 1898 und Lidzbarski, Handb. der norbjemitifchen Epi—
geaphif, 1898, S.290; vgl. noch Drexler, A. Hierobolus in Roſchers Lexikon der griech. u.
som. Miythologie, Bd I, Liefer. 15, 1889). In einer griechiichen Injchrift zu Palmyra
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348 Mond bei den Hebräcrn
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— San ara 6 ib Norden — war bie —— —
Der Perſonn
0 Schrift. ſont-Ganneau, Journal
— Asiatique, VL Serie, 88 au, © 144) an Sehne * nichts
für önicifd Es ſich wg de Kultus handeln, der
‚d n nmenbing. Dagegen gehört der Stabtname Jerecho
deutet er, — era ya Borg
wahrſcheinlich den
en. —
anaanä Mor verweilen e Ausſprache es näber, an
a el” zu denken. "Corel ( Sjabi el S. 808) nennt eine Reihe pe
0 | |
| in w
wirkli * lä ——— nicht efeben. Der Name
ottes TO iſt phöni werfen. Man
Dem phönici en Stabtnamen —* Aa Inseript. Semiticarum, In.113), vol. mo
HL 7, 35 da aber Die betreffend 19 36 Sahne wu er er |
au
25 eine Ägt ade Stadt und an Em Des
| a Feſt, welches nad) Hieronymus (Vit. Hiler. c 20) ia bon
cam sl Eluſa, ſechs Stunden D von Beerſeba, wurde, war ein
ondes (Dillmann zu Cr 3, 18) ſondern der „Venus“ oder Des. „Lueifer“,
ein d Nabatäer dorthin verp lanyts et arabüfhen Urfprungs, dol
Well a, Hefte ar iſhen Heidentums®, 1897, ©. 42.]
Den wiederholt vorlommenden oböniikchen Perſonnamen vum und —— ent⸗
rechenden auf ( gebrauchten Namen Novsmrıos muß man nicht nn (mit
—— Beiträge S. 61) tr onbdienit Besichen, 8 kann damit der am
eborene irn worden ſein (ſo AR Jeremias bei —— de — a. a. uud,
3 Bi I, ©. 239). Ebenſo wird der ebenfalls durch Novumvios wi e Perſ
wi une — einer Bilinguis aus Athen zu verftehen fein (Die Belege bei
unter „Wo
baleich ſie auf — Boden Monddienſt direkt nicht ac
läßt, ht doch manches dafür, daß die weibliche Gottbeit ber i
10 oder targatis, die ei entlich 16 Dem pen * — überha
15 Bei den Sübarabern it ‚der Kultus = "uni unit m ottes Sin
verweiſt ferner — das gets en das dem füdarabifchen Gott Nadd bei⸗
so gelegt wird (ſ. Hommel, Aufſätze und Abhandlungen II, S. 158), da es ſich wohl nur
aus arabiſchem Sahr „Mond“ erklären läßt (vgl. oben den aramätfchen Gott Sahar). .
Ebenio i 5 * deuten in einer der nabatäiſchen Inſchriften vom Sinai der in nem
menſchlichen onnamen enthaltene Gottesname BR als rn ——
Tuch, Sinaitifche Inſchriften, Zdm® III, 1849, ©. 201 ff); tro —
Ah endung it es aber ſehr die Frage, ob diefer Gott als ein arabii — |
liegt nabe, den aramätjchen Gott darin zu vermuten, Ob bie
banü hiläl „Söhne des Neumondes“ und banü badr „Söhne des Te —
S. 202.) auf Mondkultus vertveifen, iſt zweifelhaft. Ebenſowenig bezieht ſich ein
Farbe wechielndes marmornes Sötenbild am Sinai („Horeb“), das Antonius
so im 6, Jahrhundert beichreibt (Tud) ©. 203), notivendig auf ben Mondwechiel, —
Mond bei den Hebräern Mongolen 349
Antoninus allerdings das Felt des Bildes mit dem Mond in Verbindung bringt. Ob
das zweimal in den nabatäifchen Infchriften des Wadi Diufattab vorlommende 77 r2W
beiagt: „er hat beendet feinen Monat” und auf feitliher Bedeutung eines bejtimmten
Monates berubt, wie Tuch (a. a. O., ©. 203.) annahın, fcheint mir recht zweifelhaft;
überdied wäre auch hier nach der mutmaßlichen Herkunft diejer Inſchriften von Reifenden, 5
die aus der Ferne gekommen waren, nicht mit Sicherheit an arabiiche Kultusfitte zu
denken. Dagegen iſt zuverfichtlicher auf die Saharonim bei den Wlidianitern zu ver:
weiſen (f. oben 8 III, 1).
Bon Mondkultus der Araber reden ausdrücklich Abulfaradih (Historia dynastia-
rum ed. Pococke S. 160) und Dimeſchki (bei Ehwolfohn, Die Sfabier II, S. 404); ı
beide jagen übereinftimmend, ohne nähere Angabe, daß der Stamın Kenana den Mond
verehrt habe. Die Stelle im Koran dagegen (41, 37): „Zu feinen (Gottes) Zeichen ge-
bören Nacht und Tag, Sonne und Mond; aber betet weder Sonne noch Mond an, fon:
dern Gott, der fie geichaffen bat“ ift doch nicht unbedingt ein Zeugnis dafür, daß Mu:
bammed fpeziell Monddienſt bei den heidniſchen Arabern beobachtet hatte, fondern nur
dafür, un er überhaupt von Sonnen: und Mondverehrung mußte (Über arabifchen
Monddienit vgl. Uftander, Studien über die vorislämiſche Religion der Araber, ZUnG
VII, 1853, ©. 468f.)
Mit voller Beſtimmtheit ift für die älteften Zeiten der Semiten Monddienft nur in
Ur und Haran zu erkennen. Er ift anfcheinend von Ur aus zu den Südfemiten über: 20
tragen worden, von Haran aus deutlich nad Weſtſyrien. Ob in Weſtyrien fchon vor der
Einführung des Kultus des Mondgottes Baal-Haran der Mond unter einen andern
Namen verehrt wurde, läßt fich bis jegt mit Deutlichkeit nicht erjehen. Daß in Phöni—
cien fpezieller Mondkultus einheimiſch mar, ift unmahrfcheinlid. Den weiblichen Gottheiten
Phöniciens mag eine nicht fehr deutlich erfennbare und jedenfalls nicht allgemeine Be: 5
ziehung zum Mond erit ſpäter aufgeprägt worden fein. Bei den Arabern haben wir für
alten Monddienſt fichere Spuren ebenfalls nicht.
Bei diejer Sachlage jcheint es mir einftweilen, vor Auffindung weiterer deutlicher
Anzeichen, nicht geraten, aus den bisher vorhandenen immerhin mehrdeutigen Spuren
auf alten Monddienſt der Hebräer zu fchliepen. Auffallend ijt nur, daß in der Dar: 30
ftelung von der mejopotamtjchen Heimat der Väter Israels gerade die beiden Gentren
des Mionddienftes, Ur und Haran, genannt werden. Diefe Darftellung kann aber, ihrer
wabrfjcheinlichen Entjtebungszeit nad, doch wohl höchſtens bejagen, daß an einem ver:
bältnismäßig frühen Zeitpunkt des Aufenthaltes Israels in Kanaan der babylonifch-oft:
aramäifche Miondkultus auf JIsrael einen Einfluß ausgeübt hat, ſchwerlich daß der älteite 3;
Sedräergott ein Mondgott war. Viel eher als zu Sin ftebt der Gott der Hebräer feiner
edeutung nach in einer Beziebung zu dem babyloniſch-aramäiſchen und, wie es Scheint,
auch kanaanäiſchen Gott Hadad (f. A. Moloch 8 III, 3 Ende). Ten Wettergott Hadad
aber ebenfalld für einen Mondgott zu erklären (Homntel, Aufjäge und Abhandlungen II,
S. 159 Anmig. 2), liegt meines Erachtens keinerlei Beranlaffung vor. Der Stier als 40
Tier de3Hadad charakterifiert diefen durchaus nicht notwendig als einen Gott des Mondes,
"obgleich allerdings auc Der Diondgott durch den Stier repräfentiert wird (ſ. oben ZIII, 1).
Aber ebenfo wird der babylonitfche Hinimelsgott Anu mit dem Stier, nämlich dem „Him: Pf *
melsſtier“ (vgl. Zimmern S. 572), in Verbindung gebracht. Indeſſen wenn der Stamm—
oft der alten Hebräerſtämme nicht als Mondgott anzuſehen iſt, jo könnte Doch neben s
jenem Kultus Verehrung des Mondes in irgendivelcher Form bejtanden haben.
Wolf Baubiffin.
’
—
ph
5
Mongolen, Chriſtentum unter denſelben. — Solange die Mongolen in
ihren urſprünglichen Sitzen ſüdlich vom Baikalſee verharrten, hingen ſie dem im nörd—
lichen Aſien weit verbreiteten Schamanismus an, welcher an die Stelle des unmittelbaren so
Terlehbrs mit der Gottheit Geifterbefchwörungen, Tieropfer und Wahrfagereien feßte.
Dſchingiskhan jelbit, der Gründer ihres Meltrufes, wandelte noch in den Fußitapfen der
Schamanenprieiter. Als er fih zu jeinen Eroberungszügen aufmachte, hatte dag Chriſten—
tum wahrſcheinlich inmitten des Mongolenitammes felbjt noch Feine Anhänger gefunden,
wohl aber war es durch neftorianiihe Miſſionäre zu ihren nächjten Nachbarn, den Kerait 56
und den Uiguren, gelangt. Eben diefe Nachbarſtämme waren nun auch unter den erften, die
fih dem mongolifhen Reiche freiwillig oder gesivungen angliederten. Sp kam es, daß
das Königshaus der Kerait in ein Vaſallenverhältnis zum mongoliſchen Herrſcherhaus trat
und daß zwijchen Gliedern beider Ehebündniſſe jih fnüpften, welche in der Folge be:
350 Mongolen
deutenden E die Behandlung der t vielen Teilen bes mongolischen
Sehe üben olten. Unglei mannigfaltiger pefinlteen ih die Berührungen ve Mon
a En a ——
5 größere von B des is ismus), während andere Bewohn
a Na ee tje oder des Laotſe hielten.
auch feit Ja ü einden. Wenden wir uns aber
bom du O a ens Mitte, tpir, bie olen ib
ie I le 2 N im Luref Be enden
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verne een Be ıben, — — Gott jei, durch welchen wir
n um , verſchi ger gegeben
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—* Sein ar — —* Be dem Mönd Rubruk ———
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A tet Marco Polo von Mangus Brub
Kubi: Er seh. —— welche ven den verfäiebenen: Go
Iverben: eacten Yfum Chef. ls ihre “
— ce ihrer en —— . b. Shaihamun
2 in Wahrheit unter i ven ift, daß er mir belfen wolle“
Solange Koldhe Anſchauungen im Haufe der Diehingi niden borberrichten, — und
dies war wenigſtens bei den zwei erjten Generationen der Fall — konnten die Prie
und Mönche der, berichiedenen Bekenntniſſe des Orients ficher fein, da A im |
35 derjelben ibre Kultbandlungen ungebindert vollbringen dürfen, ja fie zum Dant
für die Gebete, die fie zum Himmel fandten und für bie Segensfprüche, die ie jie fpenbeten,
ihren Lohn durch regelmäßige Präbenden in Geld oder Lebensmitteln. Wie die Mollabs
der Mubammedaner und die Bonzen der Buddbiften, fo genoffen bie —* der Neſto⸗
rianer, welche bei den Mongolen den aus dem Gribchiſchen abgeleiteten
10 Namen Arlaun führten, bejtimmte Fruchtrationen, waren milit —— leinerlei
Abgabe, ausgenommen Grundſteuer, wenn fie Aderbau, Zoll, wenn fie Handel trieben.
Nie die Dericher ft fie behandelten, das mögen bie Beifpiele (dr ne Kuyuk (1246 bis
1248) und ** (1251— 1259) zeigen. Erxjterer duldete in nächiter Näbe —
eine chriſtliche Kapelle mit Ren Gottesdienſt, befoldete die darin
as und batte ' Yinifter und Yeibärzte chriſtlichen etenntnifies. Von Dangu wirb
wie er von den neſtorianiſchen Prieſtern ſich beräuchern ließ, wie ſein Sohn und
Tochter mit den Chriften fajteten und das Kreuz küßten. Aber wenn die Neitori
ſolchen Annäberungen tiefere Bedeutung beilegen wollten, jo täujchten ie re IA ſelbſt
wollten andere täuſchen. Gerade Kuyuk z. B. lehnte die Zumutung, ih Monde
in einem Brief an den Papft ſchroff ab. Die Behauptung eines armeniichen Monchs,
Mangu glaube bloß den Shen, verfebrte der fritiichere Abendländer in den
gewiß richtigeren Sat, der Khan glaube vielmehr feinen. Nicht felten begab es fich,
daf ein mongolifcher Prinz etwa unter dem Einfluß einer hriftlichen Mutter ala folcher
getauft und erzogen worden war, aber diejer Religion nicht treu blieb, wenn er zur
55 Regierung fam. Dann wählte er den Buddhismus oder den Islam zu BL
religion, wobei in der Negel der im jeweiligen —— dominierende den
—— Wie weit neben dem Privatbekenninis des Regenten die Schonung ber
anderen
Zeitftrömungen der verſchiedenſten Art ab; am wenigſten vertrug fi der Mubamm
oo miss mit dem ——— des alten Tolerangpringips.
eligionen q wurde, das bing von der individualität besfelben und von
Mongolen 351
Bei dieſem Sachverhalt ift es fehlechterdings unmöglich, eine für das ganze weite
Mongolenreich zutreffende Schilderung der Geſchicke der in demſelben lebenden Ghriften-
heit zu geben. Es müſſen die einzelnen Provinzen ins Auge gefaßt werden. Beginnen
wir mit der Mongolei und China. In der alten mongolifchen Hauptitadt Karakorum,
wo der Mönch Rubruk die Ofterzeit des Sahres 1254 zubrachte, waren damals nicht
weniger ald 12 Götzentempel (ydolatrie) von verfchiedenen Nationen und zwei Mofcheen.
Die eine chrijtliche Kirche wurde von neftorianifchen Geiftlichen bedient. Wir können
uns die Gemeinde, die fich bier verſammelte, nicht als auf Einheimische beichränft denten ;
denn ebendamals lodte der Ruf des Khans Kuyuk als eines GChriftenfreundes viele
Mönche aus Kleinafien, Syrien, Bagdad, dem Land der Aſen (Alanen) und Rußland 10
berbei, auf der andern Seite waren als Kriegsgefangene Ungam, Mlanen, Rutbenen,
Georgier, Armenier nah Karakorum gefchleppt worden. Die Umgebung der Stadt var
meitbin unmirtlihb. Mehr gegen das Meer bin lag beileres Yand mit höherer Kultur,
China, von meldem die größere nördliche Hälfte (Gatbav) dem Enkel Dſchingiskhans
Kubilai als Kriegsbeute zufel. Während Kubilat unter dem Titel Großfban die Uber: 15
berrichaft über das ganze Mongolenreih führte, wurde China fein unmittelbares Herr:
chaftsgebiet, ſeine Reſidenz Peking, danals Khanbaligb genannt (1264ff.). Unter den
itgliedern jeiner Dynaſtie war er der erfte, der den Schamanismus abjchüttelte. Im
Einklang mit einem großen Teil der Landesbewohner wählte er zu feinem Privat—⸗
befenntnis den Buddhismus. Dabei blicb er aber dem Toleranzprinzip feiner Vorgänger 20
treu, bezeugte den Prieftern aller Konfeffionen gleiche Gunft und wählte feine Beamten
ohne Rüdficht auf ihren Glauben, wie er denn mit der Verwaltung einer Provinz auf
brei Sabre bald den Neftorianer Mar Sarghis, bald den römifch-katholifchen Marco Bolo
aute.
Der Mönch Rubruk, welcher nicht ſelbſt bis in den äußeriten Oſten vordrang, er: 26
fubr, daß in 15 Städten von Cathay Neftorianer wohnen, und daß fie einen Bifchof in
Segin haben; damit iſt wahrſcheinlich Singanfu gemeint, weitere Städtenamen nennt er
nicht. Marco Polo, der zwischen 1275 und 1292 im Lande verweilte, fand die Be:
völferung der Städte meistens gemiſcht aus Buddhiſten, Muhammedanern und (neftoria-
nijchen) Chriſten. Hiervon mögen nur drei erwähnt werden: die große Hanbelsjtadt 30
Kinſai (Hangtſchau) mit einer Kirche, Kenchu (Hauptftadt der Provinz Kanfu) mit brei
Kirchen und Chingianfu, wo der foeben genannte Sargbis im Sabre 1278 für feine
Glaubensgenofjen zwei Kirchen bauen ließ. Doc der fchismatifche Neftorianismus war
damals ſchon nicht mehr alleiniger Nepräfentant der Chrijtenheit auf dem Boden Cathays.
Tem Großfban Kubilai hatte fein Erzieber chineſiſche Gelehrſamkeit beigebracht, aber 3
vielleicht infolge von Geſpraͤchen mit Europäern jtieg in ibm die Ahnung auf, daß das
abendländiſche Kiffen vollfommener fe. Als nun die Gebrüder Niccolo und Maffio
Polo, venetianiſche Kaufleute, fih anjchidten von Khanbaligh aus heimzufehren, gab ihnen
der Großkhan den Wunsch mit auf den Weg, der Papſt möge etiva hundert gelehrte
Männer nad China ſchicken, welche mit den fieben Künften (Trivium und Quadrivium 40
als Summe des abendländischen Willens) vertraut und im ſtand wären, die Superiorität
der chriftlichen Religion allen übrigen Glaubensweifen gegenüber darzutbun. Diefe Mit-
teilung hatte zur Folge, daß zwei Dominikaner auf päpftliches Geheiß nach China auf:
brachen ; fie kehrten aber erſchreckt durch Kriegswirren ſchon in Kleinarmenien wieder um.
Glüdlicher war ein anderer päpftlicher Sendbote, der Franzisfaner Johannes von Monte 5
Corvino, welder im Anfang des Jahres 1305 nach Haus fchreiben konnte, er babe in
Kbanbaligh vor fechs Jahren eine Kirche im Bau vollendet und fei im Begriff, eine
ite zu errichten. Er klagt fehr über die Nejtorianer, welche durch lügnerifche Aus-
ungen fein Wirken haben untergraben wollen, lobt dagegen den Großkhan (Togan
Zemur 1294—1307), welcher ibn beihüst und in feine Umgebung gezogen babe, auch so
den Chriſten überhaupt viel Gutes erweiſe, obgleich er felbit im Heidentum (Buddhismus)
viel zu ſehr verbärtet jet, um der päpſtlichen Aufmahnung zur Annahme des Chriſtentums
Folge zu leilten. In einen zweiten Brief von J. 1307 meldet Johannes, daß auf einem
bon dem Kaufmann Petrus de Yucalongo erfauften Terrain eine weitere (Dritte) Kirche
balbuollendet daſtehe. in anderer Berichterftatter zählt als feine Gründungen in os
Abanbaligb drei Häufer der Franziskaner (wohl die cbengenannten Kirchen?) und zwei
andere in dem von vielen Ghriften bewohnten und von fremden Kaufleuten ſtark be=
fuchten Quinſai (Hangtſchau) auf. Im Hinblid auf folche Verdienſte um die Chriſten⸗
gemeinde im fernen Dften (5000 — 6000 Täuflinge!) wurde Johannes von Monte
Corvino vom Papſt Clemens V. zum Erzbiſchof von Sthanbaligb erhoben (1307). Der co
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350 Mongolen
ter * bietet — des ee
end: — Nationalitäten * —S—— —— —
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die Lehren des Kongfutſe oder des La ielten. |
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— pr smäl Ic i | f u, och f Künſtler * andwerler, zer —* —
wo aniſiertem —S Noch weiter | vordringend jtießen endlich
bie Eroberer auf San ebiete, wo He her und Wolf von alters her ſich zum Cbriften-
15 tum befanntenn, u. die Armenier, die Georgier, die ——
— enlhane waren weit entfernt, ihren nr mann den von ihnen unter
worfenen —— Yun en. Die Weltherricaft, von der fie träunten, war weſentlich
der Ontie Natur; Hr ionsfriege führten ie nicht. Dichingis war EN daß 8
leichgiltig ei pi welchen Geremonien man ihr bat-
E Sein Entel john, der Gropf —— Lich ſich J dem Mönch Rubrut gegenüber
eben und fterben, aber wi⸗ Gott der and > veriebene — ee be er
ine ähnliche — berichtet Mareo Polo von Mangus Bruder, dem Großkhan
a 68 — vier a welche von den —— — der Welt
betrachten Sergei iſtum als ihren Gott, die Sarazeneı
oſes a al ass t Sogomombar-Chan (d. b. Shakyamun
En) 33 —— Se ah —8 ode Kae —* de — Ber und verehre alle vier
itte den, welcher ın W daß er mir n wie”
Solange ſolche —— A; Sau fe * — Grhefe, _ un e
dies war wenigſtens bei den zwei erſt enerationen der Fall —
und Mönche der. verichiedenen 83 des Orients ſicher ſein, da he 8* *
derjelben ihre Kulthandlungen ungehindert vollbringen dürfen, ja ſie zum Dank
für die 6 ete, die fie zum Himmel ſandten und für die Segensfprüche, die fie jpendeten,
ibren Lohn obn durch regelmäßige Präbenden in Geld oder Lebensmitteln. Wie die
der Mubammedaner und die Bonzen der Buddhiſten, jo genoffen die Prieſter der Neſto⸗
rianer, welche bei den Mongolen den aus dem —2 „A abgeleiteten
10 Namen Arkaun führten, beſtimmte Fruchtrationen, waren — zahlten keinerlei
Abgabe, ausgenommen Grundſteuer, wenn fie Ackerbau, Zoll, wenn fie Handel trieben.
Wie die Herricher fie behandelten, das mögen die Beifpiele Sroßkbane Kuyuf (1246 bis
1248) und zn (1251— 1259) zeigen. Erjterer duldete in nächiter Nähe feines Zeltes
eine chriſtliche Kapelle mit täglichem Gottesdienſt, bejoldete die darın fungierenden Prieſte
4 und batte Ninifter und Leibärzte dwiftlichen Bekenntniſſes. Bon Mangu wird erzählt,
wie er von den —— Prieſtern ſich beräuchern ließ, wie ſein Sohn und ſein
Tochter mit den Chriſten faſteten und das Kreuz küßten. Aber wenn die Neſtorianer
ſolchen Annäherungen tiefere Bedeutung beilegen wollten, ſo täuſchten ſie ſich ſelbſt oder
wollten andere täuſchen. Gerade Kuyuk z. B. lehnte die Zumutung, Chriſt zu
soin einem Brief an den Papſt ſchroff ab. Die —— eines —— Monchs,
Mangu glaube bloß den Chriſten, verkehrte der kritiſchere Abendländer Nubruf im ben
gewiß richtigeren Sat, der Khan glaube vielmehr keinen. Nicht ſelten begab es ſich,
daß ein mongoliſcher Rrin; etiva unter dem Einfluß einer chriſtlichen Mutter als
etauft und erzogen worden war, aber dieſer Religion nicht treu blieb, wenn er zur
—— ng kam. Dann wählte er den Buddhismus oder den Islam zu ſeiner Privat⸗
len twobei in der Regel der im jeweiligen : Herrſchaftsgebiet dominierende Glaube den
—— Wie weit neben dem Privatbekenntnis des Regenten die der
anderen Religionen gewahrt wurde, Das bing von ber ndipibwalität —— und von
Zeitſtrömungen der verſchiedenſten Art ab; am wenigſten vertrug ſich der Mubanmeba-
nismus mit dem Aufrechthalten des alten Toleranzprinzips.
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A bendländiſch jens) Ära ie —— die
en n allen übrigen Glaubensweifen — — arzuthun. Die Pit
Folge, daß zivei Dominikaner auf päpitliches —— nach he 2
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nobote, n er Jo es bon nte 4
ei t Anfang des J 1305 nach Haus jchreiben konnte, er babe in
vor eine im Bau vollendet und fei im * riff, eine
drrichten 5 ſehr über die Neſtorianer, welche Aus-
ſe eng dirfer —— wollen, lobt dagegen den und Han (Togan
+ 1307), cher ihm beſchützt und im feine Umgebung gezogen habe, == 2)
n überhaupt viel Gutes —* —— er ſelbſt In Beet (Buddhismus
verhärt En um ber netten fmabnung zur Annahme des Sheifientums
jten. J ief vom J. 1307 meldet Johannes, daß auf einem
Ra * mann ee de Zucalongo erfauften Terrain eine weitere (dritte) Kirche
et Er vi Ein anderer Berichterftatter zählt als feine Gründungen in 55
* 1 Häujer der Franziskaner (wohl die ebengenannten Kirchen?) und zwei
vielen Chriften bewohnten und von fremden Kaufleuten be:
— u) auf. Im Hinblick auf ſolche Verdienſte um die Chriſten—
er (5000—6000 Täuflinge!) wurde Johannes von Monte
it Glemens V. zum Erzbiſchof von Khanbaligh erhoben (1307). Der d
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Eu.
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| en Poser | rlichen Thronſ —A
zweifeln iſt, der im dat 1370 Kr — ee —
— * a indem er bei
Eroberu Be derſelben
und — alle, Die das bl. Sand —— in die G ber
verfinten ſahen. in meinjames Vorgehen wurde zwiſchen ben —— Bundes
10 genofen, eplant, Gelandte un Korrejpondenzen gingen bin umd eh Kurie bee
nützte dieſe Verbindungen, teils um dem K danfen für bie ne Bebanbluna
jeiner Seien Unterthanen teils um ibn, jeine Familie, ja jein ganzes Bol Annabm
der Taufe zu bewegen. Abafa lief; fi bierzu für feine Perfon jo wenig herbei * eur
Vorgänger, Nach ibm bejtieg mit dem Sultan Abmed fogar ein —— Muham⸗
1 medaner den Thron der perſiſ en Chane; er machte gewaltſam Propaganda für ben
Islam, vertvandelte Kirchen in ® ſcheen — marterte —— und once Zum Glüd
für bie perfiichen Chriſten dauerte dieſes Regiment nicht lange —— Noch
einmal, aber zum letzten Male erſtand ihnen ein wohlwollender Herrſcher in der Perſo
des Khans Argun, des älteften Sohnes von Abafa (1286-—1291). Er nahm bie äu
0 Bolitif feines Waters wieder auf und erflärte fid) bereit, mit feinen Truppen und ber
Streitkräften der Könige von Armenien und Georgien zu dem abenblänbijchen Kr
beer zu ftoßen, jobald ein joldes im Sicht jei; wenn dann die MWiedereroberung
erufalems gelungen ſei, wolle er fich taufen laffen. Der
—— unter
eſandten, welche dies den abendländiſchen Fürſten vortragen ſollten, war der
handlungen nicht. A
Als Argun — war, kam durch den langwierigen Streit um bie Here
nidyt mehr mit Erfolg den Thron einnehmen könne. Scon von Anfang
so Bevölkerung des Abanats überwiegend muhammedaniſch geweſen. Pre ——
5; rianer Bar Sauma von uiguriſcher Herkunft. Zu einem Nefultat führten dieſe
und deſſen endlichen — lar zu Tage, daß ein zum ———
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i Haupfftabt mit * —* und ın —— anderen Si
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25 guter Ruf voraus.
5 bem G unters D isthan ebenſowohl als — weaen
dem ri en Rönigsgefchlecht * Kerait — * eine In
Mutter, die andere feine Gemahlin war, bei ſich Naum gab. er das Kbalifat
dad. über den ufen warf und bamit einem Gentralfig der geiſtlichen und weltlichen
0 Macht des Islam —— (1258), fam dies der Chri u
Gleich zu Anfang | ——
lee Much * — 3 un Tamastus di —* die islan |
i | reiten ern |
auferlegt ar Sen — Abaka (1265—1282), welcher eine —— inzeſſir
"Ehen hai u — nunmehr er —* —— Selm wa —— den
ei vaten nun aber im Abendland auf der Tapit, Die König
—* Sin " gemein njames De wirde ae den — ——
je ee ja Kan, aunzes
Fin medaner den Thron ben pe n Chane: er Pie ———
Islam, verwandelte irchen in ® tojcheen und maxterte Klerifer und S — Sum Glas
r die perfijchen Chriften dauerte dieſes Negiment nicht lange (1282-—1284). No
N we zum legten Male erftand ihnen ein wohlwollender — in der Perſon
des Khans —— des alteſten Sohnes von Abafa (1286.—1291). Er ** die äu
;o Politik ſeines Vaters wieder auf und erklärte ſich bereit, mit ſeinen Truppen und bei
Streitkräften der Könige von Armenien und Georgien zu dem abendländiſcher *—
heer zu ſtoßen, ſobald ein ſolches in Sicht je wenn dann die Wiebe |
Jeruſalems gelungen fei, wolle er fich taufen lafjen. Der bervorragenfte — den
ejanbten, welche dies den abendländiichen Fürſten vortragen jollten *
rianer Bar Sauma bon wiguriſcher Herkunft. Zu einem Reſultat ihrten dieſe
handlungen nicht. |
Als Argun geftorben war, fam durch den langwierigen Streit um die Nachfol
und deſſen endlichen Ausgang klar zu Tage, daß ein zum Chriſtentum hinneigender Dan
nicht mehr mit Erfolg den Thron einnehmen fünne Schon von Anfang an war |
co Bevölkerung des Khanats überwiegend muhammedaniſch geweſen. Sleuerbinge ı aber hatte |
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Mongolen 353
der Religionszwang Sultan Abmeds noch viele Ehriften und Buddhilten ins Lager bes
‚sslanı getrieben. Auch der Sieger im Thronftreit Gafan (1295 — 1304) war urfprüng-
ih nidt Muhammedaner geweſen; ; er hatte in feinem Machtbereih mit großem Aufwand
buddhiftiiche Tempel gebaut. Aber um obzufiegen bielt er für nötig, auf die Seite
der mubammedanifchen Fanatiker zu treten, welche jchon die Kirchen in Tauris zeritört
batten, und jein erjtes Edift nach der Thronbeiteigung gebot die Götzentempel, die Kirchen,
die Synagogen, die Tempel der ‚seueranbeter niederzureißen. Die bubodbijtifchen Prieſter
wurden ınit dem Tod bedroht, wenn ſie bei ihrer Religion bebarrten. Die Chriſten
twurden durch demütigende Abzeichen der Verachtung preisgegeben, die Steuerfreibeit ibrer
Priefter aufgehoben u. f. w. Tod erwirkte fpäter die ;Fürfprache König Hethums II. 10
von Armenien, daß der Befehl, die hriftlichen Kirchen zu zeritören, zurüdgenommen wurde.
Obgleich Gafans Nachfolger Oeldſchaitu getauft und im Chriſtentum erzogen morden
war, erbolten ſich die Chriften unter jenem Regiment (130-4 - -1316) keineswegs, denn er
trat zum Islam über. Abu Said war gleichfalls Mufelmann und joll wieder Kirchen
zeritört haben. Tie fleinen Tyrannen nach ibm bereiteten vollends dem perfiichen Khanat ı5
überhaupt ein Ende.
Menn in diefem Abjchnitt von perſiſchen Chriſten geiprochen wird, fo find darunter
Neitorianer gemeint, welchen wir ftillichweigend die Jakobiten und andere Schtismatifer
als Schidjalsgenoffen anreiben. Es erübrigt nur noch zu fonitatieren, daß troß aller
Unbilden, die ihnen widerfubren, doc ihre Kirchenverfaffung unverlegt blieb, kraft deren zu
Patriarchen (zur Mongolenzeit Makita, Denba, Daballaba) mit dem Sig in Bagdad
geftliche und weltliche Jurisdiftion über ein Neg von mehr als zwanzig Metropole
ausübten. Aber ibr Sprengel breitete jich jo weit aus, daß davon nur in größerem Zu:
fammenbang die Rede fein Tünnte. Dagegen darf bier nicht unerwähnt bleiben, daß eben
zur Zeit der Mongolenberrfchaft neben der neftorianischen Kirche Die römische ihre Bis-
tümer, geiftliche Orden und Yatengemeinden etablierte.
@elegentlih der Bündnisverabredungen mit den Päpſten jprachen einige Khane den
Wunſch aus, es möchten aus dem Abendland Männer in die mongolischen Herrichafte-
tete gejandt werden, welche im jtande wären, das Volt mit der chriftlihen Lehre be=
nmmt zu machen. Die Päpjte ergriffen dies mit Freuden und Die opferwilligen Männer 30
waren in den Bettelmönden zur Hand. So zogen denn nicht wenige Mönche, aus:
geftattet mit der Befugnis auch prieſterliche und bifchöfliche Funktionen auszuüben, nad
Perſien. Belannt find uns viele Namen von folcben, aber weniger, wo fie fich nieder:
i Sie mögen urſprünglich mehr gewandert ſein als ſich ſeßhaft gemacht haben.
Ihre Aufgabe erkannten wohl die meiſten nicht jo ſehr darin, die Zahl der Chriſten zu 35
vermebren, als vielmehr darin, möglichit viele Schismatiter der römiſch-katholiſchen Kirche
zuzuführen. So richteten fie denn ibr Augenmerk für die bleibende Niederlafjung (Klöſter,
Kirchen) vorzugsweiſe auf Städte, in welchen ſchon Gemeinden vrientalijcher Chriſten
waren. Andererjeitö widmeten fie ſich der Paſtorierung abendländiicher Kaufleute, Hand:
werfer, Soldaten u. |. w., melde jich länger oder fürzer in den Städten Perſiens auf: wo
hielten. Die bedeutenditen diefer Wflanzungen der römiſchen Kirche in Perſien befanden
fh in Taurie und in Sultaniab. Beide Bettelorden batten in jener älteren Hauptitabt
ihre Klöfter gegründet. Aus neueitens befannt gewordenen Akten gebt bervor, daß Mit:
glieder der Sekte der ‚Kraticellen, welche als Anhänger enter von der Kirche verworfenen
Lebre von der evangeliichen Armut verfolgt wurden, fih in Tauris einnilteten und dort 45
ibre Härefe auf die Kanzel brachten, nicht obne auf Widerfpruch aus der Mitte der dort
enfäffigen italienischen Kaufleute zu ſtoßen (1332- 133-4). Eine andere Hauptſtadt
Sultaniab gründete im Jabr 1303 der Khan Gaſan; Oeldſchaitu vollendete fie 1305.
Ser ftiftete Papſt Johann XXII. einen erzbiichöflichen Zig mit weit ausgebebntem Sprengel
und verlieb denfelben dem Dominikaner Franco von Perugia (1318), welchen jpäter so
Bilbelm Adä (1323) und Johann de Core (1328) folgten. Sechs Zuffragane teilte der
Bapft dem neuen Erzbiichof gleich zu, weitere, zu Denen aud ein Biſchof für Tauris ges
bört, wurden fpäter ernannt. Ein langer Beſtand dieſer römiſchen Kolonie läßt ſich je
doch nicht annehmen, da das Khanat bald zerfiel.
(Heben wir zurüd in die Zeit, da Dſchingiskhans Reich unter jeine Nachlommen 55
verteilt wurde, jo finden wir, daß dent dritten Sohn, Ugotat, Das an China arenzende
öftliche Turkeitan mit dem füdlichen Teil Zibirteng, dem zweiten Sohn, Dſchagatai, das
weitliche Turkeſtan als Erbe zufiel. Den größeren Teil dieſer Gebiete batten vorber
ſeldſchuckiſche Zultane beberricht und es it als Nachwirkung dieſes Regiments anzujeben,
wen die Bevöllerung übertwiegend die Neligion Mubanıneds angenommen batte. Die w
HealsEncyllopädie für Theologie und ſtirche. 3. A. XIII. 23
[ei]
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354 | Mongolen
neuen mongoli Land — —
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— und Bicbernufbe — Franyis in der Haupflabt
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25 jaben ſich umgeben von Ofjeten, Rip fen (Rumanen), 5* 1, 8 und 6
I abmlihes — = Hr er —— zeigte inte, im en
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Ruthenen, Pe: Ä das —— aber wi | & Deekhtebene Siten ge
Es war vorauszufeben, daß das H erhaus eine der zwei ge
nannten onen anne en — Des eben —— Bruder Berke war
nmedaner und te gewal Tre ne den Yelam. verbreitete
aber und wurde bon Hark orienta hier genäbrt bie —— daß
erles Sohn Sertat —* befunntlich bie, Sendung des Mönds
Rubruk in das innere ch akt ne
35 Sertaf nichts weniger — als hie jein oder auch Mein jo mes —— |
bie ftarb Sertat 1266, ohne zur Herrfchaft gelangt zu |
bei dieſem Zweig des Haufes Diehingiskhans. le "Khan. No —
igte ihm mit beſonderer Wärme. Aber er war nicht zugleich |
iſtenheit. Jahr 1313 erteilte er dem Metropoliten Peter einen Sreibrief
40 * ie ra irche feines Sprengel Schuß und Steu — eit zu Fa af der —*
gr Johann XXII. Anlaß, ibm gegen „die
Ditnliepe ber Pe e Au danfen (1318) und Shen eine ——— von ſeiten
gri ifche Kirche war 8 eine weilere —— af ber han Dem "2a
die richtung eines Bistums derjelben in feiner Nefidenz Sarat eitattete.
50 lichen Inhabern dieſes Sites eritand von anderer Seite eine Gefahr: dadurch,
römiſche Kirche auf dem Boden des Khanats Kiptſchak Bistümer und
er damit einen MWettbeiverb berbeiführte. Johann XXI. erhob im J — Bi |
Handelsftadt Kaffa zu einem Biicofsfig, deifen Sprengel von Sarai bis Varna
* te, und ernannte zum erſten Biſchof einen Franziskaner H einen der für
65 die DTartarenländer beftimmten Mifftonäre. Andere — —— wurden ge⸗
gründet in Soldaja, Cembalo GBalaklawa), Kertſch, zum Teil neben ——
hatten die Ra Dirt Sprengel organifiert, deren einer mit 10 Miffions
custodia de Saray führte, während der andere mit fieben Stationen — der
Gazaria (Krim) —* war. Dieſe Mönche entwickelten eine — und es
1 * nicht ſelten Mitglieder des mongoliſchen Herrſcherhauſes zum Chriſtentum zu
| 4
Mongolen Monheim 855
Hier am Nordrande des Schwarzen Meeres angelommen jchließen wir unfere “Dar-
jtellung. Die Georgier und Armenier fcheinen außerhalb unferes Themas zu liegen,
da fie, obgleich den mongolischen Khanen unterworfen, doch ihre eigenen Könige be:
bielten. W. Heyb.
Monheim, Kobannes, gejt. 1564. — Hermanni Hamelmanni ... Opera Genea-
logico-Historica, Lemgoviae 1711; Stromata. Eine Unterhaltungsfchrift für Xheologen,
2. Bändchen, Duisburg 1788, ©. 273ff.; C. W. Kortün, Nachricht über dag Gymnafium zu
Düfjeldorf im 16. Jahrhundert, Diüfieldorf 1819; C. 9. Cad, Catechismus ... auctore Joan.
Monheniio (Neudrud), Bonnae 1847; C. Strafft, Die gelehrte Schule zu Düffeldorf u. ſ. w.
(Programm der Realihule zu D.), Düſſeldorf 1853 ; derf., Monheim, RE’; K. Bouteriwet, Mon: 10
Beim, REN; W. Crecelius, Monhein in AdB; Nheiniihe Alten zur Geſchichte des Zejuiten-
ordens 1542—1582 bearbeitet von 9. Hanfen, Bonn 1896; Fr. E. Koldewey, Johannes‘ Mon:
beim und die Kölner, ZwTh 1899.
Sobannes Monheim aus Elberfeld ift wohl im eriten Jahrzehnt des 16. Jahr⸗
bunderts geboren (nad Bouterwek, Krafft und Grecelius 1509 auf dem Bauernhof 15
laufen bei Elberfeld, worauf beruht diefe Angabe?), da jein Name am 9. Oktober 1526
in der Kölner Univerfitätsmatrifel eingetragen ift: Joannes euerueldis de munhem
dioces. Colon. (C. Krafft, Über die Suellen der Geſch. der evangel. Bewegungen am
Riederrhein, Theol. Arbeiten a. d. rhein. wiſſenſch. Pred. Ver. I, 11), Die Familie
flammte alfo wahrjcheinlihb aus dem Ort Monheim a. Rh., der zwiſchen Köln und zo
Düfleldorf liegt. M. hatte die Schule zu Münfter i. W. befucht, welche in demſelben
Geiſt wie ihr Vorbild die Schule zu Deventer, geleitet wurde. Hier und nicht in Köln
wird feine wiſſenſchaftliche Tüchtigfeit gemwedt und genährt worden fein, denn die Kölner
Hochſchule ließ es an geiltiger Triebfraft und an Verſtändnis für die Bebürfniffe der
Zeit völlig fehlen, eine Feindin der Reformation wie des Humanismus. Von 1532 big 3
1536 war M. Rektor der Stiftsijhule in Eſſen (K. Ribbeck, Geſch. des Effener Gym⸗
naſiums I, 28) und gleich oder bald darauf Rektor der Domſchule in Köln (prae-
epuus inter ludimagistros triviales, Rhein. Aften 349, ludimoderator, Itſchr.
d. Berg. Geſch. Ver. 29.Bd 241 Anm. 6). AS dann Herzog Wilhelm von Jülich—
Gleve:-Berg in Düfjeldorf 1545 eine „anfehnliche Partikularſchule“ errichtete, berief er M. zo
m Rektor. Ob diefer ſchon damals Erasmianer war und auch darum, abgefehen von
Keiner Tüchtigfeit, dem Herzog Vertrauen einflößte, oder ob er es erſt in Düffeldorf ge-
worden ift, durch Verkehr an dem Hofe, an welchem Erasmus bejonder8 hoch geehrt
wurde, wird fich nicht feſtſtellen laſſen. Unter feiner Leitung fam die Schule, die über
Die Aufgaben unjere® Gymnaſiums binausgriff und eine Zwiſchenſtellung zwiſchen 35
Diefem und der Univerlität einnabm, zu bober Blüte. Ex tuo Duisseldorpio in
dies magis ac magis bonis literis florescente, fo fchließt ein MWidmungsjchreiben
M.s an den Fürſten vom Jahre 1551. Daß es feine Nebeflosfel war, beweiſt ſchon
Die Aufſehen erregende Höhe der Schülerzabl, hinter der die Frequenz der meilten
Univerfitäten weit zurüdblieb: Die Angaben ſchwanken zwifchen 1500 und 2000! 40
Ste kamen von nab und fern, „über 50, 60, 70 und mehr Meilen Weges“. Viele
Bürger Tauften und bauten Häufer zur Aufnahme der Schüler, und Die ganze
Stadt hatte Vorteil davon. Werlodende Anerbietungen von auswärts lehnte M. ab,
und als die Soeſter fihb ihn als Meftor ihrer neuen Schule erbaten, ließ der Herzog
ihn nicht zieben. Freunde wie Gegner rübmen feine Gelehrfamteit und pädagogiſche 45
Züchtigleit (vgl. 3. B. den Bericht des Job. Pollius v. J. 1562, Z3tiſchr. d. Berg. Geſch.
Ber. 9, 169). Denn ihn war die Erziebung nicht weniger wichtig als der Unterricht.
Bobl nah dem Muſter der Münfterfchen Schule waren die Schüler je einem ber Lehrer
zur Aufficht zugetviefen und wurden ältere und ausgezeichnete Schüler als praefeeti bei
der Aufrechterhaltung der Disziplin wie bei den Wiederholungen beteiligt. Nicht nur w
im Unterricht verließ M. ausgefabrene Geleife; er magte fogar an der geheiligten Orb-
mung der Oſter- und Michaelisferien Kritif zu üben: tum enim aer plerumque tem-
peratus est, qui in bonas literas incumbentibus maxime convenit. In Sommer:
uud Winterferien wünſcht er fie verwandelt.
Auch als Schriftiteller war M. tbätig; daß er nur zu Unterrichtszwecken gefchrieben 65
zeigt, welche Liebe zu ſeinem Beruf ihn erfüllte (ein Verzeichnis feiner Schriften
ws Samelmann p. 179). Hier feien nur feine katechetiſchen Veröffentlihungen ge:
went. Er bearbeitete einen Katechismus des Juriſten und Theologen Chriſtoph Hegen:
wsfer (Hegendorphinus), 1547 bei Theodor Plateanus in Weſel erjchienen (5. Chors,
22 *
[ei
354 X
neuen mongoliſch.. vr, Dritter Band, 2.2357.
Fanatismus, Dur: zus, zuerſt eine großere, mil
andersgläubiger ‚zn emer Ausgabe ver 1556
Chroniſt, welche a et pia explanatio sym-
b nabe derſelben * - meepforum, auctore D. Erasmo
mals zuweilen .....ım Monhemium redacta, atg.
gebung dafür r- ' eis quibusdam locupletata.
Neubau und * + - meafionis Dominicae, uis ac
des dſchagataii⸗ - . {rasmo, per eundem collecta
10 gründet, an d zz von 1551 genannt, da aber
weſen zu ſein in Schreibfebler vorliegen. Der
Brüdern geie. te haben gelehrt, Fromme wie
der nicht Li: ... erſit dom legten Tage Der Welt
Märtprertor „> “eelesiastica. Die Siebenzabl der
16 und alle Gi: > aber Die communio sub utraque
von Warn endet Monat erſchien eine kleinere
hielt, die ia sueeinete et dilucide ad usum
predigen 1 ..ratlonibus per Joan. Monhemium
erklären, 1: ... Vibliothek in Wolfenbüttel. Sie
20 Über: 0, Ssenrediger Arnold Bungard auf Die
Khbannts ! tale zunſere Tertin und Quartanbe—
Laufe der . dienen. Neun Jahre ſpater erichien:
es einen .zions Elementa syncere simplieiterque
baut ve: “ Perlege, deinde iudica. Dusseldorpi
25 faben tı. 'crıuıs Busius Affines An. 1560 (Oridryus
En äl— mn Schule. Nad M.s Tode ft geprudt:
Khanar .-acris per totum annum in Templis le-
Ruth . stersdami recognita. Singulis Epistolis
trennt. - u asum puerorum subjecta sunt, per
nam: ; "ttersienium Monocerotis 15659 (Gr. ın
Mur. . aan Wort und Zucherflärungen.
fich - nr. Swriiten, Der Katechismus, iſt für die kirch—
Werf ..zd ven Einfluß geweſen. Denn er tft Das
Hır . yerumtsbiuh, Das am Niederrhein erſchienen iſt.
Zu nee aus Erasmus geſchöpften Schriften
Di. „st der Erasmiſchen Richtung abgewandt. In
au . Ap Die Schiller der 4. und 5. Klaſſe in Dem
b: on etien Unterrichts an Ergebniſſen ſich dar
C ade viſchen Vater und Zobn gefaßt und be:
an° “ieh der Christiana Sapientia, Die Cognitio
So gwib bern vom Menfeben, vom Geſetz (Aus:
sung des Apoſtolikums in 12 Artiteln),
a.ertein des Umerpaten), von den Zafranenten
. ben dergph von Der Buße, bon Den übrinen
J sr Zei ẽ aus Calvins Institutio geichöpft (Die
.. eder benutzt) und Die UÜUbereinſtimmung er—
Adructes. Auch der Genfer Katechismus
0 N Friedr. Stange zu viel behauptet, wenn
os. aminiseholastico ... praemissa, Cöthen
20.00, zrtgwbuibern zuzählte. In der Abend:
I ze Genf und Wittenberg einzunehmen,
so, ſchließt DE ſich im einzelnen Er:
rer gebt doch nicht immer nur ae:
x Soszemeetnife mit der dhrijtlichen Taufe
>. Volksmund entjtammender Worte
= yablmig) Gebote. Beim Artikel
Sr Wunſch zu erfennen, bei im
, Szieferungen feltzubalten. Darum
.. Marke verfeben. Sie bat einen
Br . ri Hoifnung auf Verſtändigung mit
Li
®
a Ve
Monheim 357
Katholischen genommen. Thatſächlich kam M.s durch feinen Unterricht wie durch ben
Eindrud feiner Perfönlichkeit tief gehende Wirkſamkeit den Evangelifchen zu gut. Evan:
gelifche Prediger im Rheinland und der Pfalz find aus feiner Schule hervorgegangen.
Aber auch Nichttbeologen baben bezeugt, daß fie ibm Unterweiſung und Befeitigung im
evangeliichen Weſen verdankten. Mehr als einmal wird in den Mölnifchen Turm: :
büchern, in denen die Ausfagen der un des evangelifchen Glaubens willen Eingeferferten
aufbewahrt find, jein Name genannt. Kein Wunder, daß er den Jeſuiten, die feit dem
Anfang der vierziger Jahre im Rheinland und bejonders in Köln Fuß gefaßt hatten,
ein Dorn im Auge war, zumal der Zudrang zu der Tüfleldorfer Schule eine für ihr
Kölniſches gymnasium tricoronatum empfindliche Konfurrenz bedeutete. Schon feit ın
1558 waren ſie dabei, Ms Schüler ihm abfpenftig zu machen (Rhein. Alten S. 313).
Als nun der Katechismus erjchien, gingen fie fofort daran, den Düffeldorfern eg bei-
zubringen, „daß inmitten von Katholiken feine Schule von Häretifern zu bauen fer“ (Rhein.
Akten S. 379) und M. unſchädlich zu machen. Einer privaten Zenfurierung durch Caniſius
folgte die Censura et docta explicatio errorum catechismi Joannis Monhemii ... 15
Coloniae 1560 (eine 2. Auflage 1582 verzeichnet D. Glement, Bibliothöque curieuse
historique et critique, Tome I, Göttingen 1750, S. 300 Anm.), die erite nambafte
Streitichrift der Nefuiten gegen den Proteftantismus in Deutichland. Denn fie find bie
eigentlichen Urbeber (Rbein. Akten 2.349, 357 Anm. 4, 441), wenn auch der Titel
Deputierte der theologischen ‚Safultät nennt. Hier wird die fatbolifche Kirchenlehre nicht 20
ſowohl verteidigt, als vielmehr in jefuitifcher Auffaflung und Zufpigung dargeftellt. Mas
+ 3. p. 129 ff. über die Befeitigung der Häretifer ausgeführt wird, läßt an Deutlichkeit
wie an Schärfe nichts zu wünfchen übrig. So wenig wie Räuber, Diebe, Kirchenjchänder,
darf man jie am Yeben lafien. Ille (Lutherus) si ante annos 40 ferro aut igni
sublatus fuisset, aut alii e medio sustollerentur, non tam abominandis dis- >:
sidiis, non tot sectis totus orbis concuteretur (p. 136). In der Nedhtfertigungs:
lebre tragen die Verfaſſer fein Bedenken, das ewige Leben als Täuflih zu erflären
(p. 191). Die Entziebung des Kelches bat ſchon in der Apoftelzeit ftattgefunden, fie tft
von der Kirche befoblen, darum verliert Den Himmel und der Hölle verfällt, wer, in
allem übrigen der Kirche geborjam, das Abendinahl unter beiderlei Seftalt nimmt (p. 309). :3
Daneben feblt es nicht an geſchickten Angriffen auf proteftantifche Übertreibung dee
Zcdriftprinzips: Non igitur celebranda erit dies dominica, quam scriptura non
docet. Dubium erit, num hoc sit Euangelium D. Matthaei, aut hae sint Diui
Pauli aut Diui Petri epistolae, quia hoc seriptura nusquam docet (p. 230).
Zu gleicher Zeit wurden Kanzel und Katheder zur Agitation gegen M. benutzt; es fam 35
dahin, daß fein früherer Freund Bungard (ſ. o.) ihn öffentlich, in feiner Gegenwart, bei
einer Zchuldisputation als einen exitiosus doctor, iuventutem falsis ac perversis
opinionibus imbuens, bezeichnete (HSamelmanıı p. 1023). Den entjcheidenden Schlag
follte direfte und perfönlice Einwirkung auf den Herzog herbeiführen. Der päpftliche
Kuntius Commendone erhob bei jeinem Beſuch ernftlihe Klage gegen M., fein Einfluß 10
auf die Jugend jet verderblic (fa tutti heretiei, ſ. M. Loſſen, Briefe von Andreas
Maftus, Leipzig 1886, S. 332). Tie Erfüllung eines Lieblingswunſches des Fürſten,
die Genehmigung zur Errichtung einer Univerfität in Duisburg und bedeutende Unter:
ftügung wurde in Ausficht geftellt, wem M. entlaffen werde. Auch an den Katfer wandten
fih die Sefuiten und erreichten es, daß er vom Herzog verlangte, er Tolle M. des Landes
verweilen (Brif Ms an Chemnitz, ſ. u.) Daneben wurden die Nardinallegaten des
Tridentiner Konzils in Aktion geſetzt (Maſiusbr. 5.343). Trotz all dieſes Drängens
bat der Fürſt, jonft nicht gerade der feitejten einer, M. gebalten, ein Betvers, wie hoch
er ihn fchäßte. Aber er unterfagte ibm, ſich öffentlich zu verteidigen und verbot den
Gebrauch Des Katechismus. Andere traten für M. ein. Im Frühjahr 1561 vweröffent- zo
lichte Johannes Anaftafius, damals Pfarrer in Steeg und Zuperintendent im Amte
Bacharach (Fr. Bad, Die enangelifche Kirche im Yande zwifchen Rhein, Mofel, Nabe und
lan, II. Teil 1873, S. 264 ff., vol. Ar. 9. Neufch, Der Inder der verbotenen Bücher,
Erfter Band, S. 2495.) ein „Belenntnis von Dem wahren Yeibe Chriſti gegen der
Bapiiten abgottiſche Mefje”, worin er ib M.a annabm; nach dem Urteil der Jeſuiten 55
war es ein liber pestilentissimus (Nbein. At. S.391). An einem emzelnen Artikel
der Zenſur, dem, der das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt betrifft,
fuchte 9. Hamelmann das Gefährliche an der jeſuitiſchen Lehre aufzuweiſen, in dem 1561
erſchienenen Schriftchen Resolutio duodeeimi artieuli in Censura Theologorum
Coloniensium de Catechismo M. Johannis Monhemii u. ſ. w. mit einem Bor: m
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358 Monheim Monod, Adolphe
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Schrift | ‚Theologastrorum )loniensium Ce, Henriei Artopoei ——
mn fe Catechismi Joannis "Monhemii Praeceptoris sui
xeudit — ——— Petrus Cephalius Duromontanus. —* Verfaſſer,
beſchlagen, gieb TEEN an SEHE: 7 ———
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1) “ S1 Eu ur fhiebenen erlag bei ©
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S. 159. Monheims Dank in den Theol. Arb. III dh bei Koldew
S. 136 f.). _ Als —— der perl JFeſuit BR — 1564 mit
3 einer Gegen bemnig a. a. D,, en ft. ©. 442; aus
dem lt bei 3* — Konrad von gr . 160, vgl. auch ——
a. a. PB3 300), verfaßte Chemnitz das berühmte Examen coneilii
Bu Biefer gr 2 gründ fen Zr —3 proteſtantiſchen Polemik bat alſo M.s —
30 M. var, wie n imal verheiratet (Kraft, Die gel. Schule, ©. 20 Anm. ;
K. Nibbed a. a. O. ec x & Mark Nu nn —* —— ächt, ut
vix umbra hominis ineo a 564 „in Domino Jesu plaeide“ XX
©, 178, — — — 1026). Nach —— * noch ſchrieb der Enge ge Joh
35 und —— vom Jahre 1562 zeichnet ber Katalog 70 von L. R St Winde
unter Nr. 16.521; ul in u Sort —* 21, NE! Bo XX ©. 177.) > die Schule
Monod, Adolphe, geft ‚1858. — gm 3. 1086 1885 * ien: Adolphe Monod. I, Souve-
nirs de la vie, extraites de la pondance, II. e Lettres A sa famille et ä ses
40 amis, Paris 1885, 2 Bb. 1902, ei 1 Gelegenheit bes — tjährigen Geburtsſeſtes (Uentenaire
wurde ein Band ausg ewählter Predigten (worunter mehrere noch nicht im el erſchlenene
—— Adolphe Monod 1802—1902. Sermons choisis. Edition du Centenaire, Parts
Adolphe Monod, unftreitig der erſte franzöſiſche evangelifche Kanzelredner ——
nderts, wurde den 21. Januar 1802 zu Kopenhagen geboren, wo jein Vater,
farrer "der franzöfifchen Gemeinde war. Durch reiche Begabung sowohl, —* ud
feinen ebrivürdigen Charakter befannt, wurde diefer im Jahre 1808 nadı
two die evangeliſche Gemeinde nach den Stürmen der Nvolution aus ihren ——
tehen anfing. Adolph war der vierte Sohn einer Familie die nicht —— ala
so Kinder zählte, welche von einem ſolchen Bater und einer gleich vortrefflichen Mutter
geborenen de Conint aus Kopenhagen) erzogen, ſich ſämtlich durch natürlich
durch eine echte Frömmigfeit ausgezeichnet haben. Bon den adıt Brübern
ih vier dem heiligen Amte am Goangeliun gewidmet. — Mbolph, der erite, ber
diefem 3 ea Geſchwiſterkreiſe durch den Tod entriffen wurde, erbielt iin
55 Öymnafialbildung im College Bourbon zu Paris, und begab fi dann nach. —
er 1820 1824 —— — Dieſes Studium war damals ſehr —
die tieferen Bedürfniſſe Des flardentenden, zartfüblenden, gewifienbaften j
zu befriebigen, Sein finniges, tiefes Sennilt, das ftets zur Schwermut neig
innern Frieden noch nicht gefunden. Die Zeit nabte aber, wo auc er in den neueriwachten
Monod, Adolphe 359
ewangelifchen Glauben den Mittelpunkt feine LXebeng, die Duelle feiner künftigen Thätig-
feit, die innere Ruhe feines Herzens finden follte. Die Offenbarung der göttlichen Gnade
in dem Grlöjer fiel für Adolpb Monod mit einer Reife zuſammen, die er 1825 nach Ita⸗
lien unternahm, und die ihn nach Neapel führte, mo er bald als Gründer und als Seel:
jorger der dortigen evangeliſchen Gemeinde bis zum Jahr 1827 wirkte. — Von Italien 5
zurüdgefebrt, wurde er ald Paſtor der reformierten Kirche nad) Lyon berufen. Hier er:
warteten ihn heftige Kämpfe, die feinem Herzen fchmerzlich waren, die aber feinen Glauben,
feine Treue für feine meitere Wirkſamkeit jtählen mußten. Das dortige Konſiſtorium
nämlich, unter dem Einfluß einer abgefchtwächten Theologie und eines merkantilen Welt:
finnes, fonnte an der damals verfchrieenen, vom jungen Prediger aber klar verfündigten 10
Lehre des Evangeliums vom Gekreuzigten fein Gefallen haben. Es bildete ſich gegen
Monod eine entichievene Oppofition, die mit dem Gedanken umging, ihn bei ber erften
Veranlaffung zu entfernen. Diefe Veranlaffung bot fi) in einer allzu feharfen Predigt
Monods, herausgegeben unter dem Titel: Qui doit communier? gegen die Brofanation
des Heiligen Abendmahls, an dem feine Gemeinde fcharenmeife, auch die offenbar un: ı5
gläubigen Weltmenjchen teilnahmen. Das Konfiftortum entjegte ihn feines Amtes (April
1831) und erhielt die königliche Beltätigung dieſer Abſetzung (1832). Was follte nun
Monod thun? — Die Staatsfirhe war ihm verjchloffen; da gründete er mit feinen
Freunden eine Freikirche (Eglise Evang&lique), die heute noch befteht, und von wo aus
ein thätiges Werk der inneren Miffion fich unter die arme Bevölkerung Lyons ausbreitete. 20
1836 wurde Adolph Monod zu einer erledigten Profeflur der Theologie in Montauban,
der einzigen reformierten tbeologischen Fakultät in Frankreich berufen. Dort wirkte er als
alabemifcher Lehrer 11 Jahre im größten Segen, und ohne dem Prebigen zu entjagen. In
Montauban ſelbſt hielt er freiwillig jeden Sonntag Gottesdienst und benüßste in der Regel
feine Ferienzeit, um als Neijeprediger die Gemeinden, namentlidh in Sübfranfreich, zu 25
erbauen. Überall, wohin er fam, ftrömte alles herbei, um die gewaltige Verkündigung
des Evangeliums zu hören. Tin den Jahren feiner Profeſſur zu Montauban war es, daß
jein Name als Prediger jo berühmt wurde. Sein Platz war nun auf der erften evan⸗
gelifchen Kanzel der Hauptitadt. In der That wurde er auch bei der nächiten Erlebigung
durch das Konſiſtorium der reformierten Kirche, 1847, nad) Paris berufen. Während so
9 Jahren füllten jih nun allfonntäglich die evangelifchen Kirchen der Hauptitadt, in denen
er predigte, namentlich das geräumige Oratoire. Außerdem bielt er jeden Sonntag Abend
in einem kleineren Yofal des Oratoire eine Bibelftunde, mo er in ganz einfachen Medi:
tationen das Wort Gottes praftifch betrachtete; dabei ſprach er aus eier folchen Fülle
der Schriftfenntnis und chriftlihen Erfahrung, daß viele feiner gläubigen Zuhörer diefe 35
Betrachtungen jeinen großen Reden vorzogen.
Nach diefer dürftigen Skizze von Monods äußerem Leben müflen wir ihm nun näher
treten, um zu jeben, was in Binen geiltigen Begabungen und vorzüglich in feinem chrift-
lichen Charakter ibn zu dem Prediger machte, dem jedermann die erfte Stelle einräumt.
Ein klarer Verſtand, der fich nicht leicht mit halben Begriffen begnügte, ein tiefes teil- so
nebmenves Gemüt, eine erhabene Einbildungstraft — alle diefe natürlichen Gaben waren
in Monod dur eine vielfeitige feine Ausbildung zu einem harmonischen Ganzen vereinigt
worden. Waren auch feine wifjenfchaftlichen Kenntniffe bedeutend, jo war er doch eher
zum Äſthetiker, als zum Gelehrten geboren. Er batte eine große Vorliebe für alles
Schöne, und fein Sinn ftrebte nach Vollkommenheit. Darum gewährte ihm die Hlaffifche «6
franzöfifche Yitteratur, namentlich die des 17. Jahrhunderts, einen großen Genuß. Seine
Kenntnis der deutjchen, englifchen und italienischen Sprache machte ihm auch die litte-
tariihen Schätze diefer Nationen zugänglih und er mußte diefelben hoch zu ſchätzen. —
Was die Theologie betrifft, jo mochten feine erjten Studien derjelben allerdings mangel-
baft geweſen fein; aber diefen Mangel bat er fpäter, namentlich in den 11 Jabren feiner so
Vrofeffur, durch vieljeitige Lektüre, auch der deutjchen Theologen, reichlich erſetzt. Seine
bauptfächliche Fundgrube der Gottesgelabrtbeit aber war die Bibel, die er täglich, und
Mar immer in den Grundfpracen, las. So batte er fich feine eigene Erxegefe und Dog-
matif unmittelbar aus der Duelle gebildet. Häufig führte er in feinen Predigten Bibel:
en in eigener buchjtäblicher Überjegung an, Die ein unertwartetes, belles Licht über den 55
betreffenden Gegenſtand warfen. So iſt es begreiflich, wie bei einer großen Übereinſtim⸗
mung feines Glaubens mit den reformatoriichen Grundſätzen des 16. Jahrhunderts feine
eugung immer offen und unbefangen blieb, jede Wahrbeit aufzunehmen, die fich ibm
nach (Hottes Wort legitimierte. Namentlich in gewiſſen incertis, tworüber die gewöhn-
liche Orthodoxie ohne weiteres abgejchloffen hat, wußte ſich Monod ernftlich zu beicheiden. eo
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Monod, Adolphe 361
rwies die erjte mit einer überwältigenden Kraft das innerjte unzertrennliche VBerbältnis
wilchen den Irrtum und dem Böen einerjeits, zwiſchen der Wahrheit und der Heiligung
widererjeits. Mit andern Worten: Cs fann Fein Menſch anders geheiligt werden, als
uch die reine evangelijche Wahrheit, das war das Thema aus No 17, 17. Heilige jie
n deiner Wahrheit. — Materiell aber griff er mit derjelben unwiderſtehlichen Kraft jene 5
— — Richtung an, indem er in der eiten und dritten Rede das Sündenelend
ver Menſchen und die Gnade Gottes aus Schrift und Erfahrung darthat. — Dieſes
Berk (denn eine jede Predigt Monods iſt durch Ausdehnung, Behandlung, Inhalt und
Bollendung ein Werk zu nennen) bezeichnete eine Epoche und brach eine neue Bahn, auf
velcher viele dem Manne Gottes nacfolgten. Seit jener Zeit veröffentlichte der ge: 10
valtige Prediger häufig einzelne Reden, die, von allen Wabrbeitfuchenden gelefen, mebrere
Auflagen erlebten. Im Nabre 1844 erjchien ein ganzer Band, der längit nicht mehr im
Buchhandel zu haben ift, und deſſen erfte Nede, la er&dulit& de l’incer&dule, 68 Zeiten
ntbaltend, als ein Meijterftüc der Apologetit betrachtet werden fann. Bis zu jeinem
Tode, und auch nac feinem Tode find noch viele ‘Predigten einzeln oder in Kleinen 15
Sammlungen erjchienen, tworunter zwei über den Beruf der hrijtlichen ‚grauen (la Femme)
ind fünf über den Apoftel Baulus am meiſten Erfolg gehabt baben. Als Monod diefe
Predigten 1852 bielt und berausgab, ftand er auf der Höbe jeiner inneren Ent:
vedelung und feines Einfluſſes in der Nirde. Darum nocd ein Wort über diefe Samm-
ung, die zur GCharafteriftit des Mannes gebört, weil ſie den innerften Gedanken feiner 20
egten Yebensjabre enthält. Es iſt nämlich oft in neuerer Zeit unter den eifrigen aläu-
ner Predigern, deren fich jegt die evangeliſche Kirche Frankreichs erfreut, Die Frage auf:
kivorfen und erörtert worden: Warum bat in unjeren Tagen die Predigt des Evan-
ſeliums jo wenig Erfolg im Vergleich mit der apoftolifchen Zeit? Monods Antwort ift
n dem oben genannten Buch enthalten. Seine Überzeugung, die in ihm ein gewaltiger:
derzenädrang geworden war, iſt folgende: Da wir alle Gnadenmittel haben, wodurch in
wer apoſtoliſchen Zeit die Welt überwunden wurde, jo fann der unermeßliche Abjtand dee
I chriſtlichen Zeugnifjes von dem damaligen binfichtlich des Erfolges nicht in ob:
iven Urjachen gejucht werden, ſondern allen in der Schwachheit und Armut unferes
yetftlichen Lebens. Tas Yeben der eriten Chriften, als Erweis ihres Glaubens, das war 80
we tweltüberwindende Kraft ihres Zeugniſſes. Gebt der Kirche Chrifti dasfelbe Yeben
pieder und fie wird diefelben Wunder erzeugen. Wie aber führt Monod feinen Beweis?
Durch eine That, durch cin Leben. Der Apojtel Paulus, nur einige Hauptzüge feines
wrrlichen Charakters, feines reichen Wirkens, iſt jein Zeuge. Fünf Neden find es nur:
Las Wert Pauli, fein Chriſtentum oder jeine Thränen, feine Belehrung, feine Schwach 85
yit und fein Beifpiel für uns. Was aber für ein Bild uns vor Augen jtebt, mit welcher
überzeugenden Kraft die obige Frage gelöft ift, welcher Reichtum der Gedanken ſich bier
mtfaltet, welcher heilige Eindruck mit innerer Salbung ins Herz dringt, - das vermochten
nur Monods Zuhörer, - - das vermögen noch zum Teil jene aufmerkſamen Yefer zu
lagen. — Doch durften alle diefe Schätze nicht zerftreut oder im Buchhandel vergriffen wo
Der Herr gab jeinem Diener Tage der Muße in Tagen der Krankheit und
da dachte er daran, feine Arbeiten zu ſammeln. Zwei Bände Predigten wurden noch
vor jeinem Tode herausgegeben, nämlich die der erften und zweiten Periode, von Yyon
nd Montauban. Seitdem find zwei tweitere Bände gefolgt, welche die in Parts gebal-
tenen Predigten umfaſſen. Sermons p. Ad. Monod, Paris, T. I- -IV, 1855 u. |. w. 15
Wie diefe Bände haben miebrere Auflagen erlebt. Viele diefer Neden find ins Deutjche
überfegt worden; namentlich auch der „Apoſtel Paulus“ Frankfurt a. M. bei Tb. Völker.
Ein anderes treffliches Werk Monods, Lucile, ou la leeture de la Bible iſt cbenfalle
wittelit einer Überfeßung in Deutjchland viel verbreitet worden. Endlich dürfen wir einen
lich⸗praktiſchen Kommentar über den Epbeferbrief nicht unerwähnt laſſen: Ex- sw
tion de l’Epitre aux Ephösiens, wobei der Verfaffer den Kommentar von Harleß
s benust hat.
Wir baben von Tagen der Krankheit geiprocen. Tiefe Rrankbeit (1856) war der
Bf des Herrn an feinen Diener: Siehe, ih fomme bald! Höchſt ſchmerzlich war dieſe
Mike Prüfung, aber reichlich geſegnet. Die Arzte hatten die Krankheit für unbeilbar er: 5
» Monod mußte es; er bereitete fi auf Das Kommen jenes Herrn; er batte Die
Familienbande allmäblich zu löjen. Monate lang dauerte die Prüfung — und
onod fegensreicher gewirkt, als in dieſen Monaten. Ztürfer und lebendiger
je war fein Glaube, - - nicht allein eine völlige Ergebung in den beiligen Willen
8 Gottes, fondern eine innige Freudigkeit erfüllte feine Zeele unter den größten w
ww
5
Monod, Adolphe Monod, Friedrich
362
ee ‚u ke ae "Eine Ir — Grande fe aeg:
133 für Bez, — er
* men Berufen daß * —* einem —
Monod —F ‚ach F ne: Ben proteftantii en Pajtoren — — Zeit:
einmal durch die Erhabenheit feines redneriſchen Genies und dann durch die Heiligkeit
"mm Lebens. Mitten in Br —— — des um bi —— blickte ein Sen Sunben auf
— u andere 08 find, den Be a — F
so die er mit aller Kraft ſeiner Seele Bag hatte, ganz bingegeben
und redlich in den geringjten Dingen, wie in den größten; edulbig, bie zum ——
er em Schmerzenslager, wo er feine legten Kräfte fammelte, um fie dem
zu —— den er ſo innig geliebt, dem er ſo treu gedient hatte, — hat er
= "beffer, wie A einer, das ehrivürdige Bild eines a der eriten 2. *
s5 geſtellt. Adolp od ſtarb den 6. April 1856. Die Lücke ——
den —— —* Zeit wird fie ausfüllen können?“ vr (& 2
Monod, Friedrich, geſt. 1863 und die Union des Eglises 6yan—
eliques libres de France — Litteratur: G. Monod, La famille }
ris 1890 (als Manuftript gedrudt); de Felice, Histoire des Protestants de
40 loufe 1895; Encyclop6die des scienses religieuses IX, 316 fj.; Les Archives du Christianisme
au XIX. sidele passim; J. P&dezert, Cinquante ans de souvenirs — Paris 1896;
L. Maury, Le Réveil religieux A Gendve et en France, Paris 1892; v. d. Goltz, Die re:
rmierte Kirche Genfs im 19. Jahrhundert, Genf 1862; L’Union des Flises 6vangeligues
ibres de France (Jubiläumsjchrift), Paris 1899.
45 Friedrich Monod ift am 17. Mai 1794 in Mounaz bei Morges am Genfer See
findet als das ältejte von den 13 Kindern des im gleichen Jahre an die franzöſiſche
e ın Kopenbagen berufenen Pfarrers jean Monod. 1808 fiebelten die Eltern
Dane über. wurde von feinem 16.Jahr an in Genf erzogen und widmete 8**
Studium der eologie an ber dortigen Fakultät, Mebr als i Ct sogen
so Männer des Reveil an, vor allem ber Schotte Nobert Haldane (j. den‘ "vl
S. 354). „Als diefer gefegnete Mann, — ſchreibt M. fpäter — dem ich Gott mit
in Chriſto durch das Evangelium gezeugt bat, nach Genf kam, jchienen Rp ale Me
niffe feiner Miffion des Glauben und der Liebe entgegenzuftellen. ig
55 das er vertrat, war voll Dornen und Difteln. Was uns Studenten E if
verfunfen, Das beilige ° ‚ort Gottes war für uns terra ignota. Der Unteres
mit feinem fühlen Einfluß und feinen feelentötenden — war die per
die uns von unferen PVrofefjoren vorgetragen wurde , , , Noch jegt, nad a
ut
—
einem erzen voll Liebe und Dankbarkeit meinen fie Vater nenne,
wir größtenteils teichtfunmig, voll weltlicher Gedanten und in die irdijchen — igune
Monod, Friedrich 363
Jahren, ftebt nur diefer Mann vor Augen, wie er hoben Wuchſes, voll Mürde, umgeben
von Studenten, feine engliſche Bibel in der Hand, die einzige Waffe des Wortes, das
Schwert des Geiſtes bandbabte, wie er jeden Einwurf miderlegte, jede Schwierigfeit be:
jeitigte, auf alle Fragen beitimmt durch verfchiedene Gitate antwortete, durch die er die
Einwürfe, Schwierigkeiten und Fragen aufnahm und aufbellte und bald zu einem voll- 5
ftändig befrierigenden Schluß gelangte. Er verlor nie feine Zeit mit Beweisführungen
gegen unjere vorgeblichen Ratfonnements; er wies unmittelbar mit feinem Singer auf die
Bibel und fügte die einfachen Worte hinzu: „Schau ber! Wie liefeft du? Das ift bier
mit dem Finger Gottes gejchrieben!” Unter Haldanes Einfluß gewann M. wie fein
Vetter Gauffen (ſ. den A. Bd VI S. 382) die Überzeugung von ber wörtlichen Inſpi—
ration der Schrift, der er fein Leben lang treu geblieben iſt. In feiner Randidaten-
biffertation (de Pentateuchi authentia 1818) verfuchte er den Nachweis, daß der
ganze Wentateuch mit Ausnahme feines lebten Kapitels von Moſe ſelbſt gefchrieben ei.
In Genf ordintert kehrte er 1818 nach Paris zurüd und war dort vorübergebend für
eine Bibelgeſellſchaft thätig. Dann finden wir ihn kurze Zeit in Jena ale Hauslehrer 15
eines mecklenburgiſchen Bringen, 1819 verlobte er fich in Kopenhagen, von 1820 an lebte
er in Paris, zuerſt als Hilfsprediger feines Waters, feit 1832 als pasteur titulaire an
der Kirche des Dratoire. 1837 verlor er feine Frau, die ibm 7 Kinder gefchentt hatte;
wäbrend feiner zweiten Che, die er 1839 einging, wurden ihm noch 6 Kinder geboren.
Gleih in der erften Zeit feiner Pariſer Thätigkeit übernabm %. M. die Redaktion 20
der Archives du Christianisme au XIX. siöcle, und führte fie mit feltenem Talent
und unbegrenzter Hingebung 43 Jahre lang fort als klarer, unerjchrodener und unerbitt-
licher Verteidiger der caluinifchen Urthoborie.
Dieſe feine publigifilche Wirkſamkeit ftellte ihn in den Vordergrund der Ereigniffe,
ala die Wogen der Revolution von 1848 auch in das Tirchliche Gebiet eindrangen und
an den beſtehenden Verhältniifen rüttelten. Politiker und Theologen verlangten die Tren-
nung von Kirche und Staat, Alerander Binet im Waadtland, Yamartine und Lamennais
in Frankreich. Auch Fr. M. jtand mit feinen Münfchen auf diefer Seite. Er boffte für
die reformierte Kirche die Erlöfung aus dem Zujtand, den das Geſetz vom 18. Germinal
des Jahres X geichaffen hatte, indem es ihr die befenntnismäßige Grundlage entzog und
die Bertretung ihrer Intereſſen an die Höchitbeiteuerten auslieferte. „Die Regierung, die
aus den Barritaden hervorgangen ijt und „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” zum Mabl:
ſpruch genommen bat, kann und mill une die Abſchaffung eines Geſetzes, das die Direfte
Negation diejer drei Grundſätze ift, nicht vertveigern. Aber wir müſſen fie verlangen,
man wird fie ung nicht anbieten. Unfere Kette iſt zerbrocden! Wir wollen die Gelegen- 35
beit benüßen, um ung wieder frei zu machen. Wenn wir jo thöricht find und uns von
neuem in Ketten fchmieden laſſen, wird es um die Freiheit geicheben fein. Wir werden
ane neuc Revolution abwarten müfjen, vor der uns Gott bebüten wolle”. Indeſſen
mebr als an der Yöfung des Bandes zwiſchen Kirche und Staat lag ibn an der Auf:
itellung eines Belenntniffes für die reformierte Kirche. Als einen Monat nach der Revo: wu
lution, am 24. März 1848, Die zumeiſt aus Liberalen bejtehende Conference generale du
Gard von Nimes aus eine Denkſchrift an alle Pfarrer und Altefte der reformierten Kirche
verfandte mit der Aufforderung zur Zuſtimmung zu folgenden Sägen: „1. wir wollen
eine einheitliche Kirche bleiben, 2. wir wollen die Bejoldung durh den Staat aufrecht
erhalten, 3. wir wollen die Verbeſſerung des organifchen Geſetzes anftreben”, fonnte M. 45
fih damit einveritanden erklären nıit dem einen Worbebalt: Die conference generale
ſcheine eine Kirche ohne dogmatiſche Baſis zu wünſchen; eine folche fei für ihn undenkbar
und er würde Jeſum Chriſtum und fein Wort verleugnen, wenn er in diefem Punft das
Zugeſtändnis machte, das in Nimes ſtillſchweigend, aber thatfächlich verlangt werde.
„Eine frei und Klar ortbodore, d. b. evangelifche und chriftliche dogmatiſche Baſis iſt der w
einzige Boden, auf dem die orthodoren Chriſten ibre Zuſtimmung geben fönnen zur Grün—
dung der Kirche, der ihre Bemühungen und ihre Gebete gelten“ (Arch. du Christ.
1848, S. 59). Über die Frage der Trennung von Kirche und Staat hatte er ſchon am
11. März 1848 fich folgendermaßen ausgeſprochen: „Wir haben es weder mit denen ge:
balten, die allein in diefer Berbindung das Heil für Die Kirche eben, noch mit denen, 55
die da meinen, jene Verbindung fei die Quelle von all dem Jammer in der Kirche und
die Trennung iverde von jelbit den (Slauben, die Erneuerung, die Aufrichtigfeit und andere
Tugenden, die noch in fo bobem Maße feblen, zur ‚Folge haben. Wir werden nichts
tbun, um die Trennung, die wir eriwarten, zu beſchleunigen, noch auch, um fie zu ver:
hindern. Hätten wir offiziell ein Votum abzugeben, jo würden wir für die Trennung so
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Ba als er — — edlen muß und da die re-
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en * es — der en is Babes werben fol” ;
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—— ten bon % die ee, en —
— 22. —— — * den
Ein comité — in a war —— die vorbereitenben Een t
und über die — eiten des Plans nähere Auskunft zu geben. M. boffte zuve ——
daß die orthod itglieder der Synode auf ſeine Seite treten werden: „fröre ;, nous
15 vous ee dans l’Eglise miserable et meprisee qui confesse, 6sus-Christ,
son Sauveur et son Dieu!“ Ja, er erivartete jogar, daß die Separation den Mnlap
geben werde zur Union aller Ortbodoren, die bisher in Reformierte und Yutberaner,
Freifichen und Staatstirchen gefpalten waren. Andererjeits gab fich die Synode wie
auch das Pariſer Konfiftorium und Ar. Ms Bruder Adolph alle Mübe, Fr. M. von
— Entſchluß zurückzubringen. —— Am 8. Januar 1849 gab er ſeine Dem
ion als Pfarrer am Oratoive und jagte ſich damit von ber Kirche —— der er 30 Jahre
gedient hatte und in der er brei Brüder als Pfarrer zurüdlieh. Ohne Vermögen mit
einer geoßen Kinderſchar einer ungewilfen Zukunft entgegengebend befahl er feine Ye
bem, der es dem Nufrichtigen gelingen läßt. In feiner Abi igt am 22, Apr
55 1849 über AG 20, 26. 27. 32 entbüllte er mit ergreifendem Ernſt die innere Sebi
denbeit feines Gewiſſens „Hätte ich anders gebandelt, jo bätie ich nicht
Ehriftum und jein Evangelium verleugnet, fondern ebenfo die ganze wunderbare
der alten reformierten Kirchen Frankreichs. Ich bätte gebrochen mit den ——
unſer ruhmreichen, treuen Vorfahren, ich hätte mich thatſächlich losgeſagt von dieſen eblen
co und mutigen Märtyrern der Lehre, die fie noch unter dem Beil des Henkers befannten,
Monod, Friedrich 365
hrend ihre Nachkommen fie auf die lange Bank ſchieben . .. Mehr als drei Monate
€ ich überlegt und gebetet, ich babe mit Thränen zu meinem Gott geſchrieen, er ſolle
, wein ich nicht jeinen Willen tbue, meinen Weg mit Dornen verjtopfen. Aber meine
rzeugung iſt mir klarer und tiefer geworden und unter Thränen babe ich antworten
len: ich kann nicht anders; vergebet mir und liebet mich“ (Mes adieux à mon ;
upeau S. 16 und 21).
Einen Monat fpäter eröffnete er in Paris ein kleines gottespienjtliches Lokal, in
ı er um feine Kanzel die erften Anbänger der Tünftigen Eglise libre ſammelte. Die
ftttuierende Synode der Union der Eglises &vangeliques libres tagte vom 20. Auguft
1. September 1849. Es war M. gelungen, die zeritreuten evangelifchen Gemeinden, 10
infolge des Reveil von der Staatskirche fich Iosgejagt oder neugebildet hatten, zu
erem Zuſammenſchluß zu veranlaffen. Das wejentlihe Merkmal diefer neuen Urga-
ton war, außer dem Grundſatz der völligen Trennung vom Staat, Das gemeinjame
aubensbefenntnis. M. Iegte Teinen Wert Darauf, daß die Konfeifion von Ya Rochelle
k neuem in Geltung trete. Sie ſchien ihm „trop longue, trop explicite, peut-ötre 15
p absolue”. (Gr mußte auch wohl, daß jedes formulierte Bekenntnis Gefahr laufe,
ve Formel zu werben „que tout le monde salue avec respect et dont personne
.tient compte“, und leicht zu theologiſchen Prätentionen geneigt jei, Die Das Wie und
+ Barum aller Geheimniſſe erzählen wollen. Aber es gab für ihn einige dogmatische
undwabrheiten, denen er fonjtitutive Bedeutung beimaß wie für den Wert des per: m»
Hichen Gbriftentume, jo für den evangelifchen Charakter und die Xebensfähigfeit einer
Ze. Und unter diefen Grundwabrbeiten ftand obenan die Lehre von der Inſpiration
ESchrift. „Nous croyons que toute l’Ecriture de l’Ancien et du Nouveau
stament est inspir&e de Dieu et constitue ainsi l’unique et infaillible rögle de
foi et de la vie" beißt der erſte Sag in der von M. entivorfenen Konftitution der 25
em Eglise r&öformee &vangelique de Paris.
- Als Pfarrer diefer Gemeinde bat Fr. M. bis zu feinem Tod in reichem Segen ge:
Tank der reichen Beifteuer, die ibm aus Nordamerila, England und Schottland
bob, konnte er den Bau eines Gotteshaujes unternehmen. Aber es war ihm nicht
be vergönnt, Gottes Wort darin zu verlündigen. 1863 erkrankte er am Kehllopffrebe. :
se glüdliche Operation konnte dem Fortſchreiten des Übels feinen Einhalt thun. Gr
ſich auf Das Landgut jeines Bruders Dr. Guſtav Monod nach Villemombre bei Baris
BE Ehe er die Stadt verließ, ließ er den Magen vor feiner neuen Kirche, die ſoeben
endet worden war |Chapelle du Nord, rue des Petits-Hötels 17|, halten. Er
bie Etufen zur Kanzel hinauf und betete dort. Tas war jein erfter und leßter 35
. Mit Eintritt der fchlechteren Jahreszeit fchrte er wieder nach Paris zurüd. Sein
ter Schmerz war, daß er nicht mebr fprechen fonnte. Sonjt wären auch von feinem
mlenlager Segensitröme ausgegangen wie in den „Adieux“ feines Bruders Adolph.
5 vor jeinem Tode erlchte er noch die ‚sreude, 8 jeiner Kinder um fein Sterbebett
; Geier Des heiligen Abendmahles verfammelt zu jeben. Da jchrieb er auf ein Blatt so
ier die Worte: Cette r&union est un des r&ves et une des priöres de ma
ı Dieu l’a amenée bien autre que je m’etais imagine. Que son nom soit
ni. Peut-£tre sera-t-elle plus benie ainsi. Bientöt elle se reformera lä-haut.
‚28 puis que vous donner ma paternelle benediction. Aimez le Seigneur
sus-Christ, aimez-vous les uns les autres. Amen. Demon lit de delogement. 4
h dee. 1863. Papa." Am 30. Dezember 1863 hatte er ausgelitten.
Fr. M. iſt eine der kraftvollſten Berjünlichfeiten des neueren franzöſiſchen Proteftan-
mu. Mochte man die neuc Spaltung, die er in der obnebin jchon ſtark zerflüfteten
emierten Kirche veranlaßte, bedauern, jo konnte Doch auch der dogmatiſche und firchen:
Ütifche Gegner der Reinheit jeiner Abſichten, die frei waren von perjünlihen Macht: w
Men, und jeinem gläubigen Zeugenmut, der immer und unter allen Umftänden feinem
wiſſen folgte, die Hochachtung nicht verfagen. Über den Vierundzwanzigjährigen batte
ine Schweſter Adele in ibrem Tagebuch geurteilt: „il est ultra en tout, ex-
en politique”. Tamit ijt kr. Mis Schwäche treffend gezeichnet. Aber es ift auch
bloß ſchweſterliche Parteilichkeit, wer fie weiter von ihm fagt: „iln’ya pas dans
wur l’ombre derancune“. So ſchroff und ablehnend er fein konnte, wenn man
Gerviffen Konzeffionen zumutete, jo weitherzig war er, wo man feine Liebe in An-
nahm. Alle, die in Frankreich auf dem Gebiet der inneren und äußeren Miſſion
Ionders der Evangelifation unter den Natbolifen an der Arbeit ſtehen, baben das
fahren. Fr. M. war fein gelebrter Theologe. Er iſt über die Theologie des ww
J
=
51
—* — — =: Ib an vertreten. ——
hi Die Kenntnis der € 0. Jahrhundert
ı mit großer Geſchick an —— borübergeführ. 3 i
Augen BE” ber Bebensfähintei dieſes Zweiges der famille ——
10 Am 25. 1899 feierte —* —* des Sr &yangeliques de France
tennen — a ie Stiftu Union
- maren, {ih als ame rue 6 Die 3 Stang der Aion map
der Dienipkn, ja fop —F = — über Vie SkC ab De Dri Ba ande Ba
15 in, ja jogar mmungen un
i klin, je, fon Di I Sie wollte die „unit en dehors de P’uniformite“
ie 68 c Synode ihre Reäfte frei für die großen gemein
bildung von Geiftl ber Kirche obl 186 — Paris ein
yleı mE ——— — St. Jean du Gard
Beſtimmung Ordination nion arbeitenden ——
25 gefügt wurden, benfalls im im jahr 1864 wurde eine — eingeſetzt; die
24. Synode in Lyon 1895 beſchloß die cars war Während der
rn 1895/97 betrugen bie Einnahmen der Union — * h. 48 Franken
Die äußere Entwickelung hat mit dem inneren Ausbau des freilirchlichen Verbandes
nicht gleichen Schritt gehalten. Bis zum 1873 haben ſich immer neue Gemeinden
* die Union angeſchloſſen: aus den 10 des Jahres 1849 waren 73 geworden.
Heute find es mur noch 36. Der Grund für diefen g liegt teilweiſe darin, daß
en Profelptengemeinden, denen zu jehnell das Necht jelbftftändiger Kirchen eingeräumt
orden ivar, wieder der Commission d’&vangelisation unterjtellt werben mußten. Vor
36 allem aber- liegt er in ben ifjen, die inzwiſchen in ber reformierten |
retchs eingetreten waren. Die Generalſynode von 1872 war wieder über der Befenntnie-
frage uneins geworden (f. Bd VI ©. en aber diesmal —— die Liberalen. Die
Orthodoxen bildeten die Eur general offieieux auf der Grundlage des Befennt-
nifjes, das Friedrich Monod einft vergebens gefordert hatte. Der Anlap Br:
40 Ken "Theorie r bie — nr da wire Zu Befenntnifjes willen — *
i orien gerne aufga ielleicht wäre wenn er
elbft in die Staatstirche zurückgekehrt, von der ibn, wie wir cn an, a allein bie ®
itnisfrage und nicht jeine kirchenpolitiſche — getrennt hatte. Sag
doch wenige Monate vor feiner tötlihen Erfrantung zu jenen ee im Neligie R
45 unterricht: „die reformierte Kirche Frankreichs if unjere Kirche und, wenn ſie ein
Glaubensbefenntnis bätte, fo bätten wir nichts zu tbun, als wieder "unfern 5 Mab
ibr einzunehmen“ (Revue Chretienne 1902, I ©. 332). Sen Sobn 2 einſtige
itarbeiter Theodor Monod tbat im Nabr 1877 diefen Schritt, ebenſo *
und John Boſt. Dagegen blieben ©. Fiſch (geſt. 1881), Edmond be Pr
so 1891, f. den Art), Noger Hollard (geft. 1902) und Leopold Monod in
* libre treu, nicht aus dogmatiſcher Engberaugten, jondern aus Pietät. un ba
eugung, daß die Eglise libre ala Freikirſche nocd eine Aufgabe in
erfüllen babe, wenn fie auch als Belenntnistirde zur Sondereriftenz |
a mebr hat. Denn als Belenntnisfirde nad) jeinem Herzen würde Mer —
u ft feine Gründung nicht mebr anerkennen. Schon im Jahr 1861 mußte“
durch den Pfarrer der Gemeinde Thiers, die von der Union ſich trennen
5 die Metbobiftenfirche fih anſchließen wollte, an die —— tiſche Anarchie innerha
ber Union erinnern laſſen: „Handelt es ſich um die Bibel? eben nur eine inter
mittierende Inſpiration zu, manche ziehen — die Achtheit die ei jenes Buches ir
eo Zweifel. Handelt es fi um den Sündenfall? Er iſt abjolut für die einen, relatıw f
BE sg u er
Monod, Friedrich Monogramm Chrifti 367
die andern. Handelt es fi) um die Verfühnung? Sie wird, um das wenigſte zu jagen,
von manden abgeſchwächt. Handelt es ſich um die ewigen Strafen? Die einen glauben
daran, andere leugiien fie” (Correspondance relative à la rupture de l’Eglise de
Thiers avec l’Union S. 25). Wobl hat die Synode von Urtbez 1893 jih in einer
Kefolution von neuem zu den in der Konfeffion der Union enthaltenen fundamentalen 5
Glaubenswahrheiten bekannt, aber die diefer Nefolution angebängte Beichränfung „tout
en r&eservant à chacun la libert€E de ses opinions th&ologiques" läßt doch auf
eine theologiſche Stimmung innerhalb der Eglise libre jchließen, die nicht mehr zu F. M.s
dogmatifchen Ueberzeugungen führen würde. Sein Glaube an die Schriftinfpiration z. B.
bürfte unter den Theologen der Eglise libre heute faum mehr einen Anhänger finden.
Auch an den Glaubensbetenntnifjen wird wieder zu Erde, was von Erde genommen ift.
Die zeitliche Hülle jtirbt ab, wenn ihre Zeit um iſt. Die ewigen Gedanken bleiben und
uchen neue Formen. Es ift der Synode general officieux der reformierten Kirche
anfreichs in Anduze 1902 noch einmal gelungen, mit derjelben Beſchränkung, die 1893
die Synode der Eglises libres in Orthez machen mußte, die Konfeſſion von 1872 auf: ı5
recht zu erhalten; aber die Verteidiger des Alten waren mit den Fürfprechern des Neuen
einig in der Erkenntnis: die Frage iſt aufgefchoben, nicht gelöft. Zur Löſung fünnen
Friedrich Monods Erfahrungen und die Schickſale feiner Gründung einen wertvollen Bet:
trag geben. Engen Ladhenmann.
Monogamie ſ. d. U. Ehe Bd VE. 182.
Monogramm Chrifti. — G. B. de Rossi im Spicilegium Solesmense ed. Pitra IV,
1858, S. 505ff.; R. Garrucci Storia della arte cristiana I, 1881, ©. 163ff.; Smith und
Chetham, Dict. of Christ. ant. Il, 1880 ©. 1310ff.; 5. X. Kraus, Real-Encytlopädie d. hr. Alt.
Il, 1886. S. 125 ff. 412 ff; V. Schulge, Archäologie der altchr. Kunit, 1895, ©. 265 ff. Bol.
auch Brieger, Konitantin d. Gr. als Neligionspolitifer 1880, S. 38 ff. und Zöckler, Das 2;
Areuz Chriſti 1875, ©. 7ff.; F. Cabrole, Dictionnaire de l’archeologie chret. et de liturgie
L, 1903, ©. 177 #.
Unter Monogramm Chriftt wird der Namenszug des Erlöfers verſtanden; gewöhnlich
derjenige, der aus den beiden eriten Buchftaben des griechiichen Namens Chriftus zu-
mengejegt iſt. Toc giebt e8 von altersber auch eine abgefürzte Bezeichnung des 30
ens Jeſus, ſowie beider Namen zufamnengenommen. Wir haben diefe drei Mono-
gramme in Betracht zu ziehen.
I. Für den Namen Chriſtus. Wir fallen zuerjt die Korm des Monogramms,
dann die Bedeutungen besjelben ins Auge; weiter foll von dem Alter und der Verbrei—
tung, endlich von der Anwendung in Schrift und Bild die Rede fein. 36
1. Die Form. Das Monogramm Chrijti zeigt zwei Hauptformen, inden entweder
das P in vas X hineingejegt, oder das letztere aufrecht geftellt und das P an den nun
fentrechten Arm angefügt wird) alfo: PR und P. Die eritere Form befchreibt Eufebius
(Vita Constant. I, 31: vo oroıyeia rö Xoıorod nagadnloüvra Övoua, dia Tav
REDTWV —— yagaxınowv, yıaloutvov toõß P xata TO ueoaltarov) und 40
Baulinus von Nola (Poem. XIX. de Felic. Nat. XI. v. 618sqq. Opp. ed. Murat.
p. 481), Die andere Yactantius (De mort. persecut. c. 44: Transversa X littera
summo capite circumflexo Christum in scutis notat.), denn ſchwerlich kann
unter der transversa X, deren Spige umgebogen ift, etwas anderes ald das +
verſtanden werben, aus deijen jenfrechten Arm ein P gemadt if. Aus jenen beiden a5
—* entſtehen durch Umkehrung des P zwei andere, nämlich X und +. Wird durch
mi
0
20
fügung eines horizontalen Querſtrichs aus dem P der eriten Form ein Kreuz ge:
‚ ſo entſtehen zwei tweitere Formen X X. Dazu fonımen noch einige feltenere
\ en, unter denen eine Modififation der beiden Formen > und P hervorzuheben
in. Es iſt eine durch Einführung eines lateinifchen Buchjtabens entſtehende Mifchung, oo
mbem R jtatt P gejchrieben wird, meijt mit geringer Ausbildung des fchrägen Striche.
Die Form findet fi öfter auf Grabmälern in Syrien, fchon vom Jahre 420 (de
, Syrie centrale Vol. II. Pl. 151; val. Vol. I, p. 89), in Trier auf Grab:
‚ die nicht über die Mitte des 5. Jahrhunderts hinaufreihen (Xe Blant, Inser.
Sr. 217. 270. 291; Pl. n. 160. 174. 190) und fonft in Gallien; etwas fpäter in 55
ien, bauptfächlid in Ravenna, aud auf einem Sarkophag in Mailand (Allegranza
. Tav. II). Über den Gang, den diefe Zatinifierung des P mutmaßlich ges
kommen, vgl. de Roſſi, Bullet. crist. 1880, p. lötsgqg. -- Abbildungen bei Kraus,
RE. II, ©. 412; Schultze S. 265 u. a.
368 Monogramm Chrifti
2. Underweitiges Vorkommen des Monogramms. Die Form P ilt
— chriſtlichen Gebrauchs. | ihr nahe verwandt iſt
nn 1876 €. — —
10 auf Müngen ze —
en Sabre bei} v. —*
—— und in der zuſe In Dloh oAv n Ki Ba it
id als an von x — = al Rs Palaeogr. Gr. =
* Kine Chrifli
ebraud, geinejen if.
Belle des älteren Gebr
n.3), ahre 291 bei oder en
a5 vom dahre 291 bei eg
Daß
gef aan —
gramm ins zweite rhundert ge bört (Roß, ne Fasc. III n. b.
» p. 8), tt irrig. es iſt wo eheintic) ei wie man ſchon im zeiten
die beiden — des Namens Jeſus mmennal — nachher unter ]
Fake im chen vorkommt, 3. B. in beim "Eyitaph der "nen ae und des * |
wi in der Priscillafatatombe IOT AOZA EN R, Wilpert, o > 1895
Alfo geben die Privatdenfmäler mit dem Mo
1 bau errt J in den Se —— Sräber, bald nn bald in Verl
—— in ln Te r' Nr. OB8 fe. Le — * * n. — 355). gene
Gerät der Gräber, namentlich Yampen und Slasgefähen, au a Fin
in Wandmalereien der Grüfte, namentlich im Scheitel des® ee der —5 Endlich
an Paramenten ſ. NOS XIV ©. 16 ff, auf Gewändern und anderen mälern au
* täglichen Leben |. R. Forrer, Die frühchriſtl. Altertümer aus an ( ni berfelde vor
Achmim⸗Panopolis 1893 ©. 24f.; auch bei der Inſchrift eines Hochzeitsgeräts (d’Agin
eourt, Seult. Pl. IX fig. 1. 24). ’
Die beiden Hauptformen gehen eine Zeit lang nebeneinander her; fie erjcheinen zu
weilen auf einem und demſelben Denkmal: tie auf dem Sarkophag des Caterbius
0 Tolentino, wo die Front das ® zwiſchen zwei Schafen, die Duerfeiter das 2 ziwmiice
Monogramm Ghrifti 369
zwei Pfauen zeigen (Garrucci, Stor. T. V, pl. 393). Im 5. Jahrhundert tritt die Form
2 gegen £ zurüd; und beide machen endlich dem einfachen Kreuz Platz.
Auf öffentlihe Denkmäler gebt das Monogranm durch Kaifer Konſtantin
den Gr. über. Er ließ e8 in das Labarum jegen, wahrfcheinlih in diejer Geftalt PB;
audy auf jeinen Helm, ſowie auf die Schilde der Soldaten. An die ihm gewordene Er—
ſcheinung erinnert das Yabarum mit dem Monogramm in der Hand dis Kaifers, der von
der Victoria gekrönt wird, mit der Umfchrift HOC SIGNO VICTORERIS auf Münzen
(Mittel: und Kleinerzen) feined Sohnes Konftantius und deſſen Zeitgenofjen Vetranio
(350) und Gallus (351— 354). Bon ihm felbjt ift eine berühmte Münze mit dem Mono:
gramm auf dem Labarum, welches auf einer Schlange ſtehend fie durchbohrt, nebſt der
Inſchrift SPES PUBLICA (Gdbel, Doctr. numm. Vol. VIII, p. 88; Cohen, T. VI,
. 160, 483); vgl. die wahrſcheinlich auf Konſtantius bezügliche Wiener Kaiſergemme,
S XII S. 138ff.; jedoch wird deren Echtheit bezweifelt, Strzygowski, Orient oder
Rom 1901 ©. 83. Münzen zeigen aud das Monvgramm auf dem Helm Konftantins,
owie auf dem Schilde des Kaiſers Majorianus (157—461). Auf den griechijch-römtjchen
ünzen ift ferner das Monogramnı in beiden Hauptformen (mit Unterbrechung durch
Kaifer Julian) ganz gewöhnlich. Hauptdentmäler find ein Goldmebaillon des Kaiſers
end, über 77 g ſchwer: der Raifer mit dem Yabarum in der L., eine weibliche Figur,
die Res publica, aufrichtend; und mit demjelben Gepräge Goldmedaillons Balentinians II.
und Theodoſius des Gr., — das erite und legte im fgl. Münztabinet zu Berlin (unter
den ausgelegten Münzen Nr. 1114. 1118), das zweite in Paris (Cohen, T. VI, Pl. XV,
5). An das Münzgepräge, namentlich aud) des Honorius (Binder 1857), ſchließt fich die
Borftellung auf einem Elfenbeindiptychon desjelben Kaifers in Aoſta an. Unter Kaiſer
gulianion I. (geit. 565) gebt der Gebrauch des Monogramms auf den Münzen zu
‚ da das Kreuz an deijen Stelle tritt.
Bald nah Konftantin, in der zweiten Hälfte des +4. Jahrhunderts, erfcheint es aud
an Öffentlichen Bauwerken. Das ältejte datierte Monogramm diejer Art it in einer In⸗
ſchrift vom Jahre 377 zu Sitten in der Schweiz, vermutlich von dem dortigen Präto-
rium, welche deſſen Wiederberitellung durch den Prätor Pontius anzeigt (MMommſen,
Inseript. Helvet. lat. p. 3, nr. 10; Le Blant a. a. O. ©. 496 und PI. 38, 231;
vgl. Egli, Kirchengejchichte der Echmeiz, S. 8). Es folgt zu Konftantinopel die Baſis
des Obelisfen Theodoſius' des Gr., mo es unter Skulpturen erfcheint (B’Agincourt,
Seult. X, 6). — Zumal in firdlichen Gebäuden wird es angebracht. Das ältefte, wahr:
preinlich nob aus fonftantinifcher Zeit, it in den Mofaiten von ©. Konftantia in
om auf einer Rolle in der Hand Ghrifti, da man berechtigt ift, auch Diefen Teil der
Moſaiken in jene Zeit zu ſetzen (j. Müns, Mosaiques chrét. de l’Italie II., Rev.
arch&ol. N. S., t. XXX, 1875, p. 2’4sqq.). Demnädjt erjcheint es in mittelpuntt-
licher Anordnung an der Front oder an der Tribüne der Kirchen, — gleichwie zuvor in
Cömeterien im Scheitel der Arkofolien. Beides zuerit an der merkwürdigen Kirche del
Salvatore bei Spoleto mit einer Yagade, welche frübeite chriftliche Architeftur in klaſſi—
ſchem Typus zeigt, mohl aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts: da iſt am großen
Bogen über dem Altar das 2, und im Tompanum zweier Seitenfenjter der Front das
P zu jeben (de Roſſi, Bullet. 1871, p. 141. 136; letztere abgegeb. Tav. X, 1). Ebenſo
an einem verwandten Bau, dem Tempel am Ufer des Clitumnus, der vermutlich im
d. Jahrh. in eine Kirche verwandelt worden; bier zeigt der Giebel der Rückſeite über der .-
dag P ſymboliſch verziert (ebendaf. p. 40 Tav. XIT). Ferner im Scheitel des
Bogens von S. Marian maggiore in Kom aus der Zeit Sixtus III. (um 435). Und
ebenſo noch in S. Francesca Romana dajelbft aus dem 12., wenn nicht aus dem 13. Jabr:
hundert. An der lateranifchen Bafılika ift es im Giebel fichtbar nach der Anordnung
Slemens’ XII. vom Sabre 1735.
4. Die Anwendung. In Grabfhriften drüdt das Wonogramm, wenn es gram:
matiich unverbunden zu Anfang, in der Mitte oder am Ende derſelben vorkommt, das
is zu Chrifto aus. Doch kommt e8 auch fpäter grammatifch verbunden als AD:
firzung des Wortes Chriftug vor, 3. B.: IN ASELVS, -- AEQVITIO IN $
DEO INNOFITO (sic), -- QUIA SCIMUS TE IN >$, alle drei im lateranijchen
Muſeum (IX, 19. VIII, 4. 15). Und in der Formel IN NOMINE >R (cbendaf. VIII,
10) und abgefürzt IN N > (VIII, 9) over IN SIGNO P (j. zuvor). Aber auch
mit Brädilaten wie DP.INN >, — SUSCEPTA COLONIA IN £ (VIII, 1. IX,
19). Bei den Bildern der Cömeterien dient es vor allen zur Bezeichnung der Perſon
*
[ei]
—
©
[> 7
or
20
*
40
de
De
Ehrifti, zumal wenn dieſe durch Zinnbilder vorgeftellt iſt. So bat das Lamm, auf dem gg
Neal⸗Fueytlopadie für Theologie und Kirche. 3.4. XIII. >
Sy nd, Off ‚Id, 1, das auf t auf einem Sark
tanıkden Oretten bi Bottari, T. j Tav. XXL. Au b bei der menfehihen Fi Ai pur
—
——— SE Meter Ri einen A
od ri im song. Kalender —
d’Arles p. 24, pl. XII,
— — iſt endlich die == des Monogramms zu einer ſymboliſcher
Auf einem Grabfteine vom Jahre 355 tt das P neben einem N anı
ildet, welcher es mit der ausgeftredten Nechten ge ilt zn bei de Sof
25 Eee Tr nr. 125).
in ber
— * Sr:
Känber das a a ee in (ebendaf. Pl. II, 9),
— — Monogramm in "den eb —* Une je in Nas
2. Das Monogramm IC XC. Dies iſt die — ABkü F beider Namen
55 in den älteſten Handſchriften des Neuen Teſtaments, wie in dem en Dim
aus dem 5., dem Glaromontanus aus dem 6. Jahrhundert, die au —* den
Handſchriflen beibehalten wird. Sie erſcheint dann auch in Dentmälern, namentlich
ICXC
der Inſchrift — die ſchon im den neapolitaniſchen Katalomben in einer ——
|
u Mesnogramm Chriſti 371
menu end fich findet (Belliccia, De eccles. christ. polit.
——— Über die älteften chrijtlichen Begräbnigitätten,
7 namentlich im Abendmalsgerät, auf dem Boden
ucholog, p. 117). — Ferner wird in Bildwerken
geſetzt: auf biyantinifd en Münzen zuerit unter 5
s bajelbft in Gebraud) bleibt bis zum Untergang
en leiten griechifchen Kaiſer, Konftantin XIV. Pa-
willen den, welches auf der Rüdjeite neben der
TO XO hat, wovon ein Cremplar im £ £ Mün
uch Doetr. numm. Vol. VIII, p. 273). Auch font
© auf ben chernen Thüren ehemals an der Pauls⸗
Richt minder in griechifehen Malereien, ſowohl Minia—
bar Chriftfinde, welches die Maria auf dem Arm
A ber l. Galerie zu Berlin.
ji bergang dieſes Monogramms zu der latei: 15
Peterskirche zu Rom befanden ſich Moſaiken
s de 7 Abronenden Chriftus daritellten (zwiſchen den
lt de Inſchrift IC XC (abgeb. im Ev. Kalender für
In ben noch vorhandenen Mofaifen von Philippus
gior gi om (Walentini, Basilica Liberiana Pl. »
talieniichen Uriprungs aus dem 14. und 15. Jahrh.,
5 Diomogeamm aufzuweiſen haben, B. = einer
. Nah 1334 in der fgl. Gallerie zu Berlin, und in
en 1 bor der Magdalena von Donatus Bizamanus
' WNaincourt, Peint. Pl. XCII). 25
* — IHS XPS. Die lateiniſche Kirche bat
1 Namen, die auch ſchon in den älteften Iatei-
| iechijch- lateinifchen Goder Glaromontanus, an
He mu in den Minustelhanpfchriften beibehalten, wie
Paris aus dem 8. Jahrhundert, wo der Anz zo
generationis in xpi (Fakſimile bei Silvestre Pa-
I art baben im 9. Jahrhundert Verhandlungen in der
A rind aus der Diözefe Met, Verfaſſer des Buchs
f in einem Briefe an den Hieremias, Erzbiſchof von
, Spiele. T. III, p. 330) Auskunft, weshalb man 35
‚ &inem H, fchreibe, und drückt zugleich die Anficht
( mit IH und C oder S gejchrieben werden; - -
feine Afpiration, fondern das griechifche H fein. Meiter
vb man richtiger IHC oder IHS fchreibe; worauf
il art enticheidet, daß nämlich die beiden eriten Buchſtaben 10
dem lateiniſchen Alphabet genommen werden, ähnlich
ehalten werde (dieſe Briefe ebendaf.).
ft, fo erf eint die Formel IhS XPS (und IhS XIS)
—* antiniichen Münzen nah dem Vorgang Juſtinians II.
* Essai de eélassificat. des suites monét. Byzan- 15
XXIV, : 22) bis auf Romanus IV. an ln -1071);
op: XC) allein dort in Gebrauch bleibt. --- Im Abend:
BE XPS von altersber in Inſchriften a Bildwerken,
) Miniaturen karolingiſcher Handſchriften, ſowie in Tafel-
- —*
on
w
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— —
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Ö
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R m Nefus Im Grichifhen das Monogranm IH.
5 Monogramms, von der wir Nachricht haben, nämlich ſchon
' (e, 9), wo in der Zahl 318 der Männer, welche Abraham
—— oder Gleichſtellung von 1 Moſ 17, 23 mit 14, 14),
ns Namen Jeſu und das Kreuz gefunden wird; denn 318 mit os
gefchrieben, it oT. Ebenfo Clem. Strom. VI, 11. Dieſe
ie ateiniiche Kirche übergegangen (ſ. Coteler. zur angel. St). Auf
een indeſſen kommt cine jolche Abkürzung nur ſelten vor. Bei⸗
*
372 Monogramm Chrifti Mouophyſiten
jpiele aus der Katakombe der Priscilla bei » Gotigeiweihte Jungft, Tfl. IV, 8
und aus dem Atrium ber jog. Capella “Cremer panis ©, 101.
Im Abendlande bat, das Monogramm IHS jeit dem A des Mittel-
alters großes Anjeben und —— Verbreitung gefunden durch | von
s Siens, der in Predigten, wel in verſch
abr 197 gebalten, zum Ku gm Tafel mit diefem —* in gr
ıbftaben ‚ bon Sonnenftrablen rings umgeben, zur Verehrung te
en Verhandlungen bean He Annal minor. T. V. a. 1427,
&
183 Ti Mon $ das igt wurde, ift auch i
on —* — in uiid Sr —— ge
ſuiten fich die — angeeignet. Bei ns [ eines Jeſuitengenerals
im Nabre 1541, aus welder Ignatius als ſolcher — etzte dieſer an die Spitze
ſeiner Abftimmung den Namen IHS. Und das Zeichen ıhs jteht in dem Siegelitempel
15 aus € er in jener Eigen bediente, Demfelben, mit welchem die en
— J — — — — ae (A, S. 5 Fr "ui Bo vi
Monoinos, der arakın it allein aus olyts refutatio (ben —*
— — —* "been, ber iin —— und —33
20 ern erfahren wiren yt teilt nur ſeine gonie un — owi
allerlei allegoriſche Spielereien d M. — ſich darin von gnoſtiſchen Ideen ——
Sein Syſtem, ſoweit wir es erkennen fünnen, iſt eine Miſchung von pythagoreiſch
Weisheit mit bibliſchen Gedanken.
n einem von Hipp. VIII, 15 citierten Brief mahnt er einen geriten Tbeophraft
» er ſolle, na * er Gott und die Natur und ähnliches (joll wohl heißen Gott im ber
Natur) nel t babe, ihn in fich felber (drrö oeavrod) juchen, jo werde er ſich von
als einer einbeitlihen und zugleich vielfältigen Macht abhängig ——
Das höchſte Tejen ift der ungeborene und vollfommene en — aus ihm iſt,
nicht durch gu fondern wie das Licht aus dem Feuer Menfcenfohn” *
30 gegangen. Der doll ommene Menſch bat als Symbol das „eine — die Pad
er it eine Monas, aber als Jota, das griechifche Zahlzeichen 10,
Auch der Menſchenſohn wird mit dem Jota als ber Monas- ce ne
Menſchen bilden fich ein, er ſei vom Meibe geboren, * alle in dieſem
fang angenen vermögen feine Schönheit nicht zu fallen. In biefer —— * ſich
35 Vetismus, wenn nicht Ablehnung des biftorijchen G riſtus überhaupt
Die Welt ift nicht von dem Menjchenjohn gefchaffen, jondern bon Fr Sechöhei:
in der Defas enthalten it; das findet in der m ag. Erzählung, —* Sechsta⸗
werk angedeutet. Der Sabbath iſt das Wert der Siebenbeit, die
ehe entbalten ift. Hier findet fich das offenbare Bejtreben, ie ® t ——
40 höchſten Weſen abzuleiten, aber auch nicht dugliſtiſch ihm gegenüber — An "die
opbitiihen Sekten erinnert die Beſtimmung des a; als „Menſch“ le
john“. Spelulation über das Jota und die wa »epala findet fich u, Mi
(ren. I, 3,2), aber nur beiläufig, während fie be M. im ng
Das AT bat M. allegoriich gedeutet. So ift ber Stab Mofis la
45 Hgbpten wie bei den Naaſſenern bie materielfe Welt. In den 10 en ee 1 1%
boten iſt die Dekas angedeutet; auch im Paſſahgeſ findet } ns Tieffinn
er das NT braucht, beweiſt die Benugung der Stelle vom Mt 5,18. —— des
M. Erlbſungslehre läßt uns Hippolht im Dunteln. Quell * Hipp. refut. VII,
R. Licchtenhan,
12—15; X, 17.
50 Monophyſiten. — Der erhebliche Zuwachs an geſchichtlichen Erfenntniffen, der una in
ben letzten Jahren durd) die Erſchließung zahlreiher in ſyriſcher Sprache — *—— Dueller
zur Gejcichte des Monopbyjitismus geworden ift, machte es notwendig, den für Be
vortrefflihen Artikel in der 2, Aufl. diefer Encyklopädie (Bb X, S.236—250) von W, Möller
durd) einen neuen zu erjepen. Mus Gründen der Pietät und "weil ed mir (08 erſchier
55 gut Gejagtes mur anders zu formulieren, bin ich dem Wortlaut des alten Art, nicht felten
gefolgt, muß aber die Verantwortung für den neuen dod) allein tragen.
bgefürzt eitierte Quellen (mo zen fritiiche Musgaben vorhanden
nad)
biejen eitiert, ſonſt nah MSG und MSL): 1. Konzilsalten md — |
> unngeneben, nad) Manſi, Conciliorum Collectio, Bd 7—9,
Simpliciug, Selig, Gelafius, Anaſtaſius und Hormisdas
ianorum Pontificum genuinae, Tom. 1, Brunsberg. 1868;
8 insbeſondere die wertvollen Gesta denomine Acacii
Ihr Noen Pipe nad Manfi; val. außerdem Regesta Pontificum 5
n. I, Lips. 1885; der Liber Pontificalia (j. d. U. Bd XL,
1, "Par. 1886. 3. Geſchichtſchreiber und Ehronijten
g nal. dazu K. Krumbacher, Geſch. der byzantiniſchen
= Chronicon Paschale, verfaßt nach 629 (f. d.
Üi Pe, wo Be — der Dindorfſſchen Ausgabe (Corp. 10
—— eingetragen ſind; Ev. — Evagrius, Kirchengeſchichte,
V, 6495.), eitiert nah J. Bidez und L. Parmentier, The
15 "with e Scholia, London 1808: Joh. Ant. = Johannes
bes 7. Sehr. citiert nad Fragmenta Historicorum
r, 1870; Joh. Nik. = Johannes, monophyſitiſcher Biſchof 15
Sehironit um 700, — in äthiopiſcher Ueberſetzung, eitiert
sur la et, Byzantine de Jean, Eväque de Nikiou, in
“ rn 1878, 245—347; Mal. — Johannes Malalas, Chrono:
ian (1.8.9. BdXILI, ge, eitiert nad) MSG 97 (Seiten:
[Oorp. Seript. Byz., Bonn. 1831] im Text): Nic. — Nice: »
—— geſchrieben im 14. Ih. (ſ. d. A.), eitiert nach
top, Historia Arcana, unter Zujftinian, citiert nad) Dindorfs
onn. 1833; Theod. Lect. — Theodorus Lektor oder Anagnoftes,
ng auf Quftinl. (518), orthodor, nur in Bruchſtücken (wahrſchein—
‚ angelegten Erzerptenfammlung) erhalten und zwar: Theod.Lect.
er 2 ioronias Heodwmoor Avayıworovs, citiert nah) MSG 86, 1,
Sande von 5. Valefius, Cantabr. 1720, im Text); Theod. Tect.
kino. foroolas, citiert nad): Anecdota Graeca (Parisiensia) ed.
‚ 8°—114; Theod. Lect. Mill. = Fragments inedits de Théo-
(par) E. Miller, in Rev. Archeol. 26, 1873, 273—288. 35
— und Quellenverhältnijien val. J. V. Sarrazin, De
4 fonte praeeipno, Lips. 1881, und Früger[f. u. S. 374, 4] 43 ff.) ;
feſſor, Chronographie, zwiichen 810 und 815 (über das Ver:
in a. a.D.), citiert nad) C. de Boors Ausgabe, Lips. 1883 -85,
se Nhetor (f. d. W.), bald nad) dem Regierungsantritt des Anaſtaſius 35
otifchen) Standpuntt gejchriebene Daritellung der kirchlichen Ereig-
Syn n Zobe Benos, aufgenommen in Buch 3—6 der Historia Mis-
®ateiner: Liber. = Liberatus, Breviarium Historiac Nestoria-
Vin, neichrieben zwiſchen 560 und 566 (f. d. A. Bd XI, 4497.), nad)
lare. — Marcellinus Comes, Chronik, bis 534 bzw. 548, citiert nad) a0
ea Minora, Vol. 2, Berol. 1894; Viet. Tunn. — Viktor von Tunnuna,
A Diommmjen ebda, c) Syrer: "Chron. Edess. — Edeſſeniſche Chronit,
int wohl um die Mitte des 6. Jahrh. (Hallier® Gründe für fpätere
whichlanend) geſchrieben, citiert nad: 2. Hallier, Unterfuhungen über
| T Be: , in zu9]1, Leipzig 1892; Hist. Misc, — Historia u;
Eiern —— Sammelwerf eines ungenannten monophyſitiſchen
JAicchengeſchichte des Zacharias Rhetor genannt, deſſen Werk (ſ. o.
ninen: ommen iſt, eitiert nah: Die 74 Kirchengeihhichte des Z3. Rh., in deutſcher
3 - von #. Ahrens (lleberf,) und Krüger (Einleitung und Kommentar),
7 ot Profani, Fasc, 3, Xeipzig 1899 (vgl. auch: The Syriac Chronicle =.
{ Zachariah of Mitylene, transl. into Eingliah [ohne Komm.] by F. J.
» Brooks, London 1899, und zu beiden Publitationen den Aufſatz von
L eier historique de Pa. Zacharie le Rheteur, in Rev. de l’Or. Chret.
- 461—480); Joh. Eph. = Johannes von Ephejus, monophyjitiiher Bischof,
En. B5IX, 301F.), — zwar: Joh. Eph. Comm. = Joannis Episcopi ;;
jophysitae Uommentarii de Beatis Orientalibus (Lebensgefdichten und
jen u. Biſchöfen) Latine verterunt W. J.van Douwen et J.P.N. Land,
1202. Joh. Eph. Fragm. = Joannis Episec. Eph. Syr. Mon. Historiae
* zmenta, ibid. —— ‚Joh. Eph. KG. = Die Lirchengeſchichte des
r Ept Eph. Aus —* se überi, von J. M. Schönfelbder, Winden 1962, und Joh. 60
eg. Mau, Analyse de la seconde partie in@dite le l’Histoire Ecel6siastique de
sie, IN Rer. de l’Örient Chretien 2, 1807, 457- -493; Jos, Styl. = Joſua Stylites,
il, geidjrieben 507, citiert nach: W. Wright, The Chronicl- of Joshua le Stylite (Text
mai. Ueberf.), Cambr. 1882; Mich. Ayr. — Chronique de Michel de Grand, Pa-
we des Syriens Jacobites, traduite ... . sur Ia version armdnienne du prötre Ischok 6;
‚ Langlois, Ven. 1868. d. Arabiſch: Eut. = Contextio Gemmarum sive Eutychii
wchae Alexandrini (ſ. d. A. Bd V, 647) ‚Annales, citiert nad) MS 111 (bier die
Monophyfiten 373
IS
rt
7
w
374 Monophyſiten
Seitenzahlen der Ausgabe von Pocode, Oxon. 1658). 4. Sonſtiges (alphabetiſch): Cyr.
Scyth. = Cyrillus von Scythopolis in Galiläa (Mönch zuerjt im Klofter des Euthymius, dann des
Sabas, geit. nach 557), und zwar: Cyr. Scyth. Euth.= Bios xai zodıreia tod daior narpos nur
Erdrulor, in J. B. Cotelerius, Ecclesiae Graecae Monumenta 2, Par. 1681, 200—340, und
5 Cyr. Scyth. Sab. = Bios roũ dalor zaroos numr Faßa, ibid. 3, 1686, 220— 376; Leont. =
Leontiug, unter Sujtinian (ſ. d.A. Bd XI, 394—398), und zwar: Leont. Monoph. = contra
Monophyeitas, in MSG 86, 2, 1769—1902, und Leont. t. — de Sectis, ebd. 86, 1,
1193—1268; Blerophorien = %. Nau, Les Plerophoriees de Jean, Evöque de Maiouma
(aus dem Eyrifhen überj.), in Rev. de l’Or. Chret. 3, 1898, 232—259. 337—392, eine
iv Sammlung von Ausſprüchen (Prophezeiungen, Gejidhten, Offenbarungen) verjchiedener mono:
phyſitiſcher Größen, in eriter Linie Petrus des Iberers, aus der Kampfzeit nad) Ehalcedon,
um 515 entitanden; Suidas = Suidae Lexicon, citiert nad) Bernhardys Ausgabe, Halle u.
Braunſchweig 1843; Tim. Presb. = Timotheus Presbyter, um 600, zeoi T@y ro00e0zousror
75 ayia &xaimoia, gewöhnlid citiert als de receptione haereticorum, Kegerlatalog mit geſchicht⸗
15 lihen Notizen, had MSG 86, 1, 11—74 (hier die Seitenzahlen der Ausgabe von Eotelerius
ſ. v. ©. 374,4) 3, 377—420 eingetragen); Vit. Petr. — Lebensbeihreibung Petrus des
erers, verfaßt von einem zeitgenöſſiſchen Anonymus, citiert nah: R. Raabe, Betrus der
Iberer, Leipzig 1895 (Tert und Ueberſetzung).
Litteratur: (dev lleberfichtlichkeit wegen alphabetifch geurdnet; die 2. zur Lebens:
0 gedichte u. f. w. der einzelnen monophyjitiihen Theologen iſt nicht aufgeführt; ſ. d.
etr. Nrtilel): J. ©. Aſſemani, Bibliotheca Orientalis Clementino-Vaticana, Tom. 1,
Rom. 1719; 2, 1721 «(bier die wertvolle Dissertatio de Monophysitis); C. 3. Ball,
A. Monophysites in DcehrB 3, 1882, 308--320; W. Barth, Kaifer Zeno, Bajel 1894;
3. Basnage, Dissert. de Eutychianis variisque Eutychianorum sectie, in Thesaurus
25 monumentorum ccel. et hist. sive Caniaii lectionarium antiqu. I, Amstelod. 1725,
cap. 3, 238qq.; %. C. Baur, Die chrijtl. Lehre von d. Dreieinigfeit 2, Tüb. 1842, 37—96;
&% 3. Bury, A History of the Later Roman Empire, 2 Voll., Lond. 1889; H. %. Glinton,
Fasti Romani, Vol. 1, Oxf. 1845; %. Diekamp, Die origeniftiihen Streitigkeiten und das
5. öfuntenifche Konzil, Münjter 1899; J. A. Torner, Entwidelungsgeihichte der Lehre von
30 der Perſon Chriſti? 2, Berlin 1853, 150--193;, X. Freund, Beiträge zur antiochenijchen
und zur konſtantinopolitaniſchen Stadtdjronit, Jena 1882; H. Gelzer, Joſua Stylites und
die damaligen kirchlichen Parteien des Dftens, in Byzant. Zeitlär. 1, 1892, 34-49;
derf., Abriß der byzantiniſchen Saifergefchichte, in K. Krumbachers Geſchichte der byzant.
Ritteratur?, München 1897; Edw. Gibbon, The Decline and Fall of the Roman -
35 pire, Chapt. 47, Lond. 1788 (neue Ausgabe von J. 8. Yury, Vol. 4, ebenbaf. 1898):
% 6. X. Giefeler, Commentatio, qua Monophysitarum veterum variae de Christi persona
opiniones ... illustrantur, 2 Tfe., Göttingen 1885. 38; 4. v. Gutihmid, Verzeichnis der
Patriarchen von Nlerandrien, in Kleine Schriften 2, Leipzig 1890, 395—525 (= Gut
ſchmid); A. Harnad?, Lehrbuch der Dogmengeſchichte, 2, Freib. u. Leipz. 1894, 376—399;
#6. J. v. Hefele, Gonciliengejhichte?, 2, Freib. 1875; derſ., N. Monophpfiten, in RE,
8, 1893, 1781—97; 9. ©. Kleyn, Bijdrage tot de Kerkgeschiedenis van het Oosten
durende de zesde eeuw, Utrecht 1891; derf., Het leven van Johannes van Tella door
Elias, Zeiden 1882, ©. Krüger, Monophyjitiihe Streitigkeiten im Zuſammenhange mit der
Reichspolitik, Leipzig 1884 (= Krüger); 3. P. N. Land, Zohannes, Biſchof von heſus,
10 Leyden 1856; 9. Langen, Geſchichte der römiſchen Kirche von Leo I. bis Nikolaus I.
Bonn 1885; Lebean, Histoire du Bas-Enpire, @d. Saint-Martin, 7.—9. Bd, Par. 1827, 28;
M. Le Quien, Oriens Christianus, 3 Tum., Par. 1762---65; F. Loofs, Leontius von Byzanz,
in ZU 3, 1. u. 2. Heft, Leipz. 1888: L. v. Ranke, Weltgeih. 4. Bd, ebd. 1883; E. Renaudot,
Historia Patriarcharum Alexandrinorun Jacobitarum a D. Marco usque ad finem saec.
#0 XIII cum catalogo sequentium patriarcharum et collectaneis historicis ad ultima tempora
speetantibus, Paris. 1713: G. A. Roje, Kaijer Nnaftafius L, 1. Die äußere Bolitit des
Ntailers, Halle 1882. 2. Die byzantiniſche Kirchenpolitik unter Kailer Anaſtaſius I, Wohlau
1888; G. Schnürer, Die politische Stellung des Papjttums zur Zeit Theoderichs d. Gr. in
HJ. 9, 1885, 251 283. 10, 1880, 258—301; ©. Le Nain de Tillemont, Me&moires pour
»sservir & l’histoire ecelösiastique des six premiers siteles, Tom. 15 und 16, Venise 1732;
derj., Histoire des Empereurs, Tom. 6, Venise 1739 (nur bis Anajtafiuß); Chr. ®. Frz
Walch, Entw. einer vollft. Hiſtorie der Kezereyen u. j.w., 6. bis 8. Bd, Leipzig 1773—78
(wertvollite Materialienfammlung); W. Wright, A short: History of Syriac Literature, Zonb.
1804; derſ., Catalogue of Syriac Manuseripts in the British Museum, 3 Tie., London
mw 1870 72. Nah Abſchluß diefes A. iit die Studie von O. Baumſtark, Die Evangelienexegefe
der ſyriſchen Monophyſiten, im OÖriens Christianus 2, Rom 1902, 151-169. 358—389,
erſchienen.
Ju meinem Bedauern lieg ſich das, was man die Kulturgeſchichte des Monophyſitis⸗
mus nennen könnte, im Rahmen eines Artikels nicht darſtellen. Quellen wie die Schriften
35 Cyrills von Seythopolis oder die Plerophorien oder die Vita des Iberers, die Historia
Miscellanea u. a. bieten ſür dieſes intereſſante Thema Material genug, deſſen Reize aber nur
bei einer individualijierenden Tarjtellung zur Geltung kommen fünnen.
Monvphyfiten 375
Bejondere Schwierigkeiten machen die Hronologijdhen Anſätze. Man bat fih zu jehr
daran gewöhnt, Gutſchmids Arbeit (ſ. o. ©. 374,37) ſozuſagen als kanoniſch anzufehen, während
die von ihm gefundenen Daten vft nicht nur unficher jind, fondern an den gejamten Quellen:
material gemejjen als falfch erjcheinen. Wenn auc die Patriarchenfolgen nad) wie vor als
das eigentliche chronologiſche Gerüft anzufehen jind, jo hat es fich doch gerächt, dag Gutſchmid
zu einfeitig die alerandrinifchen Patriarchen, nicht auc) die Inhaber der anderen großen Stühle
ind Auge gefaßt hat. Der beſſeren Weberfichtlichfeit halber ſetze ich die Amtsjahre der orien⸗
talifhen Patriarchen unjeres Zeitraums nad) den Ergebniffen meiner Unterfuhungen bier
ein. Ueber die Sabre der Päpſte unterrichtet die von Funk im KL9, 1438 ff. (danach Mirbt,
Quellen zur Geſchichte des Bapfttuns?, Tübingen u. Leipzig 1901, 449) aufgeftellte Liſte.
Batriarhen: Konftantinopel: Anatoliud Aug. (Sept.?) 449 big 3. Juli 458; Gen:
nadius bis Sept. (?) 471; Akacius bis Ende(?) 489; Fravitad big Frühjahr 490; Euphemius
bis wahrſcheinlich Sommer 496; Macedonius II. bis 7. “ug 511; Timotheus I. bis 5.(?) April
518; Johannes II. Kappadox 17. April 518 bis Febr. 520; Epiphanius 25. Febr. 520 bis
5. Suni 535 (nit 536); Anthimus bis März 535; Mennas 13. März; 535 bis Auguft 552;
Eutychius bis 22. San. (nicht 12. April) 565; Johannes III. Scholaſtikus bis wahrjcheinlid)
31. us 577; Eutydhius bis 12. April 582; Johannes Sejunator biß 2. Sept. 595.
Nlerandrien (bei Abweichungen von v. Gutſchmid find defien Zahlen in Klammern
beigelegt): Proteriud Nov. 451 bis wahrjheinlicd 28. März 457; Timotheus, Alurus bis
Anfang 460; Timotheus Salophakiolus Xuni 460 bis Nov. 475; Timotheus Alurus it. biß o
31. Zuli 477, Betrus III. Mongus bis 4. Sept. 477; Timotheus Sal. it. bis wahrſcheinlich
Zuni 482; Zohannes I. Tabennejiotes bis Ende 482; Petrus Mongus it.bis Mai 490 (29. Ott.
489); Athanaſius II. Mai 490 (Herbit 489) bis 17. Sept. 496; Johannes II. Hemula 496 big
29. April 505; Sohannes III. Nitivtes bis 22. Mai 515 (516); Dioskur II. big 14. Dt.
517 (518); Timotheus IV. bis 8. Febr. 535 (536); Theodofius I. 10. bis 11. (Febr. 535 (536);
Gajanus 10. (fo!) Febr. bis 23. Mai 535 (536): Theodojiug I. it. Juli 535 (536) bis wahr:
5
N
=
25
ſcheinlich 537/38 (San. 540); Paulus 539? (541) bis ſpäteſtens Oftern 542 (543); Zoilus -
bi3 551 (550); Apollinariog 551 (550) bis 569; Petrus IV. 576 big 19. Sanuar 578;
Tamianus Zuli 578 bis 12. Juni 605.
Antiohien: Marimus 449 bis früheſtens März 455 (?); Bafılius 4156 (?) bi 458; Ata-
cius 458 bis 459 (?); Martyrius 460 (?) bis 168 (? 470); Petrus Fullo 468 (? 470) big 471;
ulianug 471 bis 475j6; Betrug Fullo it. 475/6 bis 476j7 (? 477/8); Johannes 477 (? 478);
tephbanus 478 (?) 6i8 481 (?); Kalandion 481/2 big 185; Petrus Fullo tert. 485 big 488 (?);
Palladius 488 (?) bis 498; Flavian 498 (499?) bis 512; Severud 6. Nov. 512 bis 29. (?) Sept.
30
518; Baufus II. Ende Mai 519 bis 1. Mai 521; Euphrajius 521 bie 29. Mai 526; Ephräm ss
526 bis 545; Domnus III. 545 bis 559.
Serufalem (nad Dielamp): Juvenal 422 bi 458; Anaſtaſius Anfang Juli 458 bis
Anfang Jan. 478; Martyrius 478 bis 13. April 486; Salluftiuß April 486 bis 23. Juli 494;
Elias 494 bis Aug. 516; Johannes 1. (3.) Sept. 516 bis 20. April 524; Petrus 524 bis
Anfang Oft. 532, Makarius Ott. bis Dez. 552; Euftohiuß Dez. 552 bis 563 (564); Mala:
rius it 563 (564?) bis ca. 575.
Ueberfidht: 1. Bon Ehalcedon big zum Erlaß des Henotifond. 2. Big zum Bruce mit
Rom. 3. Bis zum zeitweiligen Siege des Monophyjitismus unter Anaſtaſius J. 4. Bis zur
Befeitigung des Schismas mit Rom und zur Monvphyfitenverfolgung unter SuftinI. 5. Big
pum Zode Juſtinians I. 6. Bis zum Ausgang des 6. Zahrhunderts. 7. Zur Theologie
Monophyſitismus.
1. Bon Chalcedon bis zum Erlaß des Henotikons. Am 25. Oktober 451
war zu Chalcedon in Gegenwart des Kaiſers Marcian und der Kaiſerin Pulcheria das
neue Glaubensgeſetz verkündigt worden, demzufolge man künftig, den Vätern folgend, in
( hriſtus zu bekennen hatte „einen und denſelben Herrn, vollkommenen Gott und voll:
lommenen Menfchen, . . gleich weſentlich dem Water nach der Gottheit, gleich weſentlich
und (duoovaov Huiv) nach der Menjchheit . ., in zwei Naturen (&» dVo groeomw, im
duabus naturis) unvermifcht, unwandelbar, unzerreigbar, untrennbar gegenwärtig; fo
zwar, daß der Unterjchied beider Naturen infolge der Einigung feinesivegs aufgehoben,
vielmehr die Eigenart beider Naturen bewahrt werde und beide fich zu einer Perſon und
einer Seinsweiſe vereinigten” (ſ. o. Bd V,646). Die Politiker wiegten fih in der Hoff:
nung, daß durch ihre kluge Entſcheidung der Slaubensftreit begraben fein werde. Das
kaiſerliche Edikt vom 7. Februar 452, von Marcian in Genwinfchaft mit Valentinian IIL
erlaffen (Mansi 7,475— 478; vgl. auch Marcians Edift vom 13. März, ebd. 177--.180),
verhängte über alle, die fürderbin in der Uffentlichleit Slaubensfragen diskutieren würden,
firenge Strafen: Kleriker follen der geiftlichen, Offiziere der militäriſchen Ebren verluftig
eben, die übrigen gerichtlich belangt werden. In unmittelbarer Nähe des Hofes mochte
oldye Abjchredungstbeorie ihre Wirkung thun. Aber der faiferliche Arm war nicht lang
genug, um ihr überall zum Erfolge zu verbelfen,
40
40
50
65
60
ti Monophyfiten
In ven eiſten Jahren nach Sbalcedon iſt die Mufregung über Die Synode in den
Rrevinzen ve Neicbo gewaltig geweſen. Beſonders Die Borgänge in Paläftina und Agypten
ar Blut ZFeugnis ab. In Paläſtina war eine regelrechte Revolution unter den fana—
alt Monchen Die unmittelbare Folge (vgl. zum Folgenden Zach. 3,3—9; Vit. Petr.
lb op oa:n, Exrill. Seyth. Euth. BR Ev. 2, 9). Den Bifhof Juvenalis von
\rreleiynto ad BON, 650 8, Bet. Gih, ti2, 10), Der fih auf der Spnode von Epheſus
it ale WBalkraötigen Partciganger T \ Tirskurs gezeigt hatte, beivog zu Chalcedon die Ansit
ver der ſonh zu erwartenden Schmalerung teiner kirchlichen Machtitellung, nicht nur den
Aberandriner und deſſen Schutzling Eutvches fallen su laffen, ſondern auch der Glaubens:
rn. zuzüitenmen, an Deren endaulriger Wedaftion er jelbjt beteiligt war (Mansi 7,
u Det. areenn obie force br Das Vertrauen der in Paläſtina beſonders
wuliiwaben un geifiäseeichen More In den Plerophborien (ſ. 0. S.374, 8) lieft man
ich site WURPiası * Neck Tyetbeſ:and illuſtrieren (Nr. 16. 17. 18. 20. 56), und
die —J wur br von zezenum ebe Juvenal ven Chalcedon zurückgekommen mar.
US st ya — ——— 22 Nun Beichlüffen der Synode feithalten zu wollen
Atas anne “ Bi Verien des daurtradelstübrers, Des Möndhes Theodoſius,
UGS AL BSTENIT Auen nur zeam Vezenbichof, Dem Juvenalis weichen mußte.
De viwrmez Nahe Beh NERIEEBe F man vertrieb die Orthodoxen und ſetzte
Ya Ni ννανα νν, . Zoe veder 8 nicht obne Blutvergießen abging (Oyr.
Syarh uth: Dune WUSTEAn nike unzer Melen mar Petrus der Iberer, ber,
a8 einer „Doom Jar ang Verwalter Des taijerlichen Marftalle,
Paso nm Ne ri od en Rihrer son Majuma ıIala oös Üddarrav;
ah: Da oo Insptetie BE und 7, 28, 4) gemacht wurde. Eine
Ra Nato Nast Da um gm der iu \eruialem lebenden Kaiſerin-Witwe
Na AND in NR Sviogam Valäſtina, Die Städter ſowohl wie
. SEGEN N IN ia. ti SURSRRTUR vorden ſeien. Juvenalis var nach Kon:
Ware nei ot. Mio, u uchen. Marcian, Die Bedeutung der Un-
Na naeh Dort. hart ter Dur Üdrfte su tteuern (Manfi7,4183— 196).
EN IaNUL DE BE BE Br RE TR: a Maßregeln. Der Komes Dorotheus
N ae Daum.a INuNtohan SSH wtandt; Juvenal begleitete ‚den
En Be 0. 8b m moon Seinen De Zuche gütlich beizulegen,
Re * d. & NE Fer runden Mönde wurden zufammen:
nn ... 2 Tertrne der ipater ergriffen und längere
\ .eerefoeh rennen wurde, bis er, unter Leo I.
* = = - Zebr mer Roritadt von Konſtan⸗
NN mer nee: - ‚se. p. 257--260; Zach. 2,9 be
Ä m “2 zermehm zur Verwendung ber Gubocia,
on Alm, md ranatiiche Namofe ausgefüllten Zeit. Jahr:
oNyooxccy mg sur Hubr arlangt, und zuch Ipüter baben die immer
No fanbinstampr u feiner Zerrutung weſentlich beigetragen.
a Don. Run 1: einen haurtachlich Die minder befigenden
ae DAS NT JM hielt an Tieskur trotz feiner Abſetzung feit.
>». obiles eivitatis, ſaat Liber. 11 p. tele -- mäblte zu feinem
.. terre. über deiſen Bisherige Stellung im Klerus die Angaben
Ko te ımd ‚Joh. Nik. 241 bezeichnen ibn als Archipresbster,
| sr. Eut. p. 1051 als Ardirtafon), Der aber jedenfalld dem Dioshur
m Hund nabhe geſtanden hatte und erit nach der Entſcheidung zur Gegen
a. vn Von der Beborde unteritützt, bat er weder Güterkonfiskationen
a agent, Die Widerſtrebenden zu ſeiner Anerkennung zu zwingen.
abe und grobe Ereeſſe waren Die Folge. Ein kaiſerliches Edikt vom
ed. dust. l, 5, 8; zur Tatterung vgl. Krüger 75 N. 2) muß in den
vo 2..alt negen diejenigen vorgeben, Div an den eutpebianifchen Irrlebren troß
| mil 7 ne te Meamdrien. Die Kaiſerin⸗Witwe
om Inn Ire,® ter Nee Sn Abt Euthymius, eine ein⸗
d ν : * wieder eines Befferen belebrt
on. 2 reohmi Gyr. Sextt Euth. SS. 987) Es dauerte
SR ner nannte "erläufig ein Ende gemadıt
ne dm, nn om Manpien zur Die Die gejchilderten Nor:
22er ar Jaren und bössnders für Nlerandrien bedeutet
Rehrhe ß
i 7, 869) und "fh den Namen des Proterius aus —* —— um
— nd t ee dafür einzufegen. Die von Timotbeus vertriebenen Bifchöfe 10
toten fich n * —— 4 in und an den Kaiſer Leo (val. ibre ausführliche Ein-
Mansi 52 ee — —
ung —— fimmen e er des Timotheus teten eine
t an be Kaiſer Br 7, 536f.), und Timotheus ſelbſt fandte einen (nicht er-
—— bätt erivaten follen, daß dieſe revolutionären Vorgänge von Konftantinopel
bre Ahn 3, gefunden bätten. In der That ordnete der Kaifer jtrenge Unter:
des Proterius an und ließ die dabei Beteiligten bart be—
—* Timo eus ging er, offenbar unter dem Einfluß der den Mono-
ten Strömung bei Hofe und troß wiederholter Aufforderung des so
149. 150. 152 vom 1. Sept. 457), nicht gleih vor. Zuerſt
ode zu berufen, bei der er auf die Anweſenheit des Papſtes
; vgl. Leo Ep. 156 vom 1. Dez. 457). Diejen ‘Plan vedete ihm
aus, der für die Durd den 28. Kanon von Chalcedon errungene Machtitellung
bles f A en mochte (jo Zach. 1.c.), und legte dem Haifer den Gedanten nahe, 55
des Neiches Gutachten über die Synode von Chalcedon und die '
er | des Timotbeus auf den alerandrinijchen Stubl einzufordern
Er iref an I den Kaiſer Mansi 7, 537). So erging, wabrfebeinlih im Of
tril EP Eu, ein ‚taiferlices NRundſchreiben (in der für Anatolius be:
ei Ev. 2, 9; Mansi 7, 521f, val. au 7957, am letzterer a
4
378 Monophufiten
Stelle lateiniſch und griechifch), dem die Eingaben fowohl der orthodoren ägyptiſchen Bi:
ſchöfe ale auch der Anhänger des Timotbeus beigegeben waren. Wie zu erivarten ftant,
fielen die Antiworten (teilweiſe erhalten, gefammelt bei Mansi 7, 537—627) gegen Time:
theus aus, wenn auch gelegentlich deutlich durchblickt (vgl. den Brief der Bifchöfe von
Pamphylia secunda 7, 573--576), tie wenig warın die Herzen für die chalcedonenfilce
Lehre ſchlugen. Nur ein Bilchof, Ampbilochius von Side, wagte ed zu betonen (vgl.
Zach. 4, 7; Ev. 2, 10; das Schreiben felbjt iſt nicht erhalten, nur ein Sätzchen
beit Leont. Monoph. MSG 86, 2, 1841), daß Ghalcedon zu dem Symbolum der
318 Väter von Nicäa verderbliche Neuerungen binzugefügt babe; für den Timotheus
wollte auch er nicht eintreten. Papſt Yeo antwortete am 17. Auguft 458 in einem langen
Brief (Ep. 165), den man füglih mit feinem berühmten Tomus in Parallele ſtellen
fann. Tiefen Brief, den wir auch griechifch befigen, wird der Kater dein Timotbeus
zugelandt baben (Zach. 4, 5 p. 28, 10; Ev. 2, 10), der fih Dagegen in längerem
Schreiben verteidigte (Zach. 1,6; ein Sa des griechifchen Originals in Patr. Doctr. ed.
1» Mai Nov. Coll. 7, 1, 35b).
Mittlerweile war Anatolius, der gefchidte Mettermacder, am 3. Juli 458 geftorben
und der gelebrte (vgl. Gennadius, vir. ill. 90) Gennadius, ein überzeugter An:
bänger des Sombols von Chalcedon, ibm gefolgt. Er betrieb die Verbannung des
Timotbeus nad Kräften, aber Aspar widerjtrebte (Theoph. 112, 4), und es verging
noch Das ganze Jahr 459, che es zur Rataftropbe kam. Nach heftigen Rämpfen murde
Timotbeus zu Anfang des Jahres 460 aus der Stadt entfernt und über Konjtantinopel
(vgl. Leo Ep. 170 vom 17. Juni 460) zuerft nach Gangra, dann nad Cherſon verbradt
(Zach. 4, 9). An feine Stelle trat Timotbeus, deſſen Beiname Salopbatiolus
(d. b. Wadelbut; Ev. 2, 11 weiß noch von einem zweiten Beinamen Baotıxds, der
> als das frübejte Beiſpiel der fpäter üblichen Bezeichnung Melchiten = Königliche Kaiſer⸗
liche] für die Anbänger der chalcedonenfifchen Synode von Yale ijt), bereits die Meichbeit
des Charakters andeutet, die ibn zwifchen den Parteien, freilich ohne Ausficht auf Erfolg,
vermitteln bieß. Zelbit die Gegner (vgl. Zach. 4, 10) wiſſen Lobenswertes von ibm zu
fagen, den ‚Freunden war er zu ſanft und nadıgiebig (Liber. 16 p. 10208q.), das aleran:
drinische Volt aber war zufrieden: vel sinon tibi communicamus, tamen amamus
te (Liber. 1. c.). Der verbannte Timotbeus blieb nicht müſſig. Cod. Mus. Britt. Addit.
12156 (vol. Wrigbt, Catal. 639- -648) entbält eine Kompilation aus Abhandlungen,
Briefen und Auszügen verfchiedener Autoren gegen das Konzil und die Dyophyſiten, die, da
die wichtigften Dokumente von Timotheus berrübren, den Titel: „Buch des Timotbeug gegen
5 das Konzil von Chalcedon“ führt. Darunter find auch zwei Briefe, die gegen die ägyp⸗
tiſchen Eutychianer gerichtet find und mit Nachdrud auf deren Ausfchluß aus der Kirden
pemeinjchaft dringen. Sie finden fihb auch bei Zacharias (4, 12) und find befonders
geeignet, Die dogmatiſche Stellung des Timotbeus (ſ. o. S. 377,23) zu beleuchten.
Auch in Antiodien it co im Diefer Zeit zu Unruben gelommen. Unter dem
»Schutze des kaiſerlichen Schwiegerfohns, Des Generals Zeno, trat bier Petrus Fullo
(yragens, d. h. Walken, Presbyter aus Chalceden, gegen die ſynoditiſche Xebre auf,
eiferte für den Satz orte dens Loravondm und den Zuſatz im Trisbagion (ſ. d. A. und
den A. Theopaſchiten) ñ oraromdeis ÖU' Auäs und verbrängte den durch dieje Bewegungen
eingeldüchterten Biſchof Marwrius, der fi vergeblih nach Konſtantinopel mandte und
s ſchließlich auf ſein Bistum verzichtete. Much Des Petrus Epiflopat war freilich nicht von
langer Dauer; von jenem Patriarchen Gennadius beraten, ordnete Leo die Abfegung des
Petrus an (Theod. Lect. 1, 20 22). Wann diefe Vorgänge fich abjpielten ift uns
jicher. Wermutlich bedeutet Der an Zeno gerichtete Erlaß Kaifer Yeos vom 1. Juni 471
(Cod. Justin. I, 3, 29), Durch Den mit Hinweis auf Die Unruhen in Antiochten den
München das Verlaſſen ihrer Nlöfter, den Beiftlichen das Erregen von gefährlichen Stim-
mungen im der Menge verboten wurde, den Abſchluß. Daß fich aber, wie Barth (11R.4)
behauptet, Die ganze Affäre im Jahre 171 abgeſpielt babe, iſt unwabrſcheinlich.
Inzwiſchen hatten ſich am Hofe einſchneidende Veränderungen vollzogen. Den ger
maniſchen Einfluß löſte Der iſauriſche ab: der bisher allmächtige Aspar mußte Zeno,
dem verſchlagenen Kommandanten der Leibwache (ſein eigentlicher Name war Taraftlopiik,
und er war umgetauft worden, als man ibm Die Prinzeſſin Ariadne vermählte), weichen.
Ein letzter Verſuch, Die verlorene Machtitellung wieder zu gewinnen, endete mit Aspard
Grmordung (HD. Die den Barbaren Zeno ungünſtige Stimmung der arijtofratifchen
Kreiſe ließ nun freilich nicht zu, Daß der alternde Yeo ibn kurzer Hand zu feinen Nad-
so folger machte. So wurde der wohl erſt fiebenjäbrige (Mal. 376) Entel im Oktober 473
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Da: Lam sill de 4. m. .
Monophufiten 379
zum Mitregenten erboben und nad) feines Großvaters Tode (3. Februar 174) ald Leo IL
Kaifer. Wenige Tage darauf ließ ſich Zeno durch den Anaben vermittelft einer geſchickt
in Szene gejeßten Komödie die Krone reihen. Zu früh für feine Abftichten — der jpäter
auftauchende Verdacht, Zeno ſei am Tode des Kaiſers ſchuld, ift falſch — ſtarb Leo, No:
vember 474. Hofintriguen und der Abfall eines der fähigiten Vertrauten Zenos, des 5
Generals Illus, hatten zur Folge, daß ein Schwager des alten Leo, Baſiliskus, die
Gewalt an ſich riß. Zeno verließ Konftantinopel im Januar 475 (Joh. Ant. 210, Müller
4,118 &ydrp wis Önareias quéoq, alfo nicht im November, wie gewöhnlich angenommen
wird; zur Datierung vgl. Barth 27 N. 2 und 39 N. 1) und flob nach Iſaurien. In
der Umgebung des Ufurpatord aber erjcheint nunmehr als einflußreichite Perſönlichkeit 10
Timotheus Alurus, den Baſiliskus, wie es fcheint auf Anregung feines Magifters Theoftift,
eines Alerandriners, zu fich gerufen hatte (Zach. 5, 1 p. 59, 22). Trotz des Mider:
ſtrebens des hauptftädtifchen Batriarchen Alacius, der im September (2) 471 (anorg
Zrivwvos, fagt Suidas s. v.) dem Gennadius gefolgt mar, mußten Timotheus un
feine Anhänger dem Bafilisfus cin Nundfchreiben abzugewinnen (Ev. 3, 4 nad) Zach. 15
5, 2, deſſen Tert in der ſyriſchen Überfegung verderbt iſt; Verfaſſer des an Timotheus
gerichteten Erlaſſes war nad) Zach. der alerandrinische Sophift Paulus), durch das Leos
ehrbrief und das chalcedonenfifhe Symbol mit dem Anatbem belegt und die Anhänger
ber ketzeriſchen Lehre mit den ftrengften Strafen bedroht wurden. Die Charakterlofigkeit
der orientaliſchen Bifchöfe erwies fi darın, daß 500 (fo Ev. 3, 5 nad Zach.; der 20
Syrer bat 700) dem Rundfchreiben zuftimnten, nachdem fie oder ihre Vorgänger erjt vor
wenigen Jahren das Gegenteil gutgeheißen hatten (ſ. vo. ©. 378,3). Timotheus, dem die
monophyſitiſchen —2 es übrigens verdachten, daß auch der Doketismus in der
Encyklika ausdrücklich verdammt war (ſ. Zach. 5, 5 p. 64, 20ff.), kehrte nunmehr nad)
Alerandrien zurüd, wo Timotheus Salophakiolus auf kaiſerlichen Befehl bereits befeitigt 26
war und wo der alte Patriarch (nad) Zach. 5, 4) vom Volke enthufiaftifch begrüßt
wurde. Auf dem Wege meibte er, indem er den Oberbiſchof berausfehrte (Zach. 5, 4
. 65, 21—25 fagt: „Under gab ihm [dem Paulus] in fanonifcher Weiſe die Gerecht:
me ſeines Stuhles zurüd, welche die Verſammlung von Chalcedon ihn geraubt und aus
ESchmeichelei dem Stuble der Reſidenz gegeben hatte”), in Ephefus eine feiner Kreaturen, w
den Paulus, zum Biſchof und präfidierte einer Eynode, die an den Kaiſer einen feier:
lihen Mahnbrief erließ, ja feine Zufäge und Änderungen zu machen und den Afacius
als einen der Hauptitadt unwürdigen Biſchof zu bejeitigen (Zach. 5,3; aber der fyrifche
Text ift verderbt, und die Bruchſtücke bei Ev. 3, 5 enthalten wichtige Cinzelbeiten, die
im Sprer fehlen). 35
Der Brief war das Erzeugnis berechtigter Beforgnis: denn fchon war des Timo:
tbeus Stern wieder im Sinken. Zwar waren außer Ephefus auch Antiochien und Je—
rufalem zur Zeit monophyſitiſch bejegt: nach Antiochien war Petrus der Walker, der ſich
im Klofter der Aloimeten (f. d. A. Bd I ©. 282) zu Konftantinopel verborgen gehalten
batte (Theod. Lect. 1, 30 p. 189; wenn diefer Aufenthalt freiwillig war, ift die That= 40
ſache angeſichts der zweifelloſen und oft bethätigten ſſ. u. &.382,58. 383, 1»] orthodoren
— dieſer Dönde auffallend), wohl um die Jahreswende zurüdgerufen worden, und
— 82 von Jeruſalem unterſchrieb nicht nur die Encyklika, ſondern war aktiv im
monophyſitiſchen Intereſſe und gegen Akacius thätig (Zach. 5, 5 p. 67, 30; vgl. auch
p. 68, 19 ff.). Dieſer aber war nicht zu bewegen geweſen, der Enchyklika beizutreten 46
(Zach. 5, 1 p. 60, 26), und der thatkräftige Mann, der feine eigene Stellung bedroht
ſah (daß er I nicht aus Liebe zur Orthodoxie mwiderfegte, läßt Theoph. p. 122, 23
durhbliden), ſetzte nunmehr alles daran, die Hauptſtadt gegen den Ujurpator aufzureizen
(Zach. 5, 5). Die Stimmung der Menge und des Klerus kam ibm dabei entgegen;
eine große Firchliche Demonftration wurde veranftaltet; fogar der Stylit Daniel kam von so
ſeiner Säule berunter, um für den orthodoxen (Slauben einzutreten (Theod. Leect. 1,32.
33 p. 182; Zach. 1. c.). Bafilisfus mußte die Stadt verlaffen; der gut unterrichtete
und den ihn bebrängenden Heerführern gegenüber mit dem Geld nicht fparfame (Mal.
379) Zeno näherte N Konftantinopel. Ein letztes Mittel, der Widerruf der Encyklika
ieſes dyreyxuxdıov findet jih Ev. 3, 7, während Zach. [duradiöäs, parteiiſch, thV 56
öl npayıarelav ovy odyas, wie Ev. bier mit Necht jagt] fie weggelaſſen bat), ver-
fing nit mehr. Im — oder September 176 - alſo nicht 177; er war 20 Mo—
hate abweſend (Proc. Bell. Vand. I, 7 p. 17,19; Viet. Tunn. p. 189,9; ſ. oben
©. 379,7) — kehrte Zeno in die Hauptjtadt zurüd. Die Negierungsbandlungen feines
Borgängers feste er in einem Edikt außer Kraft (Cod. Justin. I, 2, 16 vom 17. Dee
N
zu
7
380 Monophyfiten
zember 176), in welchem auch Die kirchliche Prärogative des Patriarchen der Haupiſtadt
auf das Nachdrüdlichite eingefchärft wird. Die aſiatiſchen Biichöfe hatten nichts Eiligeres
zu tbun, als in einem de und wehmütigen Schreiben an Akacius ihre Zuſtimmung zur
Eneyklika des nunmehr Enttbronten als erzwungen zurückzunehmen (Ev. 3, 9). Baſi⸗
livkus aber, in einem kappadoziſchen Kaſtell gefangen gehalten, iſt elend umgefommen.
Papſt Simpliciue (3. Marz 468--10. [7] März 183), Leos zweiter Nachfolger
(Hilarius ſ. Bd VIII S.67,:32fF.] bat ſich in die Angelegenheiten des Oſtens nicht em:
gemiſcht) hatte, von den dribodoren Mönchen in Konſtantinopel, die immer mit dem päpft:
lichen Ztuble Fühlung bielten, unterrichtet, noch an Balilisfus (Ep. 3 p. 179 vom
10. Jan. 1765 daß Diefer Brief an B., nicht an Zeno gerichtet it, ſteht aus fachlichen
und bandjchriftlichen Gründen feit, val. ‚Krüger 12 N. 2, Bartb 40 N. 1) die Auffor:
derung gerichtet, den Hauptunrubeſtifter im Oſten, Timeikeus lurus, Mu befeitigen. Auch
in feinem Glüdwunfchjchreiben an Zeno (Ep. 6 p. 186sq. vom 9. Cftober [476, nicht
177; 1. Bartb 92 N. 3 und vol. unten das Todesdatum des Timotbeus) kommt er
neben der Forderung ftrengen ‚yeitbaltens am Chalcedonenfe darauf zurüd (!. _aud Ep.
p. 18984. an Akazius). Turd feinen am 31. Juli 477 m. Gutſchmid S 453)er⸗
folgten Tod (der angebliche Selbſtmord Liber. 16] iſt bloßes Geſchwätz) entging Der
—— weiteren Maßregeln; der unmittelbar darauf eintreffende kaiſerliche Quäſtor
hatte das Verbannungsdekret in der Taſche (Vit. Petr. p. 78). Die Monopbofiten er:
boben jofort (nad Zach. 5,5 p. 68, 12 „auf kanoniſche Weiſe“; nad Gesta 7 p. 516
und 'Theoph. p. 125, 21f. unter Aſfiſtenz nur eines Biſchofs) den bisherigen Archidiakon
(Liber. 1. c.) Petrus Mongus, (d. b. Stammler; „der eine ſchwere Zunge hat“
v. Gutſchmid S. 453; lat. blaesus Liber. 1. c.), zum “Patriarchen. Die Regierung
führte Dagegen, den Proterianern (daß fie immer noch je genannt wurden, bezeugt Zach.
5,7 p. 72, 36 und 5, 9 p. 79, 2; vol. Ev. 3, 128. £.) zu liebe, Timotbeus Salopba-
fiolus unter militärischer Bedefung nach Alerandrien zurüd. Petrus mußte ihm meiden,
aber er blieb in der Stadt und bielt die Gegner in Unrube. Vergeblich beklagte fh
Timotheus bein Papſte (Gesta 8), vergeblich ichrieb Ddiefer Brief auf Brief nach Kon:
itantinopel (vgl. Simpl. Epp. 10- 17, 15 p. 196---200. 203). Timotheus, ber fein
Ende berannaben fühlte, fandte feinen Okonomen Jobannes Talaja (fo Liber.; er wird
auch der Tabennefiote genannt, da er Presbyter im Kloſter der Tabennefioten zu Kanopus
bei Alexandrien geweſen war) in die Reſidenz, um es dem Kaiſer nahe zu legen, daß au
alle „Sl nach feinem Ableben nur ein ertboderer Bifchof gewählt werde (Zach. 5, 6
Di 13, Gesta 9). Jobannes benutzte die Gelegenheit, mit Zenos maächtigem
Ntnifter Illus, der damals jeine Palaſtrevolution plante (j. Darüber und über die Unter:
drüdung Des Nomplottes Bartb 76 91), in Verbindung zu treten, um ſich jelbit die
Nachfolge zu ſichern, wußte nad Der Ruͤckkebr, den im Komplott befindlichen Exarchen von
Agypten für ich zu gewinnen, umd verfuchte, als nun Timotheus wirklich ftarb (wohl im
Juni 482 |v. Gutſchmid 2. 153]; nach Liber. 168. f. war er im ganzen 22", Jabr
Bichef geweſen [vgl. vo. =. 378,21]; Simplizius wußte am 15. Juli 482 von feinem
Tode Epp. 17. 18 p.206. 208), Die erzbiſchöfliche Würde an ſich zu reigen. Es jcheint,
daß er Damit nicht nur einer ausdrüdlichen Weiſuns des Kaiſers, ſondern dem eigenen
Verſprechen entgegenhandelte (je Zach., dem freilib nur zaghaft und im Be
wußtſein, jich einer parteitich gefärbten — gegenüber zu finden, folgt). In der
That bat Zeno fi Dem Papſte gegenüber offiziell den Anfchein gegeben (ſ. Ev. 3, 15),
als babe er Den Johannes nicht um feiner dogmatiſchen Stellung willen, fondern wegen
ſeines meineidigen Verbaltens entfernen laſſen. Jedenfalls wurde bald gegen ibn einge
jchritten, und an feiner Ztelle (Ende 482) Petru⸗ Mongus als rechtmäßiger Biſchof ein⸗
geſetzt unter der Bedingung, daß er die vom Patriarchen Akacius ausgearbeitete, zur
Schlichtung Des dogmatiſchen Zwiſtes beſtimmte Yebrformel, Die unter der Bezeichnung:
Den otikon berühmt geworden iſt, annehme und ſich mit den Proterianern vertrage
(Zach. 5. 7 p. 72, 29ffj. Ev. 5, 12.
> His zum Bruch nit Nom. Der Patriarch Akacius (1. o. S. 379,13), vor
ſeiner Wahl Borfteber Des Waiſenhauſes in Nonftantinopel (Suidas s. v.), iſt offenbar
ein begabter Politiker geweſen. Dafur ſpricht ſchon Die Thatſache, daß er in für eine
Hofbiſchof ungewöhnlich langer Amtsfübrung (171-480) die Wirren eines dreifachen
Regierungswechſels und ſtarke Schwankungen des Barometers am Hofe mit Geſchick und
Gluck zu überjteben wußte. Leo ſchätzte ihn hoch (. Suidas), Baſiliskus Lich ibn ge
wahren, Zeno verdankt dem Eugen Natgeber die Erfolge feiner kirchlichen Cinigung®
politik, In Die Stadien der Vorbereitung Des Den otitons geitatten die Quellen leider
Monophufiten 381
kaum einen Einblid. Daß aber Verhandlungen vorangegangen find, in denen Akacius fich
vornehntlich des guten Willens des Petrus Mongus, offenbar feines Kandidaten für
Alerandria und, wie er jelbft, einer politifch denfenden Perſönlichkeit, zu verfichern fuchte,
dürfte trog des Schweigens der griechiſchen Chroniſten nicht nur der Sergang bei der
Einjegung des Alerandriners, jondern auch die gefäljchte Korrefpondenz zwiſchen Akacius
und Petrus beweifen, die in irgend welcher Weile einen Briehvechfel vorausfegt (vgl.
Lettres d’Acace et de Pierre Monge, aus dem Koptifchen überjegt und als Fälfchung
nachgemiefen von E. Amélineau in Monuments pour servir à l’histoire del’Egypte
Chretienne aux IV® et V® siöcles |M&m. publi6es par les membres de la Mission
Archöologique Francaise au Caire. Tom. 4] Par. 1888, 196—228 und, XXXT ı0
bis XLVI). Die an Biichöfe, Klerus, Mönche und Volf von Wlerandria, Agypten,
Libyen und Bentapolis (ſo Ev.) gerichtete Einigungsformel (griechiſch Ev. 3, 14, lateinifch
Liber. 17, ſyriſch Zach. 5, 8 und Joh. Eph. Nau p.481, foptifch jtarf verfürzt in Cod.
Vatic. 62 überfeßt von Amelineau in Monuments pour servir etc. [j. oben] 216
bis 220; zum Text f. Krügers Anmerkung zu Zach. p. 75, 18) iſt, politifch angefehen,
ein Meifterftüd. Sie geht auf den Glauben der in Nicäa verfammelten Väter zurüd,
den die Väter zu Konftantinopel (381) beitätigt, dem auch die zu Epheſus (431) gefolgt
find. Site verwirft namentlich Neſtorius und Eutyches und nimmt die 12 gegen jenen
gerichteten Artikel Cyrills (ſ. d. A. Neftorius) an. Ghalcedon wird zwar nicht ausdrüd:
lich abgelehnt, wohl aber jeder verworfen, „der jebt oder jemals in Ghalcedon oder auf
irgend einer anderen Synode anders gedacht bat oder denkt“. Poſitiv lehrt das Heno—
tifon, daß der cingeborene Sohn Gottes, desfelben Weſens mit dem Vater nach der
Gottheit, und derfelbe mit uns desjelben Weſens nad) der Menfchheit, Fleiſch geworden,
Einer ift, nicht Zwei. Des einen und felben find die Wunder und Xeiden, die er frei:
willig am Fleisch erduldete. Abgewieſen wird die Vorftellung einer Trennung oder Ver: 25
miſchung (der Naturen — aber dieje Bezeichnung ift jorgfältig vermieden), ebenfo jeder
Doketismus (parraoia). Durd die Fleiſchwerdung ift feine Hinzufügung eines Sohnes
(npoodnsn viod) erfolgt, die Dreiheit blieb, auch als der Eine aus ihr Fleiſch wurde,
Treihbeit. Die Vereinigung aber auf diefen Glauben fchließt jede Neuerung aus.
Der Erfolg des mit Unrecht als platonifch bezeichneten (Barth 99) Unternehmens zo
war zunädit die Schlichtung der alerandriniichen Wirren, jo weit es bei den hoch—
gejteigerten Parteigegenfägen überhaupt möglich war. Petrus hatte freilich feinen leichten
Stand, und ohne unehrliches Lavieren ift er nicht ausgelommen. Die Vartei der Heiß-
ſporne -- fo nennt fie Zach. 5,9 p. 78, 30 felbjt — mar nicht damit zufrieden, daß
das Henotilon feine ausdrüdliche Verfluhung von Chalcedon enthielt; und als Petrus, 35
um auch fie zu beruhigen, in öffentlicher Anfprache den Chalcevon betreffenden Say des
Henotikons (ſ. o. S. 381, 18) jo auslegte, daß er einer Verwerfung gleichlam (Zach. 5, 9
.89, 10), ſchwärzten ihn wiederum die Proterianer in Konftantinopel an (auch die Ent:
ung der Leiche des Salophakiolus aus der Bilchofsgrabftätte warfen fie ihm, wohl
nicht ohne Grund, vor), was ihn zu einer (ſehr gemwundenen) Rechtfertigung gegenüber 40
dem Patriarchen zwang (Ev. 3. 17), der feinerfeits es mit Freuden begrüßte, daß
Petrus auf dem Wege der Vermittelung verharre (Zach. 5, 11; diefe bei Ev. und
Zach. aufbewahrten Briefe find die einzigen Stüde des Briefwechſels der beiden Batri-
arhen, die erhalten geblieben find; ſ. o. S. 381, 7). Natürlich konnte man es nicht allen
veht machen. Die Schismatifer (drrooyıoral bei Zach. 6, 1 p. 86,32; fte find fpäter a
mter dem Namen dxcpadoı bekannt geblieben), unter denen fich bejonders ein gewijler
Repbelius hervorthut (vgl. über feine Umtriebe Zach. Vit. Sev. ed. Spanutb p. 26, 39
bie 27, 25, deutfch von Ahrens -- - in der Note zu Zach. 6,2 p.87,33), festen alles
dran, Stadt und Volt in Unrube zu balten. Aber die Mehrheit war zufrieden
(Zach. 5, 7, der |5, 9 p. 79, 27] auch des Einverftändnifjes des alten Petrus Des Iberers so
ll. o. S. 376,20] gebentt: Liber. 18; Ev. 3, 14), und, was die Hauptjache, zwiſchen
und Alerandrien berrfchte gutes Einvernehmen.
in Antiochien beijerte fih die Yage. Hier war VBetrus der Walker nad
der Kataftrophe des Baſiliskus jofort entfernt tworden. Seinen zweiten Nachfolger
Stephbanus bereiteten antiochenifche Mordbuben ein abjcheuliches Ende (Ev. 3, 10; 55
Theoph. p. 118, 17—22). Akacius nabm die Gelegenbeit wahr und machte aus eigener
Rahtoolllommenheit einen gewilien Kalandion zum Patriarchen (wahrſcheinlich Ende
481) der ihm die Wohlthat übel lobnte, indem er bald mit den chalcedonenftichen Gegnern
des Henotikons und dem römischen Biſchof (f. weiter unten) in Verbindung trat, außer:
dem aber auch fih am Illuskomplott (ſ. Zach. 5,9 p. 80, 14; Lib. 18) beteiligte,
[64]
—
N
382 Monophyfiten
€ (485), und ber dritten Male auf den |
Ba DE re m Er es Bee u ie
N Beier an (Ev. 3, 16; jein Mongus bei . 5, 10).
Das Leiche art rius von Jerufalem (vgl. feinen Brief an Petrus Mongus bei
a ee Sn er ma ehe
Bozantiner ee er sen ‚ ftanden, ein-
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tung 0 om ge —
— ni gel on wer (ſ. er ©. 300, 2) 2), fndem Eu *
e Vorgehen des i er Einſetzung des
——— en, ee de Ihm nachträglich von Sta 04 & ui
15 ad wurde, daß man mur aus Not —— habe und insbeſondere keinen
räzedenzfall habe wollen. Man berief ſogar —— noch die Synode,
—* — pe ———
u Astoria —— Is Ereignifien — kt,
ge II. (13. —— ——— j.d. A. 3b VI, 20) erfeht zu
: 8 nerung an feine früheren V
Slauben des bl. — d ſich durch das al des Baſiliskus den
— ar = jan he —— behandelt erin —
ende ebenen, von dem er ertwartet, daß er nicht in in fortgejegter
gehorſamkeit — ſondern Verſäumtes durch verdoppelten Eifer wieder gut 5*
30 werde. Die Briefe waren kaum — ar iger enge der kirchlicher
—— im ——** iweitere J iche e Nachrichten erh Lu, Yeban Talaja,
rien (ſ. o. ©. 380, ” fe zua en
—— dort reg cn Salanbion 58 —— ——— 4 nr
igeren Betreibung einer Anſp n m
an de ih na Nam Bey ———— ber über
” Bömikdhe — nicht gut — if, ee dazu jagt Theoph. p. 131, 25
ausdrüdlich, daß er erit unter Felir eintraf). uch die K —* in
noch größere Entrüſtung verſetzt, ſandte Felir —* faum a — Boten einen
weiteren mit Briefen nach (Ep. 3 und 4 p. 23941), durd Die er den Akacius zur
40 — nach Nom citierte und von —* Maßregel den er unterrichtete.
| uß tagte nun der Akoimetenabt Fee 379,39) über bie amfeit ber
Ba en Mafregeln, was Felix veranlaßte, feine Cegaten nachträglich zu ermabnen, mit
bte Fühlung zu nehmen (Ev. 3,19). Mlazius fam alledem zuvor. Als bie
Km, Mi Legaten beit Abydus das feite Sand — wurden ſie in a ger
a und jo lange bearbeitet, bis fie mürbe getvorden und nunmehr nad)
(sit in feierlichem Sottesdienft mit Akacius das Abendmahl nabmen; fogar —8
amen bes Mongus mußten fie aus den Diptychen verleſen hören (Ev. 3, 20; Liber, 18;
Theoph. p. 131q.). Felir, durch die Akoimeten über dieje Norgänge in Kenntnis ge⸗
ſetzt (Ev. 3, 21), entbrannte in höchſtem Zorn. Auf der ſchnell berufenen Synode ſprach
so er über feine Geſandten die Abjegung, über Afacius den Bann aus und ſetzte den
Byzantiner am 28. “juli 484 (Ep. 6 p. 243—247) davon in Kenntnis, daß er aus bem
priefterlihen Stande, der katholischen Kommunion und aus ber rF der üubigen aus:
gejtoßen jei und das bie Stetten der Verdammnis auf ewig nicht follten von ibm
nommen erben (Ep. 7 p. 247 jtellt ein Bruchitüd des Defretes dar. Dem Kater
55 machte er wenige Tage barauf (Ep. 8 vom 1. Auguft) von ber ————
Patriarchen Anzeige und fügte die unverblümteſten Mahnungen für den |
Alacius that, was allein richtig war: er nahm von der ganzen Sache feine Den
en Akoimetenmönch, der dem Patriarchen beim Eintritt in die Kirche ben Bonn and
ium beftete, ließ er einjperren (Liber. 18); ben Namen des Felit ſtrich er aus ben
eo Diptyeben (Theoph. p. 132, 32), Der Brud) war vollſtändig.
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— die e folgen mußten Ge ©, 382,7), ſicher zu ftellen
Das ut arten, > 6) eines — in deſſen net die ——
Fo tan. un— öglid Bei ber ieſe ormel oder gar die Synode, —* der fie be⸗
bloffen war, zu a 2 unmoöglich Der Aust das
tom mit f nn n Umgebung — ſchwierigen 2 Si das ug Lehel
er — "6,6 P.96 Sn an) eihlicen —— act u
d an u * —
ern des mit der .
—— und —* —— die * dem —— 50
t und ben Papſt auf dem Yaufenden zu halten wußten (vgl.
“14 p26 ‚10: filii nostri religiosi monachi, rectae fidei confessione
). _ Dayı fin, daß die dem Atacius folgenden Patriarchen ſich nicht auf der
ga Eau. halten wußten und der faiferlichen Einigungspolitit im Oſten
: in den Weg warfen. 66
nde (?) 489. Seinen Nachfolger Frapitas (Flavitas; wohl ein
n SprTh 10, 1884, 316 ff.) beurteilen die orthodoren ——
Theoph. p. 133, 9). In der That befannte fi Fravitas in
an Petrus Mongus (Zach. 6, 5), wenn aud mit worfichtigen
juo, was dieſen zu einer erheblich perfönlicher und unvorfichtiger
—
er —
ehaltenn, den Patiarhen aber rüßenden Anttvort — .6,6).
Hay Far —DE
zeigte er ſeine übrigens —— ife, da
ie Se Dee Ye Vorgängen er anging) ——
er | =) Lüfiel ewalt ae
6 en mu Fa. 14 p. 267,3 i — (RR
— Jahres — 190) Deutlich } as fich ihm gega lid
—— flichtet haben Fo ver ie en oe if gi
bi —— wie ke ba den gleichzeitig an den Kaifer gejandten (Ep. 15) deutlich die
, dh von der päpftlihen Hauptforderung, bi |
1 —— dh) zugugeftchen und den Alerandriner fallen
Rede geweſen var. eurchgufepen iſ | !
gi feine Epp. 16 u. 17 eih
——n an cn —— gar
„net wahrſcheinlich im Se
—— —5 17 —— 1.
3 brachte ib
— = % m Ki de 1) dem Tode at, —
emins als € —* wegen der —— erfun
u Eine 1 erzümte (Zach. 6,4). Er ſtrich lad —— p. 133, 16) mit
ar a ongus aus den Dip chen und trug fich mit der
feine Synode abjegen zu laffen, was den are Gutſchmid 29. Of
—— die obigen Ang ſind Iſ. ©. 384,10. 22 nicht vor Mat 490)
rs Tod * se rien üſſig — wide. Sein olger wurde der
uldigende, tb t su.
— . * —— hc * da — —*
und Fravitas aus den Diptychen nicht geſtrichen hatte, Papſt die Aner:
fennung (jo Theoph. p. 155, 17 sqq. 2 * — —— erhalten; von Eupbe-
mius weiß auch Zach. 7,1p. 1
Etwa ein Jahr nach dieſen > 9 April 491, ftarb Kaiſer Zeno. Den
3 Thron und zugleich die d ber Kaiſerinwitwe Ariadne erlangte ber Sientiar (eine
relativ untergeordnete Hofcharge) Anaftajius, der ebenfo tie jein Worgänger in ben
monopbhfiti Heiligenkalender gelommen it, was er, wenn — Frömmigleit
dafür maßg end wäre, vermutlich beijer verbient hat als jener. Aber bie‘ innere
Anteilnahme an den kirchlichen und dogmatiſchen Fragen fit auch das f jeiner Ne
40 gierung geworden. Politiſch durchaus gewillt, in Zenos en ee ri yebei aber ing-
bejondere das Henotifon und Die unnadgiebige Haltung Nom g yeizubebal:
bat er ſich doch durd) feine perjünliche mer ara Überugung D —* ‚gegen Ende
jeiner Regierung zu unvorfichtiger Nachgiebigteit gegen die at,
Dee lafien, während er andererfeits in der Auswahl der firdli Bern ‚bie
unterſtützen follten, vor allem aljo der Patriarchen, feine glü iche Hand
Yazu kommt, daß er jchon bei feinem Negterungsantvitt nicht mehr j jung —*
die —— hat, daß er damals mindeſtens 60 Jahre alt geweſen ſei, weiß ich
jedenfalls zulehl im höchſten Greiſenalter ſtand. Er batte nach dem Tode Petrus
Es
Walters (488°), dem der im Oftober 485 auch über ihn ausgeiprochene päpf
;o (f. Fel. Ep. 11) nicht geſchadet hatte, unter den Kandidaten für das antiochenijd
tum gejtanden, das dann Balladius erbielt (Theoph. p. 135, 24). Seiner Wahl
Kaifer widerfegte fich Euphemius. Anaftafius war mit dem ı jcbon früber
aneinander geraten, als er in der Kirche von eigenem Lehrſtuhl aus m ophufitiiche Vor⸗
träge hielt, bis ibm der Patriarch mit Zenos Einwilligung unter ber er werde
55 ihm jcheeren lafjen, das Handwerk legte (Theoph. p. 134, 19; Suidas s. v. parola)
Jetzt gab er nicht eber nad), als bis Anaftafius eine Art MWabl (Kapitulation un
durch die er fich verpflichtete, feinerlet Neuerungen vo en und (
—— (Theod. Leet. 2 ‚6p. 186). Euphemius lieh Be
BL 4 Bu
Monophufiten 383
3. Bis zum zeitweiligen Siege des te unter Anafta-
fius. Der von Rom provizierte Brud und das ihm folgende 35 jährige Schisma
wird in den firchen- und dogmengefchichtlichen Darftellungen (ſ. aber Gelzer 921) in der
Hegel als eine verhängnisvolle Folge der durch das Henotifon gefchaffenen Lage, dieſes
jelbft aber als eine überwiegend ſchädliche Maßregel beurteilt. Oberflächlich angefeben, 6
ift daran gewiß etwas Richtiges. Hätte man das Chalcedonenje beibehalten und ſich in
biefer wie in anderer Beziehung den Wünfchen, richtiger Befchlen des Papſtes gefügt, jo
wäre es zum Schisma nicht gefommen. Es iſt aber billig zu bezweifeln, vb eine der:
artige bedingungsloje Unterwerfung unter den Willen Noms für eine gefunde Entwide:
lung der firchlihen Verbältniffe im Orient wünſchenswert oder auch nur möglich geweſen
wäre. Man braudt nur die Briefe Felix' III. zu lefen, un zu der Überzeugung zu
fommen, daß die bier mit verblüffender Rückſichtsloſigkeit in einer für nicht gänzlich de—
generierte Chren unerträglichen Weife vorgetragene ‘Theorie von der Selbitherrlichkeit des
römiſchen Biſchofs mit der Löſung der Suprematsfrage im Orient, wie ſie durch den
28. Kanon von Chalcedon gegeben und durch Zenos viel zu wenig beachtetes Edikt von
476 (f. o. ©. 379,60) von neuem beftätigt war, in unlöslichem Widerjprud Stand. Daß
der Patriarch von SKonftantinopel die oberbifchöfliche Stellung über den anderen orien—
talifchen Kirchenhäuptern angeftrebt und unter Akacius thatfächlid erreicht hat — ob N.
bereitö den Titel eines ökumenischen Batriarchen angenonımen hat, ift unficher —, liegt
vor Augen. Daß dieſe Entividelung im Orient felbit als geſund betrachtet wurde, 20
zeigen Die Vorgänge bei der Durchſetzung des Henotikons. Nun aber war man „poli-
tiſch und national von den Lateinern doch geſchieden“ (Gelzer a. a. O.), und ein feiner
Würde bewußter Patriarch wie Afacius mochte bei Abwägung der politischen Für und
Wider mit guten Grund das Einvernehmen mit Nom geringer einjchäßen als die Auf:
rerbterhaltung feiner Prärogative. Er konnte es jogar mit Augficht auf dauernden Er—
folg, fo lange die Regierung die Sicherung der Lage im Urient als ihre wichtigſte Auf-
gabe betrachtete und auf eine Beeinfluffung der Entwidelung der Verhältniffe im Weiten,
der ftaatlichen ſowohl wie der kirchlichen, verzichtete. Das ift in den nächſten Jahr:
zehnten der Fall geweſen. Erſt als der faiferliche Ehrgeiz ſich wieder zu mweltumjpannenden
Anſprüchen jteigerte, ward die Wiedervereinigung mit Rom eine wirklich brennende Frage; 30
denn wer im Welten herrfchen wollte, hatte mit dem Papfte zu rechnen. Mit der Be
ſchränkung auf den Oſten aber war zugleich das eigentliche Tirchenpolitifche Programm
gegeben. Es galt vor allen das kirchliche und dogmatische Einvernehmen zwifchen den
geben Stühlen, denen die Suffragane folgen mußten (ſ. o. S. 382,7), ficher zu ftellen
fonnte auf Grund eines Programmes, in deſſen Mittelpunkt Die chalcedonenfifche 35
fe itand, unmöglich gefchehen. Diefe Formel oder gar die Synode, auf der fie be:
lofien war, zu anathematifieren, war ebenfo unmöglih. Der Ausiveg, den das Heno⸗
tion mit feiner Hugen Umgehung diefer jchmwierigen Frage, Die das praftifche Verhältnis
Chalcedon nad) Bedürfnis einzurichten geftattete (wovon z. B. Petrus Mongus und
Kine Nachfolger ſſ. Zach. 6, 6 p. 96,25 u. 97, 228qq.) reihlichen Gebrauch gemacht 10
baben), war unter folchen Umſtänden der allein gangbare, und es iſt nicht die Schuld
dieſer Formel, alfo auch nicht Zenos und feines “Patriarchen, fondern des mit der Zeit
unmer deutlicher bervortretenden Mangels an deutlicher Einfiht in das überhaupt Er:
reichbare bei den Nachfolgern geweſen, wenn ſich die Dinge troß allem nicht glücklich
entwidelten. ;sreilih war diefer Weg mit Schtwierigfeiten gepflaftert. Der monophy— &
Rtiichen Heißſporne (f. o. &. 381,45) Herr zu werden, war in jeden Falle vergebliche Liebes—
müb', unter normalen PVerhältniffen auch nicht von großer Bedeutung. In der Reiche:
bauptitadt aber wurde die allzeit bereite Oppoſition durch die „orthodoxen Feltungen” (Barth
106) einiger Klöſter gepflegt (Theoph. p. 141,25 nennt außer den Akoimeten ſſ. o. S. 379,30]
noch die Klöfter des Dius, des Baſianus und der Matrone), die zugleich Dem römischen oo
Einfluß zugänglih blieben und den Papſt auf dem Laufenden zu balten wußten (vgl.
Fe. Ep. 14 p. 267, 10: filii nostri religiosi monachi, rectae fidei confessione
pollentes). Dazu fam, daß die dent Akacius folgenden Batriarchen ſich nicht auf der
Höhe ihrer Aufgabe zu halten wußten und der fatferlichen Einigungspolitit im Liten
ununterbrochen Steine in den Weg tmarfen. 55
Alacius ftarb Ende (2) 489. Seinen Nachfolger Kravitas (Klavitas; wohl ein
Bote, ſ. Gelzer in ZprTh 10, 1884, 316ff.) beurteilen die ortbodoren Ghronograpben
alö einen Adhjelträger (vgl. Theoph. p. 133, 9). In der That befannte fih Fravitas in
keinem Antrittsfchreiben an Petrus Mongus (Zach. 6, 5), wenn aud mit vorfichtigen
Vorten, zum status quo, Was diejen zu einer erheblich perjünlicher und unvorfichtiger 60
N
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Feed
Dei |
ID
X
384 Monophyſiten
gebaltenen. den Patriarchen aber freudig begrüßenden Antwort veranlaßte (Zach. ii, 6.
MPapſft Felir aber zeigte er ſeine Stublbeſteigung (übrigens durchaus korrekterweiſe, da
ihn ja Die Jebde ſeine Vorgangers mit dem Römer nichts anging) in einem nicht
erbaltenen Schrerben cn. in dem er den Apoſtelfürſten und ſeine Schlüſſelgewalt ge
feiert baben wur Fel. Ep. 11 p. 267,5. Indeſſen zeigt Des Papſtes Anwort (Ep.
pi von Ateans des Jadres gene deutlich, Daß Fravitas ſich ihm gegenüber fachlich zu
min varpeipaı sen Ian Durch den in ſebr bötlidem Tone gebaltenen Brief zieht
ii sig Nas imo nadene cn Den Natier gejandten (Ep. 15) deutlich die Be
engen nn das ven der papitlicen Hauptforderung, die Verdammung bes
Minis αα uns den Wlerandriner fallen zu laſſen, gar nicht die
NN ara wer Zu Murmufeen 8 denn aud Dem Rapite nicht gelungen (wol.
ner. NN 577 ur Banmiac Nangen 158 82), und man bat offenbar
OR wer Do 2 Saze,sım sor mir acdachte. Tas änderte ſich auch zunädft
82. rpm is ZINN, 2 17 rar dee nach viermonatiger Anıtöverivaltung;
Nr N. N: Tan Tom 9 Dina Serats von der Schisvalang; jo richtig
x — * Doyne Ir. sfr Sr undin den aus Apamea gebürtigen, in
ur har sent SA 0 0.27 +) 7 Exrbemius einen Nachfolger erbielt, der
„uses iso No zur N eine moglicit orzbetere Auslegung des He
| ron, nennt nn 2 os am liebſten beſenia: batten. Er zeigte ji
SONNE see Ne Ne Toert der Einigung nah Kräften bintertrieb. Gleich
Sonnen — Lerrus Mongus in Monti, deſſen an Fravitas
8 on ‚oz nah Dem Tode des Patriarden nad Stonftantinopel
. . OD .8 0.0 ne Derfangr wegen der darin enthalzenen offenen Verw
NN sn ... Zach. ti, } Gr jtrid (nach Theoph. p. 133, 16) mit
N EN ne Worsus aus den Diptychen und muz fich mit der Abficht,
\ 0.8 mer u laſſen, was durch den (nach v. Gutſchmid 29. Ok.
\ Ss. x Asse richtig ſind ſſ. S. 384,10. 22], aber nicht vor Mai 490)
Son. ter, denne uberflülfig gemacht wurde. Zein Nachfolger wurde der
d 2. made, don Euphemius zunächſt nicht bebelligte Athanaſius II.
vy—.te Euphemius ſeinen Amtsantritt an; da er aber Akacius
N: Dawrvchen nicht geſtrichen hatte, weigerte der Rapit die Aner-
atop. Sr 178gQq.; Der Briefivechjel iſt nicht erbalten; von Euphe
a vxmn Zach. 7,1 P. 102, 3.9).
or dieſen Vorgängen, am 9. April 491, ſtarb Kaiſer Zeno. Den
ar da wand der Kaiſerinwitwe Ariadne erlangte der Silentiar (eine
da Sendo Anaſtaſius, Der ebenſo mie jein Vorgänger in ben
on. Woysithitender gefommen tt, was er, wenn perjönlice Frömmigkeit
\ non vermutlich beſſer verdient bat als jener. Aber Die größere innere
So ubinben und dogmatiſchen ‚Kragen it auch das Unglüd feiner Re
N. ttiheb durchaus getwillt, in Zenos Bahnen meiterzugeben und ine
“se ndyayteit und Die unnachgiebige Saltung Nom gegenüber beizubebalten,
send veine perſönliche monopbofitifche Überzeugung befonders gegen Ende
„. ‚nvorjihtiger Nachgiebigkeit gegen die Stürmer und Tränger ver:
sad er andererfeits in der Auswahl der firchlichen Perfönlichkeiten, bie
. esbisin. vor allem alſo der Patriarchen, feine glüdliche Hand beſeſſen bat.
vn hhent bei feinem Regierungsantritt nicht mebr jung (ober Rofe 1, 10
on. sh er Damals mindeſtens 60 \abre alt geweſen jei, weiß ich nicht),
u 5a hochſten Greiſenalter ſtand. Gr batte nach dem Tode Petrus de
san der im Oktober 185 aud über ihn ausgeſprochene päpftliche Bann
. “abe geſchadet hatte, unter Den Nandidaten für das antiochenifche Bit
oe bunt Palladius vrbielt (Theoph. p. 135,24). Seiner Wahl zum
op Mb Cuphemius. Anaſtaſius war mit dem Patriarchen fchon früber
rc, als er in der Kirche von eigenem Lehrſtuhl aus monophyſitiſche Vor—
ect der Ratriarch mit Zenos Einwilligung unter der Drohung, er merke
ha, babs Handwerk legte (Theoph. p. 134, 19; Suidas s. v. Yparola).
ser nach, als bis Anaſtaſius eine Art Wablfapitulation unterzeichnete,
ib veipflichtete, Feinerlei Neuerungen vorzunehmen und Cbalcedon anzu
ad. beet. 2, 6 P. 1856). Euphemius ließ dann auch 492 durch feine Sp
ia auebtudiuh bejtätigen (Viet. Tunn. ad ann.; Theoph. p. 137, 11),
u Muberie ihm jene Urkunde twieder ab (Theod. Leet. 2, 7 p. 188 und
Monsphuyfiten 385
nad ibm Theoph. p. 139, 19; Ev. 3, 32 verlegt dieſen Vorgang, vielleicht mit
Recht, erft unter den Patriarchen Macedonius). Als dann während des tfaurifchen Krieges
der Patriarch in landeöverräterifche Verbindung mit den Feinden trat, war fen Map
vol. Anaftafius berief die Synode, ließ den Unbequentn, der kurz vorber einem Mord:
verſuch mit Tnapper Not entgangen war, abfeten und verbannte ihn nach Euchaita in 5
Pontus (Theod. Lect.2,9— 12; Libell.Synod.Mansi8,374; wahrjcheinlihd Sommer 496
[Viet. Tunn. ad ann.]; Theoph. p. 140, 9 jett das Ereignis 497, Marc. Com. ficher
falich 495 an). Der Nachfolger Macedonius, ein Enfel des Gennadius (f. 0. S. 378, 17;
Theod. Leet. 2,14, der M. ald doxntıxös xai leods charakterifiert), mußte das Heno—
tifon unterſchreiben (Theoph. p. 140, 15). Aber auch an den neuen Batriarchen fand
der Kaifer feinen Freund. Macedonius ließ fich jehr bald durch den Widerjtand der
orthodoxen Mönche auf die Seite drängen, wohin ihn feine Herzensmeinung obnebin
verwies. Darf man Theophanes (p. 141, 19 8qq.) trauen, defjen Angabe allerdings mit
der des Victor von Tunnuna (ad ann. 497) in Widerjpruch ftebt, jo hat Macedonius
den Kaiſer ſogar zur feierlichen Anerkennung Chalcedons durch die fonjtantinopolitanische 15
Synode zu bewegen vermodit.
In ein neues Stadium traten die Dinge dadurch, daß etwa um die gleiche Zeit die
ſyriſchen Monophyfiten über das Henotifon als eine ungenügende Konzejfion hinauszu:
drängen verjudhten. In Antiochien war nach dem Tode des Palladius (f. o. S. 384,51)
498 (499?) Flavian zum Biſchof eingefegt worden, ein dem Kaiſer genehmer, von den zu
Eynoditen aber von vornherein als Henotifer fcheel angefehener (Theoph. p. 142, 11)
Mann. Soweit die Quellen ein Urteil zulafjen, gehört auch Flavian zu jenen PBrälaten,
die dem Henotikon aus politifcher Überzeugung folgten, im Herzen aber orthodor waren
(vgl. Die Angaben bei Joh. Eph. KG 1,41; Joh. Nik. 315; damit jtimmen die bei Mai,
Nov. Coll. 6, 135 abgedrudten Brucitüde aus feiner Homilie über So 5, 23 und Die 3
immelfahrt). Dieje an ſich geiunde Bofition erregte den Zorn der Monophyſiten feiner
tögefe, die unter Petrus dem Walter und anfcheinend auch unter Palladius beiler auf
ihre Rechnung gelommen waren. Ihr Sprecher wurde Philoxenus (Kenajas aus Tabal
in Perfien; ſ. über feine VBorgefchichte, Litterarifche Wirkſamkeit und Theologie den Art.
Philoxenus), den Petrus zum Biſchof von Hierapolis (Mabug) gemacht batte. Er wußte zo
pmächtt Flavian zu veranlaflen (jo die paläftinenfifhen Mönche in ibrem Briefe an Al:
jon und “Theophanes bei Ev. 3, 31), nicht nur, daß er auf einer Synode (508/509;
natürlich zu Antiochien) fich unter Übergehung von Ghalcedon zu den Synoden von Nicäa,
Konftantinopel und Epheſus, fondern aud zur Verdammung Diodore, Theodors und
anderer Gelinnungsgenofjen bequemte und jein eigenes Bekenntnis in vier, der dyophyſitiſchen 3;
Lehre mwiderfprechenden Sägen formulierte (j. außer jenem Brief Theoph. p. 151, 11---18).
Damit nicht zufrieden, forderte Philoxenus auf einer auf faiferlichen Befehl zu Sidon
abgehaltenen Synode (511/12; ſ. den Bericht in Hist. Misc. 7, 1U und die der Synode
übergebene Bittichrift der Mönche ib. 7, 11; vgl. au Theoph. p. 153, 12—154, 2;
Libell. Synod. Mansi 8, 374) die ausdrüdliche Verdaimmung des Ghbalcedonenje. Ter an
Patriarch lehnte die Zumutung ab, moralifch gefräftigt durch die Anwefenbeit Des den
gleichen. Standpunkt vertretenden, aber weniger biegjamen (er batte fich getveigert, auch
mr Diodor und Theodor fallen zu laſſen; |. Theod. Lect. 2, 23 p. 196, Theoph.
pP.151,27— 31 und vgl. dazu E. de Boor in ING 6, 18814, 573- -577) Patriarchen Elias
von Jerufalem (f. Cyr. Scyth. Sab. 52 p. 300 8q.). Konnte fomit bier Pbiloxenus 5
kinen Zweck nicht erreichen - - die Synode wurde aufgelöft —, fo foll doch ſchließlich
tan dem Drängen der Mönche, binter denen der Kaiſer jtand, nachgegeben und die
de anathematifiert baben (Theoph. p. 154, 2). Genügt bat es ibm micht: zwar
wißlang der wüſte Putſch, den die Mönche gegen ibn in Szene jegten (Ev. 3, 32),
aber bald darauf (512) traf dag faiferlicbe Dekret ein, das ihn nach Petra in Arabien
berbannte (Ev. 3, 32; Marc. ad ann.; Theoph. p. 156, 9—18; vgl. aud Cyr.
Le. 56, 307 sq.).
Aus der Art, wie der Kaiſer das Auftreten des Philoxenus begünftigte, ergiebt jich,
daß er von der Politif der geraden Linie inzwifchen abgewichen war. Theodorus Yector
2,20 p. 193; ihm folgt Theoph. p. 119, 25) fegt diefe Wendung in die Zeit nad 55
der Beendigung des Verferfrieges (506). Damals bat er den Philoxenus perſönlich kennen
kim. (Theoph. p. 150, 4), und diejer mag dem alten Manne (j.o. S. 3814,48) zugeſetzt
0
Außer ihm bat der Patriarch Johannes III. von Alerandrien (0 Nexauats,
ta, amtiert als Nachfolger Johannes' II. Hemula von 505 515 |v. Gutſchmid S. 457.
516), den Kaifer, fogar mit Geldmitteln, bearbeitet (Theod. Leet. Mill. 396 und so
Reals@ncytlopädie für Theologie und stirdhe. 3.0. XIII. 25
4 Monsphufiten
a enpal. zn 552, 10 12% Die Hauptrolle aber — neben dent fanatifchen poli⸗
rt bigtart Siv Kaiſers, Marinus von Apamea, der fid als erflärter Monophyſiu
> neriwen Angelegenbeiten miſchte - begann mebr und mehr der gemandte
0. Mens zu Ipielen, der, jeit etwa 510 mit vielen anderen paläftinenfiichen
ai ch De Wenbsbaupetadt anweſend (Theod. Lect. Mill. 397 und danach
neepa gr 02,5, den Kaiſer vor allem gegen feinen Hofpatriarchen aufbetzte. Macedo-
we MB je Langer Deite weniger mit Anaſtaſius zu ftellen gewußt. Tiefer ver:
er Non Valriarchen auch feine Nachgiebigfeit gegen Rom (ſ. Darüber unten S. 387, 11 ff.)
one u unm ſo mehr geneigt, den Eimflüfterungen der Monophyſiten Gehör zu
re. Die Monche jchürten nach Nräften. Beim jonntägliden Gottesdienft in der
vdepede Tan es sum Tumult, als beim Trishagion der Zänger die ſeverianiſchen
teen m gravowdeis dd Yuäs(). 0. S. 378, 13) dazwiſchen fchrieen (Theod. Leet. 2,26
i,, danagch Theoph. p. 194, 3 sqq.). Maccdonius veritand ſich zwar zu einem
Ayrnutians, Das, auf Nicäa und Ronftantinopel zurüdgebend, über Epbejus und halcedon
eig. Er erreichte Doc nur, Daß darüber die ibm ergebenen Mönce in Aufregung
twin, die er mit Mühe beſchwichtigte. Andererſeits ſuchte der Kaiſer den Patriarchen
rurbind zur Herausgabe der von ihm aufbewahrten chalcedonenſiſchen Alten zu bewegen,
ai Ne vernichten zu fünnen (Theod. Leet. Mill. 399, 2- -6 und danadı Theoph. 155,
>1, nach den Chron. Edess. ed. Hallier p. 121 lich Anaftafius das Grabmal
X Viaiwrerin Euphemie öffnen, wm die darin aufbewahrten Konzilsbeſchlüſſe zu ent-
reriien und zu verbrennen). Die Gegenpartei aber erfanı immer neue Beichuldigungen
egen Macedonius, und Das Ende war, daß der Vatriarh am Abend des 7. Auguft 511
auflgeboben und nach Euchaita, wohin auch jein Vorgänger batte wandern müſſen (\. o.
= 385, ) verbannt wurde (Theod. Lect. 2,28 p.200 |j. auch Rev. Arch. 398]; Mare.
al ann. »11; Theoph. p. 155, 23; zu den Vorgängen vor der Abjegung vgl. aud
davo uber Die Einzelbeuen eingehend berichtende, insbejondere mit genauen eitang aben
oehene, in Der Färbung felbſtooerſtändlich parteiifche Schreiben der monophyſitiſchen
Honbe in Hist. Mise. 8, 1 p. 121, 27- 128, 13). Er binterließ in weiten reifen
ser tea Andenken: Die alte Kaiſerin weinte ihm Thranen nach (Theod. Leet. Mill.
Le, ſeinen Getreuen erjchien er im Traume (Theod. Lect.2,36p.204. Der ihm vom
Kaner geishte Nachfolger Timotbeug erfreute ſich, nad feinen bäßlichen Beinamen au
kblnpen ce. lerooßorAßns und Kıjkov Theod. Lect. 2,28 p. 200, Theoph. p. 155,26; f.
tal Liv Vemer ungen von Miller in Rey. Arch. 280; die Hist. Misc. 7,9 p. 129, 4
uk m Gegenteil von ibn: jene Werke paßten zu feinem Namen, bieß er doch der Gott
„ro, zum mindeſten bei den Crtbodoren feines befonderen Aufes, In der That ver:
nubte on benotifche Straßen mit monophyſitiſcher Pflaſterung zu gehen: den Namen ſeines
nterinda iniſchen Kollegen nahm er in die Diptychen ‚auf, während er die Bilder feines
iheingers aus den Kirchen entfernte (Theod. Lect. 2, 29 und Mill. 399; Theoph.p. 155,
0 Die Hauptftadt aber war dadurch keineswegs berubigt, vielmehr ſah das Jabr
1 November) jene fürchterliche Revolution, an der wiederum das erweiterte Trishagion
—B war und in deren Verlaufe Anaſtaſius ohne Diadem vor das im Zirkus ver:
ſammelte Volk trat, um von der durch fein Erſcheinen gerührten Menge die Krone zurüd:
‚wabulten (Marc. Com. ad ann.; Ev. 3, 11; Chron. Pasch. p. 853; vgl. aub
ist Mise. 7,9 mit den Anmerkungen. Es ſcheint allerdinge, als habe dieſe Erplofion
neblibuend gewirkt: zum wenigſten von firehlichen Unruben wiſſen die Chroniften in ben
lan uhren Des Anaſtaſius nicht mebr zu berichten.
Im Urtent aber begann der Zivgeslauf der Monophyſiten. An die Stelle Flavians
1. 2.585,20) trat am 6. November 512 (Evagr. 3, 33; Mal. 400, 8 sqgq) Severus,
ia willig hervorragendſte unter Den monophbyſitiſchen Führern. Dieſer berief (513 nad
tar woöhnlichen Annabhme; Diekamp 2 2ff. tritt mit guten Gründen für 515 ein) eine
ehr Zwiede nad Turus, aut der Ghulceden verworfen und das Henotikon mit
vet Philorenus und Severus vertretenen monophyſitiſchen Auslegung anerkannt
wur Al. IHlist. Misc. 7, 12). Bald darauf (514 nach der gewöhnlichen Annahme;
und Liekamps einleuchtenden MNombinationen im Auguſt 516) mußte Elias von Jeru⸗
yon dm die Verbannung nad Wila am roten Meere wandern, mo er 518 gefiorben iſt
ut Die Vorgänge, Die zu ſeiner Abſetzung ſuhrten, Cyrill. Scythop. Sab. 51
p Pösqyuı Theod. Leet. 2,23 p. 196; Ev. 3, 31. 33 u.a). Übrigens bedeutete dieſer
—X iuͤbt eigentlich einen Elend: ann der Nachfolger Johannes (wahr
eb September 516 bis April 524, Tiefamp 27) verjprad zwar, wie Theoph.
p ton, so muchtern ſagt, dor fetter Wabl alles, that aber nachher nichts davon. Dafür
Mounophyſtiten 387
ſorgte ſchon Sabas, der, „Politiker der Wüſte“ (ſ. d. Art.), der Hort der paläſti—
nenſiſchen Orthodoxie. In Agypten dagegen behielt der Monophyſitismus auch unter
dem übrigens unrechtmäßig gewählten und erſt nach allerhand Unruhen anerkannten
Dioskur II (ſeit 516) die Oberhand. Als Anaſtaſius ſtarb (9. Juli 518), war bie
Mittelpartei der eigentlichen Henotifer verſchwunden, ficher nicht ohne Schuld des Naiferg, :
von dem ein nicht übelmollender Beurteiler, der Stylit Joſua in Edella, fagt: „Wenn
diefer Kaiſer gegen das Ende feines Lebens in einem anderen Lichte erfcheint, fo ſoll ich
niemand an unjeren (im Terte vorangehenden) Zobpreifungen ftoßen, jondern deſſen ge—
denken, mas Salomo am Ende feines Lebens that” (Jos. Styl. 101.p. 76).
4. Bis zur Beseitigung des Shismas mit Rom und der Monopbyfiten: 10
verfolgung unter Juſtin I. In dem Verhältnis zum römischen Stuble ift unter
Anaftafius trog mannigfacher Verhandlungen keine Anderung eingetreten. Gelafius I
(1. März 492 bis 21.Nov. 496; ſ. d. A. Bd VI, 473- 475) batte fich fchon vor feiner
Stuhlbeiteigung als jachkundiger Gegner der Monophyſiten und der Kirchenpolitif des
Akacius bei ftrengftem Feithalten an dem Gedanken der römifchen Oberberrlichkeit gezeigt. ı5
Zeugnis dafür legt die im Jahre 489 (p. 511, 2: Nestorius ante quinquaginta et
oeto fere annos ... exilio meruit relegari) verfaßte Abhandlung ab, die unter dem
Titel der Gesta de nomine Acacii seu Breviculus de historia Eutychianistarum
ala wertvolle Duellenfchrift (f. o. S. 373,1) befannt geworden if. Auch der erite unter
feinem Namen aufbehaltene Brief (Ep. 1 p. 287— 311), eine ausführlide Darlegung 20
der Differenzpunfte zwifchen Rom und Byzanz, ift noch unter Selig, deſſen rechte Hand
Gelaftus war (ſ. Thiel 23F.), wohl um die gleiche Zeit, gejchrieben worden. Den bier ver:
tretenen Standpunkt hat er auch ale Papit mit bobem Selbſtgefühl beibehalten (j. feine
Briefe an die dardaniſchen Bifchöfe, deren Heeresfolge er nicht ficher war |Epp.7 p.33580q.,
18 p. 382—85, beſonders 26 p. 392---113], feinen 2., 3. und 4. Traftat |p.524 --570]; 3
feine Briefe an den Kaifer [Ep. 12 p. 349-— 358] und feinen Batriarchen [Ep. 3p.312- -321],
endlih an den Magiiter [Ep. 10p.341—48]). Er bat ſich bis zu dem Satze veritiegen:
mortuos suscitasse legimus christum, in errore mortuos absolvisse non legi-
mus Ep. 10, 3 p. 342). Übrigens zeigt die in den Briefen mehrfach wiederkehrende
Auseinanderfegung mit der gegnerifchen Forderung, er möge aus Nüdficht auf Die Stimm: so
mung in Konjtantinopel die Nerdammung des Akacius fallen lajfen, deutlih, daß in
diefen Punkte, von der dogmatifchen Frage abgefeben, Negierung und Volk in der Haupt:
ſtadt folidarifch waren. Einem derartigen Madtipruch des römischen Biſchofs fich zu
beugen wäre (außer den unioniftiich gefinnten Mönchen, |. o. S.383,48) niemandem ein:
gefallen. Der Nachfolger des Gelafius, Anaftafius II. (24. Nov. 196 bis 19. Nov. 198), 35
war offenbar aus anderem Holze gefchnigt. Nicht nur daß er dem Kaiſer in einem unter:
gehaltenen Schreiben (Ep. 1 p. 615--623) jene Stublbefteigung anzeigte, was
Gelaftus unterlaſſen batte (f. dazu feine Rechtfertigung in feiner Ep. 12, 1 p. 350), er
muß auch fonit Anlaß zu der Auffaſſung gegeben baben, vo er für Beilegung des
Streites ohne Bloßitellung der fatferlihen Autorität und des Anjebens des Patriarchen 40
zu haben fe. Es wäre fonft nicht zu erklären, daß der Patrizius Feſtus gelegentlich
einer politischen Gefandtichaft den Kaiſer die Hoffnung eröffnete, es werde müglich fein,
dem Papſte die Anerkennung des Henotikons abzugewinnen (Theod. Lect. 2, 17 p. 192).
Wie dem auch fei, Anaftafius jtarb zu früb, als daß fih die Berechtigung folcher vder
äbnlicher Hoffnung bätte ausweiſen lafien. Aber noch in die Wabl des neuen Papſtes #5
Hangen die Friedensgedanken hinein, freilib nur um ein friegerifches Echo zu finden.
Papa verfuchte feinen Kandidaten, den Archipresbyter Yaurentins, Durchzufegen ; der
heit aber gelang es, den Diakonen Sym machus (22. Nov. 498 bis ca. 19. Juli 311),
auf den Stuhl zu bringen, der feine Anerfennung allerdings erjt nach wüſten Szenen
(f. Darüber den rt Symmadhus) zu erzivingen vermochte. Sein Schreiben an den Kaiſer co
(Ep. 10 p. 700-708, nicht vor 506 erlaffen) redet wieder eine andere Sprache, in der
von irgend welcher Achtung faiferlicher Würde nichts anklingt, der man aber andererjeits
die Anerkennung nicht verfagen kann, daß fie den eigenen Standpunft in eneraifeher, faſt
iſch zu nennender Weiſe zum Ausdruck bringt. Wieder eines von den Dokumenten,
die den eis dafür liefern, daß eine Unterordnung des römiſchen Biſchofs unter den 5
Reichsgedanken ſchon damals cine Unmöglichkeit war und alle Verhandlungen nur ſcheitern
oder zu einer Niederlage Oſtroms führen konnten. Das erſtere bezeugen die erſten Ver—
lungen unter Hormisdas (20. Juli 514 bis 6. 17.1 Auguſt 525), das zweite der
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Als Hormisdas den Stuhl beftieg, hingen über Anaftafius die ſchweren Wolfen ber so
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388 Monophyſiten
vitalianiſchen Empörung (ſ. Dazu Roſe 1,52ff.; Hauptquelle iſt Johannes von Antiochien
|Fragm. Hist. Graec. 5, 32sqq.). So unrichtig es iſt, den Schutz des katholiſchen
Bekenntniſſes als einen der wirklichen Beweggründe Vitalians zu bezeichnen, ſo gewiß iſt
doch, daß er, indem er ihn vorſchob, „damit eine ganz unvergleichliche legitime Baſis für
den ungemeſſenſten Flug ſeiner ehrgeizigen Phantaſie erhielt und den Haß der katholiſchen
Unterhanen gegen den Kaiſer als moraliſchen Bundesgenoſſen bei ſeinen Kämpfen benutzen
durfte“ (Roſe 53). Bei der Verhandlung mit den feindlichen Führern ſtellte der Kaiſer
in Ausſicht, daß er zur Beilegung der Glaubensftreitigfeiten die Vermittlung des Papſtes
juden werde. Den Niederfchlag dieſes Verfprechens bildet feine Korrefpondenz mit NHor-
misdas. In zwei Schreiben (Horm. Ep. 1 vom 28. Tea. 514 p. 7418q. und Ep. 2
vom 12. Jan. 515 p. 7-42; der erſte Brief gelangte erſt nach dem zweiten in die Hände
des Papſtes, ſ. u.) lud er den Papit fürmlich zu einer in Heraklea abzubaltenden Synode
ein. Hormisdas gab auf beide Briefe böfliche Antwort (Ep. 4 vom 4. April 515 p. 74580.
entbält die Antivort auf Ep. 2, Ep. 6 vom 8. Auli p. 747sq. die auf Ep. 1) und
5 verficherte den Raifer wohlwollender Teilnabine für fein Unternehmen. In der That be
ſtimmte er feine Gefandten (darunter Ennodius von Tieinum, f. d. Art. Bd V, 394,0)
und gab ihnen eine Inſtruktion (Ep. 7 p. 748--755), wonach ſie bei höflichem und
ihonenden Auftreten Doch alles meiden jollten, was als Anerkennung der Kirchengemein⸗
ichaft gedeutet werden fünne. Der Bapit fordert volle Anerfennung des chalcedonenftichen
Konzils und Verwerfung des Mlacius; unter diefer Bedingung ſei er in eigener Perſon
zu kommen bereit (Ep. 7, 6). Mit einem Benleitfchreiben an den Kaiſer (Ep. 8 vom
11. Auguſt p. 7558q.) verfeben reilten die Yegaten nach Ronjtantinopel. Aber Anaſtaſius
mochte, felbjt in jchwieriger Yage, ſich nicht entjchließen, jo kurzweg zu Kreuze zu Triechen.
Er jchidte die Kegaten im Sommer des folgenden Jahres zurüd und gab ihnen ein Schrei:
25 ben an Hormisdag mit, in dem er auseinanderjeßte, daß er vom chalcedonenfifchen Konzil
niemals abgemwichen fei, da diejes ja ſelbſt den nicänifchen Glauben vertrete; daß er die
Alerandriner wiederholt getadelt babe, weil ſie an der pofitiven Lehre ſich nicht ge
nügen, jondern fih zu der überflüffigen Verdammung des Chalcedonenje und des Lehr:
briefes Leos verleiten ließen; daß er aber binfichtlih des Alactus nicht nachgeben wolle
und könne, weil ſolche Nachgiebigkeit Die fchiwerften Unruben bervorrufen würde (Ep. 10
p. 761- 764; Datum unficher, |. Tbiel p. 105). In einem direft an den Papit ge
richteten Billet und in einem Schreiben an den Senat (Ep. I1 p. 7648q., 12 p. 765 8q.,
vom 16. bezw. 28. Juli) giebt er feiner friedlichen Stimmung wiederholten Ausdrud.
Die Römer verbarrten dem gegenüber natürlich auf ihren Standpunkt (ſ. die Antworten
» des Papſtes |[Ep. 13 p. 766---68] und des Senates |Ep. 14 p. 768--70], beide aus
d. Auguft), den Hormisdas auch jpäter unverändert beibebielt (Ep. 27 p. 796-800
an den Kaiſer; Ep. 28 p. 800 an Timotbeus, Epp. 29 und 30 p. 801—805 an die
orientaliſchen Biſchöfe, Ep. 32 p. 8068q. an die Urthodoren in Konftantinopel, alle
vom 3. April 517; Ep. 37 p. 8128q. vom 12. April an den Kaiſer). Anaftajius aber
brab mit Schreiben vom 11. \uli 517 (Ep. 38 p. 81380.) die Verbandlungen in
durchaus würdiger Weile ab: injuriari et contemni (&£ovdeveiodar, der jetzige latei-
nijche Tert bat annullari, j. Ibiel 81-4 N. 4) sustinere possumus, juberi non
possumus. Bald aber veränderte fein Tod (. o. 2.387,14) Die Lage.
Der Befeblsbaber der Palaſtgarde (comes excubitorum) Juſtin (aus Bedertana
sim Grenzgebiet von Illyrien und Thracien, daber ibn die Hiltorifer teils als Illyrier,
teils ala Thracier bezeichnen) bemäctigte ib am 10. Juli 518 der Regierung, indem
er die Zummen, mit Denen er für Die Wabl eines anderen batte wirken follen, für fi
verwendete (Ev. 4, D. Nach dem Urteil aller Quellen (Procop. Hist. Arc. 6, p. 4;
Mal. !10; Joh. Eph. Nau 467; Hist. Misc. 8, 14; Mich. Syr. 175) ein rober, un
gebildeter und bejchränfter Menſch, voller Eifer für die Urtbodorie (Theod. Leect. 2, 3
p. 204; Theoph. 165, 1), von Anfang an ein Werkzeug feines verichlagenen und ehr:
geizigen Neffen Juſtinian, der bei allen wichtigen Aktionen diefer Negierung die Hand m
Spiele gebabt bat (ſ. d. Art. Juſtinian BD IX, 651,27). Mit diefer politiichen Wen⸗
dung kam die dem Monophyſitismus entgegengejegte kirchliche Strömung zum Durchbruch,
»> der der inzwiſchen zu bobem Anſehen gelangte Vitalian (ſ. 0. S.388, 3), ein heftiger Gegner
des Severus (Hist. Mise. 8,2), ſeit längerem Vorſchub geleitet hatte. Die Folgen traten
jofort in die Erſcheinung. Schon am 15. Juli fam es zu einem — Auftritt
in Der Ratbedrale (j. den der Synode von 5365 vorgelegten Bericht eines Anonymus bei
Mansi S, 1057 -66). Der ‘Patriarch \obannes II. (6 Kannaddxns Theod. Leet.
Mill. 100, danach Theoph. 164,9; er wird im Berichte wiederholt als doyıerioxonog
Monophyfiten 389
xai olxovuerıxös naroaopyns bezeichnet, ebenfo in der Zufchrift des unten citierten
Synodalſchreibens; |. Dazu BDIX, 304,16), der am 17. April (Theod. Leet. 1. c.: ye-
tovndels ıjj toim Tod ndoya hufoa; Viet. Tunn. fett das Greignis fälfchlich ing
Sabr 517) 518 dem Timotheus (}. 0. S.386,31) gefolgt war, ſah fich gezwungen, das Ana-
them über den „Manichäer” und „neuen Judas” Severus von Antiochien zu verfündigen 5
und dem Polfe auf wiederholten Vorhalt und nachdem er fich zunäcft darum wegzu—
drüden verſucht hatte (wie man ihm zufegte, zeigen Zurufe, wie: dav um Aaßw Anö-
xosowv, Ews Öye aJöE el [Mansi 1059]) zu verjprechen, daß er am folgenden Tage feine
Künfche auch bezüglich Chalcedons befriedigen werde. Das geſchah: am 16. Juli wurde
das Gedächtnis der heiligen Väter von Chalcedon feierlich begangen und die vier heiligen 10
Synoden fowie die Namen des Euphemius und Macedonius und Leos von Nom in die
Kirchenbücder eingetragen. Wenige Tage darauf, am 20. Juli, trat auf Befehl des Pa:
triarchen, der aber ſelbſt nicht anmwejend war, fondern fich dur einen Bevollmächtigten
vertreten ließ (f. das von 41 [42] Biſchöfen unterzeichnete Synodalfchreiben bei Mansi
8, 1041—1050), die Synode zuſammen und beichloß, auf Grund der an die fie gerich- 15
teten Bittfchrift der bauptitädiichen Mönche (ſ. den Libellus Mansi 1049—56; unter:
zeichnet maren über 50 Archimandriten) den Wunſch nad Serfte ung der Orthodorie durch
den Patriarchen Kaifer und Katferin vortragen zu laſſen. Abjchriften der Spnodal-
beichlüfe fandte Johannes nach auswärts (f. die Schreiben an Johannes ſſ. o. S. 386, 58]
von Serujalem und Epiphbanius von Tyrus, Mansi 1075—68, und ihre Wirkung ver: u
ſtärkte der faiferliche Befehl (Cyrill. Seythop. 60 p. 326). Der Widerhall blieb nicht aus.
Su Jeruſalem (6. Nug.[Cyrill.1.c.]; Spnodalichreiben Mansi 1067 — 74) und Tyrus (16. Sept.
Manſi 1083] ; Schreiben Mansi 1073—82, |. auch den angehängten Bericht über die Vorgänge
ın der Kirche p. 1081— 92) fam die Orthodorie in die Höhe; im gleichen Sinne berichteten die
Biſchöfe von Syria Seeunda an den Patriarchen (Mansi 1093—98), und der Triumph 25
über den Sieg der Orthodoxie klingt noch in der antimonophyfitiihen Streitichrift des
römischen Diafonen Ruftitus nach, der (vgl. Disput. etr. Acephalos MSL 67, 1251 sq.)
von 2500 Bilchöfen redet, die fih damals für Chalcedon erklärt hätten. In der Diöceſe
Antiocien, wo der Monophufitismus unbejtritten berrfchte, fam es zu regelrechter Ver:
folgung der Bifchöfe (f. die Eis der vertriebenen Bilchöfe bei Joh. Eph. |Dion. Tellm.] 30
m Kleyn, Bijdrage 8—12, danadı bei Mich. Syr. 179; vgl. aud Hist. Misc. 8, 5
p. 158, 13 ff. mit der Note; über das Schidfal des Philoxenus ſ. d. Art.) und Mönche
(über die Verfolgung der Mönche Hist. Misc. 1. c. p. 156, 13ff, Joh. Eph. Fragm.
219sq. und Mich. Syr. 178). Natürlich wurde auch Severus vetrieben (September 518;
vgl. Ev. 4, 4; Mal. 411, 17; Joh. Eph. KG. 1, +41; der Lib. Chalipharum [Land, 5
Anecd. Syr 1,14, 11ff.| giebt als den Tag feiner Entfernung den 29. an, der nach dem
foptijchen Stalenver [Renaudot p. 133] freilich al8 der Tag feiner Ankunft in Agypten ge:
feiert wird). Er floh, wie auch Julian von Halikarnaß (f. d. Art. Bd IX, 607,47 ff.),
nach Alerandrien (j. das Nähere im Art. Severus), wo der im OÖftober 517 (biches
Tatum dürfte dem von Gutſchmid S.457 gewählten 518 vorzuzieben fein) den Dioskur 0
((.o. S.387,4) gefolgte Timotbeus IV. „die Synode nicht annahm, ſondern die gläu-
bigen Priefter, die ber ihm Zuflucht fuchten, Tiebevoll aufnahm, ehrte und ermutigte” (Hist.
Mise. 8, 5 p. 158, 26-31).
Dem Bapft hatte der neue Kaifer am 1. Auguft 518 feine Thronbefteigung ange:
zeigt (Ep. 41 p.830sq.) und diefer Anzeige am 7. September ein Schreiben nadıgefandt 45
(Ep. 42 p. 831. 8q.), in dem er feine und der fonftantinopolitanischen Synode (ſ. o. S. 389, 15)
Bereitwilligkeit zur Wiederaufnahme der Nerbandlungen fund that. Dem faiferlichen
Scheiben war ein Brief des Vatriarchen (Ep. 13 p. 832 sq.) und Juſtinians (11 p. 833 sq.)
beigefügt, welch Iebterer den Papft un fein perfönliches Erjcheinen erfuchte und durch die
Art, wie er die Alaciusfrage erwähnte, bereits der fünftigen Entſcheidung präludierte. 5
Hormisdas antwortete zunächit formell auf die Anzeige Des Regierungsantrittes (15 p. 83-1 8q.),
fodann auf die übrigen Schreiben (Epp. 16 48 p. 835---38) und ließ dann, Anfang
519, durch eine mit Schreiben an den Kaifer (50 p. 810—44), die Naiferin Euphemia
(31 p. 844), den Patriarchen (32 p. 84580.) und bochgeftellte Beamte (Epp. 73—55
p-. 816 sq.) verſehene Gefandtichaft feine Bedingungen überbringen. Den Gefandten batte er 55
—
eine bis ins Einzelne überlegte und ausgeführte Inſtruktion mitgegeben (19 p.839 sqq.):
danach follten je eine ihnen etwa zugemutete Zuſammenkunft mit dem Patriarchen jo
lange meiden, bis derjelbe eine Formel (formam libelli quam portatis p. 839, 23;
die Gefandten hatten alfo das ‚Formular vorfichtigerweife gleich mitbefommen) unter:
ſchrieben baben würde, die nicht nur die monopbofitifchen Häupter verwarf, fondern auch w
R
=
390 Monophyfiten
Alacius und div sequaces damnatorum (p. 8410, 2), d. b. alfo au feine Nachfolger
im Amte, Euphemius und Macedonius, deren Namen eben erit (1.0. S. 389, 11) von ber
Zynode in Die Mirchenbücher eingetragen worden waren. Nur im Notfall follten fie die
Aorderung der Verdammung der Nachfolger folgen laffen, deren Namen jedoch aus den
Tiptveben geftrichen werden müßten. Die Gefandtfchaft 309, von den erſten Perfonen des
Neiched (Vitalian, Juſtinian u. a.) auf das chrenvollfte empfangen, unter Fadelichein in
die Neichsbauptitadt ein wel. biezu und zum ‚Folgenden den Beriht der Gefandten an
den Papſt Ep. 61 p.Sd6sqg.). Am Gründonnerstag, dem 28. März 519, unterzeichnete
Johannes im Palaſt Die päpitliche ‚Kormel, und vor den Augen der römiſchen Yegaten
(sub nostro conspectu p. 857,33) wurden ſodann in der Kirche die Namen des Ala-
cius und ceterorum episcoporum qui eum in communione secuti sunt (p.857, 32),
des Anaſtaſius und Zenos aus dem Nirchenbuche gelöſcht. Am felben Tage richtete Jo:
hanned em Schreiben nach Rom, in das der Anhalt jener Formel aufgenommen wurde.
Um den Patriarchen zu jehonen, batte man ſich dabın geeinigt (ſ. den Bericht des den
Yegaten beigegebenen Diakonen Tiosfur Ep. 65% p. 858—61), daß er der Formel eine
ſelbſtverfaßte Einleitung voraufichiden möge. Trotzdem und trog des unverfennbaren Rider:
ſtandes einiger anderer kirchlichen Würdenträger (ſ. den Bericht) handelt es ſich um bie
Untertverfung in volllonmener Form. Das zeigen auch Die Briefe des Kaifers (Ep. 66
p. Sulq.), Dea Patriarchen (67, S62sqq.), Juſtinians (68, 86-4) und anderer (59— 71
p. Sölsqg.), Die zugleich mit den Berichten der Yegaten unter dem 22. April von Kon-
ſtäntinopel abgingen. Man kann ſich nicht genug thun in Untertvürfigfeit und Ber:
ſprechungen, den papſtlichen Bereblen Folge leiten zu wollen.
Naturlich blieb Die Ausführung dennoch hinter den aufs böchite geipannten Erwar⸗
tungen Deo Romero zuruck. Der Metropolit Torotbeus von Theffalonih (f. zum Fol:
enden Die Berichte der püpitlicben Geſandten Epp. 100 p. 898sqq., 102 p. YUlsqq,,
110. p. u1084.) bare ſich der Eimführung der Union widerfegt. Ta er das Volk auf
ſeiner Seite bitte, kam ve zu Erzeſſen, insbefondere zur Ermordung eines römiſch Ge:
ſunten, Der einen romiſchen Abgeſandten beberbergte. Vor der Ankunft der päpitlichen
Vegalen beeilten ſich Die Leute, ihre Rinder taufen zu laffen, da fie fonft in Gefahr
Hunden, heidniſch zu ſterben. Einer der Geſandten wurde lebensgefährlich vertwundet
(p899, EN. Hormiodasb, über dieſe Vorgänge begreiflicherweiſe ſehr erregt, forderte
(kp 105 p 90 in Anwendung Der von den Paäpſten ſtets geltend gemachten kirchen⸗
winientlaben Anſpruche auf Oſtillvrien, daß Dorotbeus ibm zur Beltrafung nad Rom
Aulogelieſer werde. Aber wider Erwarten wurde er auf freien Fuß gejegt (Bericht ber
Geſanblen, EKp. Ip. Blosg.). Auch die ‚yrage der Wiederbefeßung (ſ. o. ©. 389, 3s)
wo dub von Antiochien wurde erſt nad Lingerem bin und her (post labores, etsi
post intentiones plures p. S6S, 32) in einer dem Papſte genehmen Weiſe gelöft (vgl.
u VReribte Epp. 75 P. S6S 71, 76. p.STIsqq.). Zeine Xegaten hatten verlangt, daß
ut osttts Der orthoderen Gemeinde zum Patriarchen gemacht werde. Dem widerſetzte
eh ee Parter Der jitvthiſchen Mönche in Konſtantinopel, die eben damals für die tbeo-
yuhbutsbe Formel agitierten (ſ. d. Art. Theopaichiten und oben ©. 386, 10). Schließ-
Ib wüurde der konſtantinovolitaniſche Presbpter Paulus (er fcheint Jude geweſen zu
wur Joh. Eph. Fragm. 217 und KG. 1, 11; Hist. Misc. 8, 1 p. 141,14; 8,4
p Io, bund® Ss ti p. 161, 11; Die ortboderen Quellen wifjen freilih nichts davon:
‚Mal tt, 1u Theoph. 165, 17|, Ev. 1, D zum Biſchof beitimmt (vor den 30. Mai
19,3 Ep 75 ven dieſem Tage. Tie römiſchen Yegaten wußten es durchzufegen, daß
en Reibe nicht in Konſtantinopel, ſondern in Antiochien ſtattfand (Ep. 75,1 p. 869, 1 ff.:
jussit dominus noster beatissimus papa secundum antiquam consuetudinem
ib vun episeopum ordinari), ein Weiterer Erfolg der inzwiſchen vollzogenen Verſtän⸗
gung. Paulus ſchritt genen Die Monophyſiten mit Strenge ein und machte ich dadurch
yvo mißliebig, daß er bereits 521 11. Datz ſ. v. Gutſchmid 458) fein Amt wieder nieber:
leeunnmüußlte. Non einem Nachfolger Euphraſius - - er ift bei dem Erbbeben vom
9 Mu 525 umgekommen (vgl. Chron. Edess. Wr. 97 &.132f., Nr. 99 und Halliers
Remerkungen S. 1515 Hist. Mise. S, I p. 111, 16 mit der Note; Mal. 423, 21) —
beat Ahevbphaues (P. 167, 20-257 auf weſſen Autorität”), daß er jowohl die Erwähnung
1!
Ehalecdous Wie dein Namen Des Hormisdas aus den Diptychen getilgt babe, fpäter aber
Wat eines anderen belebrt worden (yoßPıdEid) und zur Anerfennung der vier Synoden
zurudetebrt taub Mal. 116, 1 bat er Die „Togenannten Urtbodoren” ſrobg Aeyousvovs,
seradusons; verfelat; wahrſcheinlich alſo ſ. Bd XT, S. 98, ı] die Monopbofiten).
Sant ſtimmt, daß wiederum fein Nachfolger, Ephräm (526 —345), vorher höherer
Monophyfiten 391
Beamter (xöuns dvaroijs, Hist. Misc. 8, 1 p. 155, 7; Theoph. p. 173, 21), für Die
offizielle Orthodorie eintrat (ſ. u. ©. 393,31). Diefe blieb die Richtſchnur auch für den
Hofpatriarchen, als melcher fett dem 25. Februar 520 (Theoph. p. 166, 23) Epipha—
nius (bis 5. Juni 535 ſ. u. ©. 393,3) amtierte. Der Diafon Dioskur, der dem Bapite
von dem Amtswechjel Nachricht gab (Hormisd. Ep. 111 p. 9118q., am vierten Tage
nach der Ernennung des Patriarchen geichrieben und in Rom am 7. April eingegangen),
icheint nicht mit befonderer Freude erfüllt worden zu fen. Er begnügt fich feitzuitellen,
daß Epiphanius verfprochen habe, den Regeln der Väter zu folgen und das Cinigungs-
werk nicht zu zeritören, fondern zu mehren: „Das find feine Verfprechungen; ob er fie
balten kann, willen mir noch nicht“ (p. 912, 6800.). Epiphanius ſelbſt zeigte dem Papft
feine Stublbefteigung erit im Juli an (Ep. 121 p. 923sqgq.), nachdem ihn Hormisdas
im Mai (113 p. 913 8q.) gemahnt batte. Natürlich befennt er ich zu den vier Synoden
und verflucht ihre Gegner (p. 924). In einem fpäteren Briefe (vom 9. September,
Ep. 130 p. 947—50) aber unterrichtet er den Papſt von dem bei Hofe eingelaufenen
Bittichreiben vieler Bischöfe in Bontus, Kleinaſien und dem Orient, denen es ſchwer falle
oder gar unmöglich fei, das Andenken ihrer Vorgänger Tirhlib um der Union willen
preiszugeben. Er fchreibt geradezu: tantaque eorum obstinatio est, ut omne peri-
culum pro tali facto parati sint sustinere (p. 949, 1), und als der Papſt mit der
Antwort zögert, trägt er jein Anliegen ruhig, aber nachrrüdlich, noch einmal vor (Ep. 136
p. 9588q.). Daß Hormisdag ihm erit am 26. März 521 fein Begrüßungsjchreiben be: :
fcheinigt (Ep. 138 p. 965 sq.) und unter dem gleichen Datum in längerer Ausführung
(Ep. 141 p. 970—979, lateinifh und griechifch erhalten) feine Millensineinung bezüglid)
der Renitenten zu veritchen giebt, deutet nicht gerade auf ein warmes Verhältnis und Spricht
dafür, daß man inzwiſchen aud) am Hofe bedenklich geivorden war. Dafür erlebte die
Hauptitadt das ihr völlig neue Schaufpiel, daß ein Bapft ihre Mauern betrat: der Nadı- :
tolger des Hormisdas, Johannes I. (16. Auguft 523 — 18. Mai 526), kam, der Not
geborchend, nicht dem eigenen Trieb, nach Konitantinopel, um die Artaner des Weſtens
von der über fie verhängten Verfolgung loszubitten. “Der Oſtermeſſe (Marc. ad ann.
525) wohnte er auf einem höheren Throne bei als der Patriarch (j. über die Einzel-
beiten den A. Johannes I., Bd IX, 355f.; von feiner Duelle geftügt it aber die Be::
bauptung, daß J. der Weihnachtsfeier beigermohnt babe; ob ſich die Vorgänge 525 |fo
Marc.; Theoph. p. 169, 19 sqq. ficher falih 524] oder 526 |f. Duchesne, Lib. Pontif.
1, 277] abgejpielt haben, muß bier —— bleiben; wahrſcheinlich iſt 525 richtig [jo
auch Langen 300)).
5. Bis zum Tode Juſtinians I. Am 1. April 527 nahm Juſtin feinen Neffen
um Mitkaiſer an. Am 1. Augujt ward Juſtinian I nad dem an diefem Tage (Mal.
124, 17; Chron. Pasch. 617, 9) erfolgten Tode des Oheims Alleinberrfcher. Über
feine Kirchenpolitik ift im allgemeinen ſchon an anderer Stelle berichtet worden (ſ. d. A.
Juſtinian I., Bd IX, 656, 15ff.). Soweit die Haltung dem Weſten gegenüber, für Die
die Anerkennung des römischen Stubles als der höchſten Firchlichen Autorität maßgebend
blieb, in Betracht fommt, mag man das Nötige dort und in den Artikeln Dreifapitelftreit,
Theopafchiten und Vigilius naclefen. Der wechſelvollen Gejchichte der Monophyſiten
baben wir näher nachzugeben. Den ſchweren Fehler, den er mit der Verfolgungspolitif
(.o. S. 388,52) begangen hatte, hat Juſtinian bald als ſolchen erkennen gelernt (vol.
Vd IX, 656, biff.). So wenig er daran denken mochte, die nun einmal. offiziell aner—
fannte Drthodorie wieder zu befeitigen, fo nahe lag doch der Wunſch, die Monophyſiten
gewinnen, Jumal die Kaiſerin Theodora monopbufitiichem Einfluß zugänglid war und
ũr eine Hebabilitierung der Bartei, mit der fie in ihren frommen Anwandlungen jun:
pathifierte, je länger defto eifriger arbeitete. Schon wenige Jahre nach Juſtinians Thron:
befteigung jind dahingehende Berbandlungen eingeleitet worden, die zumächt dahin
führten, daß die 518 verbannten orientalischen Bifchöfe nach der Reichshauptſtadt citiert
wurden (j. die Angaben in der unten |. 392,14] zu erwähnenden Eingabe Hist. Misc.
9,15 p. 190, 1184q., die beweifen, daß die Initiative vom Naifer ausging). Hier
follten fie ın einem Religionsgeſpräch gewonnen werden, an welchem ſich auf der Segen:
feite nur ſolche Kollofutoren beteiligen ſollten, die ſich ausprüdlih zu dem Satze De
fannten, daß Gott der Herr, einer aus der Dreteinigfeit, am Fleiſche gelitten babe (ſ. d.
A. Theopaſchiten). Dieſe fogen. Collatio cum Severianis (vgl. über fie den Brief
eines der orthodoren Teilnehmer, des Biſchof Innocentius von Maronia [öttlid von Philippi
am Meer], an einen befreundeten Presbyter, bei Mansi 8, 817. 856; die Yebensbejchrei-
bung des Johannes von Tella Konſtantine in Miefopotamien], der als monopbpfitiicher Volle:
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50)
25
su
392 Monophyfiten
futor anivefend war, gebt auf Die Verbandlungen nicht ein; vgl. Klein, Johannes, XLIX?.)
wird gewöhnlich angejegt, und dieſes Datum dürfte trog der Einwendungen, die Xoofs
(Yeontius 283 f.) Dagegen erboben bat, das richtige jein, fofern man nur beachtet, daß die
Werbandlungen fihb nicht in einen furzen Zeitraum zufammengebrängt, fjondern auf
längere Zeit verteilt baben (Hist. Misc. 9, 15 p. 196, Gsqq. fagt ausbrüdlich: „nachdem
vieles die nicht furze Zeit eines Jahres hindurch aud von den gläubigen d. h. monophy⸗
fittfchen] Bischöfen... gegen die Synode von Chalcedon geredet war“; damit läßt ſich
vereinigen, was ſchon Pagi |Mansi 8, 834sqq] für 532 gefagt bat). Die Annabme
einer Identität diefes Geſpräches und der Verhandlungen im April 531, deren Cyrill m
iv der Vita Sabae (cp. 71 p. 344) gedenkt, ift, auch wenn man zugeben will, daß dort
von fürmlichen Verhandlungen überhaupt die Rede ift, durch nichts (auch nicht durch eine
etivaige Beteiligung des Leontius an beiden Akten) nahegelegt. Die in der Hauptitabt
verfammelten monophyſitiſchen Biſchöfe und Archimandriten (f. Hist. Misc. p. 196, 11.
35) richteten an den Kaiſer eine Gingabe (Öönas; erhalten Hist. Misc. 9, 15; aus
15 p. 196, 12 fann man vielleicht fchließen, daß Sobannes Bar Apbtonja [j. Wright,
Syriac Literature =. 84f. u. F. Nau, Histoire de Jean Bar Aphtonia in Rev.
de l’Or. Chrät. 7, 1902, 97—135], der Verfaſſer war, in der fie ihr amtincftorianifches
und antieutychianiſches (bzw. antiapollinariftifches) Glaubensbekenntnis unter Betfügung
zahlreicher Beweisjtellen darlegten (Darunter die Berufung auf Dion. Areop. de divin.
»» nomin. 1,4 MSG 3,592 A; der Redattor hat leider die übrigen dem Schreiben bei
gefügten gorjoeıs weggelaflen), um mit der Ablehnung des Tomus Yeoni® und der Formel
von Ghalcedon zu fchließen. Auf diefe Bittfchrift beziehen fie ſich gleich zu Anfang ber
Werbandlungen (Mansi 818C: nos satisfactionis chartulam de fide nostra com-
positam piissimo imperatori porreximus, et in ea omnia quae nobis ambigua
»; videbantur et scandalizabant nos intexuimus); auch die Gegenpartei bat fie ge
lefen, denn der Vorſitzende, Biſchof Hydatius von Ephefus, antwortet: chartulam illam
pervidimus, in qua tam supra quam infra Chalcedonense concilium cerimi-
namini (ibid.). Die von den Monopbrfiten vorgetragenen Argumente verlaufen m
der gleichen Richtung (daß fie dabei behauptet bätten, Cyrill habe die dionyſiſchen
30 Schriften gekannt, kann man aus p. 821 D nicht berauslefen). Das zweitägige Geſpräch,
dem ſich noch eine Verbandlung vor dem Kaiſer anichloß, endete ohne Ergebnis: nur
Philoxenus (der Jüngere), Biſchof von Toliche, ließ fich gewinnen; die übrigen fünf
Teilnehmer (Zergius von Cyrus, Thomas von Germanicia, Petrus von Refaina [Tbeo:
doftopolis], Johannes von Tella |Ronjtantine] und Nonnus von Circeſium; fie erden
3 auch in der Yilte der 518 verbannten Bifchöfe |}. o. S. 389,30] aufgeführt) blieben auf
ihrem Standpunkt. Juſtinian aber bielt für angemefien, am 15. März 533 ein Geſet
zu erlaffen (Cod. Justin. I, 1, 6), worin er wiederum Chalcedon als Nichtfchnur dee
(Glaubens neben den drei anderen Synoden bezeichnete. Seinem Patriarchen — es war
noch Epiphanius (ſ. o. S. 391,3) --- ließ er am 26. März einen entiprecbenden Ukas zu-
40 geben (Cod. I, 1,7) und unterrichtete auch Papſt Johann IL, der darauf am 25. März
331 die m Den Kodex aufgenommene Antwort gab (I, 1,8; dem päpftlichen Schreiben
iſt bier das fatferlicdhe eingefügt, an deifen Abjfendung im Sabre 533 trotz Loofs aa. O.
IR nicht gestveifelt werden kann; übrigens ift es auc in \uftinians Brief an Agapet
|Mansi 8, 8158q. aufgenommen und bier auf 533 datiert). Natürlich gingen die Vers:
45 bandlungen mit den Monopbofiten weiter, und der Einfluß der Katferin teitt immer:
mehr hervor. Sie iſt auch in erfter Yinie beteiligt (j. Hist. Misc. 9, 19 p. 207, 29q.;
Ev. 4, 10), als nun mit Zeverus, den eigentlichen Haupte der Partei (ſ. o. ©. 386,4
ud vgl. d. A. Severus), der fih in Agypten aufbielt, Verbindungen angelnüpft werben.
Briefe geben bin und ber (Ev. t, 11: oacovraı rolvuy &ruorolai ZevnooV Te
a Jovotwiaro» zoös te Crodcöpur, was Niceph. H.E. 17,8 einfach nachgejchrieben
bat). Einen Brief des Zeverus an der Naifer bat die Historia Miscellanea (9, 16
p. 197, 2- 204, 15) aufbewahrt. Aus dieſem Schreiben ergiebt fih, daß ihm der Kaiſer
freies Geleit zugefichert hatte. Severus aber, der die Hofintriguen fannte, lehnt die Auf
forderung, nach Nonftantinopel zu kommen, dennoch ab. Zugleich verteidigt er fich gegen
5 Die „Verleumdungen“, daß er in Alerandrien Zank und Unrube gejtiftet babe, und gegen
die Vorwürfe, Die man ibm wegen jener Museinanderfeßungen mit Julian von Hali:
karnaß (ſ. d. A. Bd IX, 60657. und unten 2. 400,22) machte. Wiederboltem Drängen
bat er ſchließlich doch nachgegeben und iſt 595 de Hist. Mise. 9, 16 p. 204, 16—18, wo
91
Die 15. Indiktion — 53135 angegeben ft, während gleich darauf [9, 18 p. 207, 27] die
th. Indiktion — 535756 genannt wird) in Die Neichsbauptftabt gelommen, um bier
Monophyfiten 393
tbatkräftig für die Förderung der monophufitiichen Sache einzutreten. Wermutlich batte
damals der Patriarchenwechſel ſchon jtattgefunden, bei dem nach dein Tode des Epi-
phanius (5. Juni 535, nicht 536, trog Theoph. p. 217, 28q., der ihm ſechzehn
Amtsjahre giebt, übrigens auf alle Fälle eine falfhe Indiktion [15. = 536/37] bat)
der Günftling der Thevdora, Antbimus, bisheriger Bilhof von Trapezunt, Tr: 5
liher Regent der Hauptitadt geworden war. Anthimus, befannt durch feine Fromme,
jtreng astetifche Xebensweife (Joh. Eph. Fragm. p. 247: qui quum per vi-
ginti duos annos panem in os omnino non inderet, non taeduit eum
jejunii nec vigiliae assiduae nece precum neque officiorum perpetuorum
neque ea unquam omisit; f. auch Joh. Eph. Comm. 48 p. 158 und Hist. Misc. 10
9,19 p. 207,34), hatte fich fchon längere Zeit in Konftantinopel aufgehalten. An dem
Keligionsgefpräh von 533 hatte er noch als orthodorer Kollofutor teilgenommen, aber
inzwijchen die Schwenkung zu Gunſten der Monophyſiten durchgemacht. Das Schreiben,
das er an Severus richtete (Hist. Misc. 9,21 p.212, 13—217, 19; vgl. Ev. 1, 11,
deſſen Bericht fih auf dieſem und auf den gleich zu erwähnenden Briefen aufbaut), zeigt, 15
daß die kaiſerliche Bolitit zu den Pfaden Zenos zurückzukehren gedachte. Indem Anthimus
dem Severus verfichert, daß er mit ihm Gemeinſchaft halten wolle, befennt er fih zu
den drei großen Synoden, nimmt „die firchenvereinigende Schrift des De an, die zur
Vollendung der Gottesfurcht ſowie zur Bejeitigung der Synode von Chalcedon und Des
gottlofen Tomus des Leo dient“ (p. 214, 14— 17) und lehnt den Dyophyſitismus ausdrüdlich u
ab. Es iſt begreiflich, daß Severus die ihm unter Jolchen Umftänden angetragene Gemein:
haft in feinem Antwortjchreiben (Hist. Misc. 9, 22 p.217, 22- -222, 7) mit Freuden
begrüßte und erwiderte; ebenfo, daß er fofort dem ihm befreundeten (Hist. Misc. 9,19
De 10) alerandrinifchen Patriarchen Theodofius (ſ. u. ©. 394,31) von dem erfreulichen
echjel in den Gejinnungen des oberften Bischofs (ala ſolchen bezeichnet er ihn p. 217,313
ausdrüdlich) Kenntnis gab (Hist. Misc. 9, 23 p. 222, 9—224, 25), was diefen zu
einer ebenjo beglüdten Antwort veranlaßte (Hist. Misc. 9, 21 p. 224, 27—228, 9).
Auch Anthimus und Theodofius mechjelten Gemeinfchaftsbriefe (Hist. Misc. 9, 25
p. 228, 11— 231, 33 und 9, 26 p. 231, 36—-236,3). Dieſer freudigen Stimmung murde
aber bald ein Ende bereitet. 30
Der Bilhof Ephräm von Antiochien (f. oben S. 390, co und vgl. über feine faſt ganz
verloren gegangene Cchrifitellerei Photius Cod. 228 Bekker p. 245—2419 und 229
p. 249—266 |bier ein ausführliches Excerpt aus einem umfangreichen, der Verteidigung
Cyrills und Chalcedons, ſowie der Widerlegung des Severus gemwibmeten Werke; einige
Bruchſtücke daraus bei Mai, Nova Collectio 4, 63 und 7,204 wieder abgedrudt MSG »5
86, 3, 2103— 2110], der jchon früber dem Antbimus die Ziveinaturenlehre angelegentlid)
empfohlen (f. d. Auszug aus feinem Briefe bei Phot. p. 247 b) und bei feiner Erbebung
zum Patriarchen vom Kaiſer befondere Garantien gefordert hatte (Brief an Juſtinian
ebd. p. 217 a), war an der Gegenmine befonders beteiligt: er entbüllte Durch einen
ägemen Boten, den Arzt Sergius aus Reſaina (Theodofiopolis; vgl. über ihn Mrigbt 10
88— 93), die Sache dem römischen Bifchofe Agapet (Hist. Misc. 9, 19 p. 208, 13 big
209, 17; |. auch 10,1 p. 237,16). Diefen führte bald darauf ein Auftrag des Goten:
fönigs Theodahat nah Konftantinopel (vor März 536; das Datum 20. Februar |f.
Jaffé, Reg. 114] rubt auf der Angabe ver Vita Agapeti im Lib. Pontif. X Kal.
Mart. [jo nad Pagis Korrektur des überlieferten Maias]; vielleicht ijt diefe Angabe 15
: aber nur Interpolation ſ. Duchesne, L. P. 1, 288 N. 5]), wo er fich der Gemeinſchaft
ı mit dem „Chebrecher” (Hist. Misc. 9, 19 p. 209, 36), d. b. dem unkanoniſch von einem
Biſchofsſitz zum anderen übergegangenen Batriarchen enthielt (vgl. außer Hist. Misc. nodı
Liber. 21). Agapet wußte den Kaifer umzuſtimmen. Anthimus refignierte freiwillig
(. u. ©. 394,6). Sein Nachfolger ward am 13. März (f. Jaffe p. 114) 36 der Vorfteber 50
des Samfonbofpitald zu Konjtantinopel Mennas, den der Bapft felbft ordinierte (Liber.
23) Natürlih mar man aber mit diefem Perſonenwechſel nicht zufrieden, fondern ver:
langte eine die Allgemeinheit angehende dogmatiſche Aburteilung. Archimandriten und
Mönde in SKonftantinopel, aber auch ortbodore Mönche und Biſchöfe Deo Oſtens, Die
fh in der Hauptftadt zufammengefunden batten, klagten Anthimus der Ketzerei an, 5
und der Papft erklärte ihn für erfonmmuniziert, fo lange er ſich nicht gereinigt babe.
Nachdem dann Agapet am 22. April (f. feine Dita, ob richtig) 536 in Nonjtantinopel
geftorben war (feine Leiche wurde nach Nom überführt und dort am 17. Zeptember bei:
gelebt), wurde Mai und Juni 536 unter Mennas jene Durch Die Vienge der von ihr
erhaltenen Altenftüde (Mansi 8, 814- 1162; fie werien auch auf Die Vorgeſchichte vo
|
—— (Novell
BE ae
15 feinen Weggang Mise, 9, 20 p. 210,
Ba ehem — Echreiben (über fee Toeieren Side d. A.
— Gine am 19. September 536 zu Serufalem gehaltene Spnode bei
des us bei; zur Verdam |
—— — — der
on Zella (}. o.) am Februar 538 LXXXVII]) |
Creinifen : gegen das Ende leider Gen vi in IE
list. Mise. 10, 1 p. 237, 10—238, 13; 10,2 u. 3, die gleichfalls von. der
a m ern dafür ift der Bericht des — ne rn em
lieben, d Assemani 2, 5lsqg. erzerpiert [vg zu Hist, Misc. p. 239,9];
auberdem a Joh. — 221—23 — 104, 3. 111,33. 134, 31 für
ng zu
0 die heilen den — unb Aufianiften (f
den Streit in die ben der onen Bett de Liber jelbjt „getragen * |
536) ‚ fam wa mtr Beide m
Als Kandidat der — trat Theodoſius auf, —* ran
" Winde —* ie —— bein Ni Sam * —
—— chr ade |
' Dam wurde er urch He es Erkenntnis abgeſetz verſchickte ihn
40 dinien, wo er verichollen ift), und, wiederum unter Konſt p
dofius von neuem eingejeßt (wahrfcheinkich Juli 535), Aber J * — 5
nicht, die Sympathien der Alexandriner zu gewinnen, und er verlieh, der ewigen Unrub
ar ala alfa —* non —— bella a Pa —— cum exer n
populo, a t eigentlich vertri ‚n nem onaten ——
4 * Nov. 536) Die Hauptſtadt, um, wie es ſcheint (vgl. Severus von Aſchmonim bei
139; ſ. v. Gutſchmid 465), fh der Propaganda im Inneren Ägypiens zu widmen.
pbei Jahren wurde er nach Konſtantinopel vorgeladen und, nadyoene man bort
—* hatte, ihn zur Anerkennung der Synode zu bringen, en abgeſetzt und in
idenz verbannt, wo er vor dem 13. Auguft [22. | 2] 566 (Joh.
50 Be 48 p. 159: mense nono postquam Justinianus rex mortuus erat
nicht 567, wie von Gutſchmid S. 460 meint) nad) 31%), Jahren feiner Ynntöverionftumg
(Joh. Eph.1. e.), was mit dem oben [S. 394, 3] angenommenen Datum jeines ——
ſtimmt), geſtorben iſt. Die ägyptiſchen Monopbufiten haben nicht auf aufgehört, 1 |
ihren rechtmäßigen Batriarchen anyufeben, und er bildete dauernd den Mittelpunkt ihrer
55 agitatorischen Beftrebungen. An feine Stelle trat ein gewiffer Paulus, Abt aus Tabennälf,
0.©.380, 31), ber in perfönlicher Angelegenbeit nach Konſtantino * elommen oc und fi den
Haifer durch jeine Nachsiebinfei in der Synodenfrage empfab & wurde in Konjtantinopel
von Dennas in Gegenwart bes päpftlichen Legaten Pelagius und — Spbräms
von Antiocbien und Petrus' von Jerufalem geweiht (wohl nod 539 ; Die iologie if
oo aber völlig unficher; Viet, Tunnun, berichtet die Abjegung des
sr
WW
Monophufiten 395
zu Spät, zu 540, die Einfegung des Paulus zu 541) und von Juſtinian aud mit poli—
-Sichen Befugnifien ausgeitattet. Er fand aber feinen Boden, mißbrauchte vielmehr feine
Gewalt. Die Quellen (außer Liber. noch Procop. Hist. Arc. p. 150 sqq., Leont. de
sectis act. 5 MSG 86, 1, 1232; und der leider verftümmelte Bericht der Hist. Mise.
10, 1 p. 238, 25sqq.) ſchieben ibm Schuld oder Mitfchuld an den Tode eines Dia:
. Ionen zu (timens quod de Proterio contigerat, fagt Yiberatus). Möglichertveife war
auch fein dogmatifcher Standpunkt nicht ganz taftfeit: nach Viet. Tunn. ad ann. 541
oa
‚ beging er das Gedächtnis des Todestages Dioskorus' II. firchlih (Theoph. p. 222, 18
1 chic: mv uynunv Zevnoov, der erit am 8. Februar 343 ſtarb; Die Notiz bei
‚ Tim. Presb. p. 42 beziebt jich nicht, wie Diekamp, Irigeniftifche Streitigkeiten, 44, N. 4 10
chlich meint, auf diefen Baul, ſondern auf Baul den Schwarzen von Antiodhien; . über
beſen unten S. 396, :2). Jedenfalls machte er fich auch bei Hofe migliebig. Der Kaifer forderte
„Alten ein und veranlaßte durch Vermittelung des päpftlihen Nuntius in Konftantinopel,
r Papſtes Pelagius, der ſelbſt in den Orient reijte, jeine Abſetzung durch die
' tarchen des Oſtens (Ephräm von Antiochien, Petrus von Serufalem, Hydatius von 15
‚ Epbefus) auf einer Synode zu Gaza, die fpäteitens Oftern 512 (fo ſchon Diekamp
‚2-45 gegen v. Gutſchmid 468f.; vielleicht fand aber die Verfammlung noch früher
Ratt) abgebalten wurde. Sein Nachfolger Zoilus, gleichfalls ein Synodit, amtierte bie
"551 (nicht 550) und wurde dann, weil er Die Verbammung der drei Kapitel (ſ. d. N.
ttapitelftret Bd V, =. 21) nicht unterfchreiben wollte, vom Kaiſer abgejeßt, was 20
Erchlicherjeit3 trotz Widerſpruches des Papſtes Vigilius im Juli 551 anerkannt wurde
(sgl. Viet. Tunn. ad ann. ö51 und Fragm. damnationis Theodori Episc. Cae-
sareae Cappadociae a beato Papa Vigilio factae bei Mansi 9, 58—61; aus dem
‚ von W. E. Crum in den Proceedings of the Society of Biblical Archeology 19,
} 1897, 218— 222 veröffentlichten Bruchftüd eines Palimpſeſtes, das fih auf irgend welche 25
h Borgänge feiner Amtözeit bezieht, ijt bezüglich der Perfon nichts weiter als der Name
‚ m entnehmen).
Auch auf Rom hatte Theodora inzwiichen ihre Pläne gerichtet. Nach Agapets Tode
do. ©. 393,57 und vgl. zum Folgenden die genauen Duellenangaben bei Jaffe 117 ff.;
es kommt Bauptfächlic die genaue und anjcheinend durchaus zuverläffige Darftellung bei 30
Liber. cap. 22 in Betracht) hatte fie deſſen in Konftantinopel mit anweſenden Tia-
Ionen Vigilius (ſ. d. A.) an fich gezogen, der fich für den Fall feiner Erhebung auf
den römifchen Stuhl verpflichtete (amore episcopatus et auri, fagt Yiberatus), bie
Eynode zu befeitigen und mit Theodofius, Antbimus und Severus in Gemeinichaft zu
treten; tie verſprach Geld und die erforderlichen Befehle an Belifar. Vigilius erflärte 36
fh über feinen Glauben befriedigend, fand aber in Italien bereits Zilverius, einen
Sohn des Papites Hormisdas, gewählt. Aber Belifar, der im Dezember 536 in Nom
mit Silverius verbandelte und feine Bereitwwilligfeit für Theodorens Wünſche bei ihm
fand, bemächtigte fich feiner -- er Fam aus dem Palatium auf dem Mons Pincius
nicht wieder zum Vorſchein -— und Ichidte ihn nach Patara in Yıcien in die Verbannung ; 0
angebliche verräterifche Nerbindung mit den Goten bot den Vorwand. Wigilius wurde
inter Belifard Schu am 29. März 537 (f. die Uuellenangaben bei Jaffe; alſo nidt
am 22. November, wie Gutſchmid S. 467, wohl auf Grund des Vapftbuches, ſchreibt).
Juſtinian, durch den Bilchof von Patara benachrichtigt, ließ zwar Zilverius zu ordnungs⸗
mäßiger Unterjuhung nach Rom zurüdbringen, aber Theodora wußte es mit Hilfe des s
Pelagius durchzufegen, daß der Unglüdliche dem Vigilius ausgeliefert wurde, der ibn auf
die Inſel Pontiä Schaffen ließ, wo er - nach Angabe jeiner Vita Hungers ſtarb. Nun:
ſchickte Bigilius fein die zwei Naturen in Ghrifto verwerfendes und die Antiochener
mendes Bekenntnis (aufbeivahrt bei Yiberatus) an Theodofius, Antbimus und Se:
verus, verlangte aber von ihnen Seheimbaltung, um ohne Aufjchen weiter wirken zu sw
en. Dem entfpricht es, wenn anders das Bekenntnis bei Pitra (Spieil. Solesm. 1
p XI; ſ. Jaffe Nr. 908) dem Papfte und ungefähr diefer Zeit angehört, daß er fich
geichzeitig offiiel zum chalcedonenſiſchen Glauben befannte. Jedenfalls bielt er feine der
Weobora gegebenen Berfprechungen nicht: in feinen an Juſtinian und Mennas gerichteten
bom 17. September 510 (Mansi 9, 35- 38. 38- 40; Regeſten bei Jaffe Wr. 91V 55
ua 911) trat er dem Anathem der Synode von 536 über die drei monophyſitiſchen
ei.
i ,, Ran kann nicht jagen, daß die ehrgeizige Kaiſerin mit ihren firchenpolitifchen Aktionen
we Glüd gehabt bat. Um jo mehr muß man Die Zäbigkeit hervorheben, wit der ſie
in ihren lebten Yebensjahren (geft. 518) immer wieder für ibre Schüglinge einge: a0
ww
AlııT Monophyfiten
ireien un Die kirchenpolitiichen Maßregeln der Jahre von etwa 540 ab darzuſtellen
ebort wennaleich Das Schickſal der Monophyſiten dauernd damit verfnüpft tft, nicht in
ben Raburen ee Arzikels: men val. Die N. Dreikapitelſtreit Bd V S. 21 ff., Juſtinian
SP IN [657 un Trrgentitiiche Streitigkeiten. Thatſächlich bebielten die Monopbr:
Ni wahrend der zanzen Kegterang Juitinians in der Hauptſtadt feiten Boden, und ın
vreien pr an Agrr vten Lnken Ko den maßgebenden kirchlichen Einfluß. In Konſtan⸗
unerei wuerde Jakrens KFattdaus % d. A. Bd VIII S. 566, 57 ff.) von Theodoſius von
Wendt I oem Zoo, vonder auf Betreiben Der Kaiſerin, 541 oder 543 zum
Kichet zeireret. um Svuren Seren la Uraantiater des öftlihen Monophyſitismus
tzäiwt N NA Safzerzen BO VIII 2. 567 57D. In Theodoras Auftrag ging
der OHOHDPEPHLAD. AUHtztn. os z Julian aus Alexandrien (ſ. BP IX S. 653, 2ff)
tes Merten zu den finectaert. u Set Umgebung jammelte jih nah und nadı eine
AI torte Sort ÜConper sr Tmrar Mc aus den Ditlichen Provinzen vertrieben ſich
id Re Ruüuptucde inwtercet Ne are amziebenden Napitel in des Johannes von
Foren N wre *5* Seren lang Des Kaiſers Vertrauen genoß (. d. A. BdIX
I Stapamien 9022.50, 27, Joh. Eph. Comm. 47 p. 154-—157: de
ousenitbus sanes 3 Theudora regina Constantinopolin arcessitis) wird ge
wadr, dvonzerzer een „Heiligen“ — Son an der Zabl -- im Palatiun des
Need gt ven — Wobnung anweiſt und fie vernilegen läßt, und mie die
Vereeent iuy wen Kenteten: nopel zu ibnen gelaufen fommen, ſogar folche, die der Ep:
—X PUR REN Heh fie gewähren und billigte ihnen auch nadı bem Tode
way Syrgihigovere Zöoug au Er felbjit war ja je länger je mehr Theologe geivorden,
ie SUNONIES Lebens bat er Durch fein Eintreten für den Aphtbartobofetisinus
DEIN In. Fo den Orthodoxen noch einmal böjen Anitoß gegeben. Ter Ra-
ma. II NMBDRVL. 648), der im Auguſt 552 den Mennas gefolgt
weder ab der neueſten dogmatifchen Wendung widerſetzte, abtreten (22. Ja⸗
ae Serie Notiz BD IX =. 319,16 ff.) und wurde durd Xobanneslll.
arten DM BOEIX S. 2319) erieht, der Garantien für ein Wohlverhalten bot,
Saar ms achalten hat. Am 13. nicht 1-4. [jo falſch Bd IX, S. 319,54 und
Sr Susfenmachnveife bei Clinton 818) November 565 ſtarb Nujtinian.
Non or Musaaig I 6. Jabrhunderts. Sein Neffe und Nachfolger
ia ba Me ssh 5. Cie 578 |Chron. Pasch. p. 376]; jeit Dezember [fe
Sie SE Rbrie an Erde des wabhnſinnig gewordenen Kaiſers der Cäſar Tibe⸗
yo Nonatsiktd war ein Werkzeug in der Hand des Defpatrianden. Seit dem
Yon Nester, UL, ergingen, wie Joh. Eph. KG 1, 4. 5 berichtet, andauernde
“owaangsito 58 Rlackereien über die Monophwſiten der Hauptitadt. Unfere Duelle,
a spaaet ce Menge lebendiger und individueller Züge verdanken, will dafür be:
sy ya tunttubrit Johannes verantwortlich machen (vgl. boſender 1, 11), der gierig
oe Wtonub dent Blute der Lämmer gelechzt babe (1, Die gottespdienftliucen
. metsipertit der Monophyſiten wurden geicloffen, die Altäre zeritört, die Prieſter
note und in Daft geiporfen (1, 5), Die Alöjter (auch der Konvent der
2. 7586,17) verwüſtet und Die Inſaſſen gezwungen, mit den Synoditen
arm AHzieren eder ins Befüngnis -- den Nonnen erging es fehlimmer — und in
. esselittib {U Wandern (1, 10. 1m. Daß Raifer und Naiferin (Sophia, die in
ar etsit ſich zu Den Menophofiten gehalten batte ]2, 10), fih, vom Patriarchen
zo ul Del Ssrlelgungsmafrenelt aktiv beteiligten, wird ausdrücklich hervorgeboben
ya Kerlaufe ging Johannes Dazu fort (1, 12), monophyſitiſche Kleriker, die ſich
ia alten und in Die Gemeinſchaft aufgenommen worden waren, nachträglib
a war zu entkleiden und aufs neue zu Wweiben (1, 12), wogegen fih tum
ent ontlltte al, 165 vgl. 2,59. Nunmebr kam es auch zu langwierigen Ver:
oa it den Marteiführern, unter denen neben \obann von Epbejus, ber
ie nodlichit unparteiiſchen (ſ. 1, 30) Bericht erftattet bat (1, 17--30) Paul
‘wenn dev Schwarze (val. Timotheus Presb. de recept. haereticor.
ont Pr) Bro Zophronius don Jeruſalem, der auf der 6. Synode verleſen
. Mansi 11,501: Plarios 6 ursanös, o® uöro» ÖE Aeyöuevos,
EN unkeidydrtn), Nominalbiſchof von Antiocdien (er war dem Sergius,
he ebene ſeit 555, unſicher wann gefolgt), hervorragte. Klugerweiſe
sy Monppbuftten zu gewinnen, auf Die Unionsformel von 433 zurüd
» o) und berieh ſich Darauf, daß Gorill fie angenommmen babe. Die
sb ſoſort, daß damit Der eigentliche Zankapfel, Chalcedon und jene
Monophyſiten 397
Formel, nicht bei ſeite geſchafft war. Sie gaben auch nicht nach, als ihnen ein kaiſer—
liches Edikt (Wortlaut bei Ev. 5, 4; vgl. Joh. Eph. KG 1, 19) vorgelegt wurde, in dem
die Frage nach der Synode geſchickt umgangen war, beftanden vielmehr auf Anderungen,
die, wie Johannes felber jagt (1, 19), „Die ganze Härefie der zwei Naturen mit ihren
Wurzeln ausgerottet haben würden.” Unter folchen Umständen ijt nicht zu berivundern, 5
daß „der ganze Schtwarm der Nejtorianer und Semineitorianer in Beltürzung geriet und
fie fummten wie Weſpenſchwärme“. Einiges Wenige wurde freilich aufgenommen, aber
der Schlußſatz des Ediktes, daß die bisherige Gewohnheit und der bisherige Zuftand
(Edos xal oyjua) in der Kirche unverändert bleiben müfje, hinderte Die Ginigung. Die
Monophyſiten ſahen darin lediglich eine Yift, die bewirken follte, daß „ſich das Rad zu
ibnen, den Nejtorianern, hindrehe“. Übrigens ſtieß die eigenfinnige Haltung der Biſchöfe
allmählih bei den eigenen Barteigenofjien auf Widerſpruch; zumal die Anhänger des
Monopbyfitismus in der vornehmen Geſellſchaft waren mit ihrem Starrfinn unzufrieden
(1, 22). So ließen fie fih endlih und indem fie fich der, anfcheinend durch den Patri—
archen genährten (f. 1, 24), Hoffnung bingaben, daß man die Synode jtilljchtweigend
fallen lafjen werde, zum Eingeben der Kirchengemeinjchaft breitichlagen. Aber im lebten
Augenblid wurde die Lage dadurch, daß der Patriarch plöglic erklärte, man müffe erit
die Genehmigung Roms einholen, wieder völlig verändert. Mit Necht erblidten die Bi-
fchöfe in diefem neuen Verſuch, die Dinge zu verzetteln, eine Täufchung und traten, voll
bitterer Reue über die von ihnen gemachten Ronzeffionen (1, 25), wieder zurüd. Die 20
Folge waren erneute Bedrüdungen. Noch einmal vor den Kaifer gerufen (1, 29), der
mit dem Patriarchen unzufrieden war (1, 28), „kämpften fie einen mächtigen und ge:
waltigen Kampf“, der damit endete, daß alle verbannt wurden. „Sie gingen binaus,
wurden voneinander getrennt und ſahen ſich nie wieder”. Übrigens blieben nicht alle
dauernd ſtandhaft (vgl. auch 4, 15). Paul von Antivchten Tieß fich nicht nur unter de: 2
mütigenden Umjtänden von neuem zur Gemeinſchaft berbei, ſondern er erlangte, als er
fih wieder frei bewegen durfte, ſolchen Einfluß beim Kaifer, daß der ‘Patriarch für ſich
zu fürchten begann (2, 3). Schließlich flob Baul, dem der Boden doch zu warn fein
mochte, aus der Reſidenz und fand Zuflucht bei dem Araberfürften Mundar (2, 7). Die
Theodoſianer in Ägypten (alö geborener Alerandriner [Joh. Eph. 1, 41] und früberer 30
Synzellus des Theodofius war Baulus dort nicht unbefannt) und die Jafobiten in Syrien
wollten wegen feines Abfalles nichts von ihm willen. Zwar nahm der alte Jakob Baradäus
den Reuigen nach drei Jahren wieder in die Gemeinschaft auf (4, 15), der monophyſitiſche
Patriarch Betrus von Alerandrien (576— 78) aber feßte ihn „gegen Geſetz und alle
Regeln und firchlihe Kanonen” ab (4,16). Der „alte und fchlichte” Jakob — Joh. Eph., 5
der für Paul Partei ergreift, betont die „Einfalt des Greijes” mehrfach — Tieß fich zu einer
Reife nach Alerandrien und dort zur Anerkennung der Abjegung des Paulus beivegen
(4, 17. 18). Gin tiefgehenves Schisma zwiſchen Jakobiten und Bauliten (Timoth.
Presb. de recept. haeret. p. 12: /lavkavıorai), das ſich aud auf die Klöjter erftredte
(4,23 7.), war die von Johann von Epheſus beklagte Folge (4, 19); vergeblich verfuchten 4
Runder (4,21. 36. 39}. 42) und der ägyptiſche Miſſionsbiſchof Longinus 4, 225 ſ. d.
A. Juftinian Bd IX S. 653,5), legterer auf einer Neife nah Syrien, den Streit zu
Knlihten. Umgefehrt goß der Nachfolger des Petrus von Alerandrien, Damianus (. d.
Bd IV S. 139), Ol ing Feuer, inden er die bereits angebahnten ‚Friedensperband-
lungen auf einer Reife in Syrien und nach Ronjtantinopel bintertrieb und an Stelle des 10
Paulus (580 oder 581) den Betrus von Kallinikus zum Patriarchen weibte (4,45. 43
bis 45. 60). Paul felbft flüchtete nach Konjtantinopel (vgl. 1, 54, wo die Angabe von
4, 47, er babe ſich in den ifaurifchen Bergen aufgebalten, zurüdgenonmmen wird), wo er
jo verborgen lebte, daß jelbjt der in der Hauptjtadt anweſende Johann von Ephejus ibn
nicht zu Geſicht befam (4, 54). Nad 4 Jahren, alfo wohl 58:45, tft er geftorben so
(4, 57. 58). In Konftantinopel jelbft waren in der lebten Zeit des Johannes Scho-
laſtikus (geft. wahrſcheinlich 31. Auguft 177) die monopbyfitiichen Gemeinjchaften wieder
auf Haudt Sein Nachfolger Eutychius (ſ. d. A. Bd V S. 648), den Juſtin wieder
aus der Verbannung zurückholte, ging zwar im Gegenſatz gegen die Monophyſiten ſo
weit, daß er die theopaſchitiſche Formel verwarf (2, 52. 3, 19), auch kam es unter ihm ss
zu regelvechter Verfolgung (vgl. den Bericht des Johannes 2, 15. 16 über die ihm zu—
en nen und über die Jerftörung eines gottesdienftlichen Yofales der Mono—
p im kaiſerlichen Palaſte der Marina); aber Kaiſer Tiberius (578-582), den
unſer Chroniſt ſehr lobt und dem er von Jugend auf nahe ſtand (2, 22), ſcheint den
tarchen eher zurüdgehalten zu baben, und daß er nad Eutychius den friedfertigen «u
U)
—2
*
—
— ke: hen a Der Monophyſitismu
es Ai angede
gi Eee
©. 386, 2ff.); u Bw en ein an m Dim
port zum Si ———
+. Leontius 3 — ©. 394) nötig, um ben hs Süßen wer
offaiele — u erzwingen. Hier 7 a die 9 “ —
w a = unter
Eee dr Ba ma Veit ea, Be Ba or
„Serie und d Denken in der einen "erfon ı des Heilandes er erleichterte (bier
———— von Loofs Bd V S. 636, 7 ff. und IV &.31,0ff. 33,3),
o ift die ätzen von ber Zweinaturenlehre mit ſchulm Kühle v
ar beider me naiv — Gemiten gar nicht, * aber he dann
eingegangen, wenn fie fich klar zu machen im ftande waren, über der jo dar:
gelegten Trennung der Naturen die Einheit von Perfon und Seinsweiſe nicht verloren
wo zu geben brauche. So war und blieb ide Formel meitejten — ber
als — — ein — Bien ir e war — nn zwar in gan man
s die ja auch unter abenvlän —— — —
ein abendländiſches, mehr noch, ein röm hen her nen Kane
id von denen empfunden, beren —5* * theo 36 ei ihnen
15 leicht geſtattet haben würde, ſich die Formel nad ihren Bedürfniſſen zurediti |
ie Boden eigentlich nur bei denen finden fonnte, denen die Yu echterbaltung.
* Einvernehmens mit Nom über die Wahrung des Friedens und de ei
den öftlichen Provinzen des Reiches ging (ſ. dazu weiter oben ©. 383,6).
'oeoıw ging unter feinen Umftänden einem Denken ein, dem ber num '
50 Ueberlieferung Ne Rd * ae 380, off.) gebeil nt Gedanke der — pas t
Aöyov 0e0aox war. So wu la m Sti
Ioctperbreiteien Dr bie —8 religibſen Sichtung, A indem Ten fen = ıbenseifri
Sohn der Gottesgebärerin zu ehren meinte und bie Ver
den zwei Gefichtern, das Leo und die Werfammlung zu ——— * chtet hatten
» (f, Zach. Rhet. 3, 1 p. 8, 11) mit Entrüſtung ablehnte, bie durch die. firchlichen For
meln wenigſtens äußerlich aufrechterhaltene Kühlung mit Ve volljtänd
verlor. Die Monopbufiten find, wie andere kirchliche ofitionspartei
ibrem Gegenfat zur —— in ſich ſelbſt zerfallen ſie in mannigfade Gen am
ſich in twütendem Glaub ensfanatismus gegeneinander gelehrt haben,
2) Diejenigen Monophyfiten, deren bedeutendfter Nepräfentant Severus if, baben ſich
Monsphufiten 399
gegen ben Vorwurf des Eutychianismus und Apollinarismus ſtets energiſch gewehrt. Tap
Eutycheo gleicher Verbammung würdig jei wie Neftorius (und die „Neftorianer“, d. b.
ſtets die Chalcedonianer, denen gegenüber ſich die Monophyſiten regelmäßig als die „Ortbo:
doren“, auch wohl als dtaxgıvöuevon |Tim. Presb. p.52C 65B: ol &avroug xuloüvres
owwouevovs, was nicht mit „Zögernde“ — nämlih das Konzil anzuerlennen — 6
fondern mit „Sich Abſondernde“ zu überfegen ift)) bezeichnen, gebt als ftändige Phraſe
durch Synodalfchreiben, Briefe und andere Dofumente diefer Richtung hindurch. Dem
Apoliinaris aber ergebt es kaum beſſer: „Alſo er“, fchreiben die feverianifchen Bilchöfe
in ibrer d&noıs an Jujtinian (Hist. Misc. 9, 15), von der bereits oben (S. 392,14) die
Rede war, „welcher völlig Wort, unveränderlicher Sohn Gottes tft, ward vollitändiger 10
Menſch. Er bat uns nichts von unjerer Erlöfung entzogen, wie der thörichte Apollinaris
fagte, daß die Menſchwerdung Gottes nicht vollſtändig geweſen ſei, indem er und das
durch feine Meinung wegnimmt, was die Hauptfachen in unferer Erlöfung find: denn
wenn unſer Verſtand nicht mit dem Norte vereinigt worden wäre, wie jener fafelt, jo
wären wir nicht erlöft und wären durch die Erlöfung von dem berabgeglitten, was in 15
und das Größte ift“ (p. 192, 5—15). Daß fie bei ihren xonoeıs aus den Vätern oft
enug apollinariftiiches Gut citieren, haben fie wahrfcheinlich gar nicht bemerkt, und jeden:
fall alle dieſe Monophyfiten dürften an den litterarifchen fraudes Apollinaristarum (1.381
S. 673,07.) unſchuldig fein. Sie fühlen ſich recht eigentlih als die Konſervativen,
darin den Origeniften des 4. Jahrh. ähnlich: darum betonen fie immer und immer, daß zo
ibr Glaube der der Väter von Nicäa fei, der von den Vätern in Sonftantinopel und
Epheſus (431) lediglich beftätigt wurde; darum war ihnen die ausdrüdliche Verwerfung
Chalcedons und des Tomus Leonis, wie fie die Encyhklika des Baſiliskus (richtiger Ti-
motbeus Alurus) enthielt (f. o. S. 379,15), Herzensfache, während fie dent leifetretenden
Henotifon Zenos nur mit dem Vorbehalt perjönlicher Interpretation des die Synode :
betreffenden Paffus beizutreten vermochten. Darum mußten aber auch die Machthabenden,
wenn anders fie gejunde Politik treiben und zwiſchen den Extremen burchfteuern wollten,
mit ihnen in eriter Yinie rechnen.
Severus und ähnlich gefinnten Theologen lag es ferne, das Menſchliche am Logos
zu bloßem Schein berabfegen zu wollen; auch einer Vermiſchung und Werwandlung von 30
Böttlichen und Menfchlichem tollten fie das Wort nicht reden. Chriftus ift aus zwei
Naturen zu ftande gelommen, deren Eigenjdaften in abstracto unterjchieden werden
fönnen ; aber nach der Inkarnation foll nur von einer Natur geredet werden Dürfen, weil
Die Feilbaltung der Zweiheit als zweier ſelbſtſtändiger Faktoren die Vorſtellung zweier
Subjekte oder individueller Weſenheiten notwendig mit ſich bringe Wan fand es bes
ſonders anftößig, wenn Xeos Brief aus der bleibenden Eigentümlichkeit jeder Natur fol:
gerte, daß auch in der Einheit der Perſon jede Natur das ihr Eigentümliche wirfe, wenn
auch in Gemeinjchaft mit der anderen. Gerade daß den beiden Naturen verſchiedene
natürliche Wirkungen (Eveoyeiar) zugeſchrieben werden, ſpalte den einen Chriſtus in zwei
rodowra, denn niemals wirke eine Natur, die nicht in ſich ſubſiſtiert; Zweiheit Der 40
Raturen merde Zweiheit der Hypoſtaſen. Im Anſchluß an Cyrill und an des Areopa-
giten Redeweiſe dont üvöowdeis deös und deflen za Yeavödoıziy &r£oyeua (f. Bd IV
E. 695,19) fonftruiert Severus von der in fich fertigen göttlichen Natur und Perſon des
Logos aus, der vermöge der Hinzunahme des Fleiſches und zwar des vernünftig bejeelten,
Fleisch und Menſch wird, ale Menſch aus dem Meibe bervorgebt und Einer bleibt, da er s
wegen der unzerreißbaren Einigung den VLeib als feinen eigenen bat und das Fleiſch un⸗
beſchadet der Erhaltung ſeiner natürlichen Eigentümlichkeit in ſeine eigene Herrlichkeit und
Wirkſamkeit umgeſtaltet und erklärt. Die vereinigten Elemente bilden eine zuſammen—
geſetzte Natur (und gottmenſchliche Hypoſtaſe), auf welche alle Thätigkeiten zu beziehen
find (ſ. das Nähere im A. Severus). 50
Während diefer gemäßigte und forufagen regierungsfäbige Monophyſitismus, dem in
mannigfachen Abjchattungen die Mehrzahl befonders der in den böberen firchlichen
Stellungen des Oſtens befindlichen Rerjönlichkeiten angebörte, ganz deutlich eine Fort⸗
— theologiſcher Gedankenbildungen der klaſſiſchen Zeit darſtellte, verharrten die Ra—
en auf dem Satze des Eutvches, der Flavian von Konftantinopel auf Befragen geant⸗
wortet batte (Mansi 6, 742B): EWS ONMUEOOV OUX EINOV TO oWua Tod Avolov zul
deod nucv Suoovoor pr: nichte Wenichliches follte dem fleiſchgewordenen Logos
anhaften. Sie ſtanden von Anfang an den Gemäßigten feindlich gegenüber. Schon Dem
Baläftinenfer Theodofius (f. o. S. 376, 15) batten fie „Not auf Not zugefügt“ (Zach. >, 9
p. 19, 30). Zacharias (3, 10) weiß von einem jonjt nicht bekannten Johannes Rhetor so
IS
a
on
|
ATT Ron ophyſiten
nen re no uder des Sophiſten Palladius (ob identiſch mit dem von
. . „mm weitet und Der „den Lehrern der Kirche nicht bei:
0.” Serz Nas Wort menfchliche Natur mit ſich vereinigt babe und
in » 7 dr, Dieſer Johannes machte auch litterariich Propa:
mer .. u Seschtenstwerte Notiz - „feine Bücher nicht unter feinem
retour das cine jegte er den Namen des Ibeodofius, Biſchofs von
. 2 „mm den Petrus Des Iberers, Damit auch die Gläubigen (d. b. die
- ner Doiervanze Durch fie irre würden und fie annähmen“ (p.18,4- -9.
* er Heißſporne“ (ſ. o. S. 381, 45) immer eine einflußteiche Ka
re mederen Klerikern und den Mönchen inner wieder neuer Zuzug
ezzmwus Wiurus verbannt war, ſuchten zwei ihrer Führer, der Sa
srrzeous Varva an Delta; er batte fchon, als Begleiter Dioskurs, an
zer Sruede und ſpäter auch an der cbalcedonenfiichen teilgenommen ; ſiebe
on EST md Der alerandrinifche Presbyter Theophilus, ihn
un Geiinnunagsgenoſſen auszugeben, was der Verbannte in einem von
on p. . i5 5510 aufbewahrten Schreiben zu widerlegen ſucht. Aus
nit ningen jene droozıorai oder dxepadoı (Timoth. Presb. p. 565C)
“Bene Yongus nach Unterzeichnung Des Henotikons die Gefolgſchaft weigerten
8 und aus Dielen Elementen wiederum jene Bartei der Julianiſten over
1 Me den Gegenſatz zu Den Theodoſianern bie zur Kirchentrennung getrieben baben
ost S. ah, 57 u. vgl. BD IX < S. 603, —9 Es iſt bereits in dem Artikel
Halikarnaß (Bd IXS. 06 Fl. bei. 608,2 > ft.) ausgeführt worden,
>. on Mint Theologe Die Ncjenspleichhei des Leibes cbriſti mit dem unſrigen nicht
ya brilte, in der That ſchob er fie gleichſam auf den einen Moment der Fleiſch⸗
rag sth Es iſt aber Doch nicht zu verfennen, Daß dieſe Iperation, mie Julians
ren De Npbtbarlie über Den Zinn Des Austrude . Bd IX S. 607,5 ff), Die
vor dsiimi von Din Gegnern den Namen der Apbtbartodofeten oder Phanta—
io chi, den ſie mit Dem Vorwurf der Phtbartolatrie erividerten, mit ber
. se y'upederw und don Severus geforderten Weſensgleichheit nichts gemein bat,
rat se inebeſondere den Severianern fallen mochte, ihre Behauptung, daß auch
be alien Naturgeſetzen unterworfenen Leib gehabt habe, mit ihrer monophyſi⸗
a riendpoſitien u vereinigen. Immerhin fühlte wenigftene Swverus noch fo viel
a an ASGHINRLEL, Das ibn mit Dem Gegner gegenüber den Spnoditen verband, daß
mn nt Vernjung auf Sa 5, 15 die Hand zum ‚Frieden bieten fonnte (vol. feinen
an Nur Julian in Hist. Mise. 9, 13 p. 187, 11ff.).
ur hocbſle Zpige getrieben und Daber dem inneren Widerſpruch verfallen, cr:
eco talent Teil der Julianiſten oder Sajaniten die Behauptung, dab der Ya
rin Moöonente Dev Vereinigung an niet nur als unverdedt, fondern auch als un:
meh fattoten) anzuſeben jet einzige Notiz bei Timoth. Presb. p. 43 val. 57;
oil IRLHAINO IN AXHOTITAL, Aftifteten, was ſie mut „toroidtgaı, Ktifte:
3 sanierte. Auch unter den Severianern kam co zu Spaltungen: dem Ya:
ee erbaite Ab 0. ſ. 3,0) trat ein Tiafon Tbemiftius, unter Berufung auf
lan Bi 15,52 Jo 11, 34, mit der Behauptung entgegen, daß, mie ber
ee tatle pen inttutludeit Bidingungen unterworfen, jo auch Chriſtus als nicht all:
Yen werreen MN. Die Anhänger dieſer Lebre, die Themiſtianer, wurden
giant sl Uanoeten Wipvojtar, äyvolraı) bezeichnet (gl. Liber. 19;
on help ID, deſſen Notiz, Daß &xurjdn To Ööyua ar dyvonr,
Does bwenoftie bereits in Konſtantinopel war |}. o. S. 394, 47] mit der
era ntantiin IhDE notwendig im Widerſpruch ſteht; Timoth. Presb. p. 41B
I he Sole Daaamase, haer 85). Die neue Yebre muß ziemlich viel Staub
an babn nenb een Ende Des 6. Jahrhs. wandten ſich Dadurch beunruhtgte
Dodo an Palau Den Nuntius in Nonftantinopel, der feinerfeits nicht
oe bunt toner I Meloung machte, jondern auch den orthodoren Patriarchen Eu:
see Nana cl PM NDV, 590) um eine Niderlegung erfuchte. Eulogius
nn Nr mtlinhg anne voyren, aus Der Photius (Cod. 230 p. 28-4 8q.) Auszüge
te nee Iutonat pen Patriarchen über Die Frage Briefe gewechſelt (Epp.
ar RG en Jahre 600, Nicht mehr im jtrengen Sinne monopbv-
lan rn ins uhunermuhbe Sophiſt Ztepbanus Niobes durch das Gefühl
nude meaſthen ber hebauptelen Ginbeit der Natur und der dabei doc ver:
ie Als ahusenng sentetehben Unterſibnede (Oray:ogal) des Göttlichen und Menſchlichen
Monophyſiten Monotheleten 401
zu dem Satze getrieben wurde, man müſſe, wenn man nicht u Zweibeit der Naturen
urüdfehren wolle, jeden Unterjchied (des Göttlichen und Menſchlichen) in Chriſto leugnen.
Der Patriard) Damianus (ſ. d. A. Bd IV ©. 439) trat ihm entgegen, ebenſo Petrus
von Antiochien (f. o. S. 397.46); andere, wie der Priefter Probus von Antiochien und
der ſyriſche Abt Johann Barbur bekannten ſich zu ihm Niobiten, Timoth. p. 4A
[mo auch die Bezeichnung adıapopiraı — fo iſt Statt drapogitau zu leſen — erwähnt
wird] 53B 56B 65A; vgl. den längeren Bericht in dem Auszug aus Dion. Tellm.
Hist. Ecel. bet Assemani, 2, 72 sq.) Zu al diefen Differenzen Tam nod die im
Schoße der Monophyfiten gleichzeitig auftauchende tritbeiftifche Streitigleit, in der
die Namen des Johannes Askusnages, Johannes Philoponus (f. d. A.). de Konon u. a.
genannt werden und die einer befonderen Darftellung bedarf (j. den A. Tritheiſtiſcher
Strett). &. Kräger.
Monotheisuns |. Theismus.
Monotheleten. Die Ausführungen Möllerd in der 2. Aufl. diejer Encyllopädie be-
durften für den neuen Artikel zum größeren Zeil nur einer tonfervativen Umarbeitung, die
mit Rüdjiht auf die Artikel Martin I. und Maximus Konfefjor zugleid) eine Kürzung be:
deuten fonnte. Völlig neu gearbeitet mußte der Eingang werden und mit Rüdjicht auf
die Eulogiusfragmente einzelne Bartien des dogmengeſchichtlichen Teils. Durch die Arbeit von
Owſepian (ſ. unten ©. 402,2) ijt die Entftepungsgetdjichte auf Grund bisher nicht oder nur
unvolllommen herangezogener Quellen hell beleuchtet worden. Zwar jind nicht alle dirono: :
logifhen Anſätze D.3 einwandfrei, aber in der Mehrzahl jind fie doch gut begründet, und wo
Zweifel bleiben, reihen die Quellen zu jicherer Entjcheidung leider nicht zu.
Diefe Duellen (vgl. Yabricius:Harles, Bibl. Graeca 11, Hamb. 1808, 151—154) find,
abgejehen von den armenijchen, über die nıan in ber genannten Arbeit Genügendes findet,
1. zahlreihe Briefe und jonjtige Urkunden der am Streite Beteiligten, erhalten in den 2
Atten der Lateranſynode von 649 (Mansi, Concil. Coll. 10, 863—1188) und denen der ſech—
ften allgemeinen Synode (eb. 11, 189— 922). Bgl. dazu auch die Collectanea ad Joannem
diaconum des Anastasius Bibliothecarius (j. d. A. Bd I ©. 493,5; zuerit hrag. von 9. Sir:
mond, Paris 1620, und in deſſen Werfen, dann öfter in den Bibliothefen, zulegt MSL 129,
561—690) ; 2. seitgendffifne Schrijtwerfte: Die Werke des Maximus Konfellor (citiert
nah MSG 90 und 91, wo die Seitenzahlen der Ausgabe von Combefis eingedrudt find), und
zwar bejonder3 die Opuscula theol. et polem. ad Marinum (91, 9—286) und die Disputatio
cum Pyrrho (287—354); das Chronicon Paschale (ſ. den A. Bd IV ©. 84), citiert nad)
MSG 97 (bier die Seitenzahlen der Bonner Ausgabe); die Mitteilungen in des Anaſtaſius
Bresbyter (Sinaita) 4. Bud) zeoi roü xar eixova xai xad’ duniwaıv bei Mai, Script. Vett.
Nov. Coll. 7, 193 fi. (gefchrieben ungefähr 20 Sahre nad) der 6. Synode, ſ. p. 194B); der
Liber Pontificalis ed. Ducdeöne, 1. Bd, Paris 1886 (die den monotheletiihen Streit berüb:
renden Biten gehören noch zum Grundftod); 3. Spätere Chronijten und Hiſtoriographen:
Nicephorus, Patriarch, “Joronia orvınuos (Breviarium) ed. C. de Boor, Lips. 1880; Theo:
phanes, Konvoyourpla, ed. de Boor, Lips. 1883. 85; die (jehr wahrfcheinlid) von Theophanes
abhängige) Vita Maximi Conf. unbefannten Verfaſſers (MSG 90, 67—110) und gelegentliche,
im Text verwendete Angaben bei anderen.
Litteratur: Die ältere 8. über den monoth. Streit S. bei Fabricius-Harles 154f. Das
Bichtigſte daraus ijt — abgeſehen von den Werten allgemeinen Inhalts, wie Baronius, Pagi,
e — Frz. Combefis, Historia Monothelitarunm, vor dem 2. Band jeineg Auctarium no-
vom, Par. 1648, 1—64, bier auch (65—198) die Dissertation Apologetica pro actis sextae
synodi, in der die von Alb. Pighius (Diatribe de actis VI. et VII. concilii, Colon. 1572)
und Baroniuß (Ann. ad ann. 680, 34. 681, 19—34. 682, 3—9. 683, 2—22) Tediglid) wegen
der unbequemen Honoriusfrage erfundene Hypotheje der Aktenfälſchung widerlegt wird; Joh.
Bapt. Tamagnini (Pjendonyn für Dom Anton Michael Fouquidre O.B. (?), vgl. Wald) 665), ı
Historia Monotheletarum, Par. 1678 (79), Xoh. Sim. Afjemani, Bibliotheca juris orient.,
4, Rom 1764; ac. Chmel, Vindiciae conc. oecum. VI. praem. dissert. histor. de orig. etc.
haer. Monoth., Prag 1777; Chr. W. Frz. Wald, Entw. einer vollit. Hijtorie d. Kepereien
n. ſ. w., 9, Leipz. 1780, 1—666; J. M. Schrödh, Ehrijtl. Kirchengeſchichte 20, Leipz. 1794,
36-451; 3. Chr. Baur, Die hrijtl. Lehre v. d. Dreieinigkeit u. f. w. 2, Tüb. 1842, 96 bi
128; 3. 4. Dorner, Entwidlungsgefd. d. Lehre v. d. Perſon Chrijti u. |. w. 2°, Berl. 1853,
28—256; C. 3. v. Hefele, Conciliengeſchichte 3°, Freib. 1877, 121--313 (365); J. Langen,
Geld. d. röm. Kirche von Leo I. bis Nikolaus I., Bonn 1885, 515—580 (602); A. v. Gut:
ſchmid, Verzeichnis der Patriarchen v. Alerandrien, in: Kleine Schriften n. ſ. w. 2, Leipz. 1890,
; A. Harnad, Lehrb. d. Dogmengeſchichte 2°, Freib. 1894, 399-—408; D. Bardenhewer,
rudte Excerpte aus einer Schrift des Patriarchen Eulogius von Nlerandrien (580—607)
über Trinität u. Snlarnation, in THOAS 78, 1896, 353 - 401 (f. dazu u. ©. 411,33); 9. Gelzer,
Ubriß d. byzantin. Kailergeihichte, in Krumbachers Geſch. d. byzantin. Litteratur?, München
Reals@nchllopädie für Theologie und Stirhe. 3.9. XIII. 26
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Ronotheleren
De Sa "me 0er. 2 rbe Patriarchs of Constantinnple from
“70. Twfepian, Tie Entſtehungsgeſchichte des
00. T..00,2r ze) Sürgeltellt, Leipz. 1897. Bal. außerdem die
R ..yY,omas Xnieſſor und die dort angegebene Litteratur.
N > Dr m320n 638 Tie mit dem Namen Monothe
re zen since verdankt ihre Entſtebung demielben Be
N 2. ermaminmg Dee Monophyſiten (ſ. d. A. o. S. 372 ff.)
N ern Annabherung, fomweit eine folche ohne völlige Preis:
2 2.00. eye Sermermiugtten moͤglich var, aufzubeben, das jich Schon in
- Zr oeszere vb geltend gentacht batte, Der Trieb dazu war um
Du Ts venibl ganz unterdrüden ließ, dag man Doc auf dem
- en Toriſtologie jtebe, die Durch die Entwidelung der
eos con Beritürftes Gewicht erhalten hatte. Der Mailer
> e ee std aber batte unter den damaligen Bedrängniſſen
se nah auch Die Araber) ein ſehr reelles politifches In—
00.2 seen Bepölferungsgebiete im Oſten und Südoſten Des
ee. Dir tbatfräftige Dann - Gelzer nennt ibn einen genialen
: an Organiſator und ‘Politiker, der zum Herrſcher prädeitiniert
„nadıdeben Patriarchen Sergius (18. April 610 bis 9. Dez.
“pen Die Krone aufgelegt batte, einen vorzüglicen Berater.
.. Seren geſchenkt; bei feiner Abreife zum Perferfriege 619
rt Ne Zorge für feine Refidenz und feinen Erben (vgl. feine
. muten. MSG 121, 785: es zelwas Tod deod xal Tijs Beoume-
.. mir rarın? xal Tor vior nov). Zergius, em Syrer und,
can de æAnaſtaſius Presbyter Vertrauen ſchenken will, von mono—
wm p. 1932 orooyerns Indoxwr, &s ÖF Aöyos al laxoßıram
se "®wopit. 550, 1, der aber Das ons Aoyos wegläßt), bat fich ſchon in
von Anitsführung mit Untonsgedanfen getragen. Den Anfnüpfungs:
Ternindiſen. Hier jcheinen ſchon um 600 die Stichwörter von der
IN cu Minor jyorr Er Beinpa dur die Monophyſiten in bie
son wberfit iporden zu fein. Bereits der Patriarch Eulogius (580 bis
>02. 590 batte Die Verfechter der Einwillenlehre in befonderer Schrift
sslanpft und ibnen Die Zweiwillenlehre mit ausführlicher Begrün-
mv Hat Sergius don Diefer Schrift nichts gewußt (ſ. u. S. 411, u),
yon den alerandriniſchen Monenergiſten und Monotheleten in Verbin:
Yon Briefe erfuchte er den Pauliten (oder Paulianiſten, d. h. Partei⸗
de Scwarzen von Antiochien; ſ. den A. Monophyſiten 0. S. 396,2)
re, pin Beweioſtellen für Die Lehre von der einen Willensbethätigung zu
. her amd ließ in Diefem Brief Dereits feine Unionsabfichten durchblicken.
os attette Den Unwillen des Patriarchen Johannes des Barnıberzigen (610
SU ND IX 2,3007), der 08 Dem Arſas entriß und nur durch den bald
enden Perſereinfall Daran verbindert wurde, Gegenmaßregeln zu ergreifen
waren Genf Disp. ec. Pyrrho MSG 91,333). Tas war im Jahre 619 (zum
VOreberung Alerandriens durch Die Perſer vgl. Gelzer in den Anmerkungen
Yosyabr don Leontios' don Neapolis Leben des Johannes S. 151f.).
inlen Jahre muß Sergius benutzt Daben, um den Kaiſer für jene Unions:
u Naus Dev Lehre don Der einen Energie zu gewinnen. Als Heraklius 62
et stand Dazu Owſepian 234.) zu Theodoſiopolis (d. i. Karin, dns
vonnmdan Armenien weilte, hatte er eine Unterredung mit einem berporragen:
an Kamens RPaul (identiſch mit Dem von Max. Conf. J. c. 332 erwähnten
‚on Oasrng bezeichneten; vielleicht aus Cypern gebürtig), und fuchte ibn auf
vehre von der ua Freoyeta Notortod Tob dAndıwod Veov Aumv für ben
on mbpuntt zu gewinnen (vgl. Serg. ad Honor. Mansi 12, 529). Obne
ron Jah due ſogur nach jener Rückkehr veranlaßt, an den Bifchof Arkadius von
titan bieſen“ dal. Owſepian 55f.) ein von Sergius entiworfenes, gegen
Sn
a bonn wrnbtetvn Edikt zu erlaſſen. In Diefem Edikte wurde zugleich Die Lehre
ooeatbritiygeit elfigwil verboten (000 SE Ereoyelas Eri Tod Öeonorov ud 'Inoot
\
1* tat rennen οοαν, vgl. Cyr. ad Serg. Mansi 5614;
Ao rannte ſelbſt trat in beſonderer Abhandlung für die neue
u Wem weellere halfel in den Verhandlungen bildet die gelegentlih einer Er:
lt ne
Monotheleten 403
pedition nad La zien wahrſcheinlich 626 (f. Theoph. 315, 14; Owſepian 45 vgl. 16)
gepflogene Unterredung des Kailers mit dem Metropoliten Cyrus von Phaſis, Die
eine Korreipondenz des Metropoliten mit dem Patriarchen zur Folge hatte. Cyrus erbittet
jih von Sergius weitere Belehrung (Mansi 560f.), Sergius gewährt fie ibm (525 ff.),
mweift des Cyrus Berufung auf den Lehrbrief Levs von Nom, in dem fo tvenig ivie bei 5
einem anderen Kirchenlchrer von zwei Energien die Nede fei, zurück und führt feinerjeits
einen neuen Zeugen ins Feld, den Patriarchen Mennas von Sonjtantinopel (f. über ihn
o. ©. 393, 51), der in einer an Vigilius von Rom gerichteten (nicht erhaltenen) Abhand⸗
lung (deren Echtheit auf dem Konzil von 680/81 [j. u. ©. 409,22] von den päpjtlichen
Legaten lebhaft beftritten wurde) rò ToV yorworov Belnua xal ulav Lwonoov
Ev&oycıav gelehrt habe. Eine Abſchrift diefer Abhandlung, auf die er großes Gewicht
gelegt zu haben fcheint, legte Sergius feinem Briefe bei; daß er diefen zuvor feiner Sp:
node vorgelegt babe, behauptet der Libellus synodicus (Mansi 10, 606) wohl nur mit
zweifelbaftem Recht. Cyrus wurde, wie Die weiteren Ereigniffe zeigen (ſ. u.), für ben
Unionsgedanken gewonnen. In ähnlicher Weife gelang es, den Biihof Theodor von
Pharan in Arabien zu überzeugen, den der Bilchof Stephan von Dor in Paläſtina
auf der Sateranipnobe von 649 (ſ. u. ©. 407,21) in anfcheinender Unfenntnis der Chrono:
logie als einen Vertreter des Monotbeletismus vor Cyrus und Sergius bezeichnet hat.
Auch ihm hat Sergius unter Beilegung der Mennasfchrift gefchrieben, der Bilchof hat
ihm geantivortet (Max. Conf. 1. ce. 332f.), und die erhaltenen Bruchjtüde feiner Schriften ao
(Manei 10, 957—962; 11, 568 ff.) beweiſen, daß er monotheletiſch dachte. Sergius
aber verjuchte noch einmal, unter Vorlegung des gefamten Altenmaterials, auf Paul den
Einäugigen zu wirken, ohne daß man erführe, welches Ergebnis feine Bemühungen ge
babt baben (Max. 1. c.; über die MWahrjcheinlichkeit einer Tertverderbnis |. Owſepian
f.; vielleicht ift das verbächtige 2» Oeodooıwvnddeı lediglid) vor Zyoawye einzurüden, 25
womit die Schwierigkeit behoben wäre).
Einige Jahre hindurch erfahren wir nichts von Fyortichritten der Bewegung. Sergius
bat fpäter ſelbſt an Honorius über dieje Zeit gejchrieben, daß oyı 9 ur EE Exeivov
Tov xo0vov Tö ToWwvrov xepdiaror Eaßev (Mansi 532). Im Ami 631 (zum Datum
ſ. v. Gutichmid ſo. ©. 401,58] 476 ff.) aber wurde Cyrus von Herallius zum Was sn
triarchen von Alerandrien erhoben mit der beftunmten Abzweckung, durch die mono:
theletifche Union die Monophyſiten zu geivinnen. In der That brachte er am 3. Juni
633 eine Union auf Grund von formulierten Lehrſätzen (Mansi 11, 564ff.) zu jtande,
die Die Zweinaturenlehre nur auf das vorfichtigfte verflaufuliert und unter ausdrüdlicher
Gleichſetzung des Cyrilliſchen Terminus von der Einen fleifchgavordenen Natur, ſowie 35
unter Betonung der ja allerdings kirchlich anerkannten theopaſchitiſchen Lehre feitbielten
und unter Berufung auf Divnyfius den Arevpagiten daran ſchloſſen, daß der Eine Herr
Jeſus Chriftus Göttliches und Menfchliches wirke mit der einen gottmenjchlichen Energie
(. u. ©. 412,12). Triumpbierend meldet Cyrus nach Konſtantinopel (f. feinen Brief an
Sergius Mansi 11, 561 ff.), daß Myriaden von Theodofianern (d. i. Monophyſiten ſ. o. 40
©. 394,31) im Klerus, unter den Beamten, in Heer und Voll geivonnen feien, und Sergius
brüdt ihm darüber feine große Freude und Befriedigung aus. Anaſtaſius Presbyter
(p. 194; danach Theoph. 330, 14 und Vit. Max. MSG 90, 77 D) giebt der Stimmung
unter den Monophyſiten vermutlich den richtigen Ausdruck, wenn er ihnen die Worte in
den Mund legt: oöxꝝ Nuss ıjj Kalrndörnı, aA N Kadandwv uälkorv ijuuv Erowo- %
moe dıa rijc &veoyelas ulav Öuokloynjoaca pVoıw Xouwotov.
Etwa um die gleiche Zeit fam die Union mit den Armeniern auf einer Sy—
node zu Karin (f. oben S. 102,48) zu ftande, die nach den beften Quellen im 3. Sabre
des Patriarchen Esras (feit 631) und im 23. des Heraflius im Beifein des Kaiſers, fo:
wie ſyriſcher und griechischer Biſchöfe (doch nicht des Sergius) ftattgefunden bat (vgl. Die so
Nachweiſe bei Owſepian 50 ff.; danach find die Angaben bei Sefele 73 und 132 F. zu
verbeflern): die Beichlüffe von Chalcedon wurden angenommen und im Trisbagion das
6 & Huäs oravowdeis weggelaſſen; vb dabei der ia Zveoyeıa ausdrüdlih Erwähnung
hab, verraten die Quellen nicht. Übrigens war diefe Unten, die von Anfang an auf
pruch ftieß, nur von kurzer Dauer. — Bon Armenien zog Seraflius nah Syrien 5
und verhandelte anfangs des Jahres 634 (nicht 629; vgl. Owſepian 25 ff.) zu Hiera—
yolis mit dem monophyſitiſchen Patriarchen von Antiochien Athanaſius. Nach ben
Quellen (Anast. Presb. p. 193A; Theoph. 329, 21; Vit. Max. MSG
%, 767.) bat er ihn durch das Zugeftändnis feiner Anerkennung als Patriarchen (der
Stubl von Antiochien war feit dem Tode Anaftafius II. 610 offiziell vafant) beivogen, w
26
—
—
—
1
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*
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MT)
144
404 Monotheleten
die durch die monotheletiſche Lehre gemilderte Annahme des chalcedonenſiſchen Konzils zu
vollziehen. Athanaſius reichte ein Bekenntnis ein, gegen das der Biſchof Eubulus von
Lyſtra eine Widerlegungsſchrift gerichtet bat (ſ. ein Bruchſtück bei Mat J. ec. p. 31 -343;
von der bevorſtehenden Anerkennung des Athanaſius ſcheint auch Antioch. Monach.
Pand. hom. 130 MSG 89, 1844C Kenntnis zu haben, doch iſt an dieſer Stelle auf
Heraklius fein Bezug genonmen und die Homilie möglicherteife viel früher geichrieben;;
vol. auch Le Quien, Oriens Christ. 2, 739f.). Xeider find die Berichte über dieſe
Vorgänge ganz dürftig und unzuverläflig: nach Michael Syrus (ſ. Owſepian 27f.) bat
Athanaſius nach der Synode von Narin einen Brief an den abgefegten Vorgänger des
Eoras gejehrieben und darin Das Unionsunternehmen fcharf getabelt, was fchlecht zu feiner
bald Darauf dem Kaiſer gegenüber angeblich bezeigten Nachgiebigfeit paßt.
Inzwiſchen war eine neue Wolfe am Simmel der Einigung aufgetaucht (vgl. zum
Folgenden Serg. ad Honor. Mansi 11, »32f. u. Maxim. ad Petr. ebenda 10, 690 ff.).
Der Mönch Sophronius di. d. A.; über die Frage der Adentität zwiſchen Sophronius
„dem Zopbiften und dem Patriarchen vgl. S. Vailh&6 in Rev. de l’Orient Chrétien
1902 und 1909, der ſchen unter Eulogius und Jobannes dem Barmherzigen, dieſem
befreundet, in Alerandrien geweilt batte, kam von Paläftina nach Agypten und zeigte ſich
erſchrocken über Die „apollinariſtiſchen“ Zäge der Union mit den Monopbofiten, jo daß
er den Gorus beſchwor, fie nicht vom Antbon der Kirche zu verfündigen. Cyrus berief
ſich dagegen auf einzelne Stellen früberer Väter und erinnerte daran, daß fie oft genug,
wenn es ſich Darum bandelte, Das Seil vieler Zeelen zu fürdern, beim Vorkommen von
dergleichen Yebrlägen Sich gottgefälliger Nachgiebigkeit und Anpaffung bedient hätten (Tor-
er rag aroıTtwr XEyalaiı)v ÜVeanEcTois OixXxovouiaıs xonodusvor Waivoyra
32 E) Zophronius ließ ſich nicht berubigen, ſondern reifte mit einem Briefe Des Chorus
nach Konſtantinopel. Hier bejtand er den Sergius gegenüber auf Streihung des Aus
drudo ua Frfoyera aus den Unionsartifeln. Davon wollte Sergiug in der richtigen
Erkenntnis, daß dann Die kaum geichloffene Einigung wieder in Frage geftellt werden
würde, nichts willen, empfahl aber doch dem Gprus, feinen Streit über eine oder zivei
Energien zu geltatten und fid darauf zurüdzuzieben, daß der Gottmenſch das Göttliche
und das Menſchliche wirfe und jede gottgemäße und menjchengemäße Wirkung auf un
getrennte Weiſe aus dem einen und jelben fleiichgeiwordenen Gott Logos hervorgehe
Dabei jest er als telbjtverjtändlidh voraus, daß Die Behauptung von zwei Millen zu
vermeiden ſei, da Ste au gottlojen Ronfequenzen führen würde (600 Trävarria Belor-
tus... oneo Övooeßfs H33E). Zopbronius ließ fih das fehriftlih geben und reijte
nach Alerandrien zurüd; er iſt im weiteren Verlauf der Streitigfeiten nicht mebr bervor:
getreten. Bald darauf — es muß anfangs 634 geweſen fein, 1. o. ©. 403,06 — erhielt
Sergius dom Kaifer aus Edeſſa den Befebl, ibn die Belegftellen aus der Schrift des
Mennas für Die monenergiftiiche Yebre zu überjenden. Dieſem Befehl kam Sergius nad,
unterließ aber nicht, auf Die Schwierigkeit Der Yage binzuweifen und anbeimzugeben, ob
nicht eine weitere Unterfuchbung Der Frage beſſer unterbleibe und man fich bei der Kirchen:
lebre (775 TeToruuern zal ovugorms naga navımv Öuoloyovusn natoıx]) ÖLdaoxa-
Ai) berubigen folle Zugleich berichtete er dem römischen Biſchof Honorius in Huger
Auseinanderjegung über Das Vorgefallene und gewann an ibm für feine Auffafjung einen
Nudbalt. Honorius ftimmte im einem, nur im griechifcher Überfegung (deren Weberein-
Iſtimmung mit dem Original aber auf dem Konzil von 680/81 ausdrüdlich feftgeftellt
worden tt [Mansi 518 Ah erbaltenen Schreiben (M. 537—544) dent Patriarchen zu,
warf auf Sophronius den Vorwurf der Worbringung eitler Fragen und äußerte fih
dabin, Daß der Streit über eine oder zwei Energien verbannt oder den Grammatikern
uberlaffen werden folle, denn Die Neuerung in den Augsdrüden fünne entweder des Eu-
hubtianismus oder Des Neſtorianismus verdächtig machen. Aber auch er bält dabei m:
befangen feft, Daß, wie man auch über den Ausdrud: eine oder zivei Energien urteilen
möge, man einen Willen befennen mülle (Oder Er xai Yelnua Önoloyoduev Tod xuvplov
your Xotorod 5-40 B), da bei der Anmabme reiner, übernatürlich erzeugter Menicen:
natur dur den Sohn Gottes von eimem zweiten, verjchiedenen oder entgegengeſetzten
Willen (drdg:o0or 3 &varrior Beinpa) nicht die Rede fein fünne, auch Stellen wie Jo
5,30 und Dt 26, 39, wo Chriſtus feinen und den göttlichen Millen im Gegenfaß zu
jtellen jebeint, in MWabhrbeit nicht einen verſchiedenen Willen anzeigen, jondern nur auf Die
Tefonontie der angenommenen Menſchheit geben (00x elol radta dıapdoov Veinuaros,
sa ts olxXovolias TS MÜHDATÖTNTOS TIjs noooAngdeions); Chriſtus fpricht fo um
unſretwillen ale unjer Vorbild, damit wir feinen Fußtapfen nachfolgen und jeder nicht
Monotheleten 405
feinen eignen, fondern des Herrn Willen erwähle Das Echreiben zeugt durchweg von
veritändiger und richtiger Auffafjung der Situation; dem Papſt aber daraus einen Vor:
wurf zu machen, daß er fich zur Einmwillenlehre befannte, geht um fo weniger an, als
dieſe noch gar nicht firchlich verdächtigt war, wie denn ſelbſt Sophronius (f. 0. ©. 40 4,34)
fih die Abweifung der Zweiwillenlehre durch Sergius hatte gefallen laffen. 5
ALS Sergius an Honorius fchrieb, mußte er ſchon (Mansi 532 D), daß Sophronius
auf den Patriarchenſtuhl von Jeruſalem erhoben fer, hatte aber die offizielle Anzeige
davon noch nicht erhalten. In diefer, dem fogenannten Synodifon (M. 461—509; aud)
unter den Merken des Sophr. MSG 87, 3, 3148-—-3200), hatte der neue Patriarch ein
ausführliches Bekenntnis mit thatfüchlicher Ausſchließung der Neuerung gegeben, rein ı0
fahlid und ohne Perfonen anzugreifen oder auch nur zu nennen. Die Zmeinaturenlehre
führe auf dem rechten Wege zwilchen Neftorianismus und Eutychianigmus hindurch ; jede
Natur wirkte (nach Leos Ausdruck) das ihr Eigentümliche unter Beteiligung der anderen,
aus den beiden Naturen gehen alfo zwei Energien hervor, obgleich es der Eine Emanuel
ift, der als Gott und Menſch zugleich die Rerke beider Naturen wirkt je nad) der Wahr: 15
beit einer jeden von beiden (xar’ ällo xal ällo Eveoyav ra noarröusva 480C). Um
der Realität der menfchlichen Lebenszuftände willen habe der Sohn Gottes, wenn er
tollte, der menschlichen Natur Raum (xzaodv) gegeben, das ihr Eigentümliche zu wirken
und zu leiden, fo daß dies freiwillig zwar, aber doch auf natürliche Weiſe ſich vollzog.
Sen dieſem Sinne der Zurückbeziehung aller Worte und Werke beider Naturen auf die
einheitliche Perſon des Gottmenschen, nicht aber in dem einer einfachen Einheit, till
Sophronius den Ausdrud des Areopagiten von der za (jo it 488D zu leſen) xal
deavdown Evkoyea (ſ. u. S. 412,13) verftanden willen. Die Behauptung der Zwei⸗
willenlebre fucht man auch in diefem Schriftftüd vergeblich. Sophronius, deſſen Syno—
dilon Sergius gar nicht angenommen haben foll (Mansi 456), bemühte fih, als ſchon >;
die Sarazenen in Paläftina eingefallen waren (M. 10, 896), auh in Rom durch den
Biſchof Stephan von Dor gegen die neue Lehre zu wirken. Honoriug (vgl. die Auszüge
aus feinem zweiten Schreiben an Sergius M. 11, 579—581) fuchte zu beruhigen: es
ſei ganz eitel (ndvv udraıov), dem Mittler zwiſchen Gott und Menjchen eine oder zivet
Energien zuzufchreiben, da davon nichts in der Schrift ſtehe; man folle befennen, daß so
beive Naturen in dem Einen Chriftus natürlich geeint (77 Evormu Yvwueras) jede in
Gemeinſchaft mit der anderen wirfe und handle. Ganz unbefangen und felbitverjtändlich
werden dabei Zeus Worte verivendet. Sophronius ermahnt der Wapft fchriftlih und legt
es den Gefandten noch beſonders ans Herz, daß er die Redeweiſe von zivei Energien
fallen lafjen möge, und die Geſandten glaubten das zufagen zu dürfen für den Fall, daß 35
auch Cyrus von Alerandrien, dem der Bapft gleichfalls fchrieb, es aufgebe, von einer
Energie zu reden. Vermutlich unter dem Eindrud diefer Ertvägungen, die ihm Honorius
mitteilte, verfaßte nunmehr Sergius anfangs 636 (nämlih 5 Jahre vor den Tode des
Heraflius; |. des Kaiſers eigene Angabe in feinen Briefe an Papft Johann IV. Mansi
11, 9) den Entwurf eines Erlaffes, den er dem Kaiſer bei deſſen Rückkehr aus dem Trient ı0
bit 638 zur Unterfchrift vorlegte: die fogenannte Ektheſis (M. 10, 991—998).
ine fonjtantinopolitanische Synode nahm fie als mit der apojtolifchen Lehre überein:
fimmend an (M. 10, 999— 1002). Der Ausdruck uia &veoyera, obwohl bei einigen
Vätern vorkommend, foll vermieden werden, damit nicht eine Yeugnung der zwei Naturen
zu befürchten fei, der Ausdruck dVo E&veoyerar, weil er, der überdies bei den Vätern nicht 45
vorlomme, dazu führe, ziver einander widerſprechende Willen (f. ſchon o. ©. 404,51) in
Chrifto zu behaupten. Es ift Ein Wille in Chrifto, indem in feinem Nugenblide das
vernünftig bejeelte Sleifch getrennt und aus eigenem Antrieb, entgegen dem Triebe des
ihm hypoſtatiſch geeinten Gott Yogos feine natürliche Bewegung vollziehe, fondern nur
warn und welcher Art und in welchem Grade der Logos felbjt es wolle. Der Monenergis- 5
mus war endgiltig aufgegeben, der Monvtheletismus un fo energifcher behauptet.
2. Big zum Grlah bes Typus von 648. Der Magifter Milttum Euftachius,
der bie Eitheta dem Erarchen Iſaak für Italien zu überbringen hatte, übermittelte, auf
ſeinem Wege Alerandrien anlaufend, auch an den Patriarchen Cyrus einen Brief des
Sergius mit einer Abjchrift der Efthefig, die von Cyrus mit gebührender Zuſtimmung 5
aufgenommen wurde (ſ. Cyr. ad Serg. Mansi 10, 1003). Sergius felbjt ftarb ſchon
am 9. Dezember 638, und an feine Stelle trat der ibm und den Kaiſer befreundete
yrrhus I. (20. Dez. 638 bis 29. [22.] Sept. 641; vgl. Broof3 16f.), der für Die
8 und ihre Unterfchreibung durch die auswärtigen Biſchöfe eintrat (Mansi 10,
11). Den Hauptherb der Oppoſition bildete der römische Klerus. In Rom war nad oo
ware Monotheleten
J Rdn d) rei Severinus zum Papſft gewäblt
vun. yo, June Do Som end Des vateranpalaftes und der
oo, I Am, Irzenan (Vit. Sever. p. 326), jchemt
ur “NS, warfns rm m, Abella (wal. Dazu audı die professio
"an Dr, Zr 71889, 72) sulammengebangen zu haben,
sender ze Do auzus erit nad formeller Zuſtimmung zur El:
Be oe nor ezer r,zaen fonnte (Ep. Max. Conf. ad Thalassium
V. .. Zen, mom 28. Mai (7) 6160 geweibt, ttarb bereits am
N: 00, am Rachiolger Jobannes IV. (24. Dez. [2] 640 bis
X > noipeletismus auf einer römiſchen Synode von 641
E :. .„.» Synod. Mansi 10, 607; Theoph. 331, #5). Der An-
So 8 8ande fand, beranlaßte den bereits kranken Heraklius zu
207202000, we Vater Des Erlaſſes fer (. feinen Brief, 2. 2.405, 9).
. zer alt wandte ſich der Papit an die beiten Söhne Hera:
‚wenas mit dem erlangen um Bejeitigung der Eftbefis,
W ae o. S. 104, 459, auf den Porrhus ſich für Die Lehre
„is, durch eine gezwungene und mit dem Wortlaut in Wider⸗
HJonorius babe nur Die Anſicht von zwei einander wider:
ct in Ohrifte befümpft, überbaupt nur von der Menschheit
zu su nebmen ſuchte (Apologia pro papa Honorio Mansi
.utere der beiden fatferlichen Halbbrüder ftarb (24. Mai 641),
um wurde bald darauf mit ihrem rechten Sobne durch eine
a Zobn Des älteren Bruders Konſtans II. (Konſtantin III)
. spa 41). In Dielen Sturz war der Patriarh Pyrrhus ver:
. .üitet gebalten batte (vgl. Niceph. Constant. Breviar. 7, 23 ff.
x. 0. Ron dem an feine Stelle erbobenen Paulus II. (1. Ott. 641
v1. 2. 107,507.) verlangte Theodor I von Rom (24. Nov. |?]
se unter Anerkennung feiner ortbodoren Außerungen doch erſt Die
were ſeines Vorgängers auf einer Synode und die Entfernung der
ienilichkeit, wobei er vorausfegte, daß Konſtans mit der Beſeitigung
. pi ſein Schreiben Mansi 10, 702. -705; ein in einigen Einzelheiten
. sn ber den Briefverfebr der Päpſte Johann und Theodor mit dem
kun. 11.0. 2.973,66) MSG 111, 11108.) Allein in Konftantinoyel
u. vttbefls feſt. Pyrrhus batte ſich nadı Nordafrika begeben, mo es
. \ult 645 wwiſchen ihm und Maximus dem Belenner zu jener Dig:
sarıı Alten zu den denkwürdigſten Urkunden des Streites gebören (ſiehe
ums Konfeſſor Bd XII S. 458,58 ff.). Nordafrika ftand mit dem
en zuſammen, Daber Pyrrhus, dev in der Disputation — ob mit Abjicht?
‚vn. Die ausdrückliche Verwerfung feier bisherigen Lehre für Nom auf:
wnb Uberreichung einer Zcirift von Theodor ehrenwoll aufgenommen und
vor üchof Der Reſidenzſtadt anerkannt wurde (vol. Vit. Theod. Tuch. 332;
„4b; Theoph. 331, 15. Die nordafrifaniiche Kirche entwidelte gleich:
weblte Agitation gegen den Monotheletismus und deſſen Vertreter Baul von
an Die Biſchöfe der Provinz Byzakene, Die aber zugleich in Namen ber
oannihben Kirche reden, wenden ſich, feinen ortbodoren Eifer rübmend, an den
nei Dev Irrlehren, Die Mietropoliten von Numidien, Byzakene und
a alt auch der neu erboßbene (16. Juli 616) Biſchof Viktor von Kartbago
KRerinitlelung Ibeodors zu gleichem Zweck in Anspruch, weil Afrifa durch
an. zn ſalſchen Verdacht bei Hofe geraten jet (dj. Die Zunodalfchreiben bei Mansi
Eifer Verdacht war übrigens nicht ungegründet, denn in Afrika gürte es.
"a at Empörung Gregors gegen den Matfer, auf Die der Papit nicht obne
te. nreſen zu ſein ſcheint (ſ, d. A. Marimus Bd XII S. 159,10), der aber der
e Peelekten im Gefecht mit Den Sarazenen (617) ein frühes Ende bereitete.
22 a wa mit ſeiner Konverſion ſchwerlich ernſt genommen hatte, trat in Ravenna,
ande dem Erarchen Plato in Verbindung ſetzte, wieder zurück und machte feinen
akt dem Hoſe (Mansi 10, 859), Seine Geſinnungsloſigkeit muß in Nom große
EI ar hervorgerufen baben: Theodor erkommunizierte ibn, indem er zur Unterzeich⸗
"0 . KRrwerſung mit Abendmahlswein gemiſchte Tinte verwendete (fo der Libell.
td Mansi 10, oo amd Theoph. 331, 19; die Vit. Theod. gedenkt dieſer Einzel:
torban ben Bong Raul von Konſtantinopel, Der jeiner erneuten Mahnung augen:
Monotheleten 407
über fib ganz im Sinn der Ektheſis und des Sergius geäußert hatte (Mansi 10, 1019
bis 1026), erklärte er für abgejegt (10, 878). Es fcheint nun, als habe eben Paul den
Kaifer, der den Frieden wünſchte, beftimmt, dies im fog. Typus (648) in einer der Ek—
theſis analogen Weije, d. h. nicht durch Befeitigung der monotheletifchen Auffaflung, ſon⸗
dern durch Verbot des Streites über die Ausdrüde zu thun. Im Unterfchied von der
Ektheſis find eingehende theologische Erörterungen vermieden; der Erlaß hat nicht die
Form des Belenntnifjes, ſondern die der tarjer lichen Berordnung. Daß gegen irgend
jemand bloß megen monotheletifcher oder dyotheletiſcher Ausfagen Tadel oder Anklage er:
boben werde, wird unterfagt, wohl aber die Entfernung der Ektheſis aus der Vorhalle
der großen Kirche angeordnet. Auf den Ungehorfam gegen die Verordnung wird ſchwere 10
firchliche (ei Klerus und Mönden) und bürgerliche Strafe geſetzt (vgl. Mansi 10,
1029 —32).
3. Bis zur ſechſten allgemeinen Synode. Hiergegen erhob ſich nun der von
Marimus und Theodor bereits entſchieden vertretene Dyotheletismus auf der von Theo:
bors Nachfolger Martin I. (feit Juli u 649; ſ. d. A.Bd XII ©. 380f.; der Wahl ı6
fehlte bie Laijerliche Beitätigung) in der fonftantinifchen Baſilika im Lateran vom 5.
bis 31. Oktober 649 abgehaltenen Synode (Alten Mansi 10, 863—1188). Außer ita-
ltenifchen (doch nicht Iombardifchen), fizilifchen, ſardiniſchen Bilchöfen nahmen an dieſer
Berfammlung eine größere Anzahl griechifcher Abte (auh Maximus, ſ. d. U. Bd XII
S. 459, 11f.), Priefter und Mönche, die feit längerer oder fürzerer Zeit in Nom Zu: 20
flucht gefunden hatten, teil; auch jener Biſchof Stephan von Dor (f. oben S. 403, 16),
der unter Papſt Theodor wieder nah Rom gelommen und von diefem beauftragt worden
war, als jein Stellvertreter gegen die Anhänger der Ektheſis in Paläftina einzufchreiten
(Mansi 900D). Die Synode fchließt ich in ihrem Belenntnis wörtlih an die chalce-
bonenfijche Lehre unter Hinzufügung der Lehre von zwei natürlichen Willen und zwei 25
natürlichen Energien an (Mansi 1049—52) und entiwidelt dies eingehend in 20 Kanones
(1151—1162), wobei fie den Cyrilliſchen Sa von der ula pvoıs Toü Beod Aöyov
oevapxwu£rn neben der Behauptung der zwei Naturen gelten läßt: oeoapxwu£rn be:
fage, daß unſer Weſen völlig und unverringert, abgejeben von der Sünde, in ihm, dem
Herrn, ſelbſt ift; und die Zweiheit der innig vereinten Willen wird damit begründet, daß so
einer und derjelbe nach jeder der beiden Naturen ſich von Natur unjer Heil wollend ver:
balte (Can. 10, p. 1153C: did TO xad” Exarloav abrod YVoıw Veintxov xard
pvorv töv alröv ündoyew rijç Hudv owrnolas, ber jetzige lateinische Text, [den Hefele
3, 2237. drucken läßt] ift nur eine unbehuffene Nücdüberfegung aus der griechiſchen
egung des lateinischen Originals; vgl. das ähnliche Verhältnis beim Briehe des Ho⸗ 35
norius, o. ©. 104,4). Martin fandte nun ein Schreiben der Synode an den Kaifer
(Mansi 789—98), eine Encyklika mit den Aften ber Serfammfung an alle Bilchöfe
(1169— 84), ſuchte das fränkiſche Abendland zu beteiligen (1183-—86), belobte die Afritaner
(797— 804) und machte feinen Einfluß in den von den Sarazenen bejeßten Sprengeln
von Antiochien, dejlen in Konftantinopel lebenden Patriarchen Macedonius er nicht aner= 40
tannte (827—32), Paläſtina und Agypten möglichft geltend, indem er an Stelle des von
ihm in Schuß genonımenen, aber doch nicht wieder benüßten Stephan den jet von
dieſem felbit empfohlenen Bischof Johann von Philadelphia (in Arabien) als feinen Bifar
beauftragte, überall Weihen vorzunehmen und Unordnungen zu befeitigen (805— 18). Den
Biſchof Paul von Thefjalonich, der allen zuftimmenden Erklärungen auswich, belegte er 45
mit dem Anathem (833—50). Über die nun folgenden Ereigniſſe, die zur Verhaftung,
Mißhandlung und Verbannung des Papſtes führten, der durch feine Kirchenpolitifche Hal-
tung, vor allem aber durch Beziehungen zu dem mit hochverräterifchen Plänen umgehen-
den Exarchen Olympius den Kaifer aufs Höchſte erbittert hatte, iſt bereit im Artikel
Martin I. berichtet worden (Bd XII S. 380,56 ff.; die dort nur zweifelnd vorgetragene co
Annahme, daß Martin ſchon 653 nad Konftantinopel Fam, dürfte der Wahrheit ent:
fprecben, troß des von Brooke, 46 Anm. 1 erhobenen nicht unwichtigen Bedentens). Sein
Gegner Paul, dem Grabe nahe, erwies ihm den Liebesdienft, beim Kaiſer um eine mil:
demde Behandlung des Schwergeprüften zu bitten. Doch bat ihn, den man im März
654 nach dem Cherſonnes deportierte, erjt der Tod am 16. September 655 von feinen 55
Qualen erlöft. An Bauls Stelle war inzwifchen noch einmal Pyrrhus getreten
ang 654 — ‚Pfingitfonntag d. ı. 1. Sum 654 [nicht 655, troß Brooks 17), der
von Martin gern Außerungen erpreßt hätte, als wäre fein Abfall vom Monvtbeletismus
m Rom erziwungen geweſen (Mansi 10, 859). Inzwiſchen hatte man auch begonnen,
gegen den bedeutenditen Gegner, den Abt Maximus, vorzugehen, um ihn womöglich mürbe so
or
408 Monotheleten
zu machen (ſ. feine Schickſale Bd XII ©. 459,5ff). Der an Etelle Martin, ohne
Zmeifel unter kaiſerlichem Einfluß erhobene Eugenius (10. Auguft (2) 654 bis 2. Juni
657) Scheint in der That, wie man in Konftantinopel dem Maximus vorbielt (ſ. Max.
Acta 7 MSG 90, 121), zum Frieden geneigt geweſen zu fein: der Vorfchlag ging dahin,
was im Grunde nur ein pofitiver Ausdrud für das im Typus negativ Gefagte war,
man folle fowohl von einem (nämlich dem bupoftatifchen) als von zwei Willen (nämlid
den natürlichen) reden dürfen, in dem Sinne, daß die zwei durch die Einigung zu einem
werden (vgl. Max. ad Anast. MSG 90, 132: Övo Adyouev Eveoyelas dia tiv Ötagropar
xal av da nv Erworv; Petr. Const. Ep. ad Vital. Mansi 11, 276C; die „brei
Rillen“ [von denen auch Bd XII S. 460, 42f. die Nede ist] find lediglich Konfequenz
macherei der Gegner). Man berief ſich dafür auf eine frühere Außerung des Marimus
jelbft, worin er veranlaßt durch eine Stelle des Anaſtaſius Sinaita in der That den
Gebrauch des Ausdrudes von einer oder zwei Energien nebeneinander als unverfäng:
lich entfchuldigt hatte (vgl. Max. Tom. Dogm. ad Marinum presb. MSG 91, 2290).
15 Marimus wies die Vermittelungsfornel zurüd, proteftierte dagegen, daß er fie je ver
teidigt habe (vol. Ep. ad Catholicos per Siciliam constitutos 91, 114), wie er denn
auch von zwei Willen nie geredet batte, und wirkte durch jeine Anhänger (Ep. ad
Anast. 90, 131—34 und vgl. Anast. ad commune monachorum ap. Calarim
constitutos 90), 133— 136) energifh auf den Weiten, „damit wenigſtens dem älteren
Rom der Same der Frömmigkeit erhalten bleibe”. In der That nötigte die öffentliche
Etimmung in Rom den Papſt, die Synodika des Petrus nicht anzunehmen (Vit. Eugen.
Duch. 341, 7). Sein Nachfolger Vitalian (30. Juli (2) 657 bis 27. Ian. 672) aber
trat wirklich fofort in Verbindung mit dem Kaifer, diefer und der Patriarch fandten Ge
Schenke, die Kirchengemeinfchaft war ftillfchweigend bergeftellt, und Konftans wurde, ala
er 663 nah Rom kam, devot aufgenonmen (Vit. Vital. Duch. 343; Mansi 11, 572E;
vgl. auch 200D, 345A).
Indeſſen der für den Augenblid verdedte Gegenjag trat nach der Ermordung
Konſtans' II. (668) und in den eriten Jahren Konftanting des Bärtigen (Pogonatus,
668— 685), der durch Empörungen wie durd die Kämpfe mit Avaren, Bulgaren und
Sarazenen vollftändig in Anſpruch genommen mar, wieder in Geltung. Der Verkehr
zwischen Rom und Konſtantinopel hörte auf. Der Nachfolger des Petrus, Thomas II.
(Titerfonntag, das iſt 17. April 667 bis 15. [2] November 669), unterließ es, angeblich
wegen der durch die Sarazenen gebinderten Kommunikation, fein Antrittsfchreiben nad)
Rom zu fenden ; das Synodikon jeines Nachfolgers Johannes V. (25. [Nov. [?] 669 bis
35 18. Aug. 675) aber wurde von Vitalian von Rom und das Konftantins I. (2. Sept
675 bis 9. Aug. 677) von Bapft Adeodat III (11. April[?2] 672 bis 17. unit 676) nit
angenommen (Mansi 11, 576). Der neue Patriarch Theodor II. (23. Aug. [X] 677
bis Nov. [|Dez.] 679) entſchied ſich daher, fein Synodikon, deſſen Nichtannahme er be
fürdsten mußte, dem Papſte gar nicht mitzuteilen und verlangte in Gemeinfchaft mit dem
10 in Nonftantinopel refidierenden Patriarchen Malarius von Antiohien vom Kaiſer die
Streihbung des Namens Bitalians aus den Tiptychen. Ciner derartigen Verſchärfung
des Werbältniffes ungeneigt forderte KRonftantin den Papſt Tonus (2. Nov. [?] 676 bis
11. April 678) in einem längeren Schreiben (nur der lateinifche Tert enthält die Datie
rung auf den 12. Auguft 678, Die, da Donus damals ſchon Monate lang tot mar,
45 fehlerhaft fein dürfte) auf, da die Zeitumftände cine allgemeine Synode nicht geftatteten,
eine größere Deputation von Biſchöfen und Abten auf Staatskoſten nad Konttantinopel
zu fenden, und verheißt freies Geleit für den Fall, daß Teine Eimigfeit erzielt werde
(Mansi 11, 195-202). Da Rom ſchwieg und Donus’ Nachfolger Agatho (27. Zuni [?]
678 bis 10. Jan. 681) zügerte, feinen Gefandten nad Konſtantinopel zu jchiden, fo ge
nehmigte jeßt der Kaiſer die erneute Bitte der beiden Patriarchen und der konſtantinopo⸗
litaniſchen Synode um Streihung des Namens Vitaltang (Mansi 11, 345). Der neue
Papſt verjchaffte fich zunächft den nötigen Nüdbalt im Abendlande, indem er überall
Verfammlungen anregte (vgl. M. 196; den Brief der Mailänder Eynode unter Man:
ſuetus an den Maifer, M. 203-- 208; die Synode zu Hatfield in Hertfordfbire vom Jahre
5680, M. 175ff. |dazı Brigbt, Chapters of Early English Church History,
Orf. 1878, 31622). Gine römifche Synode (M.785—188; wohl Oftern 680) von
125 Biſchöfen ſandte Deputierte an den Hof mit einem Synodaljchreiben (M. 285—316)
und einer ausführlichen Erklärung des Papſtes (M. 233— 286), die den langen Auffchub
mit der Entlegenbeit vieler abendländifchen Bistümer entfchuldigt, dabei aber mit ſtarkem
w Zelbjtbewußtjen Nom als die zuverläſſige Bewahrerin der rechten Lehre geltend macht,
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Monotheleten 409
die die Brüder zu ftärfen babe, befonders ſeit die Patriarchen von Konjtantinopel eine
feßerifche Meinung in die Kirche einzuführen begonnen haben. Für jolches Auftreten war
inzwilchen in Konltantinopel der Boden bereitet. Theodor war jchon vor Ausgang des
Jahres 679 (f. o.) vom Kaifer entfernt worden, wohl weniger jenes Monotheletismus
wegen als meil er der Union mit Rom widerſtrebte (jo richtig Hefele 259 4.3), und 5
Georg (bis Frühjahr 686) auf den Patriarchenſtuhl erboben worden. Der Kaijer,
der die römischen Abgefandten ebrenvoll empfangen hatte (Vit. Agath. Tuch. 351, 1--9),
beauftragte den Patriarchen fofort (nämlidy unter dem 10. Sept. 680 [vgl. Hefele 260),
die Metropoliten und Bijchöfe feines Sprengeld zufammenzuberufen und den Patriarchen
Makarius mit entprechender Inftruftion zu verſehen (Mansi 201— 204; das Datum nur 10
in der lateinifchen Überſetzung).
4. Die jehfte allgemeine Eynode und ihre Nachſpiele. — Eine all
gemeine Synode war nicht beabfichtigt gemefen. Aber die nun am 7. November 680 in
dem gemwölbten Saal (TooöAkos, daher trullanifche Synode) des Faiferlichen Palajtes zu:
fammentretende VBerfammlung bezeichnete fich gleich in der erſten Sitzung als ökumeniſch 15
(Mansi 11, 2090), wie fie denn auch wider Erwarten von den Patriarchen von
Alerandrien und Serufalem bejchiet worden war. Mit längeren Unterbrechungen hat die
Synode in achtzehn Sigungen bis zum 16. September 681 getagt (die Alten im griech).
Driginal und in zwei alten lateinifchen Überfeßungen erhalten, bei M. 11, 189-922).
Die Römer bejchwerten ſich über die feit 40 Jahren neu aufgetauchte Lehre, als deren zu
zäher Berteidiger ſich Makarius von Antiochien zeigte, der fich wie auf Cergius, Por:
rhus u. a. auch auf Honorius berief.” Tie Cchrift des Mennas an Bigilius, auf die
Sergius ſich bejonders berufen hatte, durfte, als in die Alten der 5. ölumenifchen Synode
erit eingetragen (dies ließ jich ermweifen, vgl. M. 588 ff.) und angeblich unecht (hierfür
blieben die Römer den Beweis fchuldig, protejtierten dafür aber um fo lauter gegen die 25
Echtheit; M. 225. 528), nicht verlefen werden. Die beiden Briefe, in denen Papſt Bi:
gilius Suftinian und Theodora feine Sinnesänderung angefünbigt hatte (ſ. M. 9, 351
und den A. Vigilius), wurden von den Römern des darin vorfommenden Belenntnifjes
jur una operatio wegen ebenfalld für unecht erflärt (M. 225. 528, wiederum fehlt
jeder Beweis, auch für die moderne [Baronius ad ann. 680 n. 47; Baluzius, Praef. 30
in acta conc. V bei Mansi 9, 163ff.; SHefele 2,857 f. u. a.] Behauptung, daß der
intriminierte Ausdrud durch einen Monotheleten in die echten Briefe eingejchoben morden
fe). Sodann bradte Malarius ein umfangreihes Material patriftiicher Zeugniſſe für
die monotbeletifhe Auffafjung bei, denen dann die Römer die Zeugniſſe für die dyothe—
letifche gegemüberftellten. Der Patriarch Georg, offenbar von vorne herein mwillens, ſich 35
für Agatho zu entjcheiden, erklärte fih am 7. März 681 (8. Zigung, M. 336) durd)
defien Darlegung überzeugt, und ihm folgten nach und nad, durch Akklamation, ſämt—
liche Biſchöfe feines Sprengels und einige andere. In diefer mißlichen Lage machte der
Abt Stephan aus Antiochten, der entichiedenite Bundesgenofje des Makarius (M. 665:
6 Tovrov uadnıns uäilov de Akyew xadnynıns), nod den vergeblichen Berjuch, durch 40
den von ihm vorgejchobenen „bäurifchen” (ywoıxös, M. 340 0) Biſchof von Melitene eine
vermittelnde, die Streitfrage unentſchieden lajjende und dadurch die Monotheleten vor
Verdammung fchügende Erklärung berbeizuführen. Jetzt wird der Name Vitalians in
den Diptychen wieder hergeitellt (M. 345 A). Makarius und Stephanus werden wegen
Berfälihung der Dogmen und der Väterlehre und wegen Steßeret ihrer geiftlichen Würden 45
beraubt, die aber, melde ihre bisherigen Irrtümer verbeffern, follen in ihren Amtern
verbleiben (9. Situng, M. 385). Endlich wurde in der 13. Sitzung vom 28. Marz mit
allen den in Agathos Schreiben verivorfenen Namen (Sergius, Cyrus, Pyrrhus, Paulus,
Petrus, Theodor von Pharan) auch der Name des Honortus mit dem Anatbem belegt,
weil fein Schreiben an Sergius zeige, daß er dieſem durchaus folge und feine gott: 50
Iofen Lehren beftätige (M. 556). Tas Manöver des Mönche Polychronius, dem Mo—
notheletismug durch ein Gottesgericht zum Siege zu verhelfen, mißglüdte (15. Sitzung,
M. 605— 12); dann trat der Presbyter Konjtantin aus Apamen mit einer interejjanten
ittelung auf (er gebe zivei Energien zu, denn fie gehörten zu den Eigentümlich—
leiten der gjei Naturen; aber es fei in Ghriftus nur ein perfönlicher Wille, der des
Logos [Heinua Ev Alyw Tod nooowWwnov Tod Aöyov]|, neben diefen ein natürlicher
gprouen Beinors], der menjchliche; diefen babe der Herr ausgezogen, als er am Kreuze
Fleiſch und Blut auszog), wurde aber damit ala neuer Manichäer und Apollinarijt ab:
getviefen (16. Sigung, M. 617 ff). Georg von Nonftantinopel ſuchte wenigſtens durch—
zuſetzen, daß feine verurteilten Vorgänger auf dem Batriarchenftubl (Sergius bis Petrus; 0
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— — —* — einmal der neu en den ——— zur Geltung
zu bringen. Philippikus Bardanes (711—713), von Haus aus der Dion
an angebörig und noch durch jenen Abt Stepban N vo. ©, 409, 0) unterrichtet, tat
55 jofort gegen die 6. Synode auf, entfernte den Batriarchen Cyrus era bis Ian.
712?) und erbob ftatt feiner Johannes VI., der fi g (gar. 712 | bie
Juli Aug. 715 [?)): das Andenken der von der 6, Synode gejtellt
und eine förmliche VBerwerfung der Synode dur Unterichrift verlangt. "om Papſt
Epſtantin 25. März 708 hie 9, April 715) widerſetzte fich und Bar
eo nicht an; in Konſtantinopel dagegen ſcheint er nicht viel Widerſtand gefunden au —
Monotheleten 411
Doch dauerte die Reaktion nicht lange. Bardanes wurde am Pfingftfonntag 4. Juni
713 geftürzt, und fein Nachfolger Anaftafius II. (713— 715), den Johannes krönen
mußte, jtellte das Anſehen der Synode wieder ber. Johannes aber machte feinen Frieden
mit Rom, indem er feine Anbequemung an ben Tyrannen mit der Abficht, noch Schlim-
meres zu verbüten, entichuldigte (vgl. zum Vorſtehenden Agathonis Diaconi [zu SKon- 5
ftantinopel; vgl. auch Hefele 287 U. 1] Peroratio bei Combefis., Auctuar. nov. 2,
199—212, auch Mansi 12, 189—196; Joann. O. P. Apologia bei Comb. 211 bis
230, M. 1, 195—208).
5. Dogmengeſchichtliches. Der dogmengefchichtlihen Betrachtung kann der
monenergiftiiche beziw. monotheletiiche Streit ale ein bloßes Nachfpiel des monophnfi-
tiſchen erfcheinen. Und dennoch bietet auch er Eigentümliches, denn er zeigt, wie man
bei korrekt dyophyſitiſcher Gefinnung nicht zu dyotheletiſchen Konjequenzen fortfchreiten zu
müflen glaubte. In feinem Briefe an Cyrus von Phafis hat Sergius behauptet (Mansi
11,528B), daß bisher feiner von denen, die als Verteidiger des Briefes Leos aufgetreten
jeten, ja überhaupt feiner der Yedrvevoroı rijç Exxinoias uvoraywyal von duo Evig- 15
yeıaı geredet habe, und hinzugefügt, daß, wenn ein Sachverſtändiger dafür den Nachweis
erbringen könne, ihm ſelbſtwerſtändlich Folge gegeben werden müfje Soll diefe Behaup-
tung den Sinn haben, daß nie zuvor auf dyophyſitiſcher Seite von dVo Evkoysrar ge:
redet morden ſei, jo ift ſie unrichtig. Nicht nur bat Severus (vgl. die Stellen bei Mat,
Nov. Coll. 7, 1, 71) die Redeweiſe feinen Gegnern in den Mund gelegt, fondern der 0
Mönch Euftathius (Ep. de duabus naturis MSG 86, 1, 909B) hat fie ihm als zu
Recht beitehend abgenommen. Auch Auftinian bat fih in feinem Briefe an den Aleran-
driner Zoilus (MSG 86, 1, 1149A) dazu befannt, und die Ausführungen des Leontius
von Byzanz (Ar. Nestor. et Eutych. MSG 86, 1 1,320 und adv. argumenta
Severi 86, 2, 1932; vgl. dazu Loofs 70) zeigen, daß ihm der Gedanke geläufig war, 25
zum mindeiten aber feine Echwierigfeiten bereitete. Immerhin hatte Sergius fo Unrecht
nicht, wenn er auf den Diangel an anerkannten patriftiichen Zeugnifjen für dieje Lehre bin:
wies: die Berufung auf die genannten Autoren fonnte fie jedenfalls nicht erjegen. Noch
günftiger für ihn lagen die Dinge, wenn e8 fih um die ddo Beinuara bandelte. Die dvas
Beinudrwv begegnet bei früheren Schriftitellern (ſ. ſchon Polemo BDI 676, 10, bei Mai a. a. O. 0
0b und Severus ebend. 71b) lediglich als den Gegnern zugefchobene lette Konjequenz
der Zweinaturenlehre. Ob darüber überhaupt geftritten worden iſt (jo Harnack 400
4. 2), bleibt zweifelhaft. Nun hat freilih Eulogius von Alerandrien in feiner erft vor kurzem
und leider nicht vollitändig wieder aufgefundenen Schrift eo rjs dyias toıddos xal
nepi ns Deias olxovonias (brig. von Bardenhewer, ſ. o. ©. 401,59; ein Bruchitüd 35
ſchon bei Mai, N. C. 7,1, 177f., auh MSG 86, 2, 2939 — 4-4) ſowohl die Ödo Eveo-
yaaı als aud die ÖVo Belnuara in längerer Auseinanderfegung mit ungenannten
Gegnern verfochten und dabei hen im wejentlichen die Gründe vorgebracht, die für Die
Konzilsväter von 680 beitimmend geweſen iſt. Dieſe Schrift aber, an deren Echtheit
zu zweifeln im übrigen fein Grund vorliegt, fann über Alexandrien hinaus nicht befannt so
geworden jein. Sergius bat fie nicht gekannt, was an ſich nicht auffallend fein mag,
immerhin aber bei der Beitimmtbeit, mit der er in dem angegebenen Zufammenbang
(M. 528A) behauptet, daß auch Culogius (in feiner ovvnyoola des Yehrbriefs Leos)
nichts von zwei Energien wife, Gewicht bat. Auch Sophronius bat ihrer nicht gedacht,
und er war dem Patriarchen perfönlich befreundet! Während des ganzen Streites bat ss
man von ihr feine Notiz genommen, und felbft dem Photius ift fie unbelannt geblieben,
fo daß wir Fein altes Zeugnis ihres Tafeins befigen.
an kann jomit füglih nicht fagen, daß der monenergiftifche Streit ſchon in
Juſtinians Zeit im Sinne der fpäteren Ortbodorie entfchieden geweſen fei (fo Loofs 316).
Vohi aber iſt es richtig, daß vom Standpunkt der metaphyſiſchen Betrachtung, auf Dem 50
fih die juſtinianiſche Orthodoxie die Terminologie der leoniniſchen Zweinaturenlehre mund:
gemacht hatte, logiſcherweiſe nichts Dagegen einzuwenden mar, Daß den Övo
, auch ÖVo gvorxal dveoyeaı (Sev. 1. c.) zugefchrieben wurden (ſ. Die Aus:
Fabrungen bei Loofs 69). Man Tünnte «8 fogar als MWortflauberet bezeichnen, wenn
Sergius, der Leos Brief als die Grundlage der Nechtgläubigkeit anerfannte (M. 525 E: 56
xom To Övu is Öododokias ormhin xadeornxe) und der die Worte: &veoyel
A007 era Ts Vardpov xowwrias Öreo lölov Foynxe ausdrüdlid citiert
(#25 D), fi —* berief, daß Yen eben doch die ÖVo Erepyera nicht gelehrt babe
(628 4). Es iſt aber doch nicht zu verkennen, daß der Ausgangspunkt der monener—
giſtiſchen Betrachtung keineswegs unortbodor war (vgl. vornehmlich Theodors von Pharan so
—
0
*
e Aitunge f gen heri : jo or bon Mſſa
2 0AB), fo w * Joann. 1b, " MSG — — —
auf Ye 8,54 von e: za | pen mlich das
ietende Wort um die ——— Br Sc — mw veoyear (val.
10 Bor in Der 4; Met [M. 10, 752B] MSG 91, 344B und des Marımus Gegen:
mus, * se. Theol. ibid. 124 CD), vor allem aber die jo be-
“ER
haben und avar in ber — atur, ee Seiiswichamteit der a
| ng emp "ie ih dann durd die vernünftige
und Betbätigungen Ebrifti XS — ih —* Orte
mn Beinen ht für Ad ei ondern im der
icher nn | | wg —— an So ift nr auch das der
Ai Ri | En zen
* die — Wille —* dieſer göttlich. In der ——
ergius (M. 536A) auf den auch in ber Efthefis wieder
» S. 405, u) Sat als einen vechtgläubigen ſich berufen, daß das sc Die al d des
—— green — — ke kan She —— beberrjcht werde,
‚um ; 0
IA y * a der ganze Komplex feiner menjchlichen Natur immerdar von der Bott-
30 Die Boventen ı en die war der Zreoyera (vgl. außer Marimus — *—
Presb. 195ff,; befte, mitt dr Mat N mın darauf, daß das ſpezifiſch
Menjchliche der eben aus ber Sgentimbtst de Kg unse. Wirkſamkei
oben werde, wenn nur eine (weſen ——
an
aufgeh werde,
3 d liche Natu toten \ = eelt oder
Hi "Er ga pl han — mac r “om — fon
p.372 die Monotbeleten) gedacht werden —5 (oder aber, daß, wenn die eine
— als zuſammengeſetzte dedacht werde, dieſes auf jeverianifebe Roritellungen von der
einen En Natur zurückgehe, denen freilich die ägyptiſchen Unionsfäge (ſ. o.
©. 403,33) in der Entwidelung der Naturenlebre febr nabe kommen. Indem infolge des
40 Widerſpruches es Sergius und die Seinen den Streit a die Energie fallen laſſen wollen
und bie Wield eit des Ausdrucks (Mirkungstraft, mEeit, Wirkung) benußend
jtatt von einer oder zwei von jedweder göttlichen oder — lichen Energie reden (jo u
Ektheſis 993 D: näca Bea zal ärdowriven Bvkoyeıa und ebenjo bie —
Maximus 49 0, ähnlich Honorius M. 11, 541D: noAvroörwns Eyvouer abröw dveg-
yobrea unter Berufung auf 1 Ro 12, N) ziehen fie 16 auf bie. Verfönliche Einheit De des
irfenden zurüd, und als ei entlicher Kt tern des von ihnen Beabfichtigten
mebr die vorausgejehte E —8 des Willens, da zwei Willen im Unterfchiebe bon
bloßen Trieben oder natürlichen Bervegungsrichtungen zwei wollende S
würden. Menn dabei die Monotbeleten, denen ja namentlich Stellen wie Mt 26, 39 mit
ihrer Entgegenjesung des menschlichen und des göttlichen Willens a
fofort vorausfegen, dak zwei Willen notivendig im Gegenfab zu einander ei
ander widerſt en mühen und wenn fie deshalb aus der Unjündlichteit der
Natur gegen die Zweiwillenlebre argumentieren (jo z. B. —— oben ©. 101...
liegt dem ein ganz richtiges Gefühl davon zu Grunde, Aneignu
menſchlichen Natur durch den perſönlichen Logos ein in ——— Subjet ie
Gottmenſchen im Unterjchiede von feinem göttlichen Willen jich bemerkbar machender
Wille nur auf eme —— Richtung in der angenommenen Ratur zurüdgefi
werden fünne. In diejer Beziebung berief man ah 1 —— p. 316C) auf Gregors
von Nyſſa (Orat. 2 de filio) Wort: 76 ydo Fxel older Öneranrior
de, Deuder Skov. Aber die Monotbeleten neben pe weiter und behaupten auch bie
|
|
Monotheleten 413
Unmöglichkeit zweier nur von einander verjebiedener, wenn auch inhaltlich gleicher Willen
(jo ſchon Sergius M. p. 534E, noch deutlicher Makarius p. 353 D: ddımarov yap TW
bi xai vo adıd Xoro to de Tubv 6Vo Aa xal xara radıöv Evarria 1) xai
Öuota Ögıoravaı Seirnnaro) In der That zeigt Die Art, wie die älteren Väter jich
mit Stellen wie Mt 26, 39 abfanden, indem fie den Gottmenjchen in ſeinem beilsöfo-
nomifchen Wirken gewiflermagen fich felbft zu einem menfchlihen Wollen, wie zur Über:
nahme einer Rolle, beitimmen ließen, wie fern ibnen noch die Theje von den zwei Willen
lag. Nicht ohne Grund geben die Mionotbeleten die Meinung der Väter dabin an, der
Herr habe xar’ olxeiwow einen menjchlichen Willen. Dabei wollen fie eine menschliche
Bewegung nicht leugnen, fie aber als ganz durch den göttlichen Willen hervorgerufen ı0
anjeben. m Verhältnis zur göttlichen Energie wird die menschliche zum zddos (jo
Pyrrhus p. 349C; M. 10, 756D), und wenn der Nyſſener (Orat. 1 de resurr. MSG
46, 616 D) von Ehriftus jagt, die Seele wolle, jo fei feine Meinung, daß das Wollen
der Seele eben durch den göttlihen Willen der ihr perfönlich geeinten Gottheit gefchehe,
alfo göttliches Wollen in menjchlicher Form jet (Pyrrhus 317 A; M.732D; val. dien
bezeichnenden Worte des Paulus von Konftantinopel M. 10, 1024 DE). Es läßt ji
nicht leugnen, daß die monotheletifche Auffaſſung der ganzen firchlihen Anſchauung vom
Gottmenſchen ſehr nabe lag; jeheint doch felbft Maximus anfangs gegen die von Sergius
ausgegebene Parole, nachdem nur der Vionenergismus nicht mehr gefordert wurde, nichte
weientliches einzumwenden gehabt zu baben (vgl. feinen, von überfchwänglichen Lobeserhe- 20
bungen triefenden Brief an Pyrrhus MSG 91, 589 ff.).
Dennoh jiegte nun, und nicht zum wenigften durch Marimus’ Bemühungen, die
Gegentheſe kraft der Folgerichtigkeit der in den chalcedonenfischen Beltimmungen ein:
gefehlagenen Richtung, freilih um den Preis unerträglicer Zufpigung des in der kirch—
lihen Zmeinaturenlehre liegenden Widerſpruchs. Das Wollen, wird nun gejagt, fei der 2
menschlichen Natur, als geiftigvernünftiger, weſentlich; wie der Pflanze das Wachien,
der empfindenden Kreatur das Begehren, jo fer dem denkenden Geſchöpfe das Wollen
natureigen, ſei Sache der Natur. Wer den menfchlichen Willen in Chriſto leugne, leugne
die menjchliche Seele in ihm. Hat Chriftus nicht einen menfchlichen Willen angenommen,
en nur durch (Aneignung) olxeiwoıs ſich in das Verhältnis (oy&ors) eines menfchlich so
ollenden verjegt, und iſt Wille beim Menſchen von Natur twefentlich, jo wird auch Die
Annahme alles anderen Menjchlihen zu einer bloß uneigentlichen Aneignung und die
ganze Menſchwerdung dofetifch. Aber — muß nun doch das der formalen Folge—
richtigkeit und dem religiöſen Intereſſe an der wahren Menſchheit Chriſti zuliebe Be-
hauptete wieder umgebogen werden; man muß leugnen, daß Chriſtus einen „gnomiſchen“ 35
Willen (ſ. dazu Dorner 241ff.) in dem Sinne diefes Ausdrucks gebabt babe, wonach er
eine auf Wahl rubende, durch Erwägung von für und wider berbeigeführte Entſcheidung
für das Gute bezeichnet: denn feine menſchliche Natur darf nicht wandelbar erfcheinen,
feinem menſchlichen Willen fehlt das aure£odorov, er iſt vermöge der Einigung mit und
Aneignung und Ausprägung durch den Logos vom Augenblid der Menfchiwerdung an 10
vergottet, mithin mit Notivendigleit auf das Gute gerichtet; ja Maximus fcheut den
Ausdrud nicht, der Gottmenfch babe einen der Natur nach menjchlichen, dem Weſen nad
göttlihen Willen (p. 80C: örı Yeinın xara go elyev dvdocnıvor Gonegodr
xal xar' ovolav Belov adrös Erudeinviraı nooönions 6 Aöyos |nämlih Wit 16, 39)).
Wie wenig fich dies deckt mit den für die Zweiheit des Willens berangezogenen Schrift: 45
ftellen (menjchlicher Wille: So 1,43. 17,24 19,285 Mt 27,34 u. a.; göttlicher: Le
13, 24; Io 5, 21), und wie nahe es andererjeits jachlihb an die obigen monotheletiſchen
Crörterungen ftreift, liegt auf der Hand.
Auf Grund der Entſcheidung der jechiten allgemeinen Synode und unter Benützung
befonders der Scharffinnigen Erörterungen des Marimus bat dann im 8. Jahrhundert 50
Johannes von Damaskus (ſ. d. U. Bd IX S. 286—300) die dyotheletiſche Lehre als
die Vollendung der chalcevonenfifchen forgfältig entwidelt und dialektiſch verteidigt. Er
bat die jchon feit Athanajius vorbereitete, ſeit Cyrill zur Herrſchaft gelangte Grund:
anfhauung von der Aufnahıne des Menfchlichen dur den Yogos in der Lehre von ber
Enhnpoftafie (in der ihm übrigens Yeontius vorangegangen war, vol. Loofs 657.) der 55
menihlichen Natur im Logos zu charakteriftifcher Ausprägung gebracht, ohne darum be:
*— gemacht zu haben, wie menſchliches Denken und Wollen ohne menſchliche
Ci
-
Önlichkeit, wahrhaft mienjchlihes Weſen ohne eigene Subfiftenz an einer fremden
jönlichkeit wirkliche Exiſtenz haben fünne.
(8. Möller F) G. Krüger. w
414 Monftranz
C. Weil, Die gotiſche Monſtranze dev Domli ——
FEB ——
— Kun Runftrchüologie D ae s eufcn ee r Ban 1 kei 883, ©. 240 fi. —
Bungen an ig: —F des ia — in *
——— —— "Sein gl Bad, Das. 4 In, Seipaig 1800;
und Münjter, Trier 1869,
7 Wh == bemorsseiende Me "bei pesjelhen * d. A.
— go in de
— EN ver — ——
— —— isſtattung en
einem oder mehreren Türmche — ——
ns or und wertvollen Steinen rg die Exemplare Sr 9
t. Engel⸗ und ——— —* Ber Den Abi , bildet eine
er
lume, ein ein h d
— (ein m et: Wr — in Wort ——
30 hundert einſetzen — ne da Gepräge bes — Stile. In dem — Mufban
efindet Fr in * u durch zwei — mi —— eine halbmondförmige ae nd
nula) zur Aufnahme der * Ein meiſtens aufrechter G
cylinder umſchließt beide; doch —— —* werden, daß die Sn mi
dem Glaſe nicht in Berührun s tomnt. In der Spätgotik tritt eine Verwilderung der
35 Formen * ‚(Ottel, ©.241 Fig. 88). Die —— a er — —
durch ihre eigenen und te eine bejondere Vorliebe für Schmud, Zugleich
wurde Test hatt des Gylinders eine Sonnenjcheibe zum Träger en ‚Hoftie gemacht mit
oft —— —— in die das Rococco gern Wolken, —* Gott Vater, die
Taube u. j. m. einſetzte, ein 5 ebenſo der überſchwenglichen Verehrung der Hoſtie
40 wie kunfileriſcher Geſchmackloſigkeit.
Als erſtrebenswertes Material galten Gold und Silber, ee für die ——
Doch begnügte man ſich in der Regel mit vergoldetem Kupfer oder Meffing, ja ı ——
kommt vor. Die Größe wechſelt. Während man in Italien im Ba. Ho
jtrangen (0,30 0,35 m) vorzog und in Deutſchland cin mittleres Maß liebte, hatte man
45 in Frankreich und Spanien eine Neigung zu koloſſalen Formen Kane Dame in Paris
185 mm; Valladolid 2 m; Toledo 4,50 m). Die Rieſenmonſtranzen wurden allerdings
*— gar nicht in Progeffion getragen oder waren andernfalls mit Re
berieben
Mit dem fpäten Auftreten der Monſtranz bängt zufam
50 Schriften über fie nur jpärlid vorhanden find. Im römischen Pan Be — Inden
Benediktionsformel; die Kongregation der heiligen Riten hat als Krönung ein —*
geſchrieben, im Caeremoniale Episcoporum wird auf edeles Metall, Gold oder i
Wert gele Be
Der Sreichtum einzelner Kirchen an Monftrangen war ein großer In
55 hat bejonders der dreißigjährige Arien, in Frankreich die Nevolution damit
nachdem vorher ſchon da, wo Die Reformation Fuß gefaßt, zablloje Eremplare aus:
gefebieden waren. Denn in der Monftranz ſah man fozujagen verkörpert Die „oil %-
götterei” (Luther) des Fronleihnamsfeites.
Montalembert 415
Montalembert, Charles: Forbes-Rene, Graf, geit. 1870. --- Ch. Foisset, Le
Comte de Montalembert, Paris et Lyon 1877; Dourlens, M. de Montalembert, sa bio-
graphie et extraits de ses ocuvres 1869; A. Perraud, Le Comte de Montalembert, Paris
1870; Augustin Cochin, Le Comte de Montalembert, Paris 1870; Miss. Oliphant, Me-
moires of count de Montalembert; Sainte-Beuve, Causeries du lundi B. 1; Léon Gautier, 6
Portraits litt&raires, 1868; Duc d’Aumale, Discours de reception à l’Acad&mie francaise,
3 Avril 1873; De Mazade, Portraits d’histoire morale et politique, 1875: Lecanuet, la
Jeunesse de Montalembert, in dem Correspondant, 25 Dez. 1894; Anatole Leroy-Beaulieu,
le Catholicisme liberal, 1885; D’Ibaussonville, Lacordaire, 1895; Olle-Laprune in la France
chretienne, 1896. 10
Montalembert, der hervorragendjte Vertreter der liberalen katholiſchen Partei in
Frankreich, wurde in London geboren den 15. April 1810 und ftarb in Paris den
12. März 1870. Sein Vater, Marc Nene, hatte unter Condé gegen die Revolution
gefämpft, und war nad) Auflöfung deſſen Heeres in englische Dienite getreten, woſelbſt
er ſich mit der einzigen Tochter des „james Forbes (von den iriſchen Grafen Granard 15
abitammend) verehelichte. Yon James ‚Korbes erhielt er eine vortreffliche Erziebung; nad
dejien Tod (1819) ließ ihn fein Vater, der unterdeilen Pair de France geworden, nach
Paris fommen. Er hatte von Jugend auf ein frommes Gemüt. Bon feiner erjten Kom-
munion fagt er: „Zum erjtenmale babe ich an diefem Tage begriffen, daß das Sterben
lieblich fein könne”; und den Prieſter, der ihn zu derfelben zuließ, nannte er fpäter 20
„feinen eriten Wohlthäter nach jenem Großvater”. Der Verkehr mit feinen Mitfchülern
in dem College Sainte-Barbe hatte nichts anziehendes für ihn: „Sn der Unterhaltung
diefer jungen Xeute, ſchrieb er, Die doch von den Vorzüglichjten find, herricht eine Gott:
lofigfeit und eine Unzucht, die mich erfchreden”. Als im Jahre 1828 fein Vater zum
franzöftihen Botichafter in Schweden ernannt wurde, folgte er ihm nad) Stodbolm und 25
ſchrieb, kaum 20 Jahre alt, einen bemerkenswerten Artikel über Schweden für die Revue
frangaise. Er begeijterte fih für den großen Iren O’Connel, welcher damals Katboli:
cismus und Freiheit zu vereinigen jtrebte, und den er auf einer Reife nach Irland be:
ſuchte; ſchon zu jener Zeit reifte in ihm der Gedanke, O'Connels Rolle in Frankreich zu
fpielen. Im Sabre 1830 verband er ſich mit Lamennais, den er mit der größeiten “Ber: 30
ebrung anhing, wurde jein Mitarbeiter am Avenir (ſ. d. A. „Lamennais“ Bd XI ©. 231)
und eröffnete mit Yacordaire den Feldzug für die Yehrfreiheit, gegen das Monopol des
Staates und der Univerfität (das Wort Univerfität wurde damals ın Frankreich in einem
anderen Sinne ald in Deutfchland gebraucht. Die Universit& de France begriff das
anze Unterrichtötwefen und hatte Afademien und Fakultäten). Yacordaire eröffnete eine 35
Pie Schule, an welcher Montalembert und de Coux mit ibm den Unterricht erteilen
follten. Tag und Stunde der Eröffnung wurden im voraus im Avenir angezeigt. Grit
am zweiten Tage jchritt die Polizei ein. Lacordatre proteltierte im Namen der Eltern,
und die Lehrer wie die Schüler wichen nur der Gewalt. Da durch den Tod feines Vaters
Montalembert in die Pairskammer eingetreten war, mußte das gerichtliche Verfahren gegen 40
Die drei Lehrer vor diefe Kammer gezogen werden; am 19. Sept. 1831 wurde die Sache
verhandelt vor einer großen Zubörermenge in den Tribünen. Montalembert hatte am
Morgen diefes Tages die Kommunion genommen. Auf die übliche Frage nah Stand
und Alter antwortete er: „Charles, Graf v. Miontalembert, 21 Jahre alt, Schulmeifter
und Pair de France“; er bielt jodann eine glübende Berteidigungsrede, wo er ſich, als as
Bertreter der fatholifchen Partei, gegen den Unglauben und die anftedende Zweifelſucht
erbob, die in der Univerfität berrichten; leßtere nannte er: „une cr&ature de la Con-
vention et de l’Empire". Nachdem noch Yacordaire gefprochen, wurden fie zur gelin-
deiten Strafe (100 Franken Geldbuße) verurteilt; es mar dies eher ein Sieg als cine
Niederlage. In demjelben Jahre hatte er die Belanntichaft von Kr. von Swetſchine ge= so
macht, die er oft zu Nat zug und die ſpäter nicht ohne Einfluß auf ihn war. Er lernte
auch den Polen Adam Midiewig kennen, deilen „Polnische Pilger“, zu welchen er eine
Vorrede jchrieb, er ing Franzöſiſche überfegte. Als die Enchklifa des 15. Auguft 1832
Lamennais und feine Freunde verurteilte, konnte Montalembert nur mit Mühe, durch den
Einflug von Lacordaire und Fr. v. Swetichine dazu gebracht werden, daß er fi von ss
demjelben losjagte; den 8. Dez. 18:34 ſchickte er endlich ein kategoriſches Unterwerfunge-
Khreiben an den Kardinal Pacca ab.
Montalembert brachte jodann einige Jahre auf Reifen zu, namentlih in Italien und
m Deutichland, hielt fi längere Zeit m München auf, wo ibn Schelling, Görres und
er anzogen; er trat in Verkehr mit Heß, Schnorr, Cornelius u. a.; ferner mit den co
Brüdern Grimm, Otfr. Müller, Heeren, Schloffer, Greußer, Mittermeyer, Raumer, Wolf:
—
1
x
-
n
416 Montalembert
gang Menzel u.a. Er ftudierte vornehmlich die rel. Kunſt und die Legenden der Vorzeit
und zeigte eine bejondere Vorliebe für die Kunſt des Mittelalters: „Bor allem, —
er, iſt ſie eine katholiſche; ſie iſt die impoſanteſte Offenbarung der Kirche, deren Kind ich
bin, die glänzendſte Schöpfung des Glaubens, den mir meine Väter binteriaf en haben.
Ich betrachte die alten Denkmäler des Katholicismus mit ebenſoviel Liebe als die Leute,
welche ihr Leben und ihr Geld hingaben, um ſie zu gründen; für mich vertreten ſie nicht
bloß eine Idee, eine Epoche, einen Glauben, die längſt erloſchen; es ſind im Gegenteil
die Symbole deſſen, was am meiſten Leben bat in meiner Seele.” (Du Vandalisme et
du Catholieisme dans l’Art.) „Man muß, jchreibt er ferner, die Zeiten des Glau:
bens, Die man jo verleumderiſch Zeiten der Finſternis genannt bat, wieder zu Ehren
bringen . . . Daß man die Gefchichte der katholiſchen Jahrhunderte fo fehr vergeſſen und
verachtet bat, Das iſt Die Haupturſache des Zieges der Häreſie und ber Gottloſigkeit in
den legten Zeiten . .. Wir müſſen das, was Die Seele der katholiſchen Geſellſchaft mar,
wiederum würdigen lernen, glauben, was ſie glaubte, lieben, was ſie liebte, fühlen, was
> fie fühlte. Man muß audh ibre Überlieferungen und ihre Legenden, den blühendſten
Zweig der Traditionen, wiederum würdigen lemen . .“ Die Frucht dieſer Reifen und
Ztudien war Die vebenabejchreibung der bi. Eliſabeth von Ungarn, die 1836 erfdien.
„In Montalemberts Geiſt, jchreibt deſſen Biograpb und Freund Foiſſet, der ihn mobl
am bejten gekannt bat, war nicht die geringjte Spur von Nationalismus; der Glaub
war ibm angeboren. Tie \ Yebensgeichichten der Heiligen des Mittelalters bezauberten jeine
Phantaſie und feuerten ſeine Frömmigkeit an; er ſtellte keine weitere Prüfungen an, er
war unter dem Zauber. Diefes jo berzliche und unbedingte Sichgebenlaffen (laisser
aller) iſt es gerade, was jener Geſchichte der bl. Elijabetb ihren eigentümlichen Reiz
verleiht.“ Danach fünnen wir aber auch ermejjen, was wir von feinem hiſtoriſchen Sim
zu balten und zu erwarten haben. — Im Sabre 1836 vernäblte fich Montalembert mit
einer Tochter Des Grafen Felix de Mérode, welder das Haupt der katholiſchen Partei
in Belgien war. Im Monat Chtober 1812 mußte er ſich, wegen der Geſundheit der
(Srafın, nach der Inſel Madeira begeben, wojelbit er nabe an zmet Jahre blieb, mährend
welcher Zeit er jedoch jeine politische Thätigkeit Fortjegte, inden er mebrere Broſchüren
über Die brennenden Tagesfragen ſchrieb.
In der Pairskammer war er der Vorkämpfer Des Katholicismus; Doch trennte er
ſich von Der legitimiſtiſchen Partei und werbeblte nicht jeine Sympathie für Die aus der
Fulirevolution bervorgegangene Monardie. Sein Streben war, für die katholiſche Kirche
tie verlorene geiftige Macht wieder zu gewinnen. Lacordaire predigte damals mit großem
Erſolg und zog alle Gebildeten an, ſodaß Montalembert die beiten Hoffnungen hegte,
tus Yand wieder umter den Einfluß der Religion zu bringen. Er wollte eine feſtorgani—
ſierte katholiſche Partei gründen, fand jedoch wenig Anklang bei den Biſchöfen, die vor
rar Einmiſchung Der Laien in kirchliche und religiöſe ‚Kragen große Furcht begten. In
a Puirskammer verteidigte er in leidenjchaftliben Reden Die Jeſuiten, Polen, Griechen:
land, Die Chriſten Syriens, \rland, den Sonderbund; immer trat die religiöje Frage in
aa) Rordergrund: „Wir find Die Söbne der Nreusfabrer, rief er einmal aus, und werden
vor Den Zöbnen Voltaires nicht zurüdweichen!” — Als Pius IX. den Stubl Petri
bejtwg, boffte Montalembert zuwerfichtlich den Sieg Des liberalen Katholicismus; und als
[ur ee Papft einige Reformen gewährte, nannte er ıbn „den Abgott Europas“ (jpäter
uber, als er Die Unfehlbarkeit beanſpruchte, „den Gögen des Vatikan“); auch der Papfſt
ſprach mit großer Achtung von Montalembert: „Sein Name allein iſt ein Lob; dies iſt
wu vero eampione.“ Die Februarrevolution von 1848 erfreute zuerſt Montalembert,
welcher boffte, Day fie zu Gunſten der Kirche ausfallen würde Er wurde von dem
icubspepartement zum Wolfsvertreter (repr6sentant du peuple) in die National
uerſammlung gewählt, und vertrat aucd bier die Sache der Kirche; er befämpfte das all:
gemeine Stiminrecht, trug viel zum römiſchen Feldzug bei, und verteidigte ben “Prinzen
“uns Napoleon, der ſich Nom günjtig zeigte. Zum Yobn für ihren Beiſtand erbielt die
bubelifihe Partei 1850 ein neues Unterrichtsacieß (Loi Falloux), durch welches die
-Znlen in Die Bände des Mlerus geliefert wurden. Der Ztaateftreih vom 2 . Dezember
lad überraſchte wohl Montalembert, doch trat er ibm bei, wurde Mitglied der 'Com-
mission eonsultative, und von 1852 —1857 des Corps 16gislatif. Er mußte aber
hier wie in jenen fatboliichen Beitrebungen erfennen, daß er nur ein Werkzeug in ben
Häantten Anderer geweſen und eigentlih für die Gegner der ‚yreibeit und für die der
Meligiem arbeitet batte. Tiefe Zeit nannte er jelbjt die betrübtelte und verdienſwollſte
his Lebens: „Ich allein verteidigte Die Ebre und die Freiheit Frankreichs, ohne Daß
Montalembert Montanismns 417
mir jemand dafür Dank mußte, ja ohne daß nur irgend jemand im Bolfe darauf zu
achten ſchien. Ich kämpfte als ein Verzweifelter, wie in einem Keller ohne Luft nod)
Licht.“ So jehr er die Freiheit liebte, hatte er ihr doch fchlechte Dienjte geleiftet, da er
fie nie gegen die Angriffe Roms offen zu verteidigen wagte. Als er fich von aller öffent:
lichen Thätigkeit zurüdigezogen hatte, vertrat er den liberalen Katholicismus nur noch in 6
der Zeitſchrift le Correspondant. Er erfannte bald, daß die Faiferliche Politik die melt-
lihe Macht des Bapftes bedrohte, und ahnte die verhängnisvollen Folgen des italienischen
Feldzug; jeinen Befürchtungen gab er in der Schrift: Pie IX et la France en 1848
et en 1859 Ausdrud. Als im Jahre 1863 der liberale Katholizismus noch einmal auf
dem Kongreß von Malines fich zu erheben verfuchte, hielt Montalembert eine begeifterte
Rede: „Ich erlläre es alfo, ich habe einen unüberwindlichen Abſcheu gegen alle Ver:
folgungen und Gewaltthaten (supplices) die, unter den Vorwand der Neligion, an der
Menfchheit verübt werden. Die von Tatholifcher Hand angezündeten Scheiterhaufen find
mir ebenjo fehr ein Greuel ald die Echaffote, auf welchen die Proteſtanten jo viele Mär:
tyrer bingejchlachtet haben. Den Knebel im Munde eines Mannes, der mit reinem Herzen 16
feinen Glauben predigen will, fühle ich zwiſchen meinen eigenen Zähnen und er erfüllt
mich mit fchmerzlihem Entfegen.” Als eine Antwort darauf erjchien im folgenden Jahre
der Syllabus mit der Erklärung, „daß der Papſt ji) unmöglich mit dem Fortſchritt, dem
Liberalismus und der modernen Kultur verftändigen könne“. Eine fehmerzliche und lang:
wierige Krankheit ertrug Montalembert mit der edeljten Geduld, und ſuchte Troft in den 20
Studien feiner Jugend, daraus feine Histoire des Moines d’Oceident (unvollendet
geblieben) hervorging; es meht darin eine große Liebe für Chriftentum und Freiheit,
edoch vermißt man allzufehr den Fritifchen Sinn, den jedes Geſchichtswerk erfordert. Sein
ebensende wurde durch die Verherrlichung der perjünlichen Unfehlbarfeit des Papſtes
getrübt, welche Zacordaire „la plus grande insolence qui se soit encore autorisee 25
du nom de Jesus Christ“ nannte. Er ftarb, ehe fie orlgogen wurde. Was hätte
ec getban, wenn er das Ende des vatifanischen Konzild erlebt hätte! Das Tann man
vielleicht aus folgendem Briefe jchliegen, den er am 9. Dftober 1869 an Lady Herbert
ee
©
digften und zugleich die am ſchwerſten zu erringenden find. Mehr als je bat fie, und
fie allein, den Schlüffel der zwei größeiten Geheimniſſe des Menichenlebens, des Schmerzes
und der Sünde. Auch bin ıch für fie mit einer immer machjenden Liebe und Ehrfurcht s5
erfüllt ... .“ Foiſſet berichtet, er habe fich drei Wochen vor feinem Tode folgendermaßen
über dieſe Frage ausgejprochen: „Was mid) anmwidert, das it nicht die Unfehlbarkeit des
Bapftes in Glaubensſachen, fondern feine Omnipotenz in den politifchen Fragen, welche
mar als olgerung der Unfehlbarfeit zum Dogma erheben würde.” Derſelbe behauptet,
er fogar ausdrüdlich erklärt hätte, daß er, wenn die Unfehlbarkeit proflamiert würde, 40
unterwerfen würde, und zwar nicht bloß äußerlih: „Je n’arrangerai rien du
tout. Je soumettrai ma volont€ comme on la soumet en matiöre de foi. Le
bon Dieu ne me demandera pas de combiner quoi que ce soit; il me de-
mandera de soumettre mon intelligence et ma volonte, et je les soumettrai“.
Do darf man diefem Berichte nicht unbedingtes Vertrauen fchenfen. Die liberalen Ka— 45
tholiken, Foiſſet, Montalembert, Gratiy, Dupanloup u. a. übten allezeit gegenjeitige Be:
wunderung und jtellten die Ihrigen als die edeljten Ideale dar; darum muß man aud
bie Bi u Montalembert3 mit großer VBorficht lefen; er mar keineswegs eine jo
engelhafte, eblerloje Perfönlichteit, mie ihn feine Biographen und Lobredner Foiſſet,
gerraub und Codin daritellen; er war vielmehr eine äußerſt heftige und gewaltſame so
, ertrug jchwer den Widerſpruch und mar oft ſehr wenig liebenswürdig int Um—
gang; es fehlte ihm an Einjicht, ſodaß alles, mas er unternahm, fehlgejchlagen
oder zu Gunſten feiner Gegner ausgefallen ift. Er teilte das Schidjal des franzd-
Gallicanismus, dem das vatikaniſche Konzil den Todesftoß brachte, Bfend
. Pfender. 66
Montanismus. — Duellen: Die Ausſprüche der montaniſtiſchen Propheten ſ. bei Bon-
wetih (f. u.) S.197 ff. und N. Hilgenfeld, Kebergeiichte des Urchriitentums S.560 ff. Zerner:
Zertullians montaniftifhe Schriften, bei. De pudicitia, De ieiunio, De monogamia; feine
ft ecstasi (7 BB.) ijt verloren. Martyr. Carpietc. Pass. Perpet. ©. 13 ff. 61 ff. ed.
Heni-Gnchllopäbdie für Theologie und Kirche. 3. A. XIIT. 297
| | . B6;
vgl. — sr ® u 3 _ Sarstveheeı . Neander,
1850, 33 115 ar — athol. Kirche*,
una Aa L. umd Bad en 1584 ©. 1008 x ihdet H&R
to m apoftol. un r, . 460 F.; fäder 3
16 Is, er Taf matt u x, N G. Salmon, Fine ‚ 935 fi.;
ho, 2 Die * "erfude 4 wahren Chriſtent. in e. Gem. v.
— u. Nachr. f. d ev. Kirche in Bull 188 So: W. Beld, Gejd. d. Mont.,
. 1882 (zumeift unfeibftänbiger Auszug aus Bometid, gl. Ga 1884, Be
2. Lotte, Das nie ee —— a,
—J SBA 1898, % re Die Miſſion
ee Kanons, Erl.]: Te. Se Pe ‚ronolo ie deö Mont., in Forſch. z. Geſch
d. neutejtamentl. Kanons, V, Iff.; 8 G. Voigt, Eine verfchollene Urkunde des antim, Kampje
Leipz. 1891; €, Rolfis, Das x enzedift des römiſchen 5 ts en Ur nden aus
25 dem antimont. Kampf, TU ‚ta: R. mus
Ueber die Genones 4a DRontantfien bei Hieronymus Re a
, Neperfatalog ($ aan
Ber —— NE
Ein gall, Bifchofsichreiben des 6. Jahrh. als 3 enge für die Berfaftimg —
ERS 1896 (Bd 16) ©. 664-671; Weinel, Die e Birtungen. des. Gel und ber @eifter.im
nachapojtol. Zeitalter bis auf Irenäus, Freib. 1899; E. €. Selmyn, Christian Prophets
30 and the Prophetic. Apocalypse, London 1900,
1. Chronologie, Als Ausgangspunkt für die Aigen Som ontaniftifcher
Bewegung hat zu dienen die Bemerkung des antimontani — bei 6: ae
17, 4 daß feit'bem Tob der montaniſtiſchen Prophetin Ba
Mi. get verfloſſen ſeien. An die Jahre vor an de in m. es ) ft mi
oo ligers ame fi — u lejen (anders "Ha ad Bee 1,3721.
ul iBlagung, v b. aber
Here en Tl des A
toninus Pius BER gl Jahn, Bor 1 e a69T II, 292). En —— hier ver
muten find * ‚ denn das 19. Jahr Mari Aurels, 179, anne. virklich
Todesjahr der — auf das haer. 48, 2 hinweiſt. Epiphanius bat-k nn 48,
oo das einzige ibm —* die zeit des — en Jahr chronologiſchen?
tierung des Aufir etens ans verivertet ( TheBl. 1895, En. 21 218 gegen Za
Forſch. V, 31 * Fir dieſes ſelbſt liegt ni nei ein Datum nicht: vor |
Montanismus 419
nymus des Eufebius V, 16, 7 nennt allerdings den Prokonſulat des Gratus. Es liegt
nahe, das xara T'oärov für aus xara Kodopärov entitanden zu balten (m. Geſch. d.
M. u. Zahn, Ford. V, 32). Ein Duabratus war 155, ein anderer 166 kleinaſia—
tiicher Prokonſul, in eines der beiden Jahre wäre dann der Beginn der montanijtifchen
Bewegung anzufegen. Die Märtyrer zu Lyon 177 batten Anlaß ſich für den kirchlichen 6
Frieden Ktleinafiend zu verivenden. Die montaniſtiſche Bewegung muß damals fchon eine
ängere Entwidelung binter fich gebabt haben und ftand feinenfall® in ihren eriten An-
fängen (jo Euf. V, 3, 4 dot töre nowror). Schon in dem von Serapion (Euf. V,
19, 3. 4) beigelegten Schreiben des Apollinaris icheinen Verwerfungsurteile über den
Montanismus beigegeben gewejen zu fein (Zahn V, 5ff.), mit Mitteilungen fogar über 10
das Vorgehen bereits geitorbener Bilchöfe. Ferner iſt Marimilla nicht unmefentlich fpäter
geftorben als Montan und Priska (der Anonymus bei Euf. V, 16, 13 „nicht gleichzeitig,
jondern ein jeder zur Zeit feines Todes“); es iſt auch zu beachten, daß die über Ber:
folgungen von jeiten der Kirche klagenden Prophetenausſprüche nur der Marimilla an-
gehören. Somit kann das in der Chronif des Eufebius angegebene Jahr 172 nicht die ı6
Zeit des Auftretend Montans bezeichnen (jo Voigt S. 31ff.; auch Loofs, ThY3 1893,
S. 301f.); mwahrjcheinlich beruht es darauf, daß Eufebius den in feiner Vorftellung mit
der Anfangszeit des Montanismus verbundenen Apollinaris von Hierapolis dem J. 171
zumeifen zu jollen glaubte (Zahn V, 1ff.; Harnad, Yitt. Geſch. II, 1, 374). Einer ver:
geblich verfuchten Überführung der Marimilla hat (wie der Anonymus Euf. V, 16, 17f., fo) 20
der Antimontanift Apollonius Eu. V, 18, 13 im Zuſammenhang mit dem etiva gleich-
jeitigen Martyrium des Thrafens gedacht. Diefen Thraſeas nennt Polykrates in jeiner
ufzählung nicht geographiſch, ſondern chronologifh geordneter kleinaſiatiſcher Leuchten
Wiſchen Polykarp und Sagaris, deſſen Martyrium nach dem griechiſchen und ſyriſchen
ext unter Servilius Paulus (Euſ. IV, 26, 3), richtiger (gegen Voigt ©. 84ff.) nach 26
Rufin unter jenen Sergius Paulus fällt, der wahricheinlih um 166:167 Profonful in
Kleinafien war (m. Geſch. d. Mont. ©. 142 und bei. Zahn V, 25 ff.; anders Harnad
II, 1, 371 9.5). Dies führt mindejtens in die Anfänge der fechziger Jahre. Dazu
fommt, daß die Gegnerfchaft der jpäter fogenannten Aloger gegen die jobanncifchen
Schriften wahrfcheinlih durd die Berufung der Montaniiten auf diefelben bervorgerufen so
worden iſt (vgl. Iren. III, 11, 9 und Epiph. haer. 51, 33); aber ſchon Melito hat die
Berteidigung der johanneifchen Schriften geführt. Haben ferner die montaniftifchen Pro:
pheten behauptet, die Prophetenangabe von Duadratus und der Ammia empfangen zu
haben, jo fonnten dieje zeitlich nicht zu weit zurüdliegen. Ten Luabratus aber nennt
Eufebius III, 37,1 gleih nach Ignatius und noch vor Papias (vgl. dazu auch Harnad 85
II, 368f.). Endlich aber zeigt der Bericht über das Martyrium Polykarps, daß zur
eit desfelben in Phrygien Neigungen vorhanden waren, die den montaniftifchen ent:
ben; denn jener Duintug, der fich felbft als Ghrift angegeben batte, wird mit Nadı-
druck als Phrygier und eben aus Phrygien gelommen bezeichnet, und die energijche Er:
Härung des Berichts gegen das freiwillige Martyrium fannı nicht unveranlaßt fein (Geſch. 19
d. Mont. ©. 143}. Zahn V, 33). Gerade über Phrygien erging damals die Verfolgung
(die vor Polykarp Märtyrer Gewordenen waren alle oder zum Teil aus Philadelphia,
Mart. Polyc. 19, 1), Eomit muß die montaniftische Bewegung bald nach der Mitte
des 2. Jahrh. ihren Anfang genommen baben. Unbeitimmt fagt Didymus, De Trin.
DI, 41, 3 MSG 39 Sp. 989, Montan fei mehr als 100 Jahre nach Chrifti Himmel- s5
fahrt aufgetreten. SKeinerlei feiten Anbalt zur chronologifchen Datierung bietet die An—
gabe bei Epiphanius haer. 51, 33, daß 93 Jahre nah der Himmelfahrt Jeſu die Kirche
durch die phrygiſche Härefie jet verwirrt worden, und daß nun nah 112 Jahren die da—
mals ganz bäretiiche Gemeinde zu Thyatira katholiſch fei (dazu Zahn V, 35ff.; Harnack
I, 1, 376 ff.; andere G. Salmon, Hermathena VIII [1892] S. 189); aber auch nicht so
des Apollonius Bemerkung, vor 40 Jahren ſei Montan bervorgetreten (Euf. V, 18, 12),
und in dem durch deſſen Ausdrucksweiſe erweckten irrigen Schein, als ob zur Zeit feiner
Schrift noch eine der Bropbetinnen lebe (vgl. Zahn V, 21ff.; Samad IL, 1, S. 370).
2. Befhichte und Weſen des Montanismus. Um die Mitte des 2. chriſt—
lichen Jahrhunderts begann fich eine Wandlung im Leben der Kirche zu vollzieben. Noch 55
fottete man heidnifcherfeits zivar darüber, daß die Chriften fih nur aus Ungebildeten,
Aaven und rauen refrutierten (vgl. 3. B. Orig, C. Cels. III, 18. 44. VIII, 79).
Aber die Apologeten find ein Beweis dafür, daß jest auch tweltliche Bildung in Die Kirche
war. Hatten ferner zuvor, wie AG 13, 1ff. und die Didache zeigen, Propheten
die erfte Autorität in den Gemeinden gebildet, fo find cs jeßt die Inhaber ‚des geord⸗ 6o
27*
420 Montanismms
neten Gemeinbeamtes, auf
Bone 5, 2. 12, 3. 16, 2.
ya * 4 ‚(ebr. 16, 2 * —
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"Die Alt venge if Areas werd
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itung en. Hier herrſchte in ber Ni das Ä
15 li en und — er
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Andererjeits batte Kirche prop sa aufzuweiſen al. €
Y.1.49.8,9); Wis bar habe kempere die prophetiſche
— drohte, um ſo energiſcher eigen 3
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— en, den en ur, “ verjchä — — ——
und A Erſcheinu —— —
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EHE aisifchen —
it ie er nit, aus nt —*
eben und ein gi ie
ie Miffton u. ſ. w. ©. 479)
ontan wird berichtet, ha er ichtlich in einen des Nichtwiſſens
verſetzt habe, der dann in einen "ol un ey 5* i Euſ.
17, 2). * * — gerade ü in wer ——
zeug — 3 — —
che, der u m Dee ee
J * erſten P — auch durch die — in Mastulinf inform, in ———
ägen, ein en bes ——— aus ber Tiefe bes ——
nn: gegen ve kirchliche Sitte erblidte man in biefer Weiſe ——
es auch vor Montan an ähnlichen —— im chriſtlichen Nnicht ge—
fehlt — (vgl. —— bet Orig, O. Cels. VII, 9). Die * —* Rp. 11 ——
Deus auf mandes an ihrem Verhalten ae —
so Auch machte ie Br der Inſpiration den Propbeten zum
Suppl. 7.9; Hipp., De ant.2; — Cohort. 8). Aber was wir von p
Rede in den neuteftamentlichen Sch riften, bei Hermas, ——— ki
trägt keinerlei Züge eines —85
— weile ſetzte nicht nur voraus, daß
hängig von ei ener —5 — gef 6 * Philad.
hen Kirche nur noch Laubte — zu I, 1, 127; Rei, HL 8
ſondern das elſtatiſche St ındersartig geweſen
so jein als das im der Kirche fbliche (vgl. Harnad, DE" I, 392 „ba chriftl, Propb.
Montanismus 421
geiprochen haben wie Montan ... ift fchiverlich das Gewöhnliche geweſen“; gegen Weinel
S. 91). Die Montaniften beriefen ſich für die Meife ihrer Prophetie auf die in der
Schrift bezeugten Beispiele von Ekſtaſe (Epiph., haer.48,4.7; Tert., Adv. Marc. IV, 22;
De an. 45. 21. 11; in feiner verlorenen Schrift De ecstasi). Zugleich aber ward ihnen
die Weiſe ihrer ‘Brophetie zum Beweis für die Größe diejer neuen Offenbarung: „Nicht 5
find die eriten Charismen den leßten gleich” (Epiph., haer. 48, 8). Sie ift nicht nur
eine neutejtamentliche gegenüber der altteftamentlichen, fondern auch die Vollendung bes
Geſetzes Chriſti. In ihr ift der verheißene „Paraklet“ erfchienen, der in alle Wa eheit
leiten fol. Wegen der menfchlihen Schwachheit (So 16, 12) fei erſt jet dem kindlichen
Zuftand 1 Ko 13, 11 die volle Mannesreife gefolgt (Didym., De trin. III, 41, 2). Der ı
Zheolog des Montanigmus, Tertullian, bat im Anſchluß an die übliche Lehre won ber
allmählich offenbar werdenden Gerechtigkeit (vgl. z. B. Iren. IV, 13. 9, 3, fpäter ge
Sympoſ. 1, 2ff. 10, 1ff.) darauf hingewieſen, daß mie in der Natur der Keim fidy zu
Stamın, Baum, — Blättern, Knospe, Blüte entwickelt, jo die anfänglich natürliche
Gerechtigkeit durdy Gejeg und Propheten, dann durch das Evangelium zunehme, bis fie 15
durch den Parakleten zur Reife gelange. Die „neue Prophetie” beveutet daher nicht nur
die Behauptung der Prophetie gegen ihre Unterbrüdung, fondern den Anfpruch, weil dag
unmittelbar nahe Ende vworbereitend, das Leben in der Kirche zu bejtimmen.
An eine Weitererfchließung der Heilsmahrheit denkt diefe Prophetie fo wenig wie die
eined Hermas oder der Propheten der Didache. Wo prophetiiche Ausfprüche dDogmatifche 20
ragen berühren, da war dies durch Auseinanderfegungen darüber in der Kirche veranlagt
und follte nur die firchliche Überlieferung befräftigen. Bon den Gnoftikern erflärie die
Prophetin Priska: „Sie haflen das Fleisch und find doch Fleisch”. Die Verhandlungen
über die Logoschrijtologie twerden die Ausiprüce veranlaßt haben, Gott habe den Logos
bervorgebracht wie die Wurzel den Stamm, die Duelle den Bach, die Sonne den Strahl, >;
Ausfagen, die von einem Tertullian trinitarifch gedeutet werden (Adv. Prax. 2. 8. 30),
aber jedenfalls auf feinen dem Montanismus eigentümlichen Intereſſe beruhen, daher
gerade aud) der Monarchianismus von feinen Anhängern vertreten wurde (Hipp., Philoſ.
VIII, 19; Pfeudotert. 21; Did., Detrin. III, 41,1). Worte des Geiſtes durch Montan
wie: „sch bin der Vater, das Wort und der Paraklet“ (Did., De trin. III, 41, 1) over a0
„Ich, Gott der Herr, der Allmächtige, mweilend in einem Menschen” und „Weder ein Engel
noch ein Gefandter, fondern ich Gott der Herr der Vater bin gelommen” (Epipb. 48, 11)
follen der Größe der neuen Offenbarung Ausdrud verleihen. Unklar bleibt, wie die in
der Patrum doctrina de verbi incarnatione (Mai, Nova coll. VII, 69) mitgeteilten
Worte aus den „Liedern Montans” von der Einen Natur und Wirkungsweiſe vor und 35
nach der Menſchwerdung zu verfteben find. Nur das praktische Anliegen der montaniftt-
ſchen Zulunftserwartung führte zur Betätigung der Auferftebungshoffnung (Tert. De
resurr. 63) und reicheren Ausgeſtaltung der Eschatologie. So follte das neue Jeruſalem
vor feiner Herablunft in den Wollen gejchaut werden (Tert., Adv. Mare. III, 24),
za der Ort derjelben fein (Epipb. 48, 14; 49,1; Philaſtr. 49). Große Verheißungen 10
der Paraklet den Seinen (vgl. Euf. V, 16, 9); fo in Verftärtung von Mt 13, 43:
„Der Gerechte wird leuchten hundertmal mehr denn die Sonne, die geringen Geretteten
unter Euch werden leuchten bundertmal mehr denn der Mond“ (Epiph. 48, 10). Kriege
und Unruhen follten dem naben Ende vorangeben (Euf. V, 16, 18). — Die ganze Auf:
der neuen Prophetie aber galt der Vorbereitung für das nahe Ende Durch feine 45
ng jolte das ganze Leben des Chriſten beitimmt fein und deshalb durch ent-
—* e Weltverleugnung feine Gerechtigkeit vollkommen werden. Nicht neue Formen
ilich führte die neue Prophetie zumeiſt ein, aber mas bis dahin Sache der Freiheit
geweſen, ſollte nun Pflicht fein (Euf. V, 18,2 6 vnoreias vouodernoas, Tert., De iei.
2. 10). Befürmortete die Kirche die nur einmalige Ehe und die Pirginität (Juſtin, Apol. so
1, 29; 4 „ Suppl. 33; Theoph., Ad Autol. III, 15; Gpiph. 48, 9), fo beurteilte
die neue Prophetie die zweite Ehe als Unzucht (Euf. V, 18, 2), ichloß daher zweimal
VBerheiratete aus (Epiph. 48, 9; Tert., De pud. 1), und empfahl energiſch die Virginität (Tert.,
De exh. cast. 1. 3. 4. 9. De mon. 3). Gejchlechtlihe Reinheit galt ald Vorausſetzung
für den Empfang von Dffenbarungen (Priska bei Tert, De exh. cast. 10). Die auf
retwilligteit berubenden alten an den fog. Stationstagen wurden zumeilt bis 6 (Statt
is 3) Ubr nachmittags ausgedehnt und verpflichtend gemacht (Tert., De iei. 2. 10 sta-
ones nostras ut indietas, quasdam vero et in serum constitutas). Dazu famen
aften, die jog. Kerophagien, beſtehend in Gnthaltung von Fleiſch, Brühe und faftigeren
‚ieiunia propria, wie es jcheint, gleichzeitig niit den den Montaniſten eigentümlichen oo
422 Montanismus
gemeinſamen Feſten Eviph. IS, 145 VPhilaſtr. 19 publice mysteria celebrant; Tert., De
iei. 135. Wo in der Rirche ein Wenentag zwiſchen larerer und jtrengerer Zitte, erklärte
der Montanismus nur die letztere fur zulaſſig (Tert, De virg. vel 1; De cor.).
Zab audı Die Kirche Die vobtommenite Berrahrung des Chritten im Martorium, fo ver:
„wart Der Varaklet die Flucht in der Verfolgung und begeitterte dazu zum Martorium
ſich herzuzudrangen. Welle: nich:? in Betten, noch in Nindesnöten und in weichlichen
Fiebern zu fterben wunisben, tondern in Marwrien, damit verberrlicht werde, der für
Euch gelitzen ı Terz, De fura : Dean.’ „Wirt Du Geaenjtand öffentlicher Schmad,
aut iſt es dir; denn wer nicht bei den Menſchen ſo veroifentlicht wird, wirb bei Gott
ie vereffentliht. Was icamit Du Dich vob davon maıınd Wacht erweiſt fich, wenn
du geichaut wirit ven den Menſchen“ «cbB.r. Die Yaurbonike ſchließt jich freiwillig dem
Marrium des Ramus an -Mart. Carp. 22ñ. 2. 16, 221. ed. v. Gebb.). Gerade
um Marwrtum erweit Sb die Nat Dee Geller, ar Mc Ih Der Wontanismus berief
Eu. V. is, 17: mei in Der Terr, De fops .-
Alle ne Jorderanagen aber itelte de Ymnalızn rer ws daos Ende bevorſtebt (gegen
Weiiacer. Ir osuf De mm Bepaebun nn dem 2m, 2. 76, richtig v. Engelb.
zZ. hir Die je der Ere it sep werire Ur hir. Marc. I,29 connubiü res ...
matura defungi. ut ipsi sanetitat: reerrwiz,. Ycrt die legte Verfolgung drobt mit
teren beiſenderen Zendmiier, os mr ww vm Ärdemn nicht freiend übereilen laflen
darf - Terz. Deexhort. cast - Te mm °: ar => Ihon Ad uxor. I, 51. Wegen
We Fetrictat NT Sur dlempen zer wiseddore) Sınn Der Paraklet Me Rachficht
eines mus zsiwun vu o are Se 8 te tes (Terz, De mon. 141 In Beug
auf die Yan mer ———————— Sn, NR das eigentliche Mon dafr nıdt
Asteie Sehe Bereser a 8 eg Dip 't (De iei. 12 ad praemuniendam
;; per nVSERÜDSOS I viasumeree Mpuctt sondicionem). Tas Warwrum iſt
cher Siassr ses BUNT er ee num > ser 4 rät IT, weil jetzt der Antidritr vor der
Isız non Ar Se an erst non dem Blut der Chriſten Pirka (Let,
Ve > m “= Sms uber reicht der Paraklet Die Kraft dar
It. Zurhr Tr gen Tea Der Stiche nicht zu dulden, meil bie
Ni "TON 70T, Des, Dee art vl, den Bräutigam zu empfangen.
Hera In um en u zer Nr Montaniemus auch cine weitere Konſe⸗
ee IS ae = viaubigen, ſich aus ihrer Firchlichen Gemeinihaft
cr LT. en nd a in Pepuza in Phrygien zu ſammeln Hier
ren en u eridenen Offenbarung das obere Jeruſalem berab:
oe ums \. sn. eier 19). Montan bat cs offenbar als jene
DI nun“ um en u 2 16 Die Semeinde der Endzeit geflüchter werden
men gu mus als eines nunmehr „mülten” Urtes (Eyipb.
ne N Kst 78 A.3; Stud. z. Hipp. TU NF I,2 S. 76)
STOLZ N nn vxRNaudigen aus Der verderbten Welt und Weltkirche
N Name Marl u rare. Non verwandten Gricheinungen berichtet
zn Te Sa Deren veranlaßte ein Biſchof viele Chriften mit Frau
IA re Sogn 4 Ne Wuſte zu geben; in den Bergen umberirrend bütten
ER af. Ein anderer eifrig asfetifcher Biſchof bat in
Ren SZSaumgeſichte Das Ende als binnen Jabresfriſt bevor⸗
N — sang mekundiat und dadurch Vernachläſſigung der Arbeit,
u — RVriterlaſſung vom Eheſchließungen veranlaßt. — In
— enge set, eine Gemeinde der Heiligen zu verwirklichen. Richt
DEE rt bisberigen Beziebungen entnommenen Heiligen zu
T. vudern Die Erwartung der Paruſie; aber von ſelbſt ward
\ N We Dunaenvation, die er ſeinen Gläubigen zu geben verſtand.
SED u end N RPropaganda Männer, die von feinen Anhängern
Du, VS, 2 6 Toaxtijoas xataoınoas, . . . 6 En’
—R
— nn arm Sureyrwueros; vgl. 18,7), welche zur Beſoldung
* a pain dienten ſebd. 6 oaldgıa Kwony@v Tois ger
— Ns WPreophetinnen ſtanden ibm zur Seite Priska (oder Arie
a) Ah u Ayers tele Div Mentans wurden bon ihren Anhängern
—E8 gg Na ovanaelien, in Die man ſie \egte, zeigt ſich ſchon darin,
re aa aa m teogzreia) zara "Aornorov Odoßavdv bezeichnet
nr "mr 17. Eine Zammlung entbielt Montans eigene
Wo (ig he rip Er TH Larrod Aeronern gogpnteig);, zablveicher
4
Montanismus 423
waren offenbar die der Meisfagungen der Prophetinnen, da über foldie vornehmlich ge-
Hagt wird, Cajus bei Euf. VI, 20; Hipp., Philoſ. VIII, 19; Epiph. 49, 2; Theodoret,
Fab. haer. III, 2; Maruthas ©. 12; Nicepb. IV, 22; bef. aber Did. De trin. III,
41, 3. Eine foldhe Kodifizierung war doch ſchon ein Weichen von dem Grundgedanten
des Montanismus. Kräftige Unterftügung muß die Sache Montans an einem Mltı 6
biades (Miltiades?) und Theodotus gefunden haben, da fie in den Augen der Zeit:
genofien in Parallele mit ihm traten, ja geradezu als die Leiter der Bewegung er:
jcheinen (vgl. Euf. V, 3,4 @v dupi röv Morravor xal ’Alxıßıdönv nal Gesddoror.
V, 16, 3 xara Murdönv),; Theodot ward fpöttifch als eriter Sachwalter der neuen
Prophetie bezeichnet (Euf. V, 16, 14). Eine ähnliche Stellung hatte wohl etwas fpäter
Themiſon inne (Euf. V, 16, 17 ol neol Oeulowva; dazu Harnad, Litt. Gefch. II, 366).
Die von ihm „in Nachahmung des Apoſtels“ verfaßte xadodırn EruoroAn (Euf. V, 18,5)
fügte zur zo eia auch einen dndorolos (vgl. Geſch. d. Mont. ©. 18 und Zahn,
Geſch. d. Kan. I, 9f.). In langjähriger naher Verbindung (Euf. V, 18, 6 6 ovre-
orıdrar) mit einer Prophetin — wahrſcheinlich Marimilla — lebte ein Märtyrer Alexander,
der hohe Verehrung bei den Montaniſten genoß (ebd.). Nachfolger der Gefährten der
ropheten waren die Genonen oder xowwvrol, die in der ausgebildeten montaniftischen
ganifation die nächte Stellung nad) den „Patriarchen“, noch über den Biſchöfen ein-
nabmen. Zu diejer Deutung der „Cenonen“ des Hieronymus ep. 41 hat mich (Geſch.
d. Mont. ©. 165 4.3. 211) Cod. Iust. I, 5, 20 beitimmt; fpäter ift befonders Hilgen- 20
feld wiederholt (Kebergeih. ©. 578. 598; Z3wTh 26, 107. 38, 635 ff.) für jene als Ge-
fährten des Patriarchen eingetreten. Unzutreffend ift Friedrichs auf ein fpäteres Schreiben
geuiioer Biſchöfe fich gründende Vermutung, daß es fih um sociae handele, d. h. um
achfolgerinnen der Propheten, die am Altar fommuniziert hätten.
Nur ein Bruchteil der Anhänger Montans Tonnte natürlich) die Löſung von allen 25
bisherigen Verbältnifjen vollzieben — wandten fich Doch ganze Gemeinden, wie die zu Thya—
tira, Epiph. 51, 33, der neuen Prophetie zu, aber alle ſtanden auch noch jpäterhin in
lebendiger Beziehung zu Pepuza. Am Feſt des Parakleten, alfo doch wohl zu Pfingiten,
fanden ſich ihre Abgejandten bier ein (Epiph. 48, 14 Zxel dneoydusvor uvorjoud tıva
Enıtelovow Ev 1 10nw xal Ayıdlovow, Philaſtr. 49 publice mysteria celebrant),
während jie felbit Durch gemeinfames Faſten wenigſtens im Geiſt teilnahmen (Tert., De iei. 13
ista solemnia . . . nos quoque in diversis provinciis fungimur in spiritu in-
vicem repraesentati). Trauer und Freude famen bei diefer Feier zum Ausdrud (Tert.
l. c. dolere cum dolentibus et... congaudere gaudentibus) ; weisſagende weiß⸗
gekleidete Jungfrauen führten zu einem Klagen der Buße (Epiph. l.c.), aber cine Abend- 35
Fr ſchloß fih an, von der Saben den zeritreuten Glaubensgenofjen gefandt wurden
i 49
N
S
N
oa
*
be
Wie und warın fich diefe Vereinigung zu einer felbititändigen Gemeinschaft der wahren
Chriſten vollzog, bleibt unſicher. Ebenſo läßt fih die Annahme Meizfäders S. 75 f.,
daß erft feit 177 die Bewegung nad) nur beichränttem Anfang größere Bedeutung ge: 40
wonnen babe, nicht begründen. Keinenfalls mollten die der neuen Propbetie Gläubigen
ören Glieder der Großkirche zu fein; zu einer Ausscheidung ift eg wider ihren Willen
gelommen. Yange bat die Kirche geſchwankt, ebe jte ſich definitiv gegen die neue Prophetie
entfchied. Unbegründete Ablehnung von Prophetie galt ihr ja ale Sünde wider den heiligen
Geiſt (Didache 11, 7; Iren. III, 11,9). Dazu entſprach ihrem eigenen fittlihen Ideal, 5
was die Propheten lehrten in Hinficht des ehelichen Lebens, Faſtens, des Martyriung,
der geipannten Erwartung des Endes. Euſebius, der das Ringen der Kirche nach Klar:
beit und Einftimmigfeit des Urteild (Zahn, Forſch. V, 44) zu verſchleiern fucht, muß
wider Millen auf Grund feiner Quellen bezeugen, daß zunächſt viele geneigt tvaren, Die
neue Propbetie als echte anzuertennen (RG V,3). Dennoch bat fih auch fehr bald ein w
ſcharfer Miderfpruch gegen die neue Prophetie erhoben. Als Hauptlämpfer gegen fie in
ihren Anfängen, d. b. noch bei ebzeiten der Propheten (Zahn, Forſch. V, 8), nennt
febius den Apollinaris. In einen Brief des Serapion bat er ein Sendſchreiben des
Apollinaris mitgeteilt gefunden, dem auch Gutachten anderer Bifchöfe gegen den Monta-
niemus beigefügt waren (Euf. V, 19, 2). In einem ſolchen konnte bereits von dem 55
Berfuch eines, nunmehr bereitö verftorbenen (Zahn, Forſch. V, A. 2), thraciſchen Biſchofs
berichtet werben, die Priska zu erorzifteren (Euf. V, 19, 3), wie Dies fpäter gegenüber
Rarimilla verfuht worden iſt (Euf. V, 16, 175 18, 13). Auf verſchiedenen Synoden
Aeinaſiens (Euf. V, 16, 10) ward über diefe Wropbetie viel bin und her verhandelt.
Mehr inftinktiv empfand man die drohende Gefahr, und doch bejaß man feine ‘Formel, en
421 Montauismus
mit der man die Erfcheinung als eine fremde kennzeichnen Tonnte. Ihre enthufiaftiiche
Art Scheint zunächſt Anſtoß gegeben zu haben. Gegen fie wandte ſich die Schrift des
Miltiaded zepi Tod um deiv noopnnv 2v Exordosı Aaleiv (Euf. V, 17). Eine Ipefent
liche Verſchärfung des Gegenfates ftellen die fpäter fogenannten Aloger (.d. A. I
sund Zahn, Geſch. d. Kan. J, 240 ff.) dar, die wegen der montaniſtiſchen Berufung je
die Verheißung des Parakleien im 4. Evangelium und auf die Apofalupfe alle johan⸗
neifchen Schriften ablehnten und fie dem von Johannes befämpften Kerinth zuwieſen
(Sren. III, 11; Epiph. 51). Aber aud Gegner der I teren wie der ſelbſt als Prophet
gefeierte Melito (vgl. feine Schrift neol od diaßölov |I. edayyellov] xai rijc dnoxa-
10 Avyews ‘Iwdyvov) müſſen fi) gegen die neue rophetie ablehnend verhalten haben; dies
wohl die Stellungnahme feiner Schrift zeol noAırelas xai npopntav (Euf. IV, 26, 2).
Die Anhänger der neuen Prophetie aber forderten den Geift auf, nur um fo fühner zu
zeugen (Euf. V, 16, 8. 9); und diefer urteilte nun mit ſcharfem Tadel über das Per:
derben der Kirche, während er zugleich an feinen Gläubigen des Amtes des Troftes wie
15 der Rüge waltete (ebd. 16, 9). In den ſiebziger Jahren des 2. Jahrh. muß bie gegen
die neue Prophetie feindfelige Haltung zur berrichenden geivorben fein. Jetzt Hagen bie
Ausfprüche der offenbar allein noch Iebenden Prophetin Marimilla bitter über Verfolgung.
Der Geift beſchwert ſich durch fie, daf er mie ein Wolf aus der Herde vertrieben werde
obwohl nicht Wolf, fondern Wort und Geiſt und Straft (ebd. 16, 17), Der Her babe
20 ihn gejandt mit der Aufgabe, wollend oder nicht mollend diefen neuen Bund und dieſe
neue Verheißung zu offenbaren (Epiph. 48, 13). Er berief fi) darauf, daß Chriftus ihn
ja angefündigt: „Nicht mich böret, Sondern Ghriftus höret“ (ebd. 48, 12)! Die Monta-
niften jaben den "prophetifchen Geiſt aus der Kirche vertrieben Epiph. 51, 35), den von
Chriſtus Jo 16, 12ff. verheißenen Parakleten verſchmäht (Did. De trin. III, 41, 2),
26 die Meisfagung Sefu Mt 23, 34 von der feinen Propheten beborſtehenden Verfo [gung
erfüllt (ebd. 41,3). Die Ciftafe ber Propheten belegten fie mit Gen.2,7 ff.; Pf 116,11;
AG 10, 10 (Epipb. 48, 4. 7; vgl. Tert., Adv. Mare. IV, 22; V,8; Dean. 11.21.45
und Voigt S. BER), und fie wieſen bin auf die Beifpiele neuteftamentlicher Prophetie
in AUG 15, 32; 21, 11; 180 12,28 und auf Johannes, die Töchter des PVhilippus, die
so Ammia und Duabratus: das Recht von Prophetinnen ſahen fie durch Mirjam und De
bora begründet (Euſ. V, 17, 3. 4; Epiph. 49, 2; 48, 8; Did. J oc. III, 41, 8; Hier.
ep. 41, 2; Orig. in Gramers Cat. zu Co. ©. 27) Ihre Gegner aber erflärten — in
welchem Umfang diefe Auseinanderfegungen ſchon jeßt ſtatt hatten, läßt ſich nicht feft-
ftellen — die Zeit der Prophetie für mit dem Täufer prinzipiell abgeſchloſſen —* 78;
36 Tert., De iei. 2. 11) und durch Chrifti Leiden befiegelt (Hier. ep. 41, 2). e Reit
fagung des Herrn Mt 7, 15 und der Apoftel 2 Th 2, 9; 1 50 4, 1—3 von. "Faltchen
Wbropheten. befonders 1 Ti 4, 1ff. von foldhen, die hindern, ehelich zu werden und Ent
haltung von Speifen fordern, erfülle jich bier (Epipb. 48, 8; Tert., De iei. 2. 15; De
mon. 15). Bielleicht ſchon jeßt jtellte man das Dilemma’ auf (Tert., De iei. 1: 11),
10 diefe neue Prophetie fei, wenn geiſtgewirkt, teufliiche Pfeudoprophetie, wenn menſchlich,
jo eine Erfindung des Antichriſten und Häreſie. Die Lehre, jetzt erſt ſei der Parallet
gekommen, fei eine Echmähung der Apoftel, die dann der vollen Erkenntnis euibent
hätten (Hipp., Pbilof. VIII, 19; Did. 1. ec. III, 41, 2; Hier. ep. +1, 1; Tert., De
mon.?). Die gefeglichen Vvorſchriften dieſer Prophetie aber zerftörten die dritte ——*
s (Euſ. V, 18,2; Epiph. 48, 9, Hier. ep. 41, 3; Tert. De iei. 2; De mon. 11f.), göſſen
den neuen Wein in alte Schlaͤuche und galatifierten (Philaſtr. 75; Tert., De iei. 14), ſeien,
in Widerſpruch zu 1 Ro 7,39 (Tert,, De mon. 11), von unleiblicher Härte (Epiph. 48,9;
Tert., De ‚mon. 2, 15; De pud. 1) und verleugneten, Jeſ 58, 4f.; € 18, 23; je
8, di: 3,225; BI 51, 185 Me 7, 15; Mt 11, 19 tuiderftreitend, den Gott,
50 Buße deg Sünder ni (bier ep. 411, 3). Das Chriftentum beftehe im * ab
in der giebe und nicht in leeren Eingeweiden (Tert. De iei. 2). Vgl. Geſch. d. Mont.
S. 162
Um 177 jahen ſich die Konfefloren und die Gemeinde zu Lyon veranlaßt, durch
Schreiben an die kleinaſiatiſchen Gemeinden wie an den Bilchof G Eleutherus zu Rom ein
55 zugreifen. Ohne die Anjchauungen der Montaniften zu teilen, müflen fie doch ein ge
” milfes Sewährenlajien der Gharismen befürtvortet und eine friedliche Verftändigung an
geitrebt haben (Euf. V, 3, 4ff.; vol. Zahn, Ford. V, 43 ff). Eleutherus fcheint dennoch
fich gegen den Montanismus erklärt zu baben; denn nach Tertullian, Adv. Prax. 1 bat
Praxeas einen römischen Biſchof daran gebindert, durch Anerkennung der neuen Prophetie
vo den Frieden in der kleinaſiatiſchen Kirche wiederherzuftellen, indem er ihm die
Montanisuns 425
— ſeiner Vorgänger entgegenhielt. Nach Voigt S. 71 und Zahn V, 49 war jener
Biſchof Viktor (vgl. Pſeudotert, Adv. omn. haer. 25); für Eleutherus m. Geſch. d. Mont.
S. 140. 174 und im ganzen auch Harnack, Litt. Geſch. II, 1, 375f. Dagegen iſt die
Angabe des ſog. Prädeſtinatus ce. 26. 86 über Soter als bereits Gegner des Monta—
nismus wertlos (gegen Voigt ©. 71ff., Zahn V, 51ff. und Harmad II, 1, 369 f.), wie 5
faft alle eigentümlichen Mitteilungen diefes Schriftiteller8 über ältere Vorgänge. — Nur
allmählich bat fich die vollftändige Ausjcheidung des Montanigmus aus der Firchlichen
Gemeinschaft vollzogen. Noch um 1921193 fand der Anonymus Euf. V, 16, 4 die Kirche
zu Ancyra von der neuen Propbetie ganz übertäubt, Apollonius hatte fie noch 40 Jahre
nad) Montans Auftreten zu befämpfen, und Serapion von Antiochien um 200 mußte 10
von ihrer Vertverflichkeit zu überzeugen ſuchen. Origenes (In Tit. IV, 696 de la Rue)
und Dionyjius (bei Baftl. ep. II, 183 ad Amph. MSG 32 Sp. 664 f.) ſchwanken noch,
ob die Montaniften als Schismatiter oder Häretiker anzufehen ſeien. Die Synode zu
Ikonium um 230 verfagte ihnen dagegen die Anertennung ihrer Taufe (Cypr.ep. 75,19). —
Namentlich in Phrygien und Galatien behaupteten ſich jedoch die montaniftifchen Ge: 15
meinden, zum Teil vielleiht in einem gewiſſen Zuſammenhang mit dem Novatianismus.
en fie ſich ſchon früher ala Pneumatiker gegenüber den Pſychikern beurteilt, fo fahen
jegt um fo mehr ſtolz auf diefe herab (Orig. 1. c. „Ne accedas ad me quia
mundus sum; non enim accepi uxorem, nec est sepulcrum patens ttur
meum, sed sum Nazarenus Dei non bibens vinum sicut illi). Wie fte felbft 20
erllärten, daß von ihnen der chriftliche Glaube feinen Ausgang genommen (Athan., De
syn. MSG. 26, 688), fo galten fie auch in den Augen der draußen Stehenven als die
Chriſten religionis antiquae (Acta Achat. 4,8). Eie bewahrten von denen der Grof-
firche abweichende Ordnungen. So berechneten fie Oftern nur nach der Sonne und feierten
e8 am 8. vor den den bes April oder am darauffolgenden Sonntag (Sozom. VII, 18 u. a.; 25
ſ. Geſch. d. M. 166 ff). Frauen follen bei ihnen ſelbſt Presbyter und Biſchöfe geworben
fein, unter Berufung auf Ga 3, 28 (Epiph. 49, 2); weibliche Diafonen begründeten fie
mit 1 Ti 3, 11 (Ambr. zu d. St.). Nach Hieronymus ep. 41 hielten fie 3, nah Ma-
ruthas (j. Bd XII, 392) 4 Faftenzeiten (TU NZ. IV, 1b ©. 12). Was der Patriarch
Germanus MSG 98, 44 von ihrer Lehre von 8 Himmeln und den Dualen der Ver: 80
dammten berichtet, weiſt auf den Gebrauh von Apokalypſen. Die früher gegen die
Chriften überhaupt erhobenen Berleumdungen wurden jegt gegen die Montaniften vorgebradht.
Nach Maruthas 1. c. follten fie auch die Maria Sökin nennen und fagen, ein Archon
babe fich mit ihr verbunden. Schon ſeit Konftantin ergingen gegen jie faiferliche Erlaſſe,
aber wenigitens in Phrygien und feiner Umgebung waren diejelben zunächit nicht durch— 35
pıfüheen (Sozom. II, 32). Schließlich konnte der Montanismus fein Dafein doch nur
im Berborgenen friften. Um 861 wurden auch die Gebeine Montans ausgegraben (Aſſem.,
Bibl. or. II, 11 ©. 58).
Eine Erſcheinung zunächſt der Fleinafiatifchen Kirche, it der Montanismus doc) auch
bald ind Abendland verpflanzt worden, aber in feiner bereits mobifizierten Geftalt unter 40
gurüdbrängung des Enthuſiasmus und Hervorkehrung feiner fittlichen Forderungen. In
bat er dur Proflus (Tert., Adv. Val. 5; Pacian ep. I, 2) eine hervorragende
Vertretung gefunden, defien Dialog mit Cajus um 200--215 (Euf. II, 25, 6; III, 28.
31, 4; VI, 20, 3) itatt hatte, und der im Unterjchied von dem Montaniften Äſchines
die Logoslehre verfocht (Pfeudotert. 21), Auch in In Dan. IV, 20, 3 fieht Hippolyt 4
Wo veranlaßt, gegen die montaniftifchen Faſtenordnungen zu polemifieren. — Der große
ontanift aber des Abendlandes ift Tertullian (f. d. A.). Der fittliche Ernft des Mon:
tanismus hat es ihm offenbar angethan. Schon zuvor durch den Kampf gegen alle Welt:
förmigfeit beitimmt (De spect., De idolol., De cultu fem.), bat Tertullian in der
neuen Prophetie das göttliche Siegel auf feine Beitrebungen erblidt. Ihre Anerkennung so
Kheint noch nicht fofort einen Bruch mit der Kirche in ſich gefchloffen zu haben; fie zählte
Anhänger unter den Sliedern der ftrengeren Partei (Tert, De virg. vel. 1). Die
wahrichemlih von Tertullian verfaßte Pass. Perpet. läßt montaniftiihe Stimmungen
en und gibt zugleih Kunde von Kämpfen innerhalb ber karthagiſchen Ge—
mende (cp. 13). Bereitö De corona 1 erklärt Tertullian, der Anwalt der neuen Pro: 55
phetie (Adv. Prax. 1), es fehle nur noch, daß man aud die Martyrien verwerfe, mie
Men die Prophetien desſelben Geiftes, und redet von den Bifchöfen der Kirche als Löwen
m Frieden, Hirichen im Streit; ebenſo geißelt er De fuga 11 das lieben der Kleriker.
? war doch vornehmlich ala Montanift der Vorkämpfer der Kirche gegen die Gnoſis,
kiner Überzeugung nad) dazu jetzt erft recht befähigt (De res. 63. De an. 58. Adv, w
&
426 Montanismus Monte Caſſino
Prax. 30). Aus dem Gottesdienſt der geſonderten Montaniſtengemeinde berichtet Ter:
tullian De an. 9, wie während der Feier von einer Vifionärin gejchaute Gefichte, in
denen fie mit Engeln, ja nit dem Seren verkehrte, Gebeimnifje vernahm, die Herzen
durchichaute und Heilmittel anwies, nachher von den Gemeindeleitern geprüft wurden. In
5 De ecstasi bat Tertullian die montaniftifche Offenbarung, zum Teil fpeziell gegen Apol-
loniug, vertreten (Hier., De vir. ill. 40). Seine meitere Yussinanderfegung mit der Kirche
ift Dann wie es fcheint wefentlich im Gegenſatz gegen Kalliſt von Rom erfolgt (Harnad,
3ThK LI 114 ff; Rolffs 1. c.). So namentlih (do ſ. auch Bd III 641,14 ff.) in De
pudieitia jeine entrüftete Abweiſung der Erklärung des römifchen Bifchofs über die
10 Wiederannabme in Unzuchtfünden Gefallener. Nur der Geiſt in dem Pneumatiker foll
in der Zuchtfrage entfcheiden, nicht die Menge der Bilchöfe (ep. 21). Gegen fcheinbar
echt evangelifche Ausführungen (Harnack 1. c.) befämpft er in dem Esch De
monogamia und De ieiunio nicht minder fchroff die Katholifchen als die Pſhychiker,
deren Eſausſinn mipfällt, was des Geiſtes ift (De iei. 1. 17. De mon. 2). Wie wenig
15 niit der Verwerfung des Montanismus alle Cffenbarungen fchon unterdrüdt waren, zeigt
das Beifpiel Cyprians (vgl. Harnack, Z3ntlW III, 177 ff). Den Reft der Tertulliantften
bewog Auguftin zur Rückkehr in die Fatholifche Kirche (Aug., De haer. 86). Bon bem
Verfuch der Begründung einer Tertullianiftengemeinde in Rom erzäblt Prädeſt. ——
Bonwetſch.
20 Monte Caſſino. — Leo v. Oſtia (geft. nad) 1115), Chronicon Casinense (in MG
Ser. VII, 5818q.); Petrus Diakonus (geit. ca. 1188), De viris illustribus Casinensibus —
fpäter fortgefeßt dur Placidus Romanus (bis ca. 1600) und durd) Angelus de Nuce in
jeinen Chronica s. monasterii Casinensis, Paris 1668. gl. Alfani Versus de situ, con-
structione et renovatione monasterii Casinensis (bei Ozanam, Documents inédits, Par.1750,
25 p. 261—268), fowie das Bullarium Casinense v. Cornel. Margarini, 2 tomi (t. I Venet.
1650; t. II Tuderti 1670).
Zufammenfajiende Darjtellungen aus den beiden legten Jahrhunderten: Erasmus Gattula,
Historia Abbatiae Casinensis per saeculorum seriem distributa, Pars I et II, Venet. 1733
(nebjt 2 Teilen Accessiones, ibid. 1734). — Luigi Tojti, Storia della Badia di Monte-Cas-
% eino, 3 voll., Napoli 1841ff. (neue Ausgabe in t. 14—16 feiner Opp. omnia, Rom 1888.)
Andrea Garavita (Prefatto del Archivio Casinense), I codici e le arti a Monte-Cassino,
2 voll., Napoli 1870. — Bol. ®. Giefebredht, De litterarum studiis apud Italos, Berlin
1844. Ferd. Hirſch, Dejiderius v. M. Caſſino, in den Forſchungen 3b Geſch. VII, 1—18.
W. Wattenbady), Deutſchlands Gefchichtsquellen ꝛc. 6. Aufl. I, 167. 306f. 417; II, 2347. 48.
35 G. Krätzinger, Der Benediltinerorden und die Kultur, Heidelberg 1876. J. Peter, Le cen-
tenaire de St. Benoit au Mont-Cassino, in der Revue Chretienne, Juillet 1781. Riden-
bad, Monte Caſſino von feiner Grüdung bis zu feiner höchſten Blüte unter Abt Defiderius
(geit. 1087), Einfiedeln 18845. G. Grützmacher, Die Bedeutung Benedift3 von Nurfta x.,
Berlin 1892, S. 51 ff. Guſtave Glaujie, Les origines benedictines: Subiaco, Monte Cassino,
40 Monte Oliveto, Paris 1899 (p. 8I—110 wichtig bei. in baugeihichtliher Hinfiht); D. Kaem-
mel, Herbitbilder aus Italien u. Sizilien, Leipz. 1900 (bei. S. 135—183 die Beſchreibung bes
Gebäudekomplexes, wie er gegenwärtig iit).
Val. nod) Neher, Art M. Caſſino im KRR® VII, 1842 ff, fowie 3. Teil die von uns
im Art. „Benediktinerorden“ (Bd II ©. 584, 14--36) angef. Kitteratur.
66 Die Gründungsgeſchichte des Benediktiner-Mutterkloſters hat im Art. „Benedikt von
Nurſia“ Bd II S. 579, 13---58 bereits ihre Darſtellung erfahren. Hier gilt es die be
fonderen Schickſale des Kloſters jeit Benedikt, feine Stellung inmitten der zahlreichen
Tochterflöfter und namentlich feine Einwirkung auf Kunſt und Wiſſenſchaft der Kirche in
älterer wie neuerer Zeit zu betrachten. — Wie fon im römifchen Altertum die Berg
50 jtabt der Gafinaten (Casinum, Liv. IX, 28, 8; XXII, 13; XXVI, 9; vel. Sil. I,
IV, 227; Cie. Phil. II, I ete.) jamt ihren Umgebungen Schauplag mancher Triege
riſchen Ereigniſſe geweſen war, fo batte die auf ibren Trümmern errichtete, im G
gebtete zwifchen Mittel- und Unteritalien gelegene Abtei das ganze Mittelalter bi
wiederholte ‚seindfeligkeiten und Zerjtörungen zu beſtehen. Unter den drei nächſten
55 nach Benedikt (get. 543): Konſtantinus, Simplicius und Vitali$ fanden zwar twieberbolte
Beunrubigungen durch barbarifche Horden ftatt, aber die Gebeine des Heiligen und feiner
Schweſter Scholaſtika, beigefegt an der Stätte des einft von jenem umgeftürgten Apollo
Altars und frühzeitig als wundertbätig verehrt, erwieſen fih fürs Erfte noch als hin
reichender Schutz für die heilige Anſiedelung. Unter dem vierten Abte Bonitus fand durch
so die Yongobarden eine erſte Zerſtörung des Kloſters ftatt (589). Die Mönche entlamen
jäntlib nad Nom, wohin fie auch (angeblich) die Original-Handſchrift ihrer Ordensregel
Monte Caſſino 427
famt den vom Stifter eingeführten Maßen für ihre täglichen Brot: und Weinrationen,
die berühmte libra und hemina, retteten. Papſt Velagius II. geftattete ihnen unmittel-
bar neben dem lateranenfiihen Palaſt ein Klofter zu errichten, wo fte, beſonders durch
Gregor den Großen ausgezeichnet und mit teitreichendem Einfluſſe ausgeitattet, faft
11, Sahrhunderte hindurch ihren Sib behielten (vgl. Bd IT ©. 582,322—50). In diefe 5
Zeit einer längeren Verödung Monte:Caffinos, in defien Trümmern nur zeitiveilig, wie
es fcheint, einzelne Anachoreten hauſten, fällt die angebliche Entführung der Gebeine Bene:
dikts und Scholaftilas durh den fränkiſchen Mönch Aigulf nach deſſen Klofter Fleury
a. d. Loire (von wo die der Scholaitila fpäter nah Worms gekommen fein follen.. An
diefe etwa ins Jahr 653 zu fetende Translation der Neliquien Benedikts, um deren 10
willen Fleury fih fortan den ftolgen Namen St. Benoit sur Loire bailegte knüpften
ſich langwierige Streitigkeiten zwiſchen den Mönchen des wiederhergeſtellten Monte-Caſſino
und den Floriacenſern. Erſtere behaupteten nach wie vor im Beſitze der echten Reliquien
des Ordensſtifters und ſeiner Schweſter zu ſein, wofür eine Bulle des Papſtes Zacharias
angeführt werden kann, welche, wie es ſcheint, ihr thatſächliches Vorhandenſein an der 15
urſprünglichen Begräbnisſtätte um das Jahr 742 vorausſetzt. Der Streit wird gewöhnlich
durch die Annahme, daß Aigulf und ſeine Gefährten lediglich einige Partikeln der beiden
heiligen Leichname entführt haben, zu ſchlichten verſucht (vgl. den Neobollandiſten Yan
der Hecke in ſ. Vita S. Berarii, Acta SS. 17. Oct., p. 152sq., ſowie die in Anal.
Boll. I, p. 75—84 edierte Translatio S. Benedieti [angeblih) vom Jahre 830, in»
ern jeboch erft aus dem 9. Jahrhundert; ſ. Holder-Eager im NA. XII, 1886,
S. 131f.)).
Die erjte MWiederherftellung des cajinenfichen Kloſters erfolgte gegen 720 unter Papſt
Gregor IL, und zwar durch den Abt Vetronar aus Brescia, der von da an noch mehrere
Jahrzehnte, bis zu jeinem 750 erfolgten Tode, der Abter vorftand und diefelbe zu neuer 25
Blüte erhob. Unter ihm ging Willibald, eriter Bifchof von Eichitädt (feit 741), aus dem
Klofter hervor und verbrachte Pippins Bruder Karlmann, der einstige oftfränfische Haus—
meier, bier feine letzten Lebensjahre, der Cage nah Gänſe und Lämmer hütend, ja einſt
in ftillee Demut eine Züchtigung ind Angeſicht ohne Verſuch zur Race hinnehmend.
acharias fol 748 jenes bis dahin in Rom gebliebene Autograpbon der Regel so
Benedikts, welches übrigens fpäter (896) zu Teanum, angeblich bi3 auf ein das Ichte
Kapitel enthaltende Blatt, durch eine Feuersbrunſt zu Grunde ging, dem Kloſter zurüd-
erftattet, dasfelbe auch mit Privilegien verjchiedener Art ausgeftattet und feine Bibliothef
mit etlichen Bibelbandichriften, namentlich einem ſchönen Evangelienfoder „mit Miniatur:
malerei und Vergoldung” (con figure miniate e dorature) beichenft haben (ivegen 35
der mehrfach dunklen Veranmiſ der Textgeſchichte der Benediktusregel ſ. überhaupt
Traube SMA 1898 und E. C. Butler im IthSt 1901, p. 458— 468). Jedenfalls beginnt
feit des Petronax' Vertvaltung ein allmähbliches Eingreifen Monte-Caſſinos in die Yitte-
ratur: und Kunftentwidelung, wodurch es den auf diefem Gebiete teilmeife ibm voraus:
geeilten Tochterklöjtern wie St. Gallen, Reichenau, Corvey 20. ziemlich bald es gleich ao
Paul Warnefried, der einitige Kanzler des lebten Longobardenkönigs Deſiderius,
war teild vor, teild nach feinem Aufentbalte am Hofe Karl d. Gr. Inſaſſe unferes
Kloſters, wo er feine Historia Longobardorum ſowie feine Expositio in regulam
8. Benedicti fchrieb. Kurz nad) dieſes berühmten Gelehrten Tode, der (mie Dahn nad):
gewielen bat) wohl fchon 795 zu jegen ift, wurde Gifolfus aus dem Gefchlechte der Her: 15
e von Benevent Abt von Monte-Caſſino (797---817), deſſen Kirche und fonitige Ge:
äude damals weſentlich vergrößert und verfchönert twvurden. In die nächitfolgende Zeit
fallen bedeutende Bereicherungen des Grundeigentums oder Patrimoniums der Abtei durch
ürftlihe Schenkungen. Als nicht unbedeutender Gelehrter galt Abt Bertbarius (856 bis
884), der Auslegungen zu bibliihen Büchern des Alten und Neuen Teitantentes, aber 50
auch Schriften über Grammatif und Medizin binterlich (leßtere teils pathologifchen In—
balts, wie De innumeris morbis, teils pharmafologiichen, wie De innumeris reme-
diorum utilitatibus). An feinen Namen als erjten gejchichtlichen Anhaltspunkt knüpft
fh, was über Monte⸗Caſſinos Verdienfte um die Förderung der medizinischen Wiſſenſchaft
iens, vor Entitehung der Hochichule von Zalerno als deren fpäterem Hauptſitze, über: 55
* wird. Irrig iſt jedenfalls, daß eine förmliche Ärzteſchule auf dem Monte-Caſſino
den babe (ſ. dagegen Meyer, Geſch. der Bot. III, 135f.; Haeſer, Geſchichte der
‚3. Bearb. 1875, I, 615). Aber eine gute Krankenpflege: und Heilanſtalt muß
das Klofter zeitweilig gehabt haben. Es gebt dies daraus bervor, daß daſelbſt Kaifer
Seinrich II. einft gegen ein Steinleiven dort Hilfe fuchte und — angeblich durch perfönliches ww
Montanismus Monte Eaffino
durchſchaute und $ —— Meng der
ö De Mus, ve bat ‘ ertullian die montamiftifche —— —— * —
Monte Caſſino. v. Oftia (geft- nach 1115), Qurontoon Ossinense in MG
pi VI, 581sq Band Biachus Mon (geit. ee unten u ara Uns = ı *
* bt us — ——— Nuce
nee monasterii Casinensis, Paris 1668. Bgl. Alfani Versus de Sim, in con·
„rating et — monasterii Casinensis (bei a Documents i ba
337 ſowie um) Bullarium Casinense v. Cornel. Margarini, 2 tomi t. Er
t rti 1670).
Zufammenfafiend Darftellungen aus den beiden feh age D Erasmus —
Historia Abbatiae ar RL a a en aueh I et II, Venet. 1733
(nebjt 2 Teilen Accessiones, ibid. 1734). — Luigi Tofti, Storia dena Badia di Monte-Oas-
30 sino, 3 voll, Napoli 1841 ff. jew Ausgabe in t. 14—16 jeiner O — Rem ——
Andrea Caravita (Prefatto Archivio Csasinense), I codiei e
2 voll. Napoli 1870. — ®Bal. W. Giefebredht, De litterarum urn
1544. Ferd. Hirſch, Defiderius v. M. Laffino, in ben Ta BT Seid) hen
Peter,
W. Wattenbach, Deutichlands Geſchichtsquellen ꝛc. 6. Au j. 417;
5 &. Kräßinger, Der Venediktinerorden und die ———— jeibelberg 1876. a ren
tenaire de St. Benoit au Mont-Cassino, in der Revue Chrötienne, J . Nie
—* Monte Caſſino von ſeiner bis zu feiner 1 hiten Blüte unter 8 Deſideriu
(geſt. 1087), Einſiedeln 18847. tzmacher, Die Bedeutung Benedikts von Nurfia ıc,
lin 1892, ©. 51 ff. Guftave Gene, Les origines ben@dietines: Subiaco, Monte Cassino,
0 Monte Oliveto, Ba 31899 (p- 81—110 wichtig er. in baugeichichtliher Hinfiht); D. Niaem:
mel, Herbftbilder aus Jtalien u. Si 5 — Leipz. 1900 (beſ. S. 135—183 die Bejchreibung bes
Sebäubetomplexes, wie er gegenwärtig ift).
Bol. noch Neber, Art „Galli im KRL.* VIII, 1842 ff., fowie z. Zeil die von uns
im Art, „Benediktinerorben“ (8b II S. 584, 14—36) angef. Litteratur.
15 Die Gründungsgeihichte des Benediktiner-Mutterflofters im Art. „Benebitt von
Nurfin“ Bo TI ©. 579, 13—58 bereits ihre Daritellung erf ‚Hier gilt es die bes
jonderen Schidjale des Kloſters ſeit Benedikt, feine Stellung inmitten Na zahlreich
Tochterlloſter und namentlich ſeine Einwirung auf Kunſt und Wiſ ürch
älterer wie neuerer Zeit zu betrachten. — Wie ſchon im —— die Berg
50 ſtadt der Caſinaten (Casinum, Liv. IX, 28, 8; XXII, 13; KR. 9: a
IV, 227; Cie. Phil. II, 4 ete.) ſamt ihren Umgebungen Schaupla
wieberholte Feindſeligkeiten und Zerjtörungen zu beſtehen. Un ö
en
Schweſter Scholaftifa, beigefegt an der Stätte des einft von jenem umgeſtürzten
0 die Longobarden eine erfte ar des Klofters ftatt (589). Die —
riſchen Erei niſſe geweſen war, io hatte die auf ihren Trümmern et im Öreng
geb hen Auiichen Dittel- und Unteritalien gelegene Abtei * ganze binp dur rd
55 nach Benebikt (geit. 543): Konjtantinus, Simplicius und —5 —— |
Beunrubigungen durch barbariſche Horden ftatt, aber die Gebeine des H
Altars und frübzeitig als wunderthätig verehrt, erwieſen ſich fürs —
reichender Schutz für die heilige Anſiedelung. Unter dem bierten Abte B
fämtlich nad Nom, wohin ie auch (angeblich) die Original-Handſchrift ihrer Oxrbensregel
(von wo die der Scolaftite —— nadı — getommen Fein ee J
86 Translation der Reliquien Benedifts, am
im RU.
Di lie e EEE * — — 720 unter Bapft
regor II., und zwar durch den Abt ar aus Brescia, von da an noch mehrere
alla ya feinen. 200 suleten obs, —
on Eichftäbt (jeit, 741 ——
ten Lebens ne Bier ned (Bi und J N em
‚Demut Züchtigung ins to fu innehmend.
Jacha oll 7iS jenes bis dahin in Mom gebliebene Autographen der Rep 0
zelches übrigens fpäter oe. ne —— rn bis —— — Fan legte
ne | 0
mi — verſchiedener errang een —— und feine Bibliotbef
a 1, namentlid) einem ſchönen Evangelientober „mit Miniatur
un * (con figure miniate e dorature) (wegen 35
dunklen Wert Bulk der Tertgejehichte der Benebiktus . upt
Traube SM | ne 1901, p. 458—468). falls beginnt
es — ein allmäbliches Ein nos im die Yittes
Be R * atwickelung, wodurch es den auf dieſem Gebiete —— — * voraus⸗
sterflöftern wie St. Gallen, Reichenau, Co x. —— es gleich ao
Bauhrieb der einftige jler des legten Longobard os Deine
ils nad) Ben ———— am Hofe Rar sd. Gr. Inſaſſe unferes
0 —— ren ir —* Expositio in
Bi vis beehben en Tode, der (wie Dahn nad):
iefen bi at) * en 7 u u jeßen ups vr 84 8 * dem Geſchlechte —
onte⸗Caſſino (79 7 817), deſſen Kirche und ſonſtige
tlich neigt * verſchönert Ian In die nächſtfolgende Zeit
——— en des EEE ms oder Tatrimoniums ber Abtei durch
chenkungen. Als nicht —* Gelehrter galt Abt Bertharius (856 bis
gen zu bibliſchen Büchern des Alten und Neuen Teſtamentes, aber d
ten übe: z Grammatit und Medizin —* (letztere teils patbologifchen ine
e innumeris morbis, teils pharmafologifchen, wie De innumeris reme-
* E— ſeinen Namen als erſten geſchichtlichen Anhaltspunkt knüpft
08 Verdienſte um die Förderung der mediziniſchen Wiſſenſchaft
er. von Salerno als deren fpäterem Hauptfige, über: 55
ar In 8, daß eine fürmliche Ärzteſchule auf dem Monte-Gaffino
en Mever, Geſch. der Bot. III, 435f.; Haeſer, Gejchichte der
— 615). Aber eine gute Krentkenpflege⸗ und Heilanſtalt muß
abt haben. Es geht dies daraus hervor, daß daſelbſt Kaiſer
rein Steinleiden dort Hilfe ſuchte und — angeblich durch perſönliches w
428 Monte Gaifiuo
Erſcheinen des hl. Benedikt, um ihm den Stein auszufdmeiden — fie auch fand. Auch bat
Konftantin der Afrikaner, der berühmte Arzt und Naturforfcher aus Salerno (geft. 1087),
im Klofter des bi. Benedikt längere Zeit gervohnt und eine Sammlung von Medilamenten,
das Vorbild für die Hlöfterlichen Apotheken der Folgezeit dafelbit eingerichtet. Salerno
5 hatte nachweislih ſchon feit 694 ein benebiktinisches Klofter mit gutem Hofpital; die
Annahme, daß ſowohl diefe wohlthätige Anftalt mie meiterhin das Entſtehen der Aerzte
jchule ebendaſelbſt fih auf Einflüffe von Monte-Caffino ber zurüdführen, ſcheint nabe
genug au liegen (vol. Zaurie in d. „Universitas" 1886, ſowie Acad. 1887, 22. Syarı.).
Eine neue Epoche der Verödung des Kloſters und des Exils feiner Mönche, diesmal von
ın faft 70jähriger Dauer, hob an mit einer Plünderung und Zerftörung durch die an ber Lirie:
Mündung angefiedelten Earacenen, wobei jener Abt Bertharius am Altar der Kirche ge
tötet wurde (884). Die überlebenden Mönche flohen nach Teano, unter Mitnahme einiger
ihrer Heiligtümer und Dofumente, u. a. jenes Ur-Manuffripts der Regel, das aber fünf
Sabre fpäter in Flammen aufging (f. o.). Nach 30jährigem Verweilen in Teano unter
15 dem Schuße des dortigen Grafen, der freilich gleichzeitig einen beträchtlihen Teil der lie
genden Güter des Klofterd an ſich riß, verlegten die Mönche ihren Sitz nad) Capua,
eſtimmt durch ihren Abt Johannes J., einen Better des capuanifchen Fürſten und
bauer einer jchönen St. Benebiltusfirche nebft daran ftoßenden Kloftergebäuden ebenda⸗
jelbft (915). Allein fie fanden bier, teil3 unter dem genannten Abte, teils unter befien
0 Nachfolgern feit 934, auch in moralifchem Sinne ihr Capua. Die arg in Verfall ge
ratene Zucht unternahm Abt Aligernus (949—985) wieder berzujtellen, ein Neapolitaner,
der wieder auf den Monte-Caſſino feinen Sit nahm, in Anlehnung an Odos v. Clugny
Grundſätze auf eine ftrengere Haltung feiner Mönche binwirkte, einen Teil der geraubten
Hüter ans Klofter zurüdbrachte, fie mit Kolonijten befegte und mit neuen Ki bauten
35 verſah, auch einiges zur Miedereinführung wiſſenſchaftlicher und künſtleriſcher Beftrebungen
that (3. B. codicem evangeliorum auro et gemmis optimis adornavit, Chron.
Casin. I, 33). Unter feinem Nachfolger Manfo, der zum Verbruß und Abfcheu des hl
Nilus von Gadta eine üppige Hofhaltung einrichtete und viel mit berumfahrenden Sä
und verweltlichten Mönchen verkehrte (985— 996), gingen Zucht und Ordnung des
30 wieder ziemlich zurüd. Tesgleihen fpäter unter Atenulf (1011— 1022), bis nach deſſen
Flucht der deutfch gefinnte Theobald (1022— 35), unterftüßt von dem damals Italien
bereifenden Odilo v. Clugny, ‚die ſtrengeren Grundſätze wieder beritellte. Nach ihnen re
gierten dann die folgenden Abte, namentlid Richer (10:38-—55), der vertraute eber
und Freund 2eos IX., dem diefer Papft die Kirche St. Croce in Gerufalemme zu m
35 ſchenkte, ſowie der lotbringifche Prinz Friedrich (1056—57), der fpäter ald Stepban IX
Papſt wurde, aber ſchon im folgenden Jahre ftarb. Die von Bapit Viktor II. bollzogene
Urkunde der Beftätigung diefes Abts Nriedrih (eigenhändig gefchrieben vom Kardinal
Humbert ſowie von diefem und von Hildebrand unterzeichnet, ift jüngft wieder aufgefunden
worden (f. Kehr in den Gött. Nachrichten 1900, S. 104f., und vgl. Haud, KG Deutkh-
40 lands III, 669 ff.; auch Mirbt, Art. „Humbert“ in Bd VIII, 146, 0 ff.).
Unter dieſes Friedrih Nachfolger Dejiderius (1059—87), der letztlich ebenfalld den
päpftlichen Stuhl beftieg (ald Viktor IIL, 1087, |. den A), erlebte Monte-Cafjind feine
eigentliche Glanzepoche, eine fait 30jährige Zeit gleich mächtigen Einfluffes nach außen,
wie wohlgeordneter innerer Verhältniſſen und guter Disziplin (f. Gerd. Hirich, Defiderius
50. M.-Caff., Forſchungen VII, 1ff. jowie ©. Clauſſe 1. c. p. 125—137). Defiderius
war ein Fürſtenſohn aus dem Haufe der Grafen von Marfi und Herren von Benevent,
zugleich aber auch römischer Rardinalpriefter vom Titel der bl. Cäctlia, in melches Amt
Nikolaus II. ihn gleichzeitig mit feiner Erhebung zum Abte von M.:Caffino einfeßte
Seinem Kloſter fam dieſe feine Doppelte Machtitellung in nicht geringem Maße zu gut.
50 Er bob dasjelbe auf alle Weiſe, brachte Die Zahl der Mönche auf 200, reftaurierte bie
Gebäude und baute insbefondere die Klofterbafilifa mit großer Pracht, unter Herbeizi
von Künftlern aus Oberitalien, Amalfı und Konftantinopel. Auf den in Konftanti
gegofienen ehernen Thüren dieſes Gebäudes ließ er die Namen der zahlreichen, damals
im Befi der Abtei befindlichen Ortfchaften eingraben; bei der Gintweihung, zu Anfang
55 Oftober 1071, wurde ein achttägiges glänzendes Kirchenfeit im Beifein Aleranders IL,
Damianis und vieler anderer Kardinäle gefeiert (Clauffe, a. a. O.). Auch zur Bflege
der Wiffenfchaften trug Deſiderius manches bei, wie er denn koſtbar ausgeltattete litur⸗
giſche Bücher für den Gottesdienft berftellen ließ, den Chroniften Amatus (Verf. einer
Historia Normannorum) ſowie jenen Afrikaner Konftantin im Klofter beherbergte,
su felber ein die medizinischen Studien berührendes Werk: „Über die Heilmunder des
Monte Caifino 429
Benebikt”, verfaßte, vor allem aber das Krankenhaus des Klofterd vergrößerte und reich
auöftattete. Über das hohe Anjehen, welches die Abtei damals fowie zum Teil fchon
unter Defiderius Vorgängern bei der gefamten mittel- und unteritalifchen Bevölkerung
genoß, bemerkt Gregorovius (Gefchichte Noms im MA IV, 157): „Die frechen Eroberer
(Normannen) fcheuten fich vielleicht weniger vor dem Fluche des Lateran, als fie vor 5
dem Bannftrahl zurüdbebten, den der Abt auf feinem wolkenhohen Berge wie ein Heiner
Jupiter in Händen bielt und dann und wann auf ihre „nicht zufagenden“ Häupter
berunterwarf”. M.:Caffino — „der Sinai des Abendlands”, wie man es Öfterd genannt
bat — mar zugleih „das Mekka ſowohl der fühlichen Langobarden als der Normannen“.
„Sie plünderten, aber fie verehrten inbrünftig St. Benedikt und wallfahrteten pfalmen= 10
fingend zu feiner Gruft” (Gregoravius a. a. D.).
us unter Oderiſius I. (1087— 1105), dem Kortführer und Vollender mehrerer
Bauten feines Vorgängers, namentlich jenes Krankenhauſes, hielt das Klofter fih noch
weſentlich auf der erftiegenen Höhe, ſowohl in Kirchlich-politifcher, wie in litterarijcher Hin-
ficht ; desgleichen unter Abt Bruno, der zugleid Biſchof von Segni war (1107—1123; 15
vgl. B. Gigalski, Bruno, Biſchof v. Segni, Münfter 1898). Unter ihnen ſchrieb ber
berühmte Hiſtoriker Leo v. Oftia fein Chronicon Casinense (j. oben und vgl. Hurter,
Nomenbclat. lit. IV, 40sq.). — Weiterhin im 12. Jahrhundert und noch mehr im 13.
trat zunächſt ein Sinken der äußeren Macht ein, infolge vieler Übergriffe der unrubigen
(herren, ſowie öfterer Anfeindungen durch die hohenſtaufiſchen Kaifer, gegen melde 20
es die munizipalen Freiheiten zu verteidigen galt. Einzelne tüchtige Schriftiteller zierten
dennoch aud in diefen Zeiten die Abtei, namentlich der Litteraturhiftorifer Petrus Dia-
fonus, geft. um 1188, Fortjeger jener Chronit und Verfaſſer des mertvollen Schrift-
fteller-Stataloga De viris illustribus Casinensibus, den fpäter Placidus Romanus bis
gegen Ende des 16. Jahrhunderts fortführte (ſ. Wattenbach, Deutichlands Geſchichtsquelln
im MA, II, 236f.). Auch blühten in dem Klofter einige Kunſtzweige, befonders die
Glasmalerei. — Kaifer Friedrich 1I. vertrieb 1240 die Mönche aus dem Klofter, bejeßte
dasfelbe mit feinen Soldaten und machte viele der fojtbaren Schäge zu Geld. Die Re—⸗
organifationsverfuhe des Eugen und gelehrten Abtes Bernardus Ayglerius aus Lyon
(1263—82), Verfaflers einer neuen Auslegung der Ordenöregel, ſowie eines Speculum 30
monachorum (morüber Hilarius Walter O.S.B. in d. StEMBCO. 1900, S. 411ff. zu
leichen), erwieſen fich ebenjomenig zu dauerhafter Wiederheritellung der immer mehr
allenden Disziplin im ftande, ala Göleftins V. Verſuch, die Benediktiner M.Caſſinos
in Eöleftiner umzuwandeln (1294), oder als Johanns XXII. Erhebung der Abtei zu
einem Bistum und ihrer Mönche zu Kathebralgeiftlichen (mittelft Bulle vom Jahre 1331). 36
Ein Erbbeben im Sabre 1349 yerftörte die ftolzen Bauten des Stifts faſt gänzlich, fo
daß die wenigen übrig gebliebenen Mönche über ein Jahrzehnt in elenden Hütten auf
mmern wohnen mußten. Unter Urban V. nahm der von diefem Papfte ein-
geſetzte Abt Andreas de Faenza, vorher Gamaldulenjermönd, die notwendig gewordene
äußere und innere Reorganifation ſeit 1370 in feine kräftige Hand, freilich ohne bleibende «0
erfolg zu erzielen (Clauſſe, p. 143f.).
egen der reichen Einkünfte der Abtei geriet fie feit Mitte des 15. Jahrhunderts
für längere Zeit in die Hände von weltlichen Kommendataräbten, die fie ſchonungslos
ausraubten und die Disziplin aufs äußerte in Verfall brachten. Julius II. zivang 1504
dad Klofter, die fchon etwa 90 Jahre zuvor in Padua (durch Ludovico Barbo im Klofter 15
der bi. Juſtina um 1414) begründete Reform der bi. Juſtina anzunehmen, welche feit-
dem den Namen der „Kongregation von Monte-Caſſino“ erhielt (Helyot, Ordres mona-
stiques, VI, 239sq.)., So wurde der eingerifjenen Verweltlichung wenigſtens in etwas
gefteuent; doch blieb diejelbe in vieler Hinficht immer noch groß genug. Eine prachtvolle
iche Renovation wurde 1515 unter Abt Squarcialupi begonnen, nad) einem von Bra= so
mante enttvorfenen Blan (Clauſſe 147 ff.).
Ungeheure Reichtümer beſaß das Stift noch während des ganzen 16. Jahrhunderte:
fin Abt verfügte, über 4 Bistümer, 2 Yürftentümer, 20 Grafſchaſten, 350 Schlöffer,
440 Dörfer und Villen, 336 Bachthöfe, 23 Seebäfen, 33 Inſeln, 200 Mühlen, 1662 Kirchen;
fein Einkommen wurde auf eine halbe Million Dufaten geſchätzt (vgl. Häften, Com- 65
mentar. in vit. S. Benedicti, p. 105). Wichtiger als diefe materiellen Schäge erjcheint,
mad Monte-Eaffino bis herab auf unfere Zeit an Geiſtesſchätzen und litterariichen Samm-
lungen bewahrt bat. Es ift in gewiſſem Sinne doch richtig, was einer feiner jüngiten
Geſchichtſchreiber, der Archivpräfeft Caravita rühmt: mährend der 1300jährigen Eriftenz
feiner Abtei feien in ihr die Studien und die Liebe zu den Künften niemals untergegangen. 60
88
or
430 Monte Gaffino Montenegro
Derfelbe giebt den Beitand ihres Archive — das Schon Mabillon bei feinem Beſuch des
Klofters im Jahre 1645 (Iter Italicum, p. 125; vgl. Broglie, Mabillon II, p. 12 bi
17) als das bedeutendfte von Italien und als eines der wertvollften in ganz Europa
rühmen durfte - - an auf „über 1000 Urkunden von Fürſten, Königen, Staifern und
Väpften, über 800 Handfchriften teils auf Pergament, teild auf Papier aus der Zeit vor
dem 14. Jahrhundert, ſowie zahlloſe Papierbandichriften aus der fpäteren Zeit“. Eine
Verwertung diefes reichen Yitteraturjchages für die mwiflenjchaftliche Arbeit meiterer Kreiſe
baben erjt die letzten Jahrzehnte gebradt. Seiner einjtigen Bedeutung als Gentralfike
des mächtigſten aller Fatbolifchen Orden iſt Monte-Gaffino feit 1866 — mo e3 zum
10 Nationaldentmal des Königreichs Jtalien erklärt und in eine geiltliche Erziebungsanlil
(mit etwa 40 Mönchen als Lehrern und 200 Zöglingen) verwandelt wurde —
gegangen; aber es hat feit cbendiefer Zeit durch Mitteilung feiner reichen litterarif
Schätze und Kunſtdenkmäler an weiteſte Kreife um jo fruchtbringender zu wirken begonnen.
Gegen die Zeit der 14. Gentenarfeier der Geburt des Ordensſtifters wurde ein Gefamt
15 verzeichnis der Gafjinenfer Handfchriften in mehreren Bänden Folio zu veröffentlichen be
gonnen (Bibliotheca Casinensis, s. codicum mss. qui in tabulario Casinensi
asservantur series, per paginas singillatim enucleata, 5 voll. 1873—1894). Als
Ergänzung der Hauptbibliothef und Mittel zu deren bequemeren Benugung wurde 1899,
bei der 1100jährigen Gedenkfeier des Paulus Diakonus (geit. 799), eine Handbibliothel
20 für die Archiv: und Bibliothefbenuger, unter dem Namen Bibliotheca Paulina (genauer:
Bibl. Consultationis a Paulo Diacono nuncupata) errichtet. Zwei größere Publi-
fationgferten bringen periodifch erfcheinende Berichte über die Schätze der Bibliothek: das
Spieilegium Casinense (mit mehr oder weniger belangreichen Tertveröffentlichungen
teils klaſſiſchen teils kirchlichen Inhalts - 4 Bde bis 1896) und die feit 1897 erſchei⸗
25 nende Zeitſchrift Miscellanea Cassinese mit abhandelnden Beiträgen und Urkunden zur
Geſchichte, Yitteraturgefchichte und Kunftgeichichte Monte-Caſſinos und des Benediltiner-
ordeng überhaupt. Auch die zur Illuſtration der Schriftarten der Gafinenfer Codices
dienenden Yarbendrudtafeln, welche 1876— 84 unter dem Titel Paleografia artistica
di Montecassino erſchienen, ſowie das die Miniaturen derfelben Handfchriften beban-
30 deinde Prachtwerk: Le Miniature nei codici Cassinesi; documenti per la storia
della miniatura in Italia (2 Serien, 1888- 1896) gebören zu diefen den litterarifchen
Ruhm des Ordens in neuem Glanze erjtrablen machenden Sublifationen des Mutter:
flofters. Auf Behauptung des alten Ehrennamens ihres Sites als eines vor anderen
einflußreihen Hauptberds und Brennpunkts der abenbländifchschriftlihen Kulturentwicke
35 fung find alfo auch die dermaligen Inſaſſen der ehrwürdigen Erzabtei mit rüftigem Eifer
und nicht ohne guten Erfolg bedadıt. ädler.
Montenegro. — KLitteratur: Gopcevid, Montenegro; P. Coquelle, Histoire du
Montenegro; N. Chef, Allgenı. Geſetzbuch 2c. für Montenegro.
Montenegro erbielt feine Grenzen und allfeitig anerfannte ftaatliche Selbſtſtändigkeit
49 durch den Berlmer Kongreß von 1878, fo daß es heute 9030 qkm umfaßt, von
252000 Seelen bewohnt. Zum jerbifchen Volke gehörig, find die Montenegriner faft
durchweg Mitglieder der ortbodoren Kirche, alfo dem orientalischchriftlichen Bekenntnis
zugetban. Yange Zeit, von 1516-—1851 (1852), unteritand das Ländchen geiftlichen
‚Kürten. Aus Sorge nämlich, es würden die Häuptlinge durch Zwietracht Montenegros
+ Selbſtſtändigkeit zu Grunde richten, ließ der im Jahre 1516 geftorbene Yürft Georg
durch Diefelben ſchwören, nach feinem Tode dem damaligen Metropoliten oder Biſchof die
Fürſtenwürde zu übertragen. Dieſe Einrichtung wurde beibehalten, während von vorm»
berein cin weltlicher Statthalter für die Angelegenbeiten der Bewaffnung und Krieg⸗
führung beitellt war. Die mit der Bezeichnung Wladika einander folgenden geiftlichen
0 YXandesberren wurden von der verjammelten Volksgemeinde gewählt, bi8 der kriegen
Wladika Daniel I. (1697-- -1737) feiner Familie, nad dem großen Dorfe Niegofch durch
ihn benannt, die Nachfolge ficherte ; nur mangels eines zuläffigen männlichen Mitgliedes
könne die Mahl auf ein ſolches aus anderer vornehmer Familie fallen. Aber die An:
erfennung der geiftlichen Würde durch den ferbifchen Patriarchen früher zu Ipek, fpäter zu
55 Karlowitz (oder auch jenen von Belgrad, 1750), ward für unerläßlich angefehen,
ſchon Peter der Große als politifcher Protektor feiner Erklärung gemäß anerfannt ward.
Erit 1852 wurde das Fürſtentum gleichfam fäfularifiert, da Danilo, der Neffe des leiten
Wladika, fih durch eine neue Verfaſſung als weltlichen Fürften anertennen ließ, wovon
nur dem Zaren dur befondere Geſandtſchaft Mitteilung zu geben beftimmt wurde. —
Montenegro Montfaucon 431
Die kirchliche Verwaltung des Landes unterfteht nur dem Metropoliten von Getinje,
welcher eine größere Anzahl von Klöjtern (13), ſowie die von Popen bejegten Parochien,
gegen 90, unter ſich hat; deren Sprengel richtet ſich größtenteild nach den Grenzen der
83 Kapetandiſtrikte des Staates.
Hinfichtlich des Schulweſens befteht der fürſtlichen Verordnung gemäß allgemeine 5
Schulpflicht (auf 4 Jahre); fie mird natürlich infolge der Landesbeichaffenheit und der
verbreiteten großen Armut nicht ſtrenge durchgeführt. Se eine Mittelſchule in Cetinje,
desgl. in Dulcigno und Podgoritza giebt von der Sorge für etwas höhere Bildung
Zeugnis, eine höbere Töchterjchule mit Penſionat beftehbt mit Erfolg fchon feit bald
30 Jahren in Cetinje. — Außer der ortbodoren Stirche ift nur noch die römifch-Tatho= 10
liiche nennenswert vertreten, namentlich im Südoſten des Landes; fie zählt im ganzen
etwa 7000 Belenner, melche den Biſchöfen von Antivari und von Cattaro unterſtehen.
Die Seelforge üben jedoch faſt nur Konventualen aus, namentlich des Franzisfanerordeng.
Erit feit 1886 ift die katholiſche Kirche durch das mit der Kurie in Rom abgejchlofjene
Konkordat unter die „ſtaatlich anerkannten hriftlichen Religionsgefellfchaften” aufgenonmen 15
und genießt die betr. Vorteile des neuen bürgerlichen Gefegbuches von 1888. — Die
Muhammedaner der i. %. 1878 getvonnenen Zandesteile find mindeſtens zur Hälfte aus-
gewandert, fo daß ihre Zahl kaum mehr 3000 erreicht. Am meiften hielten ſie ſich in
Dulcigno, woſelbſt etliche Dſchamjen (Bethäufer) noch baulich in ſtand gehalten erden.
— Für Glaubensgenofjen evangelischer Kirchen fehlt es an aller Baltorierung, zumal auch 20
faft nirgends proteftantifche Familien auf längere Dauer jich niedergelaflen been. ;
. 808
Montes pietatis. — ®. Endemann, Die nationalötonom. Grundfäge der canoniftifchen
Lehre, Ihrbb. j. Nationalökonomie, I, 1863, ©. 324ff.; derſ., Studien in der romaniſch-kano⸗
nijtifchen Wirthſchafts- u. Nechtslehre, I, 1874, S.460ff.; Uhlhorn, Kiebesthätigteit, II, S. 446; 25
Rasinger, Geſchichte der kirchlichen Armenpflege, 2. Aufl. S. 402.
Montes pietatis (Monte de Pietä, Table de Prät) find urfprünglidh milde Stif-
tungen zur Unterftügung Armer geweſen, die gegen ein zureichendes Pfand Geldvorjchüfle
obne Zinszahlung empfingen, mit der Bebingung, die Vorfchüffe zu einer beitimmten Zeit
wieder zurüdzugeben, im Unterlafjungsfalle aber fich dem Berfaufe des Bfandes zu unter: 30
werfen, um den Kapitalftod unverlebt zu erhalten, von deſſen Zinfen die Vorſchüſſe ge:
währt wurden. Dieſe Montes pietatis hat man daher als Zeihanftalten oder Leihhäuſer
betrachten; fie follten die Armen namentlid audy davor fchügen, den Wucherern an:
imzufallen, gegen die ſelbſt auf mehreren Konzilien Disziplinarbeitimmungen erlafjen
worden waren. Zur Beitreitung der Verwaltungskoften fügte man dann eine Zinszahlung 36
für die Geldvorſchüſſe hinzu, doch beitanden auch Anjtalten fort, bei denen die Borgenden
nur die Pfänder einfetten, weil beſtimmte Summen zur Dedung der Unfojten geitiftet
waren. Die Montes pietatis find Später rein weltliche Anftalten geworden; fie ent
fanden in Italien, mo der Kardinal von Ditia 1463 in Orvieto ein derartiges Leihhaus
errichtete; Pius II. bat es beftätigt. Seinen Beifpiel folgte der Minorit Barnabas, der 40
das Leihhaus zu Perugia 1467 in das Leben rief, es erbielt von Paul II. die Beſtäti—
gung. Irrig iſt es, wenn Leo X. als derjenige Papft genannt wird, welcher die Montes
pietatis zuerit (1515) bejtätigt habe. Aber er hat dadurd das Unternehmen gefördert,
dab er in der 10. Sigung der 5. Lateranſynode, d. Mai 1515, die Konjtitution Inter
multiplices vorlegte, welche die Montes pietatis im allgemeinen billigte und ihre Gegner 5
für erfommunigiert erflärte, Bullar. Rom. V, S. 621ff. Ihre Einführung verbreitete
fih bald nad) der Lombardei und der venetianifchen Terra ferma (nad) Babua 1491),
denn auch nad) anderen Ländern, wie nach Frankreich, Holland, England ꝛc. In Deutfch-
land Hat Nürnberg 1498 ihre Einführung zuerſt gejehen. Nendeder + (Hand).
Mentfaucon, Bernard, geft. 1741. — Litteratur: Zajjin, Hist. litter. de la 50
. de Saint-Maur p. 585—616 (deutjche Ausgabe II, 292—343); Vanel, Les Béné-
dieins (Zitel |. s. v. Martianay) p. 199—204; Emmanuel de Broglie, La sociéêté de l'ab-
baye de Saint-Germain des Pres au 18. sitcle: Bernard de Montfaucon ct les Bernar-
dins, 2 Bde, Barid 1891 (II, 311—323 eine interejjante Autobiographie und »biblivgraphie
R.3); H. Omont, B. de Montf. sa famille et scs premitres annees (Annales du midi 55
—2 84—90), andere intereſſante Beiträge Omonts zu Montf. führt Tamizey (ſ. u.)
an.
Bernard de Montfaucon, Int. Montefalconius, geb. ben 16. (oder 17.,nidht 13.) Jan.
1655 zu Soulatge (Dorf in Südfranfreih, Dep. Aude), 1719 Mitglied der Acad&mie
des zur "wand et belles lettres, geit. 21. Degen bei hier zu Baris, wo er in ber
Aus ltadeli lecht entſpro So — ns v Dontfaucon,, Herrn
N —— —* ———— der Familie),
Er heben flg en eigenen abın Seine dm Aug Markhalis ——————
—— aber infolar einer Aranfhet —
Studien rüd und trat 1675 in Das zu Kongregation des bl. Maurus
Here a Be en ee ——— end Abteien * * wo er
e. a |
u“, Studium des — den begann sh die — organ in Klofter-
nad) Saint-Ce ‚ denn wiffenfchaftli
wo er vorzüglich der Bearbeitung der gri | Sı
15 im n Jahre erichienen die Analeeta graeca sive varia opuscula graeca hactenus
non edita, tomus — (et —— Paris 1688, 2) bon ne DET —
20 vollendet ce Sn * —* 1693 geſtorben), bis —F die beite Necenfion —
— welche ugleich eine umfangreiche hie desſelben und iuſche
en zu feinen Werfen bietet (Athanasii archie Alexandrini opera omnia,
— 1698, —* 2 Fe in 3 voll; enendatiora et At volumine aucta cur.
SG * 228 ‚Da aber
30 mit Studien on eff "und überall I chf ——
Generalpro aude Eſtiennot (1699) war er eine Zeit lan
Kong len ge dieſe Zeit balbamtlicher ———— —* * von J Orc
die Angriffe der Jeſuiten re und perjönlih dem Pa x. i
Yin — — — a Benet
halt ko n Bent epunft ja im den Studien —* der von da an jejan
* Alter a nur in feiner Litteratur, jondern auch in einen monumentalen. Erſchei⸗
nungen umfaßte: auf der einen Seite find es die r jamt den Hilfsmittel⸗
toeldhe e Paläograpbie und die Schäte der Bibliothelen ibm boten, auf der anderen
die Antiken befonders von Italien, Griechenland und eich, die fein Intereſſe im
5 Anfpruch nehmen. Zeuge deſſen ift fein Diarium italieum, sive monumentorum
veterum, bibliothecarum, musaeorum etfe. notitiae — in itinerario ita-
lico collectae (Paris 1702, 4°), worin er einen ausführlichen N a
wohl des ——* als des chriſtlichen Altertums und des
Bibliothekfataloge u. |. w. veröffentlicht. Wenige Jahre fpäter folge bie Pr grap
5 graeca, sive de ortu et progressu literarum graecarum, et de varlis om
saeculorum scriptionis graecae generibus (Paris 1708, ol.) ein Meifteriver
fommen muftergiltig für m. - und jedem, der fid) mit diefen Stubien beichäftigt, u
entbehrlich, eine Leitung, durd welche eine neue Disziplin nicht nur begründet, ſond
at on —* und en fhaffen hat (gl al Fr gar feine Vorgi
65 hatte, ſondern alles aus Nichts ge en 1: 8 ttenbach, Schriftweſen im MU,
. 37, 38 und Gardthauſen, Griech. Paläogr., Leipzig 1879, ©. * F |
Der ok gr. entwidelten Grundſätze wandte M. praktiſch an in ber nicht minder
ausgezeichneten Bibliotheca Coisliniana olim Segueriana (Paris 1718, dem
Verzeichnis von vierhundert, jetzt einen Beſtandteil der Pariſer Nationalbibliothet bilden⸗
so den griechiſchen Handſchriften, welche nicht nur ausführlich beſchrieben, — zum Teil
— —M— —
Montfaucon 433
auch verglichen find, felbitverjtändlich mit anecdota bene multa ex eadem bibl.
desumta. Hier reihen wir, um bdiefe, ich möchte jagen biblivthelarifche Seite von M.s
Thätigkeit abzufchließen, fogleich ein anderes wichtiges, noch jeßt nicht entbehrlich getvordenes
Wert an, die Bibliotheca bibliothecarum manuscriptorum nova: ubi, quae in-
numeris pene mstorum bibliothecis continentur, ad quodvis literaturae genus 5
spectantia et notatu digna, describuntur et indicantur (Paris 1739, 2 voll. fol.).
Unebdierte Texte veröffentlichte er in der Collectio nova patrum et scriptorum graecorum
(Paris 1706, Fol., 2 Bde, enthaltend des Eufeb. Cäfar. Kommentare zu den Palmen und
zu Jeſaias, neuentdedte Lleinere Schriften des Athanafius und die chriftliche Ortskunde des
„Indienfahrers“ Kosmas, |. Bardenbewer, Batrol. 2.4. ©. 219 und 490). 1713 folgte 10
die Sammlung der Fragmente der Herapla des Origenes (Hexaplorum Origenis quae
supersunt, zivei $oliobände), welche 160 Jahre lang zu den wertvollſten exegetiſchen
Hilfsmitteln gehörte und erſt jeßt durch die neue, 1875 in zwei Duartbänden vollendete,
felbftverjtändlich viel vollftändigere Ausgabe von Fr. Field abgelöft ift, welcher praef.
. IV feinen Vorgänger in der rühmenditen Weife anerfennt. 1718—1738 erſchien bie 15
usgabe des fruchtbarften griechiichen Kirchenvaters (Joannis Chrysostomi opera
omnia, Paris, 13 Foliobände, wiederholt Venet. 1734—1741, ed. Parisina altera emen-
data et aucta, 1835— 1840, beforgt von 2. Sinner und Th. Fir, abgedrudt bet MSG
Bd 47—64) ſ. Bardenhewer 1. 1. 3025. — Der oben angebeutete Plan eines großen,
das ganze Altertum in feiner fichtbaren Erſcheinung umfpannenden Werkes gelangte zur 20
Ausführung in der für die damalige Zeit bewunderungswürdigen KRiefenpublitation
L’Antiquit& expliqu6e et repr&sentee en figures (Paris 1719), 10 Foliobände mit
nahezu 1200 Kupfertafeln und faſt 40000 gezeichneten Figuren. Binnen zwei Monaten
waren die 1800 Eremplare vergriffen, eine zweite Auflage erjchien 1722: tm engen An:
ſchluß an die Gliederung des Hauptwerkes noch fünf Supplementbände (Parts 1724). 35
eitlich ſchloß M. mit der Mitte des 5. Jahrhunderts, dagegen werden in den einzelnen
iteln weder griechifches und römiſches Leben von einander geichieden, noch Epochen in
einem der beiden bezeichnet ; das ganze Staatöiwefen des Altertums iſt ausgefchloffen,
onſt aber die Mythologie, das Neligionsweien, das ganze Privat: und Verkehrsleben
belt: Griechen und Römer find als Mittelpunft des Ganzen feitgebalten, aber 30
daneben in einem befonderen Bande (II, 2) die religiöfen Denkmäler der Agpypter,
Araber, Syrer, Berfer, Skythen, Germanen, Gallier, Spanier, Karthager behandelt,
dagegen die der Juden ausdrüdlih ausgeſchloſſen (Detaild und Ausftellungen über
ungenaue Zeichnungen, mangelnde Kritik u. |. w. fiehe bet C. B. Stark, Archäologie
der Kunit (1880), ©. 1413 — 146 u. 6.) Cine Fortſetzung des Ganzen, aber mit 35
Beichräntung auf Frantreih, find Les Monumens de la monarchie frangoise
(bi8 auf Heinrih IV.), von denen aber nur die erfte, die dynaſtiſchen Denkmäler
umfaflende Abteilung, in fünf Yoliobänden (Paris 1729—1733) erfchienen ijt. Bon
anderen Schriften M.s, der mit feinen Studien befrucdhtenb auf die verſchiedenen theo-
tichen Hilfswillenichaften einmwirkte, ift zu nennen (wegen der von ihm mit gewaltigem 40
erial, aber anonym verfochtenen, ſchon von Eufebius ausgeiprochenen Hypotheſe, daß
bie Therapeuten Chrilten waren) Le livre de Philon, de la vie contemplative,
traduit sur l’original grec. Avec des observations, oü l’on fait voir que les
Therapeutes dont il parle &toient Chretiens (Paris 1709, 8°), die zu dem Beiten
rt, was in alter Zeit über de vita contempl. und über die jtrittige Frage ge: «6
en worden tft (Lucius, Die Therapeuten, Straßb. 1879, bat diefe Hypotheſe, jedoch mit
neuer Wendung, wieder aufgenommen; gegen biejelbe Wendland, Jahrbb. f. Ela, Philol.
Suppl. Bd XXII (1896), 693 - 770; Zeller, Geſch. d. Phil. III, 2%, 377 -389: die
über den Gegenſtand mit Bouhier gewechſelten Schriften find vereinigt in den Lettres
pour et contre sur la fameuse question, si les Solitaires, appellez Théra- w
peutes ... Etoient Chrötiens (Paris 1712, 8%). Die verfchievenen Abhandlungen,
weiche M. für die M&moires de l’acad. des inser. fchrieb, finden ſich aufgezählt in
der Nouvelle Biographie generale XXXVI, 228f. Seine umfangreiche Rorreiponbenz
legt in der Nationalbibliotbef zu Paris; einzelne Partien davon find herausgegeben von
Balery, Correspondance inedite de Mabillon et de Montf. avec l’Italie (Paris 1846, 55
3 Bde), von Ulyſſe Gapitaine, Correspondance de B. de M. avec le baron
G. de Crassier (Yiege 1855), von U. Dantier in ven Archives des missions seientif.
VI (1857), p. 308—353. 500-502, von Broglie in feiner oben genannten ausführ-
lichen Biographie. Aus der kgl. Bibliotbef in Kopenhagen (Brieffammlung Bölling)
publizierte Em. Gigas viele Briefe von und an M. in den Lettres in&dites de divers w
RealsEncullopädie für Theologie und Stirhe. 3. A. XIII. 98
Moody 435
tage erſchien er mit achtzehn auf der Straße aufgelefenen Knaben, Schubpuger:, Straßen:
febrer-, und Zeitungsjungen im Eonntagsjchulzimmer. Durch feine anhaltende Bemühung
wuchs die kleine Sonntagsſchule fo ſehr, daß ihr Raum nicht mehr ausreichte. Im
Herbſt 1858 beſchloß M. die Gründung einer eigenen Sonntagsſchule. Er mietete zu
dieſem Zwecke den über der nördlichen Markthalle gelegenen Saal, den er übrigens jeden 5
Sonntag Morgen von dem Unrate reinigen mußte, den ein deuticher Verein am Abend
vorher durch Bier: und Tanzbeluftigung verurfacht hatte. Mit diefer Sonntagsfchule hatte
er ungebeuren Erfolg; in furzer Zeit war die Schülerzahl auf 1500 angewachſen. Durch
die Schüler ſuchte M. dann auch auf die Eltern zu wirken. Er bielt an den Sonn:
tagsabenden, jpäter auch an Werktagsabenden Evangelifationsverfammlungen; in diefen 10
ließ er von Pfarrern und Studenten Predigten balten; bald fing er auch an, ſelbſt al?
Redner aufzutreten. Kritifch gerichtete Leute mahnten ab; er mache zu viel grammatikaliſche
Echniger. Einem, der ihm dies vorbielt, entgegnete Moody: „Sie fennen die Gram⸗
matif, was tbun Sie damit für den Herrn?” Bald wuchs M.s Arbeit im Evangeli-
ſationswerke jo, daß er fih vor die Frage geitellt ſah, entweder dieſes oder feinen Be⸗ 15
ruf aufzugeben; er entjchied fich für das Letztere. Von da an mar er unermüdlidy thätig
im perjönlichen SHerbeiholen von Alten und Jungen zu feinen Verfammlungen und
Sonntagsſchulen. Während des Sezeſſionskrieges beſuchte er mehrere Schlachtfelber,
unmittelbar nachdem große Schlachten gejchlagen waren, und leiftete den Verwundeten
leiblichen und geiftlihen Beiltand. Nach dem Kriege errichtete er ein für feine Sonn: 20
tagsichul: und Evangelifationsziwede geeignetes Gebäude, die jogenannte „Farwell-Hall“,
und als dieſes unverſehens niederbrannte, ein zweites unter dem gleichen Namen. Aber
auch dieſes zweite Haus wurde im Sahre 1871 bei dem großen Brande von Chicago in
Aſche gelegt. Hierauf wurde ein probiforifchesg Gebäude errichtet, befannt unter dem
Namen North Side Tabernacle, |päter wurde dasfelbe durch eine großartige Kirche 25
Einen Mendepuntt in M.s Leben bedeutete feine Reife nach England, die er ın
Gemeinfhaft mit dem Zänger und Komponiften zahlreicher Evangeliumslieder Ira
D. Sankey unternahm. Dort hielt er in zahlreichen bedeutenden Städten Erweckungs⸗
verſammlungen, deren Erfolg, wie von vielen kompetenten Männern (unter denen Henry so
Trummond) anerfannt wird, ein ungeheurer geweſen fein fol. Während dieſer Reife wurde
die Herausgabe des nunmehr überall befannten Xiederbuches, genannt GospelHymns, geplant
und beierlitelligt. Durch die Berichte, welche von England nach Amerifa über M. famen,
wurde er in feinem eigenen Vaterlande erſt meiteren Kreifen befannt. Als er nad) zwei⸗
jähriger Abweſenheit zurüdfehrte und in feiner alten Heimat in Nortbfield Wohnung 35
nabm, erhielt er aus mehreren großen Städten Einladungen, „Belehrungsfeldzüge” zu
unternehmen. Die eriten folden Kampagnen wurden in Brooklyn, Newyork und Phila⸗
delphia veranitaltet und waren alle von koloſſalem Erfolge. Tauſende laufchten den
Worten des erniten Mahners zur Umkehr und des freundlichen Rufers zum Heile in
Chriſto. Seitdem und bis an fein Xebensende hat M. jede bedeutende Stadt der Ber: 40
anigten Staaten befucht und überall gleichen Erfolg geerntet.
Aber er beichränfte feine Arbeit nicht auf diefes Augenblickswerk. Das reiche Ein:
fommen aus den „Gospel Hymns“, das er für ſich zu verwenden ablehnte, feste ihn
in den Stand, mehrere Anftalten zu gründen, in welchen feite chrijtliche Charaktere ber:
angebildet werden jollten. Er gründete ein Seminar für Jünglinge und eines für Jung: #5
frauen, beide in Northfield. In diefen Anſtalten wird ein großer Teil der Zeit auf
förperliche Arbeit verwandt. Tazu kam noch die Bibel, Koch- und Nähfchule, die in dem
ehemaligen Nortbfielder Hotel eingerichtet wurde, und das Bibelinftitut in Chicago, in
welchem Alt und Jung in der Kenntnis der Bibel gefördert werden follen.
M. war verheiratet mit Emma C. Revel aus Chicago. Sein samilienleben fol ein wo
außerordentlich liebliches geweſen ſein. Seinen Sohn Willtam betraute er mit der Ab-
faftung feiner Biographie. Im November 1899 befand fih M. in Kanfas City, mo er
in der für die demofratifche Nationalfonvention für 1900 errichteten Halle VBerfanm:
lungen abbielt. Die Zahl jeiner Zuhörer betrug dort in der Regel 10 000—15 000.
ier war es, wo M. feine lebte Anſprache hielt, und zwar am 16. November 1899. 56
m andern Tage mußte man ibn Strankheitsbalber mitteljt Extrazuges in feine Heimat
fhaffen. Dort ftarb er am 22. Dezember infolge von Herzſchwäche.
M. war eine durchaus lautere und aufrichtige Verfünlichfett. Ein Theologe war er
nicht; die einzige Ausbildung, die er jemals genoifen bat, gab ihm die Yandichule in
Rortbfield. Er war aber immer bereit, zu lernen; traf er mit Vfarrern zufammen, fo co
28*
&
Moody Mornliften, englifche
| b dem is dunller Bibel
— als ame in m ie Hide a ih, an als ein Mann ——
land im Herzen trägt und deshalb den Wunſch bat, andere mit gleichem Heile zu
. löſ re eine Gabe Gottes, die * en Yagenblid I "wir ke Bei
— 5 —— — Pe
e m ‚wie z. B. 283,
— er fich fortwährend Santen auf, He ibm ee Jh, Kann,
ober gefejen: dieſe Aufzei | i
tete er dann in das bezügli e Roubent, unb ken er ‚eihe redia zu
er eines der Kouverte vor, ſichtete die. „Punkte“ und machte ſich mit
= m ee tigen. u M. —— völlig interbenomationell war, bedarf wohl
der un litterariſch war er einigermaßen tbätig; zu nennen wären:
16 Second Co ng of Christ“, 1887; „The Way and the Word“, 1877 ; „The
—— of Power or The Seeret of Success in Christian Life and Work
1881; „The Way to God and How to Find it“, 1884; „Glad —— *
„Arrows and Anecdotes“, 1877; „Best Thoughts and Discou ——
iften, engtifde. — Gelby-Bigge, British Moraliste, R Orfor 1807 (Texte u. Aus-
"wi lin, Geſch. d. hrijtl.Woral, Göttingen 1808; | —
* —* '®. Gaß Geh. d. reift, Ethit, Berlin 1881187: Se
ES ar Tübi —— 1855; * * ee: — 55* in der — * — I, ——
2 — h 1874; "ale —2 — Histo try of Eng tho t in ie 16 a th. Bi!
— Geſch. d —— Er Ri — von J
Abbey u. — The English church th. cent.?, London 1896
phiiche Le von —— Staat u. Sitte (et Mitte bes 18. Jahrh.s — Sa ein,
eipzig 1 Garve, —— der vornehmſten —— der ———
so 17 Remufat,. Hi istoire de en Angleterre depuis |
Far 1 BR. V. rg Cours Fr istoire de * ilosophie morale au — ne ce, Yan Barie
MB. net, Histoire de la science politique dans ses la morale *,
1 187" . Bender, a und Aafetit, ag ie „D. ghilof. VI 1809;
Troeltſch, —5— probleme d. € j. Th. u. 8. 1902 morale
35 temporaine, Pa A; rin n —* Io Sabth., aber A ae: ER Is DR: gefomien
engl * Sidgwick, Art. „Ethies“ der Encyel. Britannica®, B
engliichen Moraliften des 17. und 18. Jahrhunderts leijten für bie Geil, was die
engli —* Deiften der gleichen Zeit für bie —— enſchaft geleiſtet haben. Wie dieſe
— mit den ber katholiſchen und proteſtantiſchen ee Be
bilojopbijchen Vorausfegungen vollzogen und von einem pfochologif
* ealbegriff der Religion aus Grund einer pf den Helgionsee ——
analyſe ſowie einer univerſal-hiſtoriſchen, vergleichenden Rel Hru
lage der Religionstheorie des 18. —— und damit der De ee ER
philoſophie überhaupt gelegt haben, jo haben jene den Bruch mit den begrifflichen Wor--
46 vn han der bisherigen dogmatifch begründeten, Staat, Kirche und Privatleben regeln:
oral vollzogen und das Begriffsichema geichaffen, innerbalb deſſen Die moderne
Hr thik entitand, und von dem aus auch die bisherige chriftliche Eth
baftlibe Stellung ſuchen mußte. Beide find —— das Ergebnis des
—* engliſchen Revolution gegebenen Anſtoßes, das |
6 felbe bedeutet, was die Neformation und Nenaiffance für das 16. und 17. und fvas die
Ah san für das 19. bedeutet. Beide zeigen den gemeinfamen 7
rafter d unktes von den firchlich- cholafti Begriffen und ber
ber bis babin — rängten Rengiſſance-Elemente; beide aber vereinigen
triebe nicht etiwa eklektiſch, ſondern mit der vorwärtsdringenden Kraft heorien.
65 Sie find getragen von der ſich mächtig hebenden kulturellen und politiſchen Stell
Englands und infofen nur Beftandteile der dort fich bildenden umfafjenben gefigen
Arbeit, welche alle Probleme der — in dem neuen Geiſte der Beobachtung |
Erfabrun bearbeitete und nd pegialifierung der Einzelwifjenichaft begründe
die für Natur und Geiſteswiſſenſ daft ned bedeutfam wurde. So find hier Neligions
wifienichaft und Ethil (em enſchaften von bejonderen Metboden und Prol
ILL ii ⸗
Moraliften, englifdhe 437
geworden in relativer Selbſtſtändigkeit gegeneinander, ebenſo wie die in Erfenntnistheorie
und Pſychologie fih auflöfende Metaphyfif, die Aſthetik, Politit, Volkswirtſchaftslehre
u Eingelmwiffenfchaften mit neuen Grundlagen geworden find. Darin äußert fih der
eobachtende und analpfierende Geift der Engländer. Dem Kontinent blieb es überlaffen,
von diefem neuen Boden aus wieder abjchließende allgemeine Begriffe zu fuchen. Aber
die Baſis diejer neuen Begrifföbildung ift überall und befonderd in der Ethik von den
Engländern geichaffen worden, und fie haben daher der fontinentalen Arbeit den Stoff
und die wichtigften Antriebe zu feiner Bearbeitung zugeführt.
Das Weſen der Arbeit der englifchen Moraliften befteht darin: 1. daß fie den von
der chriftlichen Ethik endgiltig praftifch berausgearbeiteten Begriff der Autonomie des Sitt:
lichen wiſſenſchaftlich zu faflen und auf alle ethifche Urteile zu übertragen fuchten, ſowie daß
fie neben die Zwecke der chriftlihen Ethik teild feindfelig und auflöfend, teild ergänzend,
teils vermittelnd die in ihrer Selbſtſtändigkeit ſich praktiſch offenbarenden weltlichen Zwecke
— 2. daß ſie an Stelle der bisherigen Ableitung des Sittlichen aus dogmatiſchen
utoritätslehren und aus der ſupranatural⸗-dualiſtiſchen Erlöſungs- und Gnadenlehre die 15
Methode einer immanent:pfochologifchen Analyſe ihren Unterſuchungen zu Grunde legten.
Daraus ergiebt fi die Aufgabe, zu zeigen 1. die Herausarbeitung der Autonomie und
der Ergänzungsbedürftigfeit des chriftlich-religiöjen Zivedes aus der dhrijtlich-pogmatiich-
ethifhen Gntwidelung; 2. die Einführung der pſychologiſch-analyſierenden Methode;
3. die Theorien der englifchen Ethiker; 4. Bedeutung und hiſtoriſche Wirkung dieſer m
Theorien.
I. 1. Maßgebend für die neue Grundlegung der Ethik ift zunächft immer noch die
von den eriten Jahrhunderten der chriftlichen Zeitrechnung an N bildende Formation
der ethiſchen Ideen im Katbolicismus. Aus den bier zufammengefaßten Kräften und
ihren Entwidelungen ift alles mweitere entitanden. Das Charakteriftifche dieſes Syſtems ift, 25
daß es die uriprünglidy weſentlich transcendente, rein religiös auf das Weltende und
volllommen gottinnige Leben gerichtete chriftliche Ethik ſeit dem Zurüdtreten der Eöchatologie
und feit dem Eintritt pofitiver Auseinanderfeßungen mit der Kulturmwelt in Verbindung
mit der antiken Kultur und vor allen mit ihren philoſoph⸗-ethiſchen Theorien fegen lernte.
Dabei verichmolzen fich die religiöjen Elemente des Chriftentums mit den religiöfen der 30
myſtiſchen Spekulation und die allmählich herbortretenden fulturellen Elemente des
Chriftentums mit der antiken Kulturetbif. Die Sicherſtellung der chriftlichen Elemente
in diefem großen Amalgamierungsprozeß erfolgte im Zufammenbang mit der ganzen
fupranatural=firchlichen Obieftivierung des Chriftentumg durch die Idee des übernatürlichen
Kirchen: und Gnabdeninftituts, das, auf befonderer einzigartiger göttliher That berubend,
dem Handeln fomwohl ein übernatürliches Ziel ftedte ald ihm übernatürliche, der erb-
fündigen Schwäche entgegengefette Kräfte verlieh. In Bibel und Kirche auf übernatür:
liche Weiſe geoffenbart, war das Ziel auch inhaltlich übernatürlich, injofern die Gnaben-
ethit dem freatürlichemenfchlichen Weſen in der Anteilnahme an der göttlichen Weſens—
fubftanz ein das Mejen der Sreatürlichkeit durch befonderen göttlichen Gnadenentſchluß 10
überfchreitendes Ziel gewährt. Hierfür wurden die myſtiſchen neuplatonifchen Theorien
zur begrifflichen Begründung herangezogen, injofern die Teilnahme am göttlichen esse
als ein Ausnahmefall von der allgemein Ffreatürlihen Ordnung fonftruiert und dieſes
myſtiſche summum bonum nur durd befondere übernatürliche und ſakramentale Gnabden-
wunder d. h. durch eine nicht dem freatürlichen und obendrein jündigen Willen, fondern 45
nur dem pfochologifchen Wunder der Gnade entipringende Kraft realifierbar gedacht wurde.
Darın hat der Wechjel der fatholifchen Ethik zwifchen prinzipieller MWeltflucht der Seelen
und prinzipieller Meltherrichaft des Kircheninitituts feinen Sand, Auf der anderen Seite
aber die Geltung einer normalen natürlichen Sphäre neben der Gnadenethik anerkannt
und deshalb eine auf der Idee kreatürlicher Zivede und Treatürlicher Kräfte berubende, wo
an fich ebenfalle auf Gott, aber eben nur auf gewöhnlich Treatürlihe Weiſe, zurüdzu:
führende natürliche Ethif anerkannt, die es als Unterbau und Vorftufe, ſowie ale Objekt
der Gnadenethik zu würdigen und nach Tirchlichen Geſichtspunkten zu leiten galt, um da⸗
mit eine gewiſſe Übereinitimmung dieſer beiden entgegengefegten Ethiken herbeizuführen.
Darin hat der Ausbau des Katholicismus zu einem grandiofen, irdifche und bimmlifche Ziele, 55
natürliche und übernatürliche Kräfte, Staat und Kirche umfaſſenden Kulturſyſtem ſowie
die unaufbeblihe Spannung zwiſchen mönchiſch-klerikaler und laienbaft:bürgerlicher Moral
ihren Grund. Diele natürlihe Ethik wurde begrifflic Tonftruiert durch die Heranziehung
der bereits von der Antike breit ausgearbeiteten Kategorie der lex naturae, die aus der
natürlihen Welt: und Seelenbeſchaffenheit und der diefer Beichaffenbeit zu Grunde qo
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e ee pe beie on tag wer Dino nnd Den Veritandnis ibm dunkler Bibelſtellen. Er
ans one Yon „aytinper Zum nänn, nur als ein Mann, der feinen
oh. tr nad ya der Wuarich ber andere nit gleichen: Seile zu
wo gnavwtbispder Der on zg® !yrferzae Bechrung, inden er fagte, Er:
“one ran tal enteo gene der Shaun In Fnrprang nehmen fönne. Be
Nana 2er ld erupro.n rie 2. Trommend erzüblt, jo, Daß er
EN erben emane up d puibuig mi DUUCMUT SU EN 8. Gnade, 1 23,
on Norm. yo yeiweppnp Sudan z;° Ne ihm teils ſelbſt kamen,
an vr. owerne un α tele Zeitungsausichnitte,
W a. pm Tas Mani allanme zer werm er eine Predigt zu
W Mm ro gyperzm ü ) Korke" und machte ſich mit
> oh, man mo muersenrmzurmel mar, bedarf mohl
x i mm 2
tn Duo num 2 (7 amaermsEıT me: u nennen waren:
onen meln a. nm. 887, „The Way and ıı: Word“, 1877; „The
x Sec Ne erer >? Success in Chrisczı Life and Work“,
ehe seu iind How to Find it“, Ins4; „Gad Tidings“, 1876;
ou siaumen" 8, „Best Thoughts and Irau:urses“, 1877.
8. Brendel.
—99 mia. Zeiim-Bigge, British Moralists. Zr? 2337 (Zerte u. Aus:
. wm mer ikoral, Göttingen 1808: ——— Geſch. d. chriſtl.
sc im me, Seide d. chriſtl. Ethik, Berlin 1551 87: Muuerlein, Sittenlebre
a N. Jodl, Geſch. d. Ethik in der neueren :: „tıgbie I, Stuttgart
u nie ophy and christian philosophy in Enz’sssi during the 1: th.
Sr \vrite Stephen, History of Englieh thought := ıhe 18 th. cent.,
un wen > Civiliſation in England, deutfh ver Kıx L Seipzig 1864;
" tıglısh church in 18th. cent.?, London Is: X ©. Fichte, Bhilo:
went, Zwar u. Zitte jeit Mitte des 18. Jabry.3 Zr’em der Ethil D),
>. tan, leberſicht der bornehmiteiı Prinzipien ter S:exlehre, Breslau
"inte Je Ja philosophie en Angleterre depuis Bacıo zusqu’& Locke,
“2.0, A'ours d'histoire de la philosophie morale au i*:xme sißele, Paris
“oo. FHisteire de la science politique dan» ses rapperts avec la morale ?,
ad, Metaphyſit und Asketik, Archiv f. Geſch. d. Esılat. VI, 1893;
sie EZ. Th. u. K. 1902 ; M. Sımau, La morale anglaise COD-
"2 "an betrifft das 10. Jahrh., aber giebt ſyſtematiſche Krri! der geſamten
2. Sidgwick, Art. „Ethies“ der Encyel. Britannica*. A> VIII
gi Moraliſten Des 17. und 18. Jahrhunderts leiſten fur die Ethik, was bie
tea der aleichen Zeit für Die Religionswiſſenſchaft geleifter haben. Wie Dieje den
art katholiſchen und proteſtantiſchen Dogmatik gemeiniamen religions⸗
Veorauvjebungen vollzogen und von einem pinchologijch: -metanbriiich begründeten
U Nrtinten aus auf Grund einer pinchologiich:phänomenoloxiichen Keligions-
het univerſal biſtoriſchen, vergleichenden Religionsberrachtung die Grund:
iu. aestlbrorie des IN. „sabrbunderts und damit der modernen Religions-
“abanpt gelegt babe, jo baben jene den Bruch mit Den bearifflichen Vor⸗
IAbieherigen Dogmatii begründeten, Ztaat, Kirche und Privatleben regeln:
N. itgepit UND Das Begriffejchenma geſchaffen, innerbalb deſſen Die moderne
2 tin Elbik entſtand, und von dem aus auch Die bisherige chriſtliche Etbik eine neue
3 ty Ziellung ſuchen mußte. Beide find gemeinfam Das Ergebnis Des großen
: "ben Revolution gegebenen Anſtoßes, Der für das 18. Jabrbundert das
tete Die Meformation und Menamlance für Das 16. und 17. und was die
evolution für Das 19, bedeute. Beide eigen den gemeinjamen Doppel:
a Mpiiigeprutktes von Den Eirdhlich- ſcholaſtiſchen Begriffen und der Nufnahme
Ze aa iiruckgedrangten Renaiſſance-Elemente; beide aber vereinigen Diefe An:
er ches eklektiſch, ſondern mit Der vorwärtsdringenden Kraft originaler Theorien.
J Anhen von der ſich machtig hebenden kulturellen und politiſchen Stellung
ae ulſofern nur Beſtandteile Der Dort ſich bildenden umfaſſenden geiſtigen
abs ulle Probleme der Wüſenſchaft in dem neuen Geiſte Der Beobachtung und
sry hrarbellelte und Dabei jene Spezialiſierung der Einzelwiſſenſchaft begründete,
Wu und Weiſteowiſſenſchaft gleich bedeutſain wurde So find bier Religions:
niet und Wit Emzelwiſſenſchaften von beionderen Methoden und Problemen
Moraliften, englifche 437
geworden in relativer Selbſtſtändigkeit gegeneinander, ebenfo wie die in Erfenntnistheorie
und Pfochologie ſich auflöfende Metaphyſik, die Äſthetik, Politik, Wolkswirtfchaftslehre
gu Ginzeltviflenihaften mit neuen Grundlagen geworden find. Darin äußert fih ber
bachtende und analyfierende Geiſt der Engländer. Dem Kontinent blieb es überlaffen,
von diefem neuen Boden aus wieder abjchliegende allgemeine Begriffe zu fuchen. Aber -
die Baſis diefer neuen Begrifföbildung iſt überall und befonderd in der Ethik von den
Engländern geichaffen worden, und — haben daher der kontinentalen Arbeit den Stoff
und die wichtigſten Antriebe zu ſeiner Bearbeitung zugeführt.
Das Weſen der Arbeit der engliſchen Moraliſten beſteht darin: 1. daß ſie den von
der chriſtlichen Ethik endgiltig praktiſch herausgearbeiteten Begriff der Autonomie des Sitt⸗
lichen wiſſenſchaftlich zu 954 und auf alle ethiſche Urteile zu übertragen ſuchten, ſowie daß
ſie neben die Zwecke der chriſtlichen Ethik teils feindſelig und auflöſend, teils ergänzend,
teils vermittelnd die in ihrer Selbſtſtändigkeit ſich praktiſch offenbarenden weltlichen Zwecke
ſetzten; 2. daß ſie an Stelle der bisherigen Ableitung des Sittlichen aus dogmatiſchen
Autoritätslehren und aus der ſupranatural⸗-dualiſtiſchen Erlöſungs- und Gnadenlehre die
Methode einer immanent:pfochologifchen Analyfe ihren Unterfuchungen zu Grunde legten.
Daraus ergiebt fih die Aufgabe, zu zeigen 1. die Herausarbeitung der Autonomie und
der Ergänzungsbedürftigleit des chriftlichereligiöfen Zweckes aus der dhrijtlich-dogmatifch-
ethifhen Entwidelung; 2. die Einführung der pfychologifch-analyjierenden Methode;
3. die Theorien der englifchen Ethiker; 4. Bedeutung und biftoriihe Wirkung dieſer 0
heorien.
I. 1. Maßgebend für die neue Grundlegung der Ethik iſt zunächſt immer noch die
von den erjten Jahrhunderten der chriftlichen Zeitrehnung an fi bildende Formation
der etbifchen Seen im KRatholicismus. Aus den hier zufammengefaßten Kräften und
ihren Entwidelungen ift alles weitere entitanden. Das Charakterijtifche dieſes Syſtems ift, 25
daß es die urſprünglich weſentlich transcendente, rein religiös auf das Meltende und
vollfommen gottinnige Leben gerichtete chriftliche Ethik feit dem Zurüdtreten der Eschatologie
und feit dem Eintritt pofitiver Auseinanderfegungen mit der Kulturwelt in Verbindung
mit der antifen Kultur und vor allem mit ibren philoſoph⸗ethiſchen Theorien feten lernte.
Dabei verjchmolzen fich die religiöfen Elemente des Chriftentums mit den religiöfen der 0
müftiichen Spekulation und die allmählich berbortretenden fulturellen Elemente des
Chriftentums mit der antifen Kulturetbif. Die Sicherſtellung der chriftlichen Elemente
in dieſem großen Amalgamierungsprozeß erfolgte im Zufammenbang mit der ganzen
fupranaturalzfirchlichen Objektivierung des Chriftentums durch Die Idee des übernatürlichen
Kirchen: und Gnabeninftituts, das, auf bejonderer einzigartiger göttlicher That berubend, 35
dem Handeln fowohl ein übernatürliches Ziel ſteckte als ihm übernatürliche, der erb:
fündigen Schwäche entgegengejegte Kräfte verlieh. In Bibel und Kirche auf übernatür-
liche Weife geoffenbart, war das Ziel auch inhaltlich übernatürlich, infofern die Gnabden-
etbit dem freatürlich-menfchlichen Weſen in der Anteilnahme an der göttlichen Weſens⸗
fubftanz ein das Weſen der Streatürlichkeit durch befonderen göttlichen Gnabenentjchluß 40
überfchreitendes Ziel gewährt. Hierfür wurden die myſtiſchen neuplatonifchen Theorien
zur begrifflichen Begründung herangezogen, infofern die Teilnahme am göttlichen esse
ala ein Ausnahmefall von der allgemein freatürlihen Ordnung Tonftruiert und dieſes
muftiiche summum bonum nur durch befondere übernatürliche und fahramentale Gnaden—
wunder d. b. durch eine nicht dem freatürlichen und obendrein fündigen Willen, fondern 35
nur dem pſychologiſchen Wunder der Gnade entipringende Kraft realifierbar gedacht wurde.
Darin hat der Wechſel der katholiſchen Ethik zwischen prinzipieller Meltflucht der Seelen
und prinzipielle Weltherrichaft des Kircheninitituts feinen Grund. Auf der anderen Seite
aber die Geltung einer normalen natürlichen Sphäre neben der Gnadenethik anerkannt
und deshalb eine auf der Idee Freatürlicher Zwecke und fTreatürlicher Kräfte beruhende, co
an fich ebenfalld auf Gott, aber eben nur auf gewöhnlich kreatürliche Weife, zurüdzu-
führende natürliche Ethik anerkannt, die e8 als Unterbau und Vorſtufe, ſowie ale Objekt
der Gnadenethik zu würdigen und nach kirchlichen Geſichtspunkten zu leiten galt, um da—
mit eine gewiſſe Übereinitimmung diefer beiden entgegengejeßten Ethiken herbeizuführen.
Darın hat der Ausbau des Katholicismus zu einen grandiofen, trdifche und himmlische Ziele,
natürliche und übernatürliche Kräfte, Staat und Kirche umfaſſenden Kulturſyſtem ſowie
die unaufbebliche Spannung zwiſchen mönchiſch-klerikaler und laienbaft-bürgerlicher Moral
ihren Grund. Dieje natürliche Etbif wurde begrifflich fonftruiert durch die Heranziehung
der bereits von der Antike breit ausgearbeiteten Kategorie der lex naturae, die aus der
natürlichen Welt: und Seclenbeichaffenbeit und der dieſer Belchaffenbeit zu Grunde 60
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440 Moraliften, engliſche
üb
Galvins Zurüdbaltung gegenüber den natürlichen It binauögingen en, au:
enrbeiet —* auch fe cin Gans ber Kultur und Geſittun pr =t in dem ge:
| Charakter der Konfeffionsftanten barftellt. Aber cs liege auf p, baf
Ethik die —*— immer noch wie ieis —
eingeichränft — und dafı Be ini
zwecke, BORN iche ——
jach dem eiſtlichen Ziel duldet "erg ala Ni thatfächlic c
gegebenen Spielraum Fin un eins, unb die er eben be Ib —— — Ne Sunfter
jegeben bat, je — * — —— —* =
ch manches ſchwere —— at erungen
beginnt das —— übe wine dann freilich Zuthertum und
15 immer berfchiebenere Anfichten ausbilden, bei dem aber beide in ber *
bleiben, dah hamnlich Staat und Kultur fein fittlidher Zwec um feiner willen i
ondern nur eine durch natürliche Orbnung rn eführte Form des Lebens, ——
el des Dekalo * als göttli ee gebeiligt und en
ulden uns legt ft MRitſchl, an ——
et. I; ——
arung bei Joh. und — tigen 01, Boni,
4 —* en Ethit, Berlin 1902; &, Sittliche Trich —
denburg, Luthers Anfchauung von Staat und der Gef
Schulze, Meditatio futurae vitae im —32 Galvins, der in Deu 1901;
"der — Ferm — Anfichten, Jablonotväfiihe Mecis
zeit ation enden omiſchen onowskiſche Preis:
— 18613 Lo "Eh eigen Lebensideal > feiner r
u en Ausprägung, © ie 9. J. Holgmann, Tübingen 1908,
N) 3. Sind hiermit die vom — ängten Forderungen ber ae
Idee auf Annerlichkeit und Mutonomie des Eich en zu hoher Entividelung
und ift ebenfo die vom Katholicismus DEN ran a lex ——
volleren, ihrem weltlich-antiken —— 8, gelangt, jo ift d
die Autonomie vollendet und nod) —— die An ndigtei we ——
36 an —* — Me bebeutet wohl — u des S —*
er errſchaft, die volle —— es Ein tes u ie rer
Thätigfeit im Staat als igiös gebilligten und anerfannten, die bem wahrhaft
yeiflihen deln nicht Unser ift. Aber fie enthält mit alledem weder eine
Fertigenbe bl leitung des Staates und der Kultur aus der chriftlichen Do, pn Die
m en ng des Staates in das Recht eines jelbitjtändigen, an ſich notwendigen ſittlichen
‚ jondern je e duldet ihm nur als jchlechtiveg anzuerfenmende Orbr
ie fat ihn mit dem allein geltenden fittlichen Zwed, dem religiöfen, Sanzbe
Kultur und eines Staatslebens zufammen, in dem die Obrigkeit bie Herrid
lifchen Wahrheiten und Sittengebote durchſetzt und fomit der Staat einerfeits
*
| Deu
15 an, —— und 4 u duldende Form des Yebens, anbererfeits die von Gott
utzmacht und Exekutive der re — Gebote it, Da nun aber ber 2 für bie
prot iſche Ethik mit feinen zei ejtimmungen und feiner Betreibung ber
lichen Wohlfahrt der Träger der fie allein intereffierenden en Aalen iſt, ſo
zieht ſich die Säkularifation ber fittlichben Kulturzwecke in erſter Linie in der
des Staates von ber auch in der reformatorifchen Etbif —
Unterordnung unter ben allein geltenden religiöfen Zweck. Der
Sälularifierung und Emanzipation Des Staates zun aber die 5
von den Neformatoren wie bon den
DEP FRND« —— ein un. ber tes nature ee
i
“ — — fähig, wie er eine RR bereite im
bereitungen mit bödhiter Energie don neuem ausübte (Hirzel, "4 yoagos — —*
oo Bbil.: hit Klafie, Leipzig 1900 S. 28), Der Begriff konnte fonjeruativ geivertet Inerben,
a Ms
Moraliften, engliſche 441
ſofern er den Herborgang der berrfchenden und darum als berechtigt angefebenen poli-
tifchen Ordnungen und der darin zufammengefaßten rechtlichen und ethifchen Beſtim⸗
mungen aus der natürlichen göttlihen Schöpfungsorvnung hinnahm und fie als Voraus:
jegung für alles Xeben binftellte, und fo haben die reformatorifche Ethik und die auf ihr
aufgebaute Staatslehre und philofophifche Ethik ihn gewertet. Er Tonnte aber aud)
fritifch und als Prinzip einer neuen vernunftgemäßen Gejtaltung der Dinge behandelt erden,
wofür dann freilich die Vorausfegung iſt, daß Staat und Necht felbititändige fittliche
Ideen und ihren Zweck in ihrer Sphäre völlig frei auswirkende rationale Kräfte find.
Das letere hat Grotius gethan, indem er die alte Hategorie der lex naturae von ihrer
Bleihung mit dem Dekalog und damit von ihrer theologischen Sanktion und theolo= 10
gifchen Orientierung befreite. Sie gilt lediglich kraft der Vernunft, auch wenn es feinen
Gott gäbe, und gebt auf Gott nur infofern zurüd als diefer die Duelle der in menschlicher
Arbeit und Überlegung ſich auswirkenden Vernunftideen ift, womit die Anerkennung der
tbeologifchen und religiöjen Zwecke in ihrer Sphäre mohl vereinbar, aber die bisherige
Deckung und Verwachſung beider auögeichloffen und die freie Entwidelung der ethiſchen
ee des Staates und des Rechtes eröffnet ıjt. Grotius' Motiv ijt dabei auch ausdrück—
ih das Beftreben, für die fittlichen Güter deg Staats eine feite, den Religions: und
Konfeſſionskämpfen und theologiſchen Eubtilitäten entrüdte Grundlage zu gewinnen, und
beshalb hat er auch bei feiner der ftreng fupranaturalen Konfeffionen, fondern bei den
die Sphäre des Natürlichen erweiternden Arminianern feinen Platz gefunden. Die ethifche 20
Idee des WVölkerrechtes foll dem Konfeſſionalismus und feinen Kriegen entgegentreten. So
wird die lex naturae im dieſer neuen Faſſung die wiſſenſchaftliche Form und etbifche
Theorie, in die der reife Eriverb der Jahrhunderte langen Emanzipation des Staates von
der Tirchlichen Kultur ſowie der Ertrag der bisherigen weltlichen Jurisprudenz zu freier
Bewegung eingeht, teils mit der Abficht rationeller Konſtruktion der Staatseinheit und Staats: :
fouveränität ſowie einer dabei zu bebauptenden etbifchsrechtlichen Selbftftändigkeit der In—
divibuen, teil® mit der Abficht einer rationellen Ableitung der Staats: und Kulturzivede,
die bald mehr utilitarifsch in der Forderung der ohltahrt, bald mehr ideell in der
Durchführung der Geltung der Nechtsidee als des höchiten weltlichen fittlichen Gutes be⸗
Es iſt immer noch der Staat, dem die Kirche die innerlichen etbifchen Aufgaben so
abnimmt und der zu den Kulturzweden im weiteren Sinne noch fein Verbältnis ge:
wonnen hat, der daher Selbititändigfeit, Einheit, Nechtögeltung und Wohlfahrt allein als
feine Ziele und damit als die Ziele der außerkirchlichen Zittlichfeit anficht. Aber der fo
veritandene Staat wird zum felbitjtändigen etbifehen Prinzip, das in immer freierer Ab-
ftreifung der alten ftoifchen und arijtoteliichen Elemente (Gierke 300, 107) die lex naturae 35
zur fittlichen Idee des modernen, nuancenreichen, aber gemeinfame etbijche Borausfegungen
enthaltenden Naturrechtes entividelt und mit dem Naturrecht einen der grundlegenden und
unveräußerlichen ethiſchen Selbſtzwecke der modernen Rultur bervorbringt (Gierfe 318).
Die Anerkennung jelbftftändiger innerweltlicher fittliher Werte und die pſychologiſch⸗
biftorifche Ableitung der berrfchenden fittlihen Ideen bat an dem Naturrecht den mich: ww
tigſten Träger und Anreger, und die einjeitige Richtung des Naturredhtes und der bier:
mit zufammenbängenden Ethik auf Probleme der Souveränität, der Individualrechte und
der Kohlfahrt bat wiederum ibren Grund in der Ablöfung des Naturrechtes von der den
Staat und die weltliche Kultur auf dieje Fragen einſchränkenden funfeffionellen Ethik und
Aultur. Die thatfächlihe und vom Proteſtantismus innerhalb gemiffer Grenzen legiti: 45
mierte Emanzipation des Staates führt fcehlieglih zu einer völligen Befreiung des Staates
und der Rechtsideen zu einem felbititändigen etbifchen Prinzip. Der Gedanke der Sou—
veranität des Staates, der freilihb immer noch in unflarer Vermifchung mit dem Nach:
weis der Souveränität beitimmter Ztaatsorgane bleibt, enthält die Erkenntnis des Staates
als eines lebten Selbſtzweckes, und das Naturrecht, das bei aller VBerquidung mit dieſen 50
Konftruftionen der Organ-Zouveränität doch immer einen natürlichen Anteil des Indivi—
duums an dieſer Souveränität lehren muß, giebt jedem Individuum Recht und Pflicht
der Beteiligung an diefem legten Zweck weltlichen Lebens. Freilich bleibt zunächit noch
viel unklare Berbindung mit der theologischen Ethik. Aber die utopische Verbindung der
chriſtlichen Freiheit mit dem Naturrecht, die in der großen englischen Revolution verfucht wurde, 55
Sat dann AM einer definitiven Trennung geführt, Das Naturrecht, die politische Freiheit
und den Staatszweck von jeder Beziebung zur Theologie gelöft und im englijchen Staate ,
wie in der engliichen Ethik jenes Vorbild rein politiicher Freiheit und rein rationaler
Staatsorganifation geichaffen, das dann dem Montinent praftifche Ideale und politifche
Theorien gab (Mohl, Geſch. u. Yitt. der Staatswiſſenſchaften; Janet, II, Kaltenborn, vo
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5: ni un ut des Lebens tu —— ieden
und gärendſten — Beſtrebungen in die neuplatoniſ
des über die Welt herrſchenden Allgemeinen ausmündet. In bad
freilich prinzipiell neue und pofitive ethijche Kräfte enthalten, a
bunden mit der Zügellofigfeit der Nenaifjance und treten no ——
4 — der Epoche, als daß ſie in die Bildung der ethi af
n fünnen. Das wird erit viel jpäter nad) Erledigung * dauptfragen
— politiſcher und religiöſer Freiheit möglich. So geht daher auch die neue Ethi
weder von dem Mutterland der Renaiſſance, von Italien, aus, das der € Hegenreforma
und ber de Bas mie Fremdherrſchaft feinen Widerfland — —— bermochte
15 Franfrei 8 mit feiner hugenottijchen Theologie und einen rößeren
übte als mit feiner Nenaifjance, die ja aud) bier in bie ben ga überging
England aber ift nicht bie Nenaifance des 16. Sabrhunderts der geweſen,
das große durch die ee des 17. Nabrbunderts —— ‚aiös-etbiich-politi
— (3. Burckhardt, Kultur d. N. im Italien; Dilthen, Auffaſſung und Analpi
enfchen im 15, und. 16. Jahrhundert; Archiv für u d oſ. 1891/92
—* natürliche hei. tem ber Gei teswifienichaften im 17. 39219:
, Die Autonomie bes Denkens, der Fonftruftive Nationalismus und ber. pa theiſtiſch
Mm 6; — —— — — itte: er eg |
I u D 83 — eumann, Nembran tig 1902).
65 5. Für bie ung dieſes entſcheidenden —* angspuntles kommt nun be
brotef Antifche Moral in ibrer befonderen ormierten Geftalt in Be
das Leben und die Durchjegu on Proteſtantismus —— A er
eat Völker entſcheidend find. Dieſe Bejonderbeit —— daß die for rt
Ethik bei gleicher begriffliher Grundlage wie die lutheriſche doch i infolge der befonderen
u geidhichtlichen rhältniffe SGenfs, Frankreichs, Hollands und Englands und unter der
Mia
Moraliften, englifche 443
immer ftärfer berbortretenden Herrſchaft des calvinifchen Prädeftinationsgedanfens Die
Idee einer dhriftlichen Kultur immer ftrenger, einbeitlicher und willensftärfer berausarbeitete.
Unter Stultur veriteht freilich auch fie nur die politifchen, fozialen und wirtjchaftlichen
Beziehungen des Daſeins; die Wiſſenſchaft fällt ihr mit der Theologie und deren Vorftufen
oder mit den rationellen “Theorien des status eivilis zujammen, und die Kunſt fpielt 6
bei ihr als Träger ethifcher Zebenswertung und Weltanfchauung überhaupt feine Nolle ;
ber einzige, bei dem das der Fall ift, Nembrandt, bielt fih zu den Collegianten und den
Myſtikern (Neumann, Rembrandt, S. 523-- 581). Aber in Diefen Grenzen verfucht fie cine
wirkliche Kulturethik, ftrebt fie nach dem chritlicben, den gottgeordneten status eivilis mit
den religiöfen Zwecken vereinigenden, Staat. Sie bat mit der Iutberifchen Ethik Die
Begründung auf Zündenvergebung und die Folgerung des fittlihen Handelns aus dem
mit Gott verfühnten (Gemüt innerhalb des Spielraums des ordnungsmäßigen Berufes
gemein, und ebenjo teilt jie mit ihr die Abſteckung diefes Spielraumes durch die Heran—
iehung der mit beiden Tafeln des DOffenbarungsgefeges identischen lex naturae, Die
ihre natürlichen Folgerungen fämtlih entwideln fann und foll und eben damit dem 15
Evangelium dient. Ebendeshalb teilen fie auch die Formeln, die das Verhältnis der
Kirche als der Trägerin des Evangeliums zu dem Staat als dem in Defalog und lex
naturae berufenen Träger und Wächter des natürlichen Kulturlebens regeln: fie ver:
langen von ihm die unbedingte Durchfegung der reinen Lehre und eine wenigſtens Außer:
lich den chriſtlichen Idealen entfprechende Vebensorbnung, die diseiplina externa, ver: 20
möge deren Anftoß vermieden wird und der robe Widerftand gebrochen mird, ſowie die
eustodia utriusque tabulae, vermöge deren nicht bloß die justitia eivilis fondern auch
die Reinheit der Lehre, der Sakramente und der Lebensführung von ibm aufrecht er:
halten wird. Es ijt die proteitantifche Kultur mit ihrer Staat und Kirche, lex naturae
und SHeilöverfündigung gemeinfam beberrfchenden und zum Ganzen fügenden autonomen 25
Bibliofratie an Stelle der katholiſchen Kultur mit ihrer Staat und Kirche, lex naturae und
übernatürliche Gnadenleiſtungen getrennt haltenden und in diefer Trennung die erfteren überall
berabmertenden und meifternden bierarchtichen Iheofratte. Aber während das Yutbertum
in den Verhältniſſen des deutſchen Territorialftantes und bei der unpolitifchen Anlage
Luthers ſich mit einigen dhriftlihen Modifikationen im bisherigen Staatsbetrieb begnügt, 30
im übrigen den Staat völlig feiner eigenen Geſetzmäßigkeit und natürliden Funktion
überläßt und bei der Schwäche feiner eigenen kirchlichen Organiſation der Obrigkeit als
den membrum praecipuum gar die Negelung wichtiger Firchlicher Funktionen direkt
überläßt, geitaltet der Calvinismus die Kirche kräftiger als erefutionsträftigen Träger der
chriſtlichen Forderungen und betrachtet er den Staat zuverſichtlicher als durch feine natürliche 35
Urgantjation für den Dienst des Heile nicht bloß beftimmt, jondern auch fähig. Er verlangt
vom Staat neben dem Schuß der kirchlichen Alleinwabrbeit auch die vollendete Anpaflung
der Forderungen und Formen des bürgerlich-politifchen Lebens an die chrijtlicheethifchen Forde⸗
zungen, wie jie von einer ſtark und jelbftitändig organifierten Kirche aus der Bibel vorgelegt
werden und wie jie dem Weſen des Staates nad der lex naturae entiprechen. Gr
geftalter eine wirkliche einbeitliche chrijtliche Etbif und Kultur, die nicht in theologiſche und
politiiche Ethik zerfällt und die Zufammenftimmung beider Gott und der Gunft der
mftände überläßt, fondern die Das geſamte Yeben aus der dee eines einheitlichen chrift-
lichen Zicles in theologifcher und natürlicher Ethik, in Staat und Siehe zuſammen ge:
ftaltet. Befähigt hierzu it der Calvinismus durch die allmäblich die lutheriſchen Gedanten #
ganz in fich auffaugende Prädeftinationslehre, die über Zündenvergebung, Erlöfung und
Heiligung den oberiten Gefichtspunft aufrichtet in dem Ziel einer das jenfeitige Yeben
anbahnenden, Gottes Ehre verberrlichenden, von der erwählenden Gnade gewirkten ein:
beitlichen ſittlichen Yeiftung. Hierin erbält das proteftantifche Dogma nidt bloß erſt
einen feiten Grund: und Endbegriff, jondern aucd die müchtigften aftiven Antriebe Des 50
Handelns, injofern nicht bloß Sündentroſt, fondern Perſeveranz der Gnade das Ziel ift,
und injofern die zufammenbängende fittliche Leiſtung nicht bloß elendes Stüdwerf, fondern
Beweis und Kundmachung des Erwähltſeins it. Zuſammenſchluß der theologiſchen
Gedankenwelt und höchſte Energie Des Handelns gebt auf dieſe Weiſe von dem Prä—
deitinationsdogma aus. Mit diefer Faſſung Des Dogmas find dann aber noch zwei weitere, 65
im die gleiche Nichtung treibende Kräfte verbunden: erjtlich der urfprünglich ariitofra-
tiich gedachte reforinierte Kirchenbegriff, Der nicht wie der der Yutberaner ſich auf Wort und
Saframent beſchränkt und die immer unfontrollierbare Wirkung Gott anbeinitellt, jondern
De Kirche ale Genoſſenſchaft und Heiligungsanſtalt der Prädeſtinierten denkt und daber
den in ihnen herrſchenden Chriſtus auch tbatfächlich zum Herrn über den ganzen Umfang so
u
=
44 Moraliften, englifche
des Lebens macht, und zweitens der reformierte Bibliciomus, der Die Schrift nicht bloß
als Bupmittel und Gnadentroſt, jondern in allen Stüden ale wirkliche pofitive Norm
und Mittel der Erwählung faßt und daher den Begriff des biblifhen Sittengejepes viel
itärfer betont als die Yutberaner. Die Reformierten lehnen Die Beichräntung des Geſetzes
„auf den bloßen usus elenchticus und usus politicus ab und fordern vielmehr aud
eine Bedeutung des die lex naturae in ſich fafjenden biblifchen Sittengefees gerade
für das Yeben der miedergeborenen Chriſten, indem gerade Durch die Forderung dieſes
Geſetzes die Prädeſtinationsgnade Weg und Kraft zur dauernden Heiligung zeigt. Tas
ergiebt nicht eine neue katholiſche Gejeglichkeit, fondern einen der Gefchloffenheit des Dogmas
„» entiprechenden gejchloffenen Gedanken der chriftlihen Kultur, den die Zerfloffenbeit ber
Lutheraner immer nur balb zu faffen wagte. Aus allen diefen Gründen ift denn aud
Die reformierte Ethik nicht in den privaten, Heinbürgerlichen Beziehungen feitgehalten wie
Die lutherifche, fondern arbeitet zugleich auf die Gejamtgeftaltung eines öffentlichen chrift-
lichen Xebens im Staate und damit auf eine andere Regelung des Verhältnifjes zum
s ztaate bin. Sie lehnen die Auslieferung der wichtigften kirchlichen Funktionen an die
I brigfeit als membrum praeeipuum heftig ab und bauen dafür um fo fonfequenter die
Zbeorie von der eustodia utriusque tabulae aus, vermögen deren der Staat als göttlid
anerlannter Träger der Rechts: und Gejellichaftsordnung kraft natürlichen und göttlichen
Rechtes zur Aufrechterhaltung der biblifhen Wahrheit und zur Durchführung der
u biblifchen Ordnungen in feinem Bezirk verbunden ift. Der von Calvin durchaus ariſto⸗
fratiich gedachte Staat bat in der Ephorie Organe, durch die er fich ſelbſt auf die Nic:
tigkeit feiner Yeiftungen fontrolliert. Für den Fall der Verfeblung diefer Leiftungen aber
iſt um ſtärkſten Gegenſatz gegen die Lutheraner ein zunächſt eingeſchränktes und verklau⸗
ſuliertes, dann aber immer freier und mächtiger entfaltetes Widerſtandsrecht vorgeſehen,
>> dag den Staat zur Einhaltung und Verwirklichung der chriſtlichen Forderungen zwingt.
Dieſes Widerſtandsrecht, das in den bugenottiſchen und a Kriegen m
feinen Ronfequenzen entwidelt wurde, iſt nicht bloß die Scele der heroiſchen Kä
des Galvinismus, jondern auch der Ausgangspunkt feiner eigentümlichen politij
Theorien, die ſchließlich dabei anlangten, die Souveränität des chriftlichen Volles als die
x) eigentliche Kontrollinitanz zu proflamieren und damit die chriftliche Demokratie zu verfechten.
Haben die Yutberaner die Ableitung des Staates aus der lex naturae in cinem un
ficheren Zwielicht zwiſchen tbeofratiicher Betrauung des Staates mit der diseiplina
externa ımd eustodia utriusque tabulae und einer pſychologiſchen Ableitung biefer
Betrauung vermittelit menjchlicher Zweckmäßigkeitreflexrionen erfcbeinen lajjen und unter
5 allen Umſtänden dieſer Ztaatestheorie durchaus den fonferbativen Charakter Des An-
ſpruchs auf leidenden Gehorſam gegeben, jo bat der kämpfende Galvinismus aus dem
Ephorat Calvins das Kontrolrecht des chrijtlihen Volles entividelt und zu deſſen Be
gründung die im Staatsvertrag wirfende Volfsfouveränität in radifaler Meife als Aus
fluß natürlichen und göttlichen Nechtes betont. Sein Biblicismus fand in ber alt
iv teitamentlichen Bundesidee dann auch den Schriftbewei® für den Staatsvertrag. Co
entjteht das ‚Ideal der in Staat und Kirche zuſammenwirkenden und in beiden von
der Bibel geleiteten Kirchenfultur. In dieſem Zinne ift die durdaus reformiert
gedachte Politik des Altbufius und der Tyrannenhaß des Hubert Yanguet zu verſtehen
Auf dieſe Weiſe ift die reformierte Ethik, Volitit, Kultur und Staatsbildung der große
5 Anotenpunft der modernen geiftigen Gntwidelung geworden. Tazu trägt aber noch be
fonders ein leßter Umftand bei, der in den Verhältniſſen der weſtlichen Kultur und in ber
Perſönlichkeit Galvins jeinen Grund bat. Galvin gebört den gelehrten Ständen an und
die calviniſtiſchen Yänder der fortgejchrittenen politijchen und merkantilen Entwickelung. So
berricht bier nicht bloß eine fretere Neflerton über die dem Staatszweck am beiten dienende
„ politifche Organifatton, ſondern auch eine freiere Stellung zum wirtfchaftlihen Verkehr und
dem ihn befördernden Kapital. Im Gegenſatz zu dem Patriarchalismus und naturalwirt⸗
Schaftlichen Konſervatismus der Yutberaner buldigen die Reformierten einem politifchen und
wirtfchaftlichen Utilttartsmus, der den Staat auf die Höhe feiner natürlichen Leiftungd
fäbigfeit bringen und damit ihn auch leiſtungsfähiger für feine chriftliche Beftimmung
5 maden will; und dieſen Utilitarismus unterftügen die chrijtlichen Forderungen der Mäßig⸗
feit, Nechtlichfeit und Arbeitjamfeit, in denen fich das Evangelium als auch dem materiellen
Gedeihen fürderlidh erweiſt. So werden die reformierten Yänder Träger der Kapital:
wirtſchaft, Des Handels, der Induſtrie und eines chriftlich temperierten Utilitarismus, ber
ihre Kulturtheorien wie ihre tbatjächliche Kraft bedeutſam beeinflußt hat. Neben ver
so modernen politifchen Entividelung iſt auch die wirtfchaftliche von ihr mächtig gefördert
Moraliften, englijche 415
worden. Wer in der Präbdeitination feines Zieles und des Senfeits fo unbedingt ficher
ift, der kann die natürlichen Kräfte um jo freier auf den natürlichen Zweck, den Erwerb,
wenden und braucht feine übermäßige Liebe zum irdischen Gut dabei zu fürchten. Mit
der reformierten Ethik konnten daher die rein profanen Theorien fich verbinden, die im
Politik und Wirtichaft ſich ausgebildet hatten, und aus der reformierten Ethik fonnten 5
fulturelle Beitandteile fich zu rein weltlichem Betrieb verjelbititändigen. Vor allem aber
enthielt jie, wenn auch unvollitändig, jo doch eindrudsvoll und folgenreich, das Problem
einer chriftlichen Kultur überhaupt, der Zufammenfaflung religiöfer und weltlicher Zivede,
aus welchem Problem die tiefjten Spannungen hervorgehen mußten, jobald mit ihm einmal
radifaler praktischer Ernſt gemacht wurde. Dazu aber fam es erſt durch die großen
englifhen Revolutionskämpfe (Xobjtein; Scheibe, Calvins Prädeftinationslehre, Halle 1897 ;
Rampienulte, Calvin 1869/1899; Schnedenburger, Vergleichende Daritellung des luth. und
ref. Lehrbegriffes, Stuttgart 1855; Hundeshagen, Beiträge zur Stirchenverfaffungsgeichichte
Wiesbaden 1864; Rieder, Grundſätze reformierter Kirchenverfaflung, Leipzig 1899 ; Eliter,
Calvin ald Staatsmann, Gefebgeber und Nationalölonom, Jahrbb. für Nationalötonomie 15
und Statiftil 1878; Schmoller, Zur Geſch. d. nationalöfonomifhen Anfichten in Deutic-
land mährend der reform. Periode, Tübinger 3. f. Staatswifjenjchaften 1860; Mards,
Coligny I 256—346; Nofcher, Geſch. d. Nationalöfonomit in Deutjchland).
6. N England trat die Verwirklichung diejes reformierten Ideals unter befondere,
die radilale Durchführung ermöglichende Bedingungen, wobei es jedoch zugleich ſelbſt 20
folgenreiche Modifilationen erlitt, an die die moderne Entwickelung pofitiv und negativ
anfnüpfte. Hier war die große politifche und religiöfe Frage des Zeitalter noch ungelöft,
injoferne ein die Souveränität im feitländifchen Sinne anjtrebendes Königtum und eine
an der Staatöregierung mitbeteiligte, formell fatholifierende Kirche den parlamentarifch-
ftändifchen Vollsrechten und der Idee eines unabhängigen und rein geiftlichen Kirchentums 25
gegenüberftand. Aus diefem Konflikt entitand Schritt für Schritt die völlige Auflöfung
der bisherigen politiichen und kirchlichen Ordnung und die Aufgabe eines politifch-firdh
lihen Neubaus, die in Ermangelung anderer georbneter und rechtmäßiger Gewalten
fhließlih dem Heere und Cromwell zufiel, in welchen fich die religiös-politiſche Oppoſi—
tion und ihr deal verkörpert hatte. Co fielen die Kompromifje mit dem bisherigen po= 30
litiſchen und kulturellen Zuftande weg, zu denen alle fejtländifchen reformierten Staaten
gezwungen geivejen waren, und fonnte der Berfuch eines rein chriftlichen Staates auf dem
tevolutionär eingeebneten Boden gemacht werden. Und zwar bat fich diefer Vorgang
Schritt für Schritt aus dem mit den PBarlamentsrechten verbündeten Calvinismus ergeben,
der jeinerfeitö unter ſchottiſchem und feitländifchen Einfluß das calviniftifche Kirchen und 35
Aulturideal und zur Sicherftellung besfelben die Kontrolle der Regierung durch das ſou—
veräne Voll im hugenottifchen Sinne forderte, beide Forderungen aber zugleich mit den
alten Vollsrechten und naturrechtlichen Theorien in Verbindung brachte. So faßt Barter
die Motive des Puritanismus zufammen: „because the law of nature and charity
requireth the defence of ourselves, posterity and country and because Scrip- 40
ture requireth the same (Weingarten S. 52). Der fo berbeigeführte Bruch mit den
bittorifchen Gewalten trieb durch feine Unmiderruflichfeit immer meiter, und, indem er
ald aftionsfähige Gewalt allein das Heer übrig ließ, wurde vom Heer aus bie Nefon-
ſtruktion des Staates verfuht. Das Heer aber, das die religiösspolitische Revolution vor
allem vollzogen hatte, war der Sit der fortjchreitenden radifalsreligiöfen Ideen, von denen 45
aus auch die politifchen beitimmt iverden follten. Im Heere nämlich berrichte eine indi—
vidualiſtiſche und ſpiritualiſtiſche Kortbildung des Calvinismus, die den chrijtlichen Gedanken
der Autonomie bis zur Forderung der Toleranz verjchiedener chriftlicher Gemeinichaften,
der vollen Trennung des Staates von den organifierten Kirchen fteigerte und dementiprechend
auch die politifche Autonomie demokratiſcher Selbftregierung forderte, die aber mit alledem so
gerade den chriitlichen Staat vertwirflichen wollte und von der Staatsregierung eine ftreng
ea Kontrolle und Leitung des bürgerlichen Lebens verlangte. Hierin iſt
tlich der Einfluß Läuferijeher Ideen nicht zu verkennen, die von Holland herüberwirkten
und durch die nad) Amerika überfievelnden |ndependenten auf das Mutterland wirkſam
blieben. Aber die Führer der Bewegung jind ſich mit vollem Bewußtſein darüber klar, 65
daß fie damit nur die weſentliche Grundtendenz der Reformation zur Geltung bringen,
und daß fie nur Alfommodationen der älteren Neformatoren an äußere Verhältniſſe und
biitorifche Überlieferungen abſtoßen. Andererſeits ift der Zug zur Aufrichtung eines chrift-
lihen Gemeinweſens nichts anderes ala der weſentlich reformierte Grundgedanke, der nicht
bon ben ruhigen, leidfamen holländischen Täufern und nicht aus hiftorifchen Reminiscenzen eo
er
0
446 Moraliften, englifcdhe
an Thomas Münzer, fondern geradewegs aus dem Geiſte des in Franfreih und Schott
land radifalifierten Neformiertentums ſtammt (Gooch 74ff., 128f.) Der Prädeſtina⸗
tionsglaube bildet überall in reformierter Meife die Spanntraft diefer Ethik, wie ſich aus
ihm ja auch der Independentismus der ganz perjönlicen Heils- und Gnadengetoißhet
5 leicht ableiten ließ. Viſionen, Eingebungen und Erleucdtungen find die naturgemäf
Begnleiterfcheinungen einer ſolchen ſtarken religiöfen Beivegung und eines ſolchen Zubjet:
tivismus, Die fich zudem auf das Vorbild der Urchrijtenbeit berufen durften und die An-
regungen bierzu direft aus dem Neuen Teitament fchöpften. Nicht minder ift der escha⸗
tologiſche Enthuſiasmus aus dem Gefühl des radikalen Gegenfages gegen die bisberige
10 Welt und der radikalen Neuheit des zu vertwirflichenden Ideals begreiflich und auch feiner:
jeits von dem Neuen Teitament genährt, deſſen Apokalyptik nun nicht mehr von einer offi⸗
zielen Theologie vertufcht wird. Die Freigebung der Kirchenbildung und der dogmatiſchen
Ueberzeugung Steht eben doch unter der Vorausfegung, daß dabei die chriftliche Wahrheit erft
recht fiegen werde, und daß in allen ſittlichen Forderungen die ſtrengſte Uebereinſtimmung
15 beiteben bleibt. Der Herr wird fein Volt nicht aus der Wahrheit fallen laſſen, und bie
Erzwingung der fittlichen Korreltbeit bat er in die Hand ber Volföregterung gelegt. Nur
Togma und Kultus find in gewiſſen Grenzen freigegeben, das fittlihe Ideal ſoll in
jeiner Seltung Itreng behauptet werden, und auch die Freigebung der erfteren ijt nur bie
Folge der ſpezifiſch-chriſtlichen Zittlichfeit. Staat und Kirche bleiben eben auf den ge
=; meinjamen Zwed der chriftlidhen Kultur bezogen, und diefe foll, wie Milton (Stern II
447) und Cromwell (Carlyle III 587.) gemeinfam bezeugen, bier zum erften Male in
der Welt reſtlos aufgerichtet worden. Natürlich bleibt auch fo immer noch Rückſicht auf
konkrete politifche Verhältniſſe und hiſtoriſch gewordene Situationen genug. Aber die Idee
bleibt doch die Aufrichtung eines chriſtlichen Gemeinweſens, dag von der frommen Mine
25 rität der laxen Majorität aufgezwungen wird und deren Zuftimmung gewinnen foll, das
in Glaubensfreiheit und Sittenftrenge den chriftlichen Geilt verwirklihen und in feiner
inneren wie äußeren Politik die religiöfen Maßftäbe anwenden fol. Auch iſt der be
mofratifche Charakter dieſes Staates ſpezifiſch chriftlich gedacht und von chriftlichen Ge
danken abgeleitet, injofern alle Wahlen an die Lualififation des zu Wäbhlenden, d. B.
Han deſſen purtitanische Geſinnung und deſſen Anerkennung der neuen Ordnung gebunden
bleiben. Das tft durchaus nicht bloß Schuß gegen royaliftifhe Wahlen, ſondern Forde
rung der Idee, wie ja auch der Umſtand, daß die Demofratie nie wirklich zu ſtande kam,
ſondern Milttärdiftatur und Protektorat immer wieder in fie eingreifen mußte, nur als
Folge noch ungenügender Heiligung des Volkes und als Konzeffion des Ideals an die
35 Wirklichkeit betrachtet wurde.
Republik und Protektorat baben in der That nad) Möglichkeit den chriſtlichen Staat
aufgerichtet, reformierte und indepenbentiftifche Ideen vereinigend, völlig zweifelsfrei in
Bezug auf die Möglichkeit einer chriftlichen Kultur und das chriftliche Net von Staat
und Krieg. In dieſer letzterer Hinſicht iſt ihr Charakter ſpezifiſch proteſtantiſch und ge
40 währt die beſondere reformierte Anlehnung an die Bibel die Möglichkeit von Anleihen
bei dem Alten Tejtamente, die Bedenken über Recht, Staat und Krieg innerbalb des
chriſtlichen deals nicht auflommen ließen. Das zeigt deutlich, wie wenig man es
bier mit einer Erneuerung des Täufertums zu tbun bat. Es tft eine durch die befon-
deren engliſchen Berbältniffe ermöglichte und gefärbte Fortenttvidelung der proteſtan⸗
15 tiichereformierten Frömmigkeit und Ethik, und es wird ald Million des englifchen
Volkes empfinden, in der Geltendmachung altenglifcher Nechte dem chriftlichen Staat
zugleih Die Bahn zu brecben. Innerhalb dieſer die chriſtliche Idee bereits mit Staat
und Stirche verbindenden Worausjegungen aber follte das chriftliche Ideal zur vollen Ber:
wirklihung kommen. Religiös-kirchliche Autonomie, politiſch-demokratiſche Selbitregierung
50 des Volkes, puritaniſche Zittenftrenge, antitatboliiche und proteftantenfammelnde Kontinen:
tulpolitif, Popularifiwrung und Verchriſtlichung von Recht und Prozeß, moralifchereligiöfe
Uberwachung durd Die General Majore, chriftliche Ordnung in Miltär und Verwaltung,
Wiſſenſchaft und Schule, Erwerbsleben und Privatleben Tennzeichnen dieſe Staatsbildung.
Zugleich zeigt ſich die eigentümliche Verbindung refornierter Gläubigfeit mit nüchternem
55 Erwerbsfinn in der innigen Verbindung der religiös begründeten äußeren Politit mit
Rückſichten der Handelspolitif. Handel und Erwerb nah Möglichkeit zu fördern, gebört
mit zu den Aufgaben einer chrüjtlichen Negierung, und bier bat Crommell den Sram
gelegt für Die großartige materielle Entwidelung Englands (Gardiner, C., S. 178). Und
auch die Weihe der chriſtlichen Kunſt feblt dieſem Staatsideal nicht, infofen Milton, der
so Feind der ſinnlichen bildenden Kunſt, aber der Meijter der Mufil und des Nerjes, in
- mu — ⸗— — -
Moraliften, engliſche 447
feinen Sonetten diefen Staat befingt und in feinem „Paradies“ die reformierte Gläubig-
feit independentiftifcher Färbung poctifch verkörpert. Er iſt der Dante dieſes proteftan-
tifeh-reformierten Kulturiveals, der nicht nur die der beibnifchen Formenſchönheit entgegen-
gefegte Spiritualiftiiche Innerlichkeit der chriftlichen SKunftempfindung, fondern bei der
jchrofferen und engeren Ehriftlichleit des Proteſtantismus auch die Unterordnung der Kunſt
unter lehrhafte und moraliſche Zwecke typiſch verkörpert.
Nenn diefer Staat fo kurze Zeit fih zu behaupten vermochte, jo liegt der Grund
nicht bloß in der Unficherheit feiner politischen Fundamente und in der religiöfen In—
differenz der Maſſe, fondern in den inneren Schtwierigfeiten der Aufgabe ſelbſt. Formell
erwies ſich die radikal durchgeführte enthufinftifche Autonomie, obwohl fie die Konfequenz
der chrütlichen Idee bildete, als völlig undurchführbar, inſofern fie nicht bloß die kirch—
lihen Organifationen zerrüttete, fondern vor allen auch die politifche Idee individueller
Rechte und Eelbitftändigfeiten unfontrollierbar und regellos machte. An der Anarchie,
die von diefer Verbindung der politischen Idee mit der religiöfen ausging, hat fich der
Staat Cromwells verblutet, und die Folgezeit hat die Errungenschaften diefer Kämpfe nur 15
in der Weile feftzubalten vermoct, daß fie den religiöfen Autonomie-Gedanken von der
dee der politifchen Freiheiten völlig trennte und die firchliche und politifche Sphäre als
getrennte Sphären der Gejittung vorjichtig auseinanderhielt. Noch jchiverer aber waren die
aus dem inhalt des fittlichen deals entitebenden Brobleme. Der proteftantiiche Geiſt
der puritaniichen Ethik batte Staat und Net, Krieg und Bolitif, Cigentumsordnung 20
und Handelspolitit für chriftlich gefordert und berechtigt erachtet, fofern es fich dabei um
die salus publica eines Gott dienenden Volkes handelt, und hatte nur alle diefe Thätig-
feiten aus dem Begriff der chriftlichen Kultur zu begrenzen und zu regulieren gejtrebt,
daneben das Privatleben den forderungen eines Rigorismus unterivorfen, der überall
Sinnlichleit und Selbftfucht nah Möglichkeit befämpfte. Aber die Führer mußten dabei 25
zunehmend erfahren, daß nicht bloß eine derartige Strenge die naiven Inſtinkte der Maife
nicht bewältigen fann (Gardiner, G., ©. 210), fondern daß vor allem auch die einzelnen
weltlichen Zwecke und Funktionen von Staat und Gefellichaft eine innere Logik haben,
die eine felbitftändige, durch die Natur dieſer Gebiete bedingte Entfaltung verlangt und
nicht einfach durch chriſtliche Maßſtäbe vergewaltigt werden kann. Die weltlichen Zivede 30
zeigten ihre Selbitjtändigfeit und die Unmöglichkeit einer einfachen Regulierung aus dem
hriftlihen deal. Cromwell hat bier Stüd für Stüd nachgeben und die geiftlichen Maß—
ftäbe mit weltlichen vertauſchen müfjen; er bat feinen religiöfen Enthufiasmus zum Op:
portunismus ftimmen, feine Liebe und Freiheit erjtrebende innere Politik in Diktatur
und feine idealiftifche religiöfe Meltpolitif in ſehr realiftiiche Handelspolitit verwandeln 5
müfjen (Gardiner, C. a.P. II 295, 479. III 47). Milton bat bei aller Begeifterung
für den in England gefchaffenen chriftlihen Staat zu der Diktatur Cromwells ſchweigen
und der Notwendigkeit jich fügen gelernt, daß die wahre chrijtliche Sittlichkeit nicht von
einem ganzen Volke, fondern nur von wenigen Erwählten verwirklicht werden fönne, und
er bat jelbit in jeinem großen Werke die Grenzen einer allzu Tonfequent ſpiritualiſtiſchen 40
und reflektierenden chrijtlichen Kunft enthüllt (Stern III 238).
Noch ganz anders und hoffnungslofer traten aber dieje Probleme in der Maſſe neben
diefen beiden größten und klarſten Führern hervor. Hier wurde die Gewiſſensfreiheit
unmittelbar zur Seltenbildung und ließ die mangelnde Kenntnis der großen Welt die
radikalſten Folgerungen aus der chrijtlichen Ethik entiteben. Die populären Enthufiaften, vor 46
allem die independenten Soldaten, verwandelten die große Idee der chriftlichen Kultur bei der
Schwierigkeit ihrer Durchführung in ein Prinzip der Anarchie, das jeden zur Yoslöfung von
den bisherigen Offenbarungen und zum Gehorfan gegen Eingebung und Gewiſſen anweift,
bis Die große Auflöfung kommt, die Wiederfunft Chriſti und die Aufrichtung des taufend-
jährigen Reiches. Sie halten die Aufrichtung der chriftlichen Kultur überbaupt für fein so
menſchenmögliches Werk. Umgekehrt überwinden Quäker und Baptiften die entbufiaftifche
Anſteckung und ziehen fih auf das alte chrijtliche Prinzip der leidenden Duldung aller
weltlichen Ordnungen zurüd, das nur die religiöfe Geſinnung fich vorbebält und dieſe in
der Sphäre der religiöfen Gemeinjchaft und des Privatlcbens ausübt. Andere haben die
driitliche Geftaltung der Wirklichkeit direft in Angriff nehmen wollen und mit radifaler 55
Austilgung des hiftorischen Ntechtes den Kommunismus und Sozialismus als chriftliche
Forderung entividelt, während wieder andere aus dem chriftlichen Prinzip lediglich die
radikale Demokratie mit allgemeinem Stimmrecht und Mehrheitsvertretung folgerten und
damit die urjprünglich chrijtlichen (Hedanken fäkularifierten. Und in all dem Wirrivarr
bat es ſchließlich auch an ſolchen nicht gefehlt, die an allen ibealen Maßſtäben irre wurden co
or
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und nur bas ———
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loſen Reftauration bei —5 — die — Selbſibeſinnung, die
* hd | der Gewiffensfreibeit und Autonomie zu , vein objeftiv-
. A 11 7 1 —* ron * bereiten, | ui 1
‚ Milton und. feine Zeit, 1877—99;
ichtigfte Mittel dieſer wi —
» anal Bivhele ie, bie * metaphi
und über d —8 Göttlichen au ſowie
— | maß beftinmte Ofele des Handelns. aus ven
— die Geſetze feines Handelns und die ſein
fu mit erfolgt. die grundlegende Mbtvenbung don der biöherige
35 der —* fan Ethik, die überhaupt piychologifcher Anal
Drähte den nieht un rül ichen Beurteilung und — ſitt⸗
des prafti Lebens di Analyfe als den einigen
— —— —358 * * Yen . = * der
* und en ihr a ea, = ge — ſowie der für ihre Auf—
Bamir aber dem ——— en Syſtem uns - 1 ja
36 in ibrem fen und —8 abe —— zu tief eye
Mittelpun des Intereſſes geftelkt wird. Die bisherige 9 id do
ber naiven antiken Boltepfycho logie und ber naiven Aiym Es ber r Bibel —
und —— —
der Seele und
lee durch Die fie rt die ——— — als das ethiſche und
50 veligiöfe kin dieſer Offenbarungen an den Seelen auf ein pſychologiſches
den bejonderen Offenbarungsveranftaltungen und mit Kirche und Saframent verfnüpftes,
Munder zurücdführte, Daneben hat fie aber zur Unterftütung ihrer Metapbofik ber Seele
die antite Pſychologie in allen * brauchbaren Elementen herangezogen und
für die Sphäre des natürlichen Handelns auch in der Weiſe der Antike eine
55 pipchologiiche Erklärung zugelafjen und ausgebildet. Der — — r fie
immerdar in der —S E der Seele, und die analytiſche Zergliederung war teog der
bedeutenden auguftinischen Gedanken dabei immer Nebenfache. Sofern fie um —— |
ſich kümmerte, bezog diefe ji immer nur auf_die Ableitung des natürlichen Handelns um
Erfennens in feiner Spbäre. Daneben piegte fie freilid die Analyje t
w Empfindung in ibrer babei vorausgejegten Wunderſphäre, wobei aber yerabe bie ]
u — Mi
Moraliften, englifche 449
lichkeit der Übertragung der Vorausfegungen und Methoden der erfteren auf die der
weiten das Hauptintereſſe war. Höchftens daß man vermittelnde Übergänge zwifchen Die
natürlich-piuchologishen Vorgänge und Die Wunder der Gnadenverfittlihung einfchob.
Unter diejen Umjtänden bat denn aud die pivchologifche Analyje für fatbolifche und
protejtantijche Ethik feinerlei grundlegende Bedeutung, fondern alle Hauptbegriffe der
Ethik hängen an den aller inmanent:pfuchologifchen Analyſe entzogenen metaphyſiſch-
jupranaturalen Yehren von der Heilsgeſchichte, der Uffenbarung und der verfittlichenden,
prüdeftinierenden Gnadenkraft.
Dagegen erhob fich aber feit dem Beginn der modernen Welt im 13. Jahrhundert eine
immer jtärfer und immer prinzipieller werdende Oppoſition. Aus der Verftärfung der 10
aub vom Mittelalter nach antifem Muſter geübten immanentspfochologifchen Analyſe, vor
allem aus der Durchführung der ſtoiſchen Affekten: und Charakterlehre, dann aus der
mächtigen Herausbildung einer freien Dichterischen und fünjtlerifchen Analyje des Menſchen,
wie jte die Renaiſſance-Litteratur und -Kunſt erfüllt, jchließlih aus der religiöfen Gewöh—
nung der Selbitzergliederung und Selbjtbetrachtung felbit erbob fih das Prinzip einer
univerjalen pſychologiſchen Analyſe, die Das Ganze des Menfchen und des Cha—
rakters, ja jeine Gefchichte und jeine großen hiſtoriſchen Bildungen aus induktiv gewonne—
nen und verallgemeinerten Beobachtungen zu erklären unternahm, und die in dieſem Be-
ftreben durch die glänzenden Erfolge der analogen analvfierenden Naturbetrachtung lebhaft
ermutigt wurde. So baben Montaigne und Charron bereits bewußt die ethische Analyſe vo
angewendet, indem ſie konſtante Elemente der MWillensregungen und Affelte nach An:
leitung der Stoa fefttellten und aus ihnen Gejege und Ziele des Handelns ableiteten.
Tas gleiche Progranım hatte Bacon in feiner andeutenden Weiſe ausgeiprochen und dabei
auf die von Tichtern und Hiftorikern längft vollzogenen Analpfen als Muſter hingewieſen.
Tie gleichen Wege gingen die Begründer des Naturrechtes, die Staat und Recht aus
immanenten pſychologiſchen Trieben und entſprechenden Vorjtellungen abzuleiten fuchten,
während Macchiavelli, dem Hobbes und Zpinoza folgten, die Pſychologie des durch den
Staat zu bändigenden Kampfes aller gegen alle entwidelte. Bahnbrechend iſt insbeſon—
dere Macchiavelli mit jeiner pſychologiſchen Analyſe, feinen hiſtoriſchen Vergleihungen
und feinen durch Empirie gefundenen Generalifationen. Überbaupt ift auf die ganze, 30
nach ſtoiſchem Vorgang die Affektenlehre bebandelnde Yitteratur zu verweilen, in der
Gaflendi, Descartes, Malebrandıe und Bayle bejonders bervorragen (Jodl I, 428). Ya,
bie bierbei immer mit euer gewillen Zurückhaltung bebandelte theologische Etbik kam
ihrerſeits dieſen Beitrebungen entgegen, indem Arminianer und Yatitudinarter die Sphäre
des pſychologiſchen Wunders und der Prädeſtination zu Gunſten einer von der Gnade as
nur unterjtügten, rational verftändlichen Willensbewegung einjchräntten. Ten ent:
ſcheidenden Schritt nach dieſen Anläufen aber that Hobbes, der, durch die englischen
Wirren zur Neubegründung der Etbif gedrängt, fie entfchlojfen auf eine rein immanent
piochologiiche Analyje begründete. Bon Hobbes angeregt baben dann die mweiteren eng:
lichen Ethiker auf dem gleichen Boden gearbeitet, auch wenn jie zu inhaltlich ganz anderen —.
Auffaffungen des Zittlichen binjtrebten. Zeine Gegner baben ebenfalls ihren chriftlichen
Standpunkt nunmehr auf der gleichen Worausjegung pſychologiſcher Analyſe begründen
müſſen. Neben Hobbes bat in der gleiden Richtung Spinoza babnbrechend gewirkt, der
jene Ethik geradezu als Yehre von der Mechanik der Affefte aufbaute und feinen theo—
logifeh-politifchen Traktat zu einer pſychologiſchen Ableitung der religiöfen Cffenbarungen 5
und Inſtitutionen gejtaltete. Die Führung aber verblieb den engliichen Denkern, Die
m Nachfolge und Bekämpfung des Hobbes den Pſychologismus Des 18. Jabrhunderts
als Grundwijlenichaft und Urientierungsmittel für alle Probleme der geiſtigen, ſittlichen
und biftorifchen Welt aufgerichtet baben, und die hierin von der ganzen englischen Litte—
tatur in den „moraliicden Wochenſchriften“ und im pſychologiſchen Zitten:Roman unter: 5
ftügt wurden.
Wird aber jo die zergliedernde Pſychologie Der Hebel der wiſſenſchaftlichen Metbode,
jo tritt mit ihr auch eine völlige Weränderung der Anſchauung von der Gefchichte und
von den ſichtichen Normen ein, vor allem eine andere Begründung der ethiſchen
Normen ſelbſt. Die theologiſierende Ethik Des Ratbolictemus und Proteſtantismus batte 5
die Geſchichte zwar zu einem Ganzen zuſammengefaßt, das in Urſprung und giel em:
beitlih iſt und in jeinem Werlauf einer einbeitliden Macht unterftebt, das alfo durch
allgemeine Begriffe beherrfcht wird. Aber Diefe Begriffe entnahm fie aus Ideen, Die
durch die Offenbarung der Kirche und Bibel und durch unterftügende metapbofiiche De:
dultionen über Weſen und Ziel der Melt feitgelegt waren, und Die zu Dem wirklichen co
Real:Encntlopädie für Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 29
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> wo man ſich nicht bis zur wirt
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zdlegt wurde. Man mußte auch Die
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men consensus gentium bedurfte nur
Zus” Zr um den fejten Grundſtock aller
Normen ließen ſich dazu immer noch i
|... n ihnen befondere göttliche Zuſammen.
- nn Sittlichkeit erweiſen konnte, womit dann
::2 durchbrochen, aber doch jedenfalls in den
2:2 So entſtand aus der pſychologiſchen Grund—
7 Scriteswißienidaften, das Das IN. Jabr⸗
-zeetzuftion der Ethik und Der anderen Weiftes:
“macht bat, wie Das 17. Jahrhundert Durch
rn naturwiſſenſchaftlichen Jahrbundert und
..22 geworden War.
STBON der Ethik, Die auf der zeraliedernden
2252 U und damit von vorneberem Die ſämtlichen
on —* Soraustegung gleichartiger Erforſchung stellt,
mus dieſer Analyſe aus einen Unterſchied I
rsange feititellt, und Die Die ganze Geſchichte
Arteile ſuchend behandeln muß, auch wenn .
> 2,'ndere Offenbarungen hinzufügt. Die Sittlichkeit
rn als Offenbarungsgeſetz verliert Die Selbſwer—
»damit verſinken alle Die früheren mit der Erweiſung
.npzsndet dogmatiſchen Zchulprobleme, während Die
. ner oshlen und allein feſten Ausgangspunkt gewährt
Sion nre tm den Vordergrund treten.
‚Ne pöpchöogenetiſchen Probleme, ob die fitt
d szerfitiliden abzuleiten find, wie Der Utilitartsmus
“gr oder ob ſie eine jelbieftändige Duelle haben,
oo. Zeichfalls Sehr verſchiedener Formen behauptet. Tas
>. und chriſtlichen Zittlichkett überbaupt, und darüber
n.r.
os fzrsnanieben, jonergiftifchen und arminianiſchen Nontre:
nie »angt nun an demjenigen, was früher als jelbitwer:
rien Sittlichkeit galt und hinter der Gnadenſittlichkeit
“sn
. rien Urſprung der fittlichen Idee, von deſſen Er
so Ideen Selbit Leicht als Gnade und ihre Zuſammenfaſſung
sz werden konnte. Cine andere Hauptgruppe von Pro⸗
vn
No Zaun nach pipchologiſchen Geſetzen, deſſen naturgemaße
os Km muß und gegen Das der Gedanke eines eigenen un:
2 Diebote inimer wieder also Theorie des Indeterminismus
Moraliften, englifche 451
reagiert. In barakteriftifcher Verſchiebung wird nun das chriftliche Intereffe die Behauptung
des Indeterminismus, während der Taufale Teterminismus naturaliftifch den Wert des
Sittlihen überhaupt zu begraben fcheint und mit den Intereſſen der alten Präbeitina-
tionslehre gar nichts zu thun hat. Dieſe legtere verjchwindet völlig, und der Indetermi—
nismus jcheint ſich mit der Gnade leicht einigen zu laffen, während er mit dem Kaufa-
litätsbegriff beitändige Nöte bat. Unter diefen Umſtänden tritt nun auch dad Prinzip
der Autonomie das bisher vielfach unter dem Schatten der Offenbarungögejeße und
der Kirchenautorität geitanden batte und feine radifale Ausprägung erft durch den in-
dependenten Enthuſiasmus gefunden batte, in den MWordergrund, wobei es freilich eine
völlig neue Geitalt gewinnt. Die protejtantifche direkte Unterftellung des Gewiſſens unter 10
Gott wird zur Unteritellung des Handelnd unter die innere Notivendigfett rationaler
Einfiht oder pſychologiſcher Motivation. Aus der Gleichheit aller vor Gott und dem
allgemeinen Priejtertum wird die pſychologiſch Fonftatierbare Gleichartigkeit und Gleich:
wertigfeit der Individuen, Die fih in der Forderung der Einbeziehung der individuellen
Freiheit in den Staatdorganismus, der firchlichen Toleranz und religiöfen Denffreibeit aus- 15
wirkt. Aus der inneren Notiwendigfett des heiligen Triebes des Miedergeborenen wird
die Vernunftnotwendigfeit und aus der unantajtbaren Souveränität de Glaubens werden
die dem Eingriff des Staates entzogenen, in der Natur des Menfchen begründeten
Menſchenrechte. Mit alledem aber taucht jest ein Problem auf, das die theologifche
Ethik überhaupt gar nicht gefannt bat und gar nicht Tennen Tonnte, das des Per:
bältniffes von Sittlichkeit und Religion. Kür die alte Etbif war wahre
Sittlichfeit und Religion identisch; es gab feine wahre Sittlichleit ohne den wahren
Glauben und die mit ibm verbundene Gnadenfraft; die Sittlichfeit ohne den Glauben
und der Gnadenfraft war bloße justitia eivilis. Die moralifche Analyfe aber zeigte die
etbifhen Norgänge als jelbftjtändige typiſche Erjcheinungen und war genötigt, die Be:
ziebungen zur Religion erft nachträglich als bejondere Modififattion zu unterfuchen. Dann
aber mußte fie auch die Religion in gleicher Weiſe pſychologiſch unterjuchen, und, wenn
fie dabei die Religion auch voreilig in Abhängigkeit von der viel entwidelteren ethischen Ana:
e betrachtete, jo bat ſie doch immer die befonderen Beziehungen erſt feititellen müſſen.
Ste find ihr in den Begriffen der göttlichen Offenbarungsfanfktion, der göttlichen Belob-
nungen und Beitrafungen, der göttlich bewirften oder angefündigten Sündenvergebung
und der jtärkenden Gnadenbilfen gelegen. So entjpinnt fich als eine der neuen Haupt:
fontroverjen die Trage nach den Beziehungen des Religiöſen und Eittlichen, der Notwen⸗
digkeit oder Entbehrlichkeit göttlicher Sanktionen und jenjeitiger Nevindifationen, der
Bedeutung göttlicber Vergebung und Hilfe im Verhältnis zu dem jelbftftändigen und aus fich 3;
verftändlichen fittlichen Streben und Wollen. Sollte aber fchließlich das fachliche Verhältnis
beftimmt werden, jo bedurfte e8 unter diefen neuen Verbältniffen einer Feſtſtellung deſſen,
was das dhriftliche Sittengefeß fordert, von ivo aus dann das Verhältnis zu dem allgemein
ologiſch⸗anthropologiſch begründeten Begriff des Sittengefeßes ſachlich beitimmt werden
So entitebt die Notwendigfeit, den Inhalt des Sittengejeges als pſy-40
bologijches Prinzip mit der Möglichfeit der Ableitung aller Forde—
zungen aus dem Grundgedanken zu formulieren, und diefe Notwendigkeit
zieht das Problem nach fich, analog auch das driftliche Sittengeje zu formulieren und
an beiden ;sormulierungen dann die Beziehungen und Vergleichungen vorzunehmen. So
muß ſowohl der alte lutheriiche Standpunkt, die Ethik lediglihb auf das Gnadenwunder 45
und die von ibm auögebenden freien Triebe ohne jede Ableitung der fonfreten Regeln
beichränten, ala auch der alte reformierte Standpunft, aus den rein pofitiven biblischen
utoritäten die Sittengebote zufammenzufuchen, aufgegeben iverden. Die chriftliche Ethik
muß ſich als ein inhaltliches Jittliches Prinzip erfaffen, um zu der allgemeinen etbifchen
e ein Verhältnis zu finden, und umgefehrt auch die allgemeine Analvfe muß die oo
driftliche Ethik als formuliertes Zittengefeg erkennen, um ihrerſeits freundlich, feindlich
oder vermittelnd Stellung zu nehmen. Indem die neue Ethif aus der tbeologijch-jcho-
laftiichen herauswuchs, war vor allem am Anfang eine derartige Verhältnisbeſtimmung
daB einzige Drientierungsmittel, bis ſchließlich die wiſſenſchaftliche ethiſche Analyſe fo felbft:
Händige Grundbegriffe gefunden hatte, daß ſie der Orientierung an dem chriftlichen 5;
Sittengeſetze nicht mehr bedurfte und nad kurz entjchiedener Verhältnisbeſtimmung die
Behandlung des chriftlichen Sittengefeges der Theologie überließ. So fommt es zu neuen
ierungen der inhaltlichen Prinzipien, die zunächſt auf Beeinflußung des allgemeinen
iffes Durch dhriftliche Ideen und andererfeits der chriftlichen Ideen durch angeblich
mitonale binausliefen und zu allerhand bloßen Ziwitterbildungen führten, die aber doch co
29*
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In) Moraliften, englifche
lyalannıpe io Problem der begrifflichen Formulierung der ethiſchen Inhalte ftellten und
Yan Unklarbeit ber alten icholaſtiichen. Die Idee Dos Sittlichen immer ſelbſtverſtändlich als
land Han beirachtenden und vorgausſetzenden. Beſtimmungen aufhoben.
Mail dieen Rreblemen ietz: dader auch Die engliſche Ethik ein, die in den Wirren
8 KLEE ad Reitauranen SEI mNT Eributterung der chriſtlichen Ethik ſelbſt
ame ver; Mein Abindiı BINZ sus Rorruna ichaffen und von ibm aus auch
Kay Winiapisässipe Sr Kr onzsuseäzöze, aber auf verichiedenen Gebieten ver:
—B —B Susan. an:; m: uns > Zelbiritandigfeit der weltlichen Zwecke
aan N — d Sri zer Zu oz ozıns Srinaen wili. Dabei war der Verlauf
N wel kalt, O2 Do 2 or it ri AzornsmieTrobleme erſt Durch den beftigen
et SER No: News nam Li Mormicms 35 emilter wiſſenſchaftlicher Die:
on pen bed I, ZIEL is mein niden Bezüge der Ethik und bie
ea Na Mr. our and Waren web I * zus Der Revolution ſich ergeben⸗
an“ Nernärte I Sehen und anderer anfnüpfen
men Nenn. Dorgap Sram immun: sen Wuel, nungen des Geiſtes
ad Ne Seins 5 Zeumudo szızz Ser Sönzeenmt I 1880/84; Mar Deſſoir,
"edehe Nonnen Nynäu Son@ilnze ]° 78-7 24%: Tiltben, Einleitung ın Die
Sniieetteltasphtttt . Dos Hat), J 2 X . Auffaflung und Analyſe
Ne Ste m .h NEE Arch. ? Ines, r IV 1891 und V 1892;
Nie Nustteehmä Isle Nu Jportaam Memicaren um * — ebd. V 1892 und VI
we Ne Perg dos Zieniens, Ionitruftiver Koıomsiiemus und pantbeiftifcher
Porn gm — « v1 It; derſ., Ideen 1 cAne beſchreibende und zer⸗
sin stinpnonze, OD. Er bit. Kl. 1844: Wemac. 286 - 320; Gooch, 118
he ar an pn, 2950; 8 Yancı, Les pnassions et les charactöres
du ho MWeergiam du Ir siöcle,’ Raris ISss: Soëcter, Pirchologie in Kants
ea Denn, NO zZ. 1- 192
So nzsseibenden Anitoß gab Der an der manssriben und italientfchen Re:
hen in — RS 1679), Der in gleicher Wevt son den ſozial auflöſenden
Voren Nont niert independentiſchen deals wie von dem serittiichen Spiritualismus
E BER gerriebenen Chriſtlichkeit fih abgeſtoßen fudite. Dem religiös-beun:
ser Ideal ſetzt er Das ber ſtrengſten politich-insizien Autorität entgegen und
seo sa immer bervorbringenden Spiritualismus ismebl ganz weltlich-politiiche
J as eine völlig ſenſualiſtiſche Begrundung Des Zinlichen. Für das erfte
av volitiſche Anſchauung vom Staatsideal und ven dem durch es zu bän-
— wie es Macchiavelli entwickelt hat, für Das zweite auf die materia⸗
nad damit Durcheinander fliegenden ſenſualiſtiſchen Ideen. mie fie Gajjendi ent:
waren Das Ganze iſt auf eine pſychologiſche Analvie begrimdet, die im Gegenſatze
nenbarungen und Grleuctungen auf das Allerficerite, Die ſinnlichen Emphn-
a nd Gefühle, zurückgeht. Indem er von bier aus einen religiös-uniformen,
nen tat im feheinbar konſervativſten S Zinne fonitruiert, vollzieht er doch die radi⸗
ih huvelution ber Ethik: er orientiert jeine ethiſchen Begriffe rein an Der weltlichen
a und macht Diele Begriffe jelbit völlig nominaliſtiſch zu pſochologiſch⸗ kauſal ableit⸗
u menſchlichen Willkürbildungen. Trotz alles Gegenſatzes vielfach noch im Banne
ten ſcholaſtiſch-theologiſchen Begriffswelt und der alten Deckung von Staat und
ereligion entwickelt er Die bisber „grundlegenden Ideen der lex naturae und ber lex
u a in einem völlig neuen Sinne. Tie lex naturae, unterjchieden von dem den Urftand
saohhenden jus naturale, d.b. dem Recht den eigenen Bedürfniſſen und Begierden unbe:
* u jolgen, iſt nichts anderes als der aus der Einſicht in die böjen Folgen dieſes
Nana aller gegen alle naturgemäß bervorgebende Entſchluß, durch Übertragun der bie
einen natürlichen Rechte an eine abjolut berrichende Regierung Friede und Woblfabrt
gi ahiähgent, In dieſem Entſchluß iſt der eigentlich bindende, aber aus dem Kampf
14 Iutereſſen völlig „perjtänblidke Hauptgedanke der ſo entftebenden lex naturae entbalten,
vun Berpflichtung, Verträge um, Des eigenen Intereſſes millen unbedingt einzubalten.
a jo au ſtande kommende völlig abjolute Staat bat ın feiner unbedingten Kompetag
IM te Aufrichtung einer ichlechtbin verbindlichen Staatsreligion. Dieſe Staatöreligion
umehl ſich Da, wo fie die wahre Neligion enthält, auf die lex divina, welche mit der
u.a anlurae infofern in Übereinſtimmung ſteht, als fie die aus dem natürlichen Pat
ac Unerwerfungsvertrag folgenden, dem Geſamtwohl dienenden Gefege zugleich mit ber
Aabenlat Der göttlichen Sanktion und mit den Folgen für jenjeitiges dhchl ausſtattet.
1 dan ft per Sinn der richtig gedeuteten Bibel, und inſoferne I ber klüglich aus der Idee
"Se vg |
— ———
Eee, ann, reiht ben euteren Oevanen mu, a hr
yore bei teil ——— t, Gef ind Wohlfa
San: Se —
eines großen mod ernen
va le, Freiburg 1897.)
men enſatz gegen —— und gegen den Subjektivismus 35
auch die "ion der ber —— ioieben | in bie alten
fie die Ktonf am ee der — Data 9 ———— auftweift
eje Eivig un —— 3 und begriffliche Notwendigteit
chen Ween metapf Niich begrün m Geg
iſtotelismus, mit denen bie 34 Ethik die Auf ——
Je Renaiflance belebten erg beran un
aus Klarheit und Schärfe das Problem. Es tit das Be he
—* Ele, die bi8 auf Lockes Überragende Cinichung bin die englif
Ste und eine moderne Umbildung ber bisberigen theologifh ven Ethil darſ t 50
ıneri ee Men Bean aber doch vor allem von dem Wunſch nad einem
dadurch mit der rationalen Richtung der Anglifaner und
brend, verlafien fie bewußt und prinzipiell die Grundlage der bis-
tierten Theologie und Ethik, indem fie ein rationales Aritertum des Wahren
* rofl m calvin iſtiſchen Pofitivismus und Nigorismus entgegenftellen und 55
3 erjt politifche und religiö 7 Ethik gemeinfam fonftruieren, beide
f einander beziehen. Ku ie fuchen damit formell nur eine neue
x natura, die ja mit ber lex divina identiſch ift und durch die
Fl voll wirkungskräftig wird, aber rt sa inhaltlich im diefer
des Notivendigfeitscharafters im Sittliben und die Unmöglich- w
feit einer bloß, „elsrelogifchen Begründung ſcharf hervor und formulieren damit eines der
dieſem Zweck geht Cudworth (1617— 1688), bas
"Eule aus von — der ſittlichen Gebote
ne
Aprioriſch endigen zum blo er⸗
ler Schärfe den g 3 des ems mit dem m Grund⸗
Geiſt als die Duelle 5 das Pius: dd Die finnlühe
sur Ä
Sto Geiſtes des us bilde oder ob umgekehrt das
=. — * — — ——
——— und. das A Leinen
damit die Begründung der Geltung auf die Glü olgen gef ——
25 das lediglich eine im göttlichen Weltplan b dete Koinei Dami Por
———— zu = PR Schritt weiter gefördert, wenn aud ) freilich die br eu-
elegt. Diefem Abweg nähert fich bedenklich Gumberland
Lose 1718), ve en wahren und dauernden Glückes als —— Kenn⸗
chen des Sittlichen betont und das mit dem aprioriſch-rationalen Charakter des
30 en nur durch ftärkfte Hervorhebung der von Gott gewollten und bewirkten Koin—
eben vereinigen kann. Auch wird mit diefer Betonung bes teleologiihen Elementes des
Sitlihen fen jeine ar Orbit hm er, © al iu Wohlvoen und \
B\ rittlichen Tat um vollfonnmenes der
aha Mo Das —— hat C. don je * a der Hob⸗
— Lehre vom Urſtand gewandt, gegen den er — daß H hilderung
enſchen zwar den fündig Pe Menſchen richtig darftelle, aber ; gerade
te tiftung di ündigen Menſchen nur d die auch in vorhandene
Einficht in ã le 3 ebote möglich werde, und — daß
N Det cu, Des lc ac a ie Gl a
1 ftelle. Die een o feine willfür ungen der
ae aan sen Aa no SF
au u ote vom en, jondern auf der me iſchen
Glückes und bes Sittliben. So * Not und Elend, = ——
fühle das Hervortreten der ſittlichen Ideen, aber ſie find Aare bie ——
45 deren — ſie hervortreten, nicht ihr Urſprung
Den Lehren der Cambridger nahe ſteht Samuel Clarke (1675 - 1729). Er betont
* allen poſitiven Geſetzen vorangehende Idee eines abſoluten Maßſtabes, an dem un:
kürlich alles Handeln gemeſſen wird und aus deſſen "Die Auen Unerfeibunge —— allein die
ga an olitiſche ar geoffenbarte, möglid find. Die
F — iges und bloß ———— ſondern ine uf ee
* der Seelen liegenden weſentlichen Unterſchied —*8 einem dem
—— notwendigen entſprechenden und einem ihm wi
a. ger felbit, der ſich in den top gr jittlichen * der Güte, Gerechtig
chaftigkeit daritellt, Das jtttliche Urteil des plain man, verba |
56 b iche went den an ſich und notwendig — den Beftandteilen. bi der A [
ri tebenden Relationen, die ibrerjeits wie die mathematischen Verbältniffe aus ders
des Ganzen folgen. Die Idee des Ganzen ſelbſt aber beruht auf Gottes Fallen „=
Die notwendigen und normalen Berbältniffe erweiſen ſich dieſe — gar iltn
mungen dann freilich noch dadurch, daß auf ihnen Wobl und E —
co beruht, und fo tritt auch bier die Idee ber Woblfahrtsfolgen in bie
"DIE
Moraliften, engliſche 455
lihen Begriffe ein. Auf diefe lex naturae wird dann in der üblichen Weife das po-
fitive menschliche Gefeß und das pofitive göttliche Geſetz begründet, welches letztere zugleich
in der Uniterblichfeitöidee die Vollendung des durch fittlihes Handeln zu ermerbenden
Glüdes bringt und durch feine Sanktion das natürliche Geſetz veritärft.
Noch jtärfer betont Hartley (1705-—1757), einer der jüngjten Schüler der Cam: 5
bridger, das teleologijche oder Luſtmoment im Sittlichen, will aber aus der urfprünglichen
Selbjtliebe das interejlelofe, objektive fittliche Urteil ald Ergebnis einer bejtändigen, von
der unmittelbaren Beziebung auf das Ich ablöjenden Objeltivierung der Güter hervor:
geben lajjen, jo daß die diefen Gütern entfprechenden Gebote die Selbitverftändlichkeit
eined Inſtinktes oder angeborener Gefege gewinnen. In der That find auch die fo ver:
itandenen Produkte des pſychologiſchen — nichts anderes als die von Gott durch
dieſe Mittel gewirkten Einſichten in die ewigen Weſenszwecke der Menſchen. Ein deter⸗
miniſtiſcher Panentheismus, gekrönt von der Apokataſtaſis, giebt den Gütern und damit
den auf ihre Verwirklichung gerichteten Geboten einen objektiven, göttlich-notwendigen
Charafter. 15
Enger an Cumberland und Clarke ſchließt fih ein Nachzügler der Cambridger an,
der Nonkonformift Brice (1723— 1791). Gegenüber dem baltlofen Subjektivismus der
Schotten, der pofitiven Autoritäts- und Geſetzesmoral der Lodefhen Schule und den
pſychologiſchen Ableitungseifer der Senſualiſten behauptet er den objektiven, innerlih und
rational notwendigen, ſchließlich den intuitioniftifchen Charakter der fittlichen Billigungs-
und Mipbilligungsurteile. Sie werden erft vermorren vom Inſtinkt bejaht und dann vom
Denken klar ald notwendig und objektiv begründet erfannt. Site beziehen ſich auf die
gejinnungsmäßige, autonome Beivertung von herzuftellenven Thatbeitänden, deren Gedanke
durch piychologiich nicht weiter ableitbare Intuition oder durch die produftive Kraft der
Vernunft entitebt, die um ihrer felbit willen ohne Rückſicht auf das Intereſſe verwirklicht 25
werden, und deren Verwirklichung mit einem vom Ienjuelen Luſtgefühl ganz verſchiedenen
idealen Befriedigungsgefühl verbunden iſt. Ihr objektiver Wert beruht letztlich auf der
gottgeſetzten Ordnung und Beziehung der Geiſter, auf einem objektiven, in Gottes Weſen
begründeten Syſtem der Werte. Auf dieſer Weltordnung beruht ſchließlich auch die
Koincidenz der ſittlichen Werte mit äußerem Glück. Es iſt die Idee objektiver, in: 30
tuitioniſtiſch erfaßter, ſittlicher Werte, die ſich in den Gütern der Selbſtbeherrſchung und
der univerſalen Liebesgemeinſchaft darſtellen.
Alles in allem iſt es rationaliſtiſch-chriſtliche Ethik, die wenigſtens theoretiſch und in
Bezug auf den allgemeinſten ſittlichen Gedanken mit dem Prinzip der Autonomie vollſten
Ernſt macht und die ewige Geltung der individuellen und ſocialen ſittlichen Ideale aus 85
der Gegenwart Gottes in den menschlichen Seelen ableitet, fofern diefe Gegenwart im
Gedanken des Notwendigen fih vollzieht. Sie weiß nichts mehr von dem Gegenjab
religiöfer und tweltliher Zwecke und auch nichts mehr von dem Enthufiasmug der Ge:
wilfenserleuchtungen, reduziert das religiöfe Element des Sittlihen auf die Gegenwart
des göttlichen Geiftes und die Idee abjolut verbindlicher Gebote. Sie bat nur ein un: w
fiheres Verhältnis zur Erbfünden- und Gnadenlehre, während die Offenbarungs-Sanltion
und die im Jenſeits endgiltig bewirkte Koincidenz von fittlicher Würdigkeit und Glüd in
den Vordergrund treten. Aber Autonomie und Göttlichkeit des Zittlichen werden nur in
einer über Staat, Kirche und Gefellfchaft gleichmäßig ſchwebenden Abjtraftheit gelehrt.
Meder die wirkliche Aufrichtung des chriftlichen Staates auf Grund diefer Autonomie, 45
noch die Trennung religiöjer und politifcherechtlicher Sittlichkeit, nody die wirklich autonome
Geitaltung jeder diefer Sphären liegt im Gedankenkreiſe diefer Männer. Ste begründen
nur von der neuen pſychologiſch-⸗metaphyſiſchen Theorie des Sittlihen aus das alte Ton:
fervative Verhältnis von lex divina und lex naturae, von Staat und Kirche auf
neue Weile, wonach der Chriſt dem aus dem göttlichen und natürlichen Geſetz folgenden 50
Staat zum Gehorſam fo verbunden ıft, wie ibn Gott nun einmal hat werden laſſen.
(Tullod: Hertling, Locke und die Schule von Cambridge, Freiburg 1892).
3. Im Widerfpruh gegen ſolche aprioriſch-idealiſtiſche Theorien entwidelte Zode
1623— 1704) eine apoftertorisch-jenjualiftiiche Theorie, die im Zufammenbang mit feinem
rinzip der Erfahrungspbilofopbie alle angeborenen Ideen, alle platonifchen Antuitionen 55
und alle rationalen Deduktionen verwarf und den allein möglichen wiffenschaftlichen Weg
für die Konjtruftion der Erkenntnis wie der Ethik in dem Ausgang von den einfachiten
Erfahrungselementen, den damit verbundenen Gefühlen von Luſt und Unluft und dem
Bermögen der Neflerion erkennen wollte. Der entjcheidende Beleg für die Nichtigkeit
dieſes Prinzips ijt ihm der Mangel jedes ſicheren Kriteriums intuitiver Erkenntniſſe und co
er
0
se)
v
Ali) Moraliften, englifche
allen die biſtoriſche und ethnographiſche Verſchiedenbeit der ſittlichen Ideen. So
NO * y aus den einiachſten Elementen des Bewußtſeins, aus Perceptionen und be
— (Sehublen, die ammengeſetzten ſeecliichen Gebilde und unter dieſen auch hie
at N x Handelno. die in nichts anderem gegeben find als in einer möglichſt rubigen
— nen Eincht in die Wiinderolaen dos Handelns. Mus Diefer Einficht ergeben ſich
un — sie Hauvbrregern und mir ibnen Wohlfahrt und Frieden der Ge—
N FR 9 Sword Menichen sur Erseibung Des Glückszieles Durch die göttliche
Sen anunt Seas al Sm fz mas man bie der Erreichung dieſes Zieles
ST ya ae Den snanashın Flsen sbitrabierten Negeln lex naturae nennen.
a Nele lex nature zrzz Narr Sec Sim dauernden Wohl fürderlichen Hand:
N Tansier grins o snzfz, 228 sub volfswirtichaftliche Regeln. Zu ſin—
Nee os Tann DEI ®uzun one >urch Die Beziebung auf einen poſitiven
. nee Sl ra», α Sene Regeln dur die Vorhaltung und
Non see wer or 2 Zur 2 serie Durch Jufügung von Luft oder Unluft,
na Rp, . ro 20mm: zsztlidhe Geſetz, Das durch die Auto:
men .-y girl Bao HT am mF geitlichee mie jenſeitiges Wohl oder
"log Mormwröekoh sum n Damen ter das Staats- und Rechtsgeſetz, das
.55. Zatmuius mr rinmeirend anerfannten Beitimmungen
nn 7F-nseiurmpronron Strafen feine Motivationskraft ausübt.
Nu Nae > Fre —x en. vas weder Durch Offenbarung noch durch
> hen 2 one m en Verkehr und Urteil der Geſellſchaft
SINE 2——a wen Meinung und feine Mortivation in dem
ln 2 os se Le, genmer veringſchaͤtzung bat. Alle dieſe fittlichen
NIT In =. 8 onegn Bluckswirkungen hängen. Aber ihre inbalt-
“ N unse ee een Narenalität und Nowendigkeit dadurch, daß fie
ET T ea nr aa moulichiten Glück fubrenden Neaein des Han:
Iueuimuo. I Deewwsiikiteleg iſt eine bon Gott vorgenemmene Ju:
DE Ser: an Tech auch durch Erfahrung und Beobachtung
1 u = 07. wens zu durch Socialvertrag fejtgefegte Sanktion der
N » 0. whrrutcher Wohlfabrt und Das Gejeh Per öffentlichen
\ ” >.» oslarbeit verſchiedene individuelle Beurteilung ber
nn on... etdisbalb in der Hauptſache mit den ‚forderungen des
._ .. EEE Teibſtbeherrſchung und Woblmollen jind Die Haupt:
TFT se Zismpntileg ſich zur Hauptaufgabe dic Nereinigung der
> open inDividuellen Autonomie mit der für Das Wohl
u x. rsvshtzion der Negierungsgetvalt macht.
” ne nette Wendung Des Tenfens übereinjtinmende Wendung
. _ aa ud empiriſtiſchen und daher auch zu biftorijtifch-pofitiven
en sur der Nie naturgemäße Notwendigkeit noch die Chriftlichteit
m Ad die Dabei vor allem den baltbaren Erwerb der ine
> — Saiareode Gewiſſensautonomie und Die mit ihr zuſammenbangende
FR doriler politiſcher Nechte, firieren will. Freilich ſteht bier nun
oe sunben neben der politiſchen Sittlichkeit und neben dem fttt:
ns Giemeinſchaft, jo daß Die bier feſtgehaltene Chrijtlichfet
” “ .yalen Vetonung der formalen Offenbarung doch in Mabrbeit
aussen wet beeinflußt und dieſe einer ganz freien und beweglichen
\ ” ses dtng ireizugeben ſind. Die wirklich aus der chriitlicen
ie . . »riten. die Toleranz und NMirchenfreibeit und die der religisien
"san wetttihbe Avetheit des Individuums, baben nur mebr ſchwachen
” x. ntluben Idee und tragen, indem fie von ihr immer mehr fi
nasuttg aller Grenzen und Vorausſetzungen der bisberigen etbi:
ges ine dieſe letztere Wirkung weder bei den englifchen ned
no u \onanın Lalıy hervor, Die vielmehr gerade die fo konſervierte Chrift-
won
oo ahnt bald mehr in rationaliſtiſcher, bald mehr in ſupranatural⸗
' —8 vl Aoaland iſt ſo die Ethik Lockes einerſeits der Ausgangspunkt
N Senn aut Moral reduzierenden Religionsphiloſophie, des Deismus,
N ara prannturaliſtiſchen Utilitäts und Geſetzesetbik des Antibeiämus
‘ N yon hat ſeinen Schwerpunkt in der Kritik ber Wabrheits- und Tffen:
Na se ettiuen eligivnen und hängt mit der Ethik nur inſoferne zu:
RI
wi‘
Moraliften, englifche 457
fammen, als er das bei diefer Kritil übrig bleibende Allgemeine in Abbängigfeit von der
Lodeichen Moral: und Religionsphilofophie in dem Begriff eines natürlich-göttlichen Sitten-
geſetzes erkannte, das er aber näher auszuführen fein Intereſſe befaß. Der Antiveismus,
von Warburton (1698—1779) geführt und von Jaler (1743— 1805) Ethik kodifiziert,
ſtellt in gleicher Weiſe keinen Fortſchritt der ethiſchen Analyſe dar, ſondern nur die ge
waltſame Feſthaltung der ethiſchen Analyſe bei dem von Locke ausgeführten Kompromiß
zwiſchen dem natürlie-rationelfen Eudämonismus und dem übernatürlichen, auf Offenbarung,
Erlöfungebilfen, Himmel und Hölle begründeten Eudämonismus. Er hat ihn mit ber
Maffivität einer die Ansprüche der Klugheit wie das Glaubensbedürfnis gleich befriedigenden,
äußerft jelbftzufriedenen Theologie noch ſtark vergröbert und den gedankenreichen Theo: 10
rien der Cambridger ein Ende bereitet. In beiden Richtungen liegt die große Kontro-
verje über das Verhältnis von Religion und Sittlichkeit vor, wie ſie fih bei den einmal
eingenommenen, total verengten Vorausſetzungen geftalten mußte.
Eo ftellt die Ethif Lockes das große Problem der Geltung fittlicher Normen bet
Leugnung angeborner Ideen und der Befeitigung fittlicher Normen angefichts der hiſto⸗ 15
riihen Dannigfaltigkeit des Sittlihen. Sie ertweitert den Umkreis der zu beachtenden
fittliben Mächte, indem fie neben der Religion die felbititändige politische und die jociale
Sittlichleit geltend macht, und fie nimmt in ihren gulammenbang die Betonung der fitt-
lichen Autonomie als eined modernen Grundgedankens auf, der fi in Freigebung der
firchlichen Gemeinjchaftsbilbung und in Reſpektierung der unveräußerlichen individuellen 20
Rechte dur den Staat praftiich darſtellt. Dadurch iſt fie reiher an Problemen und
icher an tbatjächlichem Inhalt als die Ethik der Cambridger, obwohl fie die charafteri-
ftifchen Grundzüge des Sittlichen weniger würdigt als jene. Zugleich bat fie den Kom:
promiß mit der Theologie nüchterner, mafjiver und zurüdhaltender geſchloſſen, als die
fpiritualiftiiche Theorie der Cambridger. Das erftere bat fie zu den mächtigſten Wirkungen 25
auf den Kontinent befähigt, das lestere hat fie den Engländern empfohlen (Tagart,
Lockes writings and philosophy, London 1855; Artifel Deismus BoIVGS. 532; Yezius,
Toleranzbegriff Lockes und Pufendorfs, Leipzig 1900).
4. it diefe Verbindung theologifcher Elemente, eines jenjualiftifch-empiriftifchen Eu:
dãmonismus und eines pofitiviftifchen Geſetzeszzwanges vom Geiſte ſcholaſtiſcher und chrijtlicher so
Ethif bereits weit abgerüdt und bat fie ſowohl die pfnchologijche Unterfuchung als die in-
baltliche Gharakterifierung der fittlihen Mächte zur freien Diskuſſion gejtellt, fo iſt das
noch mehr der all bei Shaftesbury (1671— 1713), der völlig als ein Philoſoph für
die Melt die Ethik als eine Arithmetil der Affelte behandelt und in feinen ſchwer faß-
ven Theorien jedenfalls die Autonomie, Aprivrität, allgemeine Gleichartigkeit und durch 85
ſelbſt beglüdende oder ſtrafende Macht des Sittlichen behauptet, obne diefe Gedanten
ell oder inhaltlich irgend an die chriftliche Ethik anzulehnen. Es iſt der äfthetifterende
Geift der Antike und der Renaiffance, der in ibm zur Geltung fommt und bei ihm mo:
derne weltmänniſche Formen annimmt. Seine Definition des Sittlichen erneuert die von
chriſtlichen Angleihungen befreite Definition de honestum bei Cicero (Zielinsky, Cicero 40
1896 S. 52), und der allgemeine Hintergrund ift wie bei Gicero die theiſtiſch mobifizierte
ftoifhe Lehre vom Weltorganismus (Dilthey, Archiv, 1891, 613—620). Der Horizont
dieſer Idee des Sittlichen aber tt der moderne Staat und die moderne Gefellfchaft. Nur
m der wunderlichen Definition der altruiitifchen Affefte als der natürlichen und in der
Betonung ihres Zufammenhangs mit der organifchen Aufeinanderbeziehung der Dinge 6
wirft die alte Idee der lex naturae nah, während die chriftlichen Einwirkungen ſich auf
eine gewiſſe Gefühlsweichbeit und auf die Betonung der Majeftät des Eittlichen be:
hränken. Bon diejen Vorausfegungen aus fonjtruiert er das Sittliche im Gegenjage
gegen die ihm fonjt nahe verwandten Gambridger, die die fittlihen Werte durch Meſſung
an einem rationalen Maßſtab gewonnen batten, und noch mehr im Gegenſatz gegen so
Lockes Berflüchtigung der Selbititändigfeit des Sittlihen aus inſtinktiven gefühlemäßigen
Werturteilen, die bei der Neflerion über die in uns wirkenden Triebe und Affelte ent:
fieben und jo jelbit als Affelte böberer Ordnung zu wirken vermögen. Das Lodefche
Aeflerionsvermögen wird ihm aus der bloßen Fähigkeit, die Natureindrüde zu fombinieren
und die Yultempfindungen auf die Größe und Dauer der Yuft bin zu beurteilen und zu 55
—— J einer produktiven Kraft des Bewußtſeins, die in der Reflexion auf die
A
bringt
inftinktive und intuitive, Weſen und Art der Werte unterjcheidende, Urteile hervor—
. Wir billigen die auf die Harmonie der Geſellſchaft in Staat und freien Verfebr,
in Familie und Menfchheit abzielenden altruiftifhen Affekte und Triebe; wir billigen
ferner die Affekte der Selbitliebe, wenn fie in den durch dieſe Nichtung geftedten und eu
nah Darm werden, und wir
te Harmonie unfereäeigenen
, bie bie Har-
eei alſo
one a ich er * * * öge der
er — ts, u —
— der Baus die fittli He ganz von felbft die Mittel zur
irflihung des Glüdes
u er Es en Vermögens der auf die een
die Obietie F bie o da bie au — — des eigenen. € :
Bin begi Bene I i J —
rch Die Idenftn bjefte — —— mit bewußler Schädigu
find zumächit ſämtlich ——
en unter ihnen. Sittli — entftehen erſt, wenn die auf fe —— ih
ltnis zu einander und zu der Ökonomie und Konftitution des Menſchen beftimmt.
* e an dem —— völliger —— inſtinktiv alle Affekte meſſenden ſittlichen Ge—
en ſind die all — Autorität, aus der das Gewiſſen ‚und bie in bas
35 Ar der I elnd eingreift. Als ihre Zentralivee erwei die alle Um:
sp Verbältni pn ana —— oder das Er — der
Geſellſchaft, in die auch die harmoniſche Einfügung und damit das Glück des eigenen
S eingejchloffen iſt. Inſoferne als diefe Harmonie auf das Urbild der Liebe hinweiſt,
in das iktliche auch die —— einge lofien, — der dann der Übergang
40 — dieſer ſittlichen Kraft du Die nd Erlöfung im Chriftentum ge
Pi weitere Einwirkung hat esbury in England ehabt. Seine Lehre
vom makrokosmiſchen und u Organismus hat —— eutſchen gewirkt,
u. piychologif —— der Gefühlsmoral auf die Schotten. An England behaupt
e ar auf weiteres das —* und Shaftesbury bleibt nur Ki Aubatung ver te her
bisherigen Ghrijtlichteit am ſchärfſten entgegentretenden ethijchen Idee, der dee
Ausbildur des geiftleiblichen Menſchen in allen Beziehungen feines Daſeins, ——
Sittliche nur die Sail He der Harmonie oder Die dee der Humanität iſt. Wenn
aber De englifche diejen Bat der Humanität nie wirflid erreicht rk Io fo bat ſie
so noch weniger die in ihm eingejchlofjenen Probleme der Maßſtäbe —— Beurteilung
= er Harmonie und Humanität unterſucht. Für die engliſche Ethit wird der alte +
von ftaatlicher und licher Moral zwar erſetzt durch den der humanity, aber
Si umanität bleibt Menſchenliebe mit Einfluß * — en Selbitliebe und wo:
mit Einfluß jen — er Belohnungen. (v. Gizyckh v Shaftesburus,
Beben 1876; I, ji tudies ur: to the —— er Butler, Oxford
2 Die Schotten jehen die von Lode und Shaftesburh eröffnete — des
Reflexionsvermögens fort, gan aus ibm die Geneſis der fittlichen Idee zu q
gelangen dabei zu einer die Engländer noch weit hinter ſich laſſenden Unabhängig
co gegenüber der jcholaftiichen und theologifchen Moral. Statt an ihr —— K
==.
peu mer
E —
Moraliften, englifche 459
vor allım an Shaftesbury und kommen fo zu einer völlig modernen und unab—
bängigen Bebandlungsweife, in der fie zu den Klaſſikern der pfychologiftifchen Ethik ge:
worden find. An der Spige fteht Hutch efon (1694- -1746), dem die fehottifche Common:
Senfe-Schule folgte. H. mendet ſich gegen den Senjualismus und feinen nur ein
Brinzip, das der Selbitliebe, verivendenden Aufbau des Geelenlebend. Diefer einfeitige 5
Gegenjat und Ausgangspunkt bringt es mit ſich, Daß die von 9. gelehrte prinzipielle
Unterſcheidung eines fittliben Prinzips von den jenfualen Gefühlen ausfchlieglih am
Wohlwollen oder am Altruismus hängen bleibt. Das Nefleriondvermögen enthält einen
Inſtinkt oder gefühlsmäßigen Sinn, der überall das Moblwollen affeftvoll bewundert
und durch diejen Bewunderungsaffekt unfer Handeln motiviert. So enthält das Refle—
rionsvermögen einen gefühlsmäßigen Intuitionismus, der durch Gefühle der Liebe und
Bervunderung alle altruiftiichen Handlungen billigt, der aber nicht die Einſicht in Die
etwaige rationale Notwendigkeit des fittlihen Handelns, fondern nur das einfache, un:
beirrbare, inftinktive Gefühl für alle wohlwollende Gefinnung enthält. Die weitere Re:
flerion zeigt dann, daß dieſes Mohlivollen die berechtigte Selbitliebe nicht aus- fondern 15
einfchließt, und daß aus ibm Harmonie und Glück der menschlichen Gefellfchaft entiteht.
So wird die ethifche Theorie zu einem intuitiontftifch begründeten Socialeudämonismus,
aus deſſen Grundgedanfen die Reflexion alle fittlihen Urteile kaſuiſtiſch und in matbe-
matifcher Formulierung abzuleiten im jtande ift, und der den religiöfen Hintergrund
eines rattonaliftifch-optimiftiichen Chriftentums fordert. Aus ihm regeln fich die Normen 20
des Familienlebens, Privatlebens, der Gejellfhaft und des Staates, der Volkswirtſchaft
und der Arbeit in einem optimiftifch liberalen Einne, infofern das richtige Gleichgetvicht
von Wohlmollen und Selbitliebe alle Verhältniſſe befriedigend ordnet, die Nüdficht
auf die Gefellihaft und die unveräußerlihen Gewiſſensrechte, den Cigentumstrieb und
die Nächitenliebe harmonisch verſöhnt. Die bijtorische Verſchiedenheit des Sittlichen iſt:
nur eine Verfchiedenheit der verjtandesmäßigen Neflerion auf das Gefühl und feine An:
wendung oder ijt in der Übermältigung des Moralfinnes durch die jelbftifchen Leiden:
fchaften begründet, nicht aber in Differenzen des Gefühls felbft, das an ſich vollig einfach
und unziveideutig. ift.
Hume (1711—1776) vertwirft als prinzipieller Empirift oder befjer Poſitiviſt den 30
imaginären \ntuitionismus eines moral sense, der nad) angebomen Ideen und pfucho-
logiſchen Myſterien jchmedt, und ſucht ohne Herbeiziehung eines folchen zweiten Prinzips
lediglich aus den Senfationen und ihrem Luft: und Unlujtgefühl die fittlichen Prinzipien
gewinnen, wenn er auch im Unterjchied von Hobbes und Locke hierbei den fpezififchen
—** derſelben feſthalten will. Er erreicht das durch die Einführung des Begriffes der 35
Bhantafic und Sympathie, zu denen ſich Aifociation und Gewöhnung gefellen. Durch
ſympathiſche Verfegung in fremdes Handeln, und zwar in ein möglichft fremdes, ung
perfönlich gar nicht berührendes Handeln, und in den von diefem Handeln Betroffenen
empfinden wir alles die natürlichen Triebe und Bedürfniffe fördernde und vollendende Han:
deln mit. Daraus entftebt bei Vergleichung vieler "folder Fälle ein Durchſchnittsbegriff 10
des fürdernden und vollendenden, Individuum und Gemeinſchaft beglüdenden Handelns,
der von der Beteiligung der Selbitliche des Betrachters ganz unabhängig ift. Er ge
winnt den Charakter eines objektiven Ideals, das wir bei eigenem und bei ung betreffen:
dem Handeln anderer dann unwillfürlid als Maßſtab des Handelns anlegen. Co entfteht
auf dem Umiveg über die Sympathie, aus der bald mit dem Handelnden bald mit dem 45
Betroffenen fühlenven Zelbitliebe, die nicht direkt perfünlich intereflierte Schägung eines
deals, das über den eigenen und über den fremden Intereſſen ale gemeinfame Norm
t. Durch Erziebung, Bildung, Tradition und Geſetz wird dieſes deal zu einer
ſcheinbar völlig objektiven Macht, die bald ale Geſetz bald als Gewiffensinitinft betrachtet
wird und feinen Gedanken an ihren Urſprung mebr enthält. Das jo zu jtande kommende 50
Ideal felbft aber ijt nach feinem Inhalt das Ideal einer gefund entfalteten Berfönlichkeit
und barmonischen Geſellſchaft, die ſich gegenseitig durch Entfaltung aller Anlagen das
deg te Glücksgefühl ſichern. Denn die mitempfindende Sympathie erſtreckt ſich nicht auf
die iedigung der gemeinen Selbſtliebe als ſolcher, ſondern, wie Butler richtig geſehen hat,
auf die Herſtellung der dem Menſchen um ihrer ſelbſt willen wertvollen Zuſtände und 55
Sachverhalte, jo daß alſo die Sympathie die Förderung und Verwirklichung des menjch-
lichen Weſens in feinen natürlichen Trieben und Bedürfniſſen mitempfindet. So gelangt
Hume als umfafjender Denker, Menſchen- und Gefchichtsfenner zu der Shaftesbury ver:
wandten Idee der Humanität, die nur freilih auch bei ihm im einer weltmänniſchen
Utilitãtsmoral ſtecken bleibt. Eines religiöfen Hintergrundes bedarf diefe Moral nicht. en
ah
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460 —
— * Sal 9 Bann n un vol — a Hi
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ne jehr ſcharfſinnige Fortbildung findet diejes von e
10 — Adam € org ot (1723-1700), dem > Beprinde SE
mit nimmt die Cihif
pl die Richtung auf die opbie und unterfucht erhalb
⸗ eben ſpezi hiſchen — — und Bedeutung und u ing, er
7% —* arte ei —— —* sit dur Bu Se mas ratio-
i —— she die Thatf
ton ber Notwen Sittlichen verfucht urn ache
* die bie Theoretifer der Selbitliebe borausgejett un überehen batten,
aber auch von Humes utilitarifcher Behan nd zu entfernen ——
F nämlich, ſo fern ſie für das Sittliche in B kommt, nicht Mgerüb! mit ben
25 Folgen des Handelns umd Verſetzung in den Genuß biefer Folgen für
und den Betroffenen, fondern Mi dung mit den Motiven des Handelnden und mit ben
von den Betroffenen auf diefe Motive gerichteten Gefühlsreaftionen. Dre fittlichen Soeen
aus der Gemeinjchaft und durch die Gemeinfchaft; fie beruhen auf einer
fonderen Gemeinfchaftlichleit des Gefühls gegenüber dem mit- und |
so Motiv und der ſeeliſchen Wirkung des Sandens, Aus einzelnen foldyen hrung
anderen und aus der Reflektierung der Urteile der anderen in die eigenen Empfindung
entſteht die Idee eines —— = uns empfindenden Zufchauers, mit he ch mir
empfinden, der das verlörperte menschliche Gemeinbewußtjein und * in Erziehung, öffent:
licher Meinung und Anititutionen | te Niederfchlag der er wen) nen fittlichen iſt.
s Sp kommt aus dieſer Wurzelung im ige Men ber digfeitscharafter
— zu ſtande, der noch vermehrt wird durch die —S daß dieſe Regel
ns zugleich Die Reg eln für Bewirtung von Harmonie und Glüd der Gefellfe
—— "Das etztere — —* freilich die —* Geltung durchaus nicht, aber en ——
fie durch ihre Eingliederung in die harmoniſche vn nifation ber ge S
10 Inſtinkten und Gefühlen uns mit den Regeln zur Grreicjung Des lite —*
gerüftet hat. nt ift der Begriff der Sympathie in den des Gemei eins und
die Individualp —* in die Socialpſychologie — die freilich twirk:
lichen Grund Ne gemeingiltigfeit der jittlihen Urteile nicht angegeben bat, bie
aber bie gen anze ——— Unterſuchung von den nunmehr erichöpften i individualpſyche
45 logiſchen zu anderen Quellen der Allgemeingiltigkeit hinweiſt. Materiel
dieſe optimiſtiſche, Altruismus und Egoismus vereinigende und dieſe Vereinigung * ei
eh Dietapbont jtügende Aulturpbilofopbie als mit den Grundideen des
betrachtet, wobei aber der chriſtliche Altruismus erjt mit —
ie kihaft —— Egoismus zuſammen die Prinzipien des
(EP ——* —— und ehe 8 * = ge — u a wege
etzung der enntnisle oral und Religionswiſſen in 1874
H A. Onden, 9. Sin un Kant, Yeipzig 1877.)
IV. Damit ift der Grunpftod der Begriffe der modernen a a en ern Erbit
geſchaffen. Malebranche und Bafcal haben dann tiefe Einfichten in das W —
55 Ethil hinzug gt, die aber für die nächſte Zeit ohne Wirkung blieben, fer
Thema des Verbältniffes von Sittlichfeit und Religion unter den Gefihtehn
Santtion und der übernatürlihen Hilfen einfchneidender behandelt, Spinoza — —
Bedeutung des Denkens und der Wiſſenſchaft zum Zentrum der E 1 gemacht.
Franoſen haben die ſenſualiſtiſche Ethik der Selbftliebe in ihre Konfequenzen ve Re t.
oo Leibniz bat die Idee der Individualität und der Entwidelung des Selbft in die Eibi
Moraliften, englifche Morata 461
eingeführt, und Roufleau die Gefühlsmoral belebt, indem er zugleich das folgenreiche
Problem des Wertes der Kultur im Verhältnis zu den einfachlten ethiſchen Gefühlen
aufrollt. Die vor allem an die Schotten fid) anſchließende Genfer und Berliner Auf:
Härung hat die pſychologiſtiſche Analyfe feinfinnig Inrigefeht und meiophrfiſc fruktiſiziert.
Aber weſentlich Neues iſt mit alledem nicht geſchaffen. Erſt Kant ſtellt die Frage der 5
Allgemeingiltigkeit des Sittlichen auf einen neuen Boden und löſt die Analyfe von den
Methoden des Piychologismus ab, indem er fie in die transcendentale Analyje des Be:
mwußtfeins verwandelt. Andererfeits hat Schleiermacher die inhaltlichen Begriffe des Sitt-
lichen, die Humanitätsfittlichfeit und die Rulturidee, etbifch ald Syſtem der Güter ordnen
und bearbeiten gelehrt, womit die Veränderung und Ausweitung der ethifchen Mächte erft 10
ihre begriffliche Bearbeitung findet. Moderne Soctalpfychologie und Entmwidelungslebre
haben dann noch neue Momente hinzugefügt, in deren Zufammenfaflung mit den ge
nannten fich die moderne Ethik darstellt. Die Grundzüge der Gedanfen aber entitammen
der englifchen Ethik, mit deren Nachwirfungen Kant Fi auseinanderjegte und deren Gin-
flüfle in Herders Humanitätsidee unverkennbar find. So haben fi die unter dem Anſtoß ı5
der großen englifchen Krifis ausgearbeiteten Ideen der pfychologifch-hiftorifchen Analyfe, der
Abgrenzung verjchiedener jelbititändiger Sphären fittliher Zwecke, der Auflöfung des
alten dogmatijchen Verhältniſſes von Religion und Moral, der Autonomie und des Gegen-
ſatzes gegen den augujtinifchen Dualismus in der philofophifchen Ethik durchgeſetzt. Die
Wirlung auf die Theologie beitand einerfeits in der Schöpfung einer an die 20
Moralpſychologie angelehnten Religionspbilofophie, die von den feiten mora-
lichen Daten aus die Probleme der pofitiven Religionen aufzulöjen im ſtande fein follte,
andererjeitö in der Herborbringung einer neuen Disziplin der theologiſchen Ethik.
Die bisherige theologiſche Ethik war, ob jebieftännig bearbeitet oder nicht, eine Depen-
den; der Dogmatik, die von der Dogmatit die Geltung der Offenbarung und damit der 25
fittlichen Vorfchriften entlehnte und ebenfo aus der Dogmatif die Idee der Wiedergeburt
und der Gnadenkräfte empfing, der daher bloß die befonderen Brobleme des Verhältnifles
von Gnade und Freiheit, Glaube und Werken und die Kaſuiſtik verblieben. Dabei flocht
fie Entlebnungen aus der philofophifchen Ethik ein, deren Verhältnis zu der Offenbarungs⸗
und Gnadenethik vermöge der vorausgefegten prinzipiellen Spentität von lex naturae so
und lex divina fein Problem war. Im Gegenjage hierzu wird nun unter der Ein-
wirfung der neuen ethifchen Analyfe und der von ihr beleuchteten Veränderung der fitt-
lichen Werte die theologifche Ethik zu einer jelbititändigen Disziplin, die den von den
Reformatoren zurüdgefchobenen Begriff eines chriftlichen Sittengefeges ausbilden muß und
mit diefem wie mit der Anwendung dieſes Gefetes auf das Leben eine neue Aufgabe 35
gewinnt. Sie per von der allgemeinen ethischen Analyfe aus Begriff und Geltung der
hriftlichen Ethik feitzuftellen, vermittelt die Gnade pſychologiſch, d. h. verfucht ſie im
Bocoloeich verftändliche immanente Vorgänge aufzulöfen ohne Preisgabe übernatürlicher
ntriebe und ftrebt bie übermeltliche chriftliche Beurteilung der ethifchen Werte mit einer
innerweltlich-Humanen zu vereinigen. So wächſt die theologiſche Ethik an Wichtigkeit 40
eine Zeit lang der Dogmatif über den Kopf und läßt diefe zu einer Dependenz der
Ethik herabjinten. Die Wiedererhebung der Dogmatif und die erneuerte Selbititändigfeit
des religiöjen Elementes, die fi) auf Die theologifche Neftauration und auf Schleier:
macher zurüdführten, haben zwar die Dogmatik der Ethik gegenüber wieder verjelbit-
ftändigt, dafür aber die Probleme der theologischen Ethik in um fo größerer Unordnung 4
urüdgelaflen. Hier bat erſt Nihard Rothe, auf Fichte und Schleiermacher geſtützt, den
eubau vorgenommen, der durch die Sefamtlage gefordert wurde. (Gap; Luthardt;
Stäudlin, Neues Lehrbuch der Moral, Göttingen 1825, bier ältere Litteratur; de Wette,
ht über Ausbildung der tbeol. Sittenlebre in d. luth. Kirche feit Calixtus, Schleier:
machers Theol. Zeitfchr. I 247—314, II 1—82, Berlin 1819/20; Stäudlin; Artitel so
„Ethik“ Bd V ©. 556.) E. Tröltid.
Moralitäten |. Spiele, geiitliche.
Morata, Dlimpia (eigentl. Olimpia PBellegrini), geb. 1526, geit. 1555. — Ihre
Opera, beitehend aus teilweife verjifizierten Stilübungen in lateinischer und griechiſcher Sprache
und aus Briefen, bat Celio Secondo Curione in Bajel herausgegeben: fie erſchienen zuerjt 65
1558, dann 1562, 1570 und 1580, die beiden lepten Ausgg. nicht unweſentlich vervollijtändigt
und gefolgt von Briefen von und an Guriv ſowie fonitigen Produkten feiner Feder (val.
8b IV ©. 353,16). Wir citieren nad) der Ausgabe v. 1570. Ihr Titel lautet: Olympiae
462 Morata
ae, ge. eng re ‚ Basileae apud Potrum
‘ Pornam.
Allg. Litteratur: ZTivaboschi, Storia della Lett, ital. t, IV, p. 160 (Mailand 1833);
Peregrini Morati Carmina quaedam latina, Venet. 1533 | fan, mir Aut nainaDi Giu⸗
pp —* vo. legrino Morato (Atti e Mem. R, Deputaz, di Stor tria...
vol. 3. A. Noltenii ae er i i i ul
ten t. hist. crit. de Olympiae Moratae Vita,
‚ rec, t ete. J. G. W. Hefe, Francof. ad Viadrum
3 Praefatio editoris —— 50 &.); ; , Smetfhte, De —— Fulvia Morata, Zittau 1808
Ba „ Bofton 1 337
a Das zuerft in der ital, „dann in ber bentichen (von Dr. — —
er —— de * East des go amanift ulsio ſtand
NER Da Be a bierziger abren der Hum
dem Beinamen Moretto oder In dem Briefwechjel —— Anden zwei
nicht datierte Schreiben —— Yin dieſen, deren eines tiefgefühlten * —
25 Ausdruck bringt, daß Curio dem Freunde in religibſen Fragen den rechten Weg
babe Ol. Moratae Opera, 1570, p. 315—317), während dieſer in bem —
von ne („optimum organum ac vas eleetum ad Dei gloriam“ nennt er ibn
verabfehiebet und ihn hr fpäterem Befuche dringend einladet (ebd. ©. 8137). Es gebt
aus —— Briefen, welche wohl in die Zeit kurz vor oder nach ⸗
so nad Lucca (vgl. oben Bd IV ©. 354,51) fallen, hervor, daß er es geweſen, der dem
Haufe Pellegrinis den Stempel evangelifcher Frömmigkeit aufgedrückt Bat, welchen auch
die herrlichſte Blüte dieſes Haufes, die liebliche Olimpia, trägt.
Pellegrini war als Lehrer der Prinzen Ippolito und Alfonjo in Beziehungen zum
Hofe in Ferrara getreten; er hat ſp —* auch ein öffentliches amt an der dortigen
Hohen Schule bekleidet. Im eigenen Hauſe leitete er mit größter Sorgfallt die Erziehung
einer Kinder, vor allem der hochbegabten 1526 in Ferrara geborenen Olimpig. Ein
(ler Lichtftrahl Fällt auf diefe in der Zeit, als fie ihr 15. Behensjahe erreichte. Damals
(1540) war Gurione in Ferrara. Olimpia entivarf und bielt vor. einer er
hörerſchaft einen Vortrag, ei mena in Ciceronis — — fall. a
40 teilungen gejchieden find dieſe Prolegomena an die Spige ber „ —
noch jetzt in der Baſeler Bi er aufberwabrte ion Mich * Curione
geſchrieben: Haec Olympia suopte ingenio invenit, suo stylo et artificio elocuta
est, sua manu exaravit, sua voce pronuneiavit, me audiente cum multis ie alle
Ferrariae, annos nata XV, anno salutis MDXXXX, III Idus Junii. Haee egc
4 Caelius S. C. testor. (vgl. Rivista Cristiana, Florenz ————— S. 5). Pi Jellegrimi
— Bananen tolz Ar eriten — 9 * im di Y
ter im humaniſtiſchen Geiſte gereift jab, jo iſt er mi iger $ Fer gie
weſen: fie elbjt bezeugt in einem griech en Schreiben an den | —— itweiſe in
Ferrara wirkenden Humaniſten Kilian Sinapius (Senf), den Bruder
so der Medizin dort angeſtellten Johann Sinapius, daß jener fie in die Kenninia des
chiſchen eingeführt babe (Opera, p. 73ff.). Nicht unwahrſcheinlich ift es, daß ber er-
wähnte Vortrag Dlimpias die Aufmerkfamteit aud am Hofe der Herzogin Renata bon
Ferrara (j. d. A) auf fie gelenkt bat. Wenigſtens iſt fie vermutlich 1 1540 als Beſel
E und Studiengenoſſin der 5 Jahre jüngeren Prinzeſſin Anna, Der, Altea Tocht
Renatas, an den Hof gezogen worden. Dort glänzte fie troß ibret —
— bald als „ein Stern in dem um Renata verſammelten jung —
wie Lelio Siralbi jagt und wie Galcagninit und andere es bejtätigen.
fonnte nun Olimpia ſich den geliebten Studien bingeben an einem — an ‚dem
Pflege der Wifjenjchaften Tradition war. Als ein Höhepunkt ber dort gepflegten El
3 Beſchäftigungen und Liebhabereien erſcheint vet tafältig vorbereitete, bei einem
uche Bapit Bauls IV. in Ferrara 1543 dargebotene Aufführung der Adelphi —
20 n PETER —— zu Celio Secondo Curione, einem der ar
i mit
KR
Morata 463
bei welcher die Hauptrollen in den Händen der Prinzen und Prinzeffinnen des Haufes
Efte lagen (Muratori, Antichitä Est. II, p. :368).
Wenn jo die Keime humaniftischer Erziehung, wie Olimpia fie aus dem Elternbaufe
mitbrachte, in günjtigen Boden verpflanzt, meiter wuchſen und Früchte trugen, fo mar
der Aufenthalte am Hofe auch nach anderer Seite für Olimpia von Bedeutung. Zu Anna 5
von Efte trat fie in eine fehr innige Beziehung: dieje ſowohl wie die Mutter haben fie
Sabre lang nicht wie eine Dienende, jondern wie eine liebe Freundin und Schutzbefoh—
lene betrachtet und behandelt. Wenn fie vom Elternhaufe religiöfe Grundanfchauungen
mitbrachte, welche der Reformation entiprangen, fo iſt ihr am Hofe auch darin fein Hin-
dernis in den Weg gelegt worden, obwohl aus ihren eigenen jpäteren Außerungen ber: 10
vorgeht, daß eine fürdernde Pflege derſelben nicht ftattgefunden hat (ſ. unten und vol.
d. Art. Renata von Ferrara). Alles in allem wird man äußerlich betrachtet die Zeit
ihres Aufenthaltes am Hofe als die glüdlichjte ihres Lebens bezeichnen können. Einen
jäben Abbruch follte diefelbe um Jahre 1548 finden, in deſſen Verlauf mehrere ſchwere
Schläge hintereinander fte trafen. Zunächſt verließ die Prinzeſſin Anna den Hof; fie ıs
heiratete den Herzog Franz von Lothringen (Guife) und zug nad) Frankreich; es folgte
der Austritt der nächititebenden Freundin Lavinia della Hovera, welche ſich mit den
Fürſten Orfini vermählte. Dann traf Olimpia der Tod ihres Vaters, und als fie aus
dem Elternhaufe in tiefer Trauer an den Hof zurüdfebrte, hatte fi) dort die Stimmung
in fo entjchiedener Weiſe gegen fie geitaltet, daß fie erkannte, ihres Bleibens könne nicht 20
länger, fein. Was den Umſchwung hervorgerufen, bleibt ungewiß: weder Olimpias Briefe,
noch Außerungen von Renata oder fonft Nächftbeteiligten geben Aufſchluß. Der jüngft
durch Fontana (Renata di Francia, II [1893] S. 297) angebeutete Weg, durch Sta-
tuierung eines Konfliktes von Olimpias angeblich ſpezifiſch „Iutherifcher” Richtung und Neigung
mit den „calvinischen” Traditionen des Hofes das Nätjel zu löfen, ift völlig verfehlt, 25
zumal da Fontana lediglich auf das Verhältnis zwifchen ihr und dem jungen ſich eben
medizinischen Promotion vorbereitenden, aus Schweinfurt ſtammenden Grünthler re:
tert — eine Beziehung, melde thatjächlich erit nad Olimpias Sturz und MWeggang
vom Hofe begonnen hat. Sedenfalld liegt eine Hofintrigue hier vor, an der nadı Bonnet
wohl der damals in der Nähe der Herzogin lebende Bolfec (ſ. d. X. Bd III, 281) beteiligt war 30
— vielleicht bat der Herzog jelber, der jchon früher eingegriffen hatte, wo ihm gewiſſe
Vorgänge in Renatas Nähe unbequem twurden, zur Entfernung der Tochter des veritor:
benen Ketzers den Anjtoß gegeben. Für Olimpia felbjt iſt die bittere Erfahrung ein
Meg zu innerer Feftigung geworden. Sie ſpricht fih ın einem Briefe an Curio (Oft.
1551) folgendermaßen darüber aus: „Bald nad dem Tode meines Vaters haben die: 35
jenigen, von denen ich e8 am menigften verdiente, mich verlaffen und mich unmürdig be-
bandelt; und meine Schmweitern (fie hatte deren drei) haben &leiches ertragen müſſen —
Haft für Hingabe und Dienfte. Keiner nahm NRüdfiht auf ung, und Schwierigkeiten
drängten von allen Seiten auf uns ein. Aber der gütige Vater der Waifen hat nicht
gewollt, daß ich länger als zwei Jahre unter ſolchen Übeln bleiben ſollte. .. Jetzt ift so
es mir lieb, daß ich das alles durchgemacht babe: wäre ich länger am Hofe geblieben,
fo wäre es mit mir und mit meinem Heile jchlecht beftellt geiwefen — babe ich doch, ſo—
lange ich dort lebte, in den höchſten Dingen feine Förderung erhalten und bin nicht zur
Lektüre der heiligen Schrift gefonnen. Nachdem aber diejenige, welche ung bätte fchügen
müfjen, durch Übelmollen und Verleumdungen fchlechter Menſchen unferer Familie abge: 45
neigt wurde, haben alle die furzlebenden, flüchtigen und vergänglichen Dinge ihren Wert
für mich verloren” ... .. (Opera, p. 94, 95).
So trat Dlimpia, innerlich gereift, gegen Ende 1550, in die Ehe. Daß ſie ihrem
Gatten, dem im Vaterlande gute Ausfichten winkten, bortbin folgen werde, ftand ihr von
vornberein feit, wie ſchwer au der Entſchluß ihr fallen mußte Im Frühjahr 1551 00
reifte jie, den achtjährigen Bruder Emilio mitnebmend, über die Alpen; zunächſt für
mehrere Monate nad) Augsburg, wo Grüntbler jeine Kunft an den ſchwerkranken
faiferlihen Rate Georg Hermann beivies, und von wo fie zum Beſuche des nunmehr in
Bürzburg als Profefior an der Hochſchule wirkenden Johann Sinapius reiften, um endlich
in Schweinfurt, der Baterjtadt Grüntblers, im Oftober 1551 daS eigene Heim zu gründen. 55
Außerlich gefichert führten fie über cin Jahr lang in diefer Eleinen freien Reichöftabt
ein ftilles beicheivenes Leben —, Olimpia zwar von den Anregungen, wie die Heimat fie
bot, getrennt, aber glüdlih in der Liebe ihres Mannes, den fortgefesten Studien, der
Heranbildung ihres Bruders und der Führung ihres kleinen Haushalts. Übertragungen
von Pſalmen in griechifche gebundene Rede, auch einzelne Überbleibfel ihres Briefwechſels 60
ee
464 Morata Moris von Sachſen
ber alten Liebe zu de enfchaften und dauernden Anbängl
It an die Soc, Seen
ins Itali
ah 1553 über den Zu
bon
Da im n fie gefunden, ein tbarer
— Der wilde | * Pe
vi; gegen den Kaifer gefehloffenen Für ve nicht angehörend, erſchien mit
10 Tru ranken Ye jeine Bläne gegen die B Damberg und aus:
Bidet
Darf fich in bie Stadt. me t- ber
die ein di Peit brach aus, die Lebenshaltung ward in |
en Bunt eine Liſt Rede ———
in das Schloß des Grafen von Erbach, der fie in edelſter e auf
im Mai 1554 nach Heidelberg ziehen läßt, wo durch feine
Srünthler Profeffur der Medizin erbalten hatte. di dati
* Olimpias —* ee * 5* hatte ne *
— en nicht Widerſtand = fönnen ; har 2 —— hatte O
— hrte er en en —
der ER ie mei an Eurione iſt doll € Su — voll —
— eraubt bis auf das Lehte, gefangen, dann wieder
e
3 et ———— ab ea obita divino quoque eonfirmavit —— Obiit mut
solo A. salut. D. L. V. supra milles(imum), s. aetatis XXIX. Hie cum ma-
—— et Aemilio fratre sepulta. Guilelmus Rascalonus, M(ed.) D(oetor) BB.
Auch die Stabt Schweinfurt bat das Andenken biefer edlen Frau, die ——
10 Zeit im ihr weilte, geehrt; man bat das Haus, in welchem Grüntbler wobnte, wieder
ergeftellt und eine Tafel anbringen laffen mit der Muffchrift:
Vilis et exilis domus haec quamvis, habitatrix
Clara tamen claram sat facit et celebrem.
Zahlreiche verfifizierte „Elogien“ find der Sitte der Zeit prechend der ——
nen von gelehrten Freunden ne worden — fie finden ſich Ale hang
S. 245—265.
Mord bei den Hebr, ſ. d. A. Gericht u. Recht Bo VI ©. 579.
Morgan, Thomas, geit. 1743 |. d. A. Deismus Bob IV ©. 544, ff.
Morganatifdye Ehe S. dv. A, Mißheirat, oben ©. 89, w.
MM Moria ſ. d. U, Jeruſalem Bb VIII ©. 677, m.
Moris von Heflen j. d. A. Verbejjerungspuntte
Moris von Sadjjen j. d. A. Interim Bd IX ©, 210, p
Mormonismus 465
Mormonismus. — The Book of Mormon: an actount written by the hand of Mormon,
upon plates taken from the plates of Nephi. By Joseph Smith, junior, author and proprietor,
Balmyra 1830 (in allen fpäteren Auflagen ift Smith nicht mehr al® Autor, fondern nur als UÜber—
jeßer bezeichnet). Erſte europäifhe Ausgabe, Liverp. 1841. Beite Ausgabe „with division into
chapters and verses by Orson Pratt sen.“, Salt Lake City 1879 (wiederholt neu gedrudt). 5
Das Bud ift in 13 verfchiedenen Sprachen überſetzt. — Book of Doctrine and Covenants of
the Church of Latter-day Saints, campiled by Joseph Smith, jun., Kirtland 1835 (282 Seiten).
Third edition (444 Seiten), Nauvoo 1845. Dasf., „divided into verses“, Salt Lake City 1883. —
The Pearl of Great Price: being a choice selection from the revelations etc. of Joseph
Smith, First Prophet etc., Liverpool 1851 (Salt Lake City 1891). Dieje drei Werte, welche 10
die Mormonen als beilige Schriften betrachten, find nebſt anderer offizieller mormonifcher
Litteratur, in deuticher Ueberjegung und dem englifchen Text in dem Miffionsbureau Frant-
furter Allee 126 Berlin zu erhalten. The Times and Seasons, Nauvoo 1839—45 (6 voll.).
The Millennial Star, Liverpool, gegründet 1840, offizielleg Organ der europäifchen Miffion.
Deseret News, gegründet 1852. Salt Lake City (Offizielles Organ ber Mormonen). The 15
Saints’ Herald, gegründet 1860 (Offizielles Organ der „Reorganized“ Church) Lamoni,
Iowa. — %. Jaques, Catechism for Öhildren, alt Lake City 1870. — Sacred Hymns
and Spiritual Songs for the Church, Salt Lake City (several editions)., — Parley
®. Pratt, A Voice of Warning to all Nations, 1838 u. ö. (hat eine fehr wichtige Rolle
in der mormonifhen Propaganda geſpielt). Bon demjelben Verfaſſer: Key to Theology, 20
Kiverpool 1858, neue Ausgaben Salt Lake City. — Journal of Discourses by Brigham
Young and others, Liverpool, 1854—76. — Joseph 3. [sic!) Smith and Heman C. Smith.
History of the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1891 fol. (bis jet 4Bde; vom
Standpuntt der „Reorganized‘“ Church). Lucy Smith [des Propheten Wutter), Biographical
Sketches of Joseph Smith and his Progenitors for many Generations, Liverp. 1853 (unterbrüdt 25
von Bräjident Brigham Young, neugedrudt 1880 von der „BReorganized‘“ Church). 3. €. Tal:
mage (gegenwärtig die erite mwiffenjchaftliche Autorität unter den Mormonen) Articles of Faith,
Lake City 1899. Ein Bild des gegenwärtigen Mormonismus gewähren die Schriften
von B. H. Roberts, The Gospel; Ontlines of Eccles. History; New Witness for God ıı. a. Salt
Lake City. Ferris, Utah and the Mormons, 1854; Stenhoufe (ein abgefallener Mormone), 30
The Rocky Mountain Saints, 1873. H. H. Bancroft, History of Utah, 1890; Zinn, The Story
of the Mormons, 1902 pas beite und vollftändigite Wert); Riley, The Founder of Mor-
monism, a psychological study etc. 1902 (lehrreih). Schlagintweit, Die Mormonen u. ſ. w.,
2. Aufl., Köln 1878. Fotſch, Zur Kenntnis der Mormonen (in Dentwürdigleiten der Neuen
Belt, Bd 2, ©. 126-251), [18912]. 35
Mormonismus ift die gewöhnliche Bezeichnung einer religiöfen Sekte, die von Joſeph
Smith in Mandeiter N. 9. im Sabre 1830 gegründet, und 1847 nad) Utah mit der
Hauptniederlafjung in Salt Late City verlegt wurde. Die Sekte felbft erkennt diefen,
vom Titel ihrer eriten bl. Schrift entnommenen Namen nicht an, fie nennt fich offiziell
„Die Kirche Jeſu Chrifti der Heiligen der lebten Tage”. Das Wort Mormon ift so
wahrfcheinlich eine reine Erfindung (es ift ſehr menig Grund zu der Annahme eines
Julammenhangs mit dem griechiichen uooumv) Zmith erklärt die Ableitung des
orte im ex cathedra Stil wie folgt: Wir, die Englifchiprechenden, fagen nad) dem
ſächſiſchen good; die Dänen god; die Goten goda; die Deutichen gut; ‚die Holländer
good : die Zateiner bonus; die Griechen kalos; die Hebräer tob ; die Ägypter mon. 45
Daber haben wir unter Hinzufügung von more, oder verfürzt mor, das Wort Mormon,
welches wörtlich bedeutet mehr gut, more good.
Smith wurde geboren in Sharon, Vermont am 23. Dezember 1805; er war das
: vierte unter zehn Kindern. Sein Bater war ein Mann von zmeifelhaftem Rufe und
von unbeftändiger, ruhelofer Gemütsart. Er trieb ſich ohne feiten Beruf und ohne Aus- co
dauer bei irgend welcher Arbeit haufierend umber, wahrſagte, verlaufte Segensſprüche u. dgl.
Des Propheten Mutter war dem Vater an Intelligenz und Willenskraft überlegen; aber
war ebenfo ungebildet und glaubte wie diejer an Vifionen, Erfcheinungen, Träume u. dgl.
dem die Familie ihren Wohnort nicht weniger als achtmal verändert hatte, 308
fie 1815 nad Palmyra, in Wayne (damals ein Teil von Ontario) County N.-I). Hier ss
eröffnete der Bater eine Kuchen- und Bierhandlung Nebenbei verrichtete er und
feine Söhne alle Arten niedriger Arbeiten, tie fie diefelben befommen fonnten. Nach
efähr vier Kr in Palmyra bezog die Familie eine Farm in der Nähe des be:
en Dorfes Mancheſter. Sie ſtand dort in feinem befjeren Rufe. 3 fehlte ihr
an Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe. Die Knaben waren arbeitsicheu und Landftreicher, so
einige von ihnen fonnten nicht Iefen. Joſeph war nicht beffer als feine Brüder; er lief
ungelämmt umber, war unmäßig träge, und Spinnſtubenmärchen und ungereimten Ge:
ſchichten überaus ergeben; leſen konnte er, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit; außer:
Real-Encyklopädie für Theologie und Stirhe. 3. A. XII. 30
I un U UL U 5 ee
466 Mormonismnd
dent fchrieb er eine ſehr unvolllonmene Hand und batte eine fehr beſchränkte Kenntnis
von den Elementarregeln der Arithmetik. Das waren feine höchften und einzigen Fort⸗
jchritte (DO. Pratt, Remarkable Visions ete.). Als Jünglıng wurde der zufünftige Propber
vielleicht noch weniger geachtet als feine Brüder. Doc galt er nicht eigentlich als bos⸗
5 haft. — Die Entwidelung eines foldhen Knaben zum Propheten und Begründer einer
neuen Religion ift ein böchft interefjantes pfuchologifches Problem. Die Löfung liegt in
der Kenntnis der Vorfahren, feiner eigenen Gemütsbeſchaffenheit und feiner Umgebung
während feiner Knaben: und Jugendzett. J. Smith batte Träume, ſah Erjcheinungen
und vollzog Heilungen durch Glauben; dasjelbe hatte fein Water, feine Mutter und jem
10 Großvater von mütterlicher Seite getban (Riley p. 11). Sieben wunderbare Träume
feines Waters find überliefert. Beſonders das Neben feiner Mutter war erfüllt von
Träumen, Vifionen und Wunderkuren. Sie batte in Rutland County, Vermont gelebt,
wo 1801 Yeute ihr Weſen trieben, welche behaupteten, den „St. Johannis-Stab“ zu
befigen, dur den Gold und Silber in Überfluß, aud Wurzeln und Kräuter gefunden
16 werden fünnten, die alle Arten Krankheiten beilen würden. Sie behaupteten, das wären
die Stäbe, welche (ſchon) Jeſaias erwähnt babe, unter denen Gott fein Volt am jünglten
Tage durchgeben laſſen würde, wenn die Herrlichleit der neuen Welt geoffenbart werden
follte. Durch fie würden die verlorenen Stämme Israels aus allen Völkern wieder ge
ſammelt werden. Sie hätten Macht über alle Zauberei; viel Gold und Silber Liege in
20 der Erde verborgen, durch Zauberfraft feitgebalten; aber dieje Stäbe Tönnten den Zauber
brechen und die Schätze unter der Erde fortbeivegen und in einem Felde jammeln,
wo fie die Heiligen der legten Tage finden und zur Erbauung des neuen Jerufalem ver:
wenden würden (Torcheiter, Christianity in the United States, ©. 538). Tiefe
gorpiegelungen machten offenbar einen bleibenden Eindrud auf Frau Smith und ibren
ar Gatten. Schon in Vermont war der lebtere als Schatgräber befannt. In Palmyra
jeßte .er diefe Arbeit fort. Sein Sohn Joſeph übertraf ihn bald im Rufe ald Wabr-
lager. Ebe er 18 Jahre alt war, begann er die Aufmerkſamkeit auf fih zu lenken.
Als fein Medium benüßte er nicht einen Stab, fondern hauptſächlich einen Wunderſtein
(„peep stone“ oder gazing crystal). Im Jahre 1825 finden wir ihn in einer
30 Geſellſchaft von Schaggräbern in Pennſylvanien. Dort fand er en Mä ‚das er
heiraten wollte; da der Vater feine Einwilligung nicht gab, fo entlief das Paar und
wurde im Staate New-NYork 1827 getraut.
So war J. Smith der Erbe der krankhaften Anlage feiner Vorfahren; fein Leben
und Treiben reizte feine franthafte Einbildungstraft. Zu Heimlichkeiten geneigt, fantaftifch
35 und empfänglich für Einnlichleit, geriet er ın einen Zuſtand feelifcher Aufregungen, der
zu epileptifchen Anfällen führte (vgl. Riley); dieje kehrten jedoch nicht zurüd, nachdem er
völlige Neife erlangt batte. In feinem 15. Xebensjahre fing er feinem eigenen Berichte
nah an, Erfcheinungen zu feben. Es war — im weſtlichen New-York und durch das ganze
Yand — eine religiös und firchlich erregte Zeit. Man batte wenig Bücher; neben einigen
ao Reifebefchreibungen und Schilderungen von Abenteuern hauptſächlich religiöfe Werte,
darunter rationaliftifche, die meiſten kirchliche Streitichriften. Unter den firchlichen Ge
meinfchaften waren einige gründlich fanatisch, auch bei den achtbareren fehlte es nicht an
manchen Werjchrobenbeiten. Joſephs Jugend fiel in die Zeit der „großen "
wie Yauffeuer fegte fie durch das Yand und an vielen Orten führte fie zu epibemifd
45 franfbaften Erſcheinungen. Von diefem Geifte wurde Joſeph ergriffen: unter dem Ein:
fluß religiöfer Erregung batte er feine erfte Bifion. Er ging in einen hein um zu beten.
Raum hatte er zu ſprechen begonnen, als er von einer Macht, die ihn völlig überwäl⸗
tigte, ergriffen wurde. „Dichte Dunfelbeit umbüllte mich, und es fchien mir eine Zeit
lang als ob ich plößlich vernichtet werden würde. Aber im Yugenblid der größten
so ftürzung, fab ich eine Yichtjäule gerade über meinem Kopfe, den Glanz der Sonne über:
jtrablend, fie neigte fich allmählich herab, bis fie auf mich fiel. Sobald fie erfchien,
fühlte ich mich befreit von dem Feinde, der mich gefangen hielt. Als das Licht auf mir
rubte, jab ich zwei Perjonen, deren Glanz und Herrlichkeit jeder Beſchreibung fpotteten,
über mir in der Yuft fteben.” Cine von ıbnen fprach zu ihm, verficherte ihm die Ber:
55 gebung feiner Zünden und befahl ibm, feiner der beſtehenden Selten fih anzufchließen,
fie feien alle im Irrtum, aber ihm folle eines Tages die wahre Lehre geoffenbart werben.
. Seine zweite Viſion batte er am 21. Scpteniber abendd. Der Engel Moroni erichien
ihm dreimal in großer Herrlichkeit und nachdem er ihm die Vergebung feiner Sünden
verfichert batte, erzählte er ihm jedesmal von goldenen Tafeln, melde unter einem
wo großen ‚yelfen auf einem Berge in der Nähe von Manchefter verborgen wären; auf ihnen
Mormonisnnd 467
ſei Die Geſchichte des weftlichen Kontinents gefchrießen, die Ergänzung zu der hl. Schrift
des A und NTs. Nady mancher weiteren Belehrung ſchloß der Engel damit, daß er
ihm empfahl, wenn er in Zukunft zum Beſitz der Tafeln gelangen follte, fie niemand zu
zeigen, ausgenommen wenn er dazu angewieſen wäre, damit er nicht vernichtet werde.
Gerade vier Jahre nach diefer Erjcheinung mollte er zu der Stelle, die ihm der Engel 5
angegeben hatte, gelommen fein, um von ihm die goldenen Tafeln zu empfangen. Sie
ivaren mit Heinen und fchön eingrabierten Buchſtaben bedeckt in „neuformiertem Ägyptiſch“.
Außerdem empfing er ein Paar in Silberringe gefaßte Kryftalle, angeblich das mwahrhaf-
tige Urim und Thummim der altteftament. Hohenpriefter, eine Art „übernatürliche Brille“,
ohne welche die geheimnisvolle Schrift nicht überfeßt werden konnte. 1
Die erite Perfon, die thätiges Intereſſe an der Entdedung der goldenen Bibel nahm,
war ein Farmer, Martin Harrid. Er war ein Quätker geweſen, dann Univerfalift,
Baptift und Presbyterianer, vom Anfang bis zum Ende ein Träumer und Schwärmer,
der feſt an Träume, Viſionen und Geifter glaubte und betätigen fonnte, daß er den
Vorzug genoffen habe, den Mond zu befuchen. Smith hatte finanzielle Hilfe nötig, um ı5
fein Bud) herauszugeben; Harris mar bereit fie zu gewähren, wenn er nur völlig über:
zeugt werden konnte, daß das Buch von Gott war. Er mar begierig, die goldenen Tafeln
u feben, aber Smith war mit der Hilfe einer bejonderen Offenbarung im ftande, ihn zu-
Frieden zu Stellen, jo daß er glaubte, ohne zu fjehen. Nun aber machte ihm Smith eine Abfchrift
von einigen der Buchitaben, die jener dem ausgezeichneten Philologen Prof. Charles Anthon 20
m Nem-Nork zeigte; obgleich ihn diefer vor Betrug marnte, wurde fein Vertrauen nicht
hüttert. Er wurde nun Smiths erfter Amanuenfis bei der Überfegung der goldenen
Bibel. Als er 116 Seiten gejchrieben hatte, törte feine ungläubige und entrüftete
Ehefrau diefelben. Smith zmeifelte, ob fie wirt verrichtet wären und befand fich des-
balb eine Zeit lang in Verlegenheit; aber er wurde durch eine Offenbarung belehrt, daß >;
die Überjegung in die Hände gottlofer Menfchen gelalien jet, denen der Satan eingegeben
babe, die Worte zu ändern, es wäre ihm daher befoblen, das Verlorene nicht wieder zu
überſetzen; er solle jtatt deilen von den Tafeln des Nephi überfeten, die einen
genaueren Bericht enthielten, ald das Buch Lehi, nach dem die erfte Überfegung gemacht
worden fe. Emith ftellte nun feine Frau als Amanuenfis an, bi der Dann, telcher so
fein erſter Schriftführer wurde, Oliver Cowdery, erfchien. Cowdery war Grobfchmied ge:
wefen, und nachdem er fich ein geringes Maß von Wiflen angeeignet hatte, ulmeifter
geworden. Die Überfegung ging auf folgende Weife vor fih: quer über das Zimmer
war ein Vorhang gezogen, um das heilige Dokument vor profanen Augen zu behüten ;
dahinter fitend la8 Smith mit Hilfe des Urim und Thummim von den goldenen Tafeln as
dem Cowdery vor, der Sag für Sat, wie er überjegt wurde, nieberjchrieb. Che das
Wert vollendet war, wurden Smitb und Cowdery durch bimmlifche Boten für das
anronitifhe und melchifebefianische Prieftertum gemeiht, für das erjtere durch Johannes
den Täufer, für das letztere durch die Apoftel Betrus, Jakobus und Johannes. Das aaro-
nitifche Prieftertum gab ihnen die Macht Buße und Glauben zu verfündigen und durd 40
Untertauchen im Wafler zu taufen auf die Vergebung der Sünden. Das melchefedetia-
nifche Prieftertum verlieh ihnen die Befugnis, den Getauften die Hände aufzulegen und
ihnen den hl. Geift zu verleihen. Diefe Macht, jagen die Mormonen, konnte damals nur
durch ee Boten vermittelt werden. Die wahre Kirche hatte völlig aufgehört, auf
Erden zu eriltieren; es gab niemand, der den bl. Geilt hatte. 45
Mit Harris’ Hilfe gelang es Smith das Buch im Jahre 1830 in einer Auflage
von 5000 Eremplaren druden zu laſſen. Da der Verlauf lange dauerte, büßte Harris
fein Vermögen ein. Dem Bude wurde die eidliche Ausfage von Compdery, Wbitmer
und Harris beigegeben, daß jie die Tafeln gejeben hätten; überdies das Zeugnis von
acht anderen Diännern, daß fie diefelben ſowohl geſehen, als mit der Hand berührt hätten. ww
Ein höchſt ehrenwerter Geiſtlicher legte einmal Harris die Frage vor: Haben Sie die
Tafeln mit Ihren natürlichen Mugen gejeben, gerade fo wie Sie den Federkaſten in
meiner en jepen! — Harris entgegnete: Nun, ich fah fie nicht wie ich den Feder—⸗
kaſten ſehe, aber ich fah fie mit dem Auge des Glaubens. ch fab fie fo deutlich mie
xh irgend etwas um mich herum ſehe, obgleich fie zu der Zeit mit einem Tuche bededt 55
waren (Clark, Gleanings by the Way 1842). Ginige Jahre fpäter fielen alle drei
Zeugen vom Mormonismus ab und erflärten ihr früheres Be als falſch.
Das Bub Mormon enthält ungefähr halb fo viel Stoff wie dag AT. In Bezug
auf den Stil iſt es eine grobe Nachahmung der hiſtoriſchen und prophetiſchen Bücher des
letzteren. Ungefähr ein Achtzehntel der Arbeit iſt direkt aus der Bibel entnommen, un: eo
30”
0
458 Moraliften, englifche
wahre Förderung des Selbſt erſt ermöglichenden Grenzen gehalten werden, und mir
billigen insbeſondere die in Erziebung und Abwägung bergeitellte Harmonie unferes eigenen
Anneren, das zriigen diefen Affekten richtig abzumägen und fo den reichen und vollen
gefunden Menfchen zu gewinnen bat. Dagegen mißbilligen wir alle Affekte, die die Har-
5 monie der Geſellſchaft oder die Harmonie unferes Inneren aufzuheben geeignet find, alfo
jedes Übermaß irgend einer diefer Klaffen von Affekten, und vor allem die zu feiner ge
börenden unnatürliben und zweckloſen Affekte tyrannifcher Grauſamkeit und äbnliches.
Zur Vorausfegung bat diefe ganze Ethik der Beförderung der Harmonie nad innen und
nach außen die Harmonie des MWeltorganismus, in dem die Natur alles auf einander
10 bezogen bat und zum Gleichmaß erziebt. Was die Natur den untermenjchlichen Weſen
im blinden Triebe fchenkt, foll der Menſch in bewußter Reflexion über feine Triebe ge:
innen. Zu der pofitiven Religion bat diefe Ethik und Metaphyſik Teinerlei Beziehung,
womit Shaftesbury von den Deiften ſich bewußt entfernt; der Atheismus als foldyer hebt
ihm die Sittlichkeit nicht auf; dagegen die pofitive Religion gefährdet fie leicht durch hetero:
15 nome und jenfeitige Superftitionen und Fanatismus. Won Sünde und Erlöfung weiß
diefer Optimismus gar nichts, und ebenfowenig vom Jenſeits, da ihm vermöge der orga-
nischen Einrichtung der Natur die ſittlichen Inſtinkte ganz von felbjt die Mittel zur Ver:
wirklichung des Glüdes find.
Diefe Korrektur des LXodefchen Vermögens der Neflerion auf die Bervußtjeinsinbalte
20 wird noch klarer und energifcher zu einer intuitioniftifchen Theorie umgebildet von
Butler (1692— 1752). Er fondert von dem Urteil über ihren ethifchen Wert die natürlichen
Triebe noch fchärfer ala Shaftesbury. Diefe Affekte in Affekte der Selbitliebe und des Mobl-
wollens einzuteilen und gar die lehteren aus den erjteren abzuleiten ijt eine völlige Ber:
fennung des unklaren und verwidelten Begriffes der Selbitliebe. Die Affelte find zwar
25 ſämtlich durdy Wert: und Xuftgefüble bejtimmt und enthalten infoferne eine Beziehung
auf das Selbft, aber ihren unterfcheidenden und tweientlichen Charakter erhalten fie durch
die Objekte, auf die fie fich beziehen, fo daß die auf die Förderung des eigenen Selbit
direkt fich beziebenden Affekte im Sittlihen nur einen geringen Raum einnehmen, während bie
durch die verfchiedenften Objekte beitimmten Affekte 9 mit bewußter Schädigung des Selbſt
% die Hauptmaſſe ausmachen. Aber dieſe Affekte find zunächſt ſämtlich Naturtriebe, auch die
ſocialen unter ihnen. Sittliche Urteile entſtehen erſt, wenn die auf ſie gerichtete Reflexion ihr
Verhältnis zu einander und zu der Okonomie und Konſtitution des Menſchen beſtimmt
Diefe an dem Ideal völliger Harmonie inftinktiv alle Affefte mefjenden fittlichen Ge:
danken find die allgemeingiltige Autorität, aus der dag Gewiſſen beſteht, und Die in das
35 Kräfteſpiel der Affekte regelnd eingreift. Als ihre Zentralidee erweiſt fich die alle Um:
jtände und Verhältniſſe berüdfichtigende Nächitenliebe oder das deal der Harmonie der
Sefellichaft, in die auch die harmonische Einfügung und damit das Glück des eigenen
Selbſt eingejchloffen ift. Inſoferne als dieſe Harmonie auf das Urbild der Liebe hinweiſt,
it in dag Sittliche auch die Gottesidee eingeichloffen, von der dann der Übergang zur
40 a diefer fittlichen Kraft dur Offenbarung und Erlöfung im Ghriftentum ge
macht wird.
Fine weitere Einwirkung bat Shaftesburp in England nicht gehabt. Seine Lehre
vom mafrofosmifchen und mikrokosmiſchen Organismus bat auf die Deutfchen gewirkt,
feine pſychologiſche Theorie der Gefühlsmoral auf die Schotten. In England behauptete
#5 Yode bis auf weiteres das Feld, und Shaftesburp bleibt nur eine Andeutung der ber
bisherigen Cbriftlichfeit am fchärfften entgegentretenden ethifchen Idee, der Idee der vollen
Ausbildung des geiftleiblihen Menſchen in allen Beziehungen feines Dafeins, wobei das
Sittlihe nur die Herftellung der Harmonie oder die dee der Humanität if. Wenn
aber die englifche Ethik diefen Begriff der Humanität nie wirklich erreicht bat, fo bat fe
zo noch weniger die in ibm eingefchloffenen ‘Probleme der Maßſtäbe für die Beurteilung
folder Harmonie und Humanität unterfuct. Für die engliiche Ethik wird der alte Be
griff von ſtaatlicher und Eirchlicher Moral zwar erfeßt durch den der humanity, abe
die Humanität bleibt Menfchenliebe mit Einſchluß der berechtigten Selbitliebe und mo
möglid mit Einſchluß jenfeitiger Belohnungen. (v. Gizycky, Mhilofopbie Shaftesburys,
55 Heidelberg 1876; Gladſtone, Studies subsidiary to the works of Butler, Otford
1896.)
9. Die Schotten jegen die von Lode und Shaftesbury eröffnete Unterfuchung de
Reflerionsvermögens fort, um aus ihm die Geneſis der fittlichen Idee zu gewinnen und
gelangen dabei zu einer die Engländer noch weit binter ſich laflenden Unabhängigkeit
so gegenüber der fchulaftifchen und theologiſchen Moral. Statt an ihr orientieren fie ſich
Moraliften, englifche 459
vor allem an Shaftesbury und kommen fo zu einer völlig modernen und unab-
hängigen ehanblungätveiie, in der fie zu den Klaſſikern der pſychologiſtiſchen Ethik ge:
worden find. An der Spitze fteht Hutch efon (1694— 1746), dem die fchottifche Common:
Senje-Schule folgte. H. wendet ſich gegen den Senſualismus und feinen nur ein
Prinzip, das der Selbitliebe, vertvendenden Aufbau des Seelenlebene. Diejer einfeitige 5
Gegenſatz und Ausgangspunkt bringt e8 mit fich, daß die von 9. gelehrte prinzipielle
—— eines ſittlichen Prinzips von den ſenſualen Gefüh en ausſchließlich am
Wohlwollen oder am Altruismus hängen bleibt. Das Reflexionsvermögen enthält einen
Inſtinkt oder gefühlsmäßigen Sinn, der überall das Wohlwollen affektvoll bewundert
und durch dieſen Bervunderungsaffett unfer Handeln motiviert. So enthält das Nefle: 10
rionsvermögen einen gefühlsmäßigen Intuitionismus, der durch Gefühle der Liebe und
Bewunderung alle altruiftiichen Handlungen billigt, der aber nicht die Einfiht in bie
etwaige rationale Notimenbigtei des fittlihen Handelns, ſondern nur das einfache, un:
beirrbare, inftinttive Gefühl für alle mohlmollende Gefinnung enthält. Die weitere Re:
flerion zeigt dann, daß diefes Wohlwollen die berechtigte Selbitliebe nicht aus- jondern 16
einſchli t, und daß aus ihm Harmonie und Glück der menſchlichen Geſellſchaft entſteht.
So wird die ethiſche “Theorie zu einem intuitioniſtiſch begründeten Socialeudämonismus,
aus deſſen —* en die Reflexion alle ſittlichen Urteile kaſuiſtiſch und in mathe:
matifcher Formulierung abzuleiten im ftande ift, und der ben religiöfen Hintergrund
eines rationaliftifch-optimiftiichen Chriftentums fordert. Aus ihm regeln fich die Normen 20
bes Veen Privatleben, der Gejellfchaft und des Staates, der Volkswirtſchaft
und der Arbeit in einem optimiſtiſch liberalen Sinne, infofern das richtige Gleichgewicht
von Wohlwollen und Selbitliebe alle Berbältniffe befriedigend ordnet, die Rückſicht
auf die Gefe joa und die unveräußerlichen Gewifjensrechte, den Eigentumstrieb und
die Nächitenliebe harmoniſch verfühnt. Die biftorifche Verſchiedenheit des Sittlichen ift 25
nur eine Verſchiedenheit der veritandesmäßigen Neflerion auf das Gefühl und feine An-
wendung oder ift in der Übertwältigung des Moralfinnes durch die felbitifchen Leiden:
ichaften begründet, nicht aber in Differenzen des Gefühls felbit, das an fich völlig einfach
und unzweideutig ift.
Hume (1711—1776) verwirft als prinzipieller Empirift oder beſſer Pofittoit den 30
imaginären Intuitionismus eine® moral sense, der nad) angebornen Ideen und pſycho—
logischen Myſterien fchmedt, und fucht ohne Herbeiziehung eines folchen zweiten Prinzips
lediglib aus den Senjationen und ihrem Luft: und Unluftgefühl die fittlihen Prinzipien
zu geivinnen, wenn er auch im Unterfchied von Hobbes und Lode hierbei den ſpezifiſchen
Charakter derſelben feſthalten will. Er erreicht das durch die Einführung des Begriffes der ss
Vhantafie und Sympathie, zu denen ſich Aſſociation und Gewöhnung gejellen. Durch
Me Verfegung in fremdes Handeln, und zwar in ein möglichſt fremdes, ung
perfönlich gar nicht berührendes Handeln, und in ben von biefem Handeln Betroffenen
empfinden wir alles die natürlichen Triebe und Bebürfniffe fürdernde und vollendende Han:
dein mit. Daraus entfteht bei Vergleihung vieler ſolcher Fälle ein Durchfchnittsbegriff 0
des fürdernden und vollendenden, Individuum und Gemeinjchaft beglüdenden Handelns,
der von ber Beteiligung ber Selbitliebe des Betrachters ganz unabhängig iſt. Er ge—
winnt den Charakter eines objektiven Ideals, Das wir bei eigenem und bei uns betreffen:
dem Handeln anderer dann unwillkürlich als Maßſtab des Handelns anlegen. Co entitebt
auf dem Umweg über die Sympathie, aus der bald mit dem Handelnden bald mit dem 45
Betroffenen enden Selbftliebe, die nicht direkt perſönlich intereffierte Schätzung eines
deals, dag über den eigenen und über den fremden Intereſſen als gemeinjame Norm
5*8 —* Erziehung, Bildung, Tradition und Geſetz wird dieſes Ideal zu einer
bar völlig objektiven Macht, die bald als Geſetz bald als Gewifſensinftintkt betrachtet
wird und keinen Gedanken an ihren Urſprung mehr enthält. Das fo zu ſtande kommende so
Ideal felbft aber ift nach feinem Inhalt das Ideal einer geſund entfalteten Berfünlichkeit
u —— Geſellſchaft, die ſich gegenſeitig durch Entfaltung aller Anlagen das
lichſte Glücksgefühl ſichern. Denn die mitempfindende Sympathie erſtreckt ſich nicht auf
iedigung der gemeinen Selbſtliebe als ſolcher, ſondern, wie Butler richtig geſehen hat,
auf die Herftellung der dem Menfchen um ihrer jelbft willen wertvollen Zujtände und 55
Sachverhalte, jo daß alfo die Sympathie die Förderung und Verwirklichung des menjch:
lihen Weſens in feinen natürlichen Trieben und Bedürfniſſen mitenpfindet. So gelangt
Hume als umfafjender Denker, Menschen: und Geichichtöfenner zu der Shaftesburg ver:
wandten Idee der Humanität, die nur freilich auch bei ihm in einer weltmänniſchen
Utilitätsmoral ſtecken bleibt. Eines religiöfen Hintergrundes bedarf dieſe Moral nicht. 60
460 Moraliften, engliſche
An fih würde ihr ein optimiftifcheteleologifcher Theismus oder Pantheismus am beiten
entfprechen; aber gerade davon wiſſen die pofitiven Religionen nichts, die vielmehr um:
gefehrt überall die Moral durch Euperftitionen verderben. Insbeſondere das Chriftentum
iſt mit feinem fchroffen Spiritualismus und feinem daraus entfpringenden asfetifchen
5 Tualismus der wirkliben Moral des handelnden und vollen Menſchen gefährlib. Den
Staat leitet Hume nicht aus diefen ethifchen Ideen ab, fondern aus der bewußten Dr:
ganifation ſocialer Mohlfahrt, deren Regeln aber durch Aflociation und Gemöhnung mit
den fittlichen Regeln verichmelzen.
Eine ſehr Scharffinnige Fortbildung findet diefes von Hume eingeführte Prinzip der
10 Sympathie bei Adam Smith (1723—1790), dem Begründer der klaſſiſchen National:
öfonomie, der in der theory of moral sentiments die Prinzipien des Altruismus als
Die Grundlage von Gefellichaft, Staat und Menfchheitsgemeinfchaft entwidelt, wie er im
wealth of nations den berechtigten, wohlverſtandenen Egoismus als die Grundlage der
wirtfchaftlichen Arbeit darftellt, und der beide Prinzipien vermöge der Harmonie des
15 menſchlichen Wejens und der teleologifchen Aufeinanderbeziehung der Affelte ſich zum
Ganzen der menfchlihen Gefittung zufammenfcliegen läßt. Damit nimmt die Ethik
endgiltig die Richtung auf die allgemeine Kulturpbilofophie und unterfucht erft innerhalb
derjelben die fpezififch ethifchen Beurteilungen und deren Bedeutung und Wirkung_ für
das Ganze des Öemeinlebens, Dieſe Unterfuhung ſelbſt verläuft in einer Vertiefung
20 des Bent ffes der Sympathie, der leiftet, was die Cambridger vergeblich durch ihre ratio-
nale Konftruftion der Notwendigkeit des Sittlichen verfucht hatten, und der die Thatfache
auftveift, die die Theoretiker der Eelbftliebe zugleich vorausgefeßt und überſehen batten,
der aber auch von Humes utilitariicher Behandlung ſich zu entfernen bat. Die Stmpatbie
ift nämlich, fo fern fie für das Eittliche in Betracht kommt, nicht Mitgefühl mit den
Folgen de Handelns und PVerfegung in den Genuß dieſer Folgen für den Hanbelnden
und den Betroffenen, ſondern Mitempfindung mit den Motiven des Handelnden und mit den
von den Betroffenen auf diefe Motive gerichteten Gefühlsreaktionen. Die fittlichen Ideen
entſtehen aus der Gemeinſchaft und durch die Gemeinſchaft; ſie beruhen auf einer
befonderen Gemeinfchaftlichkeit des Gefühle gegenüber dem mit: und nachempfundenen
Motiv und der ſeeliſchen Wirfung des Handelns. Aus einzelnen folden Erfahrungen an
anderen und aus der Reflektierung der Urteile der anderen in Die eigenen Empfindung
entfteht die Idee eines unbeteiligten mit ung empfindenden Zufchauers, mit dem auc mir
empfinden, der das verförperte menfchliche Gemeinbewußtfein und der in Erziehung, öffent:
licher Meinung und Inftitutionen befeftigte Niederſchlag der einzelnen fittlihen Urteile iſt
35 So fommt aus diefer Rurzelung im Gemeinbewußtſein der Notwendigkeitscharafter des
Sittlichen zu ftande, der noch vermehrt wird durch die Einficht, daß diefe Regeln des
Handelns zugleih die Negeln für Bewirkung von Harmonie und Glüd der Gejellichaft
find. Das letztere begründet freilich Die fittliche Geltung durchaus nicht, aber es verftärkt
fie durch ihre Eingliederung in die harmonische Organifation der ge nzen Natur, die in
Inſtinkten und Gefühlen uns mit den Regeln zur Erreichung des enſchheitsgluckes aus⸗
gerüſtet hat. Damit iſt der Begriff der Sympathie in den des Gemeinbewußtſeins und
die Individualpſychologie in die Socialpſychologie übergeführt, die freilich einen wirt:
lichen Grund für die Allgemeingiltigfeit der fittlichen Urteile nicht angegeben bat, die
aber Die ganze pfuchologifche Unterfuchung von den nunmehr erfchöpften individualpficho:
5 logischen Reflerionen zu anderen Quellen der Allgemeingiltigfeit hinweiſt. Materiell wird
dieſe optimiftifche, Altruismus und Egoismus vereinigende und diefe Vereinigung auf eine
theiſtiſche Metaphyſik jtügende Hulturpbilojopbie ale mit den Grundideen des Chriftentums
übereinjtimmend betrachtet, wober aber der chrijtliche Altruismus erjt mit dem Etaat und
Wirtſchaft erzeugenden Egoismus zufammen die Prinzipien des Handelns barftellt.
so (E. Pfleiderer, Empirismus und Skepſis in D. Humes Vhilofopbie als abjchließende Zer⸗
jegung der englifchen Erfenntnislchre, Moral und Religionswillenichaft, Berlin 1874;
A. Unden, A. Smith und Kant, Yeipzig 1877.)
IV. Tamit ift der Srunditod der Begriffe der modernen wiſſenſchaftlichen Ethik
geſchaffen. Malebranche und Paſcal haben dann tiefe Einſichten in das Weſen der religiöſen
55 Ethik hinzugefügt, die aber für die nächſte Zeit ohne Wirkung blieben. Bayle hat das
Thema des Verbältniffes von Sittlichkeit und Religion unter den Gefichtsp untten der
Sanktion und der übernatürlichen Hilfen einfchneidender behandelt. Spinoga hat die etbifche
Bedeutung des Tenfens und der Wiſſenſchaft zum Zentrum ber Ethik gemacht. Die
‚sranzofen baben die ſenſualiſtiſche Ethik der Zelbitliebe in ihre Konſequenzen —
co Leibniz hat die Idee der Individualität und der Entwickelung des Selbſt in die
Is
er
*
,
&
Moraliften, englifche Morata 461
eingeführt, und Roufleau die Gefühlemoral belebt, indem er zugleich das folgenreiche
Problem des Wertes der Kultur im Verhältnis zu den einfachiten ethischen Gefühlen
aufrollt. Die vor allem an die Schotten fi) anfchließende Genfer und Berliner Auf:
Märung bat die elysologiitiice Analyſe feinfinnig fortgejeßt und metaphyſiſch fruktiſiziert.
Aber weſentlich Neues iſt mit alledem nicht geichaffen. Erſt Kant ftellt die Trage der
Allgemeingiltigfeit des Sittlichen auf einen neuen Boden und löft die Analyfe von den
Methoden des Pſychologismus ab, indem er fie in die transcendentale Analyfe des Be:
wußtſeins verwandelt. Andererjeits hat Schleiermacher die inhaltlichen Begriffe des Sitt-
lichen, die Humanitätsfittlichleit und die Kulturidee, ethiſch als Syftem der Güter ordnen
und bearbeiten gelehrt, womit die Veränderung und Ausweitung der ethifchen Mächte erjt 10
ihre begrifflihe Bearbeitung findet. Moderne Socialpfychologie und Entiwidelungslehre
haben dann noch neue Momente hinzugefügt, in deren Zufammenfaflung mit den ge
nannten fich die moderne Ethik darftellt. Die Grundzüge der Gedanken aber entftammen
der englifchen Ethil, mit deren Nachwirkungen Kant Ya auseinanderjegte und deren Ein⸗
flüſſe in Herders Humanitätsidee unverkennbar find. So haben ſich die unter dem Anitoß 15
der großen englifchen Krifis ausgearbeiteten Ideen der pſychologiſch-hiſtoriſchen Analyfe, der
Abgrenzung verjchtedener felbititändiger Sphären fittlicher Zwecke, der Auflöfung des
alten dogmatifchen Verhältniffes von Religion und Moral, der Autonomie und des Gegen:
ſatzes gegen den auguftinifchen Dualismus in der philofophifchen Ethik durchgefegt. Die
Wirkung auf die Theologie beitand einerfeitS in der Schöpfung einer an die 20
Moralpſychologie angelehbnten Religionspbilofophie, die von den feiten mora-
liſchen Daten aus die Probleme der pofitiven Religionen aufzulöfen im ftande fein follte,
andererjeitö in der Hervorbringung einer neuen Disziplin der theologiſchen Ethik.
Die bisherige theologifche Ethik war, ob jebieftänig bearbeitet oder nicht, eine Depen⸗
benz der Dogmatil, die von der Dogmatik die Geltung der Offenbarung und damit der 25
fittlichen Vorfchriften entlehnte und ebenjo aus der Dogmatik die Idee der Wiedergeburt
und der Gnadenträfte empfing, der daher bloß die bejonderen Probleme des Verhältnifjes
von Gnade und Freiheit, Glaube und Werfen und die Kaſuiſtik verblieben. Dabei flocht
fie Entlehnungen aus der philoſophiſchen Ethik ein, deren Verhältnis zu der Offenbarungs-
und Gnadenethil vermöge der vorausgeſetzten prinzipiellen Spdentität von lex naturae »0
und lex divina fein Problem war. Im Gegenjage bierzu wird nun unter der Ein:
wirfung der neuen ethifchen Analyje und der von ihr beleuchteten Veränderung der Jitt-
lichen Werte die theologische Ethik zu einer felbititändigen Disziplin, die den von den
Reformatoren zurüdgefchobenen Begriff eines chriftlichen Sittengefeßes ausbilden muß und
mit diefem wie mit der Antvendung diejes Geſetzes auf das Leben eine neue Aufgabe ss
gewinnt. Sie pt von der allgemeinen etbifchen Analyje aus Begriff und Geltung der
hriftlichen Ethi tft tellen, vermittelt die Gnade pſychologiſch, d. h. versucht fie in
einhelbeitch verftändliche immanente Vorgänge aufzulöfen ohne Preisgabe übernatürlicher
ntriebe und ftrebt die überweltliche chriftliche Beurteilung der etbifchen Werte mit einer
innerweltlich-humanen zu vereinigen. So wächſt die theologiſche Ethif an Wichtigkeit 40
eine Zeit lang der Dogmatit über den Kopf und läßt diefe zu einer Dependenz der
Ethik herabfinfen. Die Wiedererhebung der Dogmatik und die erneuerte Selbititändigfeit
des religiöjen Elementes, die fi) auf die theologifche Neftauration und auf Schleier:
macher zurüdführten, haben zwar die Dogmatik der Ethik gegenüber wieder verjelbit-
ftändigt, dafür aber die Probleme der theologischen Ethif in um fo größerer Unordnung 45
urüdgelafjen. Hier hat erſt Richard Rothe, auf Fichte und Schleiermacher geftütt, den
Neubau vorgenommen, der durch die Gefamtlage gefordert wurde. (Gap; Luthardt;
Stäudlin, Neues Lehrbud der Moral, Göttingen 1825, bier ältere Xitteratur; de Wette,
Überficht über Ausbildung der theol. Sittenlehre in d. luth. Kirche jeit Calirtus, Echleier:
machers Theol. Zeitichr. I 247— 314, II 1—82, Berlin 1819/20, Stäudlin; Artikel co
„Ethik“ Bd V ©. 556.) E. Tröltſch.
oO
Moralitäten |. Spiele, geistliche.
Morata, Dlimpia (eigentl. Olimpia PBellegrini), geb. 1526, geit. 1555. — Ihre
Opera, beitehend aus teilweije verjifizierten Stilübungen in lateiniſcher und griechiſcher Sprache
und aus Briefen, hat Celio Seconde Curivne in Bajel herausgegeben; fie erſchienen zuerjt 55
1558, dann 1562, 1570 und 1580, die beiden legten Ausgg. nicht unweſentlich vervolljtändigt
und gefolgt von Briefen von und an Curio ſowie jonftigen Produkten feiner Feder (vgl.
8b IV ©. 353,16). Wir citieren nad) der Ausgabe v. 1570. Ihr Titel lautet: Olympiae
460
An Ti:
en:
%
:orata
°. Opera. . Basileae apud Petruni
„u Lett. ital. t. IV. p. 160 (Mailand 18551:
«t. 1535 war mir nicht yugenglid!: Gm
: Mem. della R. Deputaz. di Storia patria...
nennt. hist, erit. de Olympiac Moratae Vita.
it ote J. G. W. Delle, Francof. ad Viadrum
vweribfe, De Olympia Fulvia Morata, gZittau 1898
and writlings of O.M.. Voſton 1846 idesgl.:
zit I850 u. ö., auch in ital., deutſcher und engl.
.:t zn der deutſchen (von Dr. Merſchmann, Hamburg
a iſt frei erfunden trog der Angabe „tratto da
cret eine Darjtellung auf der Rückſeite des lebten
er Opera von 1570, wo Tlimpia dem thronenden
2 der Herſtellung eines zuverläſſigeren Porträts.
aa II. p. 28351 (Roma 1503: Rodecanachi, Renee
. ai, J Burlamacchi e di ale. doce. intorno a Renata
Fules don Ferrara (MEN 1578, D; Zendrini, Ol. M.
1.1. Z3tg. 1900, 153).
. when zu Cello Secondo Curione, einem Der Hauptver—
ARu Italienern Des 16. Jahrhunderts, ſtand (val. Bd IV
„LE vierziger Jahren Der Humaniſt Fulvio Pellegrini m
Korte. In dem Briefwechſel Curiones finden ſich zwei
les am dieſen, Deren eines tiefgefühlten Dank dafür zum
Run Freunde in religiöſen Fragen Den rechten Weg gezeigt
54, p. 515-517), während dieſer im dem anderen ſich
roanum ac vas eleetum ad Dei gloriam"” nennt er ibm
enrem Veſuche dringend einladet (ebd. .S. 313 f.). Es acht
oehl in Die Zeit kurz dor oder nad der Überſiedelung Curiones
sd IV 2.551,50 fallen, hervor, daß er es geweſen, Der Dem
were evangeliſcher Froömmigkeit aufgedrüdt bat, welchen aud
oe vauſes, Die liebliche Olimpia, trägt.
went Der Prinzen \ppoltto und Alfonſo in Beziebungen zum
an, er bat Ipaterbin auch ein öffentliches Yebramt an Der Dertigen
“Sm eigenen Hauſe leitete er mit größter Zorgfallt Die Erziebung
a MU hochbegabten 1526 in Ferrara geborenen Olimpia. Ein
ar Miele in Der jet, als ſie ihr 19. Yebensjabr erreichte. Damals
mFerrara. Olimpia entwarf und bielt vor einer zablreichen Zu—
tl „Prolegomena in Ciceronis Paradoxa“ -- in drei Ab:
_. iid dieſe Prolegomena an Die Zpige der „Opera“ geitellt. Auf die
wre Bibliothek aufbewahrte Original-Niederſchrift bat Curione ſelbit
‚. 'yımpia suopfe ingenio invenit, suo stylo et artificio elocuta
-saravit, Sua voce pronuneiavit, me audiente cum multis aliis
wata AV, anno salutis MDXXXX, III Idus Junii. Haec ego
voten ugl. Rivista Cristiana, Florenz 1878, S. 5). Wenn Bellegrint
nt Holz die erſten Früchte dev von ihm geleiteten Erziebung ſeiner
riſchen Geiſte gereift ſah, to iſt er doch nicht ihr einziger Yebrer au:
er geil in einem griechiſchen Schreiben an Den deutſchen zeitweiſe in
nn uümaniſten Kilian Sinapius (Zend, Den Bruder des als Projieſſor
angeiſtellten Jobhann Sinapius, daß jener fie in Die Kenntnis Des Grie—
a laihe Opera, p. Tat). Nicht unwahrſcheinlich iſt es, daß der er—
or hun Die Aufmerkſamkeit auch am Hofe Der Herzogin Renata von
Ya) ſie gelenkt hat. Wenigſtens iſt ſie vermutlich 1510 als Geſell—
luriengeneſſin der 5 Sabre jungeren Prinzeſſin Anna, Der älteſten Tochter
a Dei gedient worden. Dort glänzte Ste trotz ihrer Jugend und Re:
taub „ein Zum in Dem um Renata verſammelten jungfräulicen Chore“,
ht Ja und wie Calcagnini und andere 05 beſtätigen. Nach Herzensluſt
imndpla Mb Den geliebten Studien hingeben an einem Hofe, an dem DW
Biſſenſchaften Tradition war. Als ent Höbepunkt der Dort gepflegten Elafil-
Arnzunnen und Liebhabereien erſcheint Die ſorgfältig vorbereitete, bei einem Be
ehe feet IV ut Ferrara 1515 Dargebotene Aufführung der Adelphi des Terenz,
Morata | 463
bei welcher die Hauptrollen in den Händen der Prinzen und Prinzeffinnen des Haufes
Efte lagen (Muratori, Antichitä Est. II, p. 368).
Wenn fo die Keime humaniftifcher Erziehung, wie Olunpia fie aus dem Elternhaufe
mitbrachte, in günftigen Boden verpflanzt, weiter wuchſen und Früchte trugen, jo tar
der Aufenthalte am Hofe auch nach anderer Seite für Olimpia von Bedeutung. Zu Anna 5
von Eite trat fie in eine ſehr innige Beziehung: diefe ſowohl wie die Mutter haben fie
Sabre lang nicht wie eine Dienende, fondern tvie eine liebe Freundin und Schutbefoh:
lene betrachtet und behandelt. Wenn fie vom Elternhaufe religiöfe Grundanfchauungen
mitbrachte, welche der Reformation entiprangen, fo tft ihr am Hofe auch darin fein Hin-
bernis in den Meg gelegt worden, obwohl aus ihren eigenen fpäteren Außerungen ber:
vorgeht, daß eine fürdernde Pflege derjelben nicht ftattgefunden bat (ſ. unten und vgl.
d. Art. Renata von Ferrara). Alles in allem wird man äußerlich betrachtet die Zeit
ihres Aufenthaltes am Hofe als die glüdlichite ihres Lebens bezeichnen können. Einen
jäben Abbruch follte diejelbe im Tahre 1548 finden, in deflen Verlauf mehrere ſchwere
Schläge hintereinander fie trafen. Zunächſt verließ die Prinzeſſin Anna den Hof; ſie ıs
heiratete den Herzog Franz von Lothringen (Guife) und zug nad Frankreich; es folgte
der Austritt der nächititehenden Freundin Lavinia della Hovera, melche fih mit dem
Fürſten Urfini vermählte. Dann traf Dlimpia der Tod ihres Vaters, und als fie aus
dem Glternhaufe in tiefer Trauer an den Hof zurüdfehrte, hatte fich dort die Stimmung
in fo entjchiedener Weife gegen fie geftaltet, daß fie erfannte, ihres Bleibens könne nicht 20
länger, fein. Was den Umfchmung hervorgerufen, bleibt ungemwiß: weder Olimpias Briefe,
noch Außerungen von Renata oder font Nächitbeteiligten geben Aufſchluß. Der jüngſt
durch Fontana (Renata di Francia, II [1893] ©. 297) angebeutete Weg, durch Sta-
tuterung eines Konfliktes von Olimpiag angeblich ſpezifiſch „Lutherifcher” Richtung und Neigung
mit den „calvinifchen” Traditionen des Hofes das Nätjel zu löfen, iſt völlig verfehlt, 25
zumal da Fontana lediglich auf das Verhältnis zwiſchen ihr und dem jungen ſich eben
jur medizinischen Promotion vorbereitenden, aus Schweinfurt ſtammenden Grünthler re:
rriert — eine Beziehung, welche thatfächlih erft nad Dlimpias Sturz und Weggang
vom Hofe begonnen hat. Jedenfalls liegt eine Hofintrigue bier vor, an der nach Bonnet
wohl der damals in der Nähe der Herzogin lebende Boljec (j. d. A. Bd III, 281) beteiligt mar 30
— vielleiht hat der Herzog felber, der fehon früher eingegriffen hatte, wo ihm gemiffe
Vorgänge in Nenatas Nähe unbequem murden, zur Entfernung der Tochter des verftor-
benen Ketzers den Anſtoß gegeben. Für Dlimpia felbjt iſt die bittere Erfahrung ein
Weg zu innerer Feftigung geworden. Sie ſpricht ſich in einem Briefe an Curio (Oft.
1551) folgendermaßen darüber aus: „Bald nad) dem Tode meines Vaters haben die: 35
jmigen, von denen ich es am menigiten verdiente, mich verlaſſen und mich) unwürdig be:
bandelt; und meine Schmweitern (jie hatte deren drei) haben Gleiches ertragen müſſen —
Haft für Hingabe und Dienfte. Keiner nahm Rüdfiht auf unge, und Schwierigkeiten
drängten von allen Seiten auf ung ein. Aber der gütige Vater der Waifen hat nicht
gewollt, daß ich länger ale zwei Jahre unter foldhen Übeln bleiben follte... Jetzt ift ao
e& mir lieb, daß ich das alles durchgemacht habe: wäre ich länger am Hofe geblieben,
jo wäre es mit mir und mit meinem Heile fchlecht beftellt getuefen — habe ich doch, fo:
lange ich dort lebte, in den höchſten Dingen feine Förderung erhalten und bin nicht zur
Lektüre der heiligen Schrift gefonmen. Nachdem aber diejenige, welche ung hätte ſchützen
müflen, durch Übelwollen und Verleumdungen fchlechter Menſchen unferer Familie abge 45
neigt wurde, haben alle die £urzlebenden, flüchtigen und vergänglichen Dinge ihren Wert
mich verloren” ... (Opera, p. 94, 95).
So trat Dlimpia, innerlich gereift, gegen Ende 1550, in die Ehe Daß fie ihrem
en, dem im Baterlande gute Ausfichten winkten, dortbin folgen werde, ftand ihr von
bomberein feit, wie ſchwer auch der Entſchluß ihr fallen mußte Im Frühjahr 1551 v0
tmte fie, den achtjährigen Bruder Emilio mitnebmend, über die Alpen; zunächft für
örere Monate nah Augsburg, wo Grüntbler feine Kunft an dem ſchwerkranken
iferlihen Nate Georg Hermann bewies, und von wo fie zum Bejuche des nunmehr in
Virburg als Profeſſor an der Hochfchule wirkenden Johann Sinapius reiften, un endlich
N Schweinfurt, der Vaterjtadt Grünthlers, im Oftober 1551 das eigene Heim zu gründen. 55
Außerlich gefichert führten fie über ein Jahr lang in diefer fleinen freien Reichsſtadt
in ſtilles bejcheidenes Leben —, Olimpia zwar von den Anregungen, mie die Heimat fie
dot, getrennt, aber alüdlih in der Liebe ihres Mannes, den fortgefegten Studien, der
Seranbildung ihres Bruders und der Führung ihres Kleinen Haushalts. Übertragungen
von Palmen im griechifche gebundene Rede, auch einzelne Überbleibfel ihres Briefwechſel⸗
fe}
0
464 Morata Morig von Sachſen
zeugen von der alten Liebe zu den Wilfenichaften und von ihrer dauernden Anbänglid-
feit an die Xhrigen. Zwei ihrer Schweitern waren inzwiſchen auch in die Ehe getreten,
und die Mutter bei der jüngften geborgen. Für den Fortgang der Reformation in
Italien zeigt ſich Olimpia eifrig bemüht; fie regt ihre Landsleute wie Vergerio (f. d. 4.)
b und Flacius Illyricus (ſ. d. A.) an, litterarifch nach diefer Seite bin zu arbeiten, insbe
ſonders geeignete Schriften Luthers ing Stalienifche zu überjegen.
Da brach im Jahre 1553 über den Zufluchtsort, den fie gefunden, ein furdhtbarer
Sturm berein. Der wilde Markgraf Albrecht von Brandenburg, obwohl dem vom Sur-
fürften Mori gegen den Kaifer gefchloffenen Fürftenbunde nicht angehörend, erſchien mit
10 Truppen in Franken, um jeine Pläne gegen die Bistümer Bamberg und Würzburg aus-
uführen, und warf fih in die Stadt. Monate lang belagerten dann die Scharen der
—** die Stadt; die Peſt brach aus, die Lebenshaltung warb in ſteigendem Maße
erfchtwert — endlich drangen durch eine Liſt die Bifchöflichen ein, mordeten und plün-
derten, und nur tie durch ein Wunder gelang es Grünthler, mit den Seinen zu flüchten.
15 Dlimpia giebt in Briefen (vgl. bei. den an ihre Schweiter Vittoria, jegt im italienifchen
Driginal veröffentlicht in Riv. Crist. 1878, S. 5—7) genaue Auskunft über ihre aben-
teuerliche Flucht: ausgeraubt bis auf das Yebte, gefangen, dann wieder freigegeben,
fommen ſie in das Schloß des Grafen von Erbach, der fie in edeliter Weile aufnimmt
und endlih im Mai 1554 nach Heidelberg ziehen läßt, wo burdı feine Vermittelung
20 Grünthler eine Profeſſur der Medizin erhalten hatte. Aus diefem lebten Afyl datieren
Olimpias letzte Briefe. — Der zarte Körper hatte den furchtbaren Entbehrungen unt
Erregungen nicht Miderftand leiften können; eine tötliche Krankheit hatte DO. ſchon in
Schweinfurt ergriffen, und unaufbaltjam verzehrte das Fieber ihre ſchwachen Kräfte —
der Abſchiedsbrief an Curione iſt voll Glaubensfreudigkeit, voll Dank gegen Gott für
2; alles, was ihr gewährt worden (Opera S. 185ff.) und bezeugt ihre erhebende Tobes-
freudigfeit ebenjo twie der Bericht des troftlojen Gatten an denfelben über ihr Hinfcheiden
(ebd. S. 187 ff.), welches am 26. Oktober 1555 erfolgte. Kurz nachher raffte auch die
beiden Überlebenden der Tod dahin — in gemeinfamem Grabe in der Peterskirche hat
man fie beftattet; Freunde festen eine Inſchrift auf den Grabftein, die folgendermaßen
30 lautet: „DEO IMM. S. et virtuti ac memoriae Olympiae Moratae Fulvij Mo-
rati Ferrariensis philosophi filiae, Andreae Grütleri conjugis, lectissimae femi-
nae, cuius ingenium ac singularis utriusque linguae cognitio, in moribus
autem probitas summumque pietatis studium supra communem modum söper
existimata sunt. Quod de ejus vita hominum iudicium beata mors sanctissime
» et pacatissime ab ea obita divino quoque confirmavit testimonio. Obiit mutato
solo A. salut. D. L. V. supra milles(imum), s. aetatis XXIX. Hic cum ma-
rito et Aemilio fratre sepulta. Guilelmus Rascalonus, Mi(ed.) D(octor) BB.
MM. PP. '
Auch die Stadt Schweinfurt hat das Andenken diefer edlen Frau, die ald Gaft kurze
40 Zeit in ibr weilte, geehrt; man hat das Haus, in welchem Grüntbler wohnte, toteder
bergeftellt und eine Tafel anbringen laffen mit der Auffchrift:
Vilis et exilis domus haec quamvis, habitatrix
Clara tamen claram sat facit et celebrem.
Zahlreiche verfifizierte „Elogien“ find der Sitte der Zeit entfprechend der Verſtorbe
15 nen von gelebrten Freunden gewidmet worden — fie finden fich als Anhang der „Opera"=
Z. 215-265. Benrath.
Mord bei den Hebr. ſ. d. A. Gericht u. Recht Bd VI ©. 579.
Morgan, Thomas, geit. 1743 |. d. A. Deismus Br IV S. 544, ff.
Morganatifhe Ehe ſ. d. U. Mipbeirat, oben S. 89, m.
zu Moria f. d. U. Jerufalem Br VIII S. 677, w.
Moris von Heſſen ſ. d. A. Verbeijerungspunfte.
Moris von Sachſen j. d. A. Interim Bd IX S. 210.
Mormonismus 465
Mormonismus. — The Book of Mormon: an ac&ount written by the hand of Mormon,
upon plates taken from the plates of Nephi. By Joseph Smith, junior, author and proprietor,
Balmyra 1830 (in allen fpäteren Auflagen ift Smith nicht mehr als Autor, fondern nur als Über—
jeßer bezeichnet). Srfe europäifche Ausgabe, Liverp. 1841. Beſte Ausgabe „with division into
chapters and verses by Orson Pratt sen.“, Salt Lake City 1879 (miederholt neu gedrudt). 5
Das Bud) ift in 13 verfchiedenen Sprachen überſetzt. — Book of Doctrine and Covenants of
the Church of Latter-day Saints, campiled by Joseph Smith, jun., Kirtland 1835 (282 Geiten).
Third edition (444 Seiten), Nauvoo 1845. Dasſ., „divided into verses“, Salt Lake City 1883. —
The Pearl of Great Price: being a choice selection from the revelations etc. of Joseph
Smith, First Frophet etc., Ziverpool 1851 (Salt Lake City 1891). Dieje drei Werke, welche 10
die Mormonen als heilige Schriften betrachten, find nebſt anderer offizieller mormonifcher
Litteratur, in deuticher Ueberjegung und dem englifhen Tert in dem Miffionsbureau Frank⸗
furter Allee 126 Berlin zu erhalten. The Times and Seasons, Nauvoo 1839—45 (6 voll.).
The Millennial Star, Liverpool, gegründet 1840, offizielled® Organ der europäifhen Mijlion.
Deseret News, gegründet 1852. lt Lake City (Offizielle Organ der Mormonen). The 15
Saints’ Herald, gegründet 1860 (Offizielles Organ der „Reorganized“ Church) Lamoni,
Iowa. — 3. Xaque?, Catechism for Children, Salt Lake City 1870. — Sacred Hymns
and Spiritual Songs for the Church, Salt Iake City (several editions). — Parley
®. Pratt, A Voice of Warning to all Nations, 1838 u. ö. (hat eine jehr wichtige Rolle
in der mormonifhen Propaganda geſpielt). Bon demfelben Berfafler: Key to Theology, 20
Liverpool 1858, neue Ausgaben Salt Lake City. — Journal of Discoursees by Brigham
Young and others, Liverpool, 1854—76. — Joseph 3. [sic!] Smith and Heman C. Smith.
History of theChurch of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1891 fol. (bi® jetzt 4 Bde; vom
Standpuntt der „Reorganized“ Church). Lucy Smith [des Propheten Wutter], Biographical
Sketches of Joseph Smith and his Progenitors for many Generations, Liverp. 1853 (unterdrüdt 25
von PBräjident Brigham Young, neugedrudt 1880 von der „Reorganized“ Ohurch). J. E. Tal:
mage (gegenwärtig die erſte wiſſenſchaftliche Autorität unter den Mormonen) Articles of Faith,
Salt Lake City 1899. Ein Bild des gegenwärtigen Mormonismus gewähren die Schriften
von B. H. Roberts, The Gospel; Ontlines of Eceles. History; New Witness for God u. a. Salt
Lake City. Ferris, Utah and the Mormons, 1854; Stenhoufe (ein abgefallener Mormone), 30
The Rocky Mountain Saints, 1873. H. H. Bancroft, History of Utah, 1890; Zinn, The Story
of the Mormons, 1902 (das befte und vollftändigfte Wert); Wiley, The Founder of Mor-
monism, a Prolog study etc. 1902 (lehrreih). Schlagintweit, Die Mormonen u. |. w.,
2. Aufl., Köln 1878. Fotſch, Zur Kenntnis der Mormonen (in Dentwürdigteiten der Neuen
Belt, Bd 2, ©. 126—251), [1891?). 35
Mormonismus ift die gewöhnliche Bezeichnung einer religiöfen Zelte, die von Joſeph
Smith in Mandjeiter N. Y. im Jahre 1830 gegründet, und 1847 nach Utah mit der
Hauptniederlaffung in Salt Lafe City verlegt wurde. Die Sclte felbft erkennt diefen,
vom Titel ihrer eriten bl. Schrift entnommenen Namen nicht an, fie nennt fich offiziell
„Die Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen ver legten Tage‘. Das Wort Mornon ift so
wahrjcheinlich eine reine Erfindung (es ift ſehr wenig Grund zu der Annahme eines
Julammenhange mit dem griechifchen uooumr). Smith erklärt die Ableitung des
orte im ex cathedra Stil wie folgt: Kir, die Englifchiprechenden, jagen nad dem .
ſächſiſchen good; die Dänen god; die Goten goda; die Deutichen gut; ‚die Holländer
gocd; die Lateiner bonus; die Griechen kalos; die Hebräer tob; die Agypter mon. 4
Daher haben wir unter Hinzufügung von more, oder verfürzt mor, das Wort Mormon,
welches wörtlich bedeutet mehr gut, more good. '
. Smith wurde geboren in Sharon, Vermont am 23. Dezember 1805; er mar das
Dierte unter zehn Kindern. Sein Bater war ein Mann von zweifelhaften Rufe und
Con unbeftändiger, ruhelojer Gemütsart. Er trieb fih ohne feiten Beruf und ohne Aus: so
er bei irgend welcher Arbeit haufierend umber, wahrjagte, verkaufte Segensſprüche u. dgl.
Des Propheten Mutter war dem Vater an Intelligenz und Willenskraft überlegen; aber
Te war ebenfo ungebildet und glaubte wie diefer an Viſionen, Erjcheinungen, Träume u. dgl.
Nachdem die Familie ihren Wohnort nicht weniger ald achtmal verändert hatte, zog
fre 1815 nad myra, in Wayne (damals ein Teil von Ontario) County NN). Hier cs
Cröfmete der Bater eine Kuchen: und Bierhandlung. Nebenbei verrichtete er und
feine Söhne alle Arten niedriger Arbeiten, wie fie diefelben befommen fonnten. Nach
Ungefähr vier Jahren in Palnıyra bezog die Familie eine Farm in der Nähe des be-
nachbarten Dorfes Manchefter. Sie jtand dort in feinem beſſeren Rufe. E83 fehlte ihr
an Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe. Die Knaben waren arbeitsicheu und Landftreicher,
einige von ihnen konnten nicht leſen. Joſeph war nicht beffer als feine Brüder; er lief
ungefämmt umher, war unmäßig träge, und Spinnftubenmärdhen und ungereimten Ge:
ſchichten überaus ergeben; leſen fonnte er, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit; außer:
RealsEncyklopädie für Theologie und Nirde. 3. A. XI. 30
0
— ⸗
466 | Mormonisund
dent fchrieb er eine jehr unvollkommene Hand und hatte eine fehr beichränkte Kenntnis
von den Clenentarregeln der Arithmetil. Das waren jeine höchſten und einzigen Fort⸗
Schritte (O. Vratt, Remarkable Visions ete.). Als Süngling wurde der zufünftige Propbet
vielleicht nocd weniger geachtet ale feine Brüder. Doch galt er nicht eigentlich als bos-
5 haft. — Die Entwidelung eines ſolchen Knaben zum Propheten und Begründer einer
neuen Religion ift ein höchſt intereflantes pfochologifches Problem. Die Löfung liegt in
der Kenntnis der Worfahren, feiner eigenen Gemütöbefchaffenheit und feiner Umgebung
während feiner Knaben: und Jugendzeit. J. Smith batte Träume, ſah Erfjcheinungen
und vollzog Heilungen durdy Glauben; dasjelbe hatte fein Water, feine Mutter und fen
ı Großvater von mütterlicher Seite gethban (Riley p. 11). Sieben wunderbare Träume
feines Vaters find überliefert. Beſonders das Yeben feiner Mutter war erfüllt von
Träumen, Bifionen und Wunderfuren. Sie batte in NRutland County, Vermont gelebt,
wo 1801 Leute ihr Weſen trieben, welche behaupteten, den „St. Jobannie-Stab“ zu
befigen, durch den Gold und Eilber in Überfluß, auh Wurzeln und Kräuter gefunden
15 werden fünnten, die alle Arten Krankheiten heilen würden. Sie behaupteten, das wären
die Stäbe, welche (ſchon) Jeſaias erwähnt babe, unter denen Gott fein Bolt am jüngiten
Tage durchgehen laſſen würde, wenn die Herrlichkeit der neuen Welt geoffenbart werden
follte. Durch fie würden die verlorenen Stämme Israels aus allen Völkern wieder ge
jammelt werden. Sie hätten Macht über alle Zauberei; viel Gold und Silber liege in
» der Erde verborgen, durch Zauberfraft feitgebalten; aber diefe Stäbe könnten den Zauber
bredben und die Echäge unter der Erde fortbewegen und in einem Felde fammeln,
wo fie die Heiligen der letten Tage finden und zur Erbauung des neuen Jeruſalem ver:
wenden würden (Torcheiter, Christianity in the United States, ©. 538). Tide
Vorſpiegelungen machten offenbar einen bleibenden Eindrud auf Frau Smith und ihren
25 Gatten. Schon in Vermont war der lebtere ale Schaßgräber befannt. In Palmyra
ſetzte er dieſe Arbeit fort. Sein Sohn Joſeph übertraf ihn bald im Rufe ala Wabr-
Inger Ehe er 18 Jahre alt war, begann er die Aufmerkjamfeit auf fih zu lenken.
Als fein Medium benüßte er nicht einen Stab, jondern hauptfählid einen Wunderftein
(„peep stone“ oder gazing crystal). Im Jahre 1825 finden wir ihn in einer
30 Geſellſchaft von Schaggräbern in Pennfylvanıen. Dort fand er ein Mädchen, das er
heiraten wollte; da der Vater feine Einwilligung nicht gab, fo entlief das Paar und
wurde im Staate New-NYork 1827 getraut.
So war %. Smith der Erbe der krankhaften Anlage feiner Vorfahren; fein Leben
und Treiben reizte feine krankhafte Einbildungstraft. Zu Heimlichleiten geneigt, fantaftifch
3 und enpfänglich für Sinnlichkeit, geriet er in einen Zuftand feelifcher Aufregungen, der
zu epileptifchen Anfällen führte (vgl. Riley); dieſe fehrten jedoch nicht zurüd, nachdem er
völlige Reife erlangt hatte. In feinem 15. Xebensjahre fing er feinem eigenen Berichte
nach an, Erfcheinungen zu ſehen. Es war — im weitlichen New-York und dur das ganze
Yand --- eine religiös und Firchlich erregte Zeit. Man hatte wenig Bücher; neben einigen
40 Neijebefchreibungen und Schilderungen von Abenteuern hauptſächlich religiöfe Werke,
darunter rationaliftifche, die meiften kirchliche Streitichriften. Unter den kirchlichen Ge
meinjchaften waren einige gründlich fanatisch, auch bei den acıtbareren fehlte es nicht an
manchen Berfchrobenheiten. Joſephs Jugend fiel in die Zeit der „großen Erwedung” ;
wie Yauffeuer fegte fie durch das Land und an vielen Orten führte fie zu epibemifchen
45 krankhaften Erjcheinungen. Bon diefem Geijte wurde Jofeph ergriffen: unter dem Ein—
fluß religiöfer Erregung batte er feine erjte Bifion. Er ging in einen Hain, um zu beten.
Kaum batte er zu fprechen begonnen, als er von einer Macht, die ihn völlig überwäl-
tigte, ergriffen wurde. „Dichte Dunkelheit umbüllte mich, und es fchien mir eine Ve
lang als ob ich plößlich vernichtet werden würde. Aber im Augenblid der größten Be
;o ftürzung, ſah ich eine Yichtfäule gerade über meinem Kopfe, den Glanz der Sonne über-
jtrablend, fie neigte ſich allmäblich herab, bis fie auf mich fiel. Sobald fie erſchier —
fühlte ich mich befreit von dem Feinde, der mich gefangen bielt. Als das Licht uf m
rubte, ſah ih zwei Perjonen, deren Glanz und Herrlichkeit jeder Beichreibung fpottetemez,
über mir in der Luft fteben.” Eine von ihnen Sprach zu ihm, verficherte ihm die Be
5: gebung feiner Zünden und befahl ibm, feiner der beitebenden Sekten fih anzufchließewz,
jte ſeien alle im Irrtum, aber ibm folle eines Tages die wahre Lehre geoffenbart werden.
Seine zweite Viſion hatte er am 21. September abends. Der Engel Moroni eridien
ihm dreimal in großer Herrlichteitt und nachdem er ihm die Vergebung feiner Sünden
verfichert hatte, erzählte er ibm jedesmal von goldenen Tafeln, melde unter einem
wor großen Felſen auf einem Berge in der Näbe von Manchefter verborgen wären; auf ibnen
Mormonisumsd 467
jei die Geſchichte des meftlichen Kontinents gefchrieben, die Ergänzung zu der hl. Schrift
des A und NTs. Nach mancher weiteren Belehrung jchloß der Engel damit, daß er
ihm empfahl, wenn er in Zukunft zum Befig der Tafeln gelangen follte, fie niemand zu
zeigen, ausgenommen wenn er dazu angewieſen wäre, damit er nicht vernichtet werde.
Gerade vier Jahre nach diefer Erjcheinung mollte er zu der Stelle, die ihm der Engel
angegeben hatte, gekommen fein, um von ihm die goldenen Tafeln zu eınpfangen. Sie
waren mit Heinen und Schön eingravierten Buchftaben bebedt in „neuformiertem Agyptiſch“.
Außerdem empfing er ein Paar in Silberringe gefaßte Kryftalle, angeblid das mahrhaf:
tige Urim und Thummim der altteftament. Hohenpriefter, eine Art „übernatürliche Brille”,
obne welche die geheimnisvolle Schrift nicht überſetzt werden fonnte. 1
Die erfte Perſon, die thätiges Intereſſe an der Entdeckung der goldenen Bibel nahm,
war ein Farmer, Martin Harrid. Er mar ein Quätker geweſen, dann Univerfalift,
Baptift und Presbyterianer, vom Anfang bis zum Ende ein Träumer und Schwärmer,
der feit an Träume, Bifionen und Geifter glaubte und beftätigen fonnte, daß er ben
Vorzug genoffen habe, den Mond zu beſuchen. Smith hatte finanzielle Hilfe nötig, um
jein Buch herauszugeben; Harris war bereit fie zu gewähren, wenn er nur völlig über-
zeugt werden konnte, da das Buch von Gott war. Er war begierig, die goldenen Tafeln
u feben, aber Smith war mit der Hilfe einer befonderen Offenbarung im ftande, ihn zu:
ieden zu Stellen, fo daß er glaubte, ohne zu ſehen. Nun aber machte ihm Smith eine Abſchrift
von einigen der Buchſiaben, die jener dem ausgezeichneten Philologen Prof. Charles Anthon 20
in Neim:Nork zeigte; obgleich ihn diefer vor Betrug warnte, wurde fein Vertrauen nicht
erfchüttert. Er wurde nun Smiths erfter Amanuenfis bei der Überjegung der goldenen
Bibel. Als er 116 Seiten gefchrieben hatte, törte feine ungläubige und entrüjtete
Ehefrau diefelben. Smith zmeifelte, ob fie wirklich vernichtet wären und befand fich des⸗
balb eine Zeit lang in Verlegenheit; aber er wurde durch eine Offenbarung belehrt, daß >;
die Überfegung in die Hände gottlofer Menfchen gelallen jet, denen der Satan eingegeben
babe, die Worte zu ändern, es wäre ihm daher befohlen, das Verlorene nicht wieder zu
überfegen; er folle ftatt deflen von den Tafeln des Nephi überfegen, die einen
genaueren Bericht enthielten, ala das Buch Lehi, nach dem die erfte Überjegung gemacht
worden fei. Smith ftellte nun feine rau als Amanuenfis an, bis der Dann, welcher ao
fein erfter Schriftführer wurde, Oliver Cowdery, erfchien. Cowdery war Grobfchmieb ge:
weien, und nachdem er fich ein geringes Maß von Willen angeeignet hatte, Schulmeifter
getvorden. Die Überfegung ging auf folgende Weile vor fih: quer über das Zimmer
war ein Borbang gezogen, um das heilige Dokument vor profanen Augen zu behüten ;
dahinter figend las Smith mit Hilfe des Urim und Thummim von den goldenen Tafeln 3
dem Cowdery vor, der Sab für Sat, wie er überfegt wurde, nieberjchrieb. Che das
Wert vollendet war, wurden Smitb und Cowdery durch himmlische Boten für das
aaronitifche und melchifedefianifche Prieftertum geweiht, für das eritere durch Johannes
den Täufer, für das lebtere durch die Apoftel Petrus, Jakobus und Johannes. Das aaro-
nitifche PVrieftertum gab ihnen die Macht Buße und Glauben zu verfündigen und durch 40
Untertauchen im Waffer zu taufen auf die Vergebung der Sünden. Das melcheſedekia⸗
nifhe Prieftertum verlieh ihnen die Befugnis, den Getauften die Hände aufzulegen und
ihnen den bl. Geiſt zu verleihen. Diefe Macht, jagen die Mormonen, konnte Damals nur
durch ee Boten vermittelt werden. Die wahre Kirche hatte völlig aufgebört, auf
Erden zu exiſtieren; es gab niemand, der den hl. Geift hatte. #
Mit Harris’ Hilfe gelang es Smith das Bud im Jahre 1830 in einer Auflage
von 5000 Exemplaren druden zu laſſen. Da der Verkauf lange dauerte, büßte Harris
fein Vermögen ein. Dem Buche murde die eidliche Ausfage von Cowdery, Whitmer
und Harris beigegeben, daß jie die Tafeln gejehen hätten; überdies das Zeugnis von
acht anderen Dlännern, daß fie diefelben ſowohl gejehen, als mit der Hand berührt hätten. so
Ein höchſt ehrenmwerter Geiltliher legte einmal Harris die Frage vor: Haben Sie bie
Tofeln mit Ihren natürlichen Augen gejeben, gerade fo wie Sie den Federkaſten in
meiner en jeen! — Harris entgegnete: Nun, ich fah fie nicht wie ich den Feder—⸗
foften febe, aber ich fah fie mit dem Auge des Glaubens. Ich jah fie jo deutlich mie
ich irgend etwas um mich herum ſehe, obgleich fie zu der Zeit mit einem Tuche bededt 55
waren (Clark, Gleanings by the Way 1842). Ginige Jahre fpäter fielen alle brei
Zeugen vom Mormonismus ab und erklärten ihr früheres Zeugnis als falſch.
Das Buch Mormon enthält ungefähr halb fo viel Stoff wie das AT. In Bezug
auf den Stil ift es eine grobe Nachahmung der hiltorikhen und prophetiſchen Bücher des
leßteren. Ungefähr ein Achtzehntel der Arbeit ift direlt aus der Bibel entnommen, un: eo
30"
ao
0
— ⸗
a
468 Mormonisund
gefähr 300 Stellen ganz und gar, nämlidy große Teile von Jeſaias, die ganze Berg:
predigt (in Mt) und einige Verfe von Paulus. Das Werk ift in fünfzehn Bücher ein-
geteilt, die nach ihrem Inhalt von Nepbi, Jakob (feinem Bruder), Enos, Sarom,
Dmni, Mofiab, Zeniff, Alma, Helaman, Nephi (Enkel von Helaman), Nepbt (Sohn
s von Nephi, ein Jünger Jeſu Chrifti), Mormon, Ether, Moroni gefchrieben ſein follen.
Die Geſchichte ift jo unzufammenhängend und mit mahnenden und belehrenden Abfchnitten
vermiſcht, daß es nicht fo leicht ift, fie zu entwirren. Der Prophet ſelbſt (in Rupp,
He Pasa Ekklesia, 1841) hat fie wie folgt kurz zufammengefaßt: „Wir werben dur
diefe Aufzeichnungen belehrt, daß Amerika vor alten Zeiten von zwei verjchiedenen
10 Menfchenraffen bewohnt war. Die erjten hießen Jarediten und kamen direft von dem
QTurme zu Babel. Die zmeite Raſſe kam direkt von Serufalem ungefähr 600 Jahre vor
Chrifti Geburt. Es waren hauptſächlich Ieraeliten, von der Nachkommenſchaft Joſephs.
Die Jarediten wurden, feitdem die JIsraeliten [Lehi, feine Frau und vier Söhne] von
erufalem kamen, verdrängt und dieſe folgten ihnen als Befiter des Landes. [Bet dem
15 Tode Lehis bejtimmte Gott Nephi den jüngften Eohn zum Führer; da die anderen ihm
widerſtanden, beitrafte fie Gott dadurch, daß er ihnen dunkle Haut gab u. ſ. w. — d. h.
er verwandelte fie in Indianer. Zwiſchen den Nephiten und diefen rebelliichen „Lamiten“
wüteten beftändig Kriege]. Die Hauptnation der zweiten Raſſe, die Nephiten, fielen in
einer Schlacht gegen das Ende de 4. Jahrhunderts [384 A. D.. Nur eine Handvoll
20 entlam, unter ihnen Mormon und fein Sohn Moroni; aber die Linie erlojch bald. Die
übrigen find die Indianer, Die jet diefes Yand bewohnen. Weiter gäbe das Bud,
daß der Herr nach feiner Auferftebung in Amerika erfchien, und dort das Evangelium
in all feinem Reichtum, jeiner Macht und Gnade pflanzte; die dortigen Gläubigen hätten
Apoftel, Propheten, Hirten, Yehrer, und Evangeliften, diefelben Ordnungen, diefelbe Priefter-
26 fchaft, diefelben Rangftufen, Gaben, Kräfte und Segnungen gehabt wie auf dem öftlichen
Kontinent; aber infolge feiner Miffethaten ſei diefes Volk vernichtet worden; ber letzte
der Propheten, welcher unter ihnen wirkte, habe den Auftrag erhalten, einen Auszug
ihrer MWeisfagungen, ihrer Gefchichte u. f. mw. aufzuzeichnen und ihn in die Erde zu ver
bergen. In den legten Tagen werde er zum Vorſchein fommen und mit der Bibel ver-
30 einigt der Vollendung der Gedanken Gottes dienen.” Mormon mar demgemäß der
Sammler und Bearbeiter der Bücher; fein Sohn Moroni brachte das Werk zum urn
und ungefähr im Jahre 420 A. D., verbarg er die Tafeln unter dem Felfen auf bem
Berge Cumora bei Manchefter.
Als litterariſches Merk beurteilt ıft das Buch Mormon unerträglich Tangmweilig. Es
36 hat feine Spur von Geichmad, poetifchen Reiz oder Gedanfentiefe, ebenfowenig von
religiöfer Begeilterung oder moralifhem Ernft. Es ift voll grammatischer Fehler und
trogt von Albernheiten und Anachronismen. Bon den fprachlichen und anderen Fehlern
der eriten Auflage find einige 3000 in den fpäteren Auflagen verbeflert worden; doch
bleiben noch einige Tauſende. Was die Lehre anlangt, fo enthält das Buch, verglichen
40 mit den fpäteren DOffenbarungen, wenig Grwähnenswertes. Es fagt die Berufung Joſeph
Smiths zum Propbeten der Herrlichkeit des jüngiten Tages voraus; es ift ftreng chiliaftiich
und erflärt, daß alle Gaben, Kräfte und Amter der apoftolifchen Kirche in der wahren
Kirche zu finden feien; es ſchließt ſich an die firchlicdhe Lehre von der Dreieinigfeit an,
verwirft Die Rindertaufe und gebietet die Taufe durch Untertauchen zur Vergebung der
46 Eünden; es bebauptet, daß die Bibel von Gott ift, aber auch, daß dieje Thatfache weitere
Dffenbarungen nicht ausjchließt ; endlich enthält es drei Stellen, welche nach richtiger Er-
Härung als Verurteilung der Polygamie verftanden erden müffen.
Die Frage nah den Quellen des Buches Mormon ift für unſern Zweck wichtig.
— Um das Jahr 1809 wohnte in Gonneaut, Ohio, ein Mann namens Salomon Spaul-
so ding. Gr hatte im Dartmouth College, in New:Hampfhire ftudiert, und danach 4 Jahre
lang als presbyterianischer Prediger Dienjte getban. Hierauf ergriff er einen weltlichen
Beruf und widmete einen Teil feiner Zeit litterarifchen Studien.. Er gemann Int an
indianischen Altertümern in der Nähe von Conneaut, und das fcheint ihm den Gedanken
eingegeben zu haben, einen Roman über die Sindianer vor Entvedung Amerilas durch
65 Columbus zu fchreiben. Das Buch, das er verfaßte, wurde ungefähr 1812 vollendet; es
erbielt den Titel: „Das gefundene Manuftript”. Spaulding fnüpfte an die befannte
Fabel an, daß die amerifanifchen Indianer Nachkommen der verlorenen Stämme Jsraels
jeien. Um feine Schrift pifant zu machen, gab er ihr die Form einer Überfegung einer
Handjchrift, Die von einen Gliede des alten Stammes geichrieben und neuerdings in
60 einem indianiſchen Grabbügel entdeckt worden fei. Spaulding zog nach Pittsburg und
Mormonismus 469
gedachte fein Manuſkript dort drucken zu laſſen. Es lag eine geraume Zeit in der
Druderei, wurde aber nie gedrudt; endlich wurde es dem Berfafler zurüdigegeben, der
damals in Amity, Pennfylvania, lebte, wo er 1816 ftarb. Als nun das Bud Mor:
mon erichien, erflärten Spauldingg Witwe und viele andere, die ihn aus feinem
Manuffript hatten vorlefen hören, das Bud) Ik zum großen Teil dem nicht veröffent-
lihten Roman entnommen, mit zahlreichen theologiſchen Einfchaltungen. Spauldinge
Handichrift konnte jedoch nie gefunden werben, die Der leihung mit dem Buche Mormon
. war aljo unmöglid. (Ein in Honolulu 1885 entbedttes Manufkript, welches ſich als
Spauldings Indianer-Roman vorgab und Feine Ahnlichleit mit dem Buche Mormon
hatte, ijt mahrjcheinlich eine Fälſchung). Es murde fpäter behauptet, daß ein gewiſſer 10
Sidney Rigdon, der mit Smith 1829 in Berbindung ftand und fich früh zu dem neuen
Glauben befehrte, während er als Buchdruder in Pittsburg ungefähr im Jahre 1812
beichäftigt war, in den Beſitz der Handichrift Tam, fie abichrieb und Smith zur Verfügun
ftellte. Es find Gründe genug vorhanden, welche diefe Behauptung als fehr twahrfcheinlich
ericheinen laflen, aber fie ift noch nicht bewiefen. Rigdon war der bei weitem fähigjte 15
und gebildetite der erften Mormonen. Er war Baptiften und fpäter Campelliten-Pre-
Diger geweſen und hatte viel Einfluß auf die Bildung der Lehre und der and der
Mormonen. Bis ungefähr 1843 ftand fein hen dem Smiths wenig nad; dod)
wurde er nach des Propheten Tode in den Kirchenbann gethban. Wie gejagt, ift es
wahrfcheinlich, daß er das Spaulding-Manuffript gelejen hatte und es ift möglich, daß 20
er Smith eine Abfchrift zur Verfügung ftellte; aber ein zmeifellofer Beweis dafür iſt
nicht vorhanden. Riley beftreitet in Icharffinniger Weile, daß die äußeren Beweiſe für
dieſe Anficht mangelhaft feien, während andererfeit? der Stil und Inhalt des Buches
Mormon derartig find, wie man es von einem Manne von Smith Eigentümlichkeit und
Umgebung erwarten muß. Er bejaß eine fräftige, wenngleich profaifche Einbildungsfraft 25
und em treues Gedächtnis, aber fein Willen mar gering und fein Urteil ſchwach. Das
Bud) zeigt von Anfang bis zum Ende diefe Züge. Der Berfaffer entnahm, mas er fagte
— vielleicht unbemupt — aus verjchiedenen und zum Teil einander miderfprechenden
Quellen. Daber die Vertvorrenheit feiner Theologie; es fehlt ihr gänzlich an innerem
Qufanmenbang; Lehren des verichtedenften Urſprungs find unlogiſch zufammengehäuft. 30
wird — natürlich nicht unter ihrem Namen — von Galvinismus, Univerfalismus, Me:
thodismus, Chiltagmus, Katholicismus, Deismus und Freimaurerei gehandelt, und dies in
einer Weife, die Smiths Beziehungen zu diejen Lehrſyſtemen merkwürdig entfpricht. Gegen
den Katholicismus und die Freimaurerei ftreitet er heftig. Das Bud ift einigermaßen
ein Spiegel für feine Ei aber in noch höherem Maße eine Art (unbewußte) Selbit- 5
biographie Smiths. Man könnte einwenden, diejer fer zu unwiſſend gemweien, um ein
ſolches Buch verfaflen zu können; aber e8 liegt am Tage, daß er alsbald im ftande war,
eine Menge plaufibler ffenbarungen zu produzieren und daß er als Redner nicht geringe
Gewandtheit bewies. ,
War nun Joſeph Smith ein überlegter Fälfcher und beivußter Betrüger? Die meiften 40
nihtmormonifchen Schriftfteller bejahen dieſe Frage. Aber einige der forgfältigiten Forſcher,
befonders Stenhoufe und Riley, glauben, daß er vielmehr durch feine eigenen Halluci-
nationen betrogen wurde. Er reizte und ftachelte feine krankhafte Phantaſie, bis er jede
Albernheit glaubte. Stenhoufe führt die „Überfegung” des Buches von Abraham ale Beweis
an. Smith mar nämlid) in den Befit einiger ägyptifcher Bapyrusrollen gelangt, von welchen 45
er behauptete, fie feien eine Schrift Abrahams. Mit Hilfe des Urim und Thummim über:
fegte er die Hieroglyphen. Ägyptologen haben eine getreue Nachahmung der Papyrus:
tollen geprüft und gefunden, daß fie die „Auferftehung des Dfiris” und dergleichen
enthalten. Nun fchließt Stenhoufe, daß Smith die Unterfuchung der Bapyri durch wiſſen—
Kaftliche Männer nicht geduldet haben würde, wenn er nicht Vertrauen zu feiner eignen so
nipirattion gehabt hätte. Es würde freilich ſchwierig fein, alle Einzelbeiten feines Ver:
tens zu erllären, ohne die Annahme von beiwußtem Betrug bi zu einen gewiſſen
Grad. Aber wenn er ein reiner Betrüger geivefen wäre, fo wäre es ebenjo ſchwer,
die wunderbare Zähigfeit, mit der er feinen Zweck verfolgte, zu erklären, fowie feinen er:
ihen Einfluß auf andere. Ein reiner Betrüger mußte zufammenbrecen unter dem 55
Sturm der Verfolgung, der über ihn kam.
„Joſeph hatte Erfolg mit feinen A eisjanungen, weil der Boden bereitet war”. Non
Anfang an bis jet beruht die Anziehungskraft des Mormonismus auf feinem Anspruch,
die Gabe der Prophetie zu befigen. Smith fing feine Laufbahn als „Peepstone Joe"
(Budftein:Jofeph) an und entiwidelte fh zum „Propheten, Seher und Offenbarer”. Die co
or
470 Mormonismns
befchwerlihen Urim und Thunmim verabfchiedete er nach der Überfegung des Buches
Abraham. Bon nun an kündigte er einfach, wenn er Hilfe nötig hatte, eine Offenbarung
an, welche fich auf den vorliegenden Fall bezog. Dabei übte er jedoch bis zu einem ge
willen Maſſe Selbitbeichräntung: „Wir juchen an der Hand Gottes nur dann nad, einer
5 befonderen Offenbarung, wenn es feine vorhergegangene Offenbarung giebt, melde fich
auf den Fall anwenden ließe” (Times and Seasons V, 753). Offenbarungen Tnüpften
fih an beinahe jeden denkbaren Anlaß, nur nicht an die Religion im eigentlichen Sinn.
Mit feinem PBrophetenamte verband Smith die Ausübung des Erorzismus und der Sranten- .
beilung durch den Glauben.
10 Die formelle Gründung der neuen Sekte fand am 6. April 1830 in Fayette, N-Y.,
ftatt. Damals zählte fie einige 70 Anhänger. Ihr offizieller Name (f. oben) wurde
etwas fpäter beitimmt. Dur Offenbarung nahm Smith den Titel: „Seber, Ueberſetzer,
Prophet, Apoftel Jeſu Chrifti und Ältefter der Kirche“ an. Er begann nun eifrig Propa-
anda zu machen. Jeder, der fih ihm anfchloß, wurde getauft — feine vorhergehende
15 Taufe wurde anerfannt. Der erite namhafte Belehrte war Parley PB. Pratt (Berfafler
von The Voice of Warning). Bald folgte der einflußreichere Sivney Rigdon. Smith er:
kannte ihn als Genoſſen in der Prophetie an; ald aber Rigdon fpäter Ni borzudrängen
fuchte und feine Offenbarungen Smith MWünfchen entgegen waren, tadelte und demütigte
ihn der letere fcharf und entzog ihm zeitweife fein Amt. Smith war ftet8 bereit S
20 zu hören und jedem fähigen Mann ein Amt zuzuweiſen: aber im Prophezeihen mußten
ich ihm alle anderen unbedingt unterwerfen.
Da er in der Umgegend feiner Heimat zu wenig Glauben fand, zog Smith mit
vielen feiner Heiligen 1831 nach Kirtland, Ddio, Nun machten fie die größten rt:
fchritte. Ihre Miſſionare beiviefen ungeheuren Eifer, in Ohio, Pennſylvanien, New⸗-York,
25 Indiana, Illinois 2c. wurden Kirchen gegründet. Der gänzliche Mangel jeglicher religiöfer
ildung bei der Maſſe des Volks machte fie leicht zur Beute der Künfte Smiths und
feiner Prediger. Eine Menge wunderbarer Erfahrungen der frühelten Belehrten wurden
erzäblt; freilich waren fie nicht fonderbarer als die, welche viele Belehrte bei den Er:
wedungen und Lager:Verfammlungen der evangeliihen Denominationen zu erzählen
30 hatten. innerhalb einiger Monate nad) dein Umzug nad) Kirtland wuchs die Zahl ber
ormonen auf menigitend 1200 Seelen. Jedoch der Widerftreit der „Ungläubigen” um
fie herum, veranlaßte Smith die Augen nach dem Welten zu wenden, nach den Grenzen
der Eivilifation, um dort einen Plat zu finden, wo er feine Anfchauungen ungehindert
und völlig durchführen könnte. Im Herbſt 1831 gründete er eine Kolonie in Jackſon
35 County, Miſſouri, mo jetzt die Stadt Independence liegt. Eine Offenbarung batte
ausgefprochen, daß bier das Verheißungsland und der ak für die Stadt Zion je
Große Landitreden wurden angekauft; eine monatliche und eine wöchentliche Zeitſchrift
zur Verbreitung des neuen Glaubend wurden gegründet. Die induftriellen Unterneb-
mungen der „Heiligen“ waren im ganzen beiwundernswürdig. Doch wurde zulegt be
40 vuß Kirtland auf unbeſtimmte Zeit zum — der Heiligen zu machen. Smith
kehrte 1832 dorthin zurück und nahm ſeine propagandiſtiſche Arbeit kräftig wieder auf.
Außerdem ſtürzte er die Gemeinſchaft in wilde finanzielle Spekulationen, alles unter
Kontrolle der Kirche. Das führte zu einem Tumult. Zum Teil infolge religiöſer Feind⸗
ſeligkeiten, zum Teil aus Entrüſtung über Smiths Herrſchaft in finanziellen Angelegen⸗
15 heiten brach ein Volkshaufen in der Nacht des 22. Mat 1832 in des Propheten Haus
ein, trieb ihn auf ein angrenzendes Feld und teerte und feberte ihn. Rigdon wiberfuhr
dasfelbe Unglück. Aber nichts fchredte fie ab. Smith predigte am folgenden Tage mit
gefteigerter Jnbrunft und taufte 3 Befehrte. Er führte feine verfchiedenen Unternehmungen
energifch teiter. Im Jahre 1833 wurde eine Verbefferung in der Organifation
so Kirche getroffen, indem ein Triumvirat, beitebend aus Smith, Rigdon und Williams, an
die Spibe trat; der Prophet aber war ganz entjchieden die Hauptperfon. Diefes Triumpirat
wurde die „Erſte Präfidentichaft” (Hauptpräftibium) genannt. Im Jahre 1835 wurde ein
zweiter wichtiger Schritt in der Entiwidelung der Hierarchie unternommen, die Begrün-
dung der Körperfchaft der zwölf Apoftel. Einer von diefen war der fpäter berühmte
55 Brigham Noung. Er war gegen Ende 1832 Mormone geworden und hatte dank feinem
Scharfſinn und feiner Charakterjtärfe viel getban, um die Streitigkeiten zu unterbrüden,
welche in der Gefellfhaft entitanden waren. Ihr Hauptgrund war die zunehmende Ber:
worfenbeit des Propheten. Im Nabre 1837 twurden Orfon Hyde und H. C. Kimball
als Nifftonare nach England gejchidt, wo fie mit merfwürdigem Erfolg arbeiteten, bejon-
60 ders unter den Arbeiterklajfen in den Fabrik- und Handelsſtädten, Mancheiter, Liverpool,
Mormonismns 471
Leeds, Birminghan, Glasgow und im Minendiftritt von Süd-Wales. Nach dreijähriger
Arbeit Tonnten fie 4019 Mormonen in England allein verzeichnen. Der Bericht für Juni
1851 ergab eine Gejamtzahl von 30747 ın dem vereinigten Königreihe und erflärte
ferner: „Innerhalb der lebten 14 Jahre find mehr als 50 000 in England getauft worden,
von denen beinabe 17 000 nad) Zion auswanderten.” — Im Jahre 1833 ließ Smith einen 5
Tempelbau in Kirtland beginnen; er wurde 1836 eingeweiht und koſtete 40000 Dollars.
Sm Gehorfam gegen eine Offenbarung wurde 1836 eine Bank gegründet. Sie über:
flutete das Land mit Banknoten, welche ſich als unficher erwieſen. Ungefähr am An-
fange des Jahres 1838 ftellte fie die Zahlungen ein; nun wurde ein Gerichtsverfahren
gegen den Propheten und andere wegen Schwindel eingeleitet. In diefem Augenblid
jedoch reiften Smith und Rigdon wieder einer Offenbarung Toigenb nah Miſſouri ab.
Nah der Begründung diejer Kolonie hatte Smith 1834 die Miſſouri-Heiligen befucht.
Es war ihm damals gelungen, einige innere Uneinigfeiten zu beruhigen und die Organi:-
jation weſentlich zu verbefjern. Seit jener Zeit jedoch hatten die Heiligen von feiten
der „Ungläubigen” viel zu leiden. Sie hatten ſich mancher Vergeben ſchuldig gemacht,
man beargwöhnte und klagte fie auch wegen Dinge an, die fie nicht begangen hatten.
Infolge deflen waren fie aus Jackſon- und Clay-Counties vertrieben worden. Zum größten
Teil hatten fie fih in Caldwell-County niedergelaflen. Nun machte ſich Smith an die
Arbeit, um die inneren Unordnungen, welche er in der Kolonie fand, zu befeitigen. Er
batte dabei ziemlich guten Erfolg. Aber andere und größere Schwierigkeiten entitanden. au
Aus verjchiedenen Urfachen war die Feindfeligkeit der Nicht-Mormonen gegen die „Hei:
ligen” immer heftiger geworden. Es kam zu ernten Streitigkeiten, welche fchließlich die
Geftalt eined Bürgerkrieges annahmen. Nun murde die Staatsmiliz aufgeboten und der
Prophet und Rigdon ing Gefängnis geworfen. Die Klage lautete auf Mord und andere
Verbrechen. Es gelang ihnen aber auf dem Wege zum Berhör zu entlommen — wahr: 25
ſcheinlich durch Beſtechung.
Sie ritten nach Quincy, Illinois. Nach dieſem Staat waren ſchon vorher die
meiſten Mormonen, ungefähr 15000, geflohen. Wiederum [?] kauften der Prophet
und ſeine Begleiter große Landſtrecken, in Hancock-County und jenſeits des Miſſiſſippi in
Jowa. Am öſtlichen Ufer des Stroms fingen fie an, eine Stadt zu bauen. Durch eine ww
ffenbarung erhielt fie den Namen Nauvoo. Der Bau ging vorwärts mit wunderbarer
Schnelligkeit. Smith brachte es zumege, daß die Staatliche Legislation ihm einen Frei:
brief für die Stadt gewährte, der ungewöhnliche VBorrechte ſicherte. Sie wurde faſt ganz
unabhängig von der Staatsaufliht. Fest organifierte der Prophet eine militärische
Körperichaft unter dem Namen der „Nauvoo Legion”; er ernannte ſich felbit zu ihrem Be: 36
ſehlshaber und nahm den Titel „General“ an, zugleih war er Kirchenpräfident und
Bürgermeilter der Stadt. Am 6. April 1841 wurde der Grund zu einem neuen
Tempel gelegt; am 1. Mai 1846 wurde er eingeweiht. Durch die Einwanderung euro:
päifcher Bekehrter wurden Stadt und Kirche in diefen Jahren fehr gefräftig. Man
ſchätzt die Zahl der fremden Belehrten, die fihb in und um Nauvoo herum niederließen «0
in den Jahren 1840—43 auf 3758. In feiner Würde ala Prophet und militärifcher
Befehlshaber begann Smith nun an Staats: und Bundespolitit Interefje zu nehmen.
In dem Organ der Mormonen fündigte er ſich als Kanditaten für die Präſidentſchaft der
Rereinigten Staaten an. Aber in demfelben Maße, in dem feine Macht zunahm, wuchs
auch jeine Zügellofigkeit — denn es Steht außer Frage, daß er feiner Sinnlichkeit die 4*
Bügel hatte fchießen laſſen. in Nauvoo waren feine Ausfchweifungen jtabtbefannt. Um
die Empörung feiner Frau zu beruhigen, veranftaltete der Prophet im Jahre 1843 eine
Offenbarung, welche ihm und anderen, wenn er es erlaubte, gejtattete, eine Mehrzahl von
tbern zu haben. Dieje Offenbarung wurde Jahre lang geheim gebalten und nur
—5 userwählten mitgeteilt. Erſt 1852 wurde die Lehre von der Polygamie durch vo
drigham Young offen verfündigt. Der Verſuch der „Reorganized church“ (nicht
vielehig), We bon dem Vorwurf zu reinigen, daß er der Verfafler des Schriftitüdes
fei, fcheint mißlungen (vgl. Linn). Doch ift zuzugeben, daß Smith nicht in derjelben be:
fimmten Weite Bolygamijt war, wie die fpäteren Mormonen — d. b. fo, daß er mehr
ald ein richtig angetrautes Weib hatte. Die Folge waren neue Schwierigfeiten für die 66
Gemeinde. Bon außen regte ſich die allgemeine ;Feindfeligfeit gegen die Mormonen von
neuem und in der Stadt fand die Entrüftung über die polygamiitiihen und andern Ab-
fihten Smith Ausdrud, befonders in dem „Expositor“, einer Zeitung, welche von einem
Dr. Foſter herausgegeben tvurde. Auf Smiths Befehl wurde die Druderet des Expositor
zeitört, und Dr. Foſter aus der Stadt getrieben. Der letztere veranlaßte einen Verhafts- co
pa
=)
pt
or
472 Mormonismus
befehl gegen den Propheten, ſeinen Bruder Hyrum und 16 andere. Smith leiſtete Wider⸗
ſtand; nun beriefen die Grafſchaftsbeamten die Miliz und wandten ſich an den Gouverneur
um Beiltand. Der letztere kam nad) Carthage, der Bezirkäftadt, und nachdem er die Miliz ver-
pflichtet hatte, fich aller Gewaltthaten zu enthalten, eröffnete er Smith und den anderen, daß
5 wenn fie ſich nicht freiwillig ftellten, fie mit Gewalt in Haft genommen würden. Der
Prophet fügte fi, er und fein Bruder Hyrum murden in Carthage ind Gefängnis ger
bracht (27. Juni 1844). Troß der der des Gouverneurs, der das Gefängni
wachen ließ, brach in der folgenden Nacht ein Haufe von ungefähr 200 rohen Gefellen
in das Gefängnis ein und erjchoß die beiden Gefangenen.
10 Das tragische Ende des Propheten war in Wirklichkeit ein Glüd für die Sache der
Mormonen, „es umgab den ermordeten Präfidenten mit dem Heiligenjchein des Mär:
tyrertums“. — jedoch verurſachte ſein Tod große Verwirrung unter feinen An-
hängern. Rigdon und mehrere andere ſtrebten nach ſeiner Nachfolge, aber die Wahl fiel
auf Brigham Young (geb. in Vermont 1801). Obwohl urſprünglich nur ein einfacher
15 en war er doch ein Mann von großen praktischen Fähigkeiten. Es gelang
ihm Rigdon und einige andere Mißvergnügte auszufchließen. Zu denen, die ſich Young
nicht untertvarfen, gehörte Smiths eigene Familie. Die Opponenten behaupteten, der
Mantel des Propheten habe fich rechtmäßig auf feinen Sohn berabgelafien. Ohne als
Gemeinde organifiert zu fein, beitand die Sppofition fort bi8 1860. In diefem Jahr
20 reorganifierte fie auf einer Konferenz die Kirche; an die Spige trat der gleichnamige Sohn
Sofeph Smiths. Er nimmt diefe Stellung noch jebt ein. Diefe „Neorganifierte Kirche“,
die Teine Beziehung zu den Utah-Mormonen unterhält, ift von den amerikani Ge
richtshöfen zweimal als die von dem Propheten gegründete anerlannt worden. Ihre Lehre
ift frei von den Dogmen, welche unter Youngs Verwaltung angenommen wurden. Sie
25 behauptet, die Polygamie ſei dem Geſetze Gottes zumider, und läugnet, daß die jo
genannte Offenbarung von Smith ftamme. Mit ihrer „heibnifchen“ Umgebung bat fie
nie Streit gehabt. Ihr Gentral:Bureau befindet fih in Bamoni, Koma. Obre Mitglieder:
zahl — nur getaufte Gläubige merden gezählt — betrug im Januar 1903 ungefähr
50000, davon etwa 7000 im Auslande (Kanada, Europa und Auftralien ꝛc.). Heuer:
30 dings entfaltet fie eine eifrige propagandiftiiche Thätigfeit.
Im Sahre 1845 widerrief die Legislation von Illinois den Freibrief der Stabt
Nauvoo, und da die Feindichaft der Nichtmormonen nicht im geringiten nachgelafjen hatte,
bejchloffen die „Heiligen“ auszumandern meit hinaus über die Grenzen der Civilifation.
Im Sahre 1846 gingen die erften Auswanderer bis Council Bluffd, Soma, um dort die
35 Nachrichten der vorausgefandten Kundfchafter zu erwarten. Der in Nauvoo zurüdgeblie
bene Reſt wurde im September 1846 von den „Heiden“ gewaltſam vertrieben. Er folgte
nun der vorausgegangenen Genoſſen nad) dem Welten. Die Auswanderung der Dr
ligen” nad) Utah iſt ein wahrhaft wunderbares Stüd Geſchichte — der Mut, die Aus:
dauer und die Begeifterung der Leute war einfach erſtaunlich. Doch ift für ihre Gefchichte
40 bier nicht der Platz. Der von den Kundichaftern gewählte Ort für die Nieberlaffung
war das große Salzfee-Baffin zwifchen den ur Bun und Nevada-Bergen. Brigham
Young fam am 24. Juli 1847 dort an, und fofort wurde mit der Begründung der
Salzfee-Stadt begonnen. Die Hauptmafje der Auswanderer traf im Herbſte des folgen:
den Jahres ein, bis zu feinem Schluß zählte die Kolonie ungefähr 4000 Seelen. Viele
45 andere famen fpäter noch aus den verfchiedenen Anfieblungen der Mormonen.
einen „Emigrationsfond” zur Unterftügung der Zuzügler gegründet und fchidte Emmiſſäre
aus um Auswanderer anzuloden, bald fing der Zuzug derfelben an, zumeiit aus Groß:
Britannıen, Schweden und Norwegen und in geringerem Maße aus Deutfchland, der
Schweiz und Frankreich, auch aus verjchiedenen Teilen der Wereinigten Staaten. Die
so Auswanderung der Mormonen aus Europa in den Jahren 1848—51 belief fich auf
6331 Seelen, und in den Jahren 1852—55 aus Groß-Britannien allein auf 9925.
Die Gegend, in welcher fich die Mormonen niederließen, gehörte bis dahin zu Mexilo
Im Jahre 1848 kam fie in den Beſitz der Vereinigten Staaten. Mit Rüdfiht darauf,
daß die Bundesregierung nicht fofort die Herrſchaft in allen Teilen diejer entfernten Land:
65 ichaften in die Hand nehmen konnte, errichteten die Mormonen 1849 eine Regierung,
welche der Regierung in Wafbington als „proviforifch” vorgeftellt wurde. Es ift jedoch
gewiß, daß fie hofften, einen unabbängigen Staat gründen zu können. Ihrem Staate
gaben fie den Namen „Deferet“ und jtedten ibm fehr weite Grenzen. Der Flächenraum,
den ſie beanfpruchten, fam der Hälfte Europas gleich. Alsbald wurde eine geſetz⸗
so gebende Verfanmlung gewählt, die eine Konjtitution ausarbeitete. Dieſe wurde in Wa—⸗
Mormenismnd 473
ſhington mit der Bitte vorgelegt als Staat zugelajlen zu werden. Der —A ver⸗
weigerte jedoch die Anerkennung des neuen Staats und ignorierte den Namen Deſeret.
Er organiſierte im. Jahre 1850 für die engere von den Mormonen bewohnte Gegend
eine Territorialregierung unter den Bundesgejegen und gab dem neuen Territorium den
Namen „Utah“. Der Präſident ernannte Brigham Young zum erften Gouverneur; auch 5
Diftriktsrichter wurden von der Bundesregierung ernannt. Allein Youngs Taktik war fo
aggreifiv, daß die Bundesbeamten bald gezwungen waren, fich zurüdzuziehen. Infolge
diejer fühnen Herausforderung der Bundesregierung wurde Young jeiner Stellung ent:
ſetzt, und der Kolonel Steptve zum Gouverneur ernannt. Der neue Statthalter kam,
begleitet von einem Bataillon Soldaten, 1854 in Utah an. Aber der Widerftand, dem 10
er begegnete, war fo ſtark, daß er nicht wagte jein Amt anzutreten. Im Jahre 1856
mußten verfchiedene Diftriktzrichter der Bundesregierung ihr Amt niederlegen. Diefe That-
ſachen beftimmten den Präfidenten Buchanan einen neuen Gouverneur für das Terri-
torium zu ernennen. Derſelbe begab fih 1857 mit einer Streitmadht von 2500 Sol:
daten nad Utah. Nun rief Moung die Heiligen zu den Waffen. Diefe mußten die
Bundestruppen dadurch zu lähmen, daß fie ihnen die Zufuhr abfchnitten. Sie mußten
fih in die Winterquartiere zurüdziehen. Dasfelbe Jahr mar geuoe der fchredlichiten Ge⸗
waltthat in der Gefchichte der Mormonen. Ein Haufen von Mormonen und Indianern,
angejtachelt und geführt von dem Mormonenbifchof J. D. Lee, überfiel einen Zug von
150 nidhtmormonifcher Auswanderer in Mountain Meadows in der Nähe von Utah und 20
ost fie alle nieder. Erft nach einem Zeitraum von 20 Jahren konnte man Lee wegen
dieſes Verbrechens vor Gericht ftellen; er wurde jet deshalb hingerichtet. Im Beginn bes
Jahres 1858 fchidte der Präfivent den General Th. L. Kane aus Pennfylvanten nad)
Utah, um mit Noung über eine friedliche Unterwerfung zu verhandeln. Kane hatte
Erfolg, es wurde den Bunbestruppen die Errichtung eines Heinen Forts, 40 Meilen 25
weitlih von Salt-Lafe-City zugeſtanden; fie wurden erſt 1860 aurüdgeaogen. Nach
Beendigung des amerikaniſchen Bürgerkrieges wurde wieder ein Gouverneur ernannt.
Jahre 1871 wurde vom Kongreß der Vereinigten Staaten die Polygamie als
riminalverbrechen in allen Territorien erklärt. (Dabei darf nicht vergeſſen werden, daß
die Staaten eigene Geſetze haben, wogegen die „Territorien“ in jeder Hinſicht unter 30
ben Bundeögejegen ftehen; fein Staat bat jemals Polygamie erlaubt.) Nun wurde zwar
vung wegen Polygamie verhaftet; aber das führte zu nichts. Überhaupt hatte die
undesregierung bei ihren Bemühungen, die Polygamie zu unterbrüden, bis nach dem
Tode dieſes merfwürdigen Defpoten einen Erfolg. Er ftarb 1877 und hintertich ein
Bermögen von 2000000 Dollars. Es follte unter feine 17 Frauen und 56 Kinder 6
verteilt werden. Er hatte im ganzen 25 Frauen. Nah dem Tode B. Youngs über:
nahmen die zwölf Apoftel mit Kohn Taylor als Haupt die Leitung der Kirche. Doch
war die „Hauptpräfidentichaft zu dreien” noch nicht wieder [?] organifiert, als am 10. Oft.
1880 J. lor auf der Generalverfammlung ale Präfivent der Kirche zugelaflen wurde
mit George D. Cannon und Sofeph F. Emith als erftem und zweitem Beirat Nach 40
Taylor Tod 1887 hatten die zwölf Apoftel die oberſte Autorität bis 1889. Damals
wurde Wilford Woodruff Präfident der Kirche. Als er 1898 ftarb, folgte ihm Lorenzo
Snow. Sie alle waren erklärte Bolngamiften, Taylor und MWoodruff hatten in der
früheren Zeit der mormonifchen Gefchichte in der europätfchen Miffton wichtige Dienfte
geleifte. Der Nachfolger Snows, geit. 1901 ift of. %. Smith, ein Sohn des Märtyrer: 45
i Hyrum Smiths, des Bruders des Propheten.
Der Kongreß der Vereinigten Staaten hatte den Kampf gegen die Polygamie ſchon
1862 aufgenommen. Damals ging das erſte ziemlich unangemeſſene Geſetz dagegen durch.
Es war jedoch beinahe unmöglich, vor einem mormoniſchen Schwurgericht das Schuldig
über einen Polygamiſten zu erreichen. Die Präſidenten empfahlen einer nad) dem andern so
dem Kongreß ein energifcheres Cinjchreiten gegen die Mormonen: „Die VBolygamie fann
nur dadurch unterdrüdt werden, daß der Sekte die politiiche Macht, welche fte ermutigt
und aufrecht erhält, genommen wird” (Botichaft des Präſidenten Hayes [Dezember 1874)).
Der erite wirklich ernite Schlag, der vom Kongreß gegen die Polygamie geführt wurde,
war das „Edmunds⸗Law“ 1882, verbeſſert 1887 („Edmunde-Tuder:Lam”). In die Einzel: 56
heiten einzugeben tft unnötig; es mag bemerkt werden, daß das Geſetz fo eingreifend zu
wirken verfpradh, daß die Mormonen ihm den heftigften Widerftand entgegenjeßten. Die
Stimmung, in der fie fich befanden, fieht man aus den folgenden Auszügen eines Briefe,
den das Haupt ihrer Kirche an die Beamten und Mitglieder derjelben richtete, Oftober
1885. „Der Krieg wird offen und unverhüllt gegen unfere Religion geführt. Ter Wider: eo
-
oO
474 Mormonismns
ftand dagegen muß auf jede Meife wachgerufen iverden. Nicht wir haben die binmlifche
Ehe [die Rolygamie] entvedt. Wir können fie nicht zurüdnehmen, noch auf fie ichten.
Gott offenbarte ſie, und er hat verſprochen, ſie aufrecht zu erhalten, und die zu ſegnen,
welche fie anerkennen... Mer hätte angenommen, daß in dieſem Lande religiöſer Freihei
5 irgend jemand fich vermefien würde feinem Mitmenschen zu fagen, er babe fein Recht zu
thun, was er für notwendig hält, um der Verdbammnis zu entgehen?“ Die Strafein-
ichreitungen gemäß dem Edmunde-Lam begannen im Jahre 1884, Berurteilungen megen
Polygamie und ungefeglicher Beiwohnung (meiftens das letztere) zählte man 3 im Jahre
1884, 39 1885, 112 1886, 214 1887 und 100 1888 (vgl. Linn 5.599). Zu den Be
10 ftimmungen des Edmunds-Tucker-Geſetzes gehörte eine ſolche, die verfügte, daß den Berei-
nigten Staaten zum Zwecke der Benutung für öffentliche Schulen gewiſſe Befigtümer von Kor-
porationen, die unter Verlegung beſtehender Vorſchriften erworben werden, anbeimfallen, und
eine andere, welche die Korporation für aufgelöft erklärte, die unter dem Namen „bie
Kirche Jeſu Chriſti der Heiligen der lebten Tage” befannt ift. Im Jahre 1890 fchienen
15 noch ftrengere Maßregeln bevorzuftehen. Am 19. Mai beftätigte das Obergericht der
Vereinigten Staaten das Urteil eines Untergerichtes, welches gewiſſe Beftgtümer ber Kirche der
Mormonen einzog und dieje Kirchengemeinfchaft für eine organifierte Auflehnung erklärte.
Nun erlannten die Führer der Mormonen, daß die Unteriverfung unvermeidlich fei. Dem⸗
gemäß erließ der Präfident Moodruff am 25. September 1890 eine Proflamation,
»0 welche fein Volt von der Berpflihtung der Polpgamie entband und fchloß mie Diet
„Und nun erkläre ich öffentlich, daß mein Nat für die Heiligen der legten Tage ift, ſich
zu enthalten, eine Ehe zu fchließen, melde von dem Gefege des Landes verboten ift.”
Diefe Kundgebung wurde von der Generalfonferenz der Kirche als bindend angenommen.
Der „Rat“ iſt ziemlich allgemein befolgt worden, obgleich Beweife vorhanden find, daß
25 die heimliche Ausübung der himmlifchen Ehe ſelbſt jegt noch nicht ungewöhnlich ift.
Mormonen, die „ihre Religion leben“ (live their religion) — das ift der bezeichnende
Ausdruck — werden noch ziemlich allgemein deswegen gelobt. Niemand, melcher den
Mormonismus Tennt, fann annehmen, daß die Vielweiberei prinzipiell verworfen fei; fie
ift einfach mit göttlicher Erlaubnis zeitweilig außer Gebraud.
30 Die oft wiederholte Eingabe Utah um Zulaſſung als Staat der Union konnte
nun endlich gewährt werden. Durch die im November 1895 angenommene Konftitution
find polygamifche oder Vieleben für immer verboten. Am 4. Januar 1896 erließ ber
Präfident Cleveland die Proklamation, welche die Zulaflung des Staates Utah verfün-
digte. Im Jahre 1898 erwählte Utab Brigham H. Roberts, einen offenbaren Polyga-
35 miften, zum Vertreter im Kongreß, aber das Haus verweigerte ihm den Sig. Die ge
jeßgebende Verfammlung von Utah hat im Januar 1903 den Mormonenapoftel Smoot
zum Senator der Vereinigten Staaten erwäblt; er ift der Polygamie nicht angeklagt.
Vom wirtſchaftlichen Standpunkte aus betrachtet ift die Entividelung von Salt Yale
City und Utah jehr bemerfenswert. Das Yand bat ein angenehmes und gejundes Klima,
so und das Erdreich ift, wo die Bewäflerung durchgeführt it, fruchtbar. Auch ift Utah reich
an Mineralſchätzen. Die Hauptſtadt iſt reinlih und anziehend. Die Heiligen haben in
ihr zivei nicht gewöhnliche Gebäude errichtet, das Tabernakle (Bethaus) und den Temple.
Der letztere iſt das koſtbarſte Gebäude für religiöfe Zwecke in Amerika. Für Erziehung
und Bildung iſt nur ziemlich gut geſorgt. Freilich giebts ſelbſt eine „Univerſität“, aber
45 fie ift mit den richtigen Socculen faum zu vergleichen.
Tas foztale Leben ijt in vieler Hinficht der Achtung nicht unmert, obgleich die Lehre
und Ausübung der Vielweiberei unberechenbaren Schaden verurfacht haben. Verderblich
wirft auch die Moral einer Hierarchie, die Offenheit und Mahrhaftigfeit zu ſchätzen nicht
wußte. Daß das Unternehmen in Utab großartigen Erfolg batte, verdankt es bauptfächlid
5. dem ganz außerordentlichen organifatorischen Talent Brigbam Young. Er war en ım:
umjchränfter Herr, der mit eijerner Rute regierte; aber feine Unterthbanen hingen merl-
würdig an ibm. Er gebörte zweifellos in die erfte Reihe der mächtigen Perfönlichkeiten
feiner Zeit. Obwohl rob und ungebildet, hatte er doch ungebeuere förperliche und geifti
Energie und alle Fähigkeiten, ein großer Volksführer zu fein. Ihm noch mehr
55 J. Smith verdankt das Mormonentum feinen Zufammenbang und feine Beharrlichkeit. Offen-
barungen erbielt er, wenn er es nötig hatte, doch war er mehr Organifator, als Prophet.
Auch feinen Nachfolgern fehlte es nicht an Talent.
Die Mifftonsthätgfeit der Kirche, jtets eine wichtige Arbeit, ift in der jüngften Seit
reger als jemals feit Beginn der fünfziger Sabre. Damals war die erfte Bela
bo der Lehre von der Polygamie ein unerwartetes Hindernis für die Ausbreitung in Europa
Mormonismns 475
und Amerila. est, nachdem die Miffionare dieje Lehre nicht mehr zu lehren brauchen,
fönnen fie mit verboppeltem Eifer vorgehen. Die Kirche fendet ungefähr 2000 Miffionare
aus, indem fie alle zwei oder drei Jahre mit dem Perſonal wechſelt. Die Miffionare
dern ftets in Kleinen Gruppen von zwei oder mehreren; bei ihrer Propaganda machen
fie reichlich Gebrauch von Traktaten und anderen Schriften. Bei ihrem Vorgehen find fie
ſehr Hug; feine der abftoßenden Geiten des Syſtems wird berührt. Dagegen werden in
ihren Predigten zwei Dinge ſtets befonders hervorgehoben: Der beitridende Gedanke einer
ununterbrochenen, befonderen Offenbarung und die Berheißung großer Vorrechte und Ehren
im taufendjährigen Reich, das alles natürlih in höchſt finnliher Weife gedacht. An das
Gewiſſen wird jo gut wie niemald appelliert. In allen an Utah angrenzenden Staaten ı
und Territorien, beſonders in Idaho und Arizona haben die Mormonen feiten Fuß gefaßt;
ihre politiihe Macht beginnt in allem fich fühlbar { machen. Einer ihrer Glaubens-
artikel ift, daß ihre Kirche die Nation, ja endlich die ganze Welt beherrichen wird;
das babe Gott jo verordnet. Doc; in Utah felbit hat die Ausbreitung der Mormonen⸗
lehre den geringiten Erfolg; ie fommen Nichtmormonen in fo großer Zahl, daß fie ıs
die fogenannten Heiligen ziemlich gewiß bald an Zahl übertreffen werden. Die Übertritte
aus dem Mormonigmus zu den evangelischen Kirchen — die hauptſächlichen find in
Utah vertreten — find rtdauernd keineswegs unbedeutend, während die Mormonen
Anbänger bei den Evangeliichen faum mehr gewinnen.
In den Vereinigten Staaten wird gegenwärtig die Zahl der (getauften gläubigen) zu
Mormonen (das Ergebnis der amtlichen Volkszählung vom Jahre 1900 ift noch nicht
zu beichaffen) auf 300000 geſchätzt. Sie überfteigt diefe Ziffer jedenfalls beträchtlich. Die
meiften wohnen in den Stales of Zion, fünfzig an der Zahl, die, abgejehen von denen
in Utab, von Kanada bis Mexiko berjteut find. €3 mag bier bemerkt werben, daß die
Stakes of Zion fo heißen im Unterfchieb von dem eigentlihen Zion, das für die Mor: 26
monen immer noch Sadfon County, Miffouri, ift. Dorthin werden dereinft die Heiligen
fih jammeln um fich für die Ankunft des Meſſias vorzubereiten. Bon den Mormonen lebt
etwas mehr als die Hälfte in Utah. Die Mitgliederzahl außerhalb Amerifas betrug nach
„Millennial Star” am 31. Dezember 1899 in Großbritannien 4588; Schweden und
Norwegen 5438; Deutichland 1198 (jet 2000); die Schweiz 1078; Holland und Bel: zu
gien 1556.
Nachſtehend geben wir im Umriß ein Bild von den innern Zuftänden des Mormo-
nismus der Gegenwart.
Negierungsform. — Der Mormonismus ift eine reine Theofratie, gegründet auf
das Prophetentum und vermittelt durch eine Hierardıie. 35
In feinen Anfängen berrichte im mefentlichen das freie am robbetentum aber da man
ertannte, welche Verwirrung entſtehen würde, wenn jeder Menſch fein eigener Prophet
wäre, entwidelte man, um dem vorzubeugen, nad) und nad ein großes bierarchifches
Syſtem; es wurde der ausſchließliche Wermittler des prophetiichen Worted und aller Gnabde.
Das Prieftertum ift in zwei Hauptllaflen eingeteilt, in die Melchiſedek- und die 0
Aaronpriefterfchaft. Jedes erwachſene männliche Mitglied hat, fofern es deſſen würdig
den ift, irgend einen Plab in der einen oder andern PBriefterflaffe. Ungefähr einer
von fünfen hat ein Amt oder irgend eine autoritative Stellung. Bon allen mirb erwartet,
daß fie predigen oder ſonſt dem Evangelium dienen, ohne Bezahlung — die Kirche trägt
nur bie notwendigen Ausgaben - - zu Haus oder draußen, wenn fie dazu berufen werden. 45
Die Melchiſedelprieſterſchaft hat die geiftlihen, die Aaronpriefterjchaft die weltlichen An-
mr AR. führen, doch befigt die erftere auch in den weltlichen Angelegenheiten die
ri pn.
Die Grade der Melchifedekprieiterfchaft find folgende: a) Das „Hauptpräfidium“
„Ihe council of the First Presidency“, aus drei Männern beftehend, durch Amt und sw
Anſehen Petrus, Jakobus und Yobannes gleichitebend. Ciner von dieſen ift primus
inter pares und Kirchenpräfident, die andern find feine Räte. Er wird in einer General:
verfammlung gewählt. Er hat unumſchränkte Gewalt. Seine Räte können ihm bei Be:
tatungen egen fein, jedoch nie bei endgiltigen Entſcheidungen. Für die ganze Kirche
ift er „Prophet, Seher und Offenbarer”. Viele andere können an der prophetifchen Gabe 55
tet ‚ doch nur in geringerer, untergeorbnieter Weiſe; unabhängige — geſchweige
denn widerſprechende Weisjagungen - - tverden nicht geduldet. b) Die zwölf Apoftel oder
außerordentlidhe Zeugen von Chrijti Namen in der ganzen Melt. In ihren Händen liegt
befonderd die Einfegung aller andern Beamten und die Verwaltung der Saframente.
Bern das Hauptpräfivium durch den Tod des Präfidenten aufgelöſt ift, jo leiten die co
a
oO
il) Mormonismus
1 pie div unbe bie zur Bildung eines neuen Hauptpräfibiuns. Die Glieder dieſer
a Mate ſind ſamtlich Rropbeten: jedoch bat nur einer von ihnen, der Präſident, das
tu yirkenbinunaen von bleibender Wichtiafeit zu empfangen, neue Lehren zu verfün:
fan oder Agenzeme Ammerfunsen fur Die Fubrung und Yeitung der Kirche zu geben.
w !anaade der „Quorums“ Nr Zichiis. Dies find Räte für Die verſchiedenen Kirchen⸗
Battaettv A Yamanien: 2 zo m Ne Rinde einen Sauptpatriardhen und eine Anzabl
SNunde Yamtayıı ee Ssaurmz Tec wermdeen in Abweſenheit böberer Perjonen
aiy Rente meter sub Ne Trüfidenten der verfchiedenen „stakes“
NN. AN Du om d Nirdn, era entiprechend einer Tiözefe
ade m zer Seorduf uiammentallend — ift geleitet von
wur Ro, wet eo ymeeoer Wan becidne ibn ul Statepräfidentichaft (Stake
Dogg), .z rzeese Ne Aumzrräfibentichaft über Die zunze Kirche. Unmittelbar
exeoisn feier I Suszretz >c den hoben Wat (High Council) des Stake bilden.
Sa ya tn ind Du Smülböfe der Kirche. Ihre Emicheidungen find enbgiltig,
ANNO RT UM \upmräfidiun revidiert merden. fi Alteften. Diefe haben
Ma am Bidune Ne Saummeeltums, Taufen, Handauflegen für Die Gabe des beiligen
weite Bu abamene Homen werden von der Generalverrammlung der ganzen
endet aan ey Asronpriefterfchaft bat folgende Amter: a) Bifchöfe; fie baben
Su ma ne % Drmmauna des Jebnten, Die Armenverjorgung x. Jeder „stake“
N vwr ta os Ir Beiböfen Steht ein Hauptbiſchof „general presiding bishop“.
wene or Unterbeamten unterjtüßt. b) Prieſter. e) „Zebrer.” d) Dia⸗
on SS. Dart a Üflegen (wards) eingeteilt. Jeder Pflege präfidiert ein Biſchof
8 8 Nm Din drei bilden eine Unterbebörde (common court), von beren
N une Ne wort Nat appelliert werden kann. Die fchwerite Strafe — nad
So ... . ann 8 nicht anders fein - - ijt die Erfommunilation.
So cw stasie durchgeführte Urganifation ermöglicht die genaueite und wirf:
en Miapken Noung erflärte, er habe das Recht alles vorzuſchreiben und zu
u wei den zu ben Bändern, Die cine ‚rau tragen folle”. Jedes Unter:
Attiene, Vildung von Niederlaflungen ꝛc. — erfolgt auf befonderen Befehl
Snung. Go tft nur ein Zugeltindnis, Das ſich nicht vertverten läßt,
ven einen Unterſchied zwiſchen Kirche und Staat zulafien.
yes vad erbulten durch die Zehnten ihrer Mitglieder, außerdem burd be
re ad Vpfer. Die Woblfabrtseinrichtungen der Kirche umfaſſen Unter:
en entttagpfchulen, Bildungs: und religiöfe Vereinigungen. Die Unter:
a Beiten bejonders den Armen und Kranken, fie baben über 30 000 ftändige
rein titel, Die Deseret Sunday School Union zählt ungefähr 120000
x Suter, Ein Mormonenjcriftiteller jagt: „Bon Anfang an baben die Mor:
are Zelte, jondern als eine (Sejellichaft beftanden. Zie haben das fo:
x wlutiofe Element der Urganifation vereint. Nett find fie eine neue foziale
sa Welt und im fich ſelbſt ein einbeitliches Ganzes.” (Tullidge, Gefchichte von
—WVBV Ru, INS).
oe, Der erfte und beherrſchende Grundfag des Mormonismus tft der Lebrſah
.. aanutisrbrochenen und fortjchreitenden Offenbarung. Sie ift myſtiſch-apokalyp⸗
du Hie Vorftellung einer hiſtor iſchen, perfünlichen Offenbarung feheint den
aa zn abzugeben. Blindes Vertrauen in den Propheten, der an der Spike
ni Uehl, iſt das Weſen des Mormonenglaubeng.
tb in Der Natur der Sache, daß eine Lehre, die aus einem Prophetismus em⸗
vn bin anderes Geſetz, feine andere Grenze kennt, als die mancherlei praktiſchen
“oh anb Intereſſen der Theokratie, feine innerliche Übereinftimmung baben fann.
jan gasfelt Sind in der Diormonenlebre bemerkenswerte Veränderungen vorgenommen
many künnen jederzeit eintreten. Sie iſt jo voll von Verwirrung und inneren
Zin eſpeuchen, Daß niemand mit voller Gewißheit angeben Tann, was die Mormonen zu
or gegebenen Zeit wirklich lehren und niemand weiß, was der nächſte Tag
partie Tiefe vollkommene Ungewißbeit it Das einzig Gewille im Mormonismus.
u bupintnge Vehauptung der Mormonen, der Kirche Bekenntnis, Glaube, Ziele und
dt ſeien immer dieſelben geblieben, will mir ale eine Selbfttäufcbung erfcheinen.
N. Wette Wort erfennen die Mormonen an die Bibel „joweit fie richtig überjeht
A da Auch Mlormon und die Cffenbarungen, Die in „Doctrine and Covenants“
ed allen Keröffentlichungen entbalten find. Was die Bibel betrifft, fo bereitete
wiſeyn Snith wine „verbeſſerte“ Überfegung vor; fie ift erit lange nach feinem Tode er:
„
x S
a — ——— — — ee, — —
Mormonismus 477
Schienen. Der Text war, feinen Abfichten entfprechend, verändert, auch waren einige lange
Blake gemacht. Dieje Freiheit dem Texte gegenüber rechtfertigen die Mormonen ganz
olgerihtig mit dem Gedanken: der unfehlbar infpirierte Prophet ift im ftande „ebenfo
gute” Schriften hervorzubringen, als je vorher gejchrieben waren. Streng genommen it
die Bibel für die Mormonen feine Autorität. Das Mormonbuch, das in gejchichtlicher 5
Hinſicht außerordentlich wichtig ift, enthält fehr wenige von den unterfcheivenden Lehren
der Sekte. Das Hauptlehrbuch ift da8 Book of doctrine and covenants. Aud) die
Pearl of Great Price wird zu den beiligen Büchern gerechnet. Im Sahre 1842 gab
Joſeph Smith einen Turzen Abriß des Mormonenglaubens heraus. Hier ift die Lehre
von der Dreieinigfeit anerlannt, dagegen geleugnet, daß mir für Adams Fall beitraft ı0
werden. Die Erlöfung iſt durch Chriſti Sühnopfer allen Menjchen möglich, unter Be-
dingung des Gehorfams gegen die Verordnungen des Evangeliumd. Dieſe find: Glaube,
Buße, Taufe zur Vergebung der Eünden; die Handauflegung zum Empfang des heiligen
Geiſtes. Die wahre Kirche muß diefelben Einrichtungen und diejelben geiftlichen Gaben
baben, wie die apoftolifche Kirche; weiter wird gelehrt die Sammlung des Volles Jerael ı;
und die Wiederheritellung der zehn Stämme. Zion wird irgendwo auf dem amerila-
nifchen Feitlande gebaut werden und Chriftus wird in Perfon auf der Erde berrichen,
die zu paradiefifcher Herrlichkeit erneuert werden wird. Alle Menjchen follen im 8
religiöfer Freiheit fein; den Königen und allen Macıthabern ſoll Gehorfam und Chr:
furdht eriwiefen werden; ein reines, ehrenhaftes, keuſches, moblthuendes Leben iſt eine 20
beilige Pflicht. — Doc alles diefes giebt nur einen geringen Begriff davon, was
der Mormonismus damald mar, um von feinen fpätern Ericheinungen ganz abzu-
ſehen. Eo ift 3. B. feine Lehre von Gott ganz verfchieven von dem, was bie
hriftliche Kirche lehrt. Die Mormonengottheit iſt cher nach buddhiſtiſchen Grundfägen
gedacht. Daneben bat fih ein Syſtem von Anthropomorphismen entwidelt, dem 25
eine ketzeriſche chriitliche Sekte je gleichgeflommen if. Die Mormonen lehren, daß
nichts „erichaffen“, aber alles „erzeugt“ if. In mundi primordiis Deo foemina
erat. Der höchſte Gott (der, einigen Quellen nad, in irgend einer Weile hervorgebracht
ift durch die Unendlichkeit der fich ſelbſtbewegenden und intelligenten Materie) wohnt in
dem mitteljten „Planeten Kolob“. Andere Götter find von ihm gezeugt. Alle haben 30
Körper, Teile und Leidenfchaften, denn „der Menſch ift nach dem Bilde Gottes gefchaffen”.
Eine Hauptbeihäftigung diefer Götter ift, Seelen hervorzubringen für die Körper,
m diefer und anderen Welten gezeugt werden. Der Gefchlechtögedante zieht jich
die ganze Mormonenvorftellung vom Weltall hindurch. Jede Welt hat ihren eigenen
Gott; der Gott unferd Planeten ift der Adam der Genefis (die mar eine von Noungs 3
bauptfächlichiten Offenbarungen), der allmählich zu feiner gegenwärtigen Herrlichkeit gelangt
it. „Er ift der einzige Gott, mit dem mir zu thun haben.” Alle Götter befinden br
in einer fortfchreitenden Ontteidelung. In die Reihe der Götter treten die Heiligen dur
ihren Tod ein; anfänglich it ihr Rang ſehr niedrig, aber alle fchreiten fort, bis jeder
den Adam-Gott an Herrlichkeit und Macht übertrifft. Unfer Gott ift dem Körper nad) so
im Raume, aber durch feinen heiligen Geift allgegenmwärtig. Diefer it „der feinfte unter
den materiellen Subſtanzen, er ijt weithin verbreitet durch den Weltenraum“. |
Adams Fall war ein Segen: „Adam fiel, auf daß Menſchen werben.” Was die
Bedingungen der Erlöfung betrifft, fo betrachten die Mormonen den „fettiererifchen Lehrſatz“
bon ber Rechtfertigung durch den Glauben als eine „verberbliche Lehre”. Gehorfan gegen 46
bie Gebote und Unterordnung unter die Autorität, das ift die Hauptfache bein Glauben.
Die Taufe, durch die die Sünden abgewaſchen werden, it zum Heile unbedingt not=
wendig. Die Kindertaufe iſt ein „feierlicber Spott”; denn kleine Kinder haben feine
Sün ln bereuen und jtehen nicht unter dem Fluche Adams (Bk. Mormon., Mo-
Eine dunkle aber entjegliche Lehre von der „Blutfühne” — daß nämlih zur Er-
löfung der unbeugſam Abgefallenen und ähnlicher das Vergießen ihres Blutes nötig ſei —
— einſt von Brigham Young gelehrt, iſt aber glücklicherweiſe jetzt nicht mehr hervor:
8
Der Text der Offenbarung, welche die Vielweiberei billigt (datiert vom 12. Juli 56
1843) ift ein ziemlich langes Schreiben und iſt betitelt: „Himmliſche Che, eine Offen:
barung von der patriarchaliichen Einrichtung des Eheſtandes oder der Vielweiberei“. In
den eriteren Jahren war die Vielwveiberet nur wenigen erlaubt, in fpäteren Jahren wurde
gerühmt als wünſchenswert für alle, daher als relativ obligatorifch betrachtet. Die
flichtung dazu iſt jet juspendiert. Es wurde gelehrt, daß diejenigen ganz bejondere w
—
—
50
478 Mormonismns Morone
welche Bielweiberei treiben. de zufünftigen Welt wird ſich d
Heiligen nach —— ſeiner eiber — richten. Unter —
Ev. — 811V. | Welweih etrieben. Stets Mor:
5 —* die An Bons * ie V E — age be.
da fie Die ausfchlieht. er Präfident %
erflären, bie er — hat, während ſolche, 2 ehe fein jene Emmoiligune sich
ipso facto, in foro conscientiae nichtig fi
tg Gebote und Gotteobienf. Die Taufe geſchieht nur —— —*
10 tauchen unter acht Jahren kann getauft werden. Die Taufe für |
. im Gebrauch, damit diejenigen, welche sn Taufe geftorben find,
Wohlthaten ngen, wenn fie ber 56 der — im Habes
on diefem 1 au a Bing großen Anza Abe gas * Pro ig ne
madht worden N, bie see Auen n —— Taufe olg
ee ER |
Traub Sant: wird
En u Da Ga San Se Be
ag jtatt; und Waſſer werd
gä net —— * ren — ſitzen. Die Mormonen haben
20 wiſſe, ebeime Gebräuche, ähnlich den Myſterien d er Freimaurer und der Oddfellows die
davon find die, weldye mit ber — * zuſamm die My⸗
—— des „Öründungsbauf “ (Endowment House). Wahrſcheinlich find dieſe Ge
—— von weniger Bedeutung, als die Uneingeweihten Vu vorausjegen.
oviel aber iſt von I fie, man läßt die Leute —* eidlich verpflichten, dem Propheten
35 und der Hierarchie unbedingt und auf immer unterworfen zu fein. Jetzt werden alle
geheimen Gebräuche im Tempel vollzogen. Kein — * hat Zutritt zum Tempel,
dagegen ſteht der Zutritt zum Tabernakle jedermann frei.
Der —— Gottesdienſt beſteht in Geſang, Gebet, Predigt, —— — —
Abendmahls und zuweilen am durch den „Batric die An dem Taber:
so nakle in Salzjee-City re er a; ang Sejonbers gut; . Öefang * von *
ge —— fung_toerben &ieber gefüngen. 9
gleitet. Auch von ganzen V mlung wer Meiſte
digen zwei Perſonen in einem Gottesdienſte. Die —5— nd — bloße
gewöhnlich ohne einen Text, eine eigentümliche Miſchung von Religiöfen und Belt
36 . ae ift ber behandelnde Gegenjtand eine valide, Streitfrage
es ba ſich um Die Anlage einer neuen Niederlaffung oder bie Anlage —*
eines induftreffen Unternehmens. Es werden Berichte erteilt über Gefichte, über wunder:
bare Heilungen ꝛc. Hin umd wieder werden die Leute ermahnt ihre Zehnten pünktlich
In. u zahlen oder daß fie ibre Kühe micht frei umberlaufen laſſen und mebr.
0 Wird über „Religion“ geiprochen, jo gefchieht das nur, um den Eifer ber Für Die
Mormonenfache anzufeuern, nicht aber um den perjönlichen Glauben an den I )
Gott zu eriweden. Das Ganze bat einen erjtaunlich weltlichen U ‚ die Gemeinde
zeigt wenig Ehrfurcht, im Gegenteil Leichtfertigfeit und Luſtigkeit. " alles entipricht
augenjceinlich dem Endzweck.
46 Ueberblidt man bas Ganze, fo muß man urteilen, daß der Mormonismus in wirt:
ſchaftlicher Hinficht Großes geleiftet und im feiner jo ialen Organifation eine wunderbare
Kraft entfaltet hat. Die Wirkung für das individuelle Leben ift nur zum Zeil beilfam
geivefen: Fleiß und Bebarrlichteit wurben geübt, manche öffentliche Laſter zum
ber auf der anderen Seite hat die Vielmeiberei dem Vollkscharakter tief ge und Die
50 —— uung iſt derartig, daß Wahrheitsliebe, ar een Menfeher reundlichlei
zaterlandsliebe und überhaupt ein tiefer moraliſcher ft als überflüſſig erſt
as eine chriftliche Sekte fann der Mormonismus ſchwerlich betrachtet werden;
erkennung Chriſti, dem Namen nach, will nicht viel ſagen. In der That erheben
Mormonen den Anſpruch nicht ein Teil der biftorifhen. Risk Chriſti zu ſein.
55 I. R. van Belt.
Morone, Biovannı, Kardinal, geb. 1509, get. 1580. — Als von ihm ver:
faßt bezm. herausgegeben erwähnt ride bei Scyelhorn, Amoenit. lit. XIT, &.558f.: „Oon-
stitutiones Episcopatus Novarienais ad divinum cultum, curam animarum et vitam
corum pertinentes“, item „Mutinensis Synodi Acta“ (val. Yabricius Bibl, graee. vol. XT,
Morone 479
303) vom Jahre 1565; „Oratio in Concilio Tridentino habita“ (bei Labbé , Conc. tom.
kıv. p. 15998q.; bei Harduin, Conc. t. X, p. 375); „Leges pro Concordia Genuensium;
Epistolae plures ad Principes viros et alios* (finden fid) hier und da in verfh. Samnı-
lungen); daß er „D. Hieronymi scripta ab Erasımo Roterod. edita erroribus castigavit“ hat
ide jelber (vgl. ebd. S. 559) nicht fonftatieren fünnen — es beruht diefe Angabe wohl auf
erweh3lung mit den Bemühungen der in Trient niedergefegten Kommilfion zur Revilion
beziv. Ergänzung der fchon vorhandenen Berzeichnifie verbotener Bücher (vgl. Reuſch, Inder
I, 320, 347 ff. „Erasmus im Inder”). Depeſchen Morones aus feinen Legationen in Deutich-
land find zugänglich in beijhräntter Auswahl bei Lämmer, Monumenta Vaticana (Freiburg
1861) cf. Index; die aus Worms bei Rante, D. Geſch. VI, 165—185; die der Legation von
1541 bei Dittrih (JGG 1883; vollftändiger Abdrud in den „Nuntiaturberihten aus Deutſch—
fand“ I. Abt. herausg. durch d. kgl. preuß. Snftitut in Rom 2c., Gotha 1892ff.) und zwar:
Nuntiatur des Morone 1536—38, bearb. v. Friedensburg (2. Bd), deögl. 1539 (3. Bd); desgl.
1540—42 (5. Bd, jteht nod) aus). — Zum Prozeh vgl. (Vergerio) Articuli contra Card.
M. de Luteranismo accusatum et in carcerem conjectum ... 1558 (j. Hubert, Bergerios 15
publizift. Thätigfeit (1893), ©. 309. Neudrud in: Schelhorn, Amoenit. lit. XII ©. 537 fl.
durdy Yride; die im Verlauf des Prozefied eingereichte „Confessio“ u.a. giebt Cantu, Gli
Eretici d’Italia Il, Disc. 28; die gejamten Prozehatten liegen, wie Rei. in 93 NS 8d VIII,
©. 460 ff. nachgewieſen hat, egperpient vor in dem „Compendium Inquisitorum‘“ (abgedrudt
im Arch. della Soc. Rom. dı Storia patria voll. III, durd) Gorvifieri); in Abſchrift hat 20
Santü fie in Mailand eingefehen. Den Vorſitz M.s beim Trient. Konzil betr. f. die
Ausführungen bei Sarpi und Pallavicini, Hist. Conc. Trid. passim ... — Allgem. Litt.:
Zancelloti, Cronaca Modenese in: Monum. ... delle prov. Modenesi ..., Barma 1862 ff.) ;
Fricke (bei Schelhorn, Amoen. ſ. o.) De Joanne Morone Card. ... Observatio, p. 537—586;
Münch, Dentwürbigteiten ..., ©. 213; derſ., Verm. Schriften IT, 111; Tirabosdji, Storia
della Lett. Ital., t. VII, p. I, 476ff. (Milano 1824); Dittrid, Gasparo Contarini (Braun®:
berg), passim.; Friedensburg, Einleitung zum 2. Bde der Nuntiaturberr. aus Deutichland,
I. Abt. (Gotha 1892), ©. 7 ff.; Eantü, Eretici, f. o.; derf., Il Card. Giov. Morone in Memorie
dell’Ist. Lombardo 1866; GSclopis, Le Card. Morone in Compte-Rendu de l’Acad. des
Sciences morales .. ., Barig 1869/70 (XC, XCI); Bernabei, Vita del Card. Giov. Morone, 3%
Modena 1885. — Briefe von Cochläus und Ed an Morone aus der Zeit feiner Nuntiaturen
in Deutichland Hat Friedensburg in der ZAG, Bd XVI—XX veröffentliht unter den „Bei:
trägen 3. Briefw. d. katholiſchen Gelehrten ...“ Einen an Contarini, defien Bita von Becca:
ei dene pie Kard. Poles Briefwechſel (ed. Quirini) zu vergleichen iſt, druckt Selopis a. a. O.
„S. 35
Geboren am 25. Januar 1509 in Mailand verlebte Giovanni Morone die Jahre
ber Kindheit in Modena, ſtudierte Rechtswiſſenſchaft in Padua, trat aber alsbald in die
firchliche Laufbahn, in der ihn Papſt Clemens XII. ſchon 1529 durch die Übertragung
des Bistums Modena für die Dienite belohnte, welche fein Vater Girolamo fich um die
a an von Kaifer und Papſt erworben hatte. Freilid‘ wurde ihm das Bistum go
den Mailänder Erzbiſchof Ippolito von Eſte ftreitig gemacht auf Grund angeblich
früher erhaltener Zuficherung, und erjt 1532 wurde ein Abkommen getroffen dahin
gehend, daß Sppolito eine jährliche Zahlung von 400 Dukaten aus den Einkünften er-
bielt, worauf denn Morone im gleichen Jahre fein Bistum antrat. Schon 1529 ſoll er
im Auftrage Clemens’ VII. eine diplomatifhe Miffion nach Frankreich erhalten und aus:
geführt haben. Kaum war Paul III. auf den päpftlichen Stuhl geitiegen, als er den
jungen Biihof 1535 zuerit an den Herzog Sforza von Mailand jandte, dann im folgen:
den „Jahre ihm die wichtige Nuntiatiur übertrug, welche bis dahin Vergerio in Deutfch-
land bekleidet hatte. Morone war anfänglich zur Übernahme des jchwierigen Voftens
nicht geneigt; jedoch erfchien er im Oktober in Rom beim Papſt, um jeine Abfertigung
entgegen zu nehmen. Als Hauptgegenitand feiner Aufgabe diesſeits der Alpen erſcheint
in der Inſtruktion (gebrudt bei Naynaldus ad a. 1537, $ 6, 7) die bei König Ferdinand
te in Ungarn und Böhmen zu betreibende Angelegenheit des Konzils, wie es auf das
Igende Jahr nach Mantua angefagt war; u. a. foll er durch Ferdinands Vermittelung
bom Kaiſer freies Geleit für die Befucher der VBerfammlung (auch die Proteſtanten je
nad Bedarf) erwirken, etwaigen Widerjpruch gegen die Wahl des italienischen Drtes be:
ſchwichtigen, dann aber auch über alle Vorkommniſſe in Deutichland, die mit feinem Auf:
trage in Beziehung Steben, berichten. In der Konzilsfrage lag ſchon eine Denkſchrift des
Wiener Bifhofe Johann Faber vor (Praeparatoria futuri univers. ... Coneili,
gerudt bei Raynald ad a. 1536 $ 37). Eine Begutachtung derfelben durch Alexander go
(ebenfalls bei Raynaldus gedrudt, $ 38), ließ man M. zugeben, und dieſer wurde beauf-
tragt, ſich mit Faber ins Einvernehmen zu jegen. Außerdem wurde ihm nicht nur die
üblichen Breven mitgegeben für den König, die Königin u. a., ſondern auch die gewöhn—
ci
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480 Morone
lichen Vorſchriften erteilt, wie er ſich auf der Reiſe zu verhalten habe in allen äußeren
Dingen, mit welchen Leuten er zu verkehren habe u. ſ. w. Ende November gelangte M.
nach Wien; von da ab bis zum Schluß der Nuntiatur begleitet er den Hof nach —2*
Zap, Steiermarl, Krems, Prag, Schlefien, Mähren, Dresden zu Herzog Georg von
> Sachſen, Linz, von wo ihm im September 1538 auf feinen dringenden Wunſch die Rüd-
kehr geitattet wurde. M. hatte fchon in den erſten Wochen jchwere Enttäufchungen e:
lebt, da fein Einfluß gering war und blieb, obwohl cr perfünlich Anfehen genoß; dazu
famen peluniäre Verlegenheiten, von denen mehrere dringlihe Schreiben reden. Als im
Herbit 1537 fein Bruder ftarb, der dag zerrüttete väterliche Vermögen verwaltete, bat er
um Erlaubnis zurüdzulehren, aber er hat noch ein Jahr warten müflen, bis er „Urlaub“
erhielt. An feine Stelle trat Fabio Mignaneli. Wenn M. mit dem Grfolge jeiner
Miſſion weniger zufrieden war, jo werden wir doch von jeinen Berichten mit großem
Intereſſe Kenntnis nehmen, da fie inftruftive Schlaglidhter auf Perſonen und Verhält⸗
nifje werfen, ihn auch felbft als einen vorfichtigen Beurtetler von klarem Blid und diplo-
15 matifcher Gewandtheit zeigen — übrigens durch eine angenehme Beſcheidenheit ſich auch
vorteilhaft von denen feines mittelbaren Vorgängers Alcander abheben. Die reichlichen
Ausführuugen Friedensburgs in der „Einleitung“ zu Bd 2 (S. 1856) geben da ein
deutliches Bild. Von Belang für die Beurteilung des Nuntius M. ijt ein Brief an
Sadoleto (ſ. d. A.), deſſen Mitteilung Ref. der Freundlichkeit Prof. Friedensburgs ver-
» danft, undatiert, aber aus dem lebten jahre diefer eriten deutfchen Legation herrührend.
M. fpricht fich darın über das befannte, im CR (19. Juni 1537) gedrudte entgegen-
fommende Schreiben Saboletos an Melanchthon aus, an welchem die Eiferer großen
ſtoß genommen hatten. „Sie meinen”, fagt M., „unfere Religion beftehe darın, daß wir
die Zutberaner baflen und dies durch Beleidigungen und immer neue Streitfchriften be
25 weifen ...“. Saboleto folle fie reden laffen und ihnen durch Schweigen antivorten ...
Er fer überzeugt, daß man vielleicht jet eine minder ſchwere Arbeit der Wiedereinigung
der Slirche haben würde, wenn von Anfang an in milder Weife mit jenen verfabren
worden wäre...
Man Stand damals furz vor dem lebten umfafjenden Berfuch einer friedlichen Aus
so gleichung. M. kehrte im Juli 1539 in feine Nuntiatur zurüd. Sofort berichtet er: der
Vizekanzler Held hat offenbar im Auftrage des Kaifers einen Plan vorgelegt, daß Ge
lehrte bei den Religionsparteien mit Vertretern des Papſtes, des Kaifers, des römiſchen
und des franzöfiichen Könige zufammentreten follen, um die Konlordia vorzubereiten
(Nuntiaturberihte IV [1893] ©. 127; auch bei Yämmer, Mon. Vatic. p. 242 ff.). Bor:
36 läufig legte man in Rom diejes Projekt beifeite.e Aber dasfelbe gewann body fchlieklich
Gejtalt und veranlaßte 1540 M.s Anweſenheit in Speier (bezw. Hagenau) beim Religions:
gefpräch und dann in Morms, wo ein nennenswertes Refultat nicht erzielt wurde. Um jo
dringlicher machte fich der Wunfch des Kaiferd geltend, g" gleihem Zweck einen befonderen
Legaten — und zwar den Kardinal Gontarini (f. d. A. Bd IV ©. 278, 10) — für den
40 bevorftehenden Reichstag zu erhalten, und es entſprach auch der Fürfpradde und dem
aufrichtigen Wunſche N als jener im Januar 1541 für Negensburg beitimmt wurde
(vgl. Dittrich, Contarini S. 547). Da M. von Rom aus angemwiefen wurde, am Hofe
weiterhin die päpftlichen Intereſſen zu vertreten, jo beginnt nun (mit dem Januar 1541)
der dritte und wichtigite Teil feiner deutſchen Nuntiatur, über den vorläufig nur vor:
35 liegt, was Schulge (386 III), Yämmer (Mon. Vat.), Tittrih (H36 IV) u. a. ver
öffentlicht haben, twährend die „Nuntiaturberichte” noch nicht bis zu diefer Periode g
find. Ueber das Regensburger Gefpräh vgl. d. U. und die Ausführungen Dittri
(HNO IV, 399 f.). Eine maßgebende Rolle bat M. dort nicht gefpielt. Trotzdem haben
die Eiferer in der Kurie ſpäter mit Contarint auch ihn zu fompromittieren * bemüht.
so Während M. noch in Deutjchland war — er folgte dem Hofe nad) Speier — wurde
er Kardinal 1542.
M. kehrte im Kaufe des Jahres 1542 nad Modena in feinen Bifchofsftg zurüd, um
endlich dort Nefivenz zu halten, nachdem ihn die diplomatischen Verhandlungen jahrelang
fern gehalten batten. Er fand dort Kenereien, deren Spuren fich fchon feit 1537 sage!
65 hatten (vgl. Benrath, Die Summa der bl. Schrift [1880], ©. IVf.), in Hichem
fichgreifen.. Der Chroniſt Yancelotti (vgl. Cronaca Modenese ad a. 1543) giebt bie
Namen der bervorragenditen Mitglieder der „Akademie der Grillenzoni”, in deren Schoße
eine freiere Stellung zu firchlihen Lehren und Bräucen bervortrat: neben jenen ber
Grieche Francesco da Porto aus Candia, Filippo Valentino, der Arzt Machella u. a.
co Der Kardinal Gontarini fchrieb auf Wunsch Morones ein Glaubensbelenntnis in Kate
Morone Morus, Sam. Friedr. Nath. 481
hismusforn (41 Fragen und Antivorten ; vgl. Dittrich, Contarini ©. 807 ff.), welches
von den Bürgern der Stadt unterzeichnet iverden ſollte. Zugleih mahnte (11. Juni
1502) Sabdoleto in einem Schreiben an Ludovico Gajtelvetro (dieſes und die ausweichende
Antwort bei Dittrich, Regeſten Contarinis [1881], S. 389— 391) diefen und die Aka—
demiler, von Neuerungen a zutallen, während Baul III. unter dem 23. Juni den Kardinal 5
zum Borgeben dagegen direlt beauftragte. Weiteres |. b. Dittrich, Regeſten Contarinig,
S.391—399 und bei Cantü, Eretici, II, 198. Nach längeren Berhandlungen zwiſchen
M. und den Akademikern wurden die Artikel unterfchrieben. Modena blieb vorläufig
von weiterem Vorgehen verfchont; 1556 aber ordnete Paul IV. eine neue Durchſuchung
der Stadt nad Ketzern an: da werden ber Dompropft Bonifazio Balentio und ber 10
Buchhändler Gadaldıno nad) Rom abgeführt, Filippo Valentino und Gajtelvetro ent:
famen; der letztere hat noch MWechfelfälle mit der Inquifition gehabt, bis er in das Grau—
bündener Land floh, wo er auch 1571 geitorben iſt. Wie nabe M. felbjt den reforma-
torifchen Grundgedanken von der Rechtfertigung durch den Glauben ftand, zeigt feine
Hochſchätzung des „Benefizio di Cristo“, welches er auf feine Kojten verbreitete (vgl. 15
Art. 18 bei ride in Schelhorns Amoenit. XII, p. 576); von feinen Gegnern wurde
es aus den mäßigenden Einfluß, den er in der kirchlichen Frage übte, gefolgert.
Noch ehe das Jahr 1542 zu Ende ging, fandte Paul III. M. nad Trient zu dem
angelagten Konzil, das doch erſt 1545 begann — jodann abermals zu Karl V., endlich nad
Bologna zur Übernahme der Legatenitelle, die feit Contarinis Tode unbeſetzt war. Gleich- 20
zeitig vertauſchte M. fein Bistum Modena gegen Novara. 1549 ftarb Paul III. Bei
den ſich rafch folgenden Konklaven, aus welchen Marcellus II. und Julius III. hervor:
gingen, wirkte M. mit. Der lebtere jandte ihn abermals über die Alpen, um ſich bei
dem Augsburger Reichstage 1555 einzufinden — die Nachricht vom Tode des Papftes rief
ihn nah Rom zurüd. Und nun fam der fanatiiche Paul IV. auf den Thron, der noch
ein altes Konto mit M. wegen der Modenefer Keberei zu begleichen hatte: ihn nebjt
mei anderen Bilchöfen, nämlich Sanfelice von Ya Cava und Foscarari von Modena (ſ. d. A.
d VI,134) ließ er einkerkern und Pole (f. d. X.) unter Prozeß ſetzen. Aus den Alten des
‚Brogeiles gegen M., der am 12. Juni 1557 mit feiner Einferferung im Kajtel St. Angelo
in Rom begann und der ihn bis zum Tode des Papſtes dort fejthielt, hat Cantü fo= so
wohl im den Eretici d’Italia (II) als in der fpeziellen Daritellung Il Card. Giov.
M., Commentario (Rendic. |Memorie] dell’ Istituto Lombardo 1866) reichlich ge—
Ihöpft und Mitteilungen gemadt. Die 20 Artilel der Anklage gegen M. find ſchon
1558 durch Vergerio mit „Scholien” veröffentlicht worden (Hubert, Vergerios publicift.
Thät. ©. 309, n. 128); danach haben Wolf (Leet. memor. II, 655ff.) und Fricke 35
(a. a. O. ©. 568, doch ohne die „Scholien“) u. a. fie gebrudt. Pius IV., an deſſen
Wahl M. teilgenommen hatte, erflärte ihn unjchuldig und annullierte den Prozeß (Die
Erklärung bei Gantü, II, S. 190 ff). Er ging foweit im Gegenjat zu feinem %or-
gänger, daß er ihn zum Konzilslegaten und 1563 jogar zu einem der Vorfigenden des
tenter Konzild emannte (über |. Thätigfeit dort vgl. A. „Trienter Konzil”). Noch so
börte die Verwendung des erfahrenen Diplomaten nicht auf: Gregor XIII. fandte ihn
nach) Genua, dann 1576 nochmals nach Regensburg zu Marimiltan II, beidemale in
ſehr verwidelten Angelegenheiten, über deren Thatbeitand, Bedeutung und Grledigung
man Sclopi® a. a. O. XCI (SE. 55— 73) vergleihen möge. Längſt zum Delan des
Kardinalskollegiums ernannt, brachte M. die legten Jahre in Rom zu. Am 1. Dezember as
1580 ftarb er — in der Stiche Sta.Maria sopra Minerva errichteten feine Neffen ihm
ein beicheidenes Grabmal. Benrath.
Mortuarium |. d. U. Abgaben BIS. 95,7 ff.
Lo
or
Morns, Samuel Friedrich Natbanael, angefebener ſächſiſcher Vhilolog und
Theolog aus der Schule Erneitis, get. 1792. — Quellen: Morus’ Selbftbiographie in 50
Beyer? Magazin für Prediger, Bd5, St.2; Tan. Bed, Recitatio de Moro, summo theo-
fe 1792, Boigt, ©. Fr. N. Morus, ein Beitrag zur Charakteriftit des unſterb—
fi annes, Leipzig 1792; %.N. Martyni Zaguna, Elegia ad manes Mori; J. ©. Chr.
Höpfner, Lieber das Leben und die Verdienfte des verewigten Morus, Leipzig 1793; Weihe,
Rufeum für ſächſiſche Geſchichte, Bdl, S. 26ff.; Schlihtegroll, Netrolog der Deutichen 1792, 65
1, S. 304 ff.; G. Lechler in der AdB 22, Leipzig 1885, ©. 342—344; S—r in Biographie
universelle (Michaud) ancienne et moderne, Nouvelle edition, Tome XXIX, Raris
p. 3832—383; J. D. Schulze, Abriß einer Gefhichte der Leipziger Univerfität im Laufe des
18. Jahrhunderts nebſt Rückblicken auf die früheren Zeiten, Leipzig 1802, S. 11. 12. 20. 25.
Reals@nchklopädle für Theologie und Stirhe. 3. A. XIII. 331
482 Morns, Sam. Friedr. Nath.
44. 53. 243. 350. 375; J. Chr. Dolz, D. Johann Georg Rofenmüllers Yeben und Wirken,
Leipzig 1816, S. 25; Burſian, Geſchichte der Philologie in Deutſchland von den Anfängen bis
zur Gegenwart, Münden u. Yeipzig 1883, ©. 419. 425; F. A. Edftein, Lateinifher u. griedi:
iher Unterridt. Mit einem Vorwort von W. Schrader. Herausgegeben von H. Heyden,
5 Leipzig 1887, S. 111; W. Gaß, Geſchichte der proteftantiichen Dogmatik in ihrem Zuſammen⸗
bange mit der Theologie iiberhaupt, Berlin 1862, Bd 4, ©. 128ff.; Dorner, Geſchichte der
proteftantifhen Theologie in Deutfchland, ©. 701; Fr. Blandmeijter, Sächſiſche Kirchengeichichte,
Dresden 1899, ©. 339; Goethes ſämtliche Werte. VBolftändige Ausgabe in 44 Bänden. Mit
Einleitung von Ludwig Geiger, 22. Bd, Yeipzig, Seile, ©. 22. 33. 34; THRE Bd VII®,
10 ©. 738, 3.20; Bd X?, ©. 196, 3. 47; Bd XII?, S. 534. — Seine zahlreiden philolo
He und theologifhen Schriften finden ſich vollftändig bei Meujel, Das gelehrte Deutichland,
verzeichnet.
Samuel Friedrich Nathanacl Morus twurde den 30. November 1736 zu Lauban in
der Oberlaufig_ geboren. Bis zu feinem 19. Jahre bildete er ſich im elterlichen Haufe
15 unter der jorgfältigften Yeitung feines Waters, des vierten Lehrers an Der lateintfchen
Schule zu Yauban, zu einem gelehrten Berufe vor. Dann bezog er im Sabre 1754 die
Univerfität Leipzig, un ſich nach den Beifpiel feines Vaters für den Schuldienft vorzu⸗
bereiten. Zu dem Ende hörte er mit großem Eifer theologische, philofophbifche und philo-
logische Vorlefungen; von allen feinen Lehrern gewann jedoch bald Ernefti, der Refor:
30 mator der Exegeſe, einen überwiegenden Cinfluß auf den talentvollen Jüngling. Denn
das Prinzip der grammatifch-biftorifchen Methode der Auslegung der Bibel und die für
die Anwendung diefer Methode unbedingt notwendige Forderung der Unabhängigteit der
Eregeje von dem dogmatischen Syſtem — dieje beiden Grundgedanten Ermeftis, von
denen die in der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnende Neugeftaltung der Theologie
25 getragen wurde, eignete fih Morus vollftändig an. Damit hatte er aber eine Errungen:
ſchaft für feine geijtige Entwidelung gewonnen, die ihn bei feinem religiöfen Sinn, bei
feiner philologifchen Tüchtigfeit und bei feiner gründlichen biftorifchen, fprachlichen und
philofophifchen Bildung befäbigte, einmal felbitftändig an dem Ausbau der wiflenfchaft-
lihen Theologie mitzuarbeiten. Auch die Führungen feines äußeren Lebens wieſen ibn auf
30 diefen Beruf. Nach abfolviertem Trienntum übernahm er nämlih für einige Zeit die
Erziehung des fpäteren Magifterd Auftel, darauf die der Kinder des erſten Profeflors der
Medizin Dr. Ludwig, in deſſen gaftlibem Haufe er auch Goethe fennen lernte, der
fih feiner freundlih annahm. Ludwig ſowohl ald Ernefti, mit dem Morus fchon von
feinen Studienjahren ber in innigen perjünlidyen Beziehungen ftand, ermunterten den
36 Jüngling, der fi in dem bildenden Verkehr des Ludwigſchen Haufes immer vielver:
Iprechender entwidelte, von einem Schulamt abzufehen und fih der akademiſchen Lehr:
thätigleit zu widmen. Morus folgte diefen Nat und habilitierte fich, nachdem er 1760
die Magifterwürde erlangt hatte, im Sabre 1761 bei der philofophifchen Fakultät. Er
begann feine Thätigkeit damit, daß er lateinische und griechiiche Schriftſteller, namentlid
40 den Longin, mit vielem Beifall erklärte. 1769 gab er deflen Schrift vom Erhabenen,
1773 den Libellus animadversionum ad Longinum mit der vielgerühmten Ein
leitung De variata sublimitatis notione in commentario Longiniano, 1766 dm
Panegyrikus des Sokrates (3. Aufl. 1804), 1778 Xenophons ’Avydßaoıs Kvpiov, 118
deflen Cyropädie, 1775 anonym bie Commentarii des Kaiſers Markus Antonımus, 1781
40 Philos Liber de virtutibus, 1780 die Werke Julius Cäſars, 1776 die Vita J. J.
Reiskii heraus. Ter von ihm vermehrte und verbeflerte Abdruck der Euripidesausgabe
des Samuel Musgravius (Leipzig 1778—88) wurde von Daniel Bed vollendet.
Die öffentliche Anerkennung feiner Yeiftungen hieß nicht lange auf ſich warten;
1763 erbielt er eine Kollegiatur im Fürftenfollegium; 1768 wurde er außerordentlicer
co Profeſſor, 1771 ordentlicher Profefjor der griechifhen und lateinifhen Sprache, 1780
Ephorus der Stipendiaten. Von da an beichäftigte er fich eifrigft mit der Exegeſe des
NIS und erklärte in fenen Vorlefungen alle Bücher desſelben außer der Apokalypfe,
für deren kühne, bilderreihe Poefie dem mehr nüchternen Interpreten das Intereſſe und
wohl auch das Verftändnis abgeben mochte. Auf Grund diefer theologischen Vorlefungen wurde
655 Morus 1782 beim Tode feines Meifters Ernefti als deſſen anerkannt beiter Schüler als wierter
ordentlicher Profeffor in die theologische Fakultät verfegt, in der er 1785 zur dritten md
ſchon im folgenden Jahre zur zweiten Profeſſur aufrüdte 1774 u. 1785 befleidete er bei
Rektorat, viermal das Dekanat der tbeologijchen Fakultät. Die Verleihung einer Praͤbende
des Domſtiftes Meißen an Morus 1786 und feine im Jahre 1787 erfolgende Ernennung
60 zum Mitglied des Konſiſtoriums fchloffen endlich die Neihe der öffentlichen Anertennungen,
die dem um die Blüte des theologiſchen Studiums in Leipzig und um den Ruhm der
Morns, Sam. Friede. Nath. Moschus 483
ſächſiſchen Gelehrſamkeit hochverdienten Manne zu Teil wurden. Denn ſchon den
11. November 1792, kurz vor Vollendung ſeines 56. Lebensjahres, ſtarb Morus, be—
trauert von ſeinen Schülern und Kollegen, bis an ſein Ende trotz ſeines ſchwächlichen
Körpers in ſeltenem Maße treu in ſeinem Berufe, ſein ganzes Leben hindurch aus—
eichnet durch ungeſchminkte Frömmigkeit, Demut und Liebe zum Frieden. Wiewohl 5
der fchlichte und beſcheidene Mann noch genaue Beitimmungen zur Vermeidung von Pom
und Gepränge bei feiner Beerdigung getroffen hatte, zeigte fich doch eine allgemeine Teil-
nahme, wie fe in Leipzig jeit Gellerts Leichenbegängnis nicht wieder hervorgetreten war.
Harnptſachtic bat ſich Morus um die Exegeſe des NT verdient gemacht, indem er
nicht bloß in feinen Borlefungen den Fußftapfen Erneitig folgte, fondern auch namentlid)
die Theorie der Hermeneutik im Geifte feines Lehrers weiter bildete. Seine hierher ge:
börenden Abhandlungen: De discrimine sensus et significationis in interpre-
tando, Decausis, quibus nititur interpretatio allegoriarum und endlich De nexu
significationum eiusdem verbi (in Mori Dissertat. Theol. et Philol. Vol. I,
Lips. 1787, Vol. II, nah Morus Tode herausgegeben von Keil, Leipzig 1794) können ı5
einen bleibenden Wert in Be nehmen, wenn auch feine Praelectiones über die
meiften Bücher des NTs, nad feinem Tode von dankbaren Schülern aus Kollegienbeften
herausgegeben, unter fich felbit von ungleichem Wert, jetzt nur noch für die Geſchichte
der Wiſſenſchaft Bedeutung haben. Großes Anfehen genoß feine Überfegung des Hebräer-
briefes. Gerade vermöge feiner exegetifchen Tüchtigkeit nahm Morug aber auch in der 20
ef ematiſchen Theologie eine jelbititändige und nicht unbedeutende Stellung ein.
an tann feiner Epitome Theologiae Christianae, einem weit verbreiteten dogmatiſchen
Kompendium, das aus feinen Borlefungen hervorging und das zuerſt Leipzig 1789, in
zweiter Auflage 1791 erfchien, immerhin Mangel an Konfequenz und ſyſtematiſcher Schärfe
vorwerfen, das Verdienft bleibt ihr, daß fie von der Scholaftif der damaligen ortbodoren 2;
Dogmatik frei ift, und dennoch den pofitiven Inhalt des chriftlichen Dogmas troß einzelner
Abſchwächungen desfelben, namentlid) in der Verfühnungslehre, nicht neologiſch verflüc-
tigt; denn fie madıt den Verſuch, rein den exegetifch ermittelten und am Konſenſus der
Schrift geprüften Lehrinhalt der Bibel in foftematifcher Form darzuftellen, eine Arbeit,
die um jo danfenswerter war, je ſchroffer ſich ſchon damals die alte Orthodorie und eine 30
neue kritiſche, aber nur allzu An unbiftorifche Richtung zu fcheiden begannen, zu der in-
defien nur ein fo gemiegter Ereget, wie Morus, fähig war, der eben aus Nejpeft vor
den Refultaten der Exegeſe eine Mitteljtellung zwiſchen den ftreitenden Barteien einnahm.
Auch Morus’ VBorlefungen über die hriftlihe Moral, in denen er ſich an Cruſius anjchloß,
wurden von feinen Schülern gepriefen, wie auch feine Predigten gerühmt wurden. ss
Eine Sammlung von diejen leßteren, die 1786 in Yeipzig gedrudt ift, zeigt, daß dieſes
Lob nicht ungerechtfertigt ift; meiſt behandeln diefe Predigten in biblifcher Haltung der
Gedanken und in erniter, fchlichter Sprache Fragen aus der Moral; ganz frei von einer
gewiſſen nüchternen Trodenbeit ijt freilich feine derſelben; aber ein ſchönes Denkmal von
Morus’ Pietät, das bier nicht unerwähnt bleiben foll, findet fih in diefer Sammlung, 40
feine Leichenrede auf feinen Lehrer Ernefti, deſſen würdigſter Schüler unjer Morus war.
Mangoldt T (Georg Müller).
0
Morus, Thomas f. am Ende des Wertes.
Moschus. — Handfchriften: Cod. Venet. Marc. cl. II, 21 s. X; Cod. Paris. gr.
916. 1596. Coisl. 257. 369 alle aus dem 11. Jahrhundert, Baris 1599. 1605 beide aus dem 45
12. Jahrhundert. Die meiiten diefer Hij. find im Anfang verftümmelt: ein Zeugnis für ihre
eifrige Benutzung. Ferner Venet. Nanian. 142. Florent. Laur. III, 4. Athos. Dion. 1-40.
224. Xeropot. 277. Panteleem. 122. Chiliant. 10, die legteren alle jünger und, wie es fcheint,
teilweife auf eine Quelle zurüdgehend.
Ausgaben: Eine halbwegs brauchbare Ausgabe fehlt nod), obwohl jie_beidem Reichtum co
an Sandfoiriften verhältnigmäßtg leicht herzujtellen wäre. Der griehiiche Text wurde zuerſt
lüdenhaft gedrudt von Fronto du Duc (Ducaeus) im Auctarium biblioth. patrum II (Paris
1624), p. 1057 sqq. (danach wiederholt in der Bibl. maxima, Paris. 1644. 1654, t. XIII).
Ergänzungen zu diefem Drud lieferte %. 8. Cotelier, Ecclesiae Graecae Monumenta II
(Baris 1681), p. 34180q. Aus diefen beiden Druden ijt der Abdrud beiMSG LXXXVII, 3, 65
—— hergeſtellt, der vorläufig die einzig brauchbare Ausgabe bildet. Der Text wie
ie litterariſche Kritik liegen noch völlig im Argen. Eine von Chr. C. Woog (Lips. 1758, 4°),
nah einem Cod. Bodi. herausgegebene historiola de Synesio episcopo et Evagrio philo-
sopho entfpricht c. 195 das Prat. spirit.
vem
484 Moschus
Ueberſetzungen: Die alten italieniſchen, franzöſiſchen und lateiniſchen Ueberſetzungen
ählt Fabricius-Harles, Biblioth. Graeca X, p. 126 (abgedrudt bei MSG LXXXVII, 3,
2815/16) auf. Die ältefte gedrudte ift eine italienische, die 1479 in Bicenza erſchien. Sie
it nach der von Ambrofius Camaldulenſis herrührenden lateinifcyen angefertigt, die zuerit
bin den Vitae Sanctorum des Lipomanus (t. VII) gedrudt erjhien und die in mehrere
Eammelwerte übergegangen ijt (fo in die Vitae patrum von H. Rosweyd, wo fie Buch X,
einnimmt).
Litteratur: Bibliographie bei U. Chevalier, REpertoire des sources histor. du Moyen-Age
I, p- 12128q. Durd) die patriftiichen Werte ſchleppen ſich im mefentlichen diefelben Notizen fort.
10 Vgl. G. J. Voſſius, De histor. Graec. II, p. 220. W. Cave, Histor. litter. I, 581sq. E. bu®in,
Nouv. biblioth. XI, p. 5758q. R. Ceillier, Hist. gener. des auteurs eccle. XX VII, p. 610g.
Hamberger, Zuverläff. Nachrichten III, ©. 469 ff. Yabriciuß-Harles, Bibl. Graeca X, 1242qgq.
Barbenhewer, bei Weper-Welte KR VIII (1893), ©. 1942f. 9. Gelzer in d. H3 1889, ©. 3ff.
und in f. Ausgabe Leontius’ v. Neapoliß Leben des hl. Johannes d. Barmderzigen S. XVIIL
16 Ehrhardt, bei Krumbadyer, Byz. Litteraturgeidh.?, S. 187f. eine Vita jteht bei Ducäus,
Auctarium II, p. 1054—1057.
Der Name des Mannes war nad) dem übereinftimmenden Zeugnis der Hand-
ichriften Johannes; er trägt in den Handſchriften meift noch den Titel 6 eüxpatäs „der
Enthaltfame” (vgl. Cotelier, Ecel. Graec. Mon. II, p. 655B), oder er wird 6
»o genannt. Photius (Bibl. c. 199; I, p. 162, 327. ed. Bekker) giebt ihm den Beinamen
ö roũõ Mooxou „Sohn des Moschus”, woher man ibn dann berlömmlicher, aber un-
‚richtigertveife Johannes Moschus oder auch wohl nur Moschus zu nennen pflegt.
ein Leben beftgen wir nur jpärliche Notizen, die auch durch feine in m .
chriften feinem Werke vorausgefchidte, bereits von Photius benußte, Biographie nicht
a0 tvefentlich vermebrt werben. Über feinen Geburtsort wiſſen wir nichts. Photius erzählt
von ibm (a. a. DO.) nad der Vita, daß er in dem Klofter des hl. Theodoſius (in Jeru⸗
ſalem) ale Mönch eingetreten fer; darauf habe er ſich unter den Einfieblern im Jordan⸗
thale aufgebalten, deren Be noch beute fichtbar find (Baedeker, Paläftına und
Syrien®, ©. 154), dann jet er zu den Mönchen in dem neuen Klofter des großen Sabas
so (nahe beim toten Deere, füpöftl. von Bethlehem) eingetreten. Hierauf babe er eine größere
Meife unternommen, die ibn bis nach Agypten und zwar bis zu der großen Oaſe führte.
Iſt eine Notiz in feinem Werke (ec. 112) zuverläffig, fo fand die eite nad) ten
unter der Regierung des Kaiſers Tiberius II. (578—587) ftatt (&v rais doyais Tıße-
or Tod Aactkkws xal UOTOTdTov xaloapos ünnAdouev eis Mlaoıv). Des Johannes
ha enleiter war Sopbrontus, den er einen Sophiiten nennt (c. 69 rapeßdlouer Er
llr&avdoeia Bo xal d xroıs Zwgoörıos 6 copıoıns no0 Tod Anordfacdaı adıör)
und den man mit dem fpäteren Batriarchen von Jeruſalem (geit. 638 ſ. d. A.) zu
identiſizieren pflegt, obwohl Pbotius nichts von dieſer Identität zu willen fcheint. Wie
lange der Aufenthalt in Agypten gedauert bat, läßt fi) aus den Notizen, die Johannes
ao. in feinem Werke (e. IE u. 8.) Darüber macht, nicht mehr berechnen. Nach der Bio
yrapbie foll er Später nach Cypern und von da nad Nom gegangen fein, mo er um 619
tarb. Diefe zweite Reife kennt auch Photius (da nv adıny alılav [d. b. um berühmte
Aoleten kennen zu lernen] al vijoouç lorognodusvos &v 1jj noös mw Poaunv äd-
nA, Exeloe Te Ta nagankıjora Öiegevvnoduevos xal —828 Seine iographie
4 berichtet noch, daß feine Schüler feinen Leichnam in einem hölzernen Sarge nach Jeru⸗
ſalem gebracht und dert in dem Kloſter des bl. Theodofius beigefegt hätten. Den Wunſch
ihres Meiſtero, feinen Yeichnam auf dem Sinat zu begraben, hätten fie wegen ber durch
die Araber drobenden Gefabr nicht zur Ausführung bringen können.
Sein Name tft berübmt durch eine Arbeit, die von ihm, wie feine Biographie andeutet,
win Nom verfaßt worden tft. Sie führt in den Handfchriften den Titel Asımcor „Wiele‘.
In der Borrede erläutert er den Titel jelbft in folgender Weile: „Daher babe ich auch
diefe vorliegende Arbeit „Wieſe“ genannt, weil in ihr Frohſinn und Duft und
erfcheint für die Leſer.“ Gewidmet ift das Buch einem gewiſſen Sophronius, wohl dem:
jelben, der Johannes auf feiner Reife begleitete. Die Identifizierung dieſes —
66 mit dem Patriarchen von Jeruſalem wird dadurch nabegelegt, daß Nicephorus iſthi
(h. e. VIII, 41) und außer ibm noch andere (Johannes von Damaskus, pro imsg.
I, p. 328; II, p. 344; III, p. 352 und das zweite nicänische Konzil von 787 [Labbe,
Coneil. Coll. VII, 759 sq.] ſ. d. Stellen bei Yabricius-Harles, Bibl. Gr. X, p. 127 =
MSG LXXXXI, 3, 2846 8q.) Eophronius von Serufalem zum Verfaſſer der Ehrift
ww machen. Doc wird man nicht vergeffen dürfen, daß nad Photius der Name dei
Adrefjaten und damit auch des Neifebegleiters nicht ficher überliefert war (xal 000-
Moschus 485
pavei Sovꝙvœoovic N Zwpporä, toñ olxeim nad; a. a. O. p. 162b 2) und daß
eine Verwechſelung der Namen gerade in diefem alle außerordentlich nahe lag.
Über die urfprüngliche Kompofition des Werkes zu Sprechen, Scheint eine unmögliche
Aufgabe, folange noch fein Verſuch gemacht ift, die Widerfprüche und Rätſel der hand:
ichriftlichen Überlieferung zu löfen. Wie die Schrift jetzt vorliegt, ift fie eine form= und 5
zuſammenhangloſe Maſſe von Einzelerzäblungen. Daß ſich Johannes an ältere Duellen
angelehnt hat, gebt aus der ganzen Art feiner Erzählung bervor und man müßte es
auch ohne feine eigenen Andeutungen aus dem Charakter der Schrift fchließen. Er
cittert aber c. 212 (p. 3104 C Migne) ſelbſt eine Schrift unter dem Titel Ilaodöeıoos,
in der Väterfprüche fanden und c. 55 begegnet uns ein vielleicht damit identiſches Buß- 10
Alov yepovundv. Das war wohl eine der Apophthegmenjammlungen, deren wir in den
verjchtedenften Recenfionen noch eine ganze Anzahl befiten. Doc ift eine folche fchwerlich
fein Borbild geweſen. Gemwährt die von GCotelier veröffentlichte Recenfton feines Werkes
einen zuperläfligeren Einblid in die urfprüngliche Kompofition der Arbeit, ald die Form,
die du Duc herausgegeben bat, jo hat Johannes ein Werk geben wollen etwa im Stil 15
der Kollationen Caſſians (ſ. d. A. oben Bd III, 746ff.) oder der historia monachorum
Aufins, indem er perjönliche Erlebniſſe mit berühmten Asketen oder von diejen erzählte
erbauliche Gejchichten mitteilte. Die zahlreihen Geſchichten im Stile unferer Traktätchen-
litteratur find wohl erjt fpäter in die Schrift eingefügt worden. Als Zweck der Schrift
bezeichnet Photius, weſenilich in Übereinftinmung mit dem Prooemium, daß der Ber:
Faller einen Beitrag zum asketiſchen Leben habe liefern wollen, indem er die Werfe ber:
vorragender Männer und ihre nachahmungswürdigen Thaten bejchrieb (noös 79 doxn-
tuenv Ta udhora ovvıelovv Eouı nolıelav ... ninv Öt Tov uerayeveoriowv
ävöoaw Eoya re xal ngdkeıs dfıoönAwrovs dvaygdpa a. a. O. p. 162a, 20800.).
In der von Gotelier benutten Handichrift waren die einzelnen Kapitel mit Überfchriften
verſehen, die, wie es fcheint, eine gewiſſe fachliche Orbnung andeuten follten. Wahrfcheinlich iſt
Dies das Urfprüngliche. Doch war es in der Natur derartiger Sammelwerke begründet, daß
Wi eine ftrenge jachlihe Ordnung nicht durchführen ließ. Der Umfang der Schrift läßt
jet nicht mehr bejtimmen. Photius kannte verfchievene Handjchriften verſchiedenen
Umfangs ; die eine, die er durchlas und ercerpierte, enthielt 304 Abjchnitte (dimyrruara ; 30
a. a. O. p. 162a, 23); andere enthielten 342, in denen einzelne Erzählungen in mehrere
zerlegt, andere auch neu hinzugefügt morden waren. Über die Art der Darftellung
macht Photius die nicht unbegründete Bemerkung, daß fein Stil im Verhältnis zu den
älteren Darftellungen, deren er eine c. 198 beiprochen bat, vulgärer und ungebildeter ſei
(eis TO taneıydteoov xal Auad£orepov Anoxilva a. a. O. p. 126 b, 680.). 85
Gerade darum aber entbehrt diefe Anekdotenſammlung nicht des Intereſſes. Ein-
mal fann man aus ihr die Verbreitung der Klöjter namentlih in Paläſtina aber aud)
in den anderen von Johannes befuchten Gegenden vortrefflih Tennen lernen. Sodann
führt er uns, ähnlich wie Palladius und die Apophtbegmen, in die Gnadenwelt jener
Mönchskreiſe ein. Wunder, efftatiiche Viſionen u. ä. find dabei etwas alltägliche. Und 40
jiwar geichehen ſolche Wunder und Zeichen, wie einer der Alten bemerkte, wegen der in
Kirche auffprießenven Ketzereien und Spaltungen, damit die Schwachen geſtärkt und von dem
Anſchluß an jene Ketzer bewahrt werden (c. 213 col. 3105). Auch jonjt hat Johannes
vielfach bei feinen Darlegungen die Härelien feiner Zeit im Auge und darum iſt feine
Schrift dogmengefhichtlic nicht unwichtig. Wie der Kultus geübt wurde und melde 45
Borftellungen den Handlungen zu Grunde lagen oder mit ihnen verbunden wurden,
fönnen wir aus ihm erjehen. So über die Taufe (ec. 3), Anapbora (25), Sonntagsfeier
(e. 27), Kommunion (c. 29sq.) u. a. Die Kenntnis der politifchen Verhältniſſe jener
Reit, Die durch die Einfälle der Perfer und Araber verurfachten Bewegung läßt fich eben:
talls aus den Schilderungen des Johannes bereihern. Für die NRulturgefchichte, 3. B. 50
die Gefchichte der Marienverehrung (ec. 45. 47. 81), Tann ebenfalld mancherlei aus den
naiven, mit jichtlicher Freude an allem Wunderbaren vorgetragenen Erzählungen entnommen
werd
en
Das Werk hat nicht bloß durch ſeinen Titel, ſondern auch durch ſeinen Inhalt die
fpätere Litteratur befruchtet (vgl. über ſpätere Nachahmungen M. Hoferer, Joannis mo- 55
nachi Liber de Miraculis Pr. Würzburg 1884, ©. 48ff.). Nur daß die ſpäteren
Erzeugniffe meift weniger naiv, dafür um jo grobförniger ausgefallen find. In den
Klöftern bat man Johannes offenbar nody lange gerne gelefen, wie die Handichriften aus⸗
weiten. Dabei mag dann manches Hiftörchen im Gefchmad der fpäteren eingefchoben
und die Wieſe des Johannes um Kräuter und Pflanzen bereichert worden fein, die ein co
8
102
a
186 Moschns Mofe
fünftlicheres und weniger anmutiges Parfum ausjtrömen, als die Gewächſe, die er ge
pflanzt bat; und jene Wieſe von diefem Unkraut zu fäubern märe eine dankbare Auf:
gabe für jemand, der die Gejchichte des orientalifchen Mönchtums vor dem großen
Arabereinbrudy aufbellen wollte. Erwin Breufden.
5 Mofe. — Siehe die Ritteratur zur Geſchichte Israels Bd IX, ©. 458 f. Außerdem
Niemeyer, Charakteriftit der Bibel (IN. Halle 1775) III, 25 ff.; Bertholdt, De rebus a Mose
in Aegypto gestis, Erl. 1795, ©. N. Schumann, Vita Mosis I, 1826; 3. 8. Friedreich, Zur
Bibel, 1848, 19 ff. (zu den ägypt. Plagen), Stidel in THStKr 1850 ©. 328 ff. und Schleiden,
Die Landenge von Sues 1858 zum Durchzug durchs Sciljmeer; €. H. Palmer, Der Schau⸗
10 plak der vierzigjährigen Wüftenwanderung Israels, deutfch 1876; H. Brugſch Bey, L’Exode
et les Monuments Egyptiens 1875; E. Hoffmeijter, Moſes und Joſua, eine kriegshiſtoriſche
Studie 1878; F. 3. Lauth, Moſes, der Ebräer 1868; derjelbe in ZUm® XXV, 142 ff. 1871;
derjelbe, Mose Hosarsyphos 1879; derjelbe, Aus Agyptens Vorzeit, 1881; Ed. Naville, The
Store City of Pithom and the Route of the Exodus 1885; derjelbe, Goshen 1887 ; derjelbe,
15 The Route of the Exodus 1891. — Fr. Giefebrecht, Die Gefchichtlichkeit des Sinaibundes
1900; J. W. Rothftein, Moſe ald Menfch und Prophet (Bilder aus der Geichichte des Alten
Bundes I) 101.
Weber die litterarifche Bedeutung Mofes fiehe die Litt. zum Pentateuh, 3. B. Driver,
Einleitung in die Titteratur des UT, deutſch 1896, S. 164 ff. Ueber die theologiiche Bedeutung
20 Moſes und des Moſaismus fiehe die Darftellungen der altteitament!. Theologie von Dehler,
2 Schule, Smend, Dillmann (S. 101ff.), auch Klojtermann, Geſch. d. V. Zsrael 18%
. 698. u.f.w. — Vgl. die Artt. Mofe in den biblifhen Wörterbüchern von Winer, Echentel,
Riehm, Guthe u. a. Aur jüdifchen Auffaffung Moſes ſowie über die fpäteren Legenden von
feiner Perſon fiehe Eifenmenger, Entdedtes Judentum (Königsberg 1711) I, 96255. II, 1078;
25 J. Hamburger, Nealencytlopädie ded Judentums I, ©. 768 ff. Ueber pfeudepigraphifce
Schriften unter Mofed Namen |. Kautzſch, Apotryphen und Pjeudepigraphen II, €. 311f.;
Schürer, Geſch. des jüd. Volles? III, ©. 213 fr.
Der Befreier Israels aus der ägyptiſchen Anechtichaft, auf melchen die Überlieferung
sin timmig, die geiltige Geftaltung des israelitiſchen Volkstums zurüdführt, trägt in ber
30 Bibel den Namen Möscheh (722), der Er2,10 als Erinnerungszeihen an feine wunder
bare Errettung in frübelter Kindheit gefnüpft wird. Die ägyptiſche Königstochter legte
dem Findelkind den Namen bei; denn fie ſprach: aus dem Wafler babe ich ihn gezogen
(FTNWER) Diefe Deutung drüdt jedenfalld das aus, was das hebräifche Sprachbewußt⸗
fein aus dem an fich ägyptiichen Namen heraushörte, und es Tann bei einer folchen volle-
35 tümlichen Interpretation eines Eigennamens nicht ftören, daß man nach derjelben jtatt
der aftiven vielmehr die paffive Partizipialform erwarten müßte. Die nabeliegende aktive
Deutung: der Herausziehende, Befreier, ift dagegen biblifch erft Jeſ 63, 11 bezeugt, wo
es übrigens auch niht — 7”, fondern den Heraugzieher aus der Flut bezeichnet. Daß
der Name nicht durchlichtiger it und in der ganzen Bibel von feinem andern getragen
40 wird, macht feinen ägyptiſchen Urfprung mwahrfcheinlich, welcher auch durch Die bibliſche
Erzählung gefordert wird. Won alters her beliebt war die Ableitung vom ägyptiſch⸗
foptischen mo (Waſſer) und udsche (gerettet) oder au von mou (Waſſer) und ahi
(nehmen). Aus einer ſolchen Zufammenfegung entitanden dachten fi das Wort chen
die LXX, melde deshalb konſtant Mwüons ſchreiben, ebenfo Joſephus, Ant. 2, 6, 9,
s5 contra Ap. 1, 31, + (vgl. J. ©. Müller zu der Stelle ©. 202f.) und manche jpäter
nach Jablonski (Opuse. I, 152 sqq.). Dagegen haben ſich alle neueren AÄgyptologen
gegen eine ſolche Kompofition, wobei umgelehrte Wortftellung erforderlich märe (Zom®
XXV, 141), erflärt und ſich dahin geeinigt, im hebr. Moscheh das ägyptiſche mes, mesu,
Kind (nad Brugih Wörterbuh S. 698 allerdings eigentlich extractus, aber ex utero)
so zu erkennen, das zwar gewöhnlich an Götternamen gehängt, Verfonennamen bildet, ; 2.
Tautmes, bei den (riechen Tuthmoſis —, aber auch alleintebend als Eigenname vor
kommt (Ebers, Durch Gofen, 2. A., S. 540), jo daß die immerhin nicht un
liche Annabme, der vorgefegte ägyptiſche Gottesname fei von Mofe fpäter fallen gelaſſen
worden (Ewald u.a.), nicht gerade notwenig ift. Der bebraifierte Name mochte im Sinne
55 von Jeſ 63, 11 oder Er 2, 10 gedeutet werden.
As Moſes Eltern werden Er 6, 20; Nu 26, 59 Amram und Sochebed erwähnt,
beide aus dem Stamm Levi. Nach Er.2, 1; Nu 26, 59 wäre fogar diefe Jochebed eine
leibliche Tochter Levis, demselben in AÄgypten geboren. Man bat wohl den Ausdrud
Bath Levi dabei mißverſtanden, wobei fih dann ergab, daß dieſes Weib Amrams, eine
0 Enkels Levis, zugleich feine Vaterſchweſter geweſen ſei, was mit dem moſaiſchen Ehegeſeh
Mofe 487
Le 18, 12 nicht ſtimmen würde. Am meiſten aber widerſpricht jener ſtreng genealogiſchen
Faſſung die Dauer des Aufenthalts in Agypten (430 Jahre nach Er 12, 40). Ebenſo
it Amram nah Nu 3, 27f. ſchwerlich der eigentliche Vater Mofes. Alter als Moſe
waren nad Er 7, 7 fein Bruder Aaron (|. d. X. Bd I, ©. 13) und nah Er 2,4 eine
Schweſter, vielleicht die Nu 26,59 neben diefem Brüderpaar genannte Mirjam. Geboren 6
wurde ber künftige Befreier des Volle zur Zeit der härteſten Bebrüdung. Eben hatte
der Pharao, beforgt wegen des Überhandnehmens femitischer Bevölkerung im Norboften
feines Reiches, befohlen, die neugeborenen Israelitenknaben in den Nil zu werfen. Drei
Monate lang wagte zwar die Mutter, diefem jtrengen Befehle trogend, das durch fein
liebliches Ausſehen viel verfprechende Kind (vgl. AG 7, 20) im Haufe zu behalten; dann 10
gab fie es hin, auf die Hilfe des Höchiten vertrauend, aber fo, daß fie in erfinderifcher
Weiſe für die Erhaltung feines Lebens eine Möglichkeit offen ließ. Daß diefe Mutter:
liebe durch Gottvertrauen getragen war, werden wir vom Verfaſſer des Hebräerbriefes
(11, 23) gerne annehmen; entbehrlich tft dagegen die Ausfchmüdung bei Sofephus (Ant.
2,9,3), Amram fer durdy eine göttliche Offenbarung über die Miffion des Kındes belehrt 16
worden. Das in einem Schilffäftchen am Flußufer ausgefegte, immerhin von feiner
Schweſter beachte Knäblein wurde von der Tochter des Pharao entvedt, welche ſich im
Fluſſe baden wollte. Demnad iſt Mofe in einer Reſidenz dieſes Herrichers am untern
Fl zur Welt gelommen. Manche denken an Tanis (hebr. Zoan); näher liegt das Gofen
unmittelbar benachbarte Bubaſtis, wo ſchon die Hykſosherrſcher oft rejidiert hatten. “Der 20
betreffende Pharao iſt nicht Ramſes II, jondern ein Herrſcher der XVIII. Dynaftie. Die
Retterin Mofis wird von einer Tradition (bei Eufeb., Praep. evang. 9, 27) Me&ööıs
genannt, bei den Nabbinen gewöhnlich Bitjah, was aus 1 Chr 4, 18 entlebnt tft; da⸗
gegen von Joſephus (Ant. 2, 9, 5) ouovdıs. Daß die hohe Dame im Nil babe,
hat man mit Unrecht befremdlicdy gefunden; diefer Zug it, wie die gefamte Erzählung, 25
den ägyptiſchen Verhältniſſen ganz angemeffen. Vgl. Ebers, Durch Gofen, 2 A., S. 81f.
Adoption fremder Kinder war am königlichen Hof von jeher nicht felten. Vgl. Brugſch,
Geſch. Ag., ©. 84f. Die mehr oder weniger ähnlichen Legenden, die aus der Kindheit
anderer berühmter Leute Rettung vor drohendem Untergang erzählen (Semiramis nad)
Diod. 2, 4; Perſeus nad Apollod. 2, 4, 1; Cyrus nad) Herodot 1, 113; Romulus nad) 0
Livius 1, 4; Sargon I) beweisen nichts gegen die Gefchichtlichleit der vorliegenden Er-
Kung, Nur die unzweifelhaft ältere von Sargon I (vgl. Maspero, Geſch. der morgenl.
öller S. 194; Alfr. Jeremias, Im Kampfe um Babel und Bibel, 1903, S.23) könnte
als Vorbild in Betracht kommen.
ür die Entwickelung des jungen Moje mar die Art feiner Errettung von hoher 85
Wichtigkeit, indem fie ihn dahın führte, wo er die formale Vorbildung zu feinen jpäteren
Leiftungen auf dem vieljeitigen Gebiet der Volfsführung und Gefetgebung erhielt. Nach:
dem die Prinzeffin den Findling durch deſſen Mutter hatte fäugen und zum ftattlichen
Knaben aufziehen lafjen, nahm fie ihn an Sohnes Statt, an und ließ ihn an ihrem Hofe
erziehen, wobei er ohne Zmeifel „in aller Weisheit der Agypter unterrichtet wurde” (AUG 0
7, 22), wenn aud) Philo des Guten zu viel tbut, indem er ihn (Vita Mos. 1,5) in der
ganzen hellenifchen und orientalischen Weisheit, wie fie ſpäter in Alerandrien zufammenfloß,
geichult werden läßt. Daß er fo mit der ägyptiſchen Prieſterſchaft in nähere Sejiehung
trat, welche die Pflegerin aller Wiſſenſchaft und Bildung war, ift durchaus wahrſcheinlich.
Manetho (bei Joſephus contra Ap. 1, 26, 9 und 28, 12) behauptet fogar, er ſei ur= 4
ſprünglich ein Prieſter des Ofiris in Heliopolis geweſen, namens Dfarfif, und babe fich
erit fpäter den Namen Mofe beigelegt. Noch weniger weiß die Bibel etwas davon, daß
der junge Mofe im ägyptifchen Staat fogleih eine bedeutende, und zwar militärische Rolle
gefpielt habe, mie Joſephus felber meint Ant. 2, 10: Er habe die fiegreich bis Memphis
borgedrungenen Athiopen auf die Bitte des Pharao an der Spitze des ägyptiſchen Heeres so
beſiegt und in ihrer Hauptftadt Saba, jpäter Meroe genannt, belagert. Die äthiopifche
Königstochter Tharbis hätte fih in ihn verliebt und ihm ihre Hand angetragen, was er
fh unter der Bedingung gefallen ließ, daß fie die Stadt verrate. So wurde diefe erobert
und der Sieger Mofe führte die Tharbis heim. Der Agyptologe Lauth (Moſes der He-
bräer, 1868; ZdmG 1871, S. 139 ff.) glaubt jogar, einen urkundlichen Beleg für dieſe 56
romantiſche Epiſode entdedt zu haben, indem er den Mobar des Papyrus Anaftafi I. mit
Mofe identifiziert — eine unverläßliche Hypotheſe. Die ganze Kabel mag durch Wer:
lung mit einem zu Ramſes II. Zeit lebenden Meift „Prinz von Kuſch“ (vgl. Ebers
a. a. O. ©. 540) —28 und durch Nu 12, 1 mitveranlaßt ſein, wo es von Moſe
heißt, er habe ein „kuſchitiſches“ Weib genommen. Letztere Stelle mag auch der rabbi— co
488 Mofe
nifchen Tradition zu Grunde liegen, wonach Mofe vielmebr ala Feldherr des äthiopiichen
Königs Kyknus Krieg geführt hätte.
Die Bibel weiß aus Mofes Jugend nur eine That zu erzählen, eine bedeutfame
allerdings, welche beweift, daß er troß feiner hoben Stellung und feinen Erziebung am
5 ägyptiſchen Hofe feiner Herkunft fich nicht jchämte und ein warmes Herz für feine Brüder
bewahrte (Hbr 11,24). Der gemalttbätige Streich, durch welchen er einen unmenfchlichen
Fronvogt aus der Welt fchaffte (Er 2, 11 ff.), verrät den fünftigen Volksbefreier, freilich
nod) nicht den gottberufenen Propheten. Daß er unberufen jei, mußte er ſich beim erften
Verſuch, feinen Gerechtigkeitsſinn auch jeinen Vollsgenofien gegenüber a betbätigen, von
10 diefen jelber jagen laffen, welche, undankbar genug, ihm jene That zum Vorwurfe machten,
für die fie ihn hätten preifen follen. Um mit diefem launigen Volle (AG 7, 25) fertig
zu werden, mußte er erft von einem höberen Willen ergriffen werben; die ob aud eben
Negungen des eigenen Herzens genügten bier nicht. Zunächſt war feines Bleibens in
Agypten nicht. Er floh vor Pharaos Zorn ins Land Midian, d. h. hier nach dem füd-
15 öftlihen Teil der Sinathalbinfel, wie daraus hervorgeht, daß von jenem Wohnort er
nachher ſeine Schafe nach dein Berg Horeb bin weidete, und daß der Weg von dort nad
Agypten an eben diefem Berg vorüberführte Er 4, 27. Es handelt fih alfo nur um
einen Zweig des Midianiterftammes. Diejer felbjt hatte ſonſt feinen Sit öſtlich vom
Golf von Alaba bis nad) Moab bin, weshalb Neuere jenen Berg dort fuchen. Siehe unten.
» Ein ritterliher Dienſt am Brunnen, ähnlich dem von Jakob Gen 29,10 erzählten, führte
ihn ing Haus des midianitischen Prieſters, der ihn bleibend in feinen Dienjt nahm und
ihm ſeine Tochter Zippora zum Weibe gab. Diefer „Priefter Midians“, d. 5. der in
jener Gegend anfäffigen Midianiter, wäre nad) Öhler zugleich als Stammhaupt (TT77 83”
Onk. zu &r2,16; 3,1), ald Imam und Scheich des Stammes zu denten, wobei immerhin
25 die rüdfichtslofe Behandlung feiner Töchter durch die Hirten 2,17 auffiele. Er ve 2,18
Reguel; dagegen 3, 1 Sithro, ebenfo 4, 18 (mo das erfte Mal Jether Schreibfebler ſein
mag) und 18, 1ff. Aus Nu 10, 29 kann man fogar noch einen dritten Namen des
Schwiegervaters Miofes gewinnen: Chobab, Sohn Reguels, fofern man hier nad Ri 4, 11
erflärt und für nr die Bedeutung Schwager nicht will gelten laſſen. Allein beutli
3 vertritt dieſer Chobab eine jüngere Generation und fteht nirgends in einem väterlichen
Verhältnis zu Mofe; er iſt daber weder zu Jithro noch zu Reguel ein Doppelgänger.
Diefe beiden dagegen laffen ſich nicht jo auseinanderhbalten, daß etwa Reguel der Groß:
vater (IR in ungenauem Sinn), Jithro der Vater jener fieben Töchter wäre. Vielmehr
baben wir anzuerkennen, daß die Überlieferung mit beiderlei Namen den Schwiegervater
35 Moſes bezeichnete. So gewiß aber zwei verſchiedene Erzähler 2, 18 (J) und 3, 1 (E)
reden, bat der Redaktor feinen Widerſpruch in diefer doppelten Benennung gefunden. Es
it denn auch wohl möglich, daß jener angefehene Nomadenprieiter beide Namen tbat-
fächlich getragen bat, indem etwa der eine von beiden ehrender Beiname war. Si
(JJIr an, Vorzug, Erzellenz), könnte wie das arabiſche Imam den Borftand, Vor:
10 fteher der Gemeinde bedeuten. So ſchon Joſephus, Ant. 2, 12, 1. Die verfjchiedenen
Tertänderungen dagegen, welche Ewald (Geſch. II, 38) und Dillmann vornehmen, find
abzuweifen. Bei den Arabern beißt der Schwiegervater Mufas: Scho eib (aus Chobab
verderbt? Ewald). Zippora, die Gattin Mofes, tft jchwerlih mit dem Nu 12,1 genannten
„kuſchitiſchen Weibe“ identiſch. Zwar könnte fie böswilligerweiſe jo bezeichnet worden
15 fein, wenn die Midianiter ſich mit Kuſchitern vermiſcht hätten, allein Nu 12 ſcheint ein
ipäteres Faktum vor Augen zu baben. Zwei Söhne wurden ihm in diefem mibianitifchen
Exil geboren, deren Namen an diefe Verbannung (Gerſon Er 2, 22) und Gottes Durch⸗
hilfe (Eliefer 18, H erinnern.
Wie der Aufenthalt am ägyptiſchen Hofe für die Entwidelung der Fähigkeiten Mofes,
fo war fein notgedrungenes Verweilen in der Wüfteneinfamfeit für die Bildung feine
propbetifchen Charakters von größter Wichtigkeit. Non feinem Volle ganz abgejchnitten,
mußte er die eigene Ohnmacht, ibm zu belfen, recht inne erden, und dieſes Gefühl tritt
denn auch, in ftarfem Abftand von jenem jelbftberwußten Auftreten in der Jugend, de:
vafteriftifch bervor bei der Berufung Moſes (Er Kap. 3; 4), die an ihn von Gott erging
55 zu einer Zeit, wo er friedlich Die ihn anvertraute Herde weidend, nicht? weniger ald unte:
nehmungsluftig war. Gin beträchtlicher Zeitraum (Er 2, 23) liegt zwiſchen der Flucht
nad) Midian und diefer Offenbarung Gottes. Nach der Rechnung des P (Er 7,7) wäre
Moſe erſt als 80jähriger vor Pharao getreten, während er noch als junger Mann ge
floben fein muß. Die Überlieferung AG 7,30 giebt ihm bei der Flucht immerhin ſchon
w40 Jahre. Das Geficht, in welchem er mit feinem Amte betraut wurde, Tchaute er an
Moje 489
dem fpäter durch die dem ganzen Volke geltende Offenbarung Gottes ausgezeichneten Berg
Horeb oder Sinai (f. d. A.). Dort erfchien ihm unverſehens der Engel des Herrn oder
nach der weiteren E hung der Herr jeröft Someit nämlich Gott in die Sinnmwahr:
nehmung eintritt, ift Feine anifeftation feine abjolute, fondern eine angelifch vermittelte.
Der Engel fommt aber dabei nicht nach einer felbititändigen Bedeutung in Betracht, ſon- 5
dern lediglich als Organ des erfcheinenden Gottes; es iſt der Herr felbit, der jich in ihm
offenbart und aus ihm fpridt. Die Form der Erſcheinung mar aber hier nicht eine
menfchliche, ſondern eine elementare: eine Feuerflamme bot ſich dem Blicke dar, welche
aus einem Dornſtrauch aufitieg, aber diejen nicht verzehrt und ſich ſo als übernatürliche
8 erkennen gab. Das göttliche Feuer iſt nicht auf die Drangſal zu deuten, welche das 10
Volk in Agypten zu beſtehen hatte, ohne davon verzehrt zu werden (Keil, Köhler), ſondern
es iſt das theophaniſche Element (vgl. Gen 15, 17 bejonderg geeignet, Die verzehrende
Heiligkeit Gottes darzuftellen. Wenn es aber den dürren Strauch, der gemählt ıft, meil
er der Flamme am wenigſten widerſtehen Tann, nicht verfengt, jo bildet fi) darin ab,
daß der hl. Gott ſich erbarmungsvoll herniederlafle, in der Kreatur zu wohnen, die fonft 15
eine Gegenwart nicht ertragen kann. Es it alfo ein Symbol, welches das Wunder des
undes daritellt, der durch Moſe foll vermittelt werden: der heilige Gott mohnend in
feinem fündigen Volke, ohne es durch feine Heiligkeit zu verzehren (jo Hofmann, Kurs,
% P. Lange). Die göttlihe Stimme, welche Mofe vernimmt, kündet fi) als die des
Gottes der bereits in den Bund aufgenommenen Väter an und jendet Moſe zum Werk 20
der Befreiung des in Ägypten fchmachtenden Volkes und feiner Ausführung nah Kanaan
im Namen dieſes abfoluten Gottes Jahveh (vgl. 3, 14 mit 6, 3). Siehe über diejen
Öottesnamen Bd VIII, ©.529 ff. Borläufig fol Mofe im Namen dieſes Gottes fordern,
daß der Pharao Israel, welches ihm in Agypten nicht ungeftört dienen fonnte, zu einem
Feſte feines Gottes drei Tagereifen in die Wüſte sieben lafie (3, 18). Ein Betrug des 26
ägyptiſchen Herrichers ift dabei nicht beabfichtigt, da Gott, wie 3, 19 ausbrüdlich hervor-
gehoben wird, wußte, er werde nicht einmal diefe geringfte Forderung bewilligen und jo
fein Recht über dieſes Volk, wenn er überhaupt eines bejaß, völlig verlieren. Auch follten
die Israeliten nicht als gewöhnliche Flüchtlinge, fondern in allen Ehren, mit reichem
Lohn, mit Siegesbeute ausziehen, nachdem die Ägypter die Übermacht ihres Gottes gefpürt ao
ätten. Don bloßem Entlehnen von KRojtbarkeiten iſt 3, 21f.; 11, 2; 12, 35 nicht die
ede. Hätten doch die Agypter fih nimmer der von Israeliten getragenen Kleider oder
foldyer Geräte bedient, welche für den von ihnen verabfcheuten femitifchen Opferdienft
waren verwendet worden. Mit großer pſychologiſcher Wahrheit wird der MWiderjtand
Mofes gegen diefe Berufung dargeitelt. Er madıt allerlei Bedenken und Gegengründe 35
geltend, und nachdem ihm der Herr fie der Reihe nach aus der Hand gewunden, tritt
endlich 4, 13 die innere Unluft zu einer ſolchen Miſſion offen zu Tage. Aber es hilft
ihm alles nichts. Er muß gehen, und eben darin, daß eine höhere Macht jein eigenes
geh und Blut, feines Herzens eigene Gedanken befiegt bat, liegt fünftig ſeine Kraft.
iejes echt prophetiiche Werhalten zur göttlichen Berufung wird von Smend verfannt, 40
der dem wirklichen Moſe foldhe Mattherzigkeit und Zagbaftigfeit nicht zutrauen will. Die
Beglaubigungszeichen Kap. 4 (val. 7) haben felbjtverftändlich eine finnbildliche Bedeutung.
n der Vertvandlung des Stabes zur Schlange liegt hauptfächlih, daß dem Moſe die
tbindung und Bindung der verberblichen Macht übertragen wird. Der Stab, womit
er fein Bolt weidet, wird zur gefährlichen Schlange für Ngypten. Auch das zweite Zeichen 45
befteht in Herbeiführung und Bejeitigung des Übele. Es ift aber diesmal nicht die an
Agyptens Künſte erinnernde Schlange, fondern der die Schmach Israels verfinnbildende
Ausfag, womit übereinftimmt, daß das Zeichen an Mofes eigenem Leib vollzogen und
nur vor den Kindern Israels, nicht vor dem Pharao fcheint ausgeführt worden zu fein.
Das dritte Zeichen ftellt die Verwandlung der ägyptiſchen Lebensquelle in Fäulnis des so
Todes dar. Dasfelbe wurde in großem Maßſtab zur Yandplage, welche allem Volke die
Übermacht des Gottes der Hebräer über den ägyptiſchen darthat. — Das lebte Bedenken
Mofes, daß ihm die fcheinbar zu ſolchem Unternehmen unerläßliche Beredſamkeit abgebe,
beihwichtigt der Herr (4, 11. 14 ff.; vgl. 6, 12.30; 7, 1) mit der Verordnung, daß fern
Bruder Aaron das Wort für ibn führen foll. . 65
Sp mußte denn Mofe dem Andringen Gottes ſich fügen und nach Agypten auf:
brechen. Auf dem Rüdiveg während einer Naft trug fih ein Vorfall zu, der (4, 24—26)
etwas dunkel erzählt wird. Den Gebrauch der Bejchneidung, der jchon dem Abraham
für alle feine Nachkommen zum Geſetze gemacht worden ivar, batte er an feinem Sohne
— diefer Erzähler (I) ſcheint nur von einem zu willen — zu vollziehen unterlafjen, co
— ü
490 Mofe
San ya BEE ERS SEIRENE
ham id zubiel og ze Ten 6
Rolt und fein Is Hei für die Gedanken nee. —* er A es
In 9 vie Rogungen
* Freiheit * Müpiggan I re ——— Polit.5, 9,4; Beder 8, 11,8.224];
Livius, Hist. 1, 56, 59), da Hlagten fie Moje und Naron als Friedensſidrer an (5, 11;
vol. 6, Age wie fie — oft die ganze Bewegung, die ſchließlich zum —— führte, ihnen
rwurfevoll in die Schuhe ſchoben. Nicht im Volk, ſondern im ne
0 Gottes nabm diefe Erhebung ibren Urſprung. — Gr 6, 2 ff. wird nur P eine |
redung Gottes mit Mofe berichtet, welche manche der bereits 3, 1—6, 1 enthaltenen
Momente (Einführung des Namens Jahveh, Auftra =. Ausführung ee ii ter
Kanaan, Ernennung Aarons zum Wortführer Mofes u. a.), fotvie eine
eingefchaltete Stammgenealogie zur Beleuchtung der nee diefes Brüderpr
15 Dagegen fm 1—6, 1 die Quellen E und J ab, Daß aber die Kritiker
bie Differenz Berichte an diefer Stelle zu hoch anfchlagen, dünft uns;
machen gr nach P jei Moſe gar nicht am Horeb-Sinat, —— in —
worden; ferner wiſſe dieſe Quelle nur von einer ungünſtigen Aufnahme nn
Roltsgenofien und rede von Anfang an von völliger FFreigebung, nirgends ——
» laubung des Volle. Wir überſehen die Quellen nicht — genug, um genau am:
zugeben, wie ſtark fie differierten. Allen nicht nur hat der Schl feinen
liden Widerfpruch zwißchen ihnen gefunden, fondern es führen auch gewiſſe Andeutungen
darauf, daß —*— auseinander zu ergänzen haben. gi Unterſchied 3. B. ——
und völliger Entlaſſung it, wie wir oben faben, auch nad) der |
55 bloß formaler, und 4, 23; 7, 16 drüdt fi JE nicht anders ans, als P in der fumme.
rijchen Forderung 6, 11. "Auch nach JE bat ferner die anfängliche Fr an
bald einer verjagten Stimmung Platz gemadt, während anderjeits aub P 2, —
——— zu einer beſſern Aufnabme des Befreiers mitteilt. Val. Ewald, ( ‘
855 Mofes Berufung am Sinai endlich war gewiß jo allgemeine
co jein Aufentbalt in Midian, Sollte P davon nichts erzählt haben, jo it —— in
Mofe 491
der Kürze feiner Erzählung zu fuchen, indem er die großen, dem Mofe gewordenen Offen:
barungen ohne die lofalen Nebenumftände mitteilte.
Che die eigentlichen Blagen über Ägypten hereinbrechen, gefchieht vor Pharaos Augen
die Verwandlung des Stabes zur Schlange, ein Vorſpiel der Gerichtöiwunder, das noch
nicht fchädlich wirken, aber das fommende Gericht verjinnbilden fol und jenen Stab zum 5
Gegenftand bat, der dasfelbe vermitteln wird. Schon diejes Zeichen lehnt fih an ägyp-
tifche Gebräuche, wie nachher die Plagen an die dortigen Landesverhältniſſe. Agypten
ollte auf feinem eigeniten Gebiet, wo feine Götter malteten, überwunden und jo über:
ührt werden, daß Jahveh Herr fei inmitten des Landes 8, 18. Jene Metamorphoje
nämlich war eine Herausforderung an die mit joldhen Dingen ſich abgebenden ägyptiichen
Saubere (fiehe zu den verſchiedenen Klaſſen derjelben 7,11 Eberd, Agypten und die BB.
ofed, S. 341 ff), welche denn auch ſich mit, den Boten des Hebräergottes darin zu
meflen bereit zeisten, aber den kürzeren zogen. Über die von ber Tradition ihnen bei-
gelegten Namen Jannes und Jambres Hehe den Art. Bd VIII, 587 f. Komnten fie auch
„durch ihre Beſchwörungen“ denſelben Effekt fünftlich erzielen, jo twurbden doch ihre Tiere
bedeutſamerweiſe von dem des Moje-Aaron verfchlungen. Zu vergleichen ift, wie Schlangen:
fünftler in Agypten noch heute dieje Tiere auf erftaunliche, ihnen ſelbſt unerklärliche Weiſe
bebandeln und unter anderem völlig jtarr, einem Steden gleih zu machen willen. Da
jene Künfte dem Pharao willkommenen Vorwand zur Abfertigung der gottgefendeten
Propheten gaben, ſo folgten nun die eigentlichen Plagen, zehn an der Zahl, durch 20
welche Agypten nach und nach die volle Gewalt des Herrn zu ſpüren befam. Diejelben
find meift nach JE, teilmeife auch nach P oder nach beiden Hauptquellen berichtet. Die
dabei mwaltende Differenz, daß nach erjterer Moſe, nach leßterer Aaron den wunderbaren
Stab handhabt, iſt wiederum eine formale, indem mit dem Wort aud der Stab Mofes
auf Aaron übergegangen zu fein fcheint. Die zehn Plagen folgten fich gewiß in furzen 25
Zwiſchenräumen, wahrjcheinlich innerhalb weniger Monate, immerhin * daß dem Pharao
zwiſcheninne Fo zur Belinnung gelajjen war. Zuerſt verwandelte ſich auf des Propheten
Geheiß das Nilwaſſer in Blut, wobei jo wenig als 2Kg 3, 12f. an wirkliches Blut zu
denken ift (vgl. auch Joel 3, 4), wohl aber an eine vötliche, mit Fäulnis des Waſſers
pulammenhängende Färbung desfelben — ein furctbarer Schlag für die Agypter bei der au
jtbarkeit diefes Elements des Oſiris. An die im Juni regelmäßig ftattfindende Fär⸗
bung des Nil (vgl. Maspero, Geh. S. 4) ift dabei wohl nicht zu denken, da biejelbe
en gutes gehen des baldigen Steigens diefes Stromes iſt. Fäulnis des Maflers jtellt
fh bisweilen ein, zumal bei niedrigem Wafferftand. ebenfalls zeugte augenfcheinlich für
die Urheberſchaft Jahvehs, daß diefe Heimfuchung in außerordentlihem Maß auf Moſes 35
Ankündigung fich einftellte. Dasfelbe gilt von den folgenden Blagen. Schon fieben Tage
nach der eriten (7,25 mit 26 zu verbinden) erfolgte die zweite, eine Invaſion von Fröfchen,
die fich bei jener Stagnation des Waſſers befonders üppig entmwidelt haben mögen. Ge:
meint find die kleine rana Nilotica und Mosaica, welche in Agypten ſtets beimifch,
durch ihre ungewohnte Vermehrung und Zudringlichkeit zur wahren Landplage wurden, wo
wie ähnliches auch von Klaſſikern berichtet wird. Stehe Bochart, Hierozoicon II,p.brösqg.
Die Zauberer verfuchten ſich auch in SHerbeiführung diejer beiden Plagen und brachten
fie zuwege, vermochten fie aber nicht zu bannen, jo daß der König ſich genötigt ſah,
Mole darum zu bitten. Da dieſe Beugung jedoch nur eine vorübergehende war, erfolgte
die dritte Plage durch die Eleinen, Menjchen und Vieh empfindlich heimfuchenden Stech- 45
müden, eine ftändige Unannehmlichkeit Ugnptens, die ſich aber — vielleicht im Zufammen:
bang mit dem Abtrodinen des faul gewordenen Waſſers — zur Kalamität fteigerte. Den
Beſchwörern, die über das niedrige Schlangen: und Froſchgezücht noch Macht hatten, ver:
ie ier ihre Kunft, fo daß fie befannten: das iſt Gottes Finger, d. h. es tft eine gött—
| achtoffenbarung bier im Spiel im Gegenſatz zu bloß menjchlicher Künſtelei. Da 50
der Herrfcher jedoch noch nicht nachgab, kam als vierte Plage die Hundäsfliege, 2 LXX
via), wobei zum erjtenmal eine auffällige Verfehonung des von Israel bewohnten
Bofen gemeldet wird. Tiefes Infekt muß läftig genug empfunden worden fein, um ben
Pharao zu der Erlaubnis zu bringen, Israel möge im Lande felbjt feinen Gott opfern,
was Voſe weislich ablehnt. Tas in der Not von jenem gegebene Verſprechen, Israel 5
drei Tagereifen meit in die Wüſte ziehen zu laffen, wurde aber nicht gebalten, fobald die
Plage weggenommen war, und fo kam als fünfte eine große Viehſeuche. Die Pferde
fiehen dabei voran, die auch heute noch in Ägypten nicht jelten von Seuchen beimgefucht
werden. Die fechfte beftand in Geſchwüren (ſchwarzen Beulen), wovon jogar die Zauberer
perſönlich befallen wurden. Obwohl fo oft fchen das Eintreten des Gerichts auf Moſes vo
un
So
un
Sı
492 Mofe
Geheiß und fein Aufbören auf feine Fürbitte bin Zeugnis von der Macht feines Gottes
abgelegt hatte, verbarrte der König „igtpteng infolge einer eremplarifchen Berftodung auf
feinem Widerftand, und jo mußte das Land die ganze Macht des Armes Jahvehs (9,14)
foften. Macht ſich ſchon in den bisher aufgezählten Schlägen eine Steigerung be
5 merklich, jo folgen nun drei befonders fchwere und ſchreckhafte, zuerit an fiebenter Stelle
ein entjeglicher, fogar mörderiſcher Hagelichlag, der nad) 9, 31 Anfang Februar oder
gegen Ende des Januars ftattfand. Die vorbergehbenden Plagen mögen bejonders im
Dezember und Januar eingetreten fein, vielleicht fchon in den Herbitmonaten, aber ſchwerlich
früher. Ein Einfall von Heufchreden (achte Plage) machte das Unglüd voll, und zwar
1 erfuhr man diefen Schreden des Morgenlandes (ſ. Bd VIII, €. 28ff.) nad 10, 14 in
unerhörten Maße. Davor bangend, batte der König den Erwachſenen die Wallfahrt ge:
ftatten wollen, während die Rinder und das Vieh zurüdbleiben müßten, allein bier galt
fein Markten. Als neunte Plage fchredte eine dreitägige Finsternis das Land, wozu der
Chamſin, der zumeilen (meilt im März) Staub und Sand aus der MWüfte b ,
15 die Eonne verdunfelt und die Atmoſphäre unerträglidb macht, das natürlidie Subſtrat
bilden mochte. Um aber die Beitürzung, welche diefe Plage erzeugte, recht zu mürbigen,
muß man fich erinnern, wie göttlih das Sonnenlicht bei den Agnptern angejeben wurde
est war der Herrſcher bereit, auch die Kinder zieben zu lafien, und wollte nur das Vieh
zum Pfand behalten. Aber da ihm dies verweigert wurde, feste er feinen Millen aufs
zo neue dem göttlichen entgegen. So mußte die Zehnzabl voll werden und das furdhtbarfte
(Sericht eintreten, welches endlich den trobigen Wideritand brad. Wollte man Syahvebs
Vaterrecht über Jsrael, fein eritgeborenes Wolf, nicht anerkennen, fo rächte er fich, indem
er den Ägyptern ihre Erſtgeburi, worauf fie befondern Wert legten, raubte. Warnend
batte Mofe dem Herrſcher Dies in Ausjicht geitellt; da er aber veritodt blieb, wurden
», Anftalten zur Verſchonung Israels mit diefer Plage und zu rafchem Auszug getroffen.
Der Herr überfiel nächtlicher Weile die Häufer der Agypter — offenbar durch eine fchnell
binvaffende Belt, und als alle Wohnungen von der Totenflage widerballten, weil vom
Pharao auf dem Thron bis zum geringften Untertbanen jeder feinen Erftgeborenen durd
den Würgeengel verloren batte, zogen die Israeliten eilig aus, von den erfchrodenen
w Ägyptern getrieben und fogar mit Geſchenken überbäuft, die man gerne gab, um fie nur
los zu werden. al. zu den ägbptiichen ‘lagen Wet 16, 15 ff.; Pbilo, Vita Mosis 1,
In 24
An die Bewahrung vor dem Würgengel und den ciligen Auszug erinnerte fortan
das Paſſahfeſt, deſſen Einfegung dabei berichtet wird und deſſen einzelne Momente damit
+ zufammenbängen (j.den A. Paſſah). Ebenſo wird die Heiligung der Erftgeburt (ſ. BoV,
719f.) auf die Verfchonung der israelitifchen Erftgeburt in Agypten zurüdgeführt Er 13, 2.
11 16. Der Auszug felbft fand (nah P) am 15. Tage des Monats Abib Statt, der
fortan als der erſte gezählt werden follte (Nu 33, 3; Er 12, 2). Die Stabt Ramſes
wird als Ausgangsort genannt, obne Zweifel diefelbe, die nah Er1,11 von den ame
43 liten gebaut werden mußte. Diefe Stadt Ramſes, wo der Pharao damals refibiert a
baben fcheint (vgl. Er 12, 31) ift noch nicht ficher feſtgeſtellt (vgl. die Anfichten bei Til
mann zu Gr 1,11). Joſephus denkt an Heliopolis (Ant. 2, 15, 1); Neuere an Zoan =
Tanis (Brugſch, Köhler u. a.), fo wohl aub Pf 78, 12. 43, mo das Gefilde Zoans als
der Zchauplag der Wunderthaten Mofes genannt if. Doc dürfte es eher eine Stadt
1, in Goſen fein, nicht zu weit weſtlich oder nördlich von der erften Station, dem jetzt feſt
geſtellten Sukkoth — ägypt. Thufet oder Thufu, was urfprünglid Name eines Gaues,
dann feiner Hauptitadt, die nadı Ed. Navilles Entdeckung — Pithom — Heroopolis, dad
heutige Tel Mafchuta. Vgl. Ed. Naville, The Store City ete. So durchzog man ben
beutigen Wadi Tumilat, zuerft das eigentliche Gofen, mo bie israelitifchen Scharen fih
anſchloſſen. Über die Zahl der Ausziebenden vgl. Bd IX, ©. 465,18. Daß der feine
‚seit eingeivanderte Stamm in dem auch in diejer Hinfiht als beſonders fruchtbar be:
rubmten Agypten (Ariſtoteles, Hist. animal. 7, 4, 5; Columella, De re rustica 3, 8;
j!inius, Hist. nat. 7,3) fi während eined Zeitraums von 400 Jahren ſehr ſtark ver
mebren fonnte, ift nicht zu beftreiten. Es kommt aber dazu, daß dieſe feit zuſammen⸗
z, baltende Zippe fchon während jenes Aufentbalts ohne Zweifel zahlreiche ſtamm
Elemente als Yeibeigene u. dgl. in ſich aufnahm, wie denn auch beim Auöguge ſelbſt nad
12, 3% mande fih ihnen freiwillig anjchloffen, die mit der Zeit im Volle aufgegangen
fe Tie zweite Station war Etbam, ägypt. khetem, Befeftigung, bier eine Ummallung
zum -Schutz gegen Ginfälle von Oſten. Es lag „am Saum der Wüſte.“ Hier fand eine
, Arı Umkehr, Äbſchwenkung des Zuges von der natürlichen Route ftatt, wohl in ſüdweſt⸗
Mofe ’ 493
licher, dann füdlicher und füdöftlicher Richtung, jo daß nun der Meerbufen zwifchen dem
Volk und der Wüfte lag. Diefer nachher durchfchrittene Bufen, dag „Schilfmeer”, tft der
um Roten Dieer gehörige Golf von Sue, vgl. BP XII, S. 497. Brugſch (L’Exode etc.)
allerdings die Anficht Schleivens aufgenommen und durch ägyptiſche Ortsnamen zu
ftügen gejucht, wonach der berühmte Durchzug an die Küfte des Mittelmeer zu verlegen 5
wäre, als hätte Mofe beim Berge Kaſios (Baal Zephon?) die Sümpfe des Sirbonisjees
durchkreuzt. Allein der durchgängige Sprachgebrauch verlangt, bei jenem „Schilfmeer“
ans Rote Meer zu denken. Auch widerſpricht der biblifche Tert jener — da nach
dieſer die Israeliten auf dem geraden Wege nach dem Philiſterland ſich befunden hätten,
als der Pharao ihnen nachſetzen ließ. Erſt als die Agypter ſie erreichten, hätten ſie nach 10
Süden abgeſchwenkt, während Ex 14, 2ff.; Nu 33, 7 beſtimmt bezeugen, daß ſie ſchon
bei Etham von der gegebenen Route abwichen und dies den Pharao zur Verfolgung
ermunterte. Vgl. auch Er 13, 17f. Über die mutmaßliche Lage von Baal Son, Bi
Hachiroth, Migdol u. a. vgl. außer den Kommentaren Eberd, Naville u. ſ.f. Der Golf
von Suez paßt in mancher Hinficht trefflich zu dem Berichteten, indem bier der Wechfel 15
von Ebbe und Flut ein Starter und plößlicher ift, namentlich wenn der Wind denjelben
ſteigert, was beſonders um die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche oft in hohem Maße der
Fall iſt. Auch Napoleon, welcher zur Abkürzung des Weges die Furt von Suez pajfieren
wollte, fam, von der Flut überrafcht, in große Lebensgefahr. Der Bufen eritredte fich
übrigens zur Zeit Moſes ohne Zweifel weiter landeinmwärts, jo daß die Scenerie nicht 20
mehr völlig unverändert vorliegt. Den Übergang der Seraeliten dachte man ſich meift
in der Nähe des heutigen Suez, ſei es etwas nördlich davon, wo vier Inſeln den Meer-
Phi Iperren, oder etwas ſüdlich von der Stadt, wo gleichfalld Untiefen liegen. Bewegte
fi) der Zug, mie aus obigem erhellt, durd) den Wadi Tumilat, und reichte der Bufen
dame weiter nach Norden, fo iſt eher an die Bitterſeen ſüdlich vom heutigen Ismailije 25
enken.
Auf ungewohntem Wege durch Gottes Feuer: und Wolkenſäule (ſ. d. X. Bo VI
©. 60ff.) geleitet, waren die Israeliten von Etham aus nach Süden, fogar Südweſten
ezogen. Dies wurde dem Pharao befannt, der ja in diefer Gegend an militärifchen
Bolten feinen Mangel hatte. Cinerfeits erſah er aus dieſer Fortfehung des Marfches, so
daß feine Hoffnung auf Wiederkehr des Volkes fei; andererfeitö ließ ihn die eingefchlagene
Richtung vermuten, die Führer ferien ihres Weges und Zieles nicht gewiß, und die in der
unwegſamen Wüfte eingefchloffene VBolfsmenge ließe fich leicht einholen und zum Rückzuge
giwingen. Schon reute ihn wieder die abgenötigte Freilafjung Israels, er Tonnte der
enden Ausficht nicht miderjtehen und jagte mit feinen Kriegswagen nad). Er erreichte 35
den Zug noch am Meere, und zwar weftlih vom Meerbujen gelagert. Die Lage Israels
(nie verzweifelt, ſchon verlor das Volk allen Mut und machte Mofe bittere Vorwürfe.
ein diefer wußte, weſſen Führung er fich überlafien hatte und vertraute unerfchütterlich
auf dieje höhere Hand. Auf fein Gebet zeigte ihm Gott einen wunderſamen Ausweg
mitten durchs Meer, das fich teilte, fo daß Israel trodenen Fußes hindurchzog. Die 40
Ägypter voll Gier, die Beute fich nicht entwifchen zu laſſen (15,9), jagten noch in felber
Racht ihnen nach, durch die Leidenjchaft blind gemacht gegen die Gefahr, die ihnen drohte.
Beim Durchzug des Wagentrofjes entftand eine Banik, verurfacht durch einen erfchreden-
den Feuerblick (Blig? Joſeph. Ant. 2, 16, 3) aus jener Gotteswolke. Die Nofje wurden
ſcheu, die en ftiegen aneinander. Und um das Verhängnis voll zu machen, wogten 46
jet, gegen Morgen, die zurüdgebaltenen Waſſer wieder heran und bereiteten fo ber
macht des Pharao ein naſſes Grab. Als natürliche Vermittelung jener zwiefachen
ewegung des Waſſers wird 14, 21 ein Starker Oftwind (genauer wohl Nordoſtwind)
genannt, der die Furt troden legte, indem er fehr wahrſcheinlich die Ebbe verſtärkte und
ungewöhnlich lange andauern ließ, dann aber in entgegengefegte Richtung umfchlug und so
dad Hereinbrechen der Flut beichleunigte. Durch diefe phyſiſche Veranichaulichung, wozu
die mehrftündige Trodenlegung des Nhonebettes am Ausfluß des Genferjees in den Jahren
1495 und 1645 eine treffliche Parallele bietet (Ed. Naville, The Route, p. 17), wird
dad Wunder um nichts Meiner. Denn welches Walten der Hand Gottes, die alle Ele:
mente beftimmt, offenbarte jic) bier, mo Wind und Wogen warten mußten, bis der un 55
beholfene Wanderzug eben Zeit hatte, hindurchzuziehen, dem burtigen reifigen Kriegsheer
dagegen augenblidlih den Untergang brachten! In ſolichem Augenblid und unter foldyen
Umftänden erlebt, mußte ein derartiges Naturereignis unauslöfchlid den Eindrud der
Gottesthat machen. Die dazu etwa angeführten gefchichtlichen Parallelen von Be—⸗
rügung außerordentlich niedrigen Wafleritandes oder kühnem Durchzug einer Armee durchs co
—
494 Moſe
Waſſer bleiben weit dahinter zurück. So die von Tabari, Arabiſche Annalen, J, S. 196
unten. 198. 200, 6, und Livius 26, 45f. erzählten Fälle, oder der aus Alexanders
Leben Arrianos 1, 26 (vgl. Strabo 14, 3) berichtete, den ſchon Joſephus mit dem mo:
Iaticen verglihen hat Ant. 2, 16, 5. Das getreueite Denkmal dieſer Gottestbat bat
5 Mofe ſelbſt gefeßt in dem berrlichen „Lied am Meer“ Er 15, 1ff., an deflen Yutbentie
mit feinerlet Hecht zu zweifeln ift, mag dasfelbe auch in fpäter erweiterter Geftalt vor-
liegen. Ewald fieht den (Srundftod des Liedes in V. 1—3. 18. Aber auch das übrige
jei frühe, etwa in der Zeit Joſuas binzugelommen. Eher wird V. 1—10. 19 Mofe zu
belaffen und nur V. 11—18 als fpätere Dorologie der Gemeinde auszufcheiden fein. Die
10 Einzigartigkeit des Erlebniffes, welche in dieſem Gefang ſtark bervortritt, beftebt darin, daß
der Herr allein bier gehandelt bat mit feinem gewaltigen Arm. Die Meinung, es babe
zwiſchen Ssraeliten und Agnptern ein Kampf ftattgefunden (MWellhaufen, Kittel, Geſch. I,
205) wird durch nichts im Text begünftigt und it an ſich höchſt unwabrfcheinlih. Die
jouveräne Gottesthat verleiht auch dem Xiede feine unerreichte Majeftät, welche man nicht
15 bejier inne werden Tann, als ivenn man damit vergleicht, was Juſti, Nationalgefänge der
Hebräer, 1803, S. 34ff., zu einzelnen Partien als angebliche Parallelen aus der pro-
fanen Xitteratur berbeigetragen bat. Vgl. dazu auch R. Lowth, De sacra poesi He-
braeorum, p. 209sq. 3608q. jene GErrettung des Volle am Schilfmeer bezeichnet
die Geburtsftunde des Volkes Jahvehs. Auf die ganze Befreiung des Volks aus Agupten,
20 welche mit diefem größten Akte abjchloß, blidt dern auch die ganze prophetifche und poe
tiiche Zitteratur als auf die That zurüd, durch welche Gott fein Eigentumsrecht auf dieſes
Volt für immer begründet habe (vol. Er 15, 13; Dt 9, 26) und die für künftige Er-
löfung gie (Zei 11, 15f.; Mi 7,155 Jeſ 63, 11.5; Pi 77. 78. 105. 106.
135. 136 u. ſ. f.).
% Wenn es fih nun darum handelt, in der äghptifchen Gefchichte, foweit mir fie aus
ägyptifchen Duellen kennen, die Spuren diefer Epiſode des Auszugs unter Mofe zu
finden, fo find es hauptfächlich zwei verfchiedene Berichte, in denen man diefe Auswan⸗
derung zu erkennen glaubte. Der eine erzählt von der Austreibung der Hylfos, melde
Joſephus (gegen Apion 1, 14—16) mit den Israeliten identisch fett. Nach Manetbo,
3 dein Joſephus diefen Bericht entnimmt, hätten diefe Hyffos (= Hirtenkönige, Nomaden:
fürften,; nach einer andern minder beglaubigten Deutung, die freilich Joſephus vorziebt:
gefangene Hirten) 511 Jahre lang über Agypten geherrſcht. Dann aber fei (a. a. O. I,
14, 12}. nad %. G. Müllers Ausg. 1877) eine Erhebung der Thebais und des übrigen
Agyptens wider diefe Hirten erfolgt und ein gewaltiger, lange dauernder Krieg mit ihnen
35 entbrannt. Unter dem König Miephragmutonie (andere %.:X. Altsfragm.) feien die ge
ſchlagenen Hirten, vom übrigen Agypten verjagt, auf Einen Pla eingefchloffen worben,
defien Umfang 10000 Morgen betrug. Avaris hieß der Ort. Denfelben bätten bie
Hirten mit einer großen und feſten Mauer umgeben, fo daß ſie ihre Güter und Beute in
Sicherheit hatten. Thummoſis aber, der Sohn des Misphragmutofis, habe mit einem
so Herr von 480000 Wann die Mauern belagert, und als er fie nicht einnehmen Tonnte,
mit den Hirten ein Abkommen getroffen, wonach fie Agypten verlafien und ohne alle
Benachteiligung zieben follten, wohin fie wollten. Sie feien alſo mit ihren Familien und
allem Eigentum aus Agypten durch die MWüfte nach Syrien gewandert, nicht weniger
ald 240000 an der Zabl. Da fie fidh aber vor der Herrſchaft der Aſſyrer fürchteten,
45 die damals Aſien innebatten, bätten fte in dem jet Judäa gegannten Lande eine Stabt
gebaut, die ebenfoviele taufend Menſchen faſſe und Jeruſalem heiße. Soweit Manetbo.
Joſephus zweifelt nicht daran, daß bier vom Auszuge feines Wolle die Rede ſei und
noch Neuere haben fih für die Jdentität der Israeliten mit den Hykſos erllärt, Co
Hengitenberg, Zeyffartb, v. Hofmann, Uhlemann. Auf den erjten Blick fpricht ja einiges
50 dafür. Der Name „Hirtenkünige” würde trefflich zu Gen 46, 34; 47, 6 ftimmen, mo
‚ die Israeliten 22 woR beißen und 73 = werden. Die Suffostteht Avaris ober
“ Abaris erinnert an den Namen ar-2r (Gen 10, 15). Der Name des erſten Hykjosfürften
Zädarıs (1, 14, 5) erinnert an Joſephs Titel Gen 12,6 — Die Nennung Jeru⸗
ruſalems ift gleichfalls fehr überrajchend, Tann freilich ſelbſt auf Verwechslung der Jorae⸗
65 liten mit den Hykſos beruhen. Allein der ganzen Kombination ſtehen zu g
Gründe gegenüber. Die Joraeliten erſcheinen in der Bibel durchaus nicht ala Eroberer
und langjährige Beherricher Agyptens. Die ägnptifhen Monumente und Schriften be
ftätigen vollauf die Hykſosinvaſion, zeigen aber klar, daß es fich dabei zwar um Semiten,
aber nicht um die Israeliten bandelte. Nach denfelben zu fchließen, ift vielmehr Jakobs |
0 Familie während der Dauer der Hykſosherrſchaft nach Agnpten gelommen. Bel. Bo IX |
Moſe 495
S. 358f. — Mit mehr Grund wird eine ſpätere Epiſode der ägyptiſchen Geſchichte,
welche ebenfalls aus Manetho bei Joſephus erhalten iſt, mit dem Auszug Israels in
Beziehung geſetzt und zwar ſchon von Manetho ſelbſt, während ſich —5— energiſch
dagegen wehrt, nämlich die Vertreibung der Ausſätzigen. Gegen Apion 1, 26, öff. wird
nämlich erzählt, der König Amenophis babe gewünſcht, die Götter zu jehen. Ein Seher 6
gleichen Namens habe ihm dies verheißen, wenn er das Land von den Ausfätigen und
anderen Unreinen reinige. Gr babe daher alle körperlich mit Makel Behafteten, 80000
an der Zahl, zufammenbringen und in die Steinbrüdhe öftlih vom Nil führen laflen,
wo fie arbeiten mußten. Unter ihnen hätten fih aud) gelehrte Prieſter befunden, die
vom Ausfag befallen waren. Bald aber fürchtete der Seher den Zorn der Götter wegen 10
diefer Gewaltthätigfeit, die dem Yande eine dreizehnjährige Sremdherrichaft zuzieben werde.
Deshalb überließ ihnen der König die jett verlafjene, einjt von den Hykſos bewohnte
Stadt Avaris. Dort festen fie fich einen Briefter von Heliopolis, namens Ofarfiph, zum
Anführer und fchwuren ihm Gehorfam in allen Stüden. Diefer erließ vor allem ein
Gejetz, fie follten weder die Götter verehren noch ſich der beiligften Tiere der Ägypter 15
entbalten, fondern alle töten, im übrigen nur mit den Miwerſchworenen Gemeinfchaft
pflegen. Nachdem er dieſe und viele andere Geſetze, welche den Gebräucen der Agypter
möglichjt entgegengefet waren, gegeben batte, befahl er, die Stadt zu befeftigen und fich
zum Krieg gegen Amenophis zu rüften. Auch fette er fich mit den vertriebenen Hirten
(Hykſos) in Jeruſalem in Verbindung, welche bereitwillig 200000 Mann Verſtärkung 20
fandten. Amenophis erfchrat und brachte erit feinen Sohn Sethos, auch Rameſſes ge:
nannt, in Sicherheit; dann z0g er ſich mit feinem Heer bis nach Athiopien zurüd, fo
Daß Agypten 13 Jahre lang den Ausfähigen preisgegeben war, welche die Dörfer und
Städte verbrannten, die heiligen Tiere fchlachteten und fogar die Priefter und Propheten
zwangen, dies zu thun. Oſarſiph babe den Namen Moſe angenommen. Nach 13 Jahren 25
aber fehrten Amenophis und jein Sohn mit großer Heeresmacht zurüd, jchlugen die ver:
einigten Hirten und Ausfägigen und verfolgten fie bi8 an die ſyriſche Grenze (1, 27,1).
Ähnliche Erzählungen wie bier bei Manetho finden ſich auch bei Chäremon, Sn fimachus u.a.
(gegen Apion 1, 32 und 34; vgl. auch Tacitus, Hist. 5, 3—5). „ Helatäus von Abdera
bat die Verfion, daß eine Veit Agypten beimfuchte, woraus die Agypter erfannten, daß 30
die Götter ihnen wegen des Verfall des Kultus zürnten; daber vertrieben fie alle Aus—
länder. Ein Teil derjelben zog unter Mojes Anführung nad Judäa und gründete dort
die Stadt Serufalem (bei Divdorus Sic. 40, 3; vgl. 34, 1). Dieſe Verſion fommt der
bibliichen Erzählung jehr nahe, indem auch nach diejer die Veit Urfache des Auszuges
ift, nur mit dem Unterjchted, daß nad) der Bibel ſie die Agypter zur Entlaflung nötigte, s5
nach Helatäus Ei Bertreibung betvog. Der Bericht Manethos meicht freilid) von der
Bibel noch ſtark ab. Nach ihm mären die Jeraeliten aus einer berrichenden Stellung
binausgemworfen, nicht aus der Knechtichaft erlöjt worden. Doch handelt fich® hier (ganz
anders als bei den Hykſos) nur um eine 13jäbrige Gemwaltherrfchaft, welcher harte Fron—
arbeiten vorausgingen. Daß die Erzählung Manethos, die er nach Joſephus (1,26, 1f.) 40
nicht den bl. Büchern, fondern dem Gerede des Volks entnommen bat, nicht jtreng biftorifch
veritanden fein will, leuchtet ein. Die „Ausjägigen” find offenbar nicht kranke Aegypter,
ondern eine ſemitiſche Bevölkerung, wie auch die Hykſos Papyr. Sallier I, 1 Aatu,
enichen heißen (Chabas, M&langes Egyptol., I, 1862, p. 36sq.; Ebers, Durch
Gojen 562), welche Inſaſſen den Agnptern als eine Befledung des Landes erjichienen. 45
Weniger würden wir mit Ewald darauf Gewicht legen, daß jene Krankheit unter den
Seraeliten in jener Zeit verbreitet war, wiewohl merkwürdig it, daß von Moſe Geſetze
über den Ausſatz herrühren, von welchem auch Mirjam befallen wurde, und daß dieſes
Übel auch unter den mofaischen Beglaubigungszeichen (ſ. oben) eine Rolle fpielt. An
obige Erzählung erinnert in gewilfen Zügen der große Papyrus Harris (A. Eifenlobr, so
Der große Papyrus Harris 1872), den man damit fombiniert bat. Auch nach demfelben
hätte ein fyrifcher Häuptling Chal (= Mofe?) über Agypten geberrfcht und die Heilig:
tümer geplündert. Es it aber jchmwerlich die Differenz mit Emald fo auszugleichen, daß
man annimmt, die biblifchen Berichte bejcheiden ſich, weniger von dem äußeren Ruhm
Axexaela zu jagen, als fie fünnten. Wir können aber auch nicht diefe Differenzen be-
deutend genug finden, um mit J. G. Müller (Die Semiten, 1872, ©. 202 ff.); Köhler
(Gejchichte, I, 229ff.); Dieftel (in Riehms Hwb.) jede Verbindung diefer Austreibung der
Ausfägigen mit dem Auszug der Ieraeliten abzulehnen. Vielmehr fcheint jene die legen:
denhaft ausgemalte und mit Momenten aus der Hykſos-Geſchichte verfegte populäre Ber:
fion der Agypter von diefem Ereignis zu fein. So ſchon Schiller (Die Sendung Moſes, 60
⸗
&
496 Mofe
1790), Lepſius, Bunfen, Etvald, Chabas, Ebers, Dunder, Maspero, Delisich. S nbens
Kloftermann, der eine Rüdftrömung jüdiſcher Kunde auf Maneiho annimmt, Geſch. des
V. Isr. S. 37ff. — Was nun die ägyptiſchen Denkmäler und Papyrusrollen betrifft,
ſo geben ſie zwar den Boden und die Scenerie zu den aus Moſes Zeit erzählten Vor:
s gängen, auch manche Illuſtration im einzelnen. Sie laſſen z. B. das vom Verhalten
der Ägypter gegen bie Israeliten Gemeldete durchaus glaubhaft ericheinen, zeigen, wie
die femitifchen Inſaſſen des Yandes zu ſchwerer Arbeit bei Bauten gezwungen murden
u.f.w.; allein mit voller Bertimmthet läßt ſich das Judenvolk als von anderen Semiten
unlerſchiedener Stamm nirgends nachweiſen. Der Name “Apriu, welchen Fronarbeiter
ıo unter der XIX. Dynaſtie tragen, iſt zwar ſprachlich vielleicht mit Hebräer identiſch, dann
Aber jedenfalls allgemeineren Sinnes als Jeraeliten. Vol. Bd IX ©. 358,2. ° weniger
un; die Perfon des Mofe in monumentaler ägyptifcher Oeftalt fiher nachgewieſen obwohl
Lauth ſich deſſen rühmte. Auch der Pharao dieſer Periode läßt ſich nicht mit S Sicherheit
beſtimmen. Man hat beſonders an Merneptah gedacht, den Sohn jenes Ramſes IL,
15 den man faft allgemein als den Pharao der Berrüdung anſah. Doch fprechen verſchie⸗
dene Anzeichen vielmehr für einen Herricher der XVIII. als der XIX. Dynaftie. S. Bd IX
©. 464. 3. B. könnte Amenhotep III. (reg. biß gegen 1400) der Pharao des Au
aus oe ir (c. 1500-—1450) der König der Bedrückung fein. Daß bie ——
Denkmãler von dem ſchimpflichen Unglück, das die Ägypter am Schilſmeer traf, Me-
soldung thun jollten, ift bei ihrem offiziellen Charakter, wonach fie nur den Ruhm der Dy-
naſtie verewigen follten, gar nicht zu erivarten, wie Brugich, Geſch. S. 583 herborhebt.
Daß, mie leßterer annimmt, der harao jelber den Tod bei jener Kataftrophe g
ıhabe, ift zwar in dem fpäten Pi 136, 15 vorausgeſetzt, vielleiht aud) & 14 10. 18
Angenommen, dagegen in der ältelten Duelle, dem Lied Er 15, mit feinem Worte geſagt.
26 Das Ziel der weiteren Wanderung Israeis bildete zunachft der „ Gottes“.
Diefer Berg wird neuerdings von einzelnen im Edomiterland oder an ber Weſtküſte Ara-
biend gejucht. Die Gründe Hr erjtereg giebt am beiten Sayce, Monuments*® ©.263ff.).
Dadurch erbielte der MWanderzug natürlich eine ganz andere Richtung, ald wenn man
die Rage des Berges auf dem füdlichen Teil der „Sinaihalbinfel” feithält. Siehe den A.
so Sinai. Die Jeraeliten hätten dann nad) dem Durchgang durchs Wafler den geraden
Peg nah Dften eingefchlagen und wären bald am Golf von A angefommen. Allen
durchichlagend ſcheinen ung die Gründe für diefe Verjegung nicht, ber BL Berg läßt ng
weder in Edom noch auf der Weitfeite Arabiens mit ahrſcheinlichkeit nachweiſen, und
die erſten verzeichneten Stationen laſſen ſich eher bei der traditionellen als bei der neu
36 vorgeichlagenen Route mwiedererfennen. Zwiſchen dem Durchzug durchs Meer und dem
Sinai werden verfchiedene ſolche Stationen genannt, worunter nicht einfache Nachtquar:
tiere zu verſtehen find, jo daß zwiſchen denjelben jedesmal eine Tagereife era —*
Raſtorte, wie fie die ungleich verteilten Dafen boten, wo für längere oder
Halt gemacht wurde, während man zwifchen denfelben oft Tag und Nacht note
Den Triumph Er 15 verlegte die Tradition nah Ajun Mufa, von mo aus man drei
Tage lang die Wüfte Schur durchzogen haben mag (welchen Namen Palmer von dem
langen maueräbnlichen Gebirg ableitet, das jenen Teil der Wüſte charakterifiere), bis man
nadı Mara fam, wo das Waſſer ungenießbar war, vielleicht Hawara, 16’), Wegftunden
füblich von Yun Muſa. Der Boden iſt hier start mit Natron geſchwängert, das Wafler
s der Duelle oft übelſchmeckend. Elim it dann etwa ım Wadi Öbarandel 21), Stunden
weiter füdlich zu fuchen, nach Brugſch dagegen wäre es erft Ajun Muſa. Nach dem alten
Stationenverzeichnig Nu 33 lagerten die Israeliten zwiſchen Elim und der Wüſte Sin
noch einmal am Schilfmeer (von Sayce auf den Sol! von Akaba bezogen), vermutlich in
den ſchönen Wadi Tajibe. Tie auf jene Wüfte folgenden Orte find wie dieſe felbft un-
co fiher: Dophla (— el Tabaka? nad) Ebers vielmehr ein Maflat im Wadi Meghara)
und — Rephidim ſieht man gewöhnlich in dem fruchtbaren Wadi Feiran am Fuße
des Berges Serbal. Da die Israeliten von da aus unmittelbar in die Wüſte Sinai
famen, macht man jene Gleihjegung für die Anſprüche des Serbal auf diefen Namen
geltend, inden der Dichebel Mufa noch ettva 11 Stunden weit von jenem Wadi liegt,
65 wobei freilich die ungleiche Yänge der Märfche zu bevenfen. Der Schwierigkeit, daß ge
rade bier, wo ein meilenmweit ſich eritredender Palmenwald das Vorbandenjein von
befunbet, der Maffermangel bejonders empfindlich geweſen Iein fol, begegnet man burd
die Annahme, die fruchtbare Oaſe mit Duelle babe fih in den Händen der Amaleliter
befunden, mit welchen fich die Israeliten erft meflen mußten. Übrigens halten auch
cn folche, die den Wadi Zeiran für Rephidim erklären, am Dichebel Mufa als dem Berg
Mofe | 497
der Offenbarung feſt. Schon auf diejer erften Strede des Zuges durch die Wüſte zeigte
ſich, wie geeignet dieſer Aufenthalt für die göttliche Erziehung des Volkes war. Hier
war es ganz auf feinen Gott angewiefen. Er mußte ibm den Weg zeigen, Brot und
Waſſer —38 Dabei kam freilich auf Schritt und Tritt der Kleinglaube, die Ungeduld,
das Mißtrauen der Menge zum Vorſchein. Nur durch überwältigende Zeichen feiner All-5
macht und väterlihen Fürſorge konnte ihr Widerwille niedergehalten werden. Solche
Zeichen waren die Wolfenfäule, die Spendung des Manna, des Waflers aus dem Felfen,
der Wachteln, dann die Befiegung der eriten Feinde (Amalek) durch die Gebetsmacht des
Mofe (vgl. die patriftiiche Deutung Juſtinus Dart. dial. c. Tryph. ce. 90. 111), endlich
die großartige Ericheinung Gottes am Sinai. Wie bei den in Agypten verrichteten 10
Wundern und beim Durchzug durchs Schilfmeer laſſen fih auch bier meilt in den Iofalen
Erjcheinungen die natürlichen Anhaltspunkte diefer Zeichen nachweiſen. Das Manna ift
ein bejonders auf der meitlichen Seite der Sinaihalbinjel häufiges vegetabilifches Produkt,
Wachtelſchwärme laſſen fih bier im Frühjahr häufig, von ihrer Wanderung ermübdet,
nieder. Der Sinai, ob man nun Serbal oder Dichebel Mufa dafür halte, macht einen 15
übermwältigenden Eindrud, zumal im Hochgemitter. Diefe Anhaltspunfte, ſowie die wohl
bezeugte Nachricht von der Amalekiterfchlacht unweit des Sinat und die Bezugnahme auf
uralte Zieder, die aus diejer Zeit ftammen müſſen, erwecken Vertrauen zur Geſchichtlichkeit
der erzählten Begebenheiten. Vgl. Kittel, Geſch. I, 201 ff. Stade freilih nennt den
anzen Wültenzug „einen mit geichichtlichem und geographiichem Detail ausjtaffterten 20
dythus“. Dagegen zeigt auch die Darftellung Kloftermanns (Geſch. des V. Isr. ©. 46 ff.),
wie man bei aller Anerkennung verjchiedener Quellen und einer Ichrhaften Abficht der
Erzähler der Realität der Überlieferung doch Gerechtigkeit mwiderfahren laſſen kann.
Am Einai, wo der Herr alles Volk feine Glorie fchauen und feine Stimme bören
ließ, wurde ein längerer Aufenthalt gemadt. Hier fand durch Mofed Vermittelung der 25
Bundesichluß zwiſchen Jahveh und Israel ftatt. Das Geſetz (ſiehe unten) wurde gegeben.
Es kam aber auch fchon hier zu einem jchlimmen Abfall des Volkes zum Bilderdienft,
wobei Mofe fich in feiner ganzen Seelengröße zeigte, indem er für fein Volk rüdhaltlog
in den Riß trat, und Statt die Sünder zu Gunften feiner eigenen Berfon dem Gericht
preigjugeben, vielmehr fich felbit zum Sühnopfer für fie anbot (Er 32, 30ff.; vgl. Rö so
9, 3), und nicht ruhte, bis der Herr wieder die Zufage gab, daß er felbit, beziehungs-
weife der Engel feines Angelihts (Er 33, 15; Jeſ 63, 9), das Volt weiterhin anführen
werde, worin eben das Vorrecht des Bundesvolfes lag. Nadı fait einjährigem Aufenthalt
am Sinai (vgl Nu 10, 11 mit Er 19, 1) brach das Volk von dort Ai geleitet von
Chobab, dem Schwager Mofes (Nu 10, 29 ff.) und zog nordmwärts in die Wüfte Paran. 35
Auf dem weitern Zuge wiederholten ſich die Auflehnungen des Volkes, welche nun aber
durdy empfindliche Gerichte beftraft wurden. Und als der trogige Kleinglaube zulett fo
weit ging, das es fich weigerte, nordwärts in der Richtung auf Kanaan zu ziehen, da
die Berichte der dorthin borausgejandten Kundſchafter ihm allen Mut benommen hatten,
jo vermochte ſelbſt Moſes inftändige Berufung auf Gottes Barmherzigkeit das Urteil des «0
Herrn nicht zu hindern, daß diefe Generation das Yand der Verheißung nicht jehen dürfe,
jondern erit in der Schule der Wüſte eine neue heranwachſen müſſe. Ein eigenwilliger
Verſuch, nun doch den Einzug in Ranaan zu erzwingen, fchlug fehl, und fo mußte das
Bolt wieder nad) Süden umkehren zum Scilfmeer, morunter hier der Bufen von Afaba
zu verfteben ift. Die 40jährige Wanderung Israels durch die Wüfte bleibt übrigens in «6
manchem Stüd dunkel, da die Berichte verichieden gehalten und lüdenbaft, die angegebenen
Stationen nur zum kleinſten Teil noch nachweisbar find. Natürlich befand ſich das Volt
nur die kleinſte Zeit hindurch auf eigentliher Wanderſchaft. Ein längerer Aufentbalt ift
namentlich zu Kadeſch bezeugt Dt 1, 46; Ni 11,17; vgl. Nu 20, 1. 14. Über die Lage
des Orts fiehe Palmer ©. 269ff.: Clay Trumbull, Kadesh Barnea 18814, wozu zu so
vergleichen Guthe, Zd PBV VIII, 1825. Nach der freilich dunteln Bemerkung Dt 1, 2
läge e& nur 11 Tagereifen vom Sinai entfernt. Jedenfalls muß es nach wenigen Mo:
naten vom Volk erreicht worden fein, da erft dort die Verurteilung zu 40jährigem Nüften-
aufenthalt erfolgte. Allerdings ſteht Kadeſch im Stationenverzeihnis Nu 33 erit an
21. Stelle, worauf noch 9 Haltorte folgen. Allein dies jchließt nicht aus, daß der größte 55
Teil der 40 Jahre dort zugebracht wurde. Dabei mochte das Volk fih in den Um:
gebungen zeritreuen, während das Heiligtum zu Kadeſch den Mittelpunkt der Necht:
Iprechung und des Kultus bildete. Dort erfolgte wohl aud) am Ende der Lagerzeit der
Tod Mirjams und bald darauf der Tod Aarons. Mach verbreiteter Annahme wäre es
eine Eigentümlichkeit der Duelle P, daß fie Israel erft gegen Ende der Wanderzeit nach 60
RealsEncyklopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 39 '
498 Mofe
Kadeſch gelangen ließe. Siebe aber Dagegen Nittel, Gefch. I, 209. Gegen die Verkürzung
des 10jährigen Zeitraums auf etwa 2 Jahre (jo ſchon Goethe im Meftöftl. Tivan,
Werke II, 365ff., Gottajhe Ausgabe 1872) ſ. die Bemerkungen Bd IX S. 167, 36.
Die unfruchtbaren Jahre des weiteren Umberziehens werden von der Erzäblung fait
6 übergangen. Nur eine beionders gefährliche Empörung, welche Korabs Namen trägt,
wird aus dieſer Zeit mitgeteilt Nu. 16. 17, 1. Bd XI, 36ff. Im eriten Monat des
40. Jahres finden wir Nu 20, 1 die Rinder Josrael noch in Kadeſch. Jetzt war die Zeit
bes Cinzugs ins verbeipene Yand berangefommen. Aber auch jegt ging der Weg nicht
ftrads dortbin, weil die Edemiter und Moabiter, auf welche man Ridficht nebmen jollte,
so den Durchzug weigerten, ſondern erſt in weiten Bogen nach Süden, nad dem älani-
tiichen Golf, und dann öltlib vom Gebirge Seir nach dem Dftjordanland. Auch aus
dieſer legten Zeit der Wanderung werden noch ernite Auflebnungen des Noltes und
Gerichte über dasſelbe berichtet. Ta bei einem ſolchen Anlaß (Nu 20, 10f.) ſelbſt Mofe
und Aaron den Slaubensmut verloren, \ellten ud tie den Einzug in Kanaan nicht
15 erleben. Ein andermal wurde das Murren des Ins Durch gefährlihe Schlangen ke
jtraft, gegen melde Moſe eine Abbilte the? rem = ne cherne Schlange auf einer
Stange befeftigte. Dieſes Gebilde, Inte ze "ie arisz ı2 Mg 18,4), follte dies nad
Moſes Abſicht nicht fein, auh nid: er Zrmen Nr Duden, fondern das feindliche Tier
als überwundenes, unſchädlich amasıs „7 Siem daritellen und jo den Glaubensmut
0 beleben. Am Arnon angelemmr mu Sr Istaeliten mit den Amoritern, dem
mächtigiten Stamm der Geaend mm 27 remem telbit Die Moabiter batten weichen
müſſen. Dies geſchab in me Zr.sszm Tori den eriten Sauptichlachten, die das
Rolf zu beiteben batte — ar Zr 2 Zi mit Deren Übertvindung das Oſtjordan—
land gewonnen war. Geder m Frredumm des Sieges über Sihon fiehe Kittel,
5 eich. I, 207 ff. Die Maarez zınz mr $ettsaung ihrer Feinde durch ein ftamm:
vervandtea Wolf Hieb Ser ram. smart Dec sehr mißtrauifch und übelwollend
zu dieſem und iuczen & sen mm \empf Dem fie nicht wagten, zu verderben. Sie
riefen den berüubmzer „ern m N. Be III 2.227 ff.) berbei, ber den fehl:
ichlagenden Nerrug mac, a er ee Magie zu bezwingen. Beſſer gelang es
ihnen und den zz oonz > Sit nnd Pidianitern, Die Lüſternheit der Israeliten
durch ihren ur Ss ven, wedurch ſich dieſe letzteren ein ſchweres
enencat: em 2 5.20% Der sm auch über dieſe Feinde, namentlich die Mi—
> Irnmm cin de jahren ging auch Moſes Lebenäzeit zu
dianiter, dit 20 8 Hu
Ende une emn ın un, zarde ven ibm Den Stämmen Nuben, Gad und balb
Das mann ne
ya Mana zen 0 m Adımung, daß fie ihren Brüdern bei_der Einnahme des
weittadn and. nt ones ST zenberbolte noch nad dem Deuteronomium im
(es gs ve Ns hen, un α ihm -- mit den Modifikationen, welche dir
u un ARD nochmals ans Herz zu legen. Er jagte ibm
> oa Beae und Die Wege Gottes voraus — Mar er doc
zen eirund aus (Dt 32) — und fegnete mit Seherhblid
u. u * . Ir RN x.
kir.znneD >
.—n — ⁊
..,a mu 0
has Sur. nn 1 -
N
Yen on . = >
Wien ire zer ſeinem Ende (Dt 33); war er doch ber geiltige
SU a a 5 be, sis er bereite in Joſuas Hände niedergelegt. Da durfte
"70. ar fer er Xx gelobte Yand überjchauen, welches das Biel feiner
” Bi 8 me. Nenn We Volles geweſen war. Dann ftarb er im Um:
DE wo. nm sim. IN \abre alt (Dt 34,7 PL. Zen Grab wurde
ET ga No wahr gennis beweinten ihren größten Volksgenoſſen dreißis
Lese sn den didliichen Quellen Joſephus nacerzäblt Antiquit.
mm ., Kromssane anderweitiger Überlieferungen (3. B. des angeblich
wenn Vrwertänse DIN Thilo, De vita Mosis, betrachtet Dielen
—* \ .warspuidr: ss Ronia. Geſetzgeber, SHoberpriefter, Prophet; er bält
J nee, Ne Venr atcuch. malt aber die Erzählungen nach dem Gefchmad
| ed Neu Ne auch allegorifh um. on der Legende find aber
m nn nad De Kindbeit und Das Ende Moſes ausgefhmüdt worden
tan. Sera bern Tod Mofes jpielt der Judasbrief V. 9 an,
u we N tmäseeben Assumtio Mosis citierend, welche angebliche
ET EN Nor den Jeing vor feinen Tod gegeben babe. Der Schluf
ae Ne me diere Zerne enthielt Val. Schürer, Gef.” III, 213ff.
net SUN ae Ne I SU ff. won Glemen). Ein ſpäteres rabbiniſches
ra Nosete su veraummehbidter Erzählung des Lebens Moſes ed.
Ss
N
Mofe 499
Gilb. Gaulmyn 1627 und J. A. Fabricius 1714. Phantaſtiſch ausgeſchmückt erfcheint
die Geſchichte Moſes im Koran und bei den Muhammedanern, wobei übrigens rabbi-
nifche Meberlieferungen zu Grunde liegen. Vgl. U. Geiger, Was hat Muhammed aus
dem Judentum aufgenommen? 1833; E. 5. Palmer, Schaupla ©. 420ff.; John Mühl:
eifen a Der Islam, deutih 1878, ©. 99 ff.; vgl. überhaupt Ewald, Geſchichte 5
II, 318 ff.
Fallen mir noch feinen perfönlichen Charakter ind Auge, wie er uns aus den vielen
Erzählungen der Bibel entgegentritt (vgl. die Charafteriftit of. Ant. 4, 8, 49), fo zeigt
16 Mofe von Jugend auf von hohem Gerecdhtigfeitsfinn und glübender Xiebe zu feinem
olfe befeelt, in der Schule Gottes aber bei urfprünglich beftigem Temperament zu
einem „Knechte des Herrn” berangereift, wie jich fein zweiter im alten Bunde findet,
der feinen Willen fo ganz dem göttlichen unterordnen gelernt hätte, wie er feinen perjön-
lichen Vorteil und feine Ehre ganz hinter dem Wohl feines Volkes verſchwinden lie
(vgl. z. B. Nu 14,11 ff). Je höher er feinen Beruf auffaßte als den eines Waters
des ganzes Volles (Nu 11, 12), deito ſchwerer war die Bürde, die er zu tragen batte ıs
an diefem undantbaren, halsſtarrigen Gejchlecht. Daß Mofe 40 Jahre lang diefes Volk hat
anführen fünnen, ohne menfchliche Gewalt zu befigen, iſt nicht allein für die Geiſtesmacht,
die in ihm wohnte, fordern auch für feine Geduld und Herzensgüte ein unfterbliches
Zeugnis. Stets war er in echt prieiterlicher Gefinnung bereit, die Unarten und Fehl:
tritte des Volks vor Gott auf ſich zu nehmen und dedte es durch feine Fürbitte und 20
perjönliche Hingabe vor dem gerechten Zorne des Herrn. Und doch wurde ihm menig
Dank und menichliche Hilfe bei diefem Werte. Gr, der, obwohl von Gott wunderbar
erleuchtet, es nicht verjchmähte, den Rat feines midianitischen Schwiegerbaters anzunehmen
(&x 18, 13ff.) und jo wenig auf feine Ehre eiferfüchtig war, daß er bochherzig münjchte,
alles Bolt möchte den göttlichen Geift empfangen, der ihn auszeichnete (Nu 11, 29), fand 25
für feine einfachiten Offenbarungen fo wenig Verſtändnis bet der Menge, fo wenig wirt:
lichen Beiftand auch von feiten feiner Nächiten! Sein Bruder Aaron zeigte ſich unzu—
verläffig (Er 32), feine Geſchwiſter intriguierten gegen ihn (Nu 12), und doch ließ er
fih nie erbittern. Mit vollem Recht heißt er darum (Mu 12,3) „der janftmütigfte von
allen Menichen” (Tas Wort 12 bezeichnet jene Sanftmut, die aus der Niedrigfeit, bier nicht 30
der Niedrigfeit der äußeren Stellung, fondern der Herzensdemut, hervorgeht, nicht „geplagt“,
Luther.) Dieje Demut und Sanftmut war aber nicht Schwäche. Wo die Ehre Gottes auf dem
Spiele ftand, konnte Moſe unerbittlich ftrenge fein (Er 32, 27). Denn er war vor allem
„„abvehs Knecht”, der unter einer höheren Gewalt ſtand. Weil ihm von diefer fein
Amt war aufgedrungen worden, hatte er die Kraft, es in Demut und FFeftigfeit zu 35
führen, ein Amt fo groß, mie es, abgefeben von Ghrifto, feinen Menſchen iſt auferlegt
worden. Die edlen Regungen feines natürlichen Herzens bätten, wie er in der Jugend
es erfubr, zu ſolchem Beruf nimmer ausgereiht. Moſe war Prophet (Ho 12, 14), ein
Drgan des mahren lebendigen Gottes, das fich ihm ganz zu eigen gab. Die Hoheit des
göttlichen Geiftes fpürt man aus all feinen Worten und Handlungen heraus. Dieje geiftige 40
und fittliche Größe erhebt ihn weit über einen Muhanımed, mit welchem ihn der Ver:
faffer der Schrift De tribus impostoribus ungerechterweife auf eine Linie ftellt. Vgl.
Bd IX, 72. Sein Verhältnis zum Herrn bildet den Grund all feines Wirkens und
Redens; er war vor allem Prophet. Bon ihm beißt e8 häufiger als von allen anderen
Gottesmännern zufammengenonmen, Gott babe mit ihm geredet. Er trägt häufiger als 4
irgend einer den Ehrennamen 177 727; er allein wird SrT2RT 727 genannt (Knobel,
Bropbetismus I, S. 111). Er war der Prophet obne Gleichen nah Nu 12, 6ff.; Dt
34,10; vgl. Er 33, 11 — gleih groß in Wort und That. Mit ihm verkehrte der Herr
„Angeficht zu Angelicht”, was an eriterer Stelle ausgeführt wird: „Wenn ein Prophet
Jahvehs unter euch fein wird, will ich im Gefichte mich ihm zu erfennen geben, im Traume zo
mit ihm reden. Nicht alfo mein Knecht Moſe, der in meinem ganzen Haufe bewährt ift.
Mund zu Mund rede ich mit ihm und in Erfcheinung, nicht in Rätfeln, und die Seftalt
Jahvehs darf er fchauen”. Während alfo das prophetiiche Schauen mehr ein vifionäres,
traumartiges ift, \chaut Moſe unverbüllter den Herren und vernimmt in voller Alarbeit
feine Stimme. Strahlte doch von feinem Angefiht die Herrlichkeit Gottes wieder, fo daß 55
er es verbüllen mußte nach Er 34,29. (777 von Vulg. verkehrt überſetzt cornuta
tacies, was zu ungereimten Erklärungen und der firchlichen Abbildung Mofes mit Hörnern
führte). Die volllommene Anſchauung Gottes mußte freilich wie jedem fündigen Sterblichen
auch dem Mofe verjagt bleiben nach der tiefen Erzählung Er 33, 17 ff, und mit Recht
weit Spinoza (Tractatus theol. polit. ed. Bruder 1846, p. 22) auf eine noch höhere &
32
vie
0
are Mofe
ziup Div Wotteaimittetlung bin: Si Moses de facie ad faciem uf vir cum socio
salut (h. oe. meulantibus duobus corporibus ?) loquebatur, Christus quidem de
inonte ad mentem cum Deo communicavit. Der weſentliche Unterfchied iſt, daß
dem Moſe Bott noch ale eine fremde Macht gegenüberjtebt, während fich Cbriftus mit
db drin Kater Eino weik. Das fchliegt aber nicht aus, daß Mofe vor allen Propheten des
alten Vundesd durch einen beftindigeren und vertrauteren Umgang mit Gott ausgezeichnet
und einer Deutlicheren und zuſammenbängenderen Erkenntnis des göttlichen Willens ge
wurdigt war. Dive entſprach feiner Aufgabe. Cr batte ja nicht bloß einzelne Lehren
und Mabnungen nit Ausbliden in Die Zukunft jeinem Volle zu überbringen, jondern
w dito Vollk ſtetig zu Leiten und cine ganze nationale Gejeßgebung zu entiverfen. Wir
huden bier Den Propheten ferne von Dunkeln abnungsreichen Gefühlen mit bellitem,
ſchariſtem Beritande vor Wort beratend und berechnend, was dem Herrn gefällig und dem
Nolte heilam ſein wide, Aber nicht Die Staatsklugbeit batte bier das Wort zu führen,
ſondern Dee Stimme von eben, Die alles weislich und unwiderſprechlich ordnete.
id Die geſchibtliche Bedeutuna Motes für dein Volk kann nicht hoch genug angeſchlagen
werden. Nicht nur bat cr Jsrael Die sereibeit gebracht und Damit zu einer nationalen
Kyuteng verhelten. Er var mu Der cinitimmigen Überlieferung, welche feine Kritik um:
toßsa dann, der menkbinbe Urdeber Der Gottesberrichaft in nationaler Geftalt, der
,Ritidxomitiler weicher Dee Sentbeie zwiiſchen Jabveb und Israel vollzog und fo dem
Urkunden Bollerir: Seinen theofratiichen Churakter für alle zeit aufgeprägt bat.
Forlanu war Jorael \uberse Velk und Jabveb Israels Gert, Er6, 7. Es iſt ſelbſtwerſtänd⸗
lich, dak nicht Ds genze Volk mir einem Mal auf die geiſtige Höhe eines Moſe empor⸗
jebeben wurd und daß es ſich, ſjoweit eine allgemeine Erbebung der Gemüter bei den
MORE Ereigniſſen jener Wanderzeit ſtattgefunden bat, nicht lange auf dieſer Höhe be-
so luuupteie. Die beidniichen Unterſtrömungen machten ib mit der Zeit wieder ſtärker
arliend und erbielzen leicht Therwaſſer. Aber Die ernitere und reinere Erfaflung Gottes
blieb tertun u Israel Dofumentiert und wurde durch ipütere Zeugen immer wieder and
vuhl gezogen und meiter entividelt. Ter „ethiſche Monotbeismus“ der fpäteren Propheten
wurzelte nach ihrer eigenen Ausfage in der durd Moſe vermittelten Grundoffenbarung.
Sul. Jameo Nobertion, Alte Rel. Joraels, deutſch 1846 S. 210f.
In welchem Zinne die jegt im Pentateuch vorliegende Tbora moſaiſchen Urfprungs
Yu, dieſe Frage läßt fich nicht mit derjelben Gewißbeit beantworten, mit welcher man
Dorn ale den Stifter der in ihr miedergelegten göttlichen Lebensordnung in Israel be
warum Darf. Daß Moſe wie fein anderer \eraclit Die Eigenichaften beſaß, welche zu
lie organiſchen Geſetzgebung befäbigten, leuchtet cin. Am Hofe der Pharaonen gebildet,
in ber Singaiwüſte nit Gottes Iffenbarungen betraut, mangelten ibm weder die hoben
Weſublopunkte, durch welche ſich Israels Geſetz vor denen aller Völker auszeichnet, noch
um Vorbild eines bis ins kleinſte geregelten Staatsweſens. Daß er von Anfang an
ſeine als gottlich empfangenen Geſetze auch niederſchrieb, wenigſtens in ihren Hauptzügen,
iſt bei einem ägyptiſch erzogenen Geſetzgeber ſelbſtverſtändlich. Das * noch vorliegende
Eeſet zeigt ſich denn auch von Reminiscenzen aus dem Aufenthalt in Aegypten durchzogen
(vul. ſchon Er 20,25 Dt 5, 6. 15; dann Ye 19,34; 25, 42; 26, 15; Nu 15,41),
wenngleich ſeit Spencer der ägyptiſche Einfluß auf die Geſtaltung des israelitiſchen Gottes⸗
dicuſtes und Rechtes oft übertrieben worden iſt. Nirgends wird auf verwickeltere Lebens
iu geſtaltungen, wie Die ſpätere Kultur fie mit ſich brachte, Rückſicht genommen. Es iſt ein
einfüches, Viehzucht und Ackerbau treibendes Volk, das die Thora im Auge bat (vgl. z.B.
Cu 21.0. 22), dazu ein noch ungeſchliffenes Wolf, deſſen Rohheit durch ſtrenges und ab:
ſchrechendes Strafverfahren niedergehalten werden muß (vgl. Er 21, 24f.); der Glaube iſt
aber noch ein kindlicher, vom Zweifel nicht angefochtener, daher auch die Gottesurteile
nicht mangeln (vgl. Nu 5, 11 ff.). Das Geſetz enthält kühne Beſtimmungen, die nicht als
Gewohnheitorecht aus praktiſchen Verhältniſſen erwachſen fein können, ſondern auf eine
zzeit hoher idealer Begeiſterung und unbegrenzter Autorität des Geſetzgebers hinweiſen
(vnl. Das Gebot völliger Ausrottung der Kanaaniter, Sabbath, Sabbathjahr, Jobeljahr).
Andererſeits iſt die Thora, wie ſie vorliegt, nicht aus einem Guß entſtanden, ſo wenig
ds ld Die pentateuchiſche Geſchichtſchreibung. Es fehlt nicht an Abänderungen und Novellen,
bie zum Teil erjt in nachmoſaiſcher Zeit entitanden fein Tünnen. 3.3. das Königsgeſet
Tul7, 1uff. war offenbar zur Zeit Samuels, 1 Sa 8, noch nicht vorhanden, ſondern
ſcheint (1 Sa 10,25) von dieſem gejehrieben (vgl. P. Kleinert, Das Deuteronomium und
dir Teuteronomifer 1872). Wir werden fo darauf geführt, daß nicht nur mündliche
ww Überlieferung aus mofaifcher Zeit Später zur Aufzeichnung und jegigen Redaktion ge:
z
x
5
⸗
Mofe 501
langte, fondern aud) —— Gottesmänner, die im Geiſte des Herrn Geſetze ver:
fündeten, diefelben dem Geſetzbuch Moſes, da es fein anderes gab, einverleibten, jo daß
fie fortan unter deſſen Namen figurierten. Allein der Grunditod der pentateuchifchen
Thora ift nichtsdeſtoweniger moſaiſch. Wir rechnen dahin vor allem den Dekalog (f. d.
A. Bd IV, 559) d. b. die zehn Hauptmworte in einfachiter Geftalt (Kittel, Gefch. I, 221).
Der Dekalog ftebt aber an der Spite des „Bundesbuches“, welches in mander Hinficht
befonders altertümlich und nad) bemtelben Zahlenfchema gebildet if. Vgl. über letzteres,
was auf Moſes Anordnung, vielleiht auf ägyptiſche Gewohnheit zurüdmweist, Bertheau,
Die fteben Gruppen moſaiſcher Gefeße in den mittleren Büchern des Pentateuchs, 1840;
Rothitein, Das Bundesbuch, 1888; Kloftermann, Gefchichte, ©. 57 ff.; Bäntfch, Bundes: 10
buch, 1892. Das Bundesbuch wird gegenwärtig ziemlich allgemein als der ältefte Teil
der Thora anerkannt. Mit ihm ſtimmt in vielen Etüden das Deuteronomium näher
überein als der Reit der in Exodus, Leviticus, Numeri enthaltenen Geſetze. Wir zweifeln
nicht daran, daß die mofaische Überlieferung eine paränetifche Wiederholung des Geſetzes
im Gefilde Moab3 erzählte, wenn wir auch das Deuteronomium, wie es jetzt vorliegt,
aus jpäterer * ableiten müſſen. Im Geiſt und in den Gedanken geht auch dieſe
ora über Moſe nicht hinaus. Die noch übrige elohiſtiſche Geſetzgebung, welche mehr
prieſterlichen als prophetiſchen Charakter trägt, mag nach neuerer Annahme ſpät redigiert
worden ſein, — ſie enthält doch ihrem Hauptbeſtande nach moſaiſches Recht. Gerade hier
erſcheinen Beſtimmungen von höchſter Altertümlichkeit. Die Behauptung, in der den 20
Propheten als moſaiſch bekannten Thora können keine Opferordnungen und kultiſchen Geſetze
geſtanden haben, beruht auf irriger Auffaſſung der prophetiſchen Polemik. Selbſt Reuß (Geſch.
I, 80) geſteht zu: „Ihm (Moſe) gehört zweifelsohne die Regel und Ordnung des Gottes-
dienftes, wie fie nachmals in Israel beitand, wenigſtens ihren Grundzügen nach.“ Wir glauben,
befonnene Kritit wird zu dem Ergebnis zurüdfehren, daß auch die Geftaltung des Kultus, 25
mie fie in den mittleren Büchern des Pentateuchs gegeben wird, auf Moſe fich zurüd-
Er hat die Bundeslade in ihrem heiligen Zelt geftiftet, den Stamm Levi als
Priefterftamm eingejeßt, doc mit Auszeichnung einer Familie diefeg Stammes, nämlich)
des Haufes Aaron, und die Art der Anbetung, beziehungsweiſe des Opfers im weſent—
lichen feltgejegt, wobei ja manches durch mündliche und flüffige Überlieferung fortgepflanzt so
werden fonnte. Siehe die A. „Bundeslade” Bd III, ©. 553, „Stiftshütte”, Levi“
— ©. 417 ff, „Opfer“. In Bezug auf die Quellenfrage verweiſen wir auf den A.
ateu “u
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Aber auch ald Anfänger der israelitifchen Gejchichtsfchreibung wird Mofe von der
Überlieferung gewiß nicht ohne Grund bezeichnet. Zwar kann die gefamte Erzählung 5
feines Lebens und Wirken, mie fie im Pentateuch vorliegt, nicht von ihm jein. Au
von der Geſetzgebung wird nur zum kleineren Teil ausdrüdlid gejagt, Moſe habe fie
aufgezeichnet (fo vom Bundesbud Er 24, 3f.; fpeziell vom Dekalog Er 34, 27 und von
ber Thora des Deuteronomiums 31,9, mo «8 cum grano salis zu verſtehen ilt);
vollends als hiſtoriſche Aufzeichnungen Mofes werden nur die Amalekiterſchlacht Er 17,14 40
und das Stafionenberjeihnis Nu 33, 2 ausbrüdlih nambaft gemacht. Allein gerade
folche altertümlihe Stüde wie das letztere fprechen dafür, daß Dofe auch Gefchichtliches
—— zumal wir außer dem Lied am Meer auch Nu 21 drei Lieder finden, deren
Herkunft aus diefer Zeit fidy nicht beitreiten läßt. Die Vorftellung, daß fchriftliche Auf-
zeichnungen in den Vorländern Agyptens überhaupt in diefer Zeit noch etwas fehr 43
feitenes müßten geweſen fein, tft Durch die Tafeln von Tell el Amarna widerlegt. —
Von der Kritit Hart angefochten, aber fchmwerlich ohne Grund dem Mofe zugeichrieben
e des Segen? Mofes, Tt 33 (fiehe darüber K. H. Graf, Der Segen
ſes, 1857, und Wilh. Vold, Der Segen Mofes, 1873), deilen Eingang V. 1—5
(fiebe bei. V. 4) eine oma and zeigt, vor der auch die Sprüche zuſammengeordnet 50
find ; ebenſo das Lied Mofes (Dt 32), den Schwanengefang des greifen Wolfsführers,
worin er, der fein Volk fo gut fannte wie feinen Gott, dag prophetifche Programm der
Geſchichte desjelben aufgeitellt hat. Dieſes Lied berührt fih auch ſprachlich und fachlich
unvertennbat mit Pialnı 90, der nad der Tradition ala „Gebet Moſes, des Mannes
Gofteg” bezeichnet ift und auch an Er 15 Anklänge aufweift. Del. zum Lied Moſes 55
Guil. Volck, Mosis canticum cygneum, 1861; W. 9. 9. Kamphaufen, Das Lied
Mofes; 1862; Delitzſchs Pſalmenkommentar zu Pfalm 90; Kloftermann, Der Pentateuch
(1893), S. 223 ff.
Als Mittler des alten Bundes nimmt Mofe auch im NT eine einzigartige Stellung
ein, nicht nur als oberfte Autorität der Juden, zumal der gefegesitrengen Phariſäer (vgl. co
502 Moſe a
Geiſte; Ga 3,19 das dur enfchliche Wermittelung gegebene
u nun © re ig J
15 Mofes Choronenfis j. d. N. Armenien Bb II ©. 71,6ff.
Mos N} ann $ Loren bon, 1755. — Litteratur: Berzeichnifie feiner
Sarnen en rg bit Notitia , 8* t dissertationum a Moshemio auspieiis
‚ Helmjtädt 1731. in ie —— feiner ————
—— ‚1764, von 3. 2 — und hieraus in J. M.
20 ‚coll. et ed N. Eyring, praef. est Klotz, I, Halle 17 ————
in Nicerons Harder von Gelehrten Bd 23 ©. 476-496. Meufel, Leriton der
1750—1800 geftorbenen Scriftiteller Bd 9 ©. 348— 364, vgl. ©. 179—183. —
eines Lebens und Wirlens von Gesner und Jani 11. ce. bei. — von fr. Lücke, Narratio
Moshemio, ®ött. 1837 (die von Lücke nach S. 7 beab en sführliche deutiche Schilde:
36 rung Ms it nicht chiene en); vgl. b E —2 Ban la „Litt. —* 1837 &:420— 43.
20. 3. Tan, 1 Bon ne Beit, Yassig LT et
t ne Heit, Auszüge - 1
——— nn Kim der a, 1851 &. 128 1;
| Bi der Univerfität Göttingen, Bött. 1 S. 20. 27 x
30 * uchter in Göttinger jan 1872, &.1 — — — han r nod
eo
| n u: * ect) — win nd daielbnt @ oe
— — Enden ©, det 622. 036, be * I Dale
Pa —
—8 ſelbfi. er In
Icheint - Snterefie für di
en bon einigen Vorurteilen in itſch u ;
— Lübeck 1716. Bereits gefeiert hr en wich er 1718 Mi a |
Aſſeſſor in der philoſophiſchen Fakultät. In lebendiger Fühlung mit den Bedürfnifie
der Zeit zeigt ibn feine kirchenhiſtoriſche Arbeit: Vindiciae antiquae Christianorum
65 linae gegen Tolands Nazarenus, Kiel 1720, Ebenſo find. bezeichnend
mübungen um Beflerung des wifjenjchaftlichen Betriebs in der Abhandlung (1720) De
eo quod iustum est circa sacrarum litterarum ex graeeis et latinis. scripto-
ribus interpretationem et emendationem und in der ihrem Mieberabdrud in ben Ob-
servationes sacrae et historico-eriticae (1721) I beigefügten De eo quod nimium
so est in studiis linguarum et ceritices. Er polemifiert bier gegen ein das wirkliche
Mosheim 503
Berftändnig der Schrift nicht förderndes Heranziehen von überflüffigem gelehrtem philo-
logiſchen Material und Erörtern von nebenfächlichen ragen. Ebenfo fordert er in feinen
Cogitationes de studio litterario (Miscell. Lips. Bd VI, 63 ff.), daß die Litterärgeichichte
nicht Notizen über Gelehrte und ihre Schriften biete, jondern eine Gefchichte der Willen:
ſchaften ſei. Statt gelehrter Bielmifjerei mill er eindringende Erfenntnis. Andererſeits teilt
er mit feinem großen Vorbild Leibnig die Allfeitigfeit des Intereſſes, und feine philo-
logische Schulung befähigte ihn, allen Problemen in einem klaren und eleganten Latein
erecht zu werden. Er tft gleichzeitig einer der beiten lateinifchen Stiliften und der ge-
Feiertite beutfche Profaift feiner Zeit. Noch in Kiel war er beteiligt an der Übertragung
eines Werkes über die Altertümer italifcher und ſiciliſcher Städte ins Lateinifche und über: 10
jeßte er die drei Bücher des Ubertus Yolieta über den Nugen und die Vorzüge der la:
teinischen Sprache. Vornehmlich feiner Beichäftigung mit der ausländischen Litteratur
verdankt er jene Weite des Blickes, die ihn befäbigte, die theologiſche Willenfchaft, ins⸗
befondere die firchengefchichtliche Forſchung meiterzuführen. Er war „tein fchöpferifcher
Geift, aber ein eminent receptives und produktives Talent”, und veritand es, die ver: 16
jchtedenartigften Anregungen in fich aufzunehmen „und eben darum wieder nad allen
Seiten fürdernd und anregend” zu wirken (Ragenmann ©.397). Eine Empfindung für
dieſe jeine Bedeutung veranlaßte 1723 — feine beabfichtigte Beitätigung zum Trofeflor
der Philoſophie in Kiel hatte fich verzögert, und eben wollte er die Stelle eınes dänischen
Gejandtichaftsprevigers in Wien antreten — troß der Bedenken des hannoverfchen Hofes 20
gegen M.s Jugend feine Berufung als Profeſſor der Theologie nach Helmftäbt. Anderer:
ſeits verurfachte offenbar feine neue wiſſenſchaftliche Art jene Klagen feiner Helmjtädter
Kollegen über feine „gar zu große und mit Verachtung aller Gelehrten verfnüpfte Prä-
fumtion von jeiner Geihiklichteit” (Hall. Litt. Zeit. 1. c.). Aber die Gunit des braun:
jchmweigifchen Hofes ward ihm im vollen Umfang. Schon 1726 wurde er Abt von Ma:
rientbal, 1727 von Michaeljtein, ſeit 1729 überlam er die Leitung aller Schulfachen und
enticheidenden Einfluß auf das ganze Kirchenmwejen. Dagegen mußte er 1726 einen Revers
unterzeichnen, obne —— der Negierung Helmftädt nicht zu verlaflen. M. hat früher
und }päter eine Reihe von Berufungen abgelehnt, befonders aber twurde jene Zufage von
Bedeutung, ald er für das neu zu gründende Göttingen gewonnen werben ſollte. Bei so
biefer Neugründung war ein Hauptanliegen, die anderen Fakultäten, namentlich die philo:
fopbifche, der Beeinfluffung von jeiten der theologifchen zu entziehen. Da galt es an die
Spige der theologischen Fakultät einen Mann zu ftellen nicht nur von millenjchaftlichem
Auf, fondern aud von ausgeiprochener Friedfertigkeit und „Moderation“. Er jollte „weder
em Pietift noch gar zu orthdodor” fein (M. bei Danzel ©. 178; vgl. auch Rößler S. 37), 36
doch auch fein Wolfianer. Alles was man fuchte, traf vollftändig nur bei M. zu, der
gelegentlich mit Necht von fich fagen fonnte: Ego ut in omnibus fere rebus....
auream mediocritatem sequor (an Gesner ©. 148). Seine Berufung mard daher
bon vornherein erwartet (vgl. Gesner an M. ©. 108: man wiſſe ja, ubi M. sit, ibi
esse academiam). ar jein Kommen dennoch durd jenen Revers zunächit unmöglich, 40
da man ihn mit Recht für in Helmftädt unentbehrlich hielt, fo ward er dod Münch:
ſens nicht nur theologifcher Berater. Er hat die Statuten der Göttinger theologifchen
tät entworfen und an deren Beſetzung mitgewirkt, hat Denkichriften verfaßt über
die zweckmäßige Einrichtung der Univerktät über eine Stipendiatenordnung, über eine
„gelehrte Gejellichaft” d. h. eine Pflanzſchule von jungen Gelehrten, über die Gründung «s
einer Akademie der Wiſſenſchaften (vgl. Rößler 1. c., Bonwetſch S.239 ff.) und über eine
berauszugebenbe gelehrte Zeitſchrift Roethe ©. 668 ff). An feinem Plage vermochte er
an der Helmjtädter Univerfität, von der er 1740 fchreibt: „Sie ftirbt nicht und lebet
Auf nicht recht” (Danzel ©. 182), nicht mehr zu fühlen, aber erft 1747 konnte er dem
Ruf nach Göttingen als erjter und einziger Kanzler diefer Univerfität folgen. Er war so
es doch mehr nur dem Namen nach als in Wirklichkeit, und die Überordnung eines Kanzlers
ward von der Univerjität bereits als Trud empfunden. Den Brofelloren erjchten das
Verlangen der ftudierenden Grafen nach dem Vortritt vor ihm bei den akademiſchen
Feierlichkeiten durchaus berechtigt. Münchhaufen vermittelte, und M. hielt ſich fortan von
ſolchen z5eierlichleiten fen. Aber er mar doch mitunter geneigt, wieder in den „cifter= 55
zienſiſchen Schmutz“ zurüdzufebhren, und faft wäre er gleich anfangs einem Ruf als Biſchof
von Schleswig gefolgt. Seine Yiebenswürdigkeit gewann ihm jedoch auch in Göttingen
bald die Sympathien, und im neelichaftlichen Verkehr ließ man ibm, dem nunmehr
Schwerhörigen, der gut zu erzählen verftand, gern das Wort (Gesner ©. 13). Zu der
neugegründeten gelehrten Gejellichaft der Wiſſenſchaften ftand er als Chrenmitglied nur @w
&
504 Mosheim
in einem loferen Verhältnis. Wenn er in den von ihm mitbegründeten Relationes de
novis libris nur am 1. Band mitarbeitete, jo mar dazu doch wohl nicht Verftimmung
darüber der Grund, daß von ihrer „gloriola“ zu wenig Strahlen auf fein Haupt fielen,
fondern wirklich Überlaitung mit anderer Arbeit, denn gerade in den letzten Lebensjahren
5 Ms find zahlreiche Werke von ihm vollendet tvorden. Dazu zeigten fich die Folgen
früherer Überanftrengungen. Nach fchmerzhafter Krankheit (die Schilderung feines Arztes
bei Gesner S. 15ff.) iſt er am 9. September 1755 geftorben.
M. bat fih einmal treffend jo charafterifiert: Equidem quaecunque literis con-
signavi, eo unice exaravi consilio, ut pro viribus rem sacram iuvarem lite-
10 rariam, nec superstitioni minus resisterem, quae veram una cum sana ra-
tione solidaque eruditione pietatem extinguere cupit, quam impiis eorum
studiis oceurrerem qui aut pietatem ab eruditione segregant, aut quod longe
peius est religionem corruptae rationis imperio subiiciunt. Im Gegenſatz zur
ftrengen Ortbodorie war er auf ein Zufammenmirken der Theologie und der Wiſſen⸗
15 Schaft der Zeit bedacht, bemüht um die Freiheit wiflenfchaftlicher Forfchung und allem
theologischen Eifer tief abgeneigt. Schärfer wußte er fi) vom Pietismus gejchieden durch
feine Welterfchlofjenbeit und feinen Sinn für ſchöne Form und allgemeine Intereſſen;
daher denn auch vom pietiftiicher Seite an feiner aufrichtigen Belehrung gezmeifelt wurde
(Beite S. 381). Den Wolftanern war er fchon infolge feiner gründlichen Kenntnis der
alten Philoſophie abgeneigt. Gegen die Deiften und ıhre Inthroniſierung der Vernunft
des natürlichen Menfchen ift er als einer der erjten in Deutichland aufgetreten. Partei:
mann zu fein widerſprach feiner ganzen Art, indem er als optimiftifcher Hiftorifer erkannt
batte, auf mie verichiedene Meile Nobeit überwunden und chriftliches Leben verwirklicht
werden fünne Mit gelehrten Nichttbeologen hatte er engere Fühlung und genoß bei
25 ihnen roh Fe Verehrung als bei feinen theologiſchen Fachgenoſſen (vgl. Henke in der
1. und 2. Aufl.).
Liegt M.s Bedeutung zum Teil in feiner Bielfeitigfeit, mit_ber er das ganze Gebiet
der Theologie angebaut bat, fo zeigen doch feine biftorifchen Schriften am metften den
Umfang feines Wiſſens und feinen Überblid im großen, wie die Feinheit der Beobach⸗
30 tung im einzelnen, und eine neben ber ae auch der Schönheit dienende Kunft ftets
Inapp bemefjener Zeichnung, mit gewiſſenhafter Verteilung von Licht und Schatten, unter
Vorliebe jedoch für das eritere. Er gilt mit Necht als der Vater der modernen Kirchen-
efchichte Baur ©. 118F.; Bonw. ©. 243 ff). Seine früheren firchenhiftorifchen Ab-
Panblungen bat er gefammelt in feinen Observationes sacrae et hist. criticae I, Am:
35 fterdam 1721, und al® Dissertationes ad historiam ecelesiasticam pertinentes I,
1. Aufl. 1732, 2. Aufl. 1743, Bd II 1743. Eingebende Unterfuchungen zur Religions:
und Kirchengefchichte bat er auch niedergelegt in feiner Überfegung von Ralph Ludworths
Systema intellectuale huius universi seu de veris naturae rerum originibus,
Jena 1733, die der fich ſonſt jo vornehm befcheiden äußernde Mann mit Recht als ein
4 opus incredibili labore elucubratum bezeichnen konnte (Notitia seript. S. 70). Zu:
meist ragen aus der Gefchichte der alten Kirche (3.8. über die Abfafjungszeit der Apo-
logien Tertullians und des Atbenagoras, den Einfluß des Blatonismus auf die Kirche u. ſ. w.),
aber auch aus allen anderen Gebieten der Kirchengefchichte hat er bebandelt, wie u. a.
die unter feiner Leitung verfaßte Historia Tartarorum ecelesiastica (Helmft. 1741)
35 und feine „Erzählung der neueften chinefifchen Kirchengeſchichte“ (Noftod 1748) zeigen. Wei:
teren Kreifen fuchte er die Kirchengeichichte näber zu bringen durch feine Überfegung ber
acht Bücher des Urigenes gegen Celſus (Hamburg 1745) und in feiner Daritellung der
Kegergejchichte in deutſcher Sprache, in der er die Opbiten, die Apoftelbrüber und Servet
behandelt, je ein Beispiel aus den verjchiedenen Perioden der Kirchengefchichte („Verfuch
50 einer unparteiiſchen Kegergefchichte”, Helmſt. 1746; „Anderweitiger Berhud einer voll-
ftändigen und unparteitfchen Ketzergeſchichte“, ebd. 1748; „Neue Nachrichten von dem be
rühmten fpanifchen Arzte Mich. Serveto, der zu Geneve tft verbrannt worden“, ebd. 1750).
Erſt lange nach jeinem Tod erſchien fein böchft wertvoller De beghardis et beguinabus
commentarius (1790).
5. Schon 1726 batte aber M. au, zunächſt für feine Vorlefungen, eine zuſammen⸗
faflende Darftellung der Kirchengeſchichte ausgearbeitet: Institutiones historiae ecele-
siasticae novi testaınenti; der Ausgabe von 1737 wurde 1741 von ihm auch die bie
dabin noch fehlende Gejchichte der neueren Kirche beigefügt. eine Institutiones histo-
riae christianae maiores I (Helmſt. 1739) follten ausfübrlicheres bieten, find aber
so über das erjte Jahrhundert nicht hinausgekommen. Einen gewiſſen Erſatz gewähren die
Mosheim 505
Commentarii de rebus Christianorum ante Constantinum Magnum, Helmſt. 1753,
die reifite Tirchenhiftorifche Leiftung M.s. Faſt unmittelbar vor feinem Tod erichien noch
eine Auflage feiner Inſtitutionen in weſentlich neuer Geftalt (ebd. 1755). Nur durch
den Nat anderer hat M. ſich abhalten laſſen, bei diefer Neubearbeitung die Sachordnung
durch eine rein chronologifche, allein eine „lebendige Erzählung” ermöglichende zu erfegen. 5
M.s Bedeutung als Kirchenhiftorifer beruht darauf, daß er der Kirchengejchichtichrei-
bung eine höhere Aufgabe geftellt und ihre Löfung einftlich in Angriff genommen hat.
Nicht in dogmatifchem und polemifchem Anterefje, aber auch nicht in dem des Polyhiſtors
will er Kirchengeichichte treiben, fondern um ein Verſtändnis des von der Kirche Erlebten
und dadurch der firchlihen Gegenwart zu gewinnen. Sammlungen und Unterfuchungen 10
find ihm nur Vorausſetzungen der Gefcichtedarftellung als der aus den „Urkunden und
Nachrichten“ entnommenen oder durch „vorfichtige Überlegung“ gewonnenen, jedem Ge⸗
bildeten verftänblichen Erzählung des Gefchehenen. Er fordert daher zwar zunächſt Quellen—
mäßigteit d. h. forafältige Verwertung ber „älteften, beiten und beglaubteiten Zeugen“,
womöglich der „Urquellen” felbit; daneben Unparteilichkeit, die fich von Boreingenommen= 15
beit durch Autoritäten, eigene oder Zeitmeinungen freihält. Vor allem aber mwill er eine
„pragmatifche” Gefchichtfchreibung, denn nicht um Bereicherung des Wiſſens, jondern der
Erkenntnis handele es fih. Daher ſucht M. „das Einzelne immer wieder aus dem Zu:
ſammenhang des Ganzen zu begreifen und auf die Grundanfchauung, aus welcher es
bervorgegangen, ‚urüdauführen“ (Baur ©. 128). — Dies fommt gerade audy feiner Unter: zu
ſuchung der häretifchen Anfchauungen zugute. Wenn er doch in die Behandlung der
Dogmengefchichte nicht noch fürdernder eingegriffen bat, jo trägt daran die Schuld A
latitudinarifcher dogmatifcher Standpunkt, ſowie die Eorge feine Streitigkeiten beraufzu-
beſchwören“ (Harnad, Dogmengeſch. I, 27). Auc behandelt er die Gefchichte zu jehr
wie die eines Staated. Doch liegt ihm daran, dag Werben der Kirche zu verjtehen, und 25
mit fichtlihem Geftaltungsvermögen meiß er in fnapper Faſſung und fchlichter Sprade
ihre Geſchichte darzuftellen.
Vom AT abgefehen hat M. auch für die meiften übrigen theologischen Disziplinen
Beiträge geliefert. Nur kurz vor feinem Tod hat er freilich einen neutejtamentlichen Kom:
mentar verfaßt: zu den beiden Briefen an Timotheus (Hamb. 1755); denn der Kommentar zo
zu 180 (1741) iſt aus Nachſchriften von Schülern entjtanden (ihm ward 1762, bei der
2. Ausgabe, audy eine Erklärung des 2. Briefe beigefügt). Sonst behandelte M. mehr
einzelne neutejtamentliche Stellen und Probleme (Sammlungen folcher Arbeiten find die
Cogitationes in NT selectiores ll. ?2 (Hann. 1726. 1731). Er pflegte dabei mit Zu:
rüdjtelung der Morteregefe mehr den Gedankenzufammenhang berauszuheben und, na= 35
mentlich biftorifch, zu beleuchten. Aus feinem Nachlaß hat bejonders fein Schwiegerjohn
von Windheim feine Borlefungen über theologische Encyklopädie, Dogmatik, Polemik,
Kirchenrecht und Homiletif herausgegeben. Sein umfangreichites Werk überhaupt ift feine
„Sitrenlehre der heil. Schrift”, 5 Quartbände (Helmit. 1735—53, 3. Aufl. 1742 ff.;
Bd 6—9 von Joſ. P. Miller hinzugefügt): Bd 1--4 von der „inmwendigen Heiligkeit su
der Seele, die ein Nachfolger Shit befigen muß, und mie das von Natur verborbene
Herz gebeilert und in die Gemeinjchaft Gottes gezogen werden müſſe“ (Bd 1 das menjd)-
5— erderben, 2. Buße, 3. 4. Gnadenſtand); der 2. Teil ſollte handeln von der „äußer:
liben Heiligkeit des Wandels, die das Geſetz des Herrn von einem Ehriften fordert” (vgl.
Sittenl. 1, 69), aber nur Bd 5 „von den Pflichten gegen Gott” iſt von M. felbit ediert. 5
Über die Entftehungsmeife diefes Werks bemerkt er felbit: „Der Verleger muß... . mit
der bloßen gulage fih begnügen, daß ich allgemählich ein Stud nad dem andern...
in die Druderei jchiden wolle. ch made darauf einen Abrik in meinen Gedanken und
ftelle die Dinge, die ich auszu übren gedenfe, in Ordnung ... Diefer Abriß bleibt un—
beweglich in meinem Geilte bis zum Ende des Werkes ftehen. Mein Gedächtnis iſt mir 50
in diefem Stüde fo getreu, daß es fich durch feine andere Vorftellungen etwas von dem:
jenigen nehmen läßt, mas ich ihm einmal anvertraut babe.” Nur mit ſehr viel Unter:
bredbungen durch andere Geſchäfte könne er aber feine Arbeit durchführen. Seine Ethik
jollte nur auf die Ausſprüche der Schrift, unter Beleuchtung durch die Erfahrungen des
genen Herzens, gegründet fein. Die Ausführung iſt etwas breit, in allen verftändlicher 55
deutfcher Sprache, mit „strenger, faſt bomiletifcher Dispofition jedes Paragraphen” (Henke).
Am gefeiertiten mar M. zu feiner Zeit wegen feiner Wohlredenheit als Prediger,
dgl. die Sammlungen „Heilige Reden über wichtige Wahrheiten der Lehre Jeſu Chriſti,
Bd 1—6, Hamb. 1725 FF. Letzte Ausgabe 1757 ff. Bd 7 „Heilige Reden, die bei außer:
ordentlichen Fällen und Gelegenbeiten gebalten worden find” 1743 (S. 291—372 die oo
506 Mosheim Mühlenberg
Rede bei der Trauung Friedrib d. Gr.) Auf Gründlichlett und Deutlichleit mar zu:
nächſt fein Abjehen gerichtet. Sein Grundfag war durch den Berjtand auf den Willen
zu wirken (vgl. „Anteifung erbaulich zu predigen”? ©. 115 ff.). Er ſuche die Gedanken
aus den Schalen der Worte hervorzuziehen und in ihr völliges Licht zu jehen, füge dann
5 Beweis⸗ und Bewegungsgründe hinzu und erläutere durch aus dem Sehen gegriffene Bilder,
um fo alles recht begreiflih und embringlich zu machen (Borrede zu Seil, Ned, 6, 26 ff).
Die gefünftelte Art der älteren ‘Prediger lehnte er ebenfo ab mie die debuzierende Weile
der Wolfianer (S. 41f.). Durch praktiſche Auswahl des Stoffes feiner Predigten, weit
durchgeführte Dispofition, Klarheit der Gedanken und Feinheit der Apologie mußte er
10 die — ſoweit fie nicht pietiftiich beeinflußt waren — der Kirche fremd gewordenen Ge
bildeten wieder heranzuziehen. Bei einem „Leinen Tribut an die Umjftändlichkeit feiner
Zeit” redet er gerade in feinen Predigten „einen noch für die Gegenwart weſentlich
muftergiltigen Stil” (v. Jatermip S. 365f.). Man nannte ihn den Bourbaloue und
Tillotfon Deutſchlands. Auch er entbehrt das von ihm bei letterem vermißte „Feuer“,
ıs aber feine Sorgfalt in rednerifcher Formbildung ließ ihn für die deutfche Kanzelbered
ſamkeit epochemadend werden. Dazu kam die Babe eines ausgezeichneten Vortrages. Seine
Predigten mie feine bomiletifchen Anmeifungen baben lange als Mufter fortgewirtt.
Bonwetſch.
Mozarabiſche Liturgie ſ. d. U. Meſſe Bd XII ES. 711,5.
2 Mozarabifche Perikopen ſ. d. A. Perikopen.
Mühlen bei den Hebräern ſ. d. A. Brot Bd III ©. 420,2 ff.
Mühlenberg, Heinrih Melchior, geit. 1787. — Quellen: Nahrichten von den
vereinigten deutſchen evangelifch-luth. Gemeinden in Nordamerika, abfonderli in Penniyl
vanien, Halle, im Berlag des WVaifenhaufes, 1760 — 1787. Neue Ausgabe von Mann, Schmuder
2» und Sermann, 1. Bd, 1886; Documentary History of the Ministerium of Pennsylvania,
1748— 1821, Philadelphia 1898. Publication Board of the General Council; Gelbftbiogre:
phie, 1711— 1743. Aus dem Miſſionsarchive der Franckeſchen Stiftungen zu Halle Mit Zw
fügen und Erläuterungen von Dr. ®. Germann, Allentomn Ba. 1881; &. J. Mann, Li
and Times of H. M. Mühlenberg, Philadelphia 1887; derf., H.M. Mühlenbergs Leben und
y Wirken, Bhiladelphia 1891.
Heinrich Melchior Mübhlenberg, Doktor der Theologie (University of Pennsyl-
vania), „der Patriarch der Lutheriſchen Nirche in Nordamerika”, war geboren am 11. Se:
tember 1711 zu Eimbeck, Hannover, und jtarb am 7. Cftober 1787 zu Nem-Provibence
(Trappe), Pennſylvania, etwa 27 englifche Meilen von Philadelphia. Schon 1528 batte
> fich feine Baterftadt der Reformation angejchloffen, und ihr Name findet fich 1580 unter
der Konkordienformel. Sein Geburtshaus wurde im Jahre 1826 bei einem großen Brande
zerftört. Seine Eltern waren Nikolaus Melchior M. und Anna M. Kleinfchmidt. Über
die Familie ift wenig befannt. Möglich, daß fie aus Böhmen eingewandert war und
einem vor dem breißigjäbrigen Kriege oft genannten altabeligen Gefchlechte entftammte.
0 Der Bater Starb im Jahre 1723, die Mutter 1747. In den Lateinfchulen von Eimbed
legte er den Grund zu feiner tüchtigen klaſſiſchen Bildung. Schon als Knabe zeigte er
einen frommen Zinn, dem es mit dem Wahlſpruch „Ora et Labora“ ein rechter Emft
war. Im Jahre 1735 bezog er die neu gegründete Univerfität Göttingen, mo er ım
Umgang mit frommen Kommilitonen und durch die Freundfchaft mit feinem verehrten
4 Yehrer, Dr. theol. Oporin, unter entſchieden religiöfem Einfluß ftand. In Gemeinſchaft
mit anderen gottesfürchtigen Studenten beteiligte er ſich an der Armenſchule in Göttingen,
aus der ſpäter das von der theologiſchen Fakultät verwaltete Waiſenhaus daſelbſt hervor⸗
gegangen iſt. Er trat in intimen Verkehr mit Gliedern frommer adeliger Familien, be
ſonders Graf Reuß XI. von Greiz, und kam dadurch in Beziehung zu den pietiſtiſchen
wo reifen in Halle und den dortigen Franckeſchen Stiftungen. Nachdem er im Frühjahr
1738 in Göttingen abjolviert hatte, wirkte er ein Jahr lang als Lehrer in den Francke—
fchen Anjtalten, wo bejonders Profeſſor Gotthilf Auguſt srande, der Sohn des Gründers,
einen entſchiedenen Einfluß auf jeine perjönliche Entwidelung und auf den Gang jene
jpäteren Xebens gewann. Die Väter in Halle batten die Abficht, ihn auf das indiſche
6 Mifftonsfeld, nach Bengalen, zu fenden, aber ein durch den Grafen Reuß vermittelter
Ruf brachte ihn im Sabre 1739, nachdem er in Leipzig ordiniert worden war, als Dia
fonus nad) Großhennersdorf, wo Zinzendorfs Tante, die Baronin von Gersdorf, eine
Mühlenberg 507
Verwandte des Neußfchen Haufes, das Patronatsrecht beſaß. Auf einer Reife, die er im
Jahr 1741 in Privatangelegenheiten unternahm, legte ihm Dr. Frande den Ruf an die
drei pennſylvaniſchen Gemeinden (New⸗Providence, New-Hannover und Philadelphia) vor,
der durch Dr. Ziegenhagen in London an ihn gefommen war. Es wurde ihm nicht
leicht, ſich in Großhennersdorf loszureißen, aber auf das Drängen feines väterlichen 5
Freundes Francke nahm er den Ruf vorläufig auf drei Jahre an. Im Dezember 1741
nahm er feinen Abſchied. Am 17. April 1742 traf er in Xondon ein, mo ihm bon
giegenbagen die förmliche Berufung jener pennſylvaniſchen Gemeinden eingehändigt wurde.
ch neunmöchentlihem Aufenthalt in Xondon, wo ihm der tägliche Verkehr mit
Dr. Ziegenhagen, und der Umgang mit dem gelehrten Dr. Michaelis, dem nachmaligen 10
Drientaliften in Göttingen, reichlichen Gewinn brachte, jchiffte er fih am 11. Juni 1742
nah Amerifa ein. Sein nächites Neifeziel war Georgia, wo er die in ber näbe von
Savannah, unter den Paſtoren Bolzius und Gronau, angefiedelten Salzburger Koloniften
befuchen ſollte. Die Seereife mar lange und beichwerlich, und die Neifegefellichaft, mit
Ausnahme einer Salzburger Familie, feinestvege angenehm und ſympathiſch. Nach 102 15
Tagen landete er in Charleston, Eüdlarolina, von wo ihm fein Kapitän mit einer Scha-
luppe nad) Savannah meiter fandte. Dort traf er am Abend des zweiten Oktobers ein.
Nach einer reich gejegneten Woche bei den frommen Salzburgern in Ebenezer und Um:
gegend Tehrte er über Savannah nad) Charleston zurüd und fchiffte fich dort am 12.No-
vernber auf einem offenen Einmafter nad) Philadelphia ein, mo er nad) einer äußerſt ge: zu
fahrvollen Seereife am 25. November ankam.
Ber feinem Eintritt in die neue Welt ſtand Mühlenberg im 32. Lebensjahr, in
junger aber wohl gereifter Mannestraft. Er beſaß eine treffliche klaſſiſche Bildung, ſprach
das Lateinische fließend und verftand aud in bollänbifcher und englicher Sprache zu
predigen. Seine theologifchen Kenntnifie waren gründlich und feſt im Iutberifchen Be: 25
fenntnis gemwurzelt. Die leicht=pietiftifche Tingierung, die er von Halle mitgebracht, that
feinem Yutbertum feinen Eintrag, und erwies fich als heilfames Salz in feiner paftoralen
Seelenpflege der Einzelnen. Er war eine magnetische, würdevolle Perfönlichkeit, nüchtern
im Urteil, leutfelig und gewandt im Umgang mit Hoch und Nieder, mit tüchtiger Menfchen:
kenntnis und trefflichem organifatorifchem Talent ausgeftattet. Alles zufammen höchit so
nötige Gaben für feinen ſchweren Beruf, in die veriwabrloften, chaotiſchen Zuftände der
Yutberaner in Amerika Ordnung zu bringen und für em gejundes entmwidelungsfähiges
firchliches Leben feiten Grund und Boden zu legen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts
bildete das deutiche Element die Hälfte der ftarf gemifchten weißen Bevölkerung der da-
maligen Provinz Pennſylvania. Mennoniten, Inſpirierte, Schtwendfelder, Gichtelianer 35
und andere Selten waren ſtark vertreten, ebenfo Die Neformirten. Aber weitaus die
Mehrzahl der deutichen Einwanderer waren Zutheraner. Für ihre religiöfen Bebürfniffe
war jo gut wie gar nicht geforgt. Ta und dort tauchten Bagabunden auf, die fich für
Paſtoren ausgaben, oder auch frühere Paſtoren, die in ber alten Welt eine anrüdjige
agangenheit binter jich hatten und fih nun als Hirten den Schafen aufdrängten, deren 40
Wolle fie begehrten. Sp der alte Valentin Kraft, ein in Zmeibrüden feines Amtes ent:
ſetzter Prediger, der im öftlichen Pennſylvanien einen großen Einfluß erlangt hatte. Schon
im Jahre 1733 hatten fich die drei oben genannten Gemeinden, Neu-Hannover (Falkner,
Schwamm), Neu: Brovidence (Trappe) und Philadelphia an Dr. Ziegenhagen in London
und Dr. Stande in Halle gewendet mit der dringenden Bitte um treue lutherifche Pa— 45
ftoren. Sahre lang hatten Sch die Verhandlungen bingezogen und die Geduld der ameri-
kaniſchen Lutheraner war auf eine barte Probe geftellt. Da trat nun, gerade ein Jahr
vor Mühlenbergs Ankunft, Ludwig Zinzendorf, unter dem Namen eines (Grafen von
Thürnften in Pennſylvanien auf. Betblebem, das amerifanische Herrnbut, wurde im
Jabre 1741 gegründet. Aber Zinzendorf begnügte ſich nicht damit, den beſtehenden reli= so
giöfen Denominationen dur diefe Gründung eine neue hinzuzufügen. Mit feinem Nufe
„Her zu mir, iver dem Herrn gehört” juchte er eine Art böherer Einigung aus allen
chriſtlichen Benennungen berzuftellen, d. b. von allen Gemeinschaften den Rahm abzu—
khöpfen. Beſonders aggreſſiv war er den Yutheranern gegenüber. Gr fpielte fih ale
ihr wohlbeſtallter Superintendent auf und richtete durch perfünliche Cingriffe und os
durch berrenhutifche Emiſſäre große Verwirrung in lutberifhen Gemeinden an. So ganz
befonders in Philadelphia. Mühlenberg hatte denn die ſchwierige Aufgabe, nach beiben
Seiten bin jeinen Beruf als ordentlicher lutberifcher Paltor zur Geltung zu bringen, —
jenen unwürdigen Eindringlingen gegenüber, wie fie in Balentin Kraft repräfentiert waren,
und diejem Großen im Reich Gottes gegenüber, dent natürlich in jener traurigen Zeit co
508 Mühlenberg
der
V viele Meinung zu
— Zn in Bu
) ftellten.
ung ging M. mun an feine Arbeit der „Eceelesia Plantanda“
——* ee Dr Die an den brei Gemeinden über — von
nicht weniger als 36 englifchen Meilen (etwa 45 Kilometer), war äußerft
Straßen gab es noch feine, ebenfo wenig Brüden über die re
»o Flüſſe. Roß und Neiter waren nicht ſelten in — ana
—— —— — widmete er ſich treu
and Huch * 35 und die Priher Gemeinden am i
so und die ii er in New-York, denen er zwei Sommer
Bajtor diente
utheran als
| ohl er ſich möglichſt innerhalb de —* eines Tofalen Be:
rufs zu Dan Le vermochte er fich —— Umftän Eriveiterung
* — eiſes nicht zu * der ſich ame über Tate (le Lutheraner der
nordamerifani rov
Anfang an — in ee Korrefponden; mit den Vätern in Halle darauf
gedrungen, * ih m neue tüchtige er —— werden ſollten. Am 26. Janua
1745 kamen zu fer großen 7 a eu — hen. Aal He Nübübl in Schleswig
aus |
1
(geit. 1757) und die zivei Hat ur und J frid) Saum,
von frommen —— Schulmeiftern. Sie teilten fic Sn in die Arbeit —“
ao neue Stationen und Filialgemeinden gründen. Schon im Juni 1745 übernahm Brumn-
holz die Pbilavelphier Gemeinde, we end M. Providence umd NeusHannover mit den
| en Filialen bediente. Dort gründete er fich jet auch pro eigenen Hausftand
un * licher reich geſegneter Ehe mit Anna Weiſer, der Tochter des berühmten —
er jun., der als Indianeragent und Dolmetſcher bei der Iregierung in
45 id tem Anfehen ſtand, Den — —— Gehilfen folgten mit ber | * — andere
weihung der a. 1743 —— St. Michaelistirche in N Whilabelgbin am 14. Auguf
1748. Am folgenden Tage wurde ber Kandidat Kurz yore Predigtamte ordiniert — Di
erſte ſynodale Ordination in der lutheriſchen Kirche Nordamerikas. Die Abgeordnete
55 ber Gemeinden berichteten über den Zuſtand berfelbent. Die Parochialſchulen wurden
rünblich beiprochen und die liturgiſche Gottesbienftordnung feftgeitellt mit dem Ber
fänbnis, daß die Paftoren an diefelbe gebunden fein jollten. Bis zum Jahre 1786 war
— aber nur im Manuſtript vorhanden. Die Schweden, die überhaupt M.s |
auf alle Weife gefördert hatten, beteiligten fi an der Eröffnun — durch
o Probſt Sandin. Und in ſpäteren Jahren hatte M. an dem trefflichen Fehtvedifchen Mrobft
Mühlenberg 509
Karl Magnus Mrangel de Saga einen innigen perfönlichen Freund, und in allen kirch—
lichen Fragen und Schwierigkeiten einen weiſen und zuverläffigen Ratgeber.
m Herbit 1761 hielt es M. für feine Pflicht, nad) Philadelphia überzufiedeln, wo
die fchwierigen Zustände der Gemeinde feine perfünliche Gegenwart nötig machten. Brunn:
bolz war nämlich im Juni 1757 geftorben, und im November wurde Handſchuh, früher 5
in Germantown, zu jenem Nachfolger beftellt, ein mohlmeinender, eifriger Mann, aber
viel zu jehr —— und ohne die praktiſche Weisheit und Nüchternheit, Feſtigkeit
und Selbſtſtändigkeit, wie ſie für den Paſtor der Gemeinde unumgänglich nötig waren.
Die Oberleitung der Gemeinde, die bis dahin keine förmliche Konſtitution hatte, lag in
den Händen des Kollegiums der Alteſten und Vorſteher, die auf Lebenszeit erwählt waren 10
und ſich im Fall einer Stellenerledigung durch Kooptation ergänzten. Die Gemeinde
ſelbſt war jo von der Leitung ihrer Angelegenheiten faſt ganz ausgeſchloſſen, mas viel:
fachen Grund zur Unzufriedenheit gab, bejonders in Sacen der yinanzvermwaltung,
Schulbau, Rirdenbau und Schuldenbelaftung. Handſchuh ftellte fi) in allen Fragen
unbedingt auf feiten feiner Alteiten und verdarb es dadurch mit den übrigen Gemeinde-
gliedern. Es trat allmählich eine Spannung ein zmifchen ihm und der Mehrzahl der
Gemeindeglieder, und fchlieglich auch zwifchen ihm und M., defien Hat er nicht gelten
ließ. Da eine beträchtliche Anzahl der Unzufriedenen aus Württembergern beitand, kam
der Hannoveraner Mühlenberg damals zu den jeltjamen Epithet „der Schwabenpfarrer”.
wiederholten Befuchen, die M. im März, April und Mai 1761 in Philadelphia 20
machte, um die Eintracht in der Gemeinde wiederherzuftellen, gab er endlich, im Auguft
1761, der einftimmigen Bitte der Gemeinde nad, als erjter Pfarrer wieder feinen Wohn-
unter ihnen zu nehmen. Am 29. Oftober traf er mit Weib und Kind in Philadel-
pbia ein. Ein Jahr nachher legte er der Gemeinde den in Gemeinſchaft mit Propjt
Wrangel und Paltor Handſchuh ausgearbeiteten Entwurf einer Gemeindeordnung vor, die 236
in er Zeit von etwa 500 Familienvätern unterzeichnet wurde. Sie fteht in allen
mwefentlihen Punkten bis zum heutigen Tage in Kraft und bat vielen lutheriſchen Ge-
menden in Penniylvanien und meiterhin als Mujter gedient. Der Kirchenrat, zu dein
die Paſtoren ex officio gehören, hat nach diefer Ordnung die Leitung der Gemeinde:
angelegenbeiten und tft vor dem Geſetz die „Korporation”, die die Gemeinde vertritt. so
Aber die Glieder desfelben werden regelmäßig von der Gemeinde erwählt. Durh M.s
Rückkehr und die Annahme diefer Gemeindeordnung wurde allmählig der Friede und das
Vertrauen wieder hergeftellt, und die Gemeinde fühlte ſich frarf genug, a. 1766 zum Bau
einer zweiten Kirche, ganz nahe bei der St. Michaelisfirche, zu fchreiten, der Zionskirche,
die über 2000 Menſchen faßte und lange Zeit für das größte und fchönfte Gotteshaus 36
- m Nordamerifa galt. In ihre wurde nad Waſhingtons Tode a. 1799 vom Kongreß der
Bereinigten Staaten, deren Hauptſtadt PVhiladelphia damals war, die Gedächtnisfeier für
den eriten Präfidenten der Republik gehalten. Leider geben in den fiebziger Jahren des
19. Jahrhunderts die beiden hiftorischen Kirchen, St. Michaelis und Zions, dem mach:
fenden Geichäftstrieb der Großſtadt weichen müſſen. Fabriken und hanbelöhäufer haben 40
ihre Stelle eingenomntn. 15 Jahre verblieb nun M. inmitten der Philadelphiagemeinde.
im Ausbruch des Unabhängigfeitsfrieges, a. 1776 zog er fich wieder nach Providence
zurüd. Aber erft 1779 wurde feine fürmliche Nefignation von der Philadelphiagemeinde
angenommen, mit dankbarer und ehrender Anerkennung feiner eminenten Verdienſte.
Im Anfang der jiebziger Jahre hatte er noch einmal die weite und befchmwerliche 46
Reiſe zu den Salzburger Koloniften in Ebenezer, Georgia, unternommen. Dort waren
oifhen den Paſtoren Rabenhorſt und Triebner Schwierigkeiten ausgebrochen und Dr. ‘Job.
ug. Urlöberger, der nach dem Tode feines Vaters Samuel Urleberger (1772) die Leitung
der Salzburger Kolonien übernommen hatte, erfuchte und bevollmädtigte M. als Unpar-
teiifcher Die Sache zu ſchlichten. Auch von Dr. Ziegenhagen in Yondon wurde dieſes 60
Anfuchen unterftüst. Am 27. Auguft 1774 fchiffte ſich M. mit Frau und Tochter nad)
Charlefton ein. In den Halleſchen Nachrichten bat er nur vorübergehend diefer Reife ge:
dacht, wahrjcheinlich weil er die Freunde der Sache in Deutfchland nicht durch jene Mip-
belligfeiten beunruhigen wollte. In feinen Tagebüchern bat er aber jchr ausführlich
darüber berichtet. Am 8. September traf er in Charleston ein und war während feines 65
Aufenthalts dafelbjt der Gemeinde in Charleston und den Yutberanern in Eüdlarolina
mit Rat und That von großem Nuten und Segen. Am 26. Oftober wurde die Reife
nah Savannah fortgefegt, wo er von dem Teformierten Paſtor Dr. Joachim Zübly
freundlichft aufgenommen wurde. Bis zum Februar war er dann in Ebenezer und Um:
gegend beichäftigt, die Streitpunkte zu unterfuchen, den Frieden berzuftellen und die Ge— 60
fur
6
510 Mühlenberg
minder sur Annabme einer Ronftitution zu beivegen, eine Arbeit, Die er felbit als em
wabres Marwrium“ bejchreibt. Er mußte fidh überzeugen, daß Rabenhorſt Triebner
gegenüber weſentlich im Rechte ſei. Letzterer wurde dann auch jpäter von der Gemeine
jelbit abgeſezt. Am 17. Februar ſchifften ſich die Reiſenden wieder nach Philadelphia
ein, as fie nach viner ſtürmiſchen Seereije am 6. März erreichten.
Das legte Nabrzebnt feines vebens brachte M. in der Stille feiner Landgemeinden
zu, Die er noch nach Kräften mit Wort und Saframent bediente, was ihm aber bei zu:
nebnender Schtverbörigfeit immer befehmwerlicher wurde. In Diefer Zeit arbeitete er ben
Entwurf au dent älteften Pennſylvaniſchen Geſangbuch (1786) aus, das beute noch das
to Muplenbergſche heißt und das, obwohl etwas ſtark unter dem Einfluß des Hallenſiſchen
Geiſteo Stebend, das beite Geſangbuch im Oſten Amerikas war, bis es (1877) durch das
treffliche Kirchenbuch des Generalkonzils erſetzt wurde.
„Mühlenberg bat die Laſt einer Ecclesia nicht plantata, ſondern plantanda unter
den dructenditen Rerbältniffen getragen. Außer der Serfuhrenbeit der Juftände, der Ber:
wilderung der Yeute, der Schtwierigfeit, Die verſchiedenen Elemente, aus allerlei Gegenden
div Wuterlandes bier zufammengewwürfelt, einer ungewohnten Freiheit genießend, in kirch⸗
liche Sucht und Ordnung zu bringen, außer dem Mangel jeglicher Hilfe des Brachium
naoeulare, war noch die Bosheit und der Widerftand fleifchlich geſinnter Paſtoren, die,
wo ſie nur konnten der Arbeit M.s entgegenwirkten und beſonders anfangs der fünfziger
vJahre in mehreren Gemeinden Rebellion gegen beijere Ordnung ftifteten, in aller Geduld
und Weisheit zu überwinden. Und auch aus dem eigenen Lager erwuchs ibm, befonders
in den erſten Jahrzehnten, durch die Taktlofigkeit einzelner Synodalen nicht wenig Ver:
druß. Sie alle miteinander überragte er an Mannhaftigfeit, organifatorifchem Talent,
paſtoraler Weisheit, eigentümlicher Predigtgabe, Hediegenheit des Charakters, Bedeutung
1 Dev ganze Perfönlichkeit bei weitem . ... Bei aller religiöfen Märme und praftifcher
Katholizität trug M. den Belenntnisjchriften und der ganzen Eigentümlichkeit des Lutber⸗
tun im Synodalweſen, in Gemeindeordnungen, in allen Tonftitutiven Alten ſtets gehörige
Rechnung. Hervortretenden Anträgen, die lutheriſchen Gemeinden in näbere Verbindung
mit der aͤngutaniſchen Kirche — Ecelesia lutherizans — bringen zu wollen, wich er
nt gutem Bedachte aus, mie er überhaupt bei aller Weitherzigkeit im perfönlichen Um:
Jung win entſchiedener Gegner eines erkünſtelten, innerlich unwahren Unionismus mar”.
(Br. W.d. Mann, Lutheriſche Kirche in Nordamerika. Art. in der 2. Aufl. der PRE
wm XVII S. 197 ff)
Am Zonntag Morgen, den 7. Oktober 1788, ging er zur ewigen Nube ein, mit
. Yin Werbardts Vers auf den Yippen „Mac End, o Herr, mach Ende an aller unfrer
Rei ꝛc.“. Die Philadelphiagemeinde wollte feine Yeiche unter der Nanzel der Zione
kirche beſtatiet haben, aber die Familie entſchied ſich für den Gottesacker bei der Auguſtus⸗
tuche in New— Hrovidence, die heute noch unverändert ſteht. Dort wurde er am 10.08
tober beerdigt. Gedächtnisreden wurden in Philadelphia von Dr. Helmuth, in New-Vorl
wovon Dr. Kunze gehalten, die beide im Druck erfchienen. Auf feinem Grabftein fteben
tie trelfenden, propbetifden Worte:
Qualis et quantus fuerit
Non ignorabunt sine lapide
Futura saecula.
w Noch beute jtebt die Familie Mühlenberg, zahlreich verzweigt, in hoher Achtung und
It ihre Wertreter in der Kirche, an bohen wiſſenſchaftlichen Anjtalten und in verſchie
win Kreiſen des geſellſchaftlichen und gejchäftlichen Lebens. Yon Ms Söhnen fint
beſonders drei hervorragend geworden, die er in Halle erzieben ließ und fürs Prebigtamt
veſtimmt hatte. Joh. Peter Gabriel, geboren 17 16, orbintert im Jahr 1768, Paſtor in
„Nero Jerſey, und jpäter in Woodftod, Virginia. Für den Dienft in Virginia mußte er
Wil a. 1772 von dem Biſchof von Yondon die anglifanifche Weihe geben laſſen. Im
uns 1776 vertauſchte er den Prieſterrock mit der Uniform, zog an der Spitze eines
Neginento in den Kampf gegen England, ftteg zum General in der amerilanischen Arme
uf, und erwarb ſich Waſhingtons bleibende Freundſchaft. Nach dem Krieg wurde er
w Hl egnihbieriteut von Pennfplvanien, Kongregmitglied und Senator. Gr ftarb in Phila⸗
wipbia I. Cftober 1807.
Feer zweite Sohn war Friedrich Auguſt Ronrad, geboren 1750, ordiniert a. 1770,
Paſtor der Ghriftusfirche in New-York, Gründer des New⸗ Hork Miniſteriums Später
al er in den Staatsdienjt über, wurde Kongreßmitglied, Präfident der Legislatur von
. Pennſplvanien, Präſident der Konvention, die Die Konftitution der Vereinigten Staaten
Mühlenberg Mühlhänfer 511
ratifizierte. Auch dem erften und dritten Kongreß präfivierte er als Speaker. Gr ſtarb
in Lancaſter a. 1801.
Der jüngite Sohn, Gotthilf Heinrich Ernſt, geboren 1753, ift der einzige, der beim
Predigtamte blieb. Er wurde a. 1770 ordiniert, affiftierte feinem Vater, wurde a. 1774
dritter Baltor der Philadelphingemeinde Von 1780 bi8 1815 war er Paftor der Trini- 5
tatisfirche zu Lancajter, Penna. In weiteren miflenjchaftlichen Kreiſen hat er ſich als
hervorragender Botaniker einen Namen gemadt. Adolph Späth.
Mählhäußer, D. Karl Auguft, geft. 1881. — Joh. Reinmuth, Karl Aug. Mühl:
häußer, Heilbronn 1882 (Beitfragen des chriftl. Voltsleben® Bd VIII, 9. 1 u. 2).
Geboren am 26. Februar 1825 zu Kleinfems in Baden, erhielt M. den eriten 10
wiſſenſchaftlichen Unterricht von jeinem 1848 als Dekan in Bretten veritorbenen trefflichen
Bater. Später befuchte er dad Gymnaſium und nad) deſſen Abfolvierung vom Herbſte
1843 an die Unwerfität zu Heidelberg, wo bejonders Nich. Rothe auf ihn Einfluß ge-
mann. Wenn M. im Jahre 1878 Rothes praftiihe Erklärung des erſten Johannes—
briefes berausgab, jo mollte er damit, mie er erklärte, der Dankbarkeit gegen feinen 15
bochverehrten Lehrer öffentlich Ausprud geben. Nachdem er im Frühjahre 1847 die
theologifche Prüfung mit Auszeichnung bejtanden batte, war er zuerit als Vikar in Eppel-
beim und dann als Stadtvikar in Karlsruhe thätig, wo er, feit 1851 unter dem Titel
eines Hof: und Stadtdialonus, eine gejegnete Wirkſamkeit entfaltet. 1854 folgte M.
einem Rufe ald Pfarrer nad Sulzfeld und gewann in bdiefer damals an zahlreichen 20
echäben franfenden Landgemeinde durch treue Seelforge bald die Herzen feiner Pfarr:
2
w
Schon als Student war M. in nähere Beziehungen zu Karl Ullmann getreten,
welcher Tpäter auf der von ihm ins Leben gerufenen Durlacher Konferenz und von 1853
an als Prälat Gelegenheit hatte, M.s hervorragende Begabung und reiche Arbeitskraft 3
fennen und jchägen zu lernen. Ullmann war es auch, der im Februar 1857 die Be:
rufung des jungen Pfarrers in den Oberfirchenrat, zunächſt ala Aſſeſſor, erwirkte. Raſch
arbeitete ſich M. in jeine neue ausgedehnte Thätigfeit ein und führte namentlich das ihm
übertragene Neferat über das Volfsichulmefen bis zum fahre 1862, in melchem deſſen
Leitung an den Oberſchulrat überging, mit Serechtigteit Wohlwollen und aud von vielen 30
Lehrern anerfannter Sachkenntnis. Bald nah M.s Eintritt in den Oberfirchenrat famen
für Denfelben jchwere Zeiten. Die 1855 zum erftenmal feit zwölf Jahren berufene
Generalfynode hatte den von Ullmann bearbeiteten neuen Rateciemus und eine neue
biblifche Geſchichte einjtimmig angenommen und, wenn auch nicht ohne Widerfprucdh, ihre
Zuftimmung zu einer neuen Formulierung des Belenntnisjtandes erteilt, durch welche die 35
Augsburger Konfeflion, der lutherifche und der Heidelberger Katechismus „in ihrer über:
einftimmenden Bezeugung der Grundlebren heiliger Schrift” als Befenntnifje der badifchen
Landeskirche anerfannt wurden. Die ebenfall$ angenommene neue Gottesdienſtordnung
war nur deshalb noch nicht eingeführt worden, weil die Synode in dem neuen Kirchen:
buche auch die Neben: und Kafualgottesdienfte geregelt wiſſen mollte, welche in den 1855 40
vorgelegten Entwurfe nicht berüdfichtigt worden waren. Die Diöceſanſynoden des Jahres
1857 drängten auf baldige Ingebrauchnahme der vervollitändigten neuen Agende, welche
dann 1858 genehmigt wurde. Mäbrend aber bis dahin eine Oppofition dagegen kaum
laut geworden war, erbob ſich nunmehr ein mit allen Mitteln politifcher Agitation ge:
leifteter Widerftand, der in Verbindung mit dem von denfelben Männern geleiteten Kampfe 45
gegen das, allerdings jeden Evangelifchen zum Widerſpruch herausfordernde, Konkordat
bon 1859 jchlieplich zum Eturze der badischen Regierung führte. Die neue Gottesdienft-
ordnung ſelbſt wurde zwar nicht befeitigt, aber das Minifterium der „neuen Ara“ mit
Dr. Lamey an der Spige, welches der Oppofition entgegenfommen mollte, begehrte mit
Entſchiedenheit die Berufung eines gemäßigt liberalen Mannes, des fpäteren Vrälaten vo
Doll, in das Kirchenregiment, aus dem dafür der pofitive Oberfirchenrat Seins ausfcheiden
follte. Als es Ullmann nicht gelang, das zu verhindern, gaben er und Oberfirchenrat
D. Bähr ihre Entlafjung, welde ihnen Ende 1860 auch bewilligt wurde. Ullmann wurde
durch Holgmann, Bähr durch Doll erſetzt. M. aber, obwohl er im übrigen auf Ull:
manns Seite ftand, bielt es für Pflicht, auf feinem Poſten auszubarren, jo lange das 55
Bekenntnis der Kirche nicht angetaftet werde. Noch faft vier Jahre blieb er, feit Anfang
1861 als Iberkirchenrat, ein angejebenes Mitglied der Kirchenbehörde, in welcher er noch
manchen beiljamen Einfluß üben konnte. An der 1861 eingeführten neuen Kirchenver:
faſſung erfannte er an, daß fie die Rirchenglieder zur Zelbftbeteiligung beranziehe, be:
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ERTIEN Rebe in und auperbalb der Synode einen fo tiefen Eindrud, daß wie es
Wüblbänker
zer: one Zeibiritandiafeit der Nirche durch fte nur
„meSon on. Wesndere mißbilligte er, daß die
OS TAT” — —— 3 Zeiitlichen und die welilichen nur
— rar mer um un begehrte Die Wabl beider durch
on Orr wmmzirnode, su deren Mitglied er von dem
8 or To Viden für ſeinen Zıianteunft ein und enthielt
. S-2..z. zıpı Musmdrang, Ichließlih Der Abitimmung, weil er
So. Neon, Seren, nicht aber wichtigen Errzselbeiten in berielben
00a. Zen uns und parlamentarich cttdres Auftreten auf
2 euer Anerfennung ab.
=. ni nenn Ws Stellung in Dem Oberkirchezrate nicht baltbar.
-, Ita me Anvelben ausjcbied, um das Amı vines Hofpredigers
np Nut ungen Lie. Sausratb erjeßt werden ſollte, glaubte M.
ad Zemerogen nicht in demſelben Kollegium ‚uiammentvirten zu
un, ee Eutlaſſung aus Dem berfirchenrate su nehmen und in
eo na Pifarrers zurückzutreten, mußte jedoch zunächit im Amte
pi Sb sum Pfarrer in Wilferdingen, einer zwiſchen Karlörube
rd ‚ufadden Landgemeinde, gewählt wurde. Einen inzmifchen durch
own dr ergangenen Huf nach Südafrika, um dort Die von der
rundreien, nun zur Zelbitftändigfeit reifen, Gemeinden zu organi:
‚Im 22. November 1864 309 er ın Wilferdingen auf. Nang und
Soretssiiine wurden ihm belaſſen. Bis dahin hatte er in der Mirchen:
0.2 Tri Abalten und in manchen ragen jeiner von der Mebrbeit
a uni „tichieden Ausdruck gegeben. Das geichab beſonders bei dem am
20. einfangen Zißung des Überfirchenrats und des Generalſynodal⸗
nes ADEIENDEN Bejcheide auf den Proteft von 119 badiſchen Geilt-
are obarakterbild Jeſu und deſſen Stellung ale Direftor des Heidel⸗
rt sehampfte denjelben als unverträglich mit dem Weſen der Kirche
zw vadiſche Yandesfirdhe. Nach den in dem Beſcheide aufgeltellten
Teornorm in Der Kirche überbaupt nicht mehr nötig und eine Kebr:
ht, Die ganze geſchichtliche Entwidelung der Nirche werde bamit
un Jemeinſame Baſis Des Glaubens ibr abgefprochen. (Vgl. M.s Votum
vs Nemmutb 2.32. und fee Nede in der Durlacher Ronferenz am
ln
unsih wieder zum ſchlichten Yandpfarrer geivorden, erfüllte M. bis zu
0 Namb fein Amt ihm auferlegten Brlichten mit gemiffenbafter Treue.
suis Predigten an Sonn- und Feſttagen, die er alle niederichrieb, fondern
a vin in der Woche gebaltenen Bibeljtunden bereitete er ſich forgfältig
ad That Sand M. in allen Yebenslagen feinen Semeindegliebern zur
buen bewieſene Yiebe durch dankbare Anhänglichkeit vergalten. Aber
Wietanmteit in dem füllen Dorfe fonnte der arbeitsfreudige Mann nunmehr
. wrebieten eine ausgebreitete und erfolgreiche Thätigkeit entfalten, von
ey. elle wegen Mangels an Zeit, teile aus Rückſicht auf feine Stellung
ren Dtte zurückhalten müſſen. In den kirchlichen Kämpfen der nächiten
yo. der anuerkannte Führer der „pofitiven“ ‘Partei. In einen Vortrag
ins uchliche Lage“ auf Der Turlacher Pfarrkonferenz, an der er jeit jenem
oo Vberhirchenrat nicht mehr teilgenommen batte, rief er unter jcharfer Nenn:
St entgegenſtehenden Nichtungen bereite am 2. Mat 1865 alle auf pot:
RSiehenden zur Sammlung auf. Die nächlte Frucht dieſer Rede mar
ARantſallon der „Pfarrkonferenz“, aus welcher jpäter die Geijtliche und
ds, lahrlich zweimal in Durlach, Heidelberg oder Offenburg tagende, „evan⸗
teil, hervorging. In Die Generalſynode von 1867, in welcher ſich die
Yale ſihroff entgegenſtanden, wurde er von den Geiſtlichen der Diöceſe
dort Beiden Verhandlungen über den erwähnten kirchenregimentlichen
IA centelſchen Streite vermochte er zwar mit feinen Anträgen nicht durch
tag aber burch eine in dieſer Sache gebaltene, durch freimütige Entſchieden⸗
Zube ebenſo wie durch weitherziges Entgegenkommen gegen die Perſonen
ee dieſer ANede dem Mebhrheitsbeſchluſſe der Synode, welcher jenen Erlaß
| X "rent und den firchenrechtlichen Bejtimmungen der badifchen Yanbesfirche ent:
Nühlhänfer 513
ſprechend“ erklärte, die landesherrliche Sanktion ſtillſchweigend verjagt blieb. In der
nächften Generalfynode, der „Friedensſynode“ von 1871, an welcher Di. wieder als eines
der bervorragendften Mitglieder teilnahm, traten die prinzipiellen Gegenfäge mehr in ben
Hintergrund, da die hier befchlojjene Konfirmationg: und Trauordnung ebenſowenig wie
die neue theologifche Prüfungsordnung und die Einrichtung von Militärkirchengemeinden 5
zu foldhen Erörterungen Anlaß bot. Dagegen brachte die Generaliynode von 1876, im
welcher der Katechismus von 1855 wieder befeitigt twurde, neue Kämpfe, in denen es
M. mit feinen Freunden gelang, bei den Verhandlungen über Barallelformulare bei Taufe
und Konfirmation wenigſtens die Beibehaltung des apoftolifchen Glaubensbefenntnifjes in
allen Irwulaen wenn auch nur mit einer referierenden Eingangsformel, durchzuſetzen.
ie an den kirchlichen, ſo nahm M. auch an den politiſchen Kämpfen jener Zeit
lebendigen Anteil. Als Mitglied des badiſchen Landtags, welchem er von 1867 bis 1871
und dann wieder von 1879 bis zu ſeinem Tode angehörte, bewies er ſich als ebenſo
ſachkundigen wie Heſgüigen und beredten Parlamentarier. Die Ausſchreitungen des
Liberalismus im Kulturkampfe führten ihn dazu, ſich im Jahre 1876 an der Gründung ı;
der deutfch-fonfervativen Partei zu beteiligen, deren damals aufgeftelltes Programm in
wejentlichen Punkten auf ihn Arrüczuführen ft. Big au feinem Ende trat er durch
Wort und That für die hier verfochtene Sache ein und ließ ſich auch durch mancherlei
Enttäufchungen den Mut nicht rauben, wie er einmal fagte, durch die Liebe zu lee
Volke immer wieder an die Arbeit getrieben. Bon dieſer Liebe zum Wolfe geleitet ſtellte u
M. auch feine gewandte Feder gerne in den Dienjt der Prefle, deren hohe Bedeutung
für die Geftaltung des Volkslebens feinem fcharfen Blide nicht entging. Schon vorher
ein eifriger Mitarbeiter verfchievener kirchlicher und politifcher Zeitfchriften, beteiligte
er fi) 1867 an der Gründung der „Warte“, einer babifchen konſervativen Zeitichrift,
aus welcher jpäter (1876) die „Deutiche Reichspoſt“ hervorging. Im Jahre 1876 rief 2
er mit Geffken die „Zeitfragen des chriltlichen Volkslebens“ ing Leben, in denen in ge-
diegenen Flugſchriften die wichtigften Fragen der Gegenwart im Geilte des Evangeliums
erörtert und die fih daraus für unfere Zeit ergebenden Aufgaben und Pflichten dar⸗
Ih werben follten. Gleich die erſte diefer Brofchüren mit dem Titel „Chriftentum und
Preſſe“ ftammte aus M.s Feder und betonte unter eingehender Darftellung der bier be= 30
ftehenden Verhältniffe und in meiterer Ausführung von Gedanken, die er ſchon 1874 in
wei zu Heidelberg und Frankfurt gehaltenen Vorträgen ausgeiprochen hatte, energijch die
flicht, im Geiftesfampfe der Gegenwart durch die Preſſe für die chrijtliche Weltanfchau:
ung einzutreten. So fleißig aber M. an chriftlichen Zeitfchriften und der Tageslitteratur
mitarbeitete, fo ift er doch zur Herausgabe eines größeren Werkes nicht gelommen. Die:
bedeutendften der jehr zahlreichen von ibm verfaßten Brofehüren und größeren Artikel in
Beitfchriften werden von Reinmuth (a. a. D. ©. 79) angeführt.
Beiondere Berbienfte hat ſich M. um die Förderung der inneren Miffion in Süd—
deutfchland erworben. An allen Werken derjelben an den Orten feines Wirkens und in
gan Baden nahm er lebendigen Anteil, verfchievene regte er felbft an und ftellte bereit= 40
illig feine Kraft in deren Dienft. Die heute noch mit Segen beſtehende „ſüdweſtdeutſche
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Konferenz für innere Miffion” hat zwar nicht, wie Neinmuth (a. a. O. ©.53) annimmt,
M. gegründet, fondern der geiftvolle und feine Delan Lynder von Speyer (geit. 1895),
auf deſſen Einladung im Herbite 1864 eine Anzahl von Freunden der inneren Miſſion
aus Baden, Heflen, Württemberg und der Pfalz in Heidelberg zufammentrat, um über s5
einen engeren Zuſammenſchluß der Freunde der inneren Miffion in den genannten Ge:
zu beraten. Aus diefer Zujammenfunft erwuchs dann Die ſüdweſtdeutſche Kon⸗
ferenz, welche zuerſt am 21. Juni 1865 unter Lynckers Vorſitz in Bruchſal tagte. Dagegen
war M., der 1867 auch dem Centralausſchuſſe für innere Miſſion angehörte, eines
der thätigſten Mitglieder, ja wie ſein Nachfolger im Vorſitze, der ſpätere Prälat Schmidt co
1881 nicht ohne Berechtigung von ihm ſagte, die Seele der genannten Konferenz, welcher
er auch von 1870 bis 1872 und dann wieder 1880 präſidierte. (Vgl. F. J. Krieg in den
Monatsblättern für innere Miſſion, Karlsruhe 1902, Auguſtheft.)
1879 von einem ernſten Nierenleiden befallen, blieb M., auch als er bereits ſchwer
leidend war, in voller Thätigfeit in feinem Amte, in welchem eine zu Wilferdingen ge: 55
zade berrichende Tuphusepidemie feine Kraft noch befonders in Anjpruh nahm. Am
21. Januar 1881 verichied er janft, nachdem er noch an Meihnacten und Neujahr ge:
predigt hatte. Eine für den 9. Januar niedergefchriebene Predigt hatte er nicht mehr zu
vermocht. Seine dankbare Gemeinde feßte „dem treuen Seelforger“ den Grab:
in. Seit 1851 hatte M. in glüdlicher Ehe mit Julie Wilhelmine Godel aus Karls- co
Beal«Encpllopädie fiir Theologie und Kirche. 8.4. XIII. 33
514 Mühlhänfer Müllenſiefen
ruhe gelebt. Dieſelbe ſchenkte Dee eine Tochter und vier Söhne, von denen ihm ber ältefte
1877 im Tode borausging. Die |
| B
— beein ei
Düllenfieen, u ulius, geft. 1098; Frut Müttenfifen, rediger D . EM, in
„19. Ja 158; ©. M. in
— 6 gehe von ber der Prebigt, 1.8.2 Ik ROTER TONER EEE
üllenfiefen i
nn in dem durch bi nd Bela Orte heründet Bat,
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iſterung der en an, wurde auch d ſpäter a
eu ger echenſchaft I Da er aber wegen feiner Jugend pr
nicht in die innere nr Ba der Burſchenſchaft aufgenommen worden war, und
[, General von Dieft, für ihn fich verbürgte, wurde die Ur
gefehla In Halle wurbe für ihn, tie für viele, Tholuck (f. d. A), dem er nähe
| treten durfte, ein geiftlicher Bater. In Berlin beendete er feine Studien in
25 20. Sabre. "Söleiermader übte auf feine theologische Enttwidelung Einfluß
— in dem je des genannten Generals und Chef des Generalſtabes
in Bofen entfaltete feine hervorra Ef bäbagsgiiäe. igkeit. Nach der U
hung des General von Dieft nach in trat er dem Oberhofprediger Strauß und ben
vedigern Gouard und Arndt nahe. Den nadhaltigiten Einfluß aber übte Johannes
— a n aus —— 1836 trat er das ihm angebotene Pfarramt in Cothen
Bildof oh i — — der vor allem für Berlin gewonnen
1: Be fine Veranlafr 19 bevarb iD. im — ——
ie *
2
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den Befi bon * über Bingen. ei an Bemeinbegliebetn —— a aeg
niederen, ja dem am tiefiten ſtehenden Proletariat an. M. bat ftetß en feinen ihm
Müllenfiefen Müller, Georg 515
zunächſt anvertrauten Gemeindegliedern in Treue gedient und war bei ihnen eine hoch—
eachtete und geliebte, man kann fagen populäre PWerfünlichkeit. Seine Hauptarbeit er:
echte .e aber weit über die Grenzen feiner eigenen Gemeinde hinaus. Kein anderer
Geiftliher Berlin? hat wohl eine folche umfaflende Seelforge fowohl im perjünlichen
Verkehr als audy in einer vielfeitigen täglichen Korreipondenz nach allen Gegenden ge:
habt, wie M. Seine feeljorgerliche und pädagogifche Gabe Tam infonderheit im Sonfir-
mandenunterricht zur Entfaltung. Aus ihm erwuchs die Seelforge in den Familien.
Jahraus, jahren, Sommer wie Winter, gab er wöchentlich 16 Stunden, in den leßten
Jahren 12 Stunden Konfirmandenunterricht, ohne daß ibm je diefe Arbeitslaft zu viel:
wurde. — Auch feine Predigten trugen den feeljorgerlichen Charakter. Sie find that-
fächlich, wie er fie im Titel nannte, „Zeugnifle von Chriſto“, „bejonders in dem Sinne,
daß fie aus der Fülle einer reifen zur Stille und Sicherheit geflärten Erfahrung von
dem reden, was das Menfchenleben in Ehrifto gewinnt; daß fie eunblid dem Suchenden
die Hand reichen, um zum Frieden zu kommen; daß fie Die noch unficher und zweifelnd
Taftenden ohne apologetifche Künfte und Beweisführungen an den inneren Bedürfniſſen 15
und Erlebnifjfen über den Weg zur Wahrheit orientieren. Ein tiefer Gewiſſensernſt, eine
feine fittliche —— bildet im Zuſammenhang mit dem Frieden und der Freiheit
der Gotteskindſchaft den immer durchſcheinenden Hintergrund, ſo daß die Rede, ohne mit
Erſchütterungen zu beſtürmen, doch innerlich anfaßt und gewinnt und fördert“ (Hering
a. a. O.). Dazu kommt aber ein von aller künſtlichen Rhetorik freier, überaus flüſſiger, 20
Horer Stil, der ſich in feinem natürlichen Wohllaut allein in den Dienft des Inhalts
ftellt. Er felbjt berichtete, daß das Wort eines würdigen von ihm befonders hochgeachteten
Lehrers nad) diefer Richtung für ihn von großem Segen getvejen fei, der bei Rückgabe.
eined Aufſatzes ihm gefagt hatte: „Dir fehlt alle Phantaſie, und du mirft dir die Luft
zum Studium vergeben lafjen müfjen; beſonders die Theologie ift gar nichts für dich,
denn vie würden deine Predigten ausfallen?” Gerade diefe Demütigung trieb ihn an
enauer auf die Sprache zu achten und durch lautes Leſen Haffischer Mufter den Sinn
ür den Rythmus der Sprache und für die dem Anhalt genau entiprecdyende Form bes
Ausdrudes zu pflegen. Der Vortrag der Predigt war bei M. vollftändig frei von jeber
ik. Dem — genau entſprechend war feine Redeweiſe auch auf der Kanzel so
durchaus natürlich, nicht von hinreißender Kraft, aber unmillfürlic das Herz und das
— des Hörers feſſelnd. — Seiner Natur lag es fern auf kirchenpolitiſchem Gebiet
elnd einzugreifen. Dennoch hat er von der außerordentlichen Berliner Generalſynode
1846 an faſt jeder Provinzial- und Generalſynode angehört und hat ſtets mit Freimut
und Entſchiedenheit feine Überzeugung vertreten. Er mar als Weſtfale ein Vertreter der 35
Union. Bei den Beratungen über die General-Synodalordnung im Sabre 1875 ift er für
die Annahme derſelben entſchieden eingetreten und hat fich der Partei der „pofitiven Union”
unter Kögels Führung, |. BB X ©. 614, ı3 nie angelchloffen. Der Einfluß feiner Perfön-
lichleit in dem durch Parteien zerflüfteten Berlin zeigte ſich vor allem bei den erjten
Wahlen der firchlichen Gemeindevertretung. Während in allen Gemeinden Berlins der 40
el, Kampf der Parteien entbrannte, vollzogen fi in der Martiengemeinde
die blen ohne ſchroffe Gegenfäge. M. veritand es meilterhaft auch twiberttrebende
Elemente in den Dienft der Kirche zu ftellen und die Herzen für die pofitiven Aufgaben
u ernſter und freudiger Mitarbeit zu gewinnen. Die Mariengemeinde war ftet3 ein-
orbild des vertrauensvollen Zuſammenwirkens von Amt und Gemeindevertretung. Wie 45
fehr die allgemeine Liebe ihn trug, davon legten fein 25jähriges Berliner Amtsjubiläum
und fein Scheiden aus dem Amt, ſowie acht Jahr fpäter fein Begräbnis beredte Zeug:
nifje ab. Außer einzelnen Predigten find folgende Predigtſammlungen M.s erichienen
und haben eine weite Verbreitung gefunden: „Zeugniſſe von Chrifto”, 4 Bde, fpäter als
„en Jahrgang Predigten” in 1 Band erichienen, 15. Aufl. 1894; „Das Wort des co
Lebens“, 4 Bode, 8. Aufl. 1888; „Der Weg des Friedens” 1 Bd, 1871. Am meiteften
verbreitet find „Tägliche Andachten zur häuslichen Erbauung”, in mehreren Stereotyp-
ne zulegt 17. Aufl. 1895 erfchienen. Zu nennen find noch „Das chriftliche Haus.
Ein Beitrag zur focialen Frage‘ 1879, und (nad) feinem Tode erfchienen) „Abe für das:
Griftliche Haus”, 1894. Alle Schriften find bei Stein-Halle im Verlag, Der Gefant- 55
ertrag feiner Schriften floß und fließt noch den von ihm in feiner Gemeinde gegründeten
Liebeswerken zu. Georg Rietſchel.
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10
Er
Mäller, Georg, zu Briftol, get. 1898. — Litteratur: Die widtigfte und:
teihfte Quelle find Müllers Tagebücher: „A Narrative of some of the Lords Dealings with
33”
516 Muller, Georg
Gg. M., written by himself“, 4 Bände. Außerdem engliſch u. deutſch: „Gg. M.; ein Glaubens⸗
apojtel unjerer Zeit“, von F. G. Warne; nur deutfih: „Leben und Wirken des Gg. M. in
Brijtol“, von ®. Claus; „Sg. Müller, ein Abriß feines Lebend und eine Auswahl feiner
Reden“, von DO. Steinede; „Georg Müllers Vermächtnis an und“, herauög. von der Miſſions⸗
5 buhhandlung in Neulirden. Zur Erkenntnis der M.ihen Gedankenwelt ift zu empfeblen:
„Counsel to Christians“, von ihm felbjt, ſowie eine große Anzahl von Traftaten und Reben.
— Meber Müller? Verhältnis zum Darbysmus: William Blair Neatby „A History of the
Plymouth Brethren“ und die zum Artitel 3. N. Darby S. 483 Bd 4 angeführte Kitteratur.
-— Nah M.s Tode erfhienen in faft allen kirchlichen Blättern Ueberſichten über fein Leben.
ı Sehr initrufiv ift der Auffag in der Reform. Kztg. 1898 p. 148ff. von Baftor Krüsmann:
„Beorg Müller in Briftol”.
Zu den außerorbentlichen Männern, durd die Gott die evangeliſche Chriftenheit des
vorigen Jahrhunderts geiegnet bat, gehört in erfter Linie Georg Müller. Von Geburt
ein Deutfcher, hat er in England das Feld feiner weltumfaflenden Thätigkeit gefunden,
15 aber feine Beſtan ragt nicht allein hervor in der Geſchichte der chriſtlichen Liebesarbeit ſeines
Adoptivvaterlandes, ſondern ſie hat ökumeniſche Bedeutung, in Amerika wie auf dem
europäiſchen Kontinent hat Georg Müllers Arbeit nachhaltige Spuren hinterlaſſen. —
Er wurde geboren am 27. September 1805 zu Kroppenſtädt bei Halberſtadt, ſiedelte
jedoch ſchon 1810 nach Heimersleben über, als ſein Vater dort den Poſten eines Steuer⸗
20 einnehmers bekam. Mit 10 Jahren wurde er en des Gymnaſiums zu ,
er follte Pfarrer werben, weil der Vater den Kirchendienit ald eine geeignete Verſorgung
betrachtete. Geiftliche Eindrüde blieben dem Knaben fern, der Vater ftrafte feinen Sohn
wohl gelegentlich grober Übertretungen, enthielt fi) aber jeder Einwirfung auf deſſen
Sinnenleben. Müller bat jelbft in „A Narrative etc.“ das Bild feiner Jugendzeit ent-
26 worfen: ein wildes, im ganzen unbeauffichtigtes Heranwachſen, ein Sichg in
allerlei Sünden. Auch die Schule und der Stonfirmandenunterricht, felbit der Tod der
Mutter änderten hierin nichts, Negungen der Neue und Zorfähe zur Beflerung maren
immer wieder fchnell vergeſſen. Während der beiden legten in Norbhaufen verlebten Gym-
naftaljahre hielt er je zwar äußerlich in den Schranten und gab fih eifrig feinen
»0 Studien hin, innerlidy jedoch blieb er derjelbe, der, mo es möglich war, fogar vor
und Trug nicht zurüdichraf. Oſtern 1825 bezog Müller mit ehrenden ulzeugnifien
als Student der Theologie die Univerfität Halle. Im Kreife gleich leichtfinniger Kameraden
wurde das alte Leben zunächſt fortgefett, weder in Verfönlichkeiten noch in der Predigt war
ihm bisher der Ernft des Chriſtentums entgegengetreten. Sein Gewiſſen ftrafte ihn wohl,
»5 aber zu einem Bruch mit feinen fündigen Neigungen kam es nit. Dieſe über feinen
ganzen ferneren Weg entfcheidende Erfchütterung erfolgte erft im November 1825. Durch
Vermittelung feines Studienfreundes Beta fand Müller Zugang zu einer kleinen Ge—
meinfchaft von „Stillen im Lande”, einfacher Bürgersleute, die im Haufe eines Hand⸗
werlers, namens Wagner, zu gemeinfamem Gebet und Geſang und zum Xefen einer ge
# drudten Predigt zujammenfamen. „Dieſe einfältigen, liebevollen, betenden Chriſten
machten auf ihn einen folchen Eindruck, daß fih ihm eine ganz nme Welt auf:
that, die ihn mit einer Glut von Glüdfeligkeit erfüllte.” Bon jenem Abend am batierte
Müller felbjt den Anfang feines Ghriftenlebens; ohne Verzug und Rüdficht wurde ge
brochen mit den ehemaligen Freunden und dem leichtfinnigen Wandel und ftatt defien
dä der engfte Anſchluß gefucht an den ihm zu folhem Segen getwordenen Kreiß von Gläubigen.
Schon in diefer erften Zeit feines Glaubenswandels zeigten fich an dem jungen Studenten
manche der ihn immer mehr augzeichnenden Charakterzüge: durch Verteilung von Trak:
tnten und perfünliche Benühungen um das Seelenheil der früheren Genoflen fuchte er
zu wirken für den Herrn; immer ausfchließlicher beichäftigte er ſich mit der Bibel, Die
ia ſtets in fortlaufender Neihenfolge durchlas; nicht „ſtudierte“ Predigten wollte er
halten, fondern einfach dag Wort auslegen unter Gebet um den Beiltand des heiligen
Geiſtes; er wünjchte, unmittelbare Erfolge feines Betens und Arbeitens zu fehen. Um
kun nachherigen Wirkens willen fer auch erwähnt, daß M. eine Zeit lang in be
Franckeſchen Stiftungen Wohnung nahm. Drei Sabre blieb er in Halle, von feinm
«dh theologischen Lehrern gewann feiner auf ihn nennenswerten Einfluß, auch der bamald
nach Halle nerufene Prof. Tholud, mit dem M. in freundfchaftlichen Verkehr trat, und
den er bochverehrte, vermochte die durchaus jelbititändige Entwidelung des Jünglinge
nicht zu leiten. Durch Tholud wurde ihm der Meg gebahnt zur Verbindung mit br
london Missionary Society for promoting Christianity among the Jews, um
in deren Seminar ſich zum Judenmiſſionar ausbilden zu laflen, nachdem ein ’
Heidenmiſſionar zu werden, am Widerſtand des Vaters gefcheitert war. Am 19. Kin
Müller, Georg 517
1829 landete er in London, und es begann eine arbeitsvolle Zeit. Infolge Überanftrengung
bald erkrankt, war M. gezwungen, London zeitweiſe zu verlaffen und einen Landaufenthalt
u nehmen in Teignmouth im ſüdlichen England. Diefe Mußezeit ijt nicht bloß des⸗
b beveutfam, weil damals die Erwägungen einfegten, die mit dem Entichluß endeten,
1830 die Verbindung mit der London Society zu löfen, fondern vor allem, meil feit 5
den Tagen von Teignmouth der in jener Zeit mit frifcher Kraft wieder aufwachende
Glaube an die baldige Wiederkunft Shift auch fein Herz erfaßte. Die ihn nad) feinen
eigenen Worten beivegende Yrage: „mas kann ich für den Herrn thun, bevor er wieder⸗
fommt, wenn er bald kommt?“ iſt für alle feine fpäteren Schritte durchſchlagend ge-
worden. 10
Um Ms Denken und Handeln in der Folgezeit zu würdigen, ſei daran erinnert,
daß 1823 die fpäter im Darbysmus verfteinerte Bewegung der fog. Plymouth Brethren
ihren Anfang genommen und auf die Gläubigen Englands in fteigendem Maße Einfluß
gewonnen hatte. Open communion und open ministry waren die Loſungsworte der
neuen Gemeinschaft, Abneigung gegen alle beſtehenden Kirchengemeinfchaften ihr Charakter⸗ 15
178, Rückkehr zu den apoftolifchen Lebensgewohnheiten ihr deal. Eine nicht unbedeutende
nzahl erniter, tüchtiger Männer hatte fich der in Dublin entfprungenen Bewegung an-
geichloffen und ihre Gedanken in meite Kreife getragen. Mit der Gedankenwelt diefer
Gemeinſchaft kam M. in Berührung, als er zu Teignmouth befreundet wurde mit dem
jungen jchottifchen Prediger Henry Crail, dem Schüler und Freund des liebensmwürbigften 20
unter den Begründern des Brethrenism, Anthony Norris Groves. E3 bedurfte Feiner
befonderen Mühe, um M. zu einem begeifterten Adepten der Grundſätze der Brethren zu
machen, feine bisherige Entwickelung hatte ihn genügend darauf vorbereitet. Wenn die
„Brüder“ jede Leitung durch Menſchen in geiftlichen Dingen verwarfen und unmittelbar
vom Geift Gottes geleitet zu fein glaubten, jo war M. fchon längft ähnlich geitimmt ; 25
er war 4.8. äußert mißtrauiſch gegen jede mifjenfchaftliche Erklärung der Schrift, meil
fie wohl den Kopf mit Kenntniſſen fülle aber das Herz leer lafle, der heilige Geift fei
der einzige Erflärer, neben dem wir feines anderen bebürfen (vgl. A Narrative I, p.31).
Ferner hatte ihn das Bild der noch in den Banden des Rationalismus fchlafenden
evangelischen een mit tiefer Abneigung erfüllt gegen das Staatskirchentum; so
fchon vor feiner Überfiedelung nad) England waren ihm die ſcharfen Urteile geläufig über
das Belehrt: und Nichtbefehrtfein der Übrigen, die dem Eifer des Neulings entftammten
und aufnahmefähig machten für die Saat feltiererifcher Gelüfte. Oder wenn Abwendung
von den Freuden und Genüflen des Lebens und Streben nah „apoftolifcher Lebenshal⸗
tung” den urfprünglichen Brethrenism Tennzeichneten, fo mar bei M. damals fchon ein 85
ähnlicher Zug zu beobachten, mit Trauer befannte er, daß er nach feiner Belehrung doch
noch einmal erbenter und Konzert befucht habe. Ob er bereit3 vor Br Belanntichaft
mit Craik von den Gedanken der „Brüder“ angeregt war, tft zweifelhaft, vielleicht ſtand
er damals fchon unter dem Eindrud des von Norris 1825 herausgegebenen berühmten
Traltatö: „Christian Devotedness“, jedenfalls hat der Verkehr mit Craik die vor: 40
bandenen Anfäte zur Reife gebradht. Wir ſehen die8 an den Gründen, aus denen er
die Miffionsgefellihaft um „eine Entlaffung bat: e8 war ihm unmöglich, ſich einer
Ordination durch unbelehrte Männer zu unteriwerfen; fein Gewiſſen fträubte ſich dagegen,
fih von einem Miſſionskomitee leiten zu laſſen, da ihm die unabhängige, nur durch den
Seil: geleitete Thätigkeit ala die eines Knechtes Chriftt allein würdige erfchten, und er 4
wollte nicht auf die Juden als Objekt feiner Mifftonsarbeit beſchränkt fein, vielmehr Frei⸗
beit haben, feine Arbeit auch auf die Namendhriften auszudehnen. Selbftverftändlich konnte
die Sefellichaft auf folche Gedanken nicht eingeben und entließ M. im Januar 1830 mit
einem freundlichen Schreiben aus ihrem Verband.
Trog feiner Abneigung gegen eine feſte Arbeit an einem bejtimmten Ort ließ er ſich so
von den Gläubigen in Teignmouth beivegen, Prediger der dortigen Gemeinichaft zu
werden. Hier hatte er die befte Gelegenheit, die aufgenommenen Grundfäße zu verwirk—
lichen und im den Überzeugungen zu wachſen, die für das in Briftol auf ihm tvartende
Lebenswerk beitimmend murden. Die unverzüglich befchloffene jonntägliche Feier des
Abendmahls, die bei den Blymoutb-Brüdern Sitte war, iſt zum Verftändnis des Mannes 55
infomweit mwichtig, al3 fie einmal ein Beifpiel feines unbebingten Gehorſams iſt gegen eine
mer Meinung nad in der Bibel enthaltene Vorfchrift, und dann weil fie und erfennen
, wie ſehr M. Schon die Schrift durch die Brille der „Brüder“ zu lefen angefangen
hatte. Im Gegenjat zu den aus Gläubigen und Ungläubigen gemifchten Denomina=
ttonen follte feine Gemeinde Iediglih aus „Bekehrten“ beſtehen. Noch bezeichnender für so
318 Müller, Georg
Ms Mangel an biitertich-iecblichem Sinn iſt die Art und Weife, wie er dazu Fam,
ih wiedertaufen su laffen: angeregt durch ein Geſpräch über die Berechtigung der
Kindertaufe ſtudierte er Die Schrift, ob ſich aus ihr die Notwendigkeit derfelben ergäbe.
Ta ır fein austrudlices Gebot der Kindertaufe fand, fondern nur Beilpiele von Groß:
‚ taufen, unterzog vr ſich der Wiedertaufe. M. iſt in aller Welt dadurch befannt, daß er
kein Deitinungs Gebalt annahm, nicht follektierte und Gott allein feine äußeren Bebürf-
mie im Geber ans Herz legte. Schon bald nad feinem Amtsantritt und feiner kurz
Juauf feigenden Wermäblung mit Maria Groves, der Schwefter des oben genannten
A. N. Grobes, Tegte er die neugewwonnene Überzeugung in die That um und erklärte der
Goenmreinde, Daß er fortbin von Treitoilfigen Gaben zu leben gedenke, ſowie jeder fie aus
Antrieb Deo Geiſtes ihm darreiche. In der Epur der „Brüder“ bemegte er ſich aud,
als er Div Anordnung traf, daß jedes Mitglied der Gemeinde zur öffentlichen Rede im
Wertwoßienft berechtigt ſei, je nachdem ber Geiſt den Einzelnen aufweckte. Trot dieſer
Veſonderheiten, denen ſich noch manche andere anreihen Iafien, war M. kein Seftierer ım
gewohnlichen Sinne, es bandelte fi ihm nicht um Trennung, jondern die Einheit des
Leibeb Chriſti mar fein immer wieder burchbrechendes deal. Grade gegenüber 5. N.
Darby iſt ſein Verbalten Ichrreih und wohlthuend. Darby begann mit der Brüderſchaft
aller Gläubigen und endete mit der VBerdammung aller, die nicht J. N. Darby unterthan
waren, M. iſt den Spealen feiner Jugend treu geblieben. Die im Streit mit Darby auf-
v iuuchende Hinwendung zu größerer Grklufivität war nur vorübergehend, mit den Jahren
wurde jein Urteil milder, feine kirchliche Stellung meitheräiger. Bon 1849 an war ber
Bruch zwiſchen beiden Männern vollftändig, und Darby hörte nicht auf, die Anhänger
ſeined Gegners mit dem ingrimmigften Haß zu verfolgen. Manche Einzelheiten mögen
uns bei dem Prediger von Teignmoutb jeltfam berühren: fein berbes Urteil über den
v geiſtlichen Stand ganzer Kirchenkörper, fein genaues Aufrechnen der jährlich durch ihn
Vekehrten, feine zeitweilige Verwechslung von Plymouth-Brüdern und Kindern Gottes,
jene Unnatur in der Schätzung der fichtbaren Welt, — dennoch imponiert er als ber
Mann voll Feuer und Energie, der überall fein Handeln Al einrichtet, wie ihm Über:
wugung und Gewiſſen gebieten, und wie z. B. in der Gehaltsfrage feinen Tindlichen
» Ölauben durch fein Bedenken der Vernunft hemmen läßt; er gewinnt unfere Liebe als
der eifrige Prediger der einfachen, evangelifchen Wahrheit, der die Hauptſache, die Er:
loſung durch Chriſti Werk, wohl von feinen Eonderanfidhten zu unterfcheiden wei
Ungefähr zweieinhalb Jahre waltete M. in Teignmouth feines Dienstes in eig
Poedigtarbeit in der eigenen Öemeinde und den benachbarten Ortſchaften. Seine Ver:
— gchileiſtung auf feftes Gebalt hatte er jegt jo wenig wie ſpäter zu bedauern, er glaubte
ſich von Wundern umgeben und begehrte unmer neue Wunder zu jehen, eine Neigung,
die ebeuſo wie jein Überfeben der ſichtbaren Mittel in der verkehrten Anſchauung twurzelte,
van der Glaube da anfängt, wo die natürlihen Kräfte und fichtbaren Mittel aufhören.
Awb manche direkten Erfolge feiner Belehrungspredigt durfte M. erleben, befonders wenn
word ſremden Orten predigte, drängten fich die Zuhörer um ihn. In der eigenen
Gemeinde dagegen war ſchon bald weniger Hunger nach feiner Verkündigung zu fpüren,
und er jelbjt brgeugte, daß er anderwärts mit mehr Freude und Kraft gepredigt als
in Leimnimouth.“ Bei aller Kraft perfünlicher Überzeugung leiden die Predigten M.s an
cintäniger Wiederholung verhältnismäßig weniger Gedanken und greifen über bie ele
ao mentarſten Mahrheiten kaum hinaus, fo daß es ſchwer fein mochte, in ihnen dauernde
Aeſriedigung au finden. Für M. war der erfaltende Eifer der Gemeinde ein Zeichen,
un Bott ihm vinen anderen Poſten anmeifen wolle Als daher fein inzmwifchen nad)
Yrsjtol ubergefiedelter Freund Craik ihn einlud, ihm auf das große Arbeitäfeld nachzu⸗
holen, konnte er mit Freudigkeit den Wanderſtab weiterfeten. Am 25. Mai 1832
hie er in Briftel an. Die dortige Gemeinjchaft der „Brüder“, nach ihren beiben
Kapellen Aethesda und Gideongemeinde genannt, war an dehl nur klein, hielt aber
ru zuſammen und war von dem thatkräftigſten Eifer beſeelt. Die Arbeit der beiden
Freunde war don wachſendem Erfolg begleitet, in jeder Jahresüberſicht konnte M. an:
Icben, wie viele Durch ibn und „Bruder“ Craik befehrt worden feien. Die Kirchenorb-
ht der ſich um DE ſammelnden Gemeinde bejtand ausdrüdlich darin, dag jede Orbmung
lee. und daß alle fo zu handeln fuchten, wie ihnen der Herr durch fein Wort Licht gäbe
Narr Ip 9. Mit der Zunahme der Gemeinde ftellte —* freilich auch das Bedürfnis
de einer gewiſſen äußeren Ordnung ein und bewog die Führer der Gemeinde, auf
wunubtung eueo Deutlich umfchriebenen Alteftenamtes Bedacht zu nehmen und für bie
— Aula zum ſonntäglichen Abendmahl Kautelen bezüglich der Lehre zu fordern. Be
Müller, Georg 519
ſonders die Vehrftreitigfeiten des Darbysmus, in welche die Bethesdagemeinde tief verwickelt
wurde, wirkten in leßterer Hinficht beitimmend auf die Entwidelung ein.
Die Arbeit in der Anbuftrieftadt mar nicht leicht, aber M. erwarb ſich über ben
engen Kreis der Gemeinde hinaus bald Liebe und Vertrauen durch treue Seelforge und
fleißige Krankenbeſuche in der nicht lange nach jeiner Ankunft über Briftol bereinbrechenden
Cholerazeit. Dem raftlofen, von Eifer für den Dienft de Herren brennenden Manne war
es oft ſchwer, innerlich im rechten Gleichgetwicht zu bleiben. Häufig klagte er über feine
geringe Liebe zum Herrn und wünſchte wohl, ab leben und bei Sefus zu fein; daß
er jo wenig „wirkliche Gemeinschaft” mit Gott habe, drüdte ihn manchmal nieder, und
die Verſuchung des Glaubens, die er fich jelbft durch den Verzicht auf ein beftimmtes
Eintommen auferlegt hatte, bereitete ihm neben ber Freude, feine Gebete und Hoffnungen
erfüllt zu ſehen, doch auch fchweren Kampf. Nicht daß er die Gewißheit feines Gnaden-
ftandes abhängig gemadt hätte von der Intenſivität feiner Gefühle, dazu mar fein
Glaube zu nüchtern und zu gejund, aber wie er überall mit Vorliebe nach unmittelbarem
Erfolg jeines Betens und Predigens ausfchaute, fo konnte er es auch nicht laffen, immer
wieder das Barometer jener Gefühle zu unterfuchen und fi in Schilderungen feines ihn
bald befriedigenden bald betrübenven inneren Zuftandes zu ergehen.
Wäre M. nur Prediger der open brethren von Briftol geblieben, würden die Alten
ber Gemeinde ihren Kindern vielleicht heute noch mandherlei erzählen von dem durch den
Schnee des Alters nie erftidten Jugendfeuer ihres einftigen Hirten, von feiner betenden 20
Treue, von feiner Bibelfenntnis und Bibelverehrung, aber außerhalb feiner Gemeinde
würde er vergeſſen fein mie unzählige andere Diener Chriſti. Die Bedeutung M.s für
die Kirchengeichichte beruht auf der ihm von Gott zugeteilten Arbeit an den Armen und
Waifen und an der Verbreitung des Evangeliums, neben der die Pflege der Gemeinde
völlig in den Hintergrund trat. 25
Im Anfang des Jahres 1834 ermachte zuerit in ihm der Gedanke, in größerem
Mapftab etwas zu thun für die Ausbreitung des Evangeliums. Bon der göttlichen
Eingebung dieſes Gedankens überzeugt fchritt er fehon im Frühling desfelben Jahres zur
Ausfü Er entſchloß ſich, eine ſelbſtſtändige, mit allen ähnlichen Einrichtungen
unverworrene Arbeit zu beginnen, weil feiner Anſicht nach Feine vorhandene Miſſions- 80
efellichaft auf Schriftgemäßen Prinzipien aufgebaut war. Am meiften jtieß ihn das Zu-
Kummenarbeiten von Belehrten und Unbekehrten. M. konnte es nicht ertragen, daß jeber
Beitragzahler unbelümmert um feine getitlihe Stellung Mitglied einer Vereinigung zum
Dienst Chriſti fein durfte; daß man Unbelehrte um Gaben anſprach; daß bei der Be
rufung zu Vorſtandsmitgliedern in eriter Zinie der Neichtum und die wdifche Ehren: 35
ftellung berüdfichtigt wurde ; und daß man gegen die Klare Vorſchrift des Wortes Gottes
gegebenenfalld Schulden machte. Demgegenüber jollte das zu begründende Werk durch:
aus als ein von Gläubigen geleitetes und getragenes Werk erjcheinen, fein Unbekehrter
jollte zur Unterftügung aufgefordert oder gar zur Führung der Angelegenheiten heran-
gezogen werben; nur ſoweit ging man nicht, daß man aud die von Unbefehrten frei= 40
willig dargereichten Gaben zurückwies. Unter feinen Umjtänden wollte M. zum Betrieb
der Arbeit Schulden machen, fondern war entjchloffen, niemals meiter zu gehen als Gott
die Mittel ſchenkte. Die Anftalt war nicht gedacht als ein Hilfsmittel zur Belehrung der
Welt, — eine auf M.s darboftiichem Standpunkt ganz unfchriftgemäße Hoffnung, —
auch war 3.3. bei der Gründung des a un nicht Linderung der Not der Waifen s
der —* ende Faktor, ſondern die Anſtalt ſollte dienen, die von Gott Auserwählten
während der —* auf die Paruſie zu ſammeln, und der Chriſtenheit ein Zeichen zu
ſein, daß Gott ein lebendiger Gott iſt und heute noch ebenſo mächtig wirkt wie in den
en Abrahams. Der Zweck der Anſtalt war a) Wochenſchulen, Sonntagsſchulen und
en für Erwachſene zu unterſtützen oder zu errichten, die auf bibliſcher Grundlage so
berubten, d. 5. in denen der Weg zur Seligkeit nach der Schrift gelehrt wurde und alle
Lehrer Gläubige waren; b) die Bibel und gute Traftate unentgeltlih oder möglichft
wohlfeil zu verbreiten; c) die Miffion unter den Heiden und Namendhriften zu unter:
fügen. Diefe Arbeit, genannt „The Scriptural Knowledge Institution for Home
and Abroad“, wuchs aus den kleinſten Anfängen zu großartigem Umfang heran. Mit 55
drei Schulen wurde der Anfang gemadıt, 1890 hatte M. 75 Schulen unter jeiner
Direktion, 121683 Schüler waren bis 1897 laut feinem lebten Jahresbericht durch feine
Schulen gegangen. Nicht nur England und feine Kolonien ſchuden M. Dank für dieſe
Arbeit, ſondern auch Italien und beſonders Spanien hatten Teil an dem von Briſtol
aus fich ergießenden Strom evangeliſcher Liebesthätigkeit. Die von M. ind Leben ge
oa
—
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520 Müller, Georg
ichfiges und wirkſames Mittel auf dem Wege an
Eiwa ; i Mil tionen Dart ivaren biß: 1897
werben aaa Bel ver Sb rd Seokieigeeidung Imd ka Ak
in äbn-
li bis 1897 wurben im ganzen 111 Milienen Traktote 281 652 Bibeln,
5 1448662 N ile i 2**
breitet. | bern kulkıE tan onen
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— die ung ; —* *
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Einfluß Ms Handeln a t. on im Februar 5 te
——— von Franckes Leben, daß er beffen — im Glauben ———
„wenn der Herr uns Gnade gäbe, mebr diefem Gottes gleich zu leben, fünnten
25 wir auch weit mehr als bisher aus der Bank unferes himmliſchen Kir armen
nen Schweſtern beziehen.“ Kurz vor der Einweihung des Maifenhaufes fchri
Ich age her e — in ähnlicher Weiſe nen, on —— wenn in
* aber nicht um gi im Vertrauen fan
* —* fühlte 73 rg h erg re —— ;
ng, alfo n oß geiftig verivandt m
—— ſich geradezu entzündet an dem a, ande
Miffionam oe
Entiidel des Wat uſes unerivartet |
— ab ee u. —
36 u geführt, vor d horen ber Ghht in Siblen Zion ein enes Haus für
300 Ip: u fr 200 ar en dem „1 en nod) vier Sur" unm Mnoerona Hay
r er mit dem dazu en
—— e leitenden G erg blieben von Soyınn "an diee biefelben, analog
weigen des Werts —— nur gläubige Lehrer und Pfleger wurden a
ww den jollte um eine G * gebeten, keine Schulden gemacht, nie etwas ——
nommen werden, ehe die nötigen Mittel durch Gebet h en on Gel, Die
und Gewiſſenhaftigkeit MS, jeine Zartheit im Nehmen von die Pe » B.
Gabe zurüdiveifen hieß, die ihm al⸗ Ertrag irgend eines Wohlthätigk
mittelt wurde, ſein ftilles Warten, bis der Herr —* neue as öffnete, ift vorbildlich
45 und aeg für jeden, der in äbnlidyer Arbeit
Die legten 25 yabıe jeines Lebens 3 * Evangeliſationsreiſen
die ihn in faſt alle Länder der Welt führten. Seine erſte Gattin war 1870
langem, überaus glüdlihem Eheſtand geftorben; feine einzige Tochter batte dem voraus:
* olger M.S in der Leitung der Anſtalten, James —* die Hand
50 Ebebund gereicht, jo daf er die Yeitung in treuer Obbut mußte, Sygleung ine
—— Gattin konnte er darum ohne Sorge die Welt ——
Herrn“ 8 — zu geben. Schon vor dem Beginn dieſer —S Maren er
zum Ben feines Vaters einige Male in Deutfcland geweſen. Dem weiteren Publikum
wurde er zuerjt befannt durch eine im ‚Jahre 1843 als Apoftel des Darbysmus nad
» Stuttgart ausgeführte Neife, wo durch feine Bemühungen die dortige Baptiftengemeink
geipalten und eine Gemeinjchaft nad den Grundfägen der Plymouth-Brüder eingeric
tourde. Die jpäteren Neifen zeigen uns M. nicht mehr als Darbyften, der jedem jedem % des
kirchentum feind war; unbefangen verkehrte er mit Glide aller De
freute fich, daf ihm auch bie — ihre Thore öffneten zur ———
oo Botſchaft, die in einfacher, nüchterner Weiſe den Heiland der Sün
Müller, Georg Müller, Heinrich 521
war weiter geimorden, feine Erſcheinung menfchlicher. In früheren Sahren hätte er es
für Unrecht gehalten, z. B. die Schönheiten der fichtbaren Welt eines Wortes zu würdigen.
So konftatierte er gelegentlich einer Nheinreife bloß, wie gefährlich das Reifen für die
Seele fet und wie arm die Herrlichkeit der Erde gegenüber Jeſus. 1884 dagegen fchrieb
er von feiner Reife zum Himalaya: „The amazing grandeur and magnificence of 5
this mountain range will never be erased from the mind of any God fearing
person, who has seen it.“
Als M. am 10. Mai 1898 ftarb, umgab nicht allein die Waifenhaus- und Miffions:
gemeinde von Briftol trauernd feine Bahre, nicht nur die von ihm direft oder indirekt Durch
fein Vorbild ins Leben gerufenen Anftalten, wie bei uns in Deutjchland die Mifftons- 10
und Waifenanftalt in Neukirchen bet Moers, fchauten dankbar diefem hervorragenden
Werkzeug der Gnade Gottes nach, überall in der Chriftenheit gedachte man gern bes
Segens, der von Georg M. ausgegangen war. Wir brauchen nicht blindlings, von der
Größe des Erfolgs bezwungen, M. in allen Stüden Beifall zu jchenten. Wenn er etwa
für feine Anftalten allein das Prädikat der fchriftgemäßen Grundlage behauptete, als ob 15
andere Anftalten, die folleftieren, oder die nicht den Anfprud) erheben, aus lauter Belehrten
in beftehen, minderiertig wären; oder wenn M. in einer für unjer Empfinden unzarten
eife erzählte, wie viele Stunden er im Gebet auf dem Boden gelegen habe, und fo
die Wurzeln feines Lebens aufbedte; oder wenn er jährlich genau en Freunden mit-
teilte, wie viel er von feinem perfünlichen Einkommen für chriftlihe Zwecke geſpendet 0
babe; oder wenn er nicht müde wurde, zu rühmen, zu welchem Segen er anderen ge=
worden fei, fo erfcheint uns dies als ein Mißverftand des Evangeliums. Auch brauchen
wir nicht zurüdzuhalten mit der Bemerkung, daß er fich betreffs des Nichtkollektierens in
einer Selbittäufchung befand, denn es giebt ein Kolleftieren ohne Worte, und das ift
noch viel einbrüdlicher ala das offene Kollektieren. Wir braucen endlich ihm nicht zu⸗ 25
paifimmen in feiner pietiftifchen Meltflucht, feinem Drängen auf unmittelbaren Erfolg in
Belehrungsarbeit an den Waifentindern und feiner Syreude an ben jeivetlig erzielten
Mafjenbelehrungen der Kinder, — und dennoch ehren wir ıhn als einen ausgezeichneten
Diener Chrifti, defien Wandel in Glaube und Gebet für alle Chriften eine wirkſame
Mahnung und Stärkung tft, und deſſen Leben den Sat befiegelt, mit dem er einft das so
Chriftentum gelennzeichnet hat: Christianity is life and reality. Kolfhaus.
Müller, Heinrich, Erbau ungsſchriftſteller, geit. 1675. — Witte, Memoriae,
dec. XV, Francof. 1684, p. 189; Sein im Leriton, Bafel 1729 s. v. Müller; DO. Krabbe,
9. M. und jeine Zeit, Roſt. 1866. — Populäre Bearbeitungen: Palmer, Lebensbilder von
Erbauungsfchriftitellern der Iuth. Kirche, Stuttgart 1870, I. Bd, ©.147ff., in der evangel. 3
Volksbibliothek von Klaiber, Stuttgart 1861—1868, 3. Bd, ©. 2255. — Als Erbauung?:
ichriftfteller erwähnt von Cofad in feiner Difjertation: Literarum asceticarum ... historlae
brevis adumbratio. Regim. Bor. 1862, p. 16; 9. Bed, Die relig. Volkslitt, Gotha 1891,
S.134—139; Grofle, Die alten Tröfter, Hermannsb. 1900, ©. 236—252 verzeichnet die neueren
Ausgaben feiner Werke. — Ueber M. als Prediger: Leonhardi in dem Sammelwert: Die 40
grebigt der Kirche, Bd XIII. — Als Liederdichter Koch, Geſchichte d. Kirchenlieds, 4. Bd,
tuttgart 1868, ©. 67 ff.
einrih Müller, geb. am 18. Oktober 1631 zu Lübed, wohin ſich feine Eltern vor
Wallenfteins Invaſion von Roſtock geflüchtet hatten, nimmt unter den Erbauungsfchrift-
ftellern der ev. Kirche unftreitig eine der eriten Stellen ein. Sein äußerer Lebensgang #5
bietet wenig Bemerkenswertes. Im 13. Lebensjahre ift er auf der Univerfität Roſtock,
wohin feine Eltern zurüdgefehrt waren. In Greifswald jet er feine Studien fort, Tehrt
1650 nach Roftod zurüd, promoviert im folgenden Jahre zum Magifter und beginnt
nach Vollendung einer zu feiner Ausbildung unternoimmenen Reife in feiner Vaterſtadt
unter großem Beifall zunächſt philofopbifche Borlefungen zu halten. In jeinem 21. Lebens 50
jahre wird ihm das Archidiakonat zu St. Marien in Noftod übertragen. Won ber
Helmftedter tät mit der theologischen Doktorwürde beehrt, wird er 1659 Profeſſor
der griechiichen Sprache, 1662 ordentlicher Vrofeffor der Theologie und Paſtor an
St. Marien, neun Jahre fpäter Superintendent. Mehrere ehrenvolle Berufungen ſchlug
er aus Liebe zu feiner Vaterſtadt aus. Müller war feit feinem 22. Xebensjahre ver: öö
heiratet; von feinen ſechs Kindern überlebten ihn drei. Der von Haus aus körperlich
ſchwächliche Mann, der am Ende eines arbeitsreichen und mühevollen Yebens jagen mußte,
daß er fich nicht eines einzigen fröhlichen Tages auf der Welt entjinnen fünne, ftarb
noch vor erreichtem 44. Lebensjahre am 17. September 1675.
Müllers Bedeutung für die ev. Kirche Liegt weniger auf dem Gebiete feiner then: 60
522 Müller, Heinrich
we —— als vielmehr rer Wirkſamkeit.
Iogi üf i ragt er ‚er far m feine %« a — 6 —
elfle * ied rk feiner een pi
5 Mokb den Dei politicn ci ka u Sad im Kine veteris et —*
(1668), u. — Narren re dem d R
— v ovique histo einer au ee
lage Orator ecelesiastieus (1659) und einer ER erer Ge —*
zriften, Gutachten, Disputationen. Polemiſch iſt er der < Ye ne
10x jharf entgegengetreten. Müller ftebt im Jentum ber — die ion —*
55 Lebens üt; En —— iſt vn dan warmen % —
tiefgründenden Glaubens durchweht. Unverftand und Schmäh mäbfucht twagten Bu
(te
— ———
lichen UÜbelſtände,
rn kraftvoll Zeugnis 8 ine rain
Und bierin liegt auch bie eigentliche Bedeutung Müllers für ſeine — en
einer der hervorragenden Bertreter ee ——* auf der einen Seite
* b Reibe ol
er an on einer er G
des | ——
ich iſt
das —— —* feiner gla |
dem Worte der Schrift ie
Thätigfeit mitzuarbeiten. ef Dieter Haifaah E
ie wenige war Müller ung dieſer = e geeignet. usgeftattet mit
30 gründlicher Gelehrjamteit nach * Art und dem Maße ſeiner Zeit und mit reicher
er Begabung, entfaltet er eine oft überwältigende Beredſamkeit, die für ran
er Gemeinde berechnet, im edelſten Sinne des Wortes volfstümlid) genannt werben
muß. Müller gebt in feinen Predigten und Erbauu iften en von dem ——
worte gus oder vielmehr in dasſelbe hinein; es — net
55 tiefes Eindringen in den fachlichen Insel und der 2
wird bis in bie kleinſten ee t, wobei ee bfonderi keiten mit unter:
laufen. Selten wird Müller wirklich Ich und io er es wird, benimmt bie .
und Überfichtlichkeit, die Frifche el ———— der Darftellung, die hfeit,
Anmut und Vieblichkeit des Stils alles Drüdende und Ermübdende Es i 7*—
40 geben — und das macht ihn jo volkstümlich und friſch bis re um —
tiefſten Saiten des — Herzens, wie fe ſich im Volksleben oft äu
und Damit au eg zu dem inneren Leben der Gemeinde zu finden. Das t
Leben des Volkes wird mit tiefem Scharfblide aufgefaßt und klar und faßlich
und zwar in * Sprache, welche, den Periodenbau faſt gänzlich vermeidend, in
—— änigmatiſch klingenden Sätzen, in Antitheſen und —*
körnigen Ausdrüden wie —* energiſch auf den Zuhörer oder Leſer
innen heraus eine Umtvandlung berbeizuführen, Dabei iſt die Nebe von
Allegorien durchzogen und trägt unverfennbar ein gewiſſes rhetoriſches Element an Me
Sieht man von einzelnen Worten und Ausprüden, von Seltjam ab, wie fie jener
50 Zeit eigen find, jo bat man ein Nedt, Müllers Sprache flaffifch zu nennen und —*
der —* * der deutſchen Litteratur eine Stelle einzuräumen.
dem Gebiete der Predigt- und Erbauungslitteratur war Müller ein äu
iftſteller. — erſchien (1659): Der Bm. Liebeskuß oder Übung d — *
—— fließend aus der Erfahrung der * öttlichen Liebe (überarbeitet von
55 Leipzig 1831; abgedruckt Hamburg 1848). Die Kreuz, Buß- und — 661),
unter ber ſchweren Laſt des verantwortungsvollen Amtes aus eigener innerer
heraus gefehrieben, enthält 22 Betrachtungen über den 143. Pjalm; neue
1853, Leipzig 1872. Eine an der Perikopen des Kirchenjahres
bedeutendften — lers: die apoſtoliſche (1669) und ———
co Schlußlette und K ferner bie feſtevangeliſche Schlußfette, die erftere neu beraus-
rs
|
Müller, Heinrich Müller, J. ©. 523
gegeben von Bittcher, Halle 1853 u. 1855, die beiden letteren von Bandermann (2. Aufl.
1881; 1855). Der häuslichen Erbauung dienen als Haus: und Tifchandachten die teit-
verbreiteten gedanfenreichen geiſtlichen Erquiditunden (1664); neuere Ausgaben Leipzig
1872, Hamburg 1889. Site wurden von Genoſſen des pegnefiichen Blumenordend in
Reime gebracht (1673— 1691); aus neuerer Zeit: De Marées, Lieder nad H. Müllers 5
geiftl. Erquiditunden, Cottbus 1893. Der geiftlihe Danfaltar enthält drei Predigten
über Vi 68,20. 21, nad Müllers Wiedergenefung von einer ſchweren Krankheit im
Winter 1668/69 gehalten; neue Ausg. Hermannsb. 1885. In das gleiche Jahr fällt
die Schrift: Ungeratene Ehe (1668). Die Thränen: und Troftquelle oder der Heiland
und der Sünder (1675; neue Ausg. Halle 1855) behandelt in 20 Abfchnitten die Ge-
Ichichte der großen Sünderin Le 7. Auch die neun Paffionspredigten (neu herausgegeb.
von Pafig 1856 und Hartmann 1862) feien hier genannt. Nach Müller Tod erjchien:
der evangelifche Herzensfpiegel (1679), kürzere Predigten über die evangeliſchen Perikopen
(neue Ausg. 2 Bde, Hamburg 1882. 1884), evangel. Präfervativ wider den Schaden
Joſephs in allen dreien Ständen (1681), ebenfalld Evangelienpredigten, und die Leichen- 15
reden: Gräber der Heiligen (1685). — Müller bat auch eine Anzahl geiftlicher Lieder
gedichtet, von denen mehrere in die firchlichen Geſangbücher übergegangen find. Sie find
vergeidmnen bei Fiſcher, Kirchenlieder-Lerifon, Gotha 1878, ©. 458.
üllers Namen muß in der evangelifchen Kirche mit Dank genannt werben. Seine
Schriften haben in der dürren Zeit des Nationalismus das väterliche Erbe des Bibel: 20
glaubens bindurchretten helfen. Die zahlreichen Ausgaben feiner Schriften in der Gegen:
wart fihern ihm auch fernerhin ein dankbares Gedächtnis und find ein Zeugnis dafür,
daß das evangeliiche Volk an gefunder, heilfamer Speife, wie fie ihm bier geboten wird,
noch Geichmad findet. Hermann Bel.
|)
0
Müller, Johann Georg, geit. 1819. — Litteratur: Johann Georg Müller, 25
drei Vorträge von Dr. J. Kirchhofer (in: der Unoth, Zeitichrift für Geichichte und Altertum
des Standes Schaffhaufen, Schaffhauſen 1864, I, 65 ff.). Unterredungen mit der Groffürftin
Katharina und dem Kaiſer Alexander I., aus 3. ©. Müllers Tagebudy (in: der Unotb, 1864,
I, 167). Aus 9%. ©. Müllers GSelbitbiographie (in Gelzers Proteftant. Monatsblättern,
1861, XVIIL, 35 ff.). Frau von Krüdener in der Schweiz, aus J. ©. Müller® Tagebuch (in 30
Gelzers Prot. Mon. 1863, XXII, 195 ff). SGerder und Georg Müller, von H. Baumgarten
(in den BX XXIX, 23ff.). Ueber 3. ©. Müllers Unterhaltungen mit Serena, von %. Zehen:
der. Xitterarifhe Beigabe zum Programm der höhern Töchterfhule in Zürich 1881. Aus dem
Herderſchen Haufe. Aufzeichnungen von Johann Georg Müller, herausgegeben von 3. Bäch—
told, Berlin 1881. Joh. Gg. Müllers Lebenzbild, von K. Stokar, herausgegeben vom hiftor.= 35
antiquar. Verein in Schaffzaufen, Bafel 1885. Der Briefmechjel der Brüder 3. Gg. Müller
und oh. v. Müller 1789—1809, herausgegeben von Eduard Haug, Frauenfeld 1893. Aus
dem Lavaterfchen Kreife, von Eduard Haug. I. Zoh. Georg Müller als Lavaterfhüler in
dirg II. Joh. Georg Müller als Student in Göttingen und als Vermittler zwiſchen den
ürichern und Herder. Beilage zum Jahresbericht des Gymnaſiums Schaffhauſen 1894 u. 1897. 40
Der geſamte handſchriftliche Nachlaß J. G. Müllers, 581 Nummern umtfaffend (dabei
Nr. 37—110 von und über Joh. v. Müller), befindet ſich auf ber Miniſterialbibliothek zu
Schaffhaufen.
Müller, Joh. Georg, Dr. theol., Profeflor und Oberfchulherr von Schaffhaufen, des
Gejchichtichreibers 3. v. Müller Bruder, gehört nicht zu denjenigen Theologen, welche 15
neue große Ideen und fräftiges Eingreifen in die Bewegungen der Zeit epoche:
einwirken ; aber er ift der edlen Reihe derer beizuzählen, deren Leben in ftiller
Thätigkeit, in anfpruchslojen Wirken duch Wort und Echrift dahin fließt, die aber den-
noch durch ihre perfönliche Würde und gediegene fchriftitellerifche Thätigfeit im engeren
und toeiteren Kreife fegensreich und nachhaltig wirken. Geboren den 3. September 1759, 50
genoß er im Haufe feines Vaters, eines Geiftlichen, eine fromme Erziehung nad) altem
Gepräge; jeine Mutter leitete ihn frühe zu Gottes Wort und zur Liebe der alten Kern:
lieder der Kirche Hin, wodurch ein tief veligiöfer Grund und Boden in fein meiches,
empfängliches Herz gelegt wurde. Bon Jugend auf hatte er eine entfchievene Neigung
für die Wiſſenſchaften und einen lebendigen Durſt nad) Wahrheit, und als fein Gemüt 55
die Lektüre von Youngs Nachtgedanken und Lavaters Ausfichten in die Emigfeit
tig ergriffen worden, entjchied er ſich alsbald für das Studium der Theologie. Hierin
hatte er aber viele Kämpfe durchzumachen, bis er zu einer gewiſſen Feſtigkeit gelangte.
uerft begab er ſich in Zürich unter die Yeitung von J. Caſp. Häfeli (fpäter in Deflau,
remen und Bernburg), der mit Pfenninger und Yavater damals eine Träftige Oppoſition er
gegen den überhandnehmenven Nationalismus bildete. In dieſem Kreife wurde Müller
—
z
w
524 Müller, 3. ©.
zwar von einem gewiſſen meichlich asketiſchen Zuge befreit, aber bei der in demſelben
herrichenden Überſchwänglichkeit gelangte er doch nicht zu einem fichen Grunde. Das
zeigte fih in Göttingen, wo er bald einfah, daß fein bisheriger Glaube dem U
der dort vertretenen Neologie nicht gewachſen fei, weswegen er ſich bald mieber
einem anderen Lehrer umfah, der ibm feine fchweren Zweifel löfen und dem gebrüdte
(Jemüt Erleichterung darbieten ſollte. Damals mar eben Herder Stern aufgegangen,
und dieſer z0g ihn nach Weimar, wohin er, mie einjt im Altertum Jünglinge zu großen
Männern, wanderte, um Weisheit zu lernen. Server bebielt den Jüngling em halbes
Jahr in feinen Haufe und geivann ihn fo lieb, daß er bis an fein Ende in
Freundſchaft mit ihm lebte. In Herders Umgang wurde Müller freier, lebensfriſcher und
zu weiterem Forſchen angetrieben, doc war fein Einfluß mehr negativ als pofitiv; im
übrigen aber hatte er Gewinn von dem damals in bober Blüte ftebenden Mufenfit.
Zurüdgelehrt in feine Vaterftabt fühlte er erſt, wie menig Feſtes er im Grunde hatte.
„Viererlei Theologien”, fagt er felbit, „hatte ich nun in meinem Kopfe; nun war einmal
die Zeit für mich da, mid) felbft zu formieren. So oft ich die Bibel las, drängten fih
alle vorigen Ideen jo verwirrt hinzu, daß ib gar nie mit eigenen Augen leſen konnte
und alles vor mir ſchwindelte“. Cr faßte daher den eigentümlichen Entſchluß, alle theo⸗
logifchen Bücher famt der Bibel zwei Jahre lang bei fette zu legen, während biefer Zeit
ſich auf die Haffifche Yitteratur zu werfen, um dann wieder friſch und unbeirrt von an-
nelernten Meinungen das Studium der Bibel vornehmen zu fönnen. Er führte den Ent
ſchluß aus, begann bernac), gleihfam auf einer tabula rasa, das theologifche Studium
mit neuem Eifer und eigentlihem CEntzüden, und fo vollzog ſich, begleitet won ftetem
(Sebet und praktiſchen Erfahrungen, die innere Krife, und er gelangte zu einer gefunden,
auf Die ewige Mabrbeit der göttlichen Offenbarung gebauten, felbit erlebten und fürs
» Yeben fruchtbaren Überzeugung. Da Müller wegen Kränklichkeit feine Pfarrftelle, fondern
nur ein Profeſſorat am Collegium humanitatis übernehmen fonnte, da er zugleich in
einer zwar glüdlichen, aber finderlofen Ehe Iebte und in einer günftigen ökonomiſchen
Yage fid) befand, fo fonnte er ganz den Wiffenfchaften und der Schriftitelleret Ieben. In
feinen ziemlich zahlreichen Schriften, die er aus innerem Drange und zur Belehrung ber
(GBGemeinde, namentlich ber ihm ehr teuren Jugend fchrieb, hatte er vorzugsweiſe ein ape-
logetiſches Intereſſe; er wollte das damals verfannte Chriftentum in feiner Menfchen-
freumblichleit wieder zugänglich, die Bibel in ihrer Herrlichleit und Humanität wieder
brauchbar maden. Man erblidt zwar darin den Einfluß Herders, aber Müller ii pofi⸗
tiver. „Mein theologiſches Syſtem“, ſagt er, „iſt mehr in der Form als in der
von Dem der Alten unterfchieden, und im Grunde die au gburgifche und belvetifche Kon
fefflon immer noch auch die meinige. Nur möchte ich alles mehr fimplizieren, auf bie
Menſchheit und die Bedürfniſſe des größten Teils berfelben, des Volks, anwenden, ben
2chöolaſtleiomus und jede Schulphiloſophie daraus verbannen und die Lehre Jeſu und der
Ypoftel entkleidet von dem jüdiſchen Gewand (das ich übrigens fehr liebe und pafiend
inde) rein und anwendbar für unfere Sen darftellen, kurz die Theologie mehr humani⸗
innen. Da in unfern Tapen alle menſchlichen Mifjenfchaften ſowie alle politifchen und
religioſen Inſtitute ſich zu einer neuen, hoffentlich zu einer jchöneren und reineren Form
emporwinden, fo muſß es auch die Theologie thun; wenngleich ihr Grundftoff, die poft-
tie L'iſſenbarung, immer berfelbe bleibt und bleiben muß“. — Man erfennt aus biefen
Wuperungen Die Vorzüge und die Mängel feiner religiöfen und theologiſchen Schriften.
\n den hiſtoriſchen und kirchengeſchichtlichen Schriften fuchte er eine beſſere Methode dieſer
Roſſenſchaſten anzubabhnen, und er hat ſeinerzeit Dazu beigetragen, dieſe beſſere Methode
u ſarbern. Seine gröſſeren Schriften find: 1. Philoſophiſche Aufſätze, Breslau 1789,
ot tieſer, geiſtreicher Blicke in Philoſophie, Erdbeſchreibung, Politik, Religionsgeſchichte
und vorzüglich altteſtamentliche Theologie. 2. Unterhaltungen mit Serena, moraliſchen
Whaltä, Minterthur 17933 1803, 2 Teile (3. Aufl. 1834, ein dritter Teil nach feinem
abe heranuogegeben von Profeſſor Kirchhofer 1835), entſtanden aus wöchentlichen Auf:
ſaben für feine Uraut. 3. Bekennmiſſe merkwürdiger Männer von ſich ſelbſt, 3 Be,
ut HA (drei andere Bände bat ein Freund von M. fortgeſetzt). 4. Briefe über das
bin der Miffenfchaften, befonders der Gefchichte, Jünglingen feines Vaterlandes zu
geſchrieben, 1798, 2. Aufl. 1817. Treffliche Winke für junge Mänmer, die fich dem
Tienfte des Vaterlandes widmen wollen. 5. Theophil, Unterhaltungen über die chriftliche
Melyyion mit Jünglingen von veiferem Alter, 1801. Es bandelt von Religion, Mytbo-
logie, Offenbarung, Alten und Neuem Teftanent, Leſen und Auslegung der Schrift, und
bat den z3weck, ein gutes Zeugnis abzulegen über die in Verachtung gekommene chrift-
Müller, 3. ©. 625
liche Religion. 6. Über ein Wort, das Franz I. von den Folgen der Reformation gejagt
baben foll, 1800. 7. Reliquien alter Zeiten, Sitten und Meinungen. Für Jünglinge
nah Bebürfnifien unferes Zeitalters. 4 Bde. Die zivei lebten Bände auch unter dem
Titel: Dentwürdigfeiten aus der Gefichichte der Neformation. Auch ein Beitrag zum
Denkmal Luthers und feiner Zeitgenofjen, 180.3—1806. Ein Schatz gebrudter und un= 5
gedrudter Reliquien aller Zeiten voll feiner Bemerkungen und in echt pragmat. Geſchicht⸗
fchreibung. 8. Heinrich Boßhards, eines ſchweiz. Landmanns, Lebensgejchichte von ihm
jelbft beichrieben, 1804. 9. Vom Glauben der Chriſten. Vorleſungen. 2 Bode, 1816,
2. Aufl. 1823. Eine für die damalige Zeit treffliche, anregende Darftellung der chrift-
lichen Religion, Fortſetzung des Theophil, der freilich noch Die tiefere Einficht in die 10
Chriftologie fehlt, was er zum Teil ſelbſt noch erkannte. 10. Blide in die Bibel, mit
Noten zur Bibel von $. von Müller. Nach feinem Tode ald Bruchitüde herausgegeben
von Prof. Kirchhofer, 2 Bde, 1830. Auch diefes Werk follte dazu beitragen, dieſes gött-
liche Buch in feiner Herrlichkeit bekannter zu machen. Seine Abſicht dabet war nad)
feinen eigenen Worten: „DO, daß es doch meinem himmlischen Bater gefallen möchte — 15
das ift oft mein inniger Seufzer —, daß ich den Reſt meiner Tage dazu verwenden
fönne, etwas vecht Gutes zum Beiten der Gemeinde Jeſu und zur freundlichen Belehrung
beſonders junger Leute thun oder fchreiben zu können! Gott erhöre die mein Gebet und
kröne den Abend meines Lebens mit einer len Wohlthat“. Einige Eleinere Schriften
find : Neujahrsgeſchenk für meine Freunde, 1785. — Andenfen an meine Mutter. — 2%
Ueber den AZuftand des hiefigen Religionsweſens, 1803. — Über den Unterricht in der
hriftlichen Religion. — Auswahl biblifcher Sprüche für den eriten Religionsunterrict.
— Eumme des Evangeliums, 1814. — Ind Deutfche überfegt hat er: Mentellas ver:
leichende Erbbeichreibung, 2 Bde, und Dalrymple's Geh. von Großbritannien und Ir—⸗
nd, 4 Bde, 1792—94. — Endlich gab er heraus: J. v. Müllers fämtliche Werke, 25
27 Bde, und im Verein mit J. v. M. und Heyne: Drrbers Werte.
Neben diefer Iitterarifchen Wirkfamteit, — die M. namentlich auf Jünglinge wohl:
thätig wirkte, nützte er ſeinem Vaterlande in mehrfacher Weiſe auf ausgezeichnete Art.
Anfangs Katechet, wurde er 1794 Profeſſor der griechiſchen und hebräiſchen Sprache am
Colleg. humanitatis, ſpäter der Enchklopädie und Methodologie. Die Revolution riß so
ihn aus dem geiftlihen Stande heraus, und er ließ es nur darum gejchehen, meil er
überzeugt wurde, der Vaterftabt auf dieſe Weiſe am nüblichiten fein zu fünnen. Durch
da3 Zutrauen feiner Mitbürger wurde er zuerſt Vollsrepräfentant, dann Mitglied der
Berwaltungstammer, darauf Unterftatthalter, in welchen Stellen er ſtets vermittelnd ein-
griff, Dad gute Neue mit dem bewährten Alten möglichft vereinigend. Während der Me: 36
diation mußte er ſechs Jahre lang Mitglied des Kl. Rats fein, wo er als Oberjchulberr
für Hebung der höheren und niederen Schulen vieles leiftete. Das Schulweſen, zumal
das höhere, lag ihm fehr am Herzen, und feine fohönften Tage waren, wenn er in den
Prüfungen aufgewedte, wohlgeartete, fleißige Knaben ſah. Dies erfegte ihm einigermaßen
Gefühl der Leere in der politifchen Laufbahn, in der er fih oft unmutig über Die 40
verlornen Stunden im Ratzfaal äußerte; Darum verließ er diefe, jobald es möglich war
1809) und behielt bloß noch die Oberfchulherritelle mit dem Profeſſorat bis an fein
de. Gerne fehrte er zu den ftillen Studien zurüd, namentlich zur Bibel; „denn“,
—* er, „wenn ich darin nachlaſſe, ſo fängt nach und nach mein inneres Licht, das
rinzip meiner Ruhe und meines ganzen Glücks an zu erlöſchen und die Freundſchaft 46
mit Gott Fi erfalten”. In dem Jahre, wo er von der politifchen Bürde befreit wurde,
ſtarb ſein Bruder, und das erſte Geſchäft war, deſſen geſammelte Schriften herauszugeben,
was auch zum Ordnen der ſchwierigen ökonomiſchen Umſtände des Verſtorbenen nötig
war. Selten lebten zwei Brüder ſo innig verbunden, wie ſie; von früher Jugend an
liebten fie ji) zärtlich und blieben in dieſer Treue bis in den Tod; die gegenſeitigen co
Briefe atmen die aufrichtigfte Anhänglichkeit und Achtung; fie unternahmen nichts, ohne
es einander mitzuteilen, miteinander teilten fie Freud und Leid, und namentlid war es
G. M., den die Schidjale feines Bruders oft fehr drüdten; er nennt ihn nur „feinen
lieben Seligen”. Müller erhielt einigemale Vokationen ins Ausland, jo nad Kiel und
t g, allein er zog es vor, feiner Vaterſtadt zu dienen; nur einmal madte er mit ss
feinem Bruder eine größere Reife nach Wien, dagegen war feine Korrefpondenz mit aus-
wärtigen Gelehrten eine jehr ausgedehnte, und die zahlreichen Beſuche, die er erhielt,
feßten ihn jtet3 in lebendigen Verkehr mit der theologischen und politifchen Welt. Bei
den Durchzügen der Alliierten 1813 und 1814 fam nicht leicht ein angejehener Fremder
durch Schaffbaufen, der ihn nicht bejucht hätte; mit dem Prinzen von Preußen, dem
B Müller, J. ©.
nen ‚zeugen: rt Legterem berivendete er jich für Die Neutralität der
> 00 Dresn ce ten vielfach von ibm über die chriftlihe Religion be:
. m ms dem Schriftchen: Von der Zumme des Evangeliums. Auch
oe zn. Mich. Sailer, Stand er in freundfchaftlichem Verkebr;
22 same tediiche von beiden Seiten, es ſtehe einer Vereinigung
a vi wor im Wege! Ebenſo batte er zu der Brübergemeinde
= on..to ad men, er möchte wohl feine lebten Tage an einem ihrer
- Zst nwaenseeich wirkte er durch feine Mäßigung, als Frau von
‚sw, and als ſpäter Die bekannten religiöfen Bewegungen im
2 wor ‚ve einereits Gewaltmaßregeln won Seite der Bebörben ab,
. wenn Me Erweckten vor den ihnen nabe liegenden Fehlern (val.
>... Deore, Suwi "SD, 2. 132. 137-147). Wie ſehr Deutfchland ferne
. zum pen, Lewieſen Die Umiverfitäten Tübingen und Jena, Die ihn bei
ve. zesnötbtums zum Doktor der Theologie freterten. Am Schweizer
io. ra am wein Mal öffentlih auf, indem er eine Rebe über die
nu a ndrndft murde Bald darauf ftarb feine Gattin, feine von Jugend
x waren run run vollends zuſammen, und er entichlief im Frieden
Zunenerr IS19. Die Kirche batte an ibm einen Mann, der im ebeliten
se Sortesgelebrter, ein Schriftgelebrter, gefehidt zum Neiche Gottes
see nid auf religiöfem Grund und Boden, der nur in den Überzeugungen
> ur mlte den Zweck irdiſcher Exiſtenz gelöſt ſah. Sein Hauptverbienft
unter ser ein kräftiger Zeuge war, ein heilſam vermittelndes Zwiſchen⸗
oa N en Irtbodorie, Durch die Zeit Des Nationalismus hindurch bis zum
or ent Oiaubens: und Erkenntnisleben der Neuzeit; an ibn fchloffen fic
Tu Neu und feiner Gemeinde wie er die Chrijten gerne nannte
a ne ah Wir fünnen ibn bierin neben J. Jak. Heß, Antiftes von Zürich,
N ind reniger auf dem (runde der objeftiv gewiſſen Kirchenlehre als der
area Terwtiytung gewonnenen Glaubenserkenntnis. Müllers äußere Erfchei:
snetshtd und Doch im höchſten Grade anziebend, eine bobe, edle Geftalt,
ande Zittte, belle, blaue Mugen, woblgeformte gebogene Nafe, freundliches
2 tod and Sanfte Stimme.
Dr. 3. Kirchhofer F (G. Kirchhofer).
anam. \ N. Georg, Profeſſor in Baſel, geſt. 1875, mar ein Freund des
oe Nett Eneptlopädie und Mitarbeiter an der eriten Auflage derfelben,
8a ad asline von Hagenbach und Stäbelin, neben denen er über 40 Jahre
orten Neo gemeitlamen Waterjtadt gewirkt bat. Beſonders mit Ichterem eng
S2 nom bene Tage mach ibm entjchlafen. Auch von Müller gilt, was
he NV 2.0570 der 2. Auflage) gejagt wird: „Er war nidt en
Era tyidtart aber ein gewiſſenhafter, forgfältiger Arbeiter; nicht ein durch
NE enender, aber treuer, bingebender Yehrer“. Von jenen drei Man:
802 ann wc Ber tbeologifchen Fakultät Baſels ihr Gepräge gaben, iſt Müller
X rasee banber wobl in der wifjenfchaftlichen Welt am wenigſten von fib
ce Na ne Arbeiten waren nicht jo jchriftitelleriich gewandt, wie Die
ns tn, te rufen nicht einen jo im Vordergrund Des tbeologifchen Sn
"Sande Mupriitund, wie Diejenigen Ztäbelins über den Pentateuch. Aber er
are Nana Nat originellſten, am ſchärfſten ausgeprägten Charakter, was fid
wa he und Bildungsgang erklärt. Während jene beiden aus den
. Na Busse Sewworgingen, war Müller ein Sobn des bürgerlichen Mittel:
Te Nana Wire stets behalten. Während jene raſch und früh auf Lehrſtüble
| So. Nein Jiel erſt weit ſpäter erreicht, unter Beweifung von ebenjoviel
san, a Nichämendes Vorbild für eine ungebuldige, nach hohen Zielen
ann DEE . - . 0
ID is Want geboren ben 8. Mai 1800 als das einzige am Leben ge
ugeroleute und erſtarkte aus einem fchwächlichen Anaben erft
a akt, Div er Dann auch zeitlebens behalten hat. Mit 15 Nabren
su an Soabre lebte er von da an zulammen mit feiner tter,
mg N Fagitt Det Vereinſamung und bes Alters. Gr erhielt „eine
.. u Nr wi vrnebme Erziebung”, und mußte früh für feine Bebürfnifie
x
x au
Müller, J. ©. 527
jelbft forgen. Erſt 1847 war es ihm vergönnt, in den Eheitand zu treten mit Emilie
Burdhardt, der Schweſter ziveier feiner Studiengenofjen und Tochter einer durch Gelehr-
famkeit und Tüchtigfeit hervorragenden Familie Bafeld. Mit ihr bat er „eine unerwartet
lange Reihe von Jahren in glüdlicher (wenn auch finderlofer) Ehe verbringen und 1872
feine filberne Hochzeit feiern dürfen”. 6
Unter den geichilderten Verhältniſſen feiner Jugendzeit war fein Bildungsgang fein
vom Glüd begünitigter. Pahrend bei dem damaligen troſtloſen Zuſtande der Bildungs⸗
anftalten Bafels feine mohlhabenderen Altersgenoflen ‘Privatunterricht erhielten, mußte er
elbft früh jolchen erteilen. Bon 1818 bis 1825 ftudterte er an der Hochichule Philo—
opbie und Theologie. Während eritere Fakultät etwas beſſer bejegt mar, bot letztere ſo⸗ 10
Anlegen nichts und war gänzlich in Verfall, bis 1822 de Wette fam, an den dann aud)
üller fich anfchloß und dem er viel verdankte. Der Beſuch einer auswärtigen Hoch-
fchule war ihm unmöglich; einigen Erfaß mußte er darin fuchen, daß er in feinen jpä-
teren Semeitern bei Hagenbady und Stähelin, welche auswärts geweſen waren und nad)
ihrer Rückkehr ſich als Docenten habilitierten, Borlefungen hörte. Einen anderen Erfat 16
bot ihm das mit großem Fleiß betriebene PBrivatitudium, ſowie der Umgang mit ftreb:
famen Studiengenofien. Er pflegte nach damaliger Sitte eifrig die Freundichaft und
war in feiner langen Studienzeit mandem Mitjtudierenden ein zuverläſſiger Leiter und
Führer in Arbeit und Genuß; man mußte: wo Müller dabei ift, gebt nicht? Unrechtes
vor. Er war auch lange Präſes des damals neu gegründeten, als waterländiiche Ber: 20
bindung auf allen ſchweizeriſchen Hochichulen noch blühenden Zofingervereind. Erſt 1825
gelangte er bei der Gründlichkeit, womit er alles betrieb, zu Examen und Ordination,
und fonnte nun mit einem Freunde, von einigen Gönnern unterjtüßt, eine 7monatliche
Reiſe durch Deutichland antreten, die ihn mit den meiften Hochiehulen und vielen be-
deutenden Gelehrten befannt machte. Nach feiner Rückkehr führte er fein früheres Leben 25
noch Sabre lang fort, Privatitunden erteilend und aushilfsweiſe kirchliche Funktionen aus:
übend, wurde aber immer mehr inne, daß er zum Predigtamt nicht gefchaffen fei. Erſt
Oftern 1828 erhielt er eine bejcheivene öffentliche Anftellung als Lehrer der lateinischen
Sprache an der eriten Klafje des damaligen Pädagogiums (der Unterſekunda entfprechend)
mit acht wöchentlichen Stunden. Drei Jahre darauf wurde er zum „Lektor“ (eine Art so
ilfslehrer) in der theologifchen —5*— ernannt, nachdem er das Licentiatenexamen be—
den; 1835 zum ordentlichen Profeſſor; 1840 erhielt er von ſeinen Kollegen den Titel
eines Dr. theol. und 1856 denjenigen eines Dr. philos. Wenn einem Theologen, ſo
gebührte ihm der letztere bei ſeiner ungemein reichen ſprachlichen und hiſtoriſchen Bildung.
Er bat denn auch als Profeſſor nach wie vor jene Stunden am Pädagogium erteilt und 36
„38 Jahre lang unter dem empfänglichen Jugendalter mit viel Freude und Anerkennung”
fortgeführt. In diefer ganzen Zeit hat er drei Stunden, zwei aus Anlaß feiner Hochzeit
und eine ivegen Unwohlſein verfäumt. In der alten und neuen Gefchichte, wie in den
Ereigniffen der Gegenwart war er gründlich bewandert und namentlid) ein großer Ver:
ebrer der Schriften Sohanns von Müller. 40
Das ihm als theologischem Lehrer angemiejene Gebiet war vor allem die neutefta-
mentliche Erklärungs- und Einleitungswiſſenſchaft. Wie genau er zu Werke ging, zeigt
el darin, daß er die dem NT zeitlih und ſprachlich am nächften ftehenden Schriften
Philo, des Joſephus und der apoftoliichen Väter einläßlich ftudierte und zur Er:
Härung des NTS berbeizog. Er hat mehrere derfelben jemeilen mit den Studierenden 45
gelefen und 1841 Philos Weltihöpfung, 1869 den Brief des Barnabas mit Kommentar
ausgegeben. Ebenſo erichien nach jenen Tode, drudfertig binterlajfen, das Buch des
ofephus gegen Apion, 1877 herausgegeben nad) feiner Anoronung durch feine Kollegen
iggenbacd und v. Drelli. Auch erichten 1870 von ihm ein Programm über Philos
merkanifche Erwartungen. Belonders geichägt waren feine Vorlefungen über Einleitung so
ins NZ, wo er ſich mit der ihm eigenen Gründlichfeit und Nüchternheit mit der Baur:
Ir Kritik auseinanderfegte. Liber jein Verfahren hierbei fagt er: „Die neuere Tübinger:
e Batte einerfeit3 manche Einſeitigkeiten der vorftraußifchen Vermittelungstheologie in
der Prioritätsfrage mancher neuteit. Bücher bloßgelegt, andererjeits es klar gemadt, daß
mit der prinzipiellen Leugnung des Wunders fonfequenteriveife auch das gejamte pofitive
biftorifche enrientum an den Pantheismus müfje abgegeben werden, wofür den Beweis
chlagender führte als D. F. Strauß jelber. Gegenüber einer ſich meit ver:
breitenden Art und Weife, alle Ergebnifle der negativen Kritif der gedantenlofen Untillen.
ai als Reſultate der freien Forſchung binzuftellen, fuchte ich meine Zuhörer zur wirklich
ien Forſchung binzuleiten und fie zu gewöhnen, in kritiſchen Dingen mir fo wenig als vd
&
528 Müller, 3. ©.
einem andern aufs Mort zu glauben, ſondern die Gründe für und iiber Bi ſtreng
Das anbere Gebiet eudafe und chen Wirkja ne
ber vergleichenden Neligi * Die Se au nd — kan, ———
— Naturreligionen b
i dieſen und dem bibli l
weiſe iebt, ab von der Natur feines eigenen Glaubens. to durchdrang
nei org Die ini vo wie fich = *55 —* —* —* ff
auch |
0 Semiten und Chamiten, deſſen Yöfung er g- ganz selbftite iger we bat. Jr
einem Programm wirft er 1860 die ‚Frage auf: Wer find denn die Semiten ——
welchem Recht ſpricht — von —* hen Spraden? Ein veites von 1864
von der Nationalität der Hyffjos und der Abilifter und 1872 erſchien das N Die
Semiten in ihrem Verhältnis zu Japhetiten * Chamiten. In —— * er zu
35 —— daß der Name Semiten wohl einer G verwandter Völker gebühre, aber
kein richtiger Name ſei zur — einer Klaſſe von Sprachen. "es man als jemi-
tiſche Sprachen bezeichne, jollte man vielmehr chamitische nennen. Wir fünnen und wollen
bier über die Stihhaltin eit diefer Aufjtellung nicht urteilen, aber Fleiß und Geift wird
„* der Gegner dem Werke nicht abſprechen.
Müllers Arbeiten zeichnen ſich nicht aus durch ſ i
—— allenthalben von ſorgfältiger und ſelbſtſtändiger
Bi legte er * nur zu wenig darauf an, zu ——
— a hatte Bu, A es — Gr = zei ——
45 iſſen, t, aller Bequemlichkeit :
RT. N
an bie nötige.
So bat er
* Be N) m hu * er von 6—7
tägli ‚ oft mit en orrigierten
co ſchreiten, ein echtes Original, — *
Müller, 3. ©. Müller, Julius 529
Im Sabre 1874 verfaßte er cine Skizze feines Lebenslaufes, welcher die Eitate in
diefem Artilel entnommen find. Im Sommer 1875 erfrankte er an einem Geſchwür in
der Speijeröhre. Erit auf ausdrüdlichen Befehl des Arztes ftellte er feine Vorleſungen
ein, nach einem Ohnmadtanfall traf er feine lebten Anordnungen. Drei Tage darauf,
am 31. Auguft 1875, iſt er fanft und ruhig entichlafen. 6
Berfaßt nad) der erwähnten Skizze, einem Nekrolog von Prof. Riggenbah im
„Kicchenfreund” 1875, Nr. 18, und perjönlicher Erinnerung. Jakob Kündig.
Müller, Julius, get. 1878. — Quellen: Der handfchriftlihe Nachlaß. Die Le:
bensſtizze ſeines Schwiegerjohnes: D. Julius Müller. Mitteilungen aus feinem Leben, auf:
gezeichnet durch D. Leopold Schulte, General:Superintendent, Bremen 1879. 10
Julius Müller, der Hallefhe Toogmatifer und theologiſche Vorkämpfer der evan—
gelifchen Union, war geboren am 10. April 1801 zu Brieg als der zmeite Cohn des
damaligen Tseldpredigers, ſpäteren Superintendenten in Oblau, Karl Daniel Müller. Oftern
1813 folgte er feinem älteren, ihm zeitlebens durch die innigfte Freundichaft verbundenen
Bruder Karl, der Welt unter dem Schriftitellernamen Otfried befannt, auf das Gym⸗- ı5
naftum in Brieg, Oſtern 1819 auf die Univerjität Breslau, wo er zunädft auf Wunich
der Eltern Jurisprudenz ſtudierte. So fleißig er aber auch das juriftiiche Fachſtudium
betrieb, jo übten doch die hiftorifchen Vorlefungen bei Wachler und die philofopbijchen
bei Steffens, dem väterlichen Freund der beiden Brüder, eine ungleich höhere Anziebungs-
kraft. Eine Frucht feiner Studien war die Löſung der Preisaufgabe der philofophifchen >
Fakultät: de relatione quae intercedit inter ius naturae et positivum. Im Herbft
1820 nahm ihn Otfried, jet Profeflor der Archäologie an der Georgia Augusta mit
nad Göttingen, two ſich ihm in der engften Gemeinschaft mit Otfried und deſſen yreundes-
freis eine Fülle von Anregungen bot. Auch in der Jurisprudenz ſchien er bier tiefer
zu mwurzeln, denn er erbielt für die Löſung der Preisaufgabe: Ratio et historia odii >;
quo foenus habitum est, am 4. Juni 1821 den Preis und fie wurde, als ſie gebrudt
vorlag, aud von Savigny günftig beurteilt. An feinem jpäten Lebensabend trug fie ihm
die freundliche Aufmerkſamkeit der juriftifchen Fakultät in Halle ein, die ihn am 50. Sahrestag
der Preisverteilung zum Doctor utriusque iuris honoris causa freierte. Und doch
batte ſich jchon damals der innere Umſchwung vollzogen, der ihn der Theologie zufübrte. so
Nach feinem eigenen Belenntniffe verzehrte fich Schon länger feine Seele in einer tiefen
Sehnſucht nad) einem böberen Lebensideal, welche alle feine Studien und geiftigen Ge-
nüſſe auch in diefer erjten jo reichen Göttinger Zeit nicht fättigen fonnten, bis er ſich
endlid „von Evangelium mit deijen göttlicher Kraft im innerjten Gemüt ergriffen und
mit dem Frieden befeligt fühlte, den allein Chriftus geben kann“. Er erfannte darin eine 35
göttliche Berufung, der er nur zu folgen vermochte, indem er Ir der Theologie widmete.
it aus Ungefhmad an der Jurisprudenz — „aber mein Beruf ift fie nicht. Ich bedarf
jet eines Berufs, der immer in unmittelbarer Beziehung auf das Höchjte im Xeben und
auf Gott felbit fteht”. Diefe innere Umwandlung war fein Werk perfönlicher Einflüſſe.
Die eriten leifen Spuren führen auf die Gumnaftalzeit in Brieg zurück und damit auf 40
den allgemeinen Herd der jchlefiichen Erweckung, die getvaltige Vertiefung des religiöfen
Lebens infolge der Freiheitskriege. Cine gewiſſe Vermittelung übte ohne Zweifel fein
durch den Bruder beitimmter Bildungsgang. Der reihe Strom einer erneuerten gejchicht-
lichen Wiflenichaft, der aus der abgeflärten Romantik feinen Urſprung nah, wie fie in
Otfried ſich ihm darftellte, gewährte ihm die Mittel, die Fadheit der rationaliſtiſchen Ver- 45
flahung zu durchſchauen und das Evangelium in feiner Echtheit und Urjprünglichkeit
aufzufafien. Als eine urfprüngliche Wirkung des göttlichen Worts auf den empfänglichen
Geiſt des Jünglings und zwar auf die Tiefen feiner ſittlichen Natur und ihren hoch—
gefpannten Idealismus --- jo ift die erfahrene Erwedung zugleih Ausgangspunft feiner
eigentümlichen theologischen Entividelung. Zunächit freilicdd mußten bei der reinen Innerlich- 50
keit des Erlebniſſes und der Iſolierung von allem lebendigen Chrijtentum noch ſchwere
Anfechtungen überwunden werden, beionders als nun fein in der Schule des Bruders
an fo ganz andere Koſt gewöhnter Geiſt die damalige Göttinger Theologie fennen lernte.
Mit leivenfchaftliben Ungeftüm warf er fih auf die neueſte Philoſophie und die alte
Mytbologie, ohne daß er bier die Mittel fand, die aufgetauchten Zweifel zu befebwichtigen. 65
Der Sommer 1822 in Breslau fteigerte die Krifis zu ihrem Höhepunkte. Da war es
Tholud, der berufen war, auf enticheidende Weife in das Leben J. M.s einzugreifen. In
welhem Umfang er damals vermochte, in die Seele des Freundes das löfende Wort
bineinzurufen, davon giebt der öffentlihbe Dank Zeugnis, den ihm J. M. 50 Jahre fpäter
Real-Encyllopädie für Theologie und Stirche. 3. A. XIII. 34
*
530 Müller, Julius
in der Widmung der 1870 erjchienenen dogmatifchen Abhandlungen abgeitattet bat. „Tu
machteft mich damals auf den fittlichen Geift des Chriſtentums aufmerlfam und erweckteſt
in mir wieder die Zuverficht, daß im evangelifchen Glauben die feligmachende Wabrbeit
zu finden fei und außer ihm nirgends.“ Nach den gleichzeitigen Briefen war es nicht
6 Tholuds Theologie, ſondern feine chriftlihe Perfönlichkeit, die ihm mit überzeugender
Gewalt im lebendigen Glauben an den Herm den feiten Punkt gewinnen ließ, von wo
er W der gerade ihm eigentümlichen Anfehtungen mit Erfolg ertwehren konnte. Dieſe
Anfehtungen kamen ihm aus der philofophijchen, alles Lebendige in ihrem Wirbel ver:
zehrenden Idee des Abfoluten als der Aufhebung aller Gegenfäge, in deren Abgrund wie
19 die ganze Entwidelung der Bhilofopbie, fo alle Mege eines konſequenten Denkens unent-
rinnbar einzumünden fchienen. Es zeugt von feinem ftarten fpetulativen Trieb, daß ber
Geiſt 3. Ms fo furdtbar won diefer dee geängitigt wurde.
Auf dem gewonnenen feiten Glaubensgrunde baute fih nun für J. M. nit nur
ein neues Leben, fondern auch eine fruchtbare Fortſetzung jeines theologiſchen Studiums
auf. Den Winter über blieb er noch in Breslau, in der innigften Gemeinfchaft des
Gebets wie des Forſchens mit einem Kreis gleichgefinnter Freunde, zu dem auch Richard
Rothe gehörte, ferner mit Lehrern mie Steffens und Scheibel, durch die er mit der Grai
v. d. Gröbenfchen Familie befannt wurde, in welcher ſich damals Anna Schlatter aus
St. Gallen aufbielt. Oſtern 1823 aber folgte er der dringenden Aufforderung Tholuds,
20 nach Berlin zu fommen. Worber verlobte er fich noch mit Flora Holenz Das Glüd
diefes bräutlichen Verhältnifjes verbunden mit der wachſenden Blerophorie feines Glaubens
und feiner theologifchen Überzeugung machten das Jahr in Berlin zu einer Zeit fchönfter
Entfaltung jeiner reichen Begabung. Fand er doch auch bier die Lehrer, die fein innerfies
Bedürfnis befriedigen konnten. Dies mar nicht Schleiermacher — weder feine Predigten
25 noch feine Vorlefungen vermocten ihn anzuziehen — fondern Strauß und Neander. Bei
jenem fand er die feinem deal entiprechende Vereinigung von Wiflenfchaft und Praxis
auf Grund einer lebendigen Erkenntnis des göttlichen Wortes, des „Zentrums aller Theo:
logie”, bei Neander empfing er nachhaltige Anregungen für feine miflenjchaftliche Weiter:
entwwidelung aus der fpelulativen, an Origenes und Auguftin ſich anſchließenden Seite
3 feiner Theologie, für welche 3. M. ftets von befonderer Hochachtung t blieb. Der
innige Wunfh Neanders war, ihn für die alademifche Laufbahn zu gewinnen. J. M.
blieb jedoch feinem ſchon in Breslau gefaßten Entſchluß treu, und ein praftifches
Pfarramt zu ſuchen. Ende März 1824 beftand er vor dem Berliner Konftjtortum „vor:
züglih gut” das 1. Eramen, ebenfo ſchon Anfang Dezember in Breslau das zweite.
3 Schon im Februar 1825 mäbhlte ihn die Gemeinde Schönbrunn mit Roſen bei Strehlen
um Nachfolger feines nach Wernigerode berufenen Freundes Ravel. Am 10. Apri
feinem Geburtstag, ward im Pfarrbaufe zu Tichöplomis Hochzeit gefeiert, am 6. Mai
erfolgte die Ordination in Breslau und am Sonntag vor Pfingften die Einführung in
Schönbrunn.
40 Die Liebe und Empfänglichkeit der Gemeinde, die Gunft der äußeren Verhälmiſſe,
das Glück feiner auch bald mit Kindern gejegneten Ehe vereinigte fich hier zum lieblichiten
Pfarridyll, in das nod oft aus der Arbeitshetze der fpäteren Jahre die Erinnerung ſehn⸗
füchtig zurückkehrte. Bald aber wedte die Muße, die ihn fein Pfarramt ließ, den Trieb
zu litterarifcher Thätigkeit, für welche eine Fülle von Plänen in ihm entitanden. Zu:
4 nächſt mit den Worarbeiten für eine Geſchichte des Pietismug und der deutfchen Myſtil
befchäftigt, ward er durch die Theineriche Schrift: „Die katholische Kirche, beſonders in
Schleften, in ihren Gebrechen dargeftellt von einem fatholifchen Geiftlichen”“ in eine an
ſich eneutungelofe littevarijche Fehde vwerwidelt, die aber aus demfelben Intereſſe an der
Selbſtſtändigkeit des Firchlichen Xebensgebiets entjprang, das bald die ernfteften Kämpfe
für ihn beraufbefchwor. Was ihn gegen Tbeiner zum Widerſpruch reizte, war, daß
derjelbe die Staatsgewalt anrief, das Werk der Reform der Kirche in die Hand zu nehmen.
Allmäblich verliefen fich die durch feinen Widerſpruch aufgeregten Wogen. Die Nähe der
„subelfeier der Augsburgiſchen Konfeſſion ließ den Plan einer Feſtſchrift über den Wert
und die Bedeutung jombolifcher Bücher für die proteltantifche Kirche in ihm
s die nachweifen follte, daß die protejtantifche Kirche zwar nicht auf den Buchitaben der
Symbole verpflichten dürfe, daß aber eine Verpflichtung nur auf die heilige Schrift feinen
beitimmten Zinn und Inhalt haben würde. J. M. war noch in der Umformung de
reichlich gefammelten Materials in die von ibm geliebte Kunftform des Geſprächs be-
nriffen, als ibm neue Kämpfe die Muße zur Vollendung raubten. Nachdem fchon ein
w Aufſatz über die Ehebündniſſe zwischen Gefchiedenen im Märzbeft der Evangelifchen Kirchen:
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Müller, Julius 531
zeitung von 1829 durch fein Eintreten für die Freiheit der Kirche in Berlin den größten
Zorn erregt hatte, geitaltete fich fein Widerfpruch gegen die Behandlung der Agenden: und
Unionsangelegenheit direkt bebrohlich für feine amtliche Stellung. Derjelbe galt nicht dem
Inhalt der Agende und ebenſowenig der dee der Union, wohl aber der ftaatlidyen Ein-
miſchung in dieſe rein Firchlichen Fragen. Am Mai 1830 erfolgte feine pofitive Erklärung :
an das Konfiftorium, daß er die Agende nicht einführen werde, im Juni die ebenjo ent:
chiedene Ablehnung des Unionsritus. Der unvermeidlichen Abjegung, der er mit voll:
fommener Ruhe entgegenfah, entzog ihn jedoch rechtzeitig die durch feinen Bruder Otfried,
ſowie feine Freunde Lücke und Srnstoalp betriebene Berufung zum Univerlitätöprediger
in Göttingen. Damit war der Übergang zur alademifchen Yaufbahn gegeben. Seiner:
Antrittspredigt Auguft 1831 folgte im Winter darauf feine Habilitation. Seine Differ-
tation: Lutheri de praedestinatione et libero arbitrio doctrina interejjierte befon-
ders durch den Nachweis, daß Luther feine in der Schrift de servo arbitrio geäußerten
Anfichten der Hauptjache nach immer beibehalten habe. Troß der äußerlich geringen Aus—
dehnnung feiner Wirkſamkeit verbreitete ſich doch fein Huf als Prediger und Dozent fo
(nel, daß zahlreiche Berufungen erfolgten, beſonders als im Jahre 1833 feine erite
itarbeit an den ThStK, die Recenfion über die Göfchelfchen Schriften, und die erite
Sammlung feiner Predigten in die Hände des Publiftums famen. Die Ernennung zum
außerordentlichen Profeſſor 1834 konnte ihn noch in Göttingen halten, aber ſchon im Herbſt
d. J. kam die Berufung auf den ordentlichen Lehrſtuhl für Dogmatik nad Marburg, dem er 20
ſich nicht entziehen konnte. Ein fchöner Beweis der bei der Göttinger Fakultät errungenen
Stellung war das theologiiche Doftordiplom, das ihm jein Freund Lücke nach der Ab:
chiedöpredigt März 1835 in der Sakriſtei überreichen durfte.
In dem reizend gelegenen Marburg, begünftigt durch das ſchönſte Tollegialiiche Ber-
bältnis zu Freunden wie Hupfeld, Kling, Sengler, C. Fr. Hermann, Puchta, jpäter 2:
V. A. Huber, vermochte fich feine akademiſche Wirkſamkeit voll zu entfalten. Aber die
geiftigen Berwegungen der tief erregten Zeit riefen ihn aud) auf den litterarifchen Kampf:
plag, um antithetifch mie thetiſch den Standpunft einer wahrhaft wiſſenſchaftlichen und
gläubigen Theologie gegen die immer heftiger werdenden Sturmläufe der antichriftlich ſich
entwwidelnden Zeitphilofophie zu verteidigen. Antitbetifch geſchah dies durch Nachweis der :
Unvereinbarkeit der Hegelichen Philoſophie mit dem Ehriftentum in den Necenfionen der
Schriften von Richter, Göfchel, Weiße und Fichte über die Unfterblichkeit (Nahrg. 1835
der ThStK), ferner durch die Necenfion von Strauß’ Leben Jeſu (Jahrg. 1836). Vom
richtigen Begriff des Mythus aus wurde hier in erfolgreicher Weiſe, Die auch den vollen
Beifall Otfrieds, des berufenen Forſchers auf dem Gebiete der alten Mythologie, fand, 35
die Anwendung beftritten, welche Strauß von demſelben auf die evangeliiche Gefchichte
gemacht hatte. Die Replik von Strauß im 3. Heft feiner Streitjchriften veranlaßte J. M.,
im Jahrg. 1838 der ThStH nody einmal das Wort zu einer Gegenbemerkung zu nehmen,
in dem er den Verſuch von Strauß zurückweiſt, die auflöfende Wirkung feines Grund:
prinzip anf einen hiftorifchen Kern des Lebens Nah zu verhüllen. Das lebte Glied in
diefer Reihe iſt die Haffifche Necenfion von Feuerbachs Weſen des Chriftentums. Hatte
ſich in Feuerbach der Straußfche Gegenjag zum Chriitentum zum Gegenjag gegen alle
Religion geiteigert, jo war durch diefe Stadien des Entmwidelungsganges der modernen
Pbilofophie der Beweis gegeben, daß fie nur im nadtejten Naturalismus enden fünne.
Beveutfamer noch als diefe Fritiichen Beiträge Sollte das theologifche Hauptwerk 15
3 M.s in die Entwidelung eingreifen, deilen Ausarbeitung wejentlih noch in die Mar:
burger Zeit fällt, feine „chrijtlihe Xebre von der Sünde”. Die Vorarbeiten dazu batten
bon in Schönbrunn begonnen, aber erft im Sommer 1838 gelang ibm ein vorläufiger
bſchluß. „Vom Weſen und vom Grunde der Sünde“, eine theologische Unterfuhung
von J. M. — jo lautete der Haupttitel des Werke, das fih jedoch durch einen Neben: w
titel nur als der 1.Band eier chriftlichen Lehre von der Sünde anfündigte. Der 2.Band
erichien erit zugleich mit einer neuen Ausarbeitung des 1. Bandes im Jahre 1844. Das
urfprünglihe Werk war der theologijchen Fakultät zu Göttingen gewidmet zum Dank für
das Ehrengeſchenk der theologischen Doftorwürde. Widmung wie Vorrede nehmen ihren
Standpunkt auf dem protejtantijchen Grundfaß freier wiſſenſchaftlicher Forſchung, der feine 55
andere Autorität anerfennt als den unwandelbaren Grund des göttlichen Wortes in der
heiligen Schrift. Zu dieſem Standpunkt gehört die Zuverficht, daß das wiſſenſchaftliche
Denen mit dem chriſtlichen Gefühl nicht in Widerſpruch ſtehe, insbeſondere das Denken
über die Sünde nicht zur Vernichtung des „religiöſen Grauens” vor ihr führen müſſe.
In diefen Worten der Vorrede Liegt der entfchiedene Gegenfaß, in der J. M.s chriftliche vo
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"gli — ntereſſe beſeelte Neander, den hochbegabte
3 und undeögenoflen im Kampfe gegen Die 5 Die Send Zeitphilojophie für 9 reufer Y
gewinnen. Obwohl J. M. jede Retraftation ablehnte, gelang es doch die mächtiger
eneinflüffe der Heg ichen Goterie im Minifterium Altenftein zu überwinden. Bere
unter dem 11. März 1839 erfolgte ohne weitere boraufgegangene Verhandlung die
— Ernennung. Die Loslöſung von Marburg im Herbſt 1839 und das leinlebe
alle follte jich freilich unter ae Serra Erlebniſſen vollzieben. Am 13.
u jeine Gattin Flora, die treue feiner fieben überlebenden Kinder. Am 1.‘
1840 ftarb n Atben auf einer Forichungsreije jein Bruder der id, denken wie
ein Bruder, der ihm der te Freund geweſen war.
a warb ihm im dem Bund mit Elifabeth Klugfift, der Sägen |
8, U. Huber, zum zweitenmale das böchfte dentbare Glück der Ehe Geh jo
ichmerzlicher, daß dasjelbe nur von furzer Dauer fein follte. Am 5. Otte 1844 ward
er zum ziweitenmale Wittver, eine Heimfuchung, zu deren — ba ben chwer
mütigen Grundzug ſeines Temperaments und der eigentümlichen —— Empfinden
ſeiner ganzen Pflichttreue und Glaubensenergie bedurfte, um bei w Geſundhei
so den Anforderungen gerecht zu werben, welche das akademiſche Lehramt nicht wenige
die Entwickelung der Kirche und Theologie, beſonders jeit der ——
Wilhelms IV. an ihn ſtellten. Allerdings ſetzte er dem Plane des Mini |
ihn ins Kirchenregiment zu ziehen, den entſchiedenſten Miderjtand entgegen, aber — er⸗
ſtattete ibm im einer Reihe der wichtigſten Angelegenheiten fein faſt immer erfolgreich
5 Butachten. Den Höbepuntt, aber auch den Wenbepunft feines —— auf kirchen
—— Dinge bezeichnet ſeine Teilnahme als —— der Falultät
Generalſynode von 1846. Das Intereſſe, das J. M. an derjelben ne
aufs engjte mit feiner Stellung zur Union zujammen. Sein —
* e Behandlung der Unionsſache war mit der eingetretenen —
oo vegimentlichen Grundſätze hinfällig geworden. Um jo mehr galt es, das
Müller, Julius 533
und dadurch für cine gedeihliche Entwidelung der Unton Bahn zu
beginnt fein als Referent der erſten Kommiffion über die Angelegen-
;:ttetes Gutachten mit einer entichievenen Verurteilung der bisherigen
berechtigt der Grundgedanfe Friedrich Wilhelm des III. war und fo
bite Moment, jo feblerbaft war es, daß man gegenüber der bedenklichen
haft eines den Unionggedanten verfälfchenden Indifferentismus gegen alle
des Glaubens nicht tvagte, die Glaubensgrundlage der Union zu betonen,
»auptgewicht auf Konformierung im Kultus durdy den Unionsritus beim
ch und die Agende legte. Soll aber Gleichförmigkeit in Kultus und ebenfo
.» Mirchenregiments irgend einen Wert haben, fo muß beides auf einer Gemein- 1v
blaubens beruhen. Ohne dieſe lebendige Seele der Glaubenseinheit wäre die
»diglich „ein diplomatisches Werk, unvermögend eines Menjchen Herz für ſich zu
nen und zu begeiſtern“. Dieſe Einheit aber bebarf eines beſtimmten befennenden
uds, und fofern es bisher daran gefehlt hat, „bat — fo erklärt J. M. — die Union
ı innere Berechtigung noch gar nicht dargethan“. Um jo mehr mußte es ihm nun 15
Serum zu thun fein, nicht nur das Vorhandenfein der Übereinftimmung in den Funda-
nientalartikeln aufzuzeigen, fondern auch dafür einen Ausdrud zu finden. Hierzu fchien
ſich ihm, wenigſtens als geeignete Eremplififation eines Konſenſus, das neue von Nitzſch
vorgejchlagene Urdinationsformular darzubieten. Sein Gedanke war dabei, daneben in
die Vokation die Wahrung der konfeſſionellen Gigentümlichkeit der Einzelgemeinde aufzu: 20
nehmen. War fo die Ordination Ausdrud des Unionsftandpunfts der —— ſo
war durch dieſen Vorbehalt für die Vokation das Recht der Konfeſſion ausdrücklich ge-
wahrt und jeder Schein einer Vergewaltigung abgewehrt.
Es war begreiflich, daß die eigentümlichen Geſichtspunkte, welche J. M. zur Billigung
des Nischen Urdinationsformulars und zur Verwendung desjelben als Ausdruck des:
Konfenfus veranlaßt hatten, fein Verjtändnis fanden, auch nachdem J. M. fie noch einmal
in der Schrift: „Die erſte Generalſynode der evangelifchen Landestirche Preußens und
die Tirchlichen Bekenntniſſe“, Breslau 1847, verteidigt hatte. Beltätigung und Ausführung
der Beichlüfle der Synode durch das Kirchenregiment verzögerte ſich, bi8 die Stürme der
Revolution des Jahres 1848 beide begruben. Die auf den Sevolutionstaumel dieſes Jahres 30
bald genug folgende politische und kirchliche Reaktion nötigte jedoch J. M. zur Wieder:
aufnahme des Kampfes. Es galt jest nad feiner Überzeugung die Verteidigung des that:
ächlihen Beligitandes der Union. Als Organ diente ihm die 1850 mit Neander und
isich begründete „Deutſche Zeitjchrift für chriftliche Wiſſenſchaft und chriftliches Leben”.
Dem Intereſſe J. M.s an ihrem Gedeihen verdankt die theologische Wiffenfchaft eine Reihe 35
wertvoller Abhandlungen (über die unfichtbare Kirche, über die Frage, ob der Sohn Gottes
Menſch geworden wäre, wenn das menschliche Geſchlecht ohne Sünde geblieben wäre,
über das Kormalprinzip der evangelischen Kirche, über Glauben und Wiffen, über Die
göttliche Einfegung des geittlichen Amts, über den Pelagianismus u. a.), die faſt ſämtlich
ın den 1870 herausgegebenen „Gefammelten dogmattfchen Abhandlungen” wieder ab:
gebrudt find. Außerdem rühren von J. M. einige der Vorworte und cine Reihe von
Aufjägen über die Unions- und Verfaflungefrage ber. Eine zufammenfaffende Darlegung
feines Standpunfts gab 3. M. in der Schrift: „Die evangelifche Union, ihr Weſen und
ihr göttliches Recht”, Berlin 1854. Die Abficht diefer Schrift war eine durchaus trenifche,
die von J. M. dringend gewünfchte Verftändigung mit den gemäßigten Lutberanern. Der 15
darin enthaltene ausführliche Entwurf des Konſenſus der Belenntniffe der beiden Kon-
feſſionen hatte nicht die Abficht, ein neues Bekenntnis aufzuftellen, da er ja gar nidits
Neues enthielt, jondern lediglid) die Hauptlehren der alten Bekenntniſſe. Ebenſowenig war
er dazu beftimmt, unmittelbar firchenvechtlich vertvendet zu werden, jondern feine Tendenz
war der thatfächliche Beweis der reichen befenntnismäßigen Übereinftinmung der beiden 60
Konfeſſionen, der gegenüber die Ablehnung der Tirchlihen Gemeinfchaft zu einem ſchweren
Unrecht wird.
Die Angriffe Harnads und Hengftenbergs auf diefe Schrift veranlaßten J. M. im
Jahrgang 1855 der Deutſchen Zeitjchrift noch einmal zu einem Lungen Wort der Abivehr,
das legte, welches er in diefem ihm aufgenötigten Kampf für die Umton gejchrieben hat. 55
Hatte derjelbe auch den Erfolg, daß ſich die Union als gleichberechtigt mit der Konfeſſion
m Preußen bebauptete - - und mehr wollte J. M. nicht —, fo fchmerzlich war ihm doc
De ganze Kampfesitellung gegen ſolche, mit denen er im Glauben an denjelben Seren
im runde eins wußte. Im Gefühl feiner Vereinſamung in der Theologie — be:
fonders feit dem Tode Neanders -- - Fam oft eine tiefe Ermüdung über ihn. Dazu kam co.
o
IS
[X |
532 Müller, Julius Uoquium
Spekulation gegen den Hegelſchen Panlogismus tritt.
des abſoluten Wiſſens mit der thatſächlichen Beſchaffen * ——
begrifflichen Auflöſung ſpottende Rätſel des Böſen verj! J yn Mär 1856 traf in
das dhriftliche Gewiſſen fehlechthin unwiderleglichen We „inte "sollte Apart tmar
» Thatfadhe des Bewußtſeins der Eünde als perſonlich nieder A * en und fe
dung aufgebedt wurde, widerftrebte fie nicht nur de IN Fade * t mit einem
Spekulation, fondern auch der Relativität der Schlei: , x . T: —— om Natheber
Müllerſche Theologie bewährt bier ihren Urfprung - Bi Ari a rn bre 1861 nob
die Freiheitskriege erweckten chritlidhen Lebens, ohne Bi * be Ser vapbie tm
19 Formen der Firchlichen Yebrbildung folgen zu könne a EC er * Sünde
bildung auf einer veralteten Metaphyſuͤ beruht, fi 33 — on on bene
ihr weder den entiprechenden Ausdrud noch die acı — Au Cd Schlaflofigtet
Antinomie, die fih daraus ergiebt, daß die Sündbe A en ul kiven Denkens und
griffen werden fann, während doch kein einziger — * Pi Ipe u € blieb er darauf
15 des Indivuums das Gewicht einer folchen <ab ten "Theo! y ein 7 er d aber
J. M. nicht durch das kirchliche Dogma von der “; Der Theologie Feiinehmen
richluß dafür dankbar, daß er we⸗
fulation vermag fie nur durch die Annahme einer ichluß —
Ergiebt ſich hier gerade aus dem Intereſſe, die nf jnez Immer einfaner al.
wußtſeins feitzubalten, die Berechtigung, eine beſſe Sur TE —* 2. heten .
> fo fann überhaupt eine wahrhaft auf dem Grun. ; un ſämtlich verheirat⸗ Kinder,
. . Am 6. Mat 1875 feierte er m
auf eine reinere und tiefere Erfaffung und Br Tr h —*
ſein, als ſie das kirchliche —— iumtfichen Sinbern und ——5 —
die großen Grundtbatfachen des gemeinſamen er ze ige Burke jeiner —
logie die konfeſſionellen Differenzen zurücktreten, —— ſem⸗ elungen aufzugeben,
>: die fih hier aus den tiefften Murzeln des Di NN ien ihm gut Ed Jun. Der 208
Bezeichnet jonach die Lehre von der Sin: — — heimtehrenb, ur ni Höfe
tümlichen theologischen und kirchlichen Standpu: ee r —* Ds . A
Lebensgang beftinmt. Begreiflih, daß ein - _"- 1 1. Sep der Ion
mehr auf der Heinen Marburger Bühne bleibk Tune naträglie Herausgabe feine
3» Marburg nur für den Fall einer Berufunn "" muarifche Befimmung uneriiBt en.
Mr Yo m früheren Pal mit }:
nad Preußen erjchien, ergriff doch Tholud . . .
nach Heidelberg eingetretene Vakan Im a,‘ a Gellogaii Montis Belligartensis
zu jegen. Gin noch glühenderes Intereffi :, X Besponsio, Genevae 1587 u. 1588.
5 und Bundeögenoffen im Kampfe gegen ir heil daß publizierte
zugeivinnen. Obwohl J. M. jede Retraf —— ig ar Pe
. erer R Ih E „Geſch. d. reformierten Central⸗
Gegeneinfluſe NH Be ie m | ‚ren uud außgewählte Schriften ©. 267 fi.
unter dem 11. März 1839 erfolgte ohne .
lihe Ernennung. Die Loslöfung von * ⁊ de Berhältnifien ber durch Erbfchaft an
40 Halle follte ſich freilich unter den fchme: wqt (og. b. A. Toflanus u. J.
ſtarb feine Gattin Flora, die treue Mutte : Weuiisällard 1a Month. 1000
1840 ftarb in Athen auf einer Forſchu En ken Stenben, geprebigt, freilich
ein Bruder, der ibm der innigfte rei X Ki Den eorg von Württemberg
Sabre ward ihm in dem Bund mit C A er war reformiert.
35V, A. Huber, zum zroeitenmale das .— wen lutheriſchen Typus ang
r Ä * viele Calvini in Mümpelgart
ſchmerzlicher, daß dasſelbe nur von fx gie fie fuchten ein
um_biejer t zu dienen, vom
er zum zipeitenmale Witwer, eine Hei‘
mütigen Grundzug feines Zemperame | die igung eines Rollogui
feiner ganzen Pflichttreue und Glau* Sewill R uiums
oo den Anforderungen gerecht zu werd: IN ! art bom 21.26. ärz 1586
die Entwickelung der Kirche und Ti? : dreä und Lukas Ofiander von
Wilhelms IV. an ibn ftellten. an - von Anweil und Friedrich
—Tö—.— X m Musculus, Prediger zu
ihn ins Kirchenregiment zu ziehen, Fa er : -
ftattete ibm in einer Nähe” ve I ı Amex, Deofeilor bes Öriechifchen in dern,
5 Sutachten. Ten Höhepunkt, abe\' ı üefephie in —— und ben beiden
politiſche Dinge bezeichnet ſeine nn von ei]. 2a erltredie auf
der Generalfunode von 1846. 3 3 ve en hriſti, 3. die er und
bing aufs engfte mit feiner Str! un
frübere Behandlung der —5 er a Bee, den On zu Marburg,
so regimentlichen Grundfäße \ ei ee ei "ns en und fein
rier Kolloquium 535
Ehriſti, die im rechten Glauben des Sakraments
reſondert. Zeichen und Sache ſeien durch ſakra—
mn Div Beichen feien niemals leer, in ihnen werke
—— — un : md Unwürdige. In diefem Sinne fage man,
— — .*. - Hingegen blieb man getrennt in folgenden
für, „in der jalramentlichen Vereinigung ſeien
— „baft auf Grben „ufammengefaßt, an! nen
—“ — — hund gegeben”. te anderen aber lehren, „Lei
— — — — nmel, deren Zeichen auf Erben, daher jene unferem
— erden. Mit, in und unter — bedeute nur eine
u . man ferner darin: „die Zeichen, tvie fie jedem
u — ‘en, werden auch von jedem Mund empfangen, von
— m zur Verdammnis. Nur die geiſtliche Nießung
— — Zu enden allein eigen, wodurch fie die bezeichnete Sache
wie man fie empfange, ſei unerforſchlich. — Nicht
— ‚tteınberger jagen, „Sache und Zeichen würden dem
ig überreicht, den Unwürdigen freilih zum Gericht” ;
nur den Herzen angeboten und nur durch den Glauben
- komme nicht von einem Genießen der Sache ber, fon:
ı derfelben”.
= :; Perſon war man fo weit einig, „daß der etvige
ur angenommen in Einheit der Berfon. Beide Naturen
teinander vermengt, noch eine in die andere verwandelt.
-—. ‚re Eigenschaften, und in alle Ewigkeit werben die der
u. — Weiteres aber blieb unvereinbart, da die Reformiterten :
— azigt, geſtorben, tot, nur für verbale erklären, indem man
en ſich ſo ausdrücke, die Perſon thue oder leide das, öfter
— ‚lit der Namen bloß der einen Natur bezeichne, wo etwas
—. ion gerade nach der andern Natur thue oder leide. Dieſes
niemals teile die eine Natur ihre Eigenfchaften der andern
— allmächtig. Die Württemberger lehrten dagegen eine wirt:
— ‚ben Eigenſchaften der göttlichen Natur an die menſchliche in
_ n Cinigung.
:er Taufe erflärte Beza, die Taufe der Kinder fei heilig und
wen, denn am Zeichen bänge ſakramentlich geeint die bezeichnete 3;
€
‚nden und Erneuerung. Obwohl nur den Erwählten die Selig:
die Taufe doch allen in der Kirche Geborenen zu erteilen, teil
ı richten, wer erwählt jet und wer nicht. Allen wird in ber
sten, obwohl nicht alle fie annehmen. Die Rürttemberger aber
‚Saffer Getaufte auch zugleich mit dem Geifte getauft werde. Nach
tung, ſondern Beratung der Taufe Grund, einen von der Sclig:
: Mt nur in uneigentlicher Nedensart die Abwaſchung der Sünde
‚ben aber ein Zeichen und Unterpfand derſelben. Daher fei aud)
ufe als ein Stüd des öffentlichen Kirchendienftes niemals der ſoge—
Weibern und Privatperfonen zu geftatten.
Bilder in den Kirhen war man einig, daß die Kirchen von pa:
.E gereinigt werden mögen, daß Gemälde und Schnitzwerke zu den
en, alle ärgerlichen und die zum Götzendienſt reizenden aber bejeitigt
5 jedoch nicht Privatperjonen diefes eigenmächtig tbun dürfen, fondern
rdentlich anordnen foll; daß das MWichtigfte jei, durch die Predigt des
lerei aus den Herzen zu tilgen. - - Weiter aber, was die Württemberger
en die anderen nicht zu, „daß Bilder und Gemälde gebührlicher Art in
ich, daß man den Schwachgläubigen bierin große Schonung fchuldig fer“.
rigiten twurde das Geſpräch über Die Gnadenwahl, auf melden Punkt,
redet, Beza nicht eintreten wollte, da vor Yaien verbandelt, derfelbe nur
lich zu machen fei. Verglichen bat man fich in der beiderfeitigen Anerten:
nadenwabhl für die beftinnmte Zahl derer, welche felig werden; aber bie
er anerlannten feinen etwigen Ratſchluß, auch der Vertverfung, und glaubten
ig entgeben zu fünnen, daß folglih auch die Zahl der Nichtermählten eine
i. — (Gerade über diefen Punkt erfahren wir bier nichts beſonders Förder
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»ſo daß ihm nicht bloß die Gnadenmittelverwaltung, ſondern au
536 Mümpelgarter Kolloquium Münchmeyer
liches, weil der inkonſequente Standpunkt der Konkordienformel einfach von Andreä bei—
behalten wird, Bezas Lehre aber diefelbe war, welche aus feinen Schriften bekannt genug
it. Er bat nicht ermangelt, am Schluffe feiner gedrudten Antwort aus Luthers Schrift
de servo arbitrio dasjenige abzudruden, was die Lieblingsgedanten der NReformierten
enthält.
Ein PBrotofoll des Kolloquiums wurde nicht geführt. Jedoch gaben beide Teile
ihre Lehr- und Wehrſätze einander zuerjt jcehriftlib ein. Wie es gebt verbreiteten fi
nach dem Kolloquium parteitiche Stegesbebauptungen. Infolgedeſſen wurden, gegen die
Derabredung, die Alten im lutberiicben Intereſſe veröffentlicht, f. 0. Beza beftritt die
Treue der Tübinger Acta und verteidigte Jich lateiniſch und deutſch in feiner Beantivor:
tung derfelben. Eine württembergiihe Gejandtichaft forderte in Bern Genugthuung für
die, aud von Musculus wiederholte, Behauptung der Fälſchung, ohne jedoch Eindrud
zu machen. Praktiſche Frucht hat das Kolloquium nicht gebracht, es ſei denn Die, daß
die Spannung zwiſchen beiden Konfejlionen noch größer geworden iſt
leg. Schweizer F.
Münchmeyer, Auguſt Friedrich Otto, geb. 8. Dezember 1807 ftammte aus einer
Raftorenfamilie. Der Vater war Hofkaplan an der Neuftädter Kirche in Hannover, auch
die Großväter väterlicher und mütterlicherfeits waren Paſtoren. Seine erjte Jugend
verlebte er in Barskamp an der Elbe, wohin der Vater verjeßt war und kam von bier
aus 1822 auf das Gymnaſium in Yüncburg, das er, als der Vater 1823 zum Super
intendenten in Gr. Berdel bei Hameln ernannt wurde, mit dem in Holzminden vertaufcte.
Nach Beiteben der Reifeprüfung wurde er zunächſt (1826) in das Alumnat des Klofters
Voccum aufgenommen, eine jpäter wieder aufgehobene Anftalt, die zwiſchen Gymnaftum
und Univerſität auf das theologische Studium vorbereiten follte. Bon 1827—30 ftudierte
er dann in Göttingen und nachdem er das erite Eramen beitanden noch ein Semefter in
Berlin. Während in Göttingen befonders Lüde auf ihn eingewirkt hatte, durch deſſen
Bermittelung er mit dem Kreife von Hamburgern, die Yüde von Bonn nad Göttingen
gefolgt waren (unter ihnen auch Wichern) in Verbindung trat, börte er in Berlin be
ſonders Schleiermadjyer und Neander, außer denen auch die Predigten von Theremin und
Goßner und der Verkehr mit dem Baron von Kottwitz für feine weitere Entwidelung
von Bedeutung waren. Inzwiſchen war Zpitta nach Hameln gekommen, und um ibn
ſammelte jih ein Kreis von Paſtoren, die ih aus dem Nationalismus herausgearbeitet
hatten. In dieſen Kreis trat Münchmever ein, als er nach Beendigung feines akademi⸗
ſchen Studiums für eine Zeit lang ins Elternhaus zurüdfehrte. Trug die Frömmigkeit
dieſes Kreiſes noch mehr den Charakter der Erivedungszeit, fo war es in Hannover, wo
M., nachdem er inzwiichen die zweite und dritte Prüfung beitanden, in das dortige Pre
dDigerfeminar aufgenommen wurde (Mich. 1834), die Tonfeflionellslutherifche Richtung, die
auf ibn einwirkte. Beltimmend wurde während der 6 Sabre, die M. in Hannover zu:
brachte, der Verkehr mit Petri, der ſich zu einer Ichenslänglichen Freundſchaft ausgeftaltete,
und nach einer gewiſſen Zeite bin in noch höherem Maße der mit dem Legationsrat
v. Arnswaldt. Diefer, anfänglich von der romantifhen Strömung ergriffen, hatte wäh—
rend feines Aufenthalts in Nom die Bedeutung der Kirche verjtehen gelernt, batte den
Pietismus überrvunden und durch das Studium Luthers eine ftreng Tonfeffionelle, bod-
firhlibe Stellung gewonnen. In diefer Richtung wurde M. von ihm beeinflußt mehr
nod und dauernder als durch Petri.
Dem entfprechend bat M. in die Verbandlungen der Zeit über die Kirche, ihr Weſen
und ihre Verfaſſung eingegriffen. Schon 1816 und 47 vertrat er in der Zeitſchrift für
Proteſtantismus und Kirche und in der Göttinger Monatsfchrift die Anficht, Staat und
Ktirche würden und müßten unter der zunehmenden Herrſchaft des Liberalismus völlig
gefehieden werden und die Kirche, vom Staat losgelöſt, als Freikirche fich einrichten.
Als dann Höfling ſeine „Grundſätze ev.lutheriſcher Kirchenverfaſſung“ veröffentlichte, trat
ihm M. in der Rudelbachſchen 31ThK 1852 Heft 1 entfchieden entgegen. Nach - ihm
bejtebt das Amt des NTIs oder das geiftliche Amt als vom Heren felbit geftiftet divino
jure und zwar als Hirtenamt mit dem Auftrage, Die Gemeinde zu werden und zu führen,
| d die Negierung zukommt.
Gegen Höflings „Rückantwort“ (ZPR 1852 S. 133 ff.) verfocht dann M. feine Anſicht
nicht nur in einer ausführlichen „Eriviederung” (ebenda 1853 2. 65ff.), ſondern auch in
einer eigenen Brojcüre „Tas Amt des WIs nad Lehre der Schrift und der luth. Be
kenntniſſe (Cſterode o. J.), im der er die in dem vorbin erwähnten Artikel aufgeftellten
Müunchmeyer Münfder 537
Theſen noch zugefpißter wiederholte. Die VBerbandlungen über das Amt drängten M.
weiter zur Unterfuhung des Weſens der Kirche, 1854 veröffentlichte er eine Schrift über
„Das Dogma von der fihtbaren und unfichtbaren Kirche” (Göttingen), in der er die
Berechtigung diejer Unterfcheidung beftritt. „Es giebt nur Eine Kirche, welche ift der
Leib des Herrn“. Ihr gehören alle Getauften an, auch die Ungläubigen und Heuchler.
Dieſe Kicche ift in ihrem Beſtande auf Erden fichtbar und erkennbar; ihre Glieder er:
kennt man an ver Taufe, und ob und tie mweit die einzelnen Partikularkirchen zu ihr
gehören, an den notae ecelesiae, der Predigt des Evangelium! und der Tarreichung
der Saframente. M. verhehlt fich nicht, daß feine Lehre mit den Belenntniffen der luthe-
riſchen Kirche nicht zufammenftimmt, aber er glaubt, daß fie die fonfequente Durchführung
des reformatorifhen Prinzips tft, und fieht in dem Dogma von der fichtbaren und un:
ſichtbaren Kirche die Mängel des Bietismus und des Unionismus fowie der berrfchenden
irrigen Lehren von der Sirchenverfafiung und dem Amt. Daß M., als in der feparierten
lutheriſchen Kirche Breußens, der er immer nahe gejtanden und deren Synoden er mehr:
fach ala befreundeter Ratgeber heigeivopnt hatte, Streitigfeiten über das Kirchenregiment 15
ausbrachen, auf feiten Hufchles ftand, kann danach nicht befremden. Schon 1862 ſprach
er fih in einem Gendfchreiben an Beiler (Hannover 1862) dahin aus und nah dem
Erſcheinen der Schriften von Huſchke und Mejer über die Kirchenregimentsfrage veröffent-
lichte er eine Schrift unter dem Titel „Huſchke und Mejer oder mie fallen beide die
Sragen vom Kirchenregiment und wem iſt Recht zu geben” (Einbed 1864), in, der er 20
ejers Anficht befämpfte. Ihm ift das Kirchenregiment ebenfalld vom Herrn der Kirche
eingeitiftet und deshalb divini juris. Gnadenmittel- und Regieramt find für M. Ein
Amt, die firchenregimentlichen Funktionen find nur die zweite Seite Ddiefes einen vom
Herrn geitifteten Amtes. Dabei bält er zwar feit, daß der Herr feine beitimmte Geſtalt
dieſes Amtes vorgeichrieben hat, die vielmehr der gefchichtlichen Entmwidelung überlafien 25
ift, und erkennt deshalb das landesherrliche Kirchenregiment als thatjächlich zu Recht be-
ſiehend an, fieht darin aber nur einen vorübergehenden Notjtand, während fein Ideal die
bifchöflihe Verfaſſung ift, und jedenfalls für den Träger des Predigtamts ein enticheiden-
der Einfluß auf ein Regiment der Kirche gefordert werden muß.
Im Jahre 1840 wurde Münchmeyer Paſtor in Lamfpringe bei Hildesheim, 1851 ww
wurde er ald Superintendent nadı Gatlenburg und 1855 als Konfiftorialrat und Euper-
intendent nad Buer verjegt, und zugleich zum Mitglied des Denabrüder Konſiſtoriums
ernannt. In allen diefen Amtern bat er mit Segen gewirkt, namentlicd) das Dsna-
brüder Land dankt ihm eine fräftige Förderung des kirchlichen Lebens, wenn fich aud) der
bochlirchlihe Zug in feiner Wirkſamkeit nirgends verleugnet und ihm in befonderem 35
Maße die Feindſchaft der liberalen Richtung zuzog. Gegen die von diefer Seite erhobenen
Vorwürfe vechtfertigte ihn zwar eine von ihm ſelbſt beantragte Disziplinarunterfuchung
völlig, auf die meitere Entwidelung der Landeskirche bat er aber ſeit dem Zurüdtreten
der bochlicchlihen Strömung feinen Einfluß mehr ausgeübt. Im Sabre 1881 emeritiert,
ftarb er am 7. November 1882. Uhlhorn D. }. 40
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Mänfcher, Wilhelm, geit. 1814. -— Dr. W. Münſchers Lebenzbeihreibung und
nachgelafjiene Schriften. Yerauägegeben von 8. Wachler, Frankfurt a. M. 1817; W. Münſcher
(Sohn W. Münſchers), Berfucd einer Geſchichte der heflifchereformierten Kirche, Caſſel 1850.
Bol. den A. Dogmengeſchichte Bd IV S. 755, 30 ff.
Wilhelm Münfcher, Profeſſor der Theologie und Konfiftorialrat in Marburg, ift am 6
15. März 1766 ald Sohn eines Pfarrers in Hersfeld geboren. Er befuchte dag Gym—
najium feiner Vaterſtadt und ftudierte 1781— 1784 zu Marburg. Hierauf wirkte er im
praftifchen Stirchendienit, zuerſt als Gehilfe feines Vaters, feit 1789 als Stiftöprediger in
Hersfeld. Im Jahre 1792 wurde er, auf eine Meldung feinerfeits, zum PBrofeflor an
der Univerjität Marburg ernannt, woſelbſt er am 28. Juli 1814 gejtorben ift. Münfcher so
lag beinahe über alle Fächer der theologischen Wiſſenſchaft mit Ausnahme der alttefta-
mentlichen Exegeſe; Bedeutung hat er jedoch nur für die Dogmengefchichte, wie denn auch
feine litterarifche Thätigkeit, abgejeben von ziwei Bänden Predigten (Predigten, Marburg
1803 und Politifche Predigten, Marburg 1813) und feinem Verſuch, eine Zeitfchrift
Magazin für das Kirchen- und Schulweſen in Heſſen und den angrenzenden Yändern, 55
erſchienen nur Heft 1—3, Marburg 1803, mit 2 Beiträgen Münfcere) zu begründen,
fh auf das kirchen- und dogmengeſchichtliche Gebiet befchränft. Eine Reihe von Auf:
jägen findet fih in Zeitfchriften: in Henkes Magazin für Religionsphiloſophie ꝛc. Bd VI,
St. 1: Darjtellung der moralifchen Ideen des Clemens von Alerandrien und bes Ter-
538 Münſcher Münſter, Bistum
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Magazın ꝛc. I, &t. 2:
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urteilenvden jean re; als einen mebr lebhaften als großen Seift fennen; man ——
er auf ſeine Zeitgenoffen wirkte, daß aber ein feine Zeit überdauernder Einfluß ——
w Ihm ausgeben konnte.
— Bistum. — M. a und F. Philippi, at ginn der Provinz
itfalen, 2 Bde, Müniter 1867 und BL; —— ta historiae — v. H. A. Er⸗
vu 2 2 Be, Münjter 1847 und 51; Weitfäl, #0 III, bearb. von R. Wilmans, Münſter
871; Die Geſchichtsquellen des Bistums Münfter, Münfter 1851 ff.; A, Tibus, Gründ
wo geiichte der Gtifter zc. ded alten Bist. Münſter, Münfter 1867 fi-; ‚ 86. Deutſch⸗
ande, 2. Bd 1848 ©. 424; Haud, KG. Deutihlands 2. Bb, 2, Aufl. 1900 ©. 406f.
Den Hauptitod des Bistums Münfter bildet das ſächſiſche u. —*
Ems, das — und weſtlich durch die Dibceſen Köln a Ur E — F
twilfen nicht, von wo aus die Firchliche Arbeit in dieſem bei
15 dem Karl d. Gr. fie an die Stifter und Klöſter des Heichs a — | Use es
wahrſcheinlich, daß Utrechter Kleriler hier wirlten. Denn als das Gebiet *
organiſiert wurde, ſtellte Karl einen frieſiſchen Prieſter Liudger (ſ. d. A. —— —— f.)
an die Spite. Das Jahr der Konſekration Lindgers, damit das Stiftungs A wor
tums iſt ni t überliefert. Wir wiflen nur, daß er am 13, Januar 802 noc
so (Miederrbein. UB I ©. 13 Nr.23), während er am 23. April 805 als Bifchof bez
wird (S. 15 Nr. 27). iz Umftand, dab Liudger bis zu feiner Erhebung in ru
gewirkt hatte, führte dazu, da das Bistum Münfter außer den teitfäfifchen Guss
nörblich der Lippe a nf Friefengaue an der Emsmündung erbielt.
Biſchofsliſte: Ludger geit. 809, Gerfrid geft. 839, id geſt. nach dem 20.
56 848, Ziutbert geit. 871, Holbo erwähnt 873, Wolfhelm erwähnt 887 und 895,
bard aeit. 922, Numald geit. 941%, Hildibold geſt. 969, Duodo geft. 998, Switger ae
1011, Dietrich I. et 1022, Sigfrid get. 1032, SHerimanın I. g 1042, vo
1063, Friedrich geit. 1084, Ev geit. 1097, Yurdard geft. 1118, Dietrich I.
Ebert get. 1132, Werner 1132 —1151, Friedrich 11511168, Lubioig 116 1173,
} er, Bistum Münfter, Wiedertänfer 539
Otto 1203---1218, Dieterich III. v. Iſenburg 1218—1226,
Her, Otto v. Kippe 1247—1259, Wilhelm v. Holte 1259 bis
—— 1261-1272, Eberhard v. Dieft 12751301, Otto v. Niet-
1 b. Heflen 1310—1357, Adolf v. d. Mark 1357 — 1363,
18 1961 lorentius v. Wevelinghoven 1364- -1379, Johann B
Heidenreich v. Wolf-Züdinghaufen 1381— 1392, Otto v. Hoia
a. don 1425—1450, Walram v. Mörg 14501456, ohann
einrich v. Schwarzenburg 1466 - 1496, Konrad v. Rietberg
enLauenburg 1508— 1522. Hauck.
0
[2
erlünfer. — Litteratur: Zur allgemeinen, fpeziell je Verfaſſungs⸗
—* Uens, Verſuch einer Geſchichte Münſters 1823; Nieſert, ee
mbenbud; 1823; derſ., M.iche Urfundenfammlung, 7 Bde 182637;
ns ii —J ſta tiſtiſche —— —— Stadt M. 1836; H.N. Er:
; U. Tibus, Die Stadt M . Hanfen, Beitfalen und
M, Sullteone aus den K. Preuß. RR Hehe Bd 34 [1888] 15
5. Geisberg, Merkwürdigkeiten der Stadt M., 10. Aufl.
— —— der Weſtfäl. Biſchofsſtädte, 1894; R. Krumbholß,
ee #5 m 3. 1661 — — aus den K. Preuß. Staats⸗
Xff. weitere Litteratur); G. Schulte, Die Berfafjungs-
ee und Forſchungen ar Seh. der Stadt M., Bd I, 1898); 0
ee bes Bistums M.,
eDegun, a) Quellen: €. 9. ee Berichte der a
fe Wie rtäuferreich (Die Geihichtsquellen des Bistums M., Bd 2) 1853.
— ber C. ſchon 1850 eine [nidht im Buchhandel erichienene]
Mi bus in historia seditionis Monasteriensis anabaptisticae narranda 26
ue ui sunt gewidmet hatte. Die bisherigen quellenfrit. Unterfuchungen
te u, u. a.) find bei €. verzeichnet, desgl. die verfchiedenen Ausgaben
jelbjt bringt Heinr. Gresbecks „Bericht ſowie „Attenjtüde zum Ab:
s urtundl. Material in der sub b) genannten „Geſchichte“ 2c.); H. Detmer,
jur eich. der W.T. in M. (Ztichr. f. weitf. Geich. 1893); ont. d. Hered: ww
; excidiique Monaster. ed. Bouterwek 1866. Die, weil einzige von einem
* wichtigſte Quelle, Herm. v. Kerſſenbrochs: Anaba
Monssterium inclitam Westphaliae metropolim evertentis historica narratio
geben er, bie Elerifale Tendenz des K.ichen Werkes gereht beurteilender Ein-
uch sep. u. d. T.: 9. v. 8.3 Leben und Schriften, 1900) und umfajjenden 35
ve eifer verjehen in Fritifcher Ausgabe von H. Detmer vor (Die Geſchichtsquellen
N 86 5 umb 6, 1900, 1899). Detmer beginnt ſoeben mit einer frit. Ausgabe
ı eftfi il. va Geſch. ipeziell aud für M. wichtigen opera des 9. Hamelmann (bi8
* 11 el iEhE
” 9
tu
1 ellun« gen: Die allgemeine, die M.fche Bewegung mehr oder minder beriidjich- 4
ter aluım zur Geſch. d. BT. |, Bd I ©. 481 (woſelbſt noch hinzuzufügen wäre:
ich N ber W.T. von — Entftehen zu Bwidau in Sachſen bis auf ihren Sturz
Beitfalen 1836; U, ©. Newmann: A History of Anti-Pedobaptism from te
iptiam to a. d. 1609, 1897 [hier ©. 395 ff. eine vorzügliche Bibliographie]).
“2 Litteraturüberficht ſpeziell zur M.ichen Bewegung giebt DO. Bahlmann in #
Weich. 1893 ©. 119 ff. Hier fei genannt: 9. Kampſchulte, an der Ein:
Brote tantiamus im Bereihe der jekigen Provinz Weitfalen, 1866, 138 ff. ;
‘ Mei der Wiedertäufer (in: Neue Propheten, 1851 ©. 146ff., 2. a 1860);
für , Les Anabaptistes. Hist. du Lutheranisme, de l’Anabaptisme et du regne
sckelsahn A M., 1853; Se: A. Eorneliug, Geſch. des M.ſchen Aufruhrs, 1. Buch: wo
ütion, 1855. 2. Bud): Die Wiedertaufe, 1860 (reiht nur bis zum Eintreffen des
© im M., Febr. 1534). Die teils früheren, teild jpäteren Studien C.s zur M.ichen
ig ‚im — in: Hiſtor. Arbeiten vornehmlich zur Reformationszeit, 1899
i Humaniſten und ihr Verhältnis zur Reformation. II. Die iederlän-
* während der „Yelagerung M.s 1534—35. III. Zur Seid). der Münjter. 55
ip Bokelion, 2. Roh. Kloprys. 3. Bernt Knipperdollind. 4. San Mathys⸗
U. aus NdB]); ©. Heppe, Geſch. der Ev. Kirche von Cleve-Mark und der
obnlen, 1867 ©. Da. g. Keller, Geſch. der Miedertäufer und ihres Reichs zu
4 350 [Fortjehung von Cornelius, im Anhang ungedrudte Urkunden]); K. Bearfon,
ingdom of God in M. a Review 1884); P. Kielitra, Het Münstersche Oproer tw
Bijdragen 1888); Tumbült, Die Wiedertäufer, 1899. K. Rembert, Die
en. SFülich 1899. Zu a Berntart Rotman vgl. den Artikel von Keller in AdB =
1 Bert ei ein Verzeichnis jeiner gedrudten Korreſpondenz); K. W. Bouterwek,
Geſchichte der Wiedertäufer, 1864 (aud) in Ztſchr. des berg. Geſchichtsv ns
30); Chr. Sepp, De veelgenoemde en weinig bekende geschriften van den
Ei
— en
Bernt Bothmann 1872 u Kr ED Bon Ns
A = Beide
r Wiſſ. zu Göttingen 1898, S 20). m
—— erle aur Ref.⸗Geſch. von Rante, Bezold, Mö —— K. er Mix Et
ungen ſ. im Text.
edertäuferbeiv in Mü heraus aus den an der He:
elbſt, und N wicenum fe, ie das auch anderweitig in Bijchofs-
war (vgl. 3. B. Konftanz und Worms), in engiter Beziehung
inn er itze
ich umw Ten erhalb
Stadt — Rat) und Biſchof
Gericht in der Stadt * und zugleich
Ar: nur Adelige fein dürfen, vgl. Kerſſenbroch
Im di term (© Be
20 Gilden, —* * ie derts etwa —
(i. 3. 1532 16 Gilden e— „an ihrer Spitze, von den je
Gilde gewählt, die 2 Alterleute, ſ. runde 2) —
—— a a et a ee
n er r
2* . Anke an ber ſtädtiſchen A
—* Fehde h — —— Kämpfe der —— gegen ihren Bifhe wird ‚der Beich Beſchluß
Nr nur bie Befchlüfje Redhisfraft aben follen, hen fat — und —
se ua faßt werben. Die Gilden werden
Stabt, t das Problem, was bei etwaigen 3
» und Gilden I ee (Hleichzeitig wird der Gemeinbeit, En
tifchen Alten “ 1 mie (66 geivejen Ba ar > wid ! —*
— —— der Gilden und hair
5 (1450 ff. ee Tarelun 42, ha, Die Gilden —*
der F pr in dem Prät ämpfen, fie winhen den Rat, den für —————
—— zu Köln und — Adminiſtrator des Bistums —
liches itern hat —— neue die — Stadt J — au Anfang
des 14. Jahrhunderts find fait alle Gebiete des öffentlichen Lebens in mE Sade
der Selbjtverwaltung. Die Machtfphäre des Bifchofs ift in feiner Weiſe e fe abgegrenzt
+ Innerhalb der jtäbti ben verwallung aber iſt ein rubiger Verlauf nur bei jutem Ein
vernehmen von Nat und Gilden möglich; die Gemeinbeit tritt hinter den Gilden gan:
B h — haft fie um deswillen und kann Faktor werden, wenn Nat
dieſen Baer Bahr Boden fällt nun der Funke ber — — Die Bu m
e liegen im Kaufleute, vornehmlich aus Fr
—— — N die erjte Botjchaft gebracht zu haben, Die — — Augu
nern (Cornelius, Geſchichte 2c. I, 33ff.) ausgehenden Regungen in den Nachbarjtädten
Köln, Aachen, Lemgo, Weſel, Soeft, Lippfladi vgl. Cornelius a. a. * t
itteratur ‚zur weſtfäl. Neformationsgejchichte) twirkten anſteckend wie anderiveitig jo
56 hat auch in M, der Humanismus (j. darüber Cornelius, Hift. Arbeiten I) Bionierbienite
r bie Neformation getban. Auf Anregung ei se v. Yangen far * dem Jahr
1500, als Timann Gamener (Remmener) aus Werne das Nektorat übernahm, die Münf
ſche Domfchule (vgl, über diefelbe Dieter. Neichling, Zur Geſch. der M.f
in der Blütezeit des Humanismus 1898; derſ, Die Neform der Domſchule
eo 1500, 1900) zu einer Pflanzftätte Lateinifcher und griechifcher Bildung
Propaganda nach allen Richtungen bin, ſelbſt bis nad Dänemaf, er
Münfter, Wiedertäufer 541
a. a. O. S. 8; A. Egen, Der Einfluß der M.ſchen Domſchule auf die Ausbreitung des
Humanismus 1898; vgl. aub A. Bömer, Timanı Kemmener in: Ztſchr. f. Weltf. Ge-
fchicbte und Altertumsfunde, Bd 53). Während die ältere Generation, aus den Kreifen
der Brüder des gemeinfamen Lebens hervorgegangen, in enger Fühlung mit der firchlichen
Tradition blieb, gingen die Jüngeren ins Lager der Reformation über (Egen S. 17). Unter 6
den erften, die in Münfter anfingen, fih zu abweichenden religiöjfen Meinungen zu be
fennen, finden fich die Humaniften Jobann Glandorp (geb. 1501 zu M., |. Egen S.30f.)
und Adolf Clarenbach (f. d. A. Bd X 2. 508 ff), Lehrer an der Martinifchule. Ein als
Gelehrter ausgezeichneter Kanoniktus zu S. Martin, Peter Gymnich v. Aachen, ivar mit
Zuther fchon jeit 1520 befreundet (Rembert S. 179 Ann. 1), der Vatrizier Arnold Bell-
bolt jtand zu Karlftadt in Beziebung, und, wie es fcheint, fand SKarlitadtiche Bilder:
jtürmeret in M. ibren Nachball (Rembert a. a. O.). Nah Kerfienbrob (S. 127) märe
im Sabre 1524 die reformatorische Bewegung offen berausgetreten und von den Predi—
gern an der Lamberti- Martini-, Überwailer: und Yudgerifirche gefördert worden, denen
fich allerlei zweifelhafte Elemente anfchlofjen. In demfelben Jahre hat Clarenbach Münſter 15
verlaffen müflen.
Der erite größere eruptive Ausbruhb der vorhandenen Gärung füllt in das Jahr
1525. Sehr deutlich iſt der Vollzug der Verbindung fozialer und religiöfer Spannungen
zu Tonftatieren Den Anlaß zu Unruben gab die Bauernbeiwegung, die vom berlande
per fich rheinabmwärts ſenkend bis in die Nachbarichaft M.s (Minden, Köln und das im 20
Handelsverkehr mit M. jtebende Frankfurt) vordrang. Ein am 22. Mai 1525 von den
durch die Gilden angejtachelten (ſ. M.fche Geſchichtsquellen II, 425) Volksmaſſen unter-
nommener Anſchlag auf das reihe Niefingklofter mißlang, der Nat zieht die drei Nädels-
führer zur Beitrafung, aber die Volksmaſſen unter Yeitung der Gilden fallen ihm in den
Arm, und die Gilden fordern Befeitigung der wirtſchaftlichen Konkurrenz —
und Pergamenifabrikation) des Nieſingkloſters und der Fraterherren. Aber ſofort greift die
Bewegung weiter: Frankfurter Kaufleute hatten die fon. Frankfurter Artikel (vgl. diefelben
bei A. Kirchner, Geſch. der Stadt Frankfurt aM. II, 513 ff., dazu G. E. Stets, Das
Aufrubrbudy der ebemal. Reichsitadt Frankf. a.:M. 1875; R. ung, zur Entjtehung der
Fr. Artikel von 1525 [Archiv f. 5.8 Geſch. 3. F. II, 198 ff. ) eingejchleppt ; dieſelben 30
werden von den Gilden und der Gemeinbeit zum Programm erhoben, und von einem
Ausſchuß von 40 Männern (darunter auch der Prediger zu ©. Martini Yubbert Canfen)
in 36 Punkten redigiert dem Rate zur Annabme präfentiert (diejelben bei Kerſſ. S. 133
und in etwas anderer Faſſung bei Niejert, U.B. I’ 116ff.). Neben fozialen Forderungen,
wie Befeitigung der Konkurrenz der Fraterherren und des Niefingklofters, Reſtitution der s5
Allmende, Erledigung der über den Nachlaß des 1522 geitorbenen Biſchofs Erichs ge-
führten Streitigkeiten begegnet das Verlangen nadı Anteilnahme an der Interimsverwal—
tung bei biichöflicher Sedisvakanz, Befeitigung der geiftlichen Gerichtöbarfeit gegen einen
Bürger, der Immunität des Klerus, der Terminarier und Stationarier, der Yegate und
Seelenmeßitiftungen an die Stirche, der fremden Prediger, und die Forderung der Anteil: 40
nahme der Schöffen und Parochianen an der Mahl der Prediger — wobei im einzelnen
Soziales und Religiöfes nicht zu fcheiden if. Vom Rate gezwungen, unterfchrieben die
Domlapitulare einige Artikel, verlaffen aber alsbald (bis auf einen Erkrankten) die Stadt
und reichen den Biſchof Befchtverdeichrift ein (Niefert, U.B. I’, 106), der Nat aber be-
feitigt die wirtfchaftliche Konkurrenz zwiſchen Gilden, Niefingklojter und Fraterberren durch 5
Beichlagnahme der Webſtühle und Rentenbriefe.
ie allenthalben, jo folgte nach Niederzwingung der Bauernbewegung auch in M.
ſehr bald die Reaktion. Nach längeren Verhandlungen zwiſchen Rat und Biſchof ſah
Kb erfterer unter dem Drud des von lebterem berbeigerufenen Kölner Erzbifchofs in zwei
Receſſen genötigt, die Artikel von 1525 preiszugeben, und dem Niefingtlofter und den so
Fraterherren die genommenen Rechte twiederzugeben. Das Domtlapitel kehrte in die Stadt
zurüd, und der status quo ante trat ein. Die evangelifchen Prediger an den vier ge—
nannten Kirchen wurden mit Einwilligung des Rates von der vorgejegten geiftlichen Be—
börde ausgewiefen. Ein Schmähgedicht des feit 1525 neben dem Neftorat der Domjchule
das Pfarramt an ©. Lamberti befleivenden Timann Gamener gegen Yuther trug ibm 55
und dem Rate allerdings einen beftigen Angriff von feiten des Sobannes Campanus
(j. d. A. Bd III ©. 696) ein (Rembert S. 179 ff.).
Überwunden war mit diefen Nepreffivmaßregeln die antiklerifale Bewegung keines⸗
Als 1527 gegen den bifchöflichen Iffizial von Anton Gruje mit Schmähungen
und Drohungen vorgegangen wurde, erbebt ſich ein großer Tumult. Die Menge, ges co
er
0
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1
542 Miünfter, Wiedertänfer
iner Paterftadt Kr niter eit - in Warendorp
—* Ni —— —— —* De die zu Mainz,
| tin ‚promovierte. —7* —2* seh ibi * Pfründ
chtig (wie es ſcheint, Sy
| und Kim ur weiteren Ausbi b ung“ geichid
— — BB —
in die Arme, y> trägt neue in die gärenden Vollsmaſſen
ei, die Aue bon feinen bringt in die Stabt, in ne vor Char-
1531 zieht ein Volkshau dort nad) der Mauritivche und die Altäre
rauf wird m irhefe für R. der * Verboten des Kapitels ein
Bredigtftubl aufgetelt. Die Benegung greift um fih, man fucht Anfehluf; bei ben
—6 im Reich. zu dieſem Zweck Monaten —* bis en 1291
erg (mo er trifft; defen Urteil über * aut en RE Bu
2 —— * malum bei 162 [tendenziös?]), Spei 8 Brief un Fee
(to er Gapito und Schwenckfeld 5 vielleicht auch Marburg
und Sale und Su Se efehrt verfündigt er ganz offen die ne
— re — an — zu
h bes
ben
uhr Landes —— —* . a Fe
“gest von biichöflichen Näten, vermag N, drei dem un vom
milde gehaltenen Predigtverboten zu trotzen, bis endlich ei
—— angerufenen Kaiſers (28. Dezember 1331) be Biichof zur —
des freien Geleites in des Biſchofs Lande an R. zwingt (7. Januar 1532).
1 wort NS auf diefe eg gen war feine Überfiedelung in die Stabt Münfter.
Die Krämergilde ftellte ihm ihr Gildehaus zur Verfügung — ein Beweis für das Hand-
in ——— von ſozialer und religiöſer Bewegung.
niter weicht man einer Entſcheidung aus; das —— verſchieden⸗
arigfer nterefjen (An oft vor R., der Gilden und "Semeinbeit, j einige der =
so männer [}. Cornelius, © eich. I 147] binter fich bat, Pk ‚ wohl von Intapitel) Hält 3
Capito angeratene Reſerve R.s, der Gegenjat —* und Domkapi R.
Er vermag der dem Bilchofe vom Kapitel abgepreßten, aber faum ernſt —
rung, die Stadt zu verlaſſen, ſein Giaubensbelenninise sc an ragen Ber
bes elben u. erfuchen und a u erflären, es im Notfalle — ankominee
>5 wollen 5 mit einer Vorrebe vom 23. Januar 1531 verfehene Belenninie
dasſ. "ei Kerſſ. 176FF., daraus abgebr. bei D. Gerdes: Serin. antiqu. Ir: ———
latein. Originaldruck desſ. iſt nicht "mehr vorhanden, ein Eremplar der deutfchen von “ob,
Zangermann beforgten Überjegung in der Paulin. Bibliothek zu M . Bablman
Bibliogr. 1532 Nr. 1) verrät beutlih in Form und Inhalt den Einfluß Melandhtl
oo jpeziell der confessio Augustana, nad) deren Art auch die Lehrmeinung RE in. 3 er
_ ze
Münfter, Wiedertänfer 543
titeln zufanmengefaßt it. Die Yutberfche Rechtfertigungslchre wird vertreten, die Sakra⸗
mente iverden auf Taufe und Abendmahl beichräntt (res, quibus admonemur pro-
missionis et divinae gratiae certi reddimur, bez. des Abendmahls die jede Zufpisung
vermeidende ;sormel: manducantes corpus et bibentes sanguinem domini de do-
nata per evangelion gratia certificamur) ;segefeuer, Heiligenverehrung, Wallfahrten, 6
Möndsgelübde verworfen, aus der Meſſe das Upfer entfernt. An Zwingli erinnert im
eriten Artifel der Sat: sacrae literae verbum dei nonnunquam appellantur,
quod tamen natura non sunt, sed quia de naturali verbo testantur. Christus
Jesus est naturale dei verbum et verum, Straßburgifches könnte anklingen in der
Definition der fides als firma persuasio. Tie Kirche iſt Die congregatio sancto- 10
rum == credentium, ihr Regiment iſt regimen spirituale, während das regimen
corporale die Obrigfeit ausübt. Täuferifches und Schwarmgeifterifches findet fich in der
confessio nicht, im Gegenteil: magistratus, qui christianus et esse et videri vult,
etiam in pseudoprophetas animadvertere debet, das Nicänum und Athanasia-
num wird anerlannt, Bilder in den Stirchen, jofern fie nicht fultiich ‘verehrt werden, ges ı6
duldet (vgl. auch Kerſſ. 190 für antianabapt. Außerungen R.s und den zur Mäßigung
auffordernden Brief nah Soeſt bei Cornelius, Geſch. I 281f.).
Dennoch hat R. mit diefem Belenntnis, das überjegt, gedrudt und allentbalben
verbreitet wird (vgl. für Telgte und Horftmar Keller S. 293f.), für jene Anhänger ein
Brogramm und Parteizeichen gejichaffen, um das ſie fih ſcharen. Man fordert vom 20
Rate freie Geftattung desjelben; dieſer, ohne Unterjtügung des dem laisser faire bul-
digenden Biſchofs, benimmt ſich jo zweideutig, daß man fpäter von einer Beitätigung
R.s als evangelifchen Predigers ſprechen konnte (Kerl. 219). Am 18. Syebruar, dem
Tage vor der Ratswahl, an dem man ficher zu fein glaubte, führen feine Anhänger N.
auf den Yambertifirchhof, woſelbſt er auf bölzerner Kanzel vor dem Beinbaus predigt.
Einige Tage fpäter dringt man in die Stirche felbit, der Proteſt des Pfarrers Timann
Gamener (}. 0.) wird verlaht (Rembert S. 180), die evangeliſche Gemeinde Tonftituiert
ſich um ©. Yamberti (von Gehilfen R.s ijt für diefe Zeit bezeugt Bririus Nordanus, |.
Cornelius, Geſch. II, 330 ff.).
Die katholiſche Gegenpartei, außer ftande gegenüber Gilden und Gemeinheit etwas 30
auszurichten, atmet auf, als ;‚Sriedrih v. Wied am 24. März 1532 den lang vorbereiteten
Schritt der Amtsniederlegung vollzieht, und der Bilhof von Paderborn und Dena-
brüd Herzog Erb von Braunſchweig-Grubenhagen ihm juccediert; denn troß feiner Be:
ziebungen zu Sachſen und Heſſen, die feine Wahl unterftügten, trog feiner Beteiligung
an der Speterer Proteftation von 1529 — Umſtände, die die M.ſchen Evangelifchen zu 35
Hoffnungen berechtigten — batte er doch als Yandesherr in jeinen Gebieten jede evan-
—2 ung ſcharf unterdrückt (vgl. die Litt. über Erichs Politik bei Kerſſ. 195 Ann. 2).
Ein Gleiches Scheint er mit M. vorgebabt zu baben, wenigſtens forderten feine beiden
Schreiben an die Stadt (17. April und Anfang Mai) die Entfernung R.s und aller
aufrührerifchen Brädifanten. Aber auch die R.ſche Partei iſt nicht müjfig geblichen. R. 40
bat fein Glaubenäbetenntnig dem Biſchof überfandt, und auf feinen Antrag jtellen Se:
meinbeit und Gilden an die Alterleute (tanquam proximum nostrum magistratum!)
die Forderung auf Approbation des R.ſchen Bekenntniſſes. Der Rat aber, zwiſchen
Bifchof und Demokratie gejtellt, ſchwankt zwiſchen Strenge und Nachgiebigkeit (die Einzel:
verbandlungen bei Keril. 195ff.). Der plögliche Tod des Biſchofs (14. Mai) vereitelt 4
alle Hoffnungen der Katholiken, und giebt den Evangelifchen Anlap zu einem neuen
Vorſtoß (Eindringen in Kirchen, Verjagen der Kapläne und Erjegung durch evangelifche
Prädikanten, Aufforderung R.s zu einer Disputation, |. Cornelius, Geſch. I, 166f.),
wobei die günftige allgemeinpolitiiche Situation (Nürnberger Reichstag!) fürdernd wirkt.
Als nunmehr der neuerwäblte Biſchof Franz von Walded (über ihn ſ. Kerſſ. 210, 50
Kafp. Schele v. Schelenburg: Aufzeihnungen über Franz v. Walded im latein. Original
bg. von Meyer in: Mitt. d. bijtor. Ber. zu Osnabrück 1848), gleichzeitig Biſchof von
Minden und Dsnabrüd, von der Stadt Entfernung der evangelifchen Prediger, Neititution
des Fatholifchen Kultus fordert (28. Junt), veranlagt Stnipperdolling die zwei Alterleute,
die Gilden auf das Schohaus (= Verſammlungshaus der Gilden, |. Krumbbolg 30 ff.) 55
zufammenzurufen; ein Antrag des Altermanns Johannes Windemoller auf en Bündnis
der Bürger zum Schutze R.s findet ſtürmiſchen Beifall, ein Ausihuß von 36 Männern
wird gewählt, der gemeinfam mit den Alterleuten beim Rate nicht nur freie Geltattung
des Evangeliums, vielmehr feine alleinige Giltigkeit in der Stadt durchſetzen foll (Kerl. 216)
(1. Zul). Die Gemeinheit ſchließt ſich natürlich den Wünſchen der Gilden an. Der co
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26
Nat, re mans verfuct vergeblich aus
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wandten, der, be a jan von pr . —— rg er er Site ee un. (j. d.
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e evangelif u en, im 1 tatholi tlerus
Re mu erhalten. — ———— ——
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(3. Auguſt 1532, — ubligiert 9. tember, ſ. Kerſſ. 263),
N -: 32 —* — Sr Stadt = 3 Mandat vom Reiche ichs:
remer te 1 9 — Yurtl
Ha —— verlaffen * Fr die Reäbitanten ei
16‘ rtifel „Mihbräudhe” der ——— be ein (abgedr. bei —*
Nachrichten über die Gegenjchriften des Job. Nomberg von Ki i an Adelphus).
In den Artiteln fällt gegen früber (j. oben) bie Farfung des —* ls — —— Si
eoena domini in commemorationem illius panis et vini fit partieipatio, sacı
mentum quidem est. R. wirb denn auch jehr bald als —— verdächtigt,
58 (de Wette IV, 426, vgl. den wohl aud) ) un Deländihen (ORIL, © J
L an den Rat von Münfter Br 8, Pose) und chthon (OR u, Harn
633) warnen Ende 1532 R,, der aber feinerfeie mit Wein und je
is triticeus, quem Westphali ua lingua „eynen Stuten” appellant babe
me „Stutenberet“ für R.), das die — — ſich abbrechen, Abendmabl feier
eo Die 16 Artikel müſſen vom Rate genehmigt werben, im den (14. Dftober) er
Münfter, Wiedertänfer 545
evangelifche Ratsherrn gewählt werden, am 6. November werden durch die Alterleute
Bürger und incolae extramuriales eiblid auf das Evangelium verpflichtet, und ale
am 28. November eine Gegenfchrift der Kölner tbeologifchen Fakultät (determinatio
theol. facultatis Colon. abgedrudt bei du Pleflis dD’Argentre, Coll. iudiciorum de
novis erroribus III? 82ff. und D. Gerdes, Serin. Ant. II, 424ff.) gegen die s
16 Artikel der Prädifanten den Gvangelifchen die Maffe, man wiſſe fatbolifcherjeits gegen
fie nichts vorzubringen, zu nebmen droht, zwingen Gilden und Gemeinbeit den niederen
Klerus, bei Domkapitel und Biſchof zu ihren Gunften zu interbenieren, und der Nat
muß die Katholiken bitten, zu Weihnachten nicht im Dome zu fommunizieren und nicht
dort taufen zu laljen. 10
Tie durch die äußeren wie inneren Verhältniſſe berborgerufene fcharfe Spannung
Löft ih gewaltfam in dem am 26. Dezember unternommenen nächtlichen Überfall der
Nachbaritadt Telgt, der, wohlgelungen, nabezu die ganze bifchöfliche geiftliche und welt:
liche Ariftofratie, auch einige M.ſche PBatrizier, in die Hand der Münfterfchen bringt.
Diefen unzmeifelbaften Erfolg M.s auf der einen Seite und die angefichts desfelben 15
eifrig betriebenen Rriegsrüftungen des Biſchofs auf der andern Seite, benußt unter ge:
ſchickter Balancierung der gegenfeitigen Intereſſen der Landgraf von Heilen zur Inter:
dention, die am 14. Februar 1533 einen Friedensvertrag zwiſchen Stadt und Bijchof
erzielt (Driginaldr. im St.:A. Hannover, abgebr. bei Kerl. 374, ſ. dort über weitere Drude
und Hdſchr.). Unter Berufung auf den Nürnberger Reichstag und das Regensburger 20
Mandat von 1532 werden bis zur Enticheidung eines allgemeinen freien chriftlichen
Konzils die ſechs Pfarrkirchen (nußer den oben genannten noch die Servatiusfirche, die
aber einjtweilen unbefeßt blicb) der Stadt mit ihren Einfünften und dem Rechte der
Pfarrbefegung den Bürgern zum evangelifchen Gottesdienft preiögegeben; auf der anderen
Seite jollen Bilchof, Domkapitel und die übrigen Kollegien bedingungslos (der Verſuch >
der Stadt zur Einführung einer Klaufel: „ſoweit die Meligionsgebräucde nicht gegen
Gottes Wort jind und offene Gottesläſterung entbalten”, feheiterte), bei ihrer Neligion
belafjen werden. Weligionsprozefje haben zu unterbleiben,, die Straßenfperre wird auf:
gehoben, die Gefangenen freigegeben, im übrigen der gefegliche status quo ante reiti:
tuiert — alles in allem ein Kompromiß auf der Grundlage der thatjächlichen Macht: zo
verhältniſſe.
In Verfolg des Friedens ſoll nunmehr das Werk der kirchlichen Geſetzgebung be-
ginnen. Eine Bekanntmachung betr. die Grundzüge der evangeliſchen Kirchenverfaſſung
(nach oberländ. Muſter) wird von dem in der neuen Ratswahl vollends den Gilden
ausgelieferten Rate erlaſſen (bei Kerſſ. 386 ff.; Cornelius, Geſch. II, 317 ff) und darin 5
Kirchen-, Schul- und Zuchtordnung in Ausſicht geſtellt. Die (nicht erhaltene) Kirchen⸗
ordnung wird in der That von R. ausgearbeitet und einer Übereinkunft im Friedens:
vertrage gemäß an den Yandgrafen von Heſſen zur Einfichtnabme gefandt, eine Zucht:
ordnung publiziert und im Minoritenkloſter eine evangelische Schule unter Job. Glandorps
Leitung eingerichtet. 40
Aber man kommt über die erjten Anfänge nicht hinaus, „von allen Einrichtungen,
weiche man beabjichtigte, jcheint feine ausgeführt worden zu fein, als die Prädifanten-
wahl, die Einrichtung der evangeliſchen Schule und ein Stüd der Armenverwaltung.”
Die mühſam aufrecht erhaltene Einbeit unter den Gvangelifchen bricht nun auseinander,
da der Kampf gegen den Katbolicismus im twefentlichen ausgefämpft ift, und damit er: 45
eben ſich ganz neue Konjtellationen. Schwarmgeiſtige Elemente, bisber im Hintergrund,
ächtigen fich der Führung, und es gelingt ihnen, den durch den Zauber feiner Perſön—
lichkeit einflugreihen R. dank jeiner impulfiven, in Entfchlüffen vafcben, für alles Neue
empfänglichen Natur zu gewinnen.
Die Anfänge der Schiwarmgeifterei in M. Liegen im dunkeln. Die Bilderftürmeret, 50
felbft wenn fie ein Nachball der Garljtadtichen Bewegung wäre (f. oben), beweiſt kaum
mehr als eine große Erregung des Volkes, Ottius berichtet zum Jahre 1525: hoc anno
Anabaptistae in inferiorem Germaniam se recepere praecipue in Westfaliam
Rembert S. 17), und zweifellos baben die fchtwarmgeifteriichen Negungen in M.s Um:
dung (j. Cornelius, Geſch. II; Keller 79 ff.; Nembert passim) auf die Stadt eingewirft. 5;
1525 aus M. vertriebene Praͤdikant Yubbert Canfen batte in dem einen Sammelpunft
für Flüchtlinge aller Art bildenden Titfriesland Zuflucht gefunden (Cornelius, Der An:
teil Oftfrieslands an der Ref., S. 19), im benachbarten Soeft wirkte feit 1531 der von
Melchior Hofmann beeinflußte Johannes Campenfis (Campius, nicht zu verwechſeln mit
Joh. Sampanus, Rembert 287 ff), auch bier in Verbindung mit jozial:demofratifcher @'
Real-Encyflopädie für Theologie und Mirche. 3. Aufl. XIIL. 35
344
Hat, nunmehr vor die Alter.
Gemeinheit zwingen ibn dur:
jest nod) bürgerlich-foziale bei:
lihem Vertrage (Er. im Sta
5 geltuns zu und erläßt eine !:
zu widerlegen, wibrigenfalls
(15. Juli), Die katholiſche W-
die Gilden am 6. Auguft Au—
geben, und am 10. Mugujt ır
10 Domes mit evangeliſchen Pr
S. Martin, Roll und Gland
vgl. über dieſe Prädtfanten: :
Bilder und Altäre zertrünmm:
Damit iſt ein wefentlid
15 der Nat bat den legten Reſt
Gemeinheit beherrſchen die =:
evangeliiche Stadt geworden.
Aber konnte ſie ſich als
politiſche Notwendigkeit, dur
ar ſuchten, und ebenſo naturgen
wandten, der, gerade in dieſe
A.), in der Nachbarſchaft
geltend gemacht hatte (Kanıpid-
von Waldeck in Beziehung ft.
25 evdangelifche aan an di’
226 77.; Keller 294
Vorſchlag, die evangelifche P
die Einkünfte zu erhalten.
Erhard Schnepf gefchrieben,
30 Predigern gebeten (Corneliu:.
worauf Gottfried Stralen ın:
Geſellſchaft f. niederſächſ. at
Aber der Biſchof, vom
erfolgreiche Vorgehen des x:
auf das Wormſer Edikt und
Prediger und Rückkehr der
das Interim des Nürnberge
(3. Auguft 1532, in M. y
von fich aus (ohne Bevollm
an gericht, und in dem MM.
Joh. dv. d. Wieck (f. über !:
Rechtsvertreter der Statt -
dem vor der Gewalt noch
Biſchof gehen hin und ber,
4 ſchaft, des Domfapitels un
jchmaltaldiihen Bund zu
fejlionellen Bedenken (Corn
ringt R. mit den Gilden
Patrizier und Domherrn
16 Artikel „Mißbräuche
Nachrichten über Die Gegen
In den Artikeln fällt ges
coena domini in comn
mentum quidem est.
»» Yutber (de Mette IV,
Zutbers an den Nat won
633) warnen Ende 153:
panis triticeus, quem
Name „Ztutenberet” fi
ww Die 16 Artikel müſſen
.) an du.
— men Elementen
_ ae don Waf-
2 7... Zumenberger Prã⸗
— 2 .me Reihe von
— -.neer 160 ff.) nad
= —. Diomſius Vinne
— xuñt,. in Der Abend⸗
„.. „2 zzeaten geringſchätzen
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DMüufter, Wiebertänfer 547
zube, nopeib, * und Stralen zu verfügen, gegen R. aber Amtsentſetzung
ot (6. Novp.).
I iheint die Situation nach dem Friedensſchluß vom Februar 1533 reſtituiert,
Ft Denft wieder an Emrichtung eines evangeliſchen Kirchenweſens mit Unter:
om heil. Yandgrafen erbetenen Prediger ob. Zening und Dietrich Yabricius
Sormelius, Geſch. II 347 f.; derf., Die M.ſchen Humaniften, Bibl. Bremensis
I, Nembert 8. v.); die Vermutung von Cornelius, daß Fabricius Hauptquelle
Verf, ber unter dem Namen bes Heinr. Dorpius gehenden „Warbafft. Htitorie”
Bolbehr (Mitt, a. d. german. Mufeum 2, 102f. widerlegt), lebterer wohl
I gewählt, da er mit den Waflenbergern me früher in Berührung gelommen 10
Se 145). Um R., deilen Poſition dank großen Suzuas von auswärts und
Ansnubung eines diplomatifch ungeſchickten Entgegenkommens des Fabrictus
or mefährlich ift, zu entfernen, läßt v. d. Wie von Philipp von Helfen eine
Fir ., angeblich) zu einem Neligionsgeipräc, erwirken, die von R., dem ber
Nhiberitandes gegen das neue Kirchenweſen das freie Geleit hatte auffündigen
menoinmen wird. Gleichzeitig beginnt die von den heſſ. Prädifanten verfaßte
Erna ins Leben zu treten, und die Kirchen werden mit ewangelifchen m.
umter auch der aus Lippe herbeigerufene 8 Weſtermann) an Stelle der
rt erfte 5 — gegen Ende November ſtehen die Dinge günſtig für die
did et
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[3
[ei
20
t etwa Anfang Januar 1534 ein neuer Umſchwung: die Ideen Melchior
(ib. A. Bo VIII, ©. 222) in holländiſcher aaa: werden eine Macht
Eher war unter Rolls Führung die Wafjenbergiche Richtung, abgefchmwächt durch
I-lonjervative Neminiscenzen, bei R.s Anhang vorherrſchend geweſen, d. b. man
2 Übendmabl als Paſſahmahl gefeiert und die Notwendigkeit der Kindertaufe 25
litten, obne aber antitrinitarifche oder wiedertäuferiſche Konfequenzen zu ziehen.
em Sommer 1533 (vgl. Bd VIII, ©. 225, 55 ff.) beginnen in immer ſtärkerem
Neiioriten in die Stadt a und ſich mit den Waflenbergern zu ver-
eine Verfchmelzung, die erleichtert wurde einmal dadurd, daß Roll u. a. felbit
mn beeinflußt waren, fodann durch H.8 Taufverbot (ein perfönliches Wirken zn
IE bat nicht ftattgefunden, und das angebliche Zufammentirten 5.8 und Knipper⸗
I Stodholm 1524 f. ift Xegende, f. v. d. Linde, Meldior H. S. 95 ff). Wenn
IS Schreiben (nad) Marburg und Straßburg), fowie in feinem von Roll, Klop-
I, Staprade, Stralen approbierten, ald Antwort auf feine Amtsentjegung von
ber erichienenen, die mwillenichaftliche Bildung (Erasmus, Bullinger, Seb. Franck, 35
Srewoäter u. a.) R.3 glänzend bezeugenden "Befentniffe van beyden Sacramenten
de Nacdıtmaele” (Kerfi 442, dafelbft auch Titel der Straßburger Gegenjchrift,
Bei Bouteriwel 285 ff.; Sepp 76ff.) die Polemik gegen Sindertaufe („lesterlike
Klerye") und Luthers Abendmahlslehre wie bisher überwiegt, jo fompathifiert er
den Meldioriten, erwägt % Lehre von der Menſchwerdung Chrifti, agitiert in an
en Nonventileln und Schafft ih eine eigene Winkelprefle (vgl. auch die Anfpie-
an Die Yehre von der Gütergemeinfchaft im „Bekenntnis“ Bl. H 3); das Predigt:
Serahtet er, geitüht auf die Gilden, und durch deren Erfolge ermutigt, Tehren
eember 1533 die verbannten Prediger zurüd. Das Erfcheinen aber zweier Ab:
des Johann Matthys Anfang Januar 1531 bringt den Melchioritismug zum 45
atthys, ein Bäder aus Haarlem, beendet von ſich aus das H.iche
aus wird getauft, und die Liſte ber Getauften fteigt innerhalb acht Tage auf
%
548 Mäufter, Wiedertänfer
gehend in Eingland, Flandern, Liffabon und Lübeck, eifriges Mitglied des halb Litterarifchen,
halb bolitijen Klubs der Rederijker, verläßt zerrütteter Vermögensverhältniffe balber
die Niederlande, mweilt Summer und Herbft 1533 in Weitfalen [vorübergehend aud in
M.], wird im November 1533 von Job. Matthys gewonnen und als Apoſtel ausgefandt,
b dgl. die Litteratur über ihn bei Kerſſ. 639 f.; H. Detmer, Bilder aus den religiöjen und
ſoz. Unruhen in M. I, Job. v. X. 1903).
Nicht ſowohl bei den Prädikanten als vielmehr bei den Führern der Demokratie,
allen voran Anipperdolling, dem fanatiichen Borfämpfer des Volksregiments (j. über
ihn Kerl. 155) finden die Holländer Unterftügung von Xeiden heiratet
ı0 alsbald Kn.'s Tochter), reißen aber die Prädifanten mit fih fort. Ihre Anhänger
werden auf gewiſſe Glaubensſätze (fogenannte „Münjterfche Artikel” |. Kerſſ. 448ff.;
Detmer in Ztſchr. f. weſtf. Gefch. 1893) verpflichtet (ganz melchioritiſch, außer der
Polemik gegen Taufe und Abendmahl auch der Sag: Christum humanam na-
turam a Maria non assumpsisse, aber in der Verweigerung des Gehorfams an die
15 „heidniſche“ Obrigkeit deutlich den bolländiichen Typus verratend, vgl. v. d. Linde
349 ff), und im Februar beginnen Johann dv. Leiden und Anipperbolling ihren Auf:
ruf in den Straßen der Stadt zur Ausfonderung der Gemeinde der Gerechten vor
dem göttlihen Zorngeriht. Sn einem Tumulte gelingt es den Täufern dank der
Sympathie des Bürgermeisters Hermann Tilbef mit ihnen und dank der Angſt bes
20 Rates vor dem mobilmachenden Biſchof endgiltig völlige Glaubensfreiheit fih garan-
tieren zu laflen (11. Februar). Damit ift der Steg des Anabaptismus über die Orb:
nungspartei vollendet.
Die Anhänger diefer verlaffen jcharentveife die Stadt (v. d. Wied auf der Flucht
gefangen und durd den bifchöflichen Scharfrichter hingerichtet), während die Täufer, deren
3 Trumpf fich in gügellefer Schwärmerei (Erftafen, Bilionen, Blutregen 2c. |. Kerſſ. 499f.)
äußert, mit Erfolg lebhafteſte Propaganda treiben (Kerfj. 509f.; Keller 143; NRembert
370 ff, 351 ff. Roll wird nah Holland gefandt und September 1534 in Maeftricht ver-
brannt, vgl. %. Habet?, De wederd. te Maestr. 1877), M. rüdt an die Stelle Straf
burgs als Hort der Wiedertäuferei, und der Erfolg feheint den Anſpruch, in M. das new
30 Jeruſalem zu befigen, zu beftätigen. Unmittelbar nad dem 11. Februar fievelt Johann
Matthys nah M. über, die Neuwahl der jtäbtiichen Obrigfeiten bringt Knipperdolling
und feinen Gefinnungsgenoffen Kibbenbroid als Bürgermeifter an der Spige der Stadt,
das Volk plündert und vermüftet die Klöfter und den Dom (Kerſſ. 520ff.). Matthys
plant die Doktrin von der „Vernichtung der Gottlofen” praftifch zu machen, doch dank
35 dem Cingreifen Knipperdollingg und Johannes v. Leiden fommt es am 27. Februat
und folgenden Tagen nur zu einer Austreibung aller „Gottlofen“ (darunter auch
Fabricius, der bis zulegt hatte vermitteln wollen), während drei Tage lang an den „Be
fehrten” die Weiche kaufe vollgogen wird. Bald darauf beginnt Johann Matthys unter
Berufung auf AG 2 mit der Einführung der Gütergemeinichaft, deren Durchführung
40 aber erjt allmählich gelingt; zur Verwaltung der Güter werden fieben „Diakonen“, be
ſtellt. Am 15. März beginnt das Verbrennen ſämtlicher Bücher in der Stadt außer der
Bibel, die das Gefeßbuch im neuen Serufalem wird. Eine Oppofition der Bürgerſchaft
wird blutig niedergefchlagen (vgl. für den damaligen Glaubensftand der M.fchen das von
Cornelius Geſchichtsqu. II, 445ff.] mitgeteilte Bekenntnis). Inzwiſchen hat der Biſchof
5 feit dem 28. Februar Anjtalten zu einer regelrechten Belagerung getroffen, die jedoch
ſehr langſam fortjchreitet, da es an allem Nötigen fehlt. Doch gelingt es die Sitte der
Nachbarfürſten, vor allem Gleve und Köln, jpäterhin auch Heflen zu gewinnen (über die
politiihen Verhandlungen, das Interefienspiel zivischen Heilen, das dem drohenden An-
Ihlup Ms an Spanten-Burgund [das fogar mit den Evangeliihen in M. Verband
60 lungen anfnüpft, |. ten Cate in Doopsg. Bijdr. 1899] vorbeugen will, M., Cleve
und Köln [Fürftentag zu Orſoy 26. März] |. Keller 240ff. und H3 1882 ©. 429ff.)
Der Zuzug von Anabaptiften in die Stadt kann jedoch zunächſt nicht gewehrt werden,
und wenn die auf Die M.jche Propaganda hin geplanten großartigen QTäuferegpeditionen
in den Niederlanden, Jülich, der Umgegend von M., fcheitern, fo liegt das teils an der
5 Wachſamkeit der betr. Zofalbeamten, teil3 an der unpraftifchen, alles Heil von oben er
wartenden Wlanlofigfeit der Schwärmer (ſ. Cornelius, Die Niederl. Wiedertäufer mährend
der Belagerung Ms, Rembert 351ff.; Kerſſ. 567f.; Keller 152 ff). Fanatismus um
Hoffmannſche Paſſivität iſt es auch, die die Belagerten zunächſt feine Drnanifation treffen
läßt und erjt allmählich ihnen Hauptleute giebt (Kerſſ. 533). Und mir Tanatigmu
wand Vertrauen auf eine angebliche Offenbarung treibt am 5. April Mattig
Mänfter, Wiebertänfer 549
zu einem blanlofen Ausfall, bei dem er feinen Tod findet. Nunmehr rüdt ob. v. Leiden
ın die Führerrolle ein.
Er vollendet jebt die von Matthys begonnene Organifation des „neuen —
ſalem“. Zunächſt (wohl Anfang Mai ſ. Kerſſ. 574ff.) wird die alte Stadtverfaſſung,
die formell noch durchaus in Kraft beſtanden hatte, abgeſchafft, als Menſchenwerk und
erjeßt durch Die göttlich offenbarte Verfaffung Israels. „12 Altefte der 12 Stämme
Israels“ übernehmen alle weltliche und geiftlihe Macht in M., geichicdt ausgewählt aus
den ehemaligen Ratsbeamten und Gildenführer, der ehemalige Bürgermeifter Knipper-
dolling wird mit der Rolle des Schmwertträgers (Henters) befriedigt, N ſucht in einer
Predigt das neue Regiment als göttlichen Willen darzuthun. Die neue Obrigkeit ver: 10
Tündet alsbald eine ordinatio politici regiminis (Kerſſ. 582 ff., vgl. 579 ff.; Detmer
37 ff.), völlig auf biblifcher Grundlage unter Verbot jeglicher Gemeinſchaft der Getauften
mit den „Fremdlingen“. Sprecher der Alteften wird der „Propbet” yon. v. Leiden, er
leitet ihre Sitzungen, und er iſt es auch, der militärische Organiſation, Wachtdienſt u. dgl.
jo vortrefflih ausbaut, daß die Belagerten beftändige Erfolge über die Belagernden er- 15
zielten (Detmer 40 ff.). Nicht zum menigften triumphiert hier die fittliche Zucht der
Täufer über das lodere Landsknechtsleben. Dad Unternehmen einer efftatifchen mer
länderin, als Judith auszuziehen und den Biſchof zu töten, fcheitert jedody an der Wach-
ſamkeit der Belagernden und dem Verrat eines * en Bürgers (16. Juni). Die glück—
lichen Ausfälle und die Wirkung von ins Lager geſchleuderten Flugſchriften führen aber 0
den Belagerten Zuzug felbit aus den Reihen der Belagerer zu.
Mitte Juli propontert Joh. v. Leiden, fich ftübend auf Gen 1, 28, das Erempel der
Patriarchen, 1 Ti 3,2 (f. die Folgerung Kredhtings: „daruth folle folgen, de gemeyne
man moge wol velle wyver nemen“”), veranlaßt aber jedenfall® auch durch den fozialen
Notftand eines großen Überfchuffes an Frauen, den Prädifanten die Vielweiberei, ftößt 26
aber auf heftige Oppofition, die nad) etwa acht Tagen erft der Hinweis auf göttliche
Offenbarung und Anbeohung göttlichen Zorned überwindet. In dreitägiger Predigt wird
dem Volke die neue Lehre verfündigt und dann zu ihrem Vollzuge — in robefter Form,
die- Prophet und Prädifanten vergeblich zu mäſſigen fuhen — gefchritten (Keller 211.)
Dieſe Einführung der Polygamie treibt die befonnenen Bürger zu einer leßten, gervali- 80
ſamen Oppofition. Mit etwa 200 Anhängern gelingt den Schmied Heinrich Mollenhede
die Gefangennahme Joh. v. Leiden, Knipperdollings, R.s, des Klopriß, Vinne und Heinr.
Slabtecae (über ihn, der Sommer 1534 nad m fam, |. Nembert ©. 305 ff.). Aber
die Energie der Täufer unter Tilbecks Führung verhindert die geplante Offnung der
Thore und Übergabe der Stadt an den Bifchof, befreit die gefangenen Führer und übt ss
an der Oppofition blutige Rache. Von diefer Seite ift jest nichts mehr zu befürchten,
die Herrichaft des Propheten iſt fchranfenlos (ſ. bei Kerſſ. 626 Anm. 3 das Wer:
zeichnis der Zahl der Frauen der Wiebertäuferführer — R. hatte neun Frauen!). Mit
der Begründung: spiritus meus appetit carnem tuam (Kerſſ. 629) werben die tolliten
jeruellen Leidenfchaften bis herab zur Mädchenſchändung befriedigt (Kerſſ. 626 ff.). “0
Als am 31. Auguft den Täufern das Abfchlagen eines Sturmes der Belagernden
glänzend gelingt, wird (ob nach vorheriger Nerabredung? f. Kerſſ. 634) Joh. v. Leiden
bon dem neuen Propheten Johann Dufentichuer auf Grund einer göttlichen Offenbarung
zum Könige über das ausermählte Israel mit dem Anfpruh eines Weltherrfchers
(Jer 23, 2—6; Ez 37,21 ff.) ausgerufen. Der neue König richtet alsbald feinen Hof: 46
ftaat ein: Knipperbolling wird Stellvertreter des Königs, R. Hofprediger, Räte, ein Zudht-
meifter, Hofmeifter, Sekretär, Küchenmeifter, Mundfchent, Hofichneider, Kanzler (Heinrid)
Krechting) u. a. Beamte fchließen fih an (vgl. die Flugfchrift, des M.fchen Königes Hof:
ordnung, Bahlmann 1535 Nr. 17; 3.8. Nordhoff in: Bonner Jahrbb. 1895), — das
Banze fchlecht ftimmend zur eben damals wieder cingefchärften Gütergemeinfchaft, die u. a. 50
unentgeltliche Arbeit ofkulierte Zur Königin erhebt Johann die majejtätifch fchöne
Witwe des Matthys Divara (über |. Nebenfrauen |. Kerſſ. 657). Eigene Münzen mit
der Aufichrift ge 1,14; 3,5 werden geſchlagen (Abbildung bei Kerſſ. 667; Bahlmann
52f.; Nordhoff a. a. D.; befondere Münzen gab es in M. übrigens fchon unter dem
Regiment der Präbilanten), auf befonderem Throne auf dem Marktplatz hält der König 55
Bericht. Der innere Widerfpruch diefes immer mehr verweltlichenden „Gottesreiches” aber,
verbunden mit der Abneigung des alteingefejfenen Bürgers gegen den eingedrungenen
"embling, und dem Bewußtfein von Joh. v. Leiden an Einfluß überholt zu fein, ar
n
A
“erbolling den Verſuch machen, auf Grund angeblicher Offenbarungen den „Kö
vom Fleiſch“ duch einen „geiitlichen” König (d. b. ihn felbjt) zu verdrängen
z
.
2%
..
=
—
..
*
—X Mänfter, Wiedertäufer
u Redel gun: Durch den Geift zu erfegen, aber das raſche Zugreifen Johanns, der An
XxeEren digen läßt, befeitigt fein Regiment. Am 13. Oltober wird auf dem Domplape
an sroßes „Abendmahl“ [nah Mt 22, 2ff., fogar die Ausftoßung deſſen, der fein hod-
zazlnd Aleid bat, fehlt nicht, Kerl]. 702 F.] gehalten (ein Pidnid, an deſſen Schluffe König
und Königin Brot und Wein austeilten), Duſentſchuer (im Einverftänpnig mit dem
Konige? ſ. Kerſſ. 701; die Notiz, daß er damals aufs neue Johann v. Leiden habe zum
Konige ausrufen laflen, nur bei Gresbeck M.ſche Geſchichtsquellen II, 103 ff.]) verkündet
die Aussendung von 27 Apofteln nad der Norm von Mt 10 (die Namen derfelben bei
Ka. Torf. Vinne, Klopriß, Stralen und Slachtscaep find darunter; über die nad
durzen Erfolgen vollgogene Gefangennahme und Hinrichtung diefer Apoftel in Warendorp
und Coeofeld ſ. Kerſſ. 708 ff.; Keller 164ff.; über das ähnliche Schickſal derſelben in
Sveſt Kerſſ. 719 ff; Comelius I, 270f.; Keller 177 ff. und derf. in: Stiche. d. Vereins
j. d. Geſch. von Soeſt 1881/82; über Usnabrüd Kerl. 722f.; Keller 178 f.). Etwa
gleichzeitig druckt R. fein auf Propaganda berechnete Buch „Reftitution rechter und ge
tunder chriftlicher Lehre“, (an dem wohl auch Klopriß beteiligt ift, ſ. Rembert 243), dem
im Dezember als Antwort auf die Hinrichtungen der Apoftel das wilde „Büchlein von
der Nache” folgt (die Idee „Reftitution” ftammt von Sampanus, ſ. d. X. Bd III, ©. 696, 51,
in 18 Punkten fucht R. dem Abfall gegenüber die Reftitution zu begründen: fie bat be
gonnen unter Luther, wird aber vollendet durd Melchior Hoffmann, Matthys und Job.
v. Leiden. Autorität ift einzig und allein die Schrift Alten und Neuen Teftamentes,
die Menſchwerdung Chriſti ift melchioritiſch aufzufaflen, das Erlöſungswerk Chrifti ſchließt
die beiligende Arbeit an fich felbit kraft des freien Willens nicht aus, fondern ein, die
Taufe ift nur als Taufe unterrichteter Erwachfenen berechtigt, die Gemeinde der Ge
tauften bildet die rechte Kirche, wie in M. z. B., eingerichtet nach apoftolifchem Vorbild
mit (Hütergemeinfchaft, Diakonen, Brotbrechen zum Gedächtnis des Todes Chriſti zc., als
— der Ehe“ gilt das Wort: „Seid fruchtbar und mehret euch!“, daher Vielweiberei
und Verbot des Beiſchlafs mit ſterilen oder ſchwangeren Frauen, Chriſti Reich iſt ein
irdiſches, die Obrigkeit iſt nur als Dienerin Gottes, wie im M.ſchen Königreiche, rechte
Obrigkeit; am Schluſſe der „Reſtitution“ folgt eine kurze Darlegung der M. ig⸗
niſſe. Das Büchlein von der „Wrake“ fühlt im — * an die Reſtitution ſogl.
S. 97; Bouterwek 346f.] aus Bibelſtellen den Nachweis, daß der Tag der Vernichtung
der Gottloſen als Vorbote des Friedensreiches ser 31) nunmehr gelommen fei, und
fordert \ flanımenden Worten zum Zuge nad M. auf, mofelbft der Thron Davibs
errichtet fe).
Aber die Durch dieſe Schriften, namentlich die legtere, in den Täuferfreifen der um-
liegenden Yänder hervorgerufene Erregung (vgl. Sepp 105. 111f.; Bouterwek 313Ff.;
Rembert 384 ff; Cornelius, Die niederländ. Wiedertäufer 84 ff.; Keller 270f.) kann Doch über
die Neringfügigfeit des Zuzugs von auswärts dank der fteigenden Wachjamteit der Belagerer,
deren Alsdhausihiiem (Kerſſ. 810) feine Wirkung zu thun beginnt, nicht binwegtäufchen.
Die glücklichen kleineren Ausfälle durchbrechen * nicht den Belagerungsring, und Offen⸗
barungen des Königs oder Predigten R.s u. a. können über die in der Stadt mehr und
mehr ſich empfindlich machende Hungersnot nicht hinweghelfen. Dem Biſchof hingegen iſt
eo gelungen, nicht zum wenigſten Dank der Unterſtützung von Cleve, am 13. Dezember
Vertreter des niederrheiniſch-weſtfäliſchen und oberrheinifchen Kreifes ſowie Kurſachſen zu
„Mtobleny zuſammenzubringen, die Belagerungstruppen unter Yeitung des Grafen Wirid
von Dhaun und Falkenſtein unter Affiftenz einiger Räte der Kreisftände neu organifieren
zu laffen und für jehs Monate ſich Geldunterftügung zu verfchaffen, — unter der Ber:
flichtung, daß nach der event. Eroberung der Stadt ein neues Regiment nur unter Zur
N lnımung ber beteiligten Fürften eingerichtet werden fol (in diefer Klaufel eine Ab-
yielung auf Reftitution der kath. Kirche Mi jeben [Keller 26 ift irrig; wie die Klauſel
ausgeführt werden würde, mußte Die Zukunft lehren, einſtweilen wahrte jeder Stand ſich
ſein Recht. Einig waren alle Stände in Ablehnung der ſpan.-burgund. Pläne auf M,,
val. die diesbez. Verpflichtung des Biſchofs bei Kerſſ. 749; im übrigen zum Koblenzer
Tape Keller 2641 ff.; Kerſſ. 741 ff). Und wenn auch die Koblenzer Beitimmungen nur
langſam exefutiert wurden (f. die Gründe bei Keller 269, ebda. über den geplanten Tag
von Worms 1535), fo jcheitert doch auf der andern Seite die im Dezember 1534 und
Januar ſowie in den folgenden Monaten 1535 aufs neue betriebene täuferifche Pro-
wmyanba aun Zweck ber Entjegung der Stadt völlig (Keller 271ff.; Cornelius, Die
miederländ. Wiedertäufer; fpeziell über die Niederfchlagung der Bewegung in Weſel
Vouterwel in: Ztſchr. des Berg. Geſchichtsver. 1, 360ff.; ebd. 385ff.; Kerſſ. 725 ff.;
Münfter, Wiedertänfer 651
Keller 274 ff. über die Beihilfe des M.ichen Verräters Heinrich Graes), und die Verhand-
en mit ben Belagernven, fpeziell mit Philipp von Heilen, zerichlagen fich (Kerfi. 753 ff. ;
enamp, Heſſ. KG IL, 210%, die Alta des Ant. Corvinus ; über die Entjendung des
icius im November 1534 nach M. durch Philipp von Seffen zwecks Friedensver⸗
lungen |. Volbehr, Mitt. a. d. germ. Mufeum 2, 97 ff.; über einen vom Landgrafen 5
beruntapten ee: der „Reftitution” R.s 1. gerſ 757; über die Widerlegung der
Reititution, bad heil. Theologen Rembert 296). Neue Verordnungen Joh. v. Leiden
(ogl. den Artilelbrief vom 2. Januar 1535 bei Kerſſ. 763ff.; Philippi in Z86 10,
14671), Propbezeiungen des Königs, gemedt durch die immer wieder auffladernde H off-
ng auf Entſatz aus Holland, und jchließlih (Mai 1535) die Einrichtung eines harfın 10
—— unter Leitung von 12 Herzogen, deren jedem ein Stadtthor anvertraut
wird ad vitandam proditionem (Kerſſ. 773), ſuchen vergeblich das wankende Ver:
trauen der Bürger auf ihren Herrſcher zu befeſtigen. Die Zahl der Überläufer, ange:
fpornt durch Verfprechungen des Biſchofs en Sejer. * berg. Geſchichtsver. Bd 28, 220 ff.),
— ſich, der Belagerungsring ſchließt ſich allmählich, Vermittelungsverſuche der Hanſe⸗
ſtädte Lübeck und Bremen auf der Baſis der a de der Woedagtaufere ſcheitern (.
d. A. Wullenweber Kerſſ. 789ff.; Keller 187.; S. 435). R.s neue, im
* eldienene Schrift, „von Verborgenbeit * he Ts Reiches Chrifti und dem
ern” vermag nicht darüber hinwe en daß et der „Tag des
— ei t Tommt (f. au die Vertröſtung Leiden, als die fiher auf Oftern 0
dem“ m Gelöfung nicht eintritt, bei Kerſſ. * N Schrift führt die in den beiden
legten Schriften ausgefprochenen Gedanken weiter aus, geht aber vielfach über ſie hinaus,
Betonung des vom Geiſte auszulegenden AT als der eigentlichen Hauptſchrifi, Behaup-
tung der Sünblofigkeit der Gläubigen, Antaftung der Trinitätslehre, Verheißung der
Wiederkunft Chriſti und Aufrichtung feines weilden Reiches nach den Tagen der „Reſti⸗ 25
tution” ; am Schluffe des Schriftchens eine Überfegung des 68. Pfalms mörtlid nach
dem Lötvener Humaniften Joh. Campenfis bezw. der deutfchen Überſetzung von deſſen
Pfelmenparaphraje ſ. Sepp 124 f.; NRembert 294). Auf dem Wormfer Tage (4. April)
gelingt es anbererjeit auch die Reichsjtädte auf der Baſis des Koblenzer Abſchiedes zur
der Belagerungsarmee heranzuziehen (Keller 281ff.; 93 1882 434 ff. ; so
Kerſſ. — .), ſo daß nunmehr nahezu das geſamte Reich vor M. vertreten iſt. Joͤh
v. Leiden aber muß um dieſelbe Zeit der Hungersnot wegen Greiſe, Weiber und Kinder
aus ber Stadt laſſen (über die Aufnahme diefer Flüchtlinge Kerſſ. 815 ff. Wehrhafte
Männer bleiben noch etwa 1600 in der Stadt).
Aber doch hätte wohl dank dem Schrediensregimente Johannes und dem bei den 8
Belagernden fih empfindlich geltend machenden Geldmangel die Belagerung ſich länger
bingezogen, wenn nicht Verrat die Stadt der Cernierungsarmee in die Hände gefpielt
beide be a Ed von der Langenſtraten und Heinrich Gresbeck (f. die Litteraturüberjicht),
e Flüchtlinge, verraten die Anlage der M.ichen Befeitigungswerke, unter ihrer
ünftigt durch ein heftige Unwetter, gelingt in der Nacht vom 24. zum 40
25. — durch die ahnungsloſen heh hindurch ein Eindringen in die Stadt mit
etwa 400 Mann. Aber ein ſchwerer ſtrategiſcher Fehler der Eindringenden, die Ver:
Kumnis das Thor, durch welches man eindrang, genügend zu deden, läßt die Täufer
—— ub der Belagerungsarmee verhindern und jene 400 einfchließen, die fih nun:
itulationsbedingungen einlaffen müflen. Im legten Momente gelingt jedoch 45
die Ye Wiherbeftellung des Konnered mit dem Gros der Belagerungsarmee, durch ein neu
geöffnete® Thor dringt diefe ein, und ihre Übermadht bringt am Mittag de3 25. Juni
E Stadt in ihre Hand, unter ben Ichredlichiten Blutthaten der Landsknechte. Der König
und die Königin, Stnipperbolling und Krechting werben, durch Verrat, gefangen genommen,
R. fcheint (f. die einander wiberiprechenden Nachrichten über fein Schickſal bei Kerl. so
842 |.) den Tod gefucht und gefunden zu haben. Am 29. Juni hält der Biſchof feinen
Einzug in die Stadt — der Traum des „neuen Jeruſalem“ war zu Ende.
Die aber würde die Neuordnung ſich boltgiehen? Hab und Gut der Wiedertäufer
wurben zum Verlaufe ausgeboten (Niejert, U.B. I, 226 f.), der balbe Anteil an der
Beute und ſämtliche Geſchütze fallen dem Biſchof zu, am 18. Juli wird im Dome ein 6
feierlicher Dankgottesdienft gehalten (der noch heute alljährlich wiederholt wird), aber die
Zur age e war: wie foll der Religionsſtand M.s geregelt werden? t wurde die
blenz⸗Wormſer Klaufel (f. oben) aktuell, die bisher mühlam in der Belämpfung der
Täufer geeinten Gegenſätze zwiſchen Katholiken und Vroteftanten treten hervor. Die
proteftantifche Partei unter Führung Philipps von Heflen erftrebt Reſtitution des Ver⸗
—
oa
552 Münfter, Wicdertäufer
trage vom 14. Februar 1533, der durch die Epifode der Wiedertäuferei nicht tangiert
fer, und ſucht den Bifchof durch Verſprechung von Geldzahlungen zur Abmidelung feiner
Schulden zu gewinnen, auf der anderen Seite aber vereinbaren Hermann von Göln,
Johann von Eleve mit Franz von Münfter, der eine Zeit lang zwar den evangeliſchen
5 Plänen fich geneigt gezeigt hatte, zu Neu unter dem Drud faiferl. Geſandten Reititution
der Religionsform in M., „welche von Kaifer und Reich gebilligt ift“ unter Abftellung
einiger ° —5 (19. Juli). Domkapitel, Ritterſchaft und Städte des Bistums ſtimmen
zu, und infolgedefjen beginnt die katholiſche Geiftlichfeit fi in M. wieder einzurichten.
Ein Reichstag zu Worms vom 1. November verfügt enigegen den Wünfchen der Pro-
10 teftanten Reftitution des Katholicismus, Neftitution der alten Stadtverfaffung (ohne Rüd-
ficht auf das Belenntnis, für die Evangeliihen daher die Möglichkeit bietend, auf Um:
wegen etwas zu erreichen), Schleifung der Befejtigungen M.s und Auslieferung der Hälfte
der Beute an das Neid. Eine Reichskommiſſion fol am 13. März 1536 ın M. dieſe
Anordnungen exeutieren. Aber der Bilchof, unwillig über die gegen den Willen feiner
15 Bevollmächtigten ihm aufgezwungenen Beitimmungen jest der Kommifjion entgegen mit
feinen Ständen eine neue „Ordnung“ der Stadt M. durch, welche die Leitung der Stadt
nahezu völlig unter bifchöflichen Einfluß bezw. des vom Bischof ernannten Befehlshabers
ber Gitadelle legte (30. April, ſ. die Ordnung bei Kerſſ. 881ff.; Niefert, UB LI, 256 ff..
Die Gilden werden aufgelöft. Damit war den Evangeliſchen die im Reichsabſchied vom
20 1. November nody offen gelaflene Möglichkeit der Wiedergewinnung verlorenen Terrains
genommen, ihr Proten gegen den Religionspunkt des Abſchiedes aber verhallte. Wie
einſt die Uneinigkeit zwiſchen Biſchof und ſeinen Ständen das Emporkommen der evange⸗
liſchen Richtung begünſtigt hatte, jo war ihre Einigkeit die Haupturſache für den Unter⸗
gang derſelben (og Keller, Die Wiederherjtellung der Tath. Kirche nach den Wieder:
25 täuferunruben in M. 1535—37 93 Bd 47; Kerſſ. 863 ff.).
Joh. v. Leiden, „spectaculi vice huc atque illuc“ geführt (Corvinus), mird
ichließlid) in Bevergern, Anipperdolling und Krechting in Horftmar feſtgeſetzt. Auf Ber:
anlaffung des Landgrafen iverden Ant. Corvinus und Joh. Kymeus zu ihnen deputiert,
aber ihre Disputation mit den Gefangenen bleibt ergebnislos (ſ. die „Akta“ darüber in
Bd 2 der Wittenberger Ausgabe der deutichen Werke Luthers, Bahlmann 1536 Nr.3 u. 4;
gallenfamp a. a. O. 211ff.; berührt wurden in der Disputation alle |treitigen Punkte, die
Verteidigung ift fehr geſchickt feitens der Täufer). Ein fchließliches Anerbieten des Königs,
gegen zu yerung des Lebens die Täufer in allen Landen zum Schweigen zu bringen,
wird abgelehnt, die Gefangenen werden nah M. geführt, dort verhört (ſ. die Aften bei
35 Cornelius, M.ſche Gefchichtöquellen II, 398 ff.) und am 22. Januar 1536 in der Frühe
graufam zu Tode gemartert, die Leichname in eifernen Körben am Lambertiturme auf
gehängt (Die noch jegt vorhandenen Körbe hingen an den Turme bis zum Abbrudy dei
jelben im Jahre 1881).
Der Fal M.s bedeutet eine Kataftrophe für das geſamte QTäufertum, indem die
10 M.ſche Richtung ohne weiteres allem, was nad) Täufertum ausſah, imputiert wurde
Die Theologen, ein Luther, Melandıitbon (vgl. Haußleiter, Mel. Kompendium 1902
S. 72ff.), Menius, Urbanus Rhegius, Corvinus fo gut wie Cochläus (f. d. Litt. zu den
betr. Artikeln u. Bahlmanı a. a. S. ſowie Rembert 245) u. a. wetteiferten in Bekämpfung
teil3 der Schriften Rothmanns (vgl. hierzu auch Sepp a. a. O., die betr. Schriften fallen
ER i T. vor den Fall M.s) teils des Täukertunns überhaupt, „die M.iche Furie bat den
Namen MWiedertäufer zu einem Stichtwort gemacht” (Rembert ©. 2). Politiſch befiegelt
der all M.s den Untergang der mit dem Täufertum ja Hand in Hand gegangenen
deinofratifhen Beivegungen und feſtigt die Macht des Landesheren, der in der Auf
bildung der Belenntnisfirhe Schusmaßregeln gegen die Irrlehre trifft (ſ. die vortreffl.
50 Überficht in K. Müllers KG $S 216; W. Köhler, Ref. u. Ketzerprozeß 1901, auch Rembert
40575). Selbſt für Mähren und Heſſen (vgl. über die hier durch den Gegenſatz gegen
die Täufer veranlaßte folgenreihe Entwidelung W. Diehl, Zur Geich. der Konfirmaten
1897) bört jegt die Toleranz auf. Auf der anderen Seite aber vollzieht ſich im Täufer
tum felbft eine Läuterung, die radikalen, Gewalt fordernden Elemente jchwinden, Memo
5 Simons (ſ. d. A. Bd XII €. 586 ff.), der NRegenerator des Täufertums, beginnt mit Be
kämpfung des irdischen Königreiches ‚Jobanns v. Leiden.
So ungerecht eine Identifikation des gefamten an ſich überhaupt nicht einheitlichen
Täufertums mit der M.ſchen Gemeinschaft ift, ebenſowenig gerecht iſt es, dieſelbe ganz
von den Rockſchößen des Täufertumg abjchütteln zu wollen, wie das von mennonitifcher
co Zeite gerne gefchieht. Cine wilde Orgie wahnwitzig verblendeter Menſchen ift das M.iche
Miünfter, Wiedertänfer Münter 553
uch Eitelkeit und Leidenſchaft ſowie bewußte Dlache mitgefpielt
an Ba 1 ber Beivequng aus dem Täufertum der Umgegend (Waſſen⸗
| fluffung durch den Meldioritismus, defjen Nealifterung es gilt,
ben von dem allgemein-politifchen Rahmen eined Hand in Hand⸗
ra e und Zäufertum. Und auf die letzten Prinzi ien geſehen, vom 5
e dom Zwinglianismus aus wäre ein M. ſches Reich unmöglich ge:
ung der Offenbarung auf den Heilsprozeß, die daraus hervor⸗
*8* Organiſationsformen und die Ablehnung, für ſie und für
‚Die Bibelautorität heranzuziehen, verboten das (beim Luthertum
als a Bein Zwinglianismus). Die äußerfte Hochipannung der Offen: 10
"% Des gejamten, religiöfen mie ethifchen Lebens machen zu wollen,
anaturale Gotteögemeinde, von ihr getragen, unter Ausfcheidun
tollen — die iſt eben täuferifch, fo gewiß fie —
on Denkens gelegen hatte (formula missae, deutſche Meſſe).
—* Offenbarungsbegriff keineswegs einheitlich iſt, tritt dieſer 15
* in die Erſcheinung. Von hier aus aber liegt Syſtem in
1 Reiben, felbft in den tolfften Orgien. Was nur immer ge:
‚m Namen der göttlichen Offenbarung zu handeln, fei es auf
npiration, jei es auf Grund der Bibeloffenbarung, leitet
ni me, ein fanatifches Sich-Klammern an die Übermeltlichfeit, 20
J * mußt ein völlig untergebt in der Ipnfpiration und Offenbarung und
ögeburten als Inſpiration und Offenbarung ausgeben muß. Das
+4 M. ift nicht ein dem Täufertum aufgepfropftes wildes Reis,
| Baume des Täufertums gewachſener Zweig, — von
W. Köhler. 2
pCt K. 9, dänischer Biicof, geft. 1830. — 3. B. Mynfter,
eh 47 Skizze, in Stfr 1833; C. L. — Fra den ældre
——— Dansk biografisk Lexikon ur. B. Minter, Familien M.s
18 N)
tin Karl Hinrich Münter wurde am 14. Oftober 1761 in Gotha 30
Suter, Balthajar M., damals Waifenhausprediger und Hofdiakonus war,
er —— ſeinem Vater nadı Kopenhagen, wo derjelbe zum Paſtor an
Kirche gewählt worden war. Der alte M. war der größte Pre
+ dänischen auptitadt und zugleich ein eifriger Förderer des Schul-
ee der St. Petrigaſſe war ein Mittelpunkt für die angefeheniten 35
* an Kopenhagen. Klopitod, die Brüder Stolberg, Cramer, Geritenberg,
Maler A. J. Carſtens gehörten zu den Verkehrsfreunden des Haufes.
3 ijt Balthafar Ms Name beſonders dadurch befannt geivorden,
e Eren auf den Tod vorbereitete und feine kr dh
herausgab, Die in ſechs verichiedenen Sprachen geb wurde wu
rer englijchen 1 Überjegung nad) einer franzöf iſchen Bearbeitung er-
* zewechſel im Jahre 1784 war Balthaſar M. auch mit beteiligt.
Plän * Kronprinzen Friedrich eingeweiht und beförderte durch Cramers
$ ir h Biel war, die Briefe des AMronprinzen an den Grafen Bernftorff.
, künftlerifch und politifch intereffierten Heim wuchs Fr. M. heran. 45
seine umerjättliche Zejeluft, zeigte aber anfangs ein größeres Intereſſe
—— als für die Wiſſenſchaften, zu denen er ſpäter ſo
ern ſollte. Der ältere Niebuhr war es, der bei einem Beſuch im
des Knaben für die Archäologie anregte; der Kupferſtecher Preisler
für die Herrlichkeit der Kunt und erteilte ihm Unterricht im Ra⸗ w
ſp — bei ſeinen archäologijchen Studien zu itatten kam. Schon als
er ſich in der Redekunſt auf einer Kanzel, die ihm der Vater im
Ta
E hatte.
in der Water zur Univerfität, aber ſchon vorher batte er kirchen⸗
gen gehört und angefangen, auf der Biblothef zu arbeiten. Der 55
naling träumte aud) davon, Dichter zu werden. Klopſiock, Fr. L. Stol-
„nice Dichter Ewald batten ihm Yuft gemacht, fih einen Pla ab auf dem
gen m; * Oden an das Meer und die Sterne und überjeßte Ewalds
b54 Mäuter
1780 unterzog er fich dem philologifchen, 1781 dem theologifchen Eramen. Darauf
reifte er nach Göttingen, um die gelehrten Männer kennen zu lernen, welche in ber Re
publif der Wiſſenſchaft die berühmten Namen batten. Unterwegs traf er, außer mit den
alten Yreunden, Fr. 2. Stolberg, Geritenberg und Klopftod, mit Matthiad Claudius,
5 dem Abt Serufalem und dem Herrnhuterbifchof Spangenberg zufammen.. Am WMufenbof
zu Weimar fah er Wieland und Herder und in dem Heinen Gartenhaus an der Ilm
befprah er mit Goethe äfthetifche und theologifche Probleme. Die ehrwürdige Georg
Augufta ftand damals in voller Blüte. M. fühlte fich gleich von C. W. F. Wald an-
gezogen, aber %. D. Michaelis’ vwielbeiprochene auri sacra fames ftieß auch ihn ab.
10 Unter Heynes Anleitung vertiefte er fih in die Schäge des Haffifchen Altertums; Gatterer
weihte ihn in die Anfangsgrünbe der Paläographie und Diplomatil ein; 2. T. Spittler
wurde fein Ideal eines Stirchenhiftorifer. Diefer gab ihm den verftändigen Rat, ſich
einen beitimmten Zeitabjchnitt als eigentliches Forſchungsgebiet auszumählen, und ber
junge Gelehrte, der, wie jo viele feiner Zeit, für die Yreimaurerloge Nhtoärmte, erwãhlte
15 fi) die ägyptiſchen Hieroglyphen, den Pythagoräismus, die Myſterien und die Gnoſtiler.
Heyne fun ihn indeilen zu überzeugen, daß bei einer Arbeit in den Myſterien nichts
berausfommen würde; ein zweiter Lehrer bezmweifelte, daß es jemals glüden würde, bie
Fo Rätſel zu deuten. Co wählte M. fih denn das Mittelalter, namentlich den
Kampf zwifchen Staat und Kirche, zu feinem Forfchungsgebiet und gab als Erſtlingsgabe
20 von feinen Studien eine Abhandlung „Über den Fortichritt der Hierarchie unter Inno
cenz III.” heraus.
Bei alledem wurde aber die Poefie keineswegs in Göttingen an den Ragel gehängt.
Der erite Dichter, den M. befuchte, war Käſtner; Später lernte er Bürger kennen. Wäb-
rend ferner eriten Serien war er in Weimar, mo Herder ihm feine Gedanten über bie
25 hebräifche Poeſie auseinanderfegte und ihn aufforderte, die deutfche metrijche Überfegung
der Offenbarung Johannis, die 1784 herausfam (2. Ausg. Kopenhagen 1806), zu
zu führen. Gleichzeitig Jen er Heine Gedichte am das „beutiche Mufeum” und lich
1782 in Erfurt „Zmer Maurerhymnen” druden.
In Göttingen traf er auch feinen Landsmann Georg Zoäga; durch diefe Begegnung
3% wurde fein archäologiſches Intereſſe wieder rege. Während eined Ferien
lernte er in Berlin Nicolai, Spalding und Mofes Mendelsfohn kennen, und machte in
Dresden Studien in der Antitenfammlung und dem Münztabinett.
Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat reifte er über Wien nad Rom. Der
Zweck diefer Reife war zunächſt die Unterfuhung einiger Handjchriften de Neuen Teita-
35 ments, die fich in Ragufa befinden follten. Diefe fand er nicht; der junge Ki iſtori
fand dafür aber anderes, das er nicht geſucht hatte. Sein Aufenthalt in Rom fiel in
die Zeit der Ohnmacht des Jeſuitismus und Ultramontanismus; der Humanismus herrſchte
in der Stadt St. Petri und ein janſeniſtiſcher Luftzug ging durch die ganze römiſche
Kirche. In Toskana traf er Scipione de’ Ricei, Biſchof von Prato und Piſtoia; in Rom
40 trat er namentlich zu dem gelehrten Stephano Borgia, dem fpäteren Kardinal, in näbere
Beziehungen; diefer war damals Sekretär der Propaganda und Mäcen aller jungen Ar:
chäologen, der dänischen nicht am wenigſten. Von Rom ging er nad Neapel und Si
zilien; als Frucht diefer Reife gab er nach feiner Heimkehr „Nachrichten über beide Si⸗
zilien“ beraus, die in däniſcher, deutfcher, holländifcher, ſchwediſcher und italienischer
45 Sprache erjchienen.
Nach mehr als dreijähriger Abweſenheit kehrte er 1787 nach Kopenhagen zurüd mit
vielen Archivfunden, Erzerpten, feltenen Büchern, Altertümern und den „ſchönen zen“,
um die ihn Goethe beinahe beneidet hätte Er brachte aber auch tiefe Eindrüde von
der Herrlichkeit der römifchen Kirche mitten in ihrer Erniebrigung mit fi) beim, und in
50 den italienischen Bifchöfen mit dem freien Blid und dem offenen Sinn für die Kunft
und Litteratur des Altertums, mit ihrer Schlichtheit im täglichen Verkehr und ihrer
grandezza in den feitlichen Augenbliden hatte er fein biſchöfliches Ideal geſehen.
Kurz nad feiner Heimfehr wurde eine neue theologifche Profeſſur errichtet, die M.
erhielt, nachdem er aus einer Konkurrenz mit dem Bibelforkber A. Bird (II, S. 757,39 f.)
55 als Sieger hervorgegangen war. 1784 batte er fich in Fulda den philofophifchen Doktor:
grad erworben, jest (1790) errang er in Kopenhagen den theologifchen. Mit diefer feiner
Anstellung an der Univerfität begann nun die reiche Berfafferthätigleit, die Kon vor
—2 des Jahrhunderts ſeinen Namen in der ganzen gelehrten Welt ge⸗
macht hatte.
60 Als Theologe war M. entſchieden Hiftorifer, nicht Syſtematiker. Einen feften theo-
Münter 555
logifchen oder phrtofophihen Standpunkt hatte er nicht. Vielen Streitfragen ſtand er
als ein Mann ohne Meinung gegenüber, mit einem jehr mangelhaften Verſtändnis für
die tiefen und ftarfen Überzeugungen, aber immer von dem lebhaften Wunſch, den Frieden
betvahren, befeelt. Er glaubte an die „Göttlichleit des Chriſtentums“, aber feine Theo-
ogie, injoweit ald man von einer folchen reden kann, war von dem Nationalismus feiner
Zeit durchfäuert. Als Lehrer war er den wenigen viel, die fein argäolngilches ee
teilen konnten; fein Vortrag zeichnete ſich aber weder durch Lebendigkeit noch Anſchaulich⸗
feit au. Er wurde kein Spittler. „M.s trodene kirchenhiftorifche Notizen ohne Über:
fichtlichteit hatten”, fagt fein Schwiegerfohn 3. P. tale, „michts Anziehendes, und
feine natürliche Theologie war nur menig von echter Religionsphilofophie angehaudht.” ı
Grundwig braucht noch ftärkere Worte, und Baggefen fällt das ungerechte Urteil: „Nichts
ale Gedächtnis”. in großer Teil feiner Schriften machen zwar den Eindrud piemlich
lofe verbundener Exzerpte, es find aber von jeiner Hand, außer einer Menge von kleineren
Abhandlungen (zum Teil gefammelt in „Miscellanea Hafniensia“ I—II, 1816—28),
fo bedeutende Arbeiten erfchienen, wie „Handbuch in der Dogmengefchichte der älteiten 15
—— Kirche“ (I—II, 1801—4, ins Deutſche überſetzt von A. Harnacks Großvater
.Ewers), welches grundlegende Bedeutung erhielt für dieſen neuen Zweig der kirchen⸗
geſchichtlichen Wiſſenſchaft; ferner „Geſchichte der daniſhen Reformation“ (I—II, 1802),
welche viel größeren wiſſenſchaftlichen Wert beſitzt als die meitläufige „Kirchengefchichte
von Dänemark und Norwegen” (I—III, 1823—33), welche leider noch oft in Deutfch- 20
land als Duelle benußt wird zur Darftellung der Gefchichte der dänischen und norwegiſchen
Kirche; meiter die fcharffinnige Unterfuchung über das Geburtsjahr Chrifti („Der Stern
der Weifen“ 1827) und „Primordia ecelesiae Africanae“ (1829), welches lange ein
Fe geweſen ift für diejenigen, welche die ältefte Gefchichte der afrilanifchen Kirche
tubdieren wollten. Seine bebeutendite Arbeit ift aber doch vielleicht „Sinnbilder und 26
Kunftvorftellungen ber alten Chriften“ (I—II, 1825), ein Werk, welches noch nicht ganz
überflüffig gemacht worden ift. Auch feine „Religion ber Karthager” (1816, 2.Aufl. 1821)
und feine „Antiquarifche Abhandlungen” (1816) find erwähnenswert. — Für die Er:
richtung des Altertumsmufeums in Kopenhagen ift er fehr thätig geweſen und ein Teil
feiner Münzfammlung wurde dem Töniglihen Münzlabinett in Kopenhagen einverleibt. so
Es erregte eine gewiſſe Vermunderung, daß man 1808, als Balle (.Bd II, 371) fein
Biſchofsamt niederlegte, M. zum Bilchof von Seeland erwählte. Der gelehrte Mann,
der fih am liebiten ztoifchen feinen Büchern, Altertümern und Münzen beivegte, der
wegen feiner See berüchtigt war, fchien für eine auffichtefüßrenbe Thätigkeit
ignet.
a
—
—
wenig geeign Iehte aber alle feine Kräfte ein, um feiner neuen Stellung zu ge: 85
en. Prädilant wurde er nie; feinen Predigten fehlte in der Negel Lebendigkeit und
indringende Kraft, jeine Haltung auf der Kanzel war nicht günftig, feine Stimme zu
did, und augenblidliche Zerſtreutheiten ftörten manchmal feine Rede. Gelegenheitäreden
glüdten ihm jedoch oft gut, und wenn er im Bilchofsmantel vor dem Altar ftand, dann
nte Würde über feiner Geftalt und Wärme in feinen Worten liegen. Seine Gut: ww
mütigleit und Reblichleit machten ihn beliebt, wenn er in den Pfarrhäufern vifitierte,
dem Volle aber fiel es ſchwer, ihn zu verftehen. Ä
Auf feinen Vorſchlag wurde (1815) eine Kommilfion zur Reviſion des Neuen Tefta-
ments gebildet. Troß feines Rationalismus mar er in liturgifcher Beziehung recht kon⸗
ſervativ, und die Liturgie für Die Biſchofsweihe, welche 1811 durchgeführt wurde und die 45
erft 1898 von einer neuen abgelöft worden ift, war nad anglifanifhen und römischen
Vorbildern gemadht.
Während der vilhafigen Amtszeit M.s brauften ſchwere Stürme über den däniſchen
Kirchenader dahın. Daß ein Dann wie er für den Standpunkt Grundtvigs feine Sym⸗
te hatte, wird allen einleuchten; jchon „der große Lärm“, den Grundtvig erregen 50
wollte, mußte ihm zumider fein. In den beiden Hirtenbriefen, die er mit den andern
bänifchen Bifchöfen ausfandte (1817 zum Andenken an die Reformation und 1826 zum
Andenken an Ansgar Miffion) trat der Rationalismus unverhüllt hervor.
M. ftarb am 9. April (Charfreitag) 1830. Er war bei feinem Tode Mitglied fo
gut wie aller Alademien und gelehrten Gefellfchaften Europas von Edinburgh an bie ss
u den joniſchen Inſeln. Cr hinterließ eine Bibliothef von 14000 Bänden, eine Münz-
bon 10000 Nummern, fowie 600 größere und kleinere Altertümer; ein Teil
diefer Ießteren find in bie Wände des Thoreingangs und des Treppenhaufes im Biſchofshof
enngemauert worden oder auf andere Weile dort aufbewahrt. Sein gelehrter Brieftvechfel
und fein übriger litterarifcher Nachlaß, infomweit er nicht auf Familienangelegenheiten fich eo
656 Münter Münzer
bezieht, find an die große königliche Bibliothek und an die Univerfitätsbibliothel_in Ropen-
hagen, an das Reichsarchiv und die Freimaurerloge dafelbit abgegeben; ein Teil iſt in
dem ſchwediſchen Reichsarchiv und in der Loge zu Stodholm gelandet. Nach feinem Tode
wurde ihm im Umgang ber Frauenkirche ein fchönes Denkmal in Geftalt eines Marmor:
5 basreliefs geſetzt. Fr. Nielſen.
Münzer, Thomas, geſt. 1525. -- Das erſte Verzeichnis feiner Schriften: Dresdner
Gelehrter Anzeiger 1757, ©.4%. Rh. Melandıithon(?), Die Hiftori Thome Müntzers ıc.,
Hagenau 1525 abgedr. in Luthers Werten ed. Walch XVI, ©. 199 ff. (als hiftorifche Duelle
von jehr geringem Wert und mancherlei Märden enthaltend). G. Th. Strobel, Leben,
10 Schriften und Lehren Thomä Müntzers, Nürnberg u. Altdorf 1791, 3. 8. Seidemann, Th. M,
Dresden y. Leipzig 1842; derf., Zur Geſch. d. Bauernfriegs in Thüringen. Forſchungen zur
deutfchen Geſchichte XI, 377; xI 511; derſ. D. Ende des Bauerntriegd. N. Mitt. aus dem
Gebiet hiſt. antiq. Forfchungen, Bd XIV; olzhauſen, Heinrich Pfeifer und Thomas Münger
in Mühlhauſen. Allg. Ztſch. f. Geſch. von Schmidt IV, 365; K. E. Förftemann, Neues
15 fundenbud) zur Geld. d. ev. Kirchenreformation, Hamb. 1842 1, 228ff.; derf., Zur Geſch. des
Bauerntrieges im Thüringifchen und Mansfeldiſchen. N. Mitt. aus dem Geb. Hiftorifch antia.
Forſch. XII. Bd (Nebe, Geſch. des Schloffes und der Stadt srhebt Ziſch. d. Harzvereind XX,
18f.); W. Karſtens, Sächſiſch-heſſ. Beziehungen. 2. dv. V. Thür. Geh. N. F., 8 IV,
©. 334 ff.; ©. Wolfram, TH. M. in Alitedt. Ziſch. f. Thür. Seid). N. F. V. Bd; ®. —2
20 heiner, Bhilipp d. Großmütige im Bauerntriege, Marburg 1887; O. Merz, Thomas Münzer
und Heinrich Pfeiffer 1523—1525, I.T., Göttingen 1889; Kordan, Chronik der Stadt Mühl:
haufen, BdI., Mühlhauſen 1900: berſ. „Zur Geſch. der Stat Mühlhauſen, Heftl uw 2.
ebend. 19015; ; D.Clemen, Joh. Syloius granus. Mitt. Zwickauer Aiterumsvereinẽ
1899. 1902; J. Smend, Die evangeliſchen deutſchen Meſſen bis zu Luthers deutfcher Meſſe,
35 Göttingen 1896, O. Albreht in Beitr. 3. Ref. Geih. J. Köitlin gew., Gotha 1896, ©. 7ff.;
derſ., in Luthers Werte, WA 15, 199ff.; Sehling, Die ev. Kirchenordnungen des 16. Jahr⸗
hunderts, Leipzig 1902, J. Bd, ©. 470ff. Dereinpelte Briefe Münzers: Unſch. Nachr. 1716,
©. 1246; Arch. f. ſachſ. Geſch. SM ; Btid. d. Harzver. XII, 641; Ztſch. f. heil. Geſch.
XI, 356; Beitr. 3. bayr. KG, VII
30 Thomas Münzer, der Mann, — eine jo verhängnisvolle Rolle in der Heformation-
geſchichte fpielen follte, ftammte aus dem Harz. In dem Städtchen Stolberg murde er
vor 1490 als Sohn nicht ganz armer Eltern geboren. Nur wenige Daten werfen einiges
Licht auf feine fonft ganz dunften Anfänge. Im J. 1506 im Winterjemeiter wurde er als
Thomas Munczer de Quedelburgk in die Yeipziger Matrikel eingetragen, ſechs Jahre
35 fpäter, Winterſemeſter 1512 finden wir ihn als Studierenden auf ber Sr —ãã Fe
(Thomas Müntzer Stolbergensis SS 1512; Frankfurter Matrif a "ed. Friedländer I,
veipaig 1887 ©. 39). Wenn er fich mit Theologie befchäftigte, dann wäre dort Wimpim—
er ſpätere Gegner Luthers, ſein Lehrer geweſen. Aber wir wiſſen nichts über ſeine
Eintondelung, nicht einmal wo er den fpäter von ihm geführten Zitel eines Magiſters
40 und eines Bacculaureus der Theologie erworben bat, und menn er im Jahre 1521 mit
vielem Pathos erklärt, daß er, wie alle, Die ihn kannten, wüßten, mit hohem Fleiß
nach einem höheren Unterricht des heiligen, unüberwindlichen Chriftenglaubens ge
ftrebt und von feinem Mönche oder Pfaffen die rechte Übung des Glaubens habe er:
langen können (Seidemann 122), fo wird man ſchwerlich berechtigt fein, ſchon für —F
45 damalige Zeit auf eine eigentümliche Richtung zu ſchließen. Auch war er nur kurze Zeit
in Frankfurt, denn fpäteltens in die erjte Hälfte des Jahres 1513 fällt fein Aufentdalt
als Golloborator in Halle, wo er nach feiner vor feinem Tode gemachten Angabe mit
mehreren untergeordneten Perfünlichfeiten einen Bund gegen den Erzbiichof Ernſt von
Magdeburg, der fhon am 3. Auguft 1513 zu Halle ftarb, geſchloſſen haben will (Seide:
so mann 154). Was er damit beabfichtigt habe, erfahren wir nicht, aber eins läßt biele
Jugendthorheit, — er weiſt ſelbſt darauf bin, daß es in der Jugend gefcheben — ſchon
erkennen, den Mangel an Ebrerbietigfeit ivenn nicht mehr gegen Die Höherftehenden, und
Die Neigung zum Bundfchließen, um feine Zwecke zu erreichen. Im 3.1515 war er Prü
pofitus in Frohſe bei Afchersleben ( Zeidemann 3), dann fcheint er mehrere Jahre lang bald bier
55 bald dort geweſen zu fein, aud in feiner Vaterftadt Stolberg gepredigt zu haben. (Ein früher
angenommener Aufenthalt in Braunſchweig wird durch einen Brief an ihn in Zeitſchr.
d. Harzvereind XII, 6417. nicht begründet). Anfangs 1519 bielt er fich im Leipzig auf
und bot von da aus dem Probft von Kemberg, Bartholomäus Feldkirch (Seivemann
S. 105) feine Dienfte als Kaplan an, wie es fcheint vergeblich, denn er mar noch zur
eit der Tisputation Yuthers in Leipzig und machte Damals auch mahrfcheinlich bei dem
Druder Melchior Lottber die perjönliche Bekanntſchaft Luthers. Diefer muß einen guten
Münzer 657
Eindrud von ihm erhalten haben, denn er empfahl den Stellenlofen dem M. Johann
Silvanus von Eger (Egranus), der damals als Prediger in Zwigau wirkte, was, wenn
auch erſt ſpäter, verhängnisooll werden ſollte (O. Clemen, J. Silv. Egranus a. a. O.
E. 36). Am Ende des Jahres 1519 finden wir ihn als Beichtvater der Bernhardinernonnen
im Stlofter Beutiß vor Weißenfels. Aber wie es ihn nirgends lange litt, fam er auch 6
bier bald in Mißhelligkeiten. Offenbar nahm er es mit feinen Pflichten nicht ernjt. Die
tägliche Frühmeſſe für die Nonnen zu lefen, war ihm unbequem. Xuther wußte zu er-
zählen, er babe fich fpäter gerühmt, daß er da oft die Wandlung unterlaflen und „mohl
ei zmeihundert folcher ungemweihter Herrgötter gefrejlen babe” (EN 31, 329). Schwerlich
eichab dies auf Grund eines ſchon evangelifchen Standpunfktes, denn ein Angriff auf die 10
Meile war damals nody nicht erfolgt, vielmehr wird er zu denjenigen Meßprieitern gebört
haben, deren Treiben Luther bejonders in Rom beobachtet hatte, die in heidniſchen Step:
tismus befangen mit dem ihnen zum Spott gereichenden Geſchäft jo fchnell als MR
fertig zu werden fuchten. Doch war er nicht bloß Meßprieſter. Daneben bahnte fi
Neues bei ihm an. Sat daß es irgendwann in feinem Leben einen Zeitpunkt gegeben 15
hätte, in welchem die Wittenberger für ihn Autorität gervejen wären, ift (troß Enders III,
435) nicht anzunehmen, dazu mar er eine zu berrijche felbititändige Natur, die überall
ihre eigenen Wege geben wollte. Aber die neue Bewegung hatte doch auch ihn ergriffen und
er hatte damals lebhafte wiljenchaftliche Neigungen, die man aus feinen Bücherbeitellungen
entnehmen Tann. Da waren es nicht nur Eujebius, Yeranynus, Augustin, mit denen 20
er ſich beichäftigte, auch die Alten des Konitanzer und Basler Konzild wollte er ſtudieren.
Daneben verfolgte er den litterarijchen tampr zwischen Luther und Emfer (Seidemann
106). In jener Zeit wird wohl auch ſchon das Studium der von Luther empfohlenen
deutichen Theologie, Johann Taulers und anderer myſtiſcher Schriften fallen, die nicht
geringen Einfluß auf ihn ausübten. Daß er als Prediger geichäßt wurde und man ihn 28
als Parteigänger Luthers anſah, zeigt der Umjtand, daß der Archidiafonus Heinrid von
Bünau in Oſterwick im Halberftädtiichen ihn ale Kaplan zu gewinnen fuchte, aber er 309
es unter des Neformators Billigung vor, einen Rufe nah Zwickau zu folgen (Seivemann
©. 107; Enders II, 104).
In diefer gemwerbreichen und auch durch den feit 1471 im Erzgebirge aufgelommenen so
Bergbau wohlhabenden Stadt mit ſehr gemischter Bevölkerung, die nahe an der böhmischen
Grenze wohl nie ganz ohne taboritifche Beziehungen geblieben war, hatte ein humaniftifch
ebildeter, nicht unbedeutender Mann, der fchon oben erwähnte Koh. Wildenauer aus
Sger, daher gewöhnlich Egranus genannt, der mit Luther enge Beziehungen unterhielt,
fchon über Jahr und Tag in reformatoriihem Sinne gewirkt, worüber er nicht nur in 36
litterariſche Fehden u.a. mit Ocdhfenfart und Wimpina fondern auch in ernite Händel mit
der in ihrem Treiben bloßgeitellten Mönchöpartei geriet, jo daß die Gegenfäge ſich ſchroff
gegenüberjtanden (Clemen a. a. O.). Da Egranus, um eine längjt in Ausficht genommene
Studienreife nadı Süddeutjchland und Bafel zu unternehmen, Urlaub genommen batte,
follte Münzer, zunächſt bis Michaelis, feine Stelle als Hauptprediger an der Hauptkirche so
der Stadt, an St. Marien vertreten. Sogleich bei Beginn feiner Predigtthätigkeit zeigte
er ſich als eifriger Volterer, der fich zugleich darauf veritand, das hervorzuheben, was
man im Volfe gern hörte. In feiner Antrittspredigt vom 17. Mai 1520 fagte er u. a.,
was den von ihm angefchlagenen Ton charafterifiert: Die Mönche hatten Mäuler, daß
man wohl ein Pfund davon abjchneiden fünnte und behielten doch Mauls genug. Er 46
geißelte ihre Habjucht und ihre betrügeriiche, Wohlſtand wie wirkliches Seelenheil unter:
grabende feeljorgeriiche Thätigkeit. Solche Predigt wurde von der großenteils längjt den
reich geivordenen Bettelmönchen nicht mehr wohl gefinnten Einwohnerſchaft gern ge:
bört. Als die Angegriffenen fich wehrten, fam es zu ärgerlichen Kanzelgezänten. Bald
rief man die geiltlihen Oberen gegen Münzer auf. Doc diefer hatte den Nat auf feiner so
Seite, der den Herzog Johann anging, den Mönchen zu verbieten, die Prediger des
Evangeliums zu beläftigen. Aber auch das biſchöfliche Ordinariat muß ſich ſchon mit der
Sache beichäftigt haben, denn Münzer bot ſich an, dort Nechenfchaft von feinem Glauben
du geben und alle jeine Predigten vorzulegen. Im VBollgefühle, die Sache Chrifti zu
iben und um ſeinetwillen zu leiden, dachte er auch an eine Dieputation und auf Ver: 56
anlafjung des Rates wandte er fich Ichließlich unter Tarlegung des Sachverhalts und
feiner Pläne an Xuther mit der Bitte, ihm das Beite zu raten (13. Juli 1520; Enders
II, 435). Was diejer geantwortet bat, wiſſen wir nicht, auch von offiziellen Schritten
gegen ihn hören wir nichte. Aber Münzer wurde immer aggrefliver, befonders, als er
wegen der Rückkehr des Egranus am 1. Oftober an die Katharinenkirche verjeßt wurde 60
556 Räünzer
und bort, two die Tuchmader, die angeiehenite Zunft, ihre Fronleichnamsbruderſchaft
unterbielten, alsbald einen ihm blind ergebenen Kreis um ſich verfammelte. jeden, der
ibm widerſprach, verunglimpfte er und verbäctigte ihn als Gegner des Evangeliums oder
ale Bohmen. Ohne daß man nachweiſen fünnte, welche Einflüffe dabei mitgewirkt baben —
und es ijt nicht ausgefchloffen, daß die um diefe Zeit in die Erfcheinung tretenden Son:
ventifel in feiner (Hemeinde fchon vorkanden waren und ihm dieſe Richtung gaben —
tritt bei ihm jetzt zweierlei in den Vordergrund, was ihn fortan beftinmte, erftens bie
#erufung auf die unmittelbare Cingebung des Geiltes bei feinem Neden und Handeln
vgl. au |. Brief an den Rat zu Neuſtadt N. Arch. f. ſächſ. Geih. Bo III, ©. 85)
v und zweitens die Tendenz, unter Ausmerzung aller Ungläubigen, und märe es mit Ge
walt, eine (Hemeinde geifterfüllter Gläubiger aufzurichten. Gegen die von ibm verachteten
geiftlihen Amtsgenoffen, in denen er nur fittenlofe Mietlinge fieht, ruft er die Laien auf,
verfammelt die Auserwählten zu Konventifeln und läßt fie, menn mir recht berichtet find,
zmölf zu Apofteln und zmweiundfiebzig zu Jüngern wählen. „Die Laien müſſen unſere
» Stralaten und Pfarrer werden”, verkündet er, und namentlich einen feiner Anbänger,
bein Tuchmacher Nilolaus Storch, rühmte er als Bibellundigen und gab ibm das Zeugnis
bes (Weiftesbefiges (Seidemann S. 110). Darüber fam er natürlib in Etreit mit fernen
Amtsgenoffen in der Stadt, vor allem mit Egranus, aber aub in der Umgegend, und
ttachelte das Volk zu ihrer gewalttbätigen Verdrängung an. Als ibn dann im
1521 ber bifchöfliche Offizial nach Zei citierte, bedrohte er ihn mie die gottlofen Pfarrer
auf ven Yande, die fich nicht belehren wollten, mit dem Bann: wenn e nach Zwickau
kamen, follten fie mit Kot und Steinen hinausgeworfen werden, wie er in der That
Jehron im Tezember 1520 einen Vriefter, der faum mit dem Leben davon fam, auf ſolche
Ateife vertrieben hatte. In Wittenberg twollte man bereit® wiſſen, daß er auf nichts
or ſinne le Mord und Blutvergießen (Agrilola an M. bei Seivemann ©. 118) und warnte, aber
vergeblich. Tas Treiben wurde fhließlich derart, daß der kurfürſtliche Amtsbauptmann
einctiſſ unb am 16. April feine Abfegung veranlaßte (Clemen, Egranus ©. 26). Nin
puech Nerbuftung von 55 Tuchlnappen glaubte der Rat einem Aufftand feines Anhangs
zu PA (Munften vorbeugen au können. Und die Sorge war nicht unbegrünbe. Erft
much Munzers entfernung zeigte fich, welchen Umfang die fpiritualiftifche Richtung fchon
erlaängt balle. Es iſt befannt, wie jet Storch die Führung der Auserwäblten über
nahm und man bei der Betonung des Geiftes und der Verachtung alles Außerlichen
bald zur Bertverfung der Rindertaufe fam (3RG V, 383 ff), für welche Konſequenz be
„Bwickauer Uropheten“ Münzer aber nicht verantwortlich zu machen ift.
Tiefer Dachte nur daran, feine Seifteskirche unter den Böhmen des Hus aufzurichten. In
Begleitung von Markus Thomä, einem Badftubenbefiter (Stübner), der aber in Wi
ftudiert und in Melanchthons Haufe verkehrt hatte, begab er ſich zuerft nad) Saaz, von da
nad rag. Hier predigte er (nach Palacky, Gefch. von Böhmen V, 2, 442) in verſchiedenen
Kirchen deutſch und lateinifch und gewann aud Anhang unter dem Adel. Ein öffent
0 licher Anſchlag aber (Seivemann S. 122. Das Datum omnium sanctorum ift, M
Münzer nah einem Briefe an Hausmann in Stich. d. Harzvereind XII, 644 im Juni
Prag ſchon wieder verlaſſen hatte, nicht in 1. November aufzulöfen, fondern 26. Mai ob.
Trinitatis, an welchem Tage man in Prag nad dem orientalifch-flavifchen Kalender das
Allerbeiligenfeft gefeiert haben wird), indem er mit wüften Ausfällen gegen die Geiſt
45 liben und ihre Berufung auf die Schrift, die vom Geift erfüllten, die Auserwählten,
„zur Aufrichtung der neuen Kirche”, die in Prag ihren Anfang nehmen folle, auffordert
und unter Berufung auf den in ihn fprechenden Geiſt den Ah deſſen weigernden für
das nächſte Jahr die Vernichtung durch den Türken androht, ſcheint den Utraquiften bie
Augen geöffnet zu baben. Man tbat feinem Treiben Einbalt, er mußte weiterziehen. Peregrinor
sw in omni orbe propter verbum, ſchrieb er an einen Freund (Seidemann 122), ließ aber
nicht ab, fein Geiftesevangelium unter Hinweis auf das nahe Kommen des Antichrifts zu
verfündigen. Im Sabre 1522 muß er auch troß feines fpäteren Leugnens eine Unterredung
nit Yutber gehabt haben, bei der cs zu jcharfen Erörterungen fam (De Wette II, 542
und Schwentfeld bei Salig, Hiſt. d. Augeb. Konf. III, 1099). Von Nordhaufen aus,
65 wo er ſich wenigſtens Ende desjelben Jahres aufgebalten, fam er, nachdem er 3 in
großer Not geweſen (Seidemann Beil. 25), unmittelbar vor Oftern 1523 nach Alftet
und murde vom Nate verfuchsmweife, ohne daß man die furfürftliche Betätigung einbolte
(N. Mitt. XII, 195), als Prediger an der Johanniskirche angenommen. Babriheinlid
fand er daſelbſt jchon einen evangelisch — Geiſtlichen vor, den „N
eo an der Wigbertkirche, den früheren Karmelitermönch Simon Haferitz, der alsbald mit ibm
FL
*
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Mänzer 559
emeinfchaftliche Sache machte (vgl. Tb. Kolde, Beitr. 3. bayer. AG VIII, 23 ff.; Clemen,
tr. zur Reformationsgeſch. II, 14 ff.). Sofort begann Münzer mit gottesdienftlichen
Neformen, von denen wir hauptfächlic aus feinen drei Liturgifchen Schriften Kunde haben.
1. „Deutich firchen ampt. Vorordnet, aufzuheben den hinterliftigen Dedel, unter welchem
das liecht der Welt vorbalten war, welchs jet widerümb erfcheint, mit difen lobgejengen und 6
göttlichen pfalmen, die do erbauen die zunemenden Chriftenheit, nach gottis nnmwandelbaren
willen, zum untergang aller perechtigen geperde der gottloſen.“ Alftedt (0. 3.). — 2. „Deutich
evangeliſch mefje, etwann durdy die bepftiichen pfaffen im latein zu großem nadhteil des
chriſtenglaubens vor ein opfer gehandelt, und itt vorordnet in diefer ferlichen zeit zu ent-
decken den greuel aller abgötterei durch folche mifjbreuche der meilen lange zeit getrieben. 10
Thomas Munger, Allſtedt 1524.” 3. Ordnung und beredinunge des teutjchen ampts
u Alftadt durch Tomam Münger, feelmarterd® in vorgangen ojteren aufgeridht. 1523.
ftebt 1524. Gedrudt gu Eylenburgh durch Nicoleum Widemar.“ (Alle drei abgebrudt
aber ohne Noten bei Sehling, Kirchenordnungen I, 472ff. Für die Reihenfolge vgl.
Smend ©. 96). Obwohl mit früheren und fpäteren Auslafjungen verglichen, eine ge: 15
wife Mäßigung unverkennbar iſt, laflen diefe Schriften (vgl. namentlich die Titel und die
Borrede zu 2. u. 3) die Tendenz erfennen, Aufrichtung eines deutſchen evangelischen
Gottesdienſtes im Geiſte. Die erfte giebt die bergebrachten Metten und Veſpern in
beuticher jelbititändiger Bearbeitung, was ihm die Nachrede eintrug, als wollte er „die
alten bäpitiichen Geberden, Meilen und Veſper widerumb aufrichten und beitätigen helfen‘, 20
wogegen er fich in der Vorrede zur zweiten Schrift verteidigt. Es handle fi nur darum,
was ja die „evangelifchen Prediger” felber wollen, die Schwachen zu fchonen, daß fie
nicht „geichtuinde herabgerifjen werden oder mit ofen unbeiwußten Lieblein gefättigt”,
auch ſoll man fih nad Paulus üben und ergögen in geiftlihen Zobgefängen und Pfalmen.
Und auf einen volltönenden Gottesdienst legt er allerdings großen Wert: mit der Predigt 25
und gar allein mit der Sonntagspredigt, wie die zarten Iiafe wollen, die da faullenzen,
allein am Sonntag eine Predigt thun und die ganze Woche über Junker fein wollen,
ift es nicht geſchehen. Man kann die arme grobe Chriftenheit nicht fo bald aufridhten,
wo man nicht das grobe unverftändige Volk feiner Heuchelei mit deutjchen Lobgefängen
„entgrobet” ꝛc. So haben wir e8 denn im „Sirchenamt” und in der „Meile“ weſentlich so
mit gefungenen Amtern zu thun, nur die Kollekten und Leltionen werden gelejen. Bald
war Münzer damit nicht zufrieden. Seine dritte Schrift, die über die Einrichtung des
zen Gottesdienftes, wie er feine ftatutarische Geftalt noch im Jahre 1523 gefunden
bat, Rechenſchaft und vor allem für das einzelne und feine Stellung eine ſehr interefjante
und teilweife fehr originelle Begründung giebt, bedeutet einen mefentlichen Fortſchritt. ss
Nicht nur daß fie auch die einzelnen Handlungen befchreibt, während die beiden erften
nur die liturgiichen Formeln und Lektionen überlieferten, die ganze Ausgeftaltung des
Gottesdienftes ift ficher inzwifchen eine reichere und eigentümlichere geivorden. Ale
Introitus fingt man, „auf das man je klerlich fehe”, den ganzen Pfalm, ebenfo wird
immer ein ganzes Kapitel ftatt der evangelifchen und epiftolifchen Pertfopen gelefen. Die so
Predigt ift dazu da, den Gefang zu erklären, „ver im ampt gehört ift, darum David
: die erflerung deiner wort gibt verftand den kleinen.“ Später wollte man auch
willen (Sehling ©. 511), was nicht recht verftändlich ift, daß er das Läuten zur Predigt
abgefchafft babe. Allen drei Arbeiten, die des Verfafiers große Begabung wie Feine veichen
ae har bervortreten laſſen, eignet ein hoher Grab von Originalität, auch wird man 4
ihm künſtleriſchen Sinn und kirchlichen Geihmad nicht abfprechen dürfen. Seine meift
felbftftändigen Überfegungen aus dem Miffalle entbehren nicht eines gewiſſen Schwunges,
bie gereimte Überfegung des Veni sancte spiritus (Sehling ©. 504) Tann fogar als
eine dichterifche Leiſtung bezeichnet werden. Auch das Streben, aufzubauen und nicht bloß
abzureißen, ift unverkennbar. Gleihmohl iſt die ablehnende Haltung Luthers (EA 29, co
207f.), die Smend ©. 115 weſentlich auf deſſen „Erboft fein” über die Schmwärmer, bie
nicht vor ihm verantworten wollten und auf feine Empfindlichleit über Münzers
ng zurüdführt, ſehr begreiflich. Nicht nur die Rede von der „Entgrobung“ und
iches, die ftarle Betonung des Geiſtes mar ihm anjöhig, noch mehr die Gering-
der Predigt und die damit verbundene Polemik gegen die neittenberger, wahr: 65
auch die ficher nicht lutheriſch lautenden Ausfagen über das Abendmahl (5. 506),
beſonders auch die Gejetlichkeit, mit der Münzer die Verdeutfchung des ganzen Gottes:
bienftes fordert. Und wenn Luther, wie Münzer behauptet (Enders, Aus dem Kampf 29)
Ki: den Drud des „ampts“ bei feinem Fürften bintertrieb, mas lediglich dadurch ge
wird, daß dieſes in Leipzig erfchten, jo that er Dies ohne Kenntnis des Inhalts bloß so
Bünger
- T,rwen WMungers gehört. Denn ſchon im uni
:5 Nunzer ſich auf bejondere Eingebungen des
rt erhaltenes Schreiben an ibn, Das an Die
„erzus in freundicaftlicher Weiſe Worbalt machte
-..zeterune aufforderte, wurde von dieſem zwar ebr—
. zwrdert (Enders IV, 160) und war Durch jeine
ersparen Wirkungen Des Geiltes nur zu ſehr dazu
‚ze und ihn zu veranlaſſen, u. a. den Schöſſer von
or dem erden Cindrud gewonnen batte, er jet ent:
een Rimmt man Münzers beimlichen Werfehr mit
. or Me „wangeliichen Prediger“ in jene Schrift zu:
zz zeaeıe Yutber in jenem Brief wohl gebeuchelt.
‚sure, welcher Geiſt ibn bejeelte. Als Graf Ent
nidierte, jeinen Untertbanen den Beſuch von Münzers
a. 2m 13, Zepteinber 1525 auf der Nanzel gegen den
ee Da Die Sache Gottes Wort anginge, iveigerten
or md wieſen den Grafen Ießtlib an den Murfüriten,
m Kriefe an den Grafen jene Worte nicht nur zu,
nt der umaläubigen“, wie er Jich unterzeichnete, wenn cr
x ware, Jo lange noch ein WÜderlein in ibm fich rege, den
.. pr Turfen, Heiden und Juden ale einen „vorrhiien, un:
are Wie ehr er ſich in Die Rolle des von Gott berufenen
eat Hineingelebt hatte, deſſen Pflicht es fer, „Die lautbaren
nit, daß ſie erballen mit dem Gifer der Kunſt Gottes, keinen
‚ri, Der Dem Worte Gottes wiederſtrebt“, zeigt jein Brief
top 1523, in Dem er zugleich fein Vorgeben abſchwächt
o „cznbem Recht erbietet. Und dieſer, dem „in folde Zaden
.. at, begnugte ſich, ihn in Eid und Pflicht zu nebmen und
so auf dem Predigtſtuhl ſich folcher Außerungen zu entbalten,
. sähree unbe Dienftlid wären (Förſtemann, N. Mitt. S. 228 Hl.i.
te Spiel. Ungebindert durfte er jeine aufregenden Predigten
Br denn es foll eine Neujabragabe jein — ließ er aus
zutun Tome Mingers von Stolberg am Narbe feelmarten
sonne vund Bum anfang don dem rechten Chriſten glawben,
Strto. Druck?). Diefer Schrift folgte bald darauf eine zweit:
ze auff nechſt Proteſtation außgangen Tome Wungers Si:
en Die erſtgenannte Schrift, in der er gany im Tom
opt auftritt (eb Thomas Müntzer von Stolberg aus dem
“udn Gotteoſon, durch den vnwandelbaren willen und vnvor—
Beten WE vaters entbiete ꝛc.), bedeutet, obwohl Luther nicht ge
Kon Way gegen Die Lehre der Wittenberger. Die Auserwählten
ar en muß; Gott Die Dornen und Difteln ausrotten lafjen, um
aan, > Do vbenr chriſtformig zu werden. Won Chriſto fer fein Mind
rn dad einmal von der Taufe der Marta oder Der Jünger.
.. ABen die rechte Taufe iſt nicht verſtanden, darumb iſt der Ein:
a vierntben Affenſpiel geworden“. Es bandelt ſich um „die Be:
ev Al Die unzüchtige ‚grau mit ihrem roten Rod, Die Blut:
ao Ne die ihr Eeremonien und Geberden aus Der Heidenwelt
“wid an Dev Nindertaufe Mit Entſchiedenheit erklärt er fi
Yon Pie Ocriftgelehrten wähnen, wenn wir Die Schrift haben,
2 anal der Rraft Gottes nicht gewahr werden. Sie haben feinen
rot venn den ſie aus der Schrift geftoblen haben. Aber „ob du
rs hihi hatteſt. hilit es Div nichts, Du mußt den fcharfen Plug:
sa rt dub den allen entblößet bat und verziveifelt, Telbjt den
" s
N \ - m [1 *
opteeali dr Glaube muß uns rechtfertigen —- (7 verſteht immer
en Naben du baſt nie kein mal gezweifelt“ —, iſt eine unbe
Notes Nalur uiiebhl vorgehalten, wie der Menſch durch Gottes Merl
“oe oroonsibertonmuh vor allem und über alle Ting twarten, andern
So ats Puneelinge wert. Am Schluß erflärt er: Durch mein Vor:
Münzer 561
nehmen will ich der evangelifchen Prediger Lehre in ein beifer Weſen führen und unfere
hinderftelligen langfamen, römischen Brüder auch nicht verachten. Auf der gleichen Linie
bewegt jich die Schrift Bon dem gedichteten Glauben (abgedr. bei G. Arnold, Unpart.
Kirchen und Ketzerhiſt. IV, S. 200ff.). Der Chriftenglaube ift ein Sicherung aufs Wort
und Zuſage Chrijti fich zu verlaffen. Um das Wort zu fallen, muß das Ohr gefegt jein 5
vom Getön der Sorgen und Buße. Der Unglaube, das Yicht der Natux in und muß
getötet iwerden, und dazu, zu töten, nicht lebendig zu machen, ift die Schrift da. Die
Xeute müffen in die allerhöchfte Unmifjenheit und Verwunderung gebracht werden, man
muß erit die Hölle erlitten haben, der aus Büchern oder von Menfchen geftohlene Glaube
muß ausgewurzelt und zerbrochen werden, dann erit fann er des Wortes Gottes an 10
bören und wird er von Gott gelehrt. Angebeftet it ein Brief an den Schöfjer Zeig
zu Alftedt, aus dem ſich ergiebt, daß Münzer auch mit den Joachitiſchen Schriften nicht
unbetannt war: „Ihr follt auch willen, daß fie dieſe Yehre dem Abt Joachim zufchreiben,
und beißen fie ein ewiges Evangeliun in großem Spott. ch babe ihn allein über Je:
remiam gelejen. Aber meine Lehre iſt hoch droben, ich nehme fie von ihm nicht an, fon:
dern vom Ausreden Gottes”. Und fie fand troß der Dunkelheit feiner Nede über Er:
warten großen Anklang. Bon allen Seiten ftrömte man zu den Predigten des geijterfüllten
Propheten. Seine Getreuen, die „Ausermählten”, die durch Verzweiflung und „Lange:
weile” fich zur Abkehr von der Welt hindurchgerungen haben, vereinigte er zu Bündniſſen
unter Berufung 2 Chr 23, 16 (NR. Mt XII, 566), auch Fremde wurden aufgenommen, ©
an einem Tage bei 300 (ebenda S. 185). Gewaltſame Unterbrüdung alles deſſen, mas
jeiner Meinung nad dem Evangelium miderftrebte, war offenbar das Ziel. Im Früb:
jabr 1524 ftürmten Aljtedter Bürger die nahegelegene Wallfahrtstapelle Mallerbach und
trugen ihre Rojtbarfeiten als gute Beute davon. Als die Schuldigen zur Rechenſchaft
gezogen werden jollten, war man bereits entichloffen, fich zu wehren, und Münzers Pre—
digten wurden immer drobender. Die Fürſten, welche die Kirchen und Klöfter, „molt
jagen Mordgruben” geitiftet haben, wollten fie jegt auch fehügen. Geborne Fürften thun
nimmer gut. Man muß den Fürſten abjagen. Wenn die Negenten wider den Glauben
und das natürlich Hecht handeln, fo muß man fie ermürgen wie die Hunde. In kurzer
Zeit werde die Gewalt an das gemeine Wolf gegeben werden, die Veränderung der 30
ganzen Welt jtebe vor der Thür (N. Mt XII, 171). Man fieht deutlich, wie er von
der ja längjt weite Kreife beherrfchenden Borftellung, die für das Jahr 1524 eine große
Ummälzung erwartete, ergriffen ivar. Und fie mit berbeizuführen, fühlte er fich berufen.
„Ich ſage euch, man muß gar mächtig Achtung baben auf die neue Beiwegung der igigen
Welt. Die alten Anfchläge werden es ganz und gar nicht mehr thun, wie der Prophet 35
faget: Faex calicis indignationis non est exinanita, bibent omnes impii ter-
rae. Qui sanguinem sitiverunt, sanguinem bibent, jchrieb er dem furfürftlichen
Schöfjer Zei (NM. Mt XII, 174), der eine Zeit lang mit ibm jympathifierte, und als
er nachdrücklich an jeine Pflicht erinnert, Dagegen auftreten wollte, der Bewegung nicht
mehr Herr werden fonnte. Schultheiß und Rat meigerten ihm den Gehorfam. Unzu: so
friedene von auswärts, namentlich Bergleute aus dem Mansfeldiichen, fanden ſich in der
Stadt ein, um zu erfunden, ob Münzer oder die Aljtedter „um des Evangeliums betrübt
würden”. Als ivegen Teilnahme an jenem Stapelleniturm ein Mitglied des Rats ver:
baftet worden war, ließ Münzer die Sturmglode läuten. Das Volk rottete fich zu:
ſammen, alles griff zur Wehr, Weiber griffen zu Miftgabeln, um Nat und Prediger vor #5
einem etwaigen Anjchlage zu ſchützen. Trog alledem fchritten die Fürſten nicht ein. Man
fchrieb bin und her, ermahnte und verwarnte, that aber nichts, außer daß man die von
Münzer eingerichtete Winkeldruckerei unterdrüdte, mas diefer, der Luthers Einfluß dahinter
vermutete, nur immer mehr gegen den Wittenberger Neformator aufbracte. Immer
ſchärfer wandte er fich gegen Luthers Schriftprinzip und die Lehre von der Rechtfertigung co
durch den Glauben. „Cs ift foweit gelommen, daß man vor Gott nicht mehr handeln
kann, als was man aus dem Buche gejtoblen bat“. Man ift gefättigt von der Schrift,
man will feiner Offenbarung glauben (Förſtemann 241f.). Deshalb kämpft er gegen die
falfchen Propheten und Hirten, die das Wort jteblen: Niemals bat der Herr zu ihren
geiprochen und fie maßen jich feine Worte an. O meine Liebften jchaffet, daß ihr weis- 5
jagt, fonjt wird eure Theologie nicht einen Heller wert fein, jchrieb er an Melanchtbon
(Bindjeil 21f.). „Der Auserwählte muß die Kunſt Gottes, den rechten beiligen Ehriften-
überlommen aus dem Munde Gottes, — er muß feinen erſtohlenen, erdichteten
chriſtlichen Glauben wegthun durch bobe Betrübnis und Verwundern!” Grit wenn die
Kräfte der Seele entblößt find und der Abgrund der Seele erfcheint, kann der Geift in co
Neal⸗Encyklopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XII. 36
[75
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777: Dias
Zst „kam Vots Ehriſto alcidrormız zerper ım Yeiden und Leben, durch Um-
Phebtenong tr. latligſen Geiſtes erlangen wir Der reosen Gpriitenglauben“. Wie noch alle
lass Feantant ur eine Semeinde Der Sellisen. in Der Die Ausermäblten angeben
Bneens Male Pia gan Vlauben gekommen find, „Las madz aishann einc rechte chriftliche Kirche,
tan Petllfen bon den Auserwählten zu erfennen'‘ rritemann 2757.) Und mit ber
Ilnafunn anberung Dev WGuten und Vöſen unter Xsermerung alles Entgegenjtebenden
hunde over Alan ſürhtbaxer Ernſt. Als Die Xeute von Zanaerhauien an dem Veſuch feiner
Furt ven abawın Amtmann nebindert twurden, mabıze er often zum Aufrubr gegen
Pi Aphannen und verwie& au) Die mehr Denn dreißig Arrichläge und Bündniſſe der Aus:
vlabttvn da ſchen vorbanden ſeien. „In allen xanden will fih Das Zpiel machen“
\ertyawan So In hnbeburen Drobungen erging ſich ſeine Rede gegen Die Fürſten
Xasdete 28 ertenaden er Die Weioſagung: Gott bat Die Herren und Fürſten in
Pen NEN abet und er will fie in der Erbitterung wieder tmeatbun.
Vene Notar Jaden. freilich nicht überall mit Erfolg. Garlitadt mollte von
aeelear Zei Deal ades wüſen und ließ Dies in einem offenen Bricfe „ber von
nano is Ne Seit ARE Yo man chriſtlich predigen ſolle“ erklären (Jäger, Carl:
Na. Br de a Sean Zelbitaefübl erböben, als Aurfürjt Friedrich und
Nana ta N Ne N TB Nolte, GgA 1902 S. 7627) nach Alſtedt,
ans ad iin sie Warez vor ibnen balten burfte, in ber er mit den fchärfiten
Yen Veranda Zst SNENLZ er Die Gottloſen und Diejenigen, die Abgötterei
en ee and nd Su Den Model „Tie böfen faulen Chriſten joll man au«
wenn v Ne Besten gel Nr wäcn" (Mußlegung des andern unteridmds Da:
wen UN 5 Ncdo rer Barmer sie font feine Lehre vom innerlichen Wort,
Stadien Dec vos 10 S. 155). Zwar ließ Herzog Jo—
Naeh Seas Seen Nez Nee zer Brud (N. Wit XII, 169, und Kaps,
eniesen, ger Zur der Ceniur zu unterwerfen, aber bie
oe Wyoteleran Deo mat Dr Aufiäsuse Sece. Seh von den Wittenbergern verbören
nos ai guten jan aD N Tugdem unbebelligt. Und die Gr
. ee an Ne Saiuuit Se surärinete, veute, Die angeblich um N
en em Nor Sage Sorgummesßert geflüchtet waren, und Die Unter:
va rasen Wien Dad ut Aszeer de, weil fe troß feinem Ber:
a Uwe Weder u Det Por aserruler und gebrandfchagt worden
x Moe mehttt AT Daten perdet Nenn Die Gewalt da⸗
Ne . Fa arten poor me Dem Schwerte begegnen.
Sonn. ger. Attetui, DIR n anem etwaigen Mampfe mihte
, , \" x -
Ne em 5, Ne Ferm Taszczare Predigt zu Geſicht belomme
Sn Neon 3.2 Acer bank ad Me Obrigkeit in ſichtlicher
Don nn. N PUTIN, iger, >= or cm und Ichrich Ende Auli
— No. .* 2 Anını jrinen iumten „Zenbbrief an den
znspredun (Set (MAT 271. Das batte zur Folge,
J 4.7 ar reg Fohann amd Serzer Hiten zu Weimar verbört
Ber am N, wurlbe er Doch jeines zumuiimeriichen Treibeng über:
\ on sy nv dem Veicheipe, baſt der Murtürt em berichtet werben jolle,
nn Zarzur erbot cr ſih bebute Berzearazeng feiner Lebre gegen den
pen 2. 2:00 ovinem Werbiz ‚sur Der Gbriftenbeit”, zu
> 2 rose Sepiiijeit entboten vnerben jollten, . > ım Glauben unüberwind
U oaena ZNuNI und zur Kerzweifſung ihres Herrcas zdemmen ſind“ (Förſte⸗
—xv. Me XI, Tiny Die burfüritlidde Arwort wartete er jedoch
ii irn mußte er, als er endlich Ernſt maden zeln eder, wie er fidh
on No ‚erw Wort Volles zu predigen gedachte, ertabeer. daß der Alftebter Nat
ROHR Zw achten ihren Eid und licht höher als Gottes Wort“, flagte er.
ei, Neben gelobt bitte, machte er fih bereits em 7. August heimlich
. Pi SR). Kurz vorher batte er eine neue (oben ken benußte) Schritt
nn Anigerruckte emplöſſung Des falfchen Glaubens ver vngetrewen welt,
eat Din Euangelions Luce 2c (mad der zur Gentur ubergebenen Handſchrift
Yan Be doritemann S. 258, der vielfads veränderte Druck jegt als Neubrud
m ea Ieidan. Mühlbaufen 1901), die den beften Einblid in jene Lebre gewährt.
vo Best, en gewiſſe Eimbeitlichfeit darin zu finden bei. Müller, KG., Tüb. und
y ehb St) Übrigens bat er aud eine von den Zeitgenofien viel befprochene
Münzer 563
eigen kmliche Ehelehre vorgetragen (vgl. den Brief an Melanchthon, Bindſeil 21, Strobel
>. 187. 189).
Bon Alftent begab ſich Münzer nad) Müblhaufen. In dieſer Heinen, aber wohl:
babenden und geiverbreichen Neichstadt hatten evangelifche Prädikanten ſchon feit längerer
det ihr Mefen. Namentlich entfaltete ein Mühlhäuſer Kind, der früher Mönch im 5
jter Neiffenftein auf dem Eichsfelde geweſen mar, ein Mann von großer Thatkraft
und zündender, vollstümlicher Beredfamfeit, Heinrich Pfeiffer, jeit Anfang 1523 eine leb-
bafte Thätigleit. Seine und feiner osnoffen Vredigt, die fih mehr gegen die verhaßten
Vfaffen und Mönche richtete, als auf VBerfündigung des Evangeliums bedacht war, fiel
in der Bürgerfchaft, in der über die Ausfaugung durch die Geiftlichfeit, ihr unfittliches 10
Leben und über die autofratifche Willfürberrichaft des Rates längſt große Unzufriedenheit
berrichte, auf guten Boden. Es fam zu Blünderungen von Pfaffenhäufern, aber auch zu
einem Aufſtand gegen den Nat, der fi eine Mitregierung der Bürgerfchaft gefallen laſſen
mußte. In den von der Gemeinde ertrogten Artikeln war auch die freie Predigt des
Evangeliums in allen Kirchen gefordert worden. Aber ald man größere politische Frei⸗ 15
heit erlangt, zeigte fich, wie wenig noch die firchliche Frage im Vordergrund ſtand. Die
vorgelommenen Ausfchreitungen mochten auch mande ſtutzig gemacht haben, denn Die Ge⸗
meinde milligte ein, ald der Kat am 24. Auguft 1523 aud) unter Hinweis auf ein Taifer:
liches Mandat (2), welches die Abjchaffung der Prediger fordere (Jordan S. 175),
„nicht daß man dem Worte Gottes und der Predigt entgegen ſei, fondern zu vermeiden 20
großes Unglüd und Gefahr”, die Ausweifung von Pfeiffer und jeiner Predigtgenoflen be-
antragte (Holzhaufen, Ztichr. f. Geichichtswifl. 1845, IV.Bd ©. 366ff.; Merx ©. 57—64).
er hegen Ende des Jahres war Pfeiffer mieder in der Stadt und fand viele Anhänger,
und obwohl diefe um Öftern in der Nacht in die Predigerkicche eindrangen und die Bilder
abbrachen, wagte der Nat nicht einzufchreiten und begnügte ſich mit einem Verbote, den 25
Prediger zu beherbergen. In diefer Stadt glaubte Münzer zu finden, was er fuchte. Ein
warnender Brief Luther an den Nat vom 21. Aug. 1524 (Enders IV, 377; WAXV,
230) Tam zu fpät.
Zwar hatte man anfangs Bedenken, Münzer predigen zu laſſen, aber ließ ihn doch
Ichließlich gewähren. Er fchloß fih aufs engfte an Pfeiffer an, und immer mehr ver: 80
quidten ſich die Intereſſen der Gegner des bisherigen Stadtregiments mit denen der reli-
giöfen Neuerer. Kirchen und Klöfter wurden beraubt, die Bilder entfernt, die Reliquien
berausgerifjen und gejchändet. Schon umgaben fich die Prediger mit bewaffneten Haufen.
Münzer unterwies das Volk, daß fie feiner Obrigkeit geborfam zu fein, niemandem Zinjen
noch Renten zu geben jchuldig feien und verfündigte rüdhaltslojer als je die Pflicht, alle 36
eiftlihe Stände zu verfolgen und auszutreiben. Die Verwirrung ftieg, als mit anderen
emden Predigern ein dem Namen nad) unbelannter Geiftlicher (vielleicht Köler, vgl.
Merr ©. 74), den Luther geſchickt hatte und der fich übrigens ſpäter der radikalen Be-
wegung anſchloß (Seidemann, Forſch. XI, 378f. 382), gegen Münzer predigte. Eine
ganze Anzahl Hatsherren entzog fich der Verantwortung durch die Flucht. Den Radilalen 40
ſchien jeßt die Zeit gefommen zu fein, ihre Forderungen durchzufegen. Von Münzer und
feiffer wurden zwölf Artikel aufgefegt, in denen die Abjegung des alten Rates und die
Einführung eines neuen immerwährenden, nad dem Worte Gottes befehlenden und ur:
teilenden Rates gefordert wurde. Sie wurden ebenſo wie ein von Münzer an die „Kirche
zu Mühlhauſen“ gerichteter Brief vom 22. September, in dem er mit heftigen Anlagen 45
egen das bisherige Negiment dazu auffordert, „aus Pflicht göttlihen Worts alle die
iBhandlung, Gebrechen und alle ihre Bosheit“ im Drude ausgehen zu lafjen, auch in
den umliegenden Dörfern verbreitet (Fürftemann, N. Url. 254—257), fanden aber dort
noch feinen Anklang. Und dem hierdurch ermutigten und Durch dringende Dlahnungen
bon auswärts bejtärkten Nat gelang es noch einmal, das Heft in Die Hand zu bekommen, 50
worauf Münzer und Pfeiffer am 28. September 1524 vertrieben wurden (Holzbaufen 376).
Beide wandten ſich nad Süden (über Münzers Aufenthalt in Bebra bei dem Wieder:
täufer Hut, der feine Bücher vertrieb, Jahresb. d. hift. Vereins für Schwaben-Neuburg I,
243— 249) und tauchen zuerft wieder in Nürnberg auf, mo Münzer, auch wenn er fi
mit Gleichgefinnten in Verbindung gefeßt haben mag, ſich ruhig verbielt, aber, was ihm 66
offenbar die Hauptfache war, einen Druder für feine Schrift fand, mit der er fih an
Luther für feine Vertreibung aus Sachſen rächen wollte, denn bier erfchien feine berüch:
tigte Schmähfchrift gegen Lutber: „Hoc verurfachte Schugrede und Antivort wider das
tftlofe, fanftlebende Fleisch zu Wittenberg welches mit verfehrter Weife durch den Dieb:
bl der heiligen Schrift die erbärmliche Ehriftenheit alfo ganz jämmerlich bejudelt hat eo
36*
564 Münzer
abgedr. von L. Enders in Niemeyers Neudruden Wr. 118). Neben einem maßlofen Hat
gegen Luther treten bier jeine aufrührerifchen Tendenzen offen zu Tage. Die Fürſten
find nach ibm die Grundſuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei, die alle Krea⸗
turen als Eigentum in Anſpruch nehmen, die File im Waſſer, die Vögel in der Luft
5 und die Gewächſe auf Erden, und dann laſſen ſie Gebote auögehen Gott bat geboten,
du follft nicht fteblen u. j. w. (Enders 25f.). Noch ehe der Nürnberger Rat auf ibn
aufmerffam geiworden, war Münzer auf und davon (Tb. Kolde, Hans Denck ꝛc., Beitr.
bayr. KG VII, 9f.). Er 309 weiter ſüdwärts, ficherlihb um neue Bundesgenoffen zu
werben. Und feine Schriften über die unveritandene Taufe und den erdichteten Glauben
10 wie die Gegnerſchaft Yutbers hatte jogar in Zürich in den Kreifen der fich dort zuſammen⸗
1» auch ſonſt tadelte es man
jchließenden Täufer die Aufmerkfamteit auf den neuen Propheten gelenkt. Ein gemein-
james Sendſchreiben an ihn vom 5. September 1524, das ihn nod in Alftedt vermutete,
ermunterte ibn, mutig mit feiner Predigt fortzufabren, Dagegen mahnte es fehr beftimmt
ab, das weltlibe Schwert zu gebrauchen. Kriege und Töten fei bei Ehriften abgetban;
ches, namentlid daß Münzer, obwohl er ihre Unchriftlichteit
längst erwieſen, mit dem Abtbun ber Rindertaufe nicht Ernft made. (Cornelius, Geſch. des
Münſt. Aufrubre II, 241; vgl. Tb. Kolde, M. L. II, 177.) Diefer Brief bat Münzer
jchtverlich erreicht, aber in Grießen, einen zwiſchen Waldshut und Schaffbaufen gelegenen
Orte, wo er fich angeblihb act Wochen lang aufhielt, aber frühelteng Mitte Dioden
a (gegen R. Stäblin, Zwingli I, 72) angelangt fein Tann, haben die Züricher Freunde mit
dem „reiten Verfündiger der göttlichen Wabrbeit”, wie fie ihn in jenem Sendſchreiben
nannten, ficher mündlich verkehrt, und nicht ohne Grund wird man die feitbem bei ihnen
zu Tage tretenden Tommuniftijchen Tendenzen auf feinen Einfluß aurüdführen dürfen.
Nach Bullingere Zeugnis (Neformationsgeih. I, 224— 237; vgl. ©. Xofertb, Balth. Hub:
maier, Brünn 1893 5.73) bätte er auch auf Balthafar Hubmaier in Waldshut fchlimmen
Einfluß geübt. Sicher tft, Daß er zu agitatoriichen Zwecken in weiten Umkreis im
Klettgau und Hegau und in der Stublinger Landſchaft, wo alles jchon in Gärung war,
fein Wefen trieb und Durch jeine Predigt, „wo ungläubige Regenten, da wäre aud en
ungläubiges Bol“, und dur feine „Artikel wie man berrichen foll aus dem Evangelium
m angeneben“, den Boden immer mebr untertoühlte. Auch bei Oekolampad in Bafel mußte
er ſich als armer Exulant einzuführen, wurde von diefem, was ihm fpäter viel üble Nad-
rede einbrachte, freundlich aufgenommen, und machte auch bei ihm den Verſuch, ihn für
dao Recht deo bewaffneten Aiderftandes "gegen die Obrigkeit zu gewinnen (3. I. Herzog,
Urfolanpad I [1843] 2. 302).
Aber Münger trieb es wieder nah Mühlhauſen zurüd, mo fein Weib, Ottilie, ge.
von Werfen, geblieben war und Die Weiber zu allerlei Unfug anftiftete (Seidemann, Forſh.
XL, 382, ſonſt über fie neh SbITb 1847 ©. 639). Wann er wieder nach einem un
freiwilligen Aufentbalte in Fulda (Tengel, Nüsl. Urkunden ed. Cyprian II, 339 ff.) m
Mublhauſen war, iſt nicht ſicher, aber jchwerlich vor Anfang des Jahres 1525 ober erſt
m spater (vgl. Merr S. 100 Anm). Tort batte ſich Pfeiffer, den man ſchon Ende Oktober
(nach Münzerd Abzug) aus Nürnberg ausgewiefen batte (vgl. Tb. Kolde, Beitr. z. batı.
us VII S. 1of) ſeit Mitte Dezember, und zwar jegt mit Hilfe jeiner Anhänger in
den Dörfern, jo weit war Die Gärung fortgeichritten, wieder feſtſetzen können, und ſchürte
weiter, Ein großer Erfolg war Die Ginziebung der Klöjter, die Vertreibung der Mönche
und Die mit großem Vandalivmus vorgenommene Reinigung der Kirchen und Kapellen
von allem abgottiſchen Weſen, was in Der Umgegend Nachahmung fand (Holzbaufen
S. 378). Natürlich verfolgten auch die benachbarten ſächſiſchen Fürften diefe Dinge, aber
bei den verſchiedenen Intereſſin — Herzog Georg wünſchte die Wiedereinführung der
alten Stadtverfaſſung und der fatboliichen Rultusformen —, fam es nur zu rejultat-
„u loſen Verbandlungen zwiſchen ben beiderjeitigen Räten. Als infolge einer Klage der aus
getriebenen Mönche das kaiſerliche Regiment zu Eßlingen Georg und Johann von Sacjen
unter dem 21. März zu Kommiſſarien in dieſer Sace ernannte, dachte man doch daran,
Rat und Bürgerſchaft zur Verantwortung zu ziehen (Merx S. 68 ff.). Ehe es dazu kam,
batte die Sache eine andere Wendung genommen. Um Faſtnacht wurde Münzer durch
jene Anhänger, obne daß der Nat es hindern konnte, zum Prediger an unferer lieben
Frauen, ernannt Die Deutfchberren mußten als die legten Vertreter der römiſchen Geiſt⸗
lichkeit das Feld räumen Immer offener predigte jest Münzer in Verbindung mit
Pfeiffer, der übrigens Die führende Stellung einnahm und ganz der Mann dazu mar,
Miünzero Theorien in Wirklichkeit umzuſetzen, die Notwendigkeit des Aufrubrs: Niemand
vo werde zum Herrſcher geboren, bei der Gemeinde ruhe die Gewalt des Schwertes, die
Münzer 565
Obrigkeit, Fürften und Herren ſeien nur Diener derfelben. Mollte die Obrigfeit in die
Abſtellung der offenbaren Mißbräuche nicht tilligen, fo müßte fie vertrieben werden.
Auch fein Kommunismus trat immer mehr zu Tage: Mit dem Abthun der Bilder und
Altäre in den Kirchen fer e8 nicht genug, „wollt ihr nun felig werben, fo müßt ihr aud)
die Abgötter in Häufern und Kaften, ſonderlich das fchöne zinnerne Geſchirr von den
Wänden, Kleinod, Silberwerf und baar Geld aus den Kaften auch wegthun, denn biemeil
ihr das liebet, wird der Geiſt Gottes nicht bei euch wohnen” (Seidemann, Forſchungen
©. 382 nad) dem 16. März). Solde Mahnungen twurden bei dem gierigen Böbel gern
gerört und vergrößerten den ohnehin durch von auswärts gefommene Flüchtlinge und
benteurer verftärkten Anbang der Radikalen. Wohl unterrichtet darüber, welche Gefahr 10
bon auswärts drobe, und unter Hinweis darauf, daß Kaifer und Fürften der Stadt das
Evangelium nehmen wollen, betrieb man umfängliche Rüftungen und übte die Mannichaft.
Unter Führung Pfeiffers wurde endlich in der Liebfrauenfirhe am 16. März die Ab-
ſetzung des bisherigen Rats befchlofjen und nad den von den Bredigern "I, Jahre früber
—— Grundſätzen ein neuer ewiger Rat eingeſetzt. Daß Münzer und Pfeiffer in dem-
ſelben gejeflen (Mel. bei Walch XVI, 204), wie man behauptet, iſt unrichtig. Es ſchien
au, als wollte er wirklich größere Ordnung fchaffen. Aber es war fchon zu fpät. Es
mag zuviel gefagt fein, wenn Luther am 11. April fchreibt: Munzer Mulhusii rex et
imperator est, non solum doctor (De Wette 2, 644), aber daß er troß vieler Gegner
und noch mehrerer, die fein Treiben mit Schrecken beobachteten, die große Maffe hinter fich 2
batte, war richtig, freilich noch größeren Einfluß hatte er in Thüringen und im Harz durd)
eine aufreizenden, im Prophetenton gefchriebenen Briefe und die von ihm angezettelten
ündniſſe der Auserwählten. Die lange ausgeftreute Saat ging jet auf. Bon Süden ber,
alles mit ſich fortreigend, rückte die Bauernbemegung heran. Ihr wollte Münzer die Hand
reihen. Und bald war ganz Thüringen, das Eichsfeld bis tief in den Ober: und Unter: 2
barz, vom Aufruhr ergriffen. Der geistige Mittelpunkt war Mühlhaufen mit feinen Pre—
digern, aber nicht fo, ald ob Münzer der eigentliche Anführer geweſen wäre. Gr fchürte
überall durch feine Pamphlete („Laßt Euer Schwert nicht kalt werden vom Blut“, ſchrieb
er an die Mannsfelder Bergleute, bei Luther EU. 65,15), durch Die von ihm eingeleiteten,
jeßt auch durch Aufnahme von Adeligen ermeiterten Bündniffe, aber außerhalb Mühl: 30
hauſens war man wenig geneigt, fich ihm geradezu unterzuordnen und aud) mit dem
raſch vordringenden, auf fehnellen Erfolg ausgehenden Pfeiffer, der fihb in Graufamteit
und Raubſucht als richtiger Bauernführer erwies, kam es zu Zerwürfniffen, welche ein
einheitliches Vorgehen verhinderten. Während Pfeiffer Raubzüge ins Eichsfeld einen
Teil der Aufitändifchen bejchäftigten und überallhin VBerwüftung und Brand trugen, 35
rüdte Philipp von Helfen, der bereit3 die Bauern um Hersfeld und Fulda nievergefchlagen
batte, heran, und zugleich wurden die bei Frankenhauſen ſich fammelnden Bauern von
Herzog Georg und Pefonders von dem Grafen Ernit von Mansfeld in Heldrungen bedroht.
Sehnlihit bat man Münzer und die Mühlhäufer um Hilfe. Am 10. Mai brach Münzer,
„der Knecht Gottes wider die Gottlofen“, der noch vor feinem Abzuge den Rat um Bes 10
ftrafung von „Aufrührern” in der Stadt erfuchen mußte (Falckenheiner S. 126), nad)
ntenhaufen auf, wo man inzwifchen mit dem Grafen Albrecht von Mansfeld Unter:
ndlungen angelnüpft hatte. —* ſeine Veranlaſſung wurden ſie abgebrochen. In der
roheſten Sprache ſchrieber — Thomas Münzer mit dem Schwerte Gideons, unterſchrieb
er ſich — an die Mansfelder Grafen, die er am meiſten haßte, racheſchnaubende Drob: 45
briefe (EAN 65, 16ff.). Von allen Seiten rief er die Verbündeten zufammen, ja war fühn
genug, um die Hilfe des Kurfürften gegen Ernſt von Mansfeld zu erlangen, zwei abdlige
Unterhändler, die er in feiner Gewalt hatte, mit Hinrichtung zu bedrohen, wenn er fie
nicht erhielte, und ließ diefe wirklich am 13. Mai binrichten. Angeſichts der fürftlichen
acht begannen die bei Franfenhaufen umringten Bauern neue Unterhandlungen. 50
Die Fürften verlangten die Niederlegung der Waffen und die Auslieferung Münzers und
feines engeren Anhangs. Durch falſche Siegesgerüchte von auswärts, mit allen Mitteln
jeiner Beredſamkeit, durch feine Siegeszuverfiht und den Hinweis auf die ihm von Gott
gewordenen Zeichen (vgl. den Bericht des Augenzeugen Hans Hut, Jahrb. d. hilt. Ver. f.
Schwaben und Neuburg I, 241) veritand der Prophet noch einmal, die Zagenden zu be— 55
thören. Die blutige Schlacht von Franfenhaufen brachte am 15. Mat die Entſcheidung.
Am folgenden Tage wurde Münzer in feinem Berfted aufgefunden, gefangen genommen
und dem Grafen Ernſt von Mansfeld nah Heldrungen überliefert (Faldenheiner ©. 56)
Auf der Folter wurde ihm ein bier mehrfach benustes Bekenntnis abgepreßt (Seidemann
152 und ©. 157). In einem angefichts des Todes gejchriebenen Briefe, in dem es ihm e
or
—
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N]
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566 Münzer Mulberg
offenbar hauptſächl lei: ankommt, —— jein ZBeib und —— deren Gunſten zu
—* — ———— 180). * eifen — en fi
corg von en um |
—— mel, Geſch. He —A sa) a
» then wurde — yebracht und mit Pfeiffer (über
ne ea ©. 284; | — —
i Bie — — * — nahm er vor ſeinem Ende das
—— Enders V, 177), auch ſoll er die Fürſten ermahnt re
Dee Seel * der Könige zu leſen. Codläus rübmt ſeinen reuevollen —
10 — ©. 111), den gleichen Eindrud hatte Landgraf Phili —— IV, a
Merkwürdig bleibt, daß * daß Münger Ber aa tragi
genofjen als der verruchtefte Schwärmer galt, jeine Meßordnung nicht mur ——
Hweig noch nad 1543 in Gebraud) war, fondern wenn die neuerdings darüber aufge
Vermutungen richtig fi — unter — u gr in w umgearbeiteter
1 Som. en ob. Yang in Erfurt — Smend ©. 119ff.; C. Martens,
el deut Mt d. G tertumsf. v. Er:
—— 191 f}.). page * —— Theodor Kolde.
— ——— Er geft. 1414. — Johannes Nider, —— Lib. II cap. 1
—* 1517 f.33 NIE Gerung, Chronil Fe A ei J. Mones Quellenſamm-
2) — ———— Zeil II (Karl * he 151; — liber de
©. 1 De illustribus
4 — —— 1506) BI. 10; Wurftifen, Bahler Chronid, Bajel
1000; ©. 201-220; M. Stettler, om {150) 8. 2, Bit oder „cn .) h
Bern 1627, ©. 102: Frid. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae, Dillingen 1691, Juni
23 6, 174, Juli S. 87, Auguſt S. 149; Er * zu der Stadt u. Yandf ‚ ®b 3,
Bafel 1819, ©. 2-35; 3. &v —— * —— 1790,
S. 455, 5A. ; ber, Institut, hist, =. —— Sn, & ——
Heidelberg, ne, 1862—64, Bd I ©. d I, E Su W. ee
Reformation = Sigmund, Lpz. 1876 & ur ff.; 8. Scieler, Wogifter Sa
sv Mainz 1885, © . 13, 164ff.; Eubel, Die Provisiones — * — rum durch r in der
NOS f. chriſtl. Alterth. :Wifl. u. G X (1896) S.102; Reichert, Jur Geſchichte der Beutfiien
Dominifaner, ebenda XIV 1900) ©. 84, 95, XV (1901) S. 128, 129, 139, 148;
Beiträge z. Geſch. d. Gefte v. freien Geiſte u. des Beghardentums, in 1,386 Sb VI )
S. 51l; out. Htinel, Catalogi —— mss,, qui in bibliotheeis Heivetian
35 asservantur, . 1830, Sp.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Sohn eins in K — —
wohl aus dem Dorfe Maulburg (zwiſchen Lörrach und Schopfheim, *
tammenden Schuhf nn —— te — bon Mulberg (au Yo von Maul:
F Muelberg, ellberger —— zu ſeinem zwanzigſten Jahre dem
10 des Waters — dann Bee er die Schule, um bald darauf Fee
digerorden zu treten. Nac dem er an ber Univerfität Prag ftudiert hatte, —* er
ae des Konventes zu Colmar im Elſaß, von dem aus damals die —— des
ominikanerordens in Deutſchland ins tert gejegt wurde, Er ward einer ber
Genoſſen des Colmarer —2 Konrad von Preußen und hat in einer Reihe von »
45 deutfchen Dominikanerklöftern die Neform, nicht ohne heftige Kä * —
yahre 1391 beg egegnen wir ihm als Kurfor —— des theologi
onvent, 1395 Prior in Würzburg, imo ihn bie der N orm a
aus dem Klofter vertreibt, 1399 als rior des Golmarer Konventes. ya
zwifchen zu einem getvaltigen Volfsprediger entwidelt, wie — —
so niſſe Niders zu jener Zeit feinen zweiten wre Seit dem Jahre an —
wieder in Balel, wo er gegen die dort maſſenhaft vertretenen Beg
in überaus beftiger Weife vorging. Er vertrat dabei den —
* der Kirche aufgehoben, und das Zuſammenleben in Konventen ihnen
ſagt ſei, daß ferner nur die eigentlichen Orden, nicht aber die dem Laienfland
55 hörenden Beginen und Begharden vom Bettel leben bürften. Die Franzisfaner,
drittem Orden der größte Teil der oberbeutjchen Beginen- und Begbarden-Honvent
angebörte, nabmen für diefe entſchieden Partei, jo daß in Barel ein mebr als zebnjäbrige
leidenfchaftlicher Kampf um das Fortbeſtehen jener Konvente fib entſpann, ber auch
N. benachbarten Diöcefen (Honftanz, Straßburg, Yaufanne, Speier) übergriff.
Im Jahre 1405 jegte Mulberg, damals Lektor des Golmarer Domintkaı
a einer Aufjehen erregenden Disputation im Bafeler Münfter unter dem Beiftanbe bes
Mulberg Muratori 567
Biſchofs Humbert die Schließung der Bafeler Beginen und Begharden-Konvente durch).
Nachdem die Kranzistaner hiergegen in den Bapjt appelliert hatten, begab ſich Mulberg im
Auftrag des Biſchofs und von der Heidelberger Univerfität tvarm empfohlen im Herbſt 1.405
an den päpitlichen Hof, wo er bis 1411 veriveilte. Neben der Beginen-Angelegenheit mag
ihn in Sstalien wohl aud die Sache der von feinem Urdensgenoffen Kardinal ob. Do:
minici dort eifrig geförderten Urdengreform befchäftigt haben. Auch nad dem Piſaner
Konzil blieb Mulberg der Obedienz Gregors XII. treu; diefer beauftragte ihn 1411, in
den Stirchenprovinzen Mainz und Köln als Prediger für die Befeitigung des Schismas
8 wirken. In Vajel hatten ſchon früher Mulbergs Predigten gegen die herrſchenden
olkslaſter den Rat zum Erlaſſe von ſtrengen Sittenmandaten veranlaßt. Nach ſeiner
Rückkehr aus Italien wendeten ſich ſeine Predigten mit beſonderer Schärfe gegen die
fittlichen Gebrechen des Klerus, dem er in prophetiſchen Geſichten ein großes Strafgericht
ankündigte; werde der geiſtliche Stand die Reformierung der Kirche nicht in Gang bringen,
ſo würden die Steine predigen, bis eine Reform geſchehe. Da man in Baſel Johann XXIII.
als Papſt anerkannte, fo wurde es Mulbergs Gegnern leicht, ihm als Schismatiker und 15
Ketzer den Prozeß zu machen und aus Baſel zu verjagen; im Jahre 1414 ſtarb er im
Kloſter Maulbronn in der Verbannung, in weiten Kreiſen als gottgeſandter Prophet und
Martyrer betrauert. Eine Anzahl von M.s Schriften und Predigten (über die 7 Tod—
fünden, die 10 Gebote, die 7 Saframente u. . io.) find in zwei Handjchriften der Bafeler
Univerfitätsbibliotbet (vgl. Hänel a. a. DO.) erhalten, Auszüge aus feinen deutfchen Pre: 20
digten in der Würzburger Handſchrift M. db. f. 20 Bl. 127. In Bafeler Handfchriften
finden fich ferner Disputationen und Streitichriften von ihm bezüglich des Bafeler Be
ginenjtreitee. Eine von Mulberg zufammengeitellte Sammlung von Traftaten und päpft-
ichen und bifchöflichen Verordnungen gegen die Beginen und Begharden bat der Unter:
zeichnete (3K VII S. 511ff.) im Auszuge mitgeteilt; dieſelbe ift verjchieden von dem 25
unter dem Namen M.s gebenden „Liber contra beginas et beghardos“, den ©. 9.
Martini (bei Mosbeim a. a. O. 554ff.) beichrieben und ausgezogen bat.
Herman Haupt.
[oil
pen
<
Munoz, Ägid. ſ. Clemens VIII Bd IV S. 146,5.
Muratori, Yudov. Ant., get. 1750. —- Zitteratur: Vita di L. A. M. descritta 30
da Gian-Francesco Soli Muratori »uo nipote, Venez. 1756 (2. ed. Nap. 1758; wieder in
den Opere I, Arezzo 1767); U. Fabronius, Vitae Italorum X, 89—391; Alfr. Dove, M.s
Bedeutung (Im neuen Reich 1872, II, 654 — Ausgew. Schriftchen 341—353, eine troß ihrer
Kürze ganz vortveftliche Biographie des M. und Charakteriſtik feiner Schriften) ; G. Carducci,
ttı (Liv. 1876) 265-296 (=Oprre III, 99—139); 4. v. Neumont, Magliabedhi, Dur. 35
und Leibnig (Beiträge 3. ital. Geſch. III, 215—270); M. Landau, Gef. d. ital. Litteratur
im 18. Jahrh. (Berl. 1899; jehr ausführlid, ſ. d. Reg.). — Opere minori, Nap. 1757 bis
1764: der Schlußband XXII giebt ©. 206--255 ein vollit. Verzeihnig von M.3 Schriften.
— Scritti inediti, Mod. 1872. — Epistolario |. u.
2. A. Muratori, Jtaliens größter Gejchichtsforfcher, geboren 21. Oftober 1672 zu w
Bignola, jtudierte in Modena Theologie, Vhilofopbie und die Nechte, wurde 1694 Diakon,
folgte 1695 einem Rufe der Borromeer an die Ambrofianifche Bibliothef in Mailand,
wurde aber 1700 von feinem Zouverän, dem Herzog Ninaldo, nad Modena ald Ar:
chivar und Bibliothelar zurüdberufen und ftarb als ſolcher am 23. Januar 1750. Bon
1716— 1733 war M. auch Propſt von Santa Maria della Bompofa, wo er alle Pflichten 45
eined Pfarramtes mit gewifjenbafter Treue und unermüdlichem Gifer als Seelforger,
als Tröfter und Mohlthäter der Armen, in Schulen und Gefängniflen erfüllte; feine
Statue wurde 1853 in der Hauptitraße von Modena errichtet. — Als Frudt feiner
bibliothefarifchen Thätigfeit publizierte er Anecdota ex Ambrosianae bibliothecae
oodicibus (I. II. Mediol. 1697—98, III. IV. Patav. 1713), bauptjächlich Beiträge zur w
Patriſtik, Kirchengefchichte und Yiturgik enthaltend, und Anecdota graeca, Patav. 1700.
Ein koſtbares Anekdoton war aud das feitdem unter dem Namen Muratorifches
Fragment befannte, un das Jahr 200 verfaßte Verzeichnis der Schriften des NT,
das M. in einer Handjchrift der Ambrofiana gefunden hatte und im Jahre 1740 im
3. Bande, Ep. 851- -54, feiner unten zu nennenden Antiquitates italicae (Überfegung 55
II, 615— 619) veröffentlichte, j. darüber den erjchöpfenden, von Tb. Zahn verfaßten
Artikel Kanon Muratori oben Bd IX, 796---806. -—- Aus dem Streite, welcher 1708
zwischen dem Kaiſer und dem Papſte über Staat und Gebiet von Comacchio ausbrad)
und an welchem jih M. als hiſtoriſch-publiziſtiſcher Anwalt jeines Souveräns und der
u WER Li me ur nem:
_ — — Aelemtueten S:8 Sm:
* — ze Immun Ne Timreciaer ie:
- un .zeaeteit etcnehte tie N reg
u aa RT ste m Sure "+ Anmali
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a. a ARM LE vier alaer —r 1x2: »rerrchen
a lu Wwesia Italiana c:rzı ıp-mmiuıdge,
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- na, erdings mehr in vınndar sn
- twetoptte (1775 Filosofia more +
— :sile torze dell’ intendimerti: .mano
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un teieo »d ecclesiastico ıl7l:. x ie
ı Furſtenſpiegel della pubblier -eiieitk
an Teilnanme an Der theologiicher: ttrerezmr
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„..awublle |0 religionis negotio (Par. 5 -; -—
—. vovlenz "8571 ins Deutjche überiere ber
_ wet Ser Religion“ , worin M as cum
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lich Nr rommen Meinung ven »= ınme
uet ertlart; auf Die gegen ibn despal: nwen
ne Sampridius mit der Schrift de supersütiune
ug, and 1745 noch mit dem pleudenr=er Fun:
._ wuinprie ‚nr im dem (1770 auch deutich erkämenemn:
000 istiani "wieder als Lam. Prit.) unge zur
_ waere ?waden die übertriebene Heiligenerzertumg
* „a Me Verminderung der Feiertage cin: Nräber,
SS, newer der Kentreverie und M.s Schlußivort ĩ. Rare,
ren, u don rüber viele Hußerungen M.s in vımr
I. yom : Nur Antiquitates und Annali über meltlidx und
” a ana Nr stinde und Des Papſttums in Nom Ariteg
u tere denunziert wurden, läßt fich denken Es
en N. syn Bemnörft XIV. ın dem befannten Brief an den
an Ne. N Hurter, Nomenclator II? 14u7' und
San bone 5.7 neben anderen Schriftitellern, deren
8 RR b iltet, een man Dies nicht aus beſonderer
si dene Der betreffenden Männer unterlalien
N twngiltt GUMIT es rür Dielen, daß der Napit ıbm
F i | ent 1 2%. Zeptember 1718 in freundlichem
De Xuese zen y woc dabei nur an defien von der welt:
Muratori Murner 569
lichen Jurisdiktion des Papſtes in feinen Staaten handelnde, nicht an feine theologiſchen
Schriften gedacht, und feine, des Papſtes, Außerung beziehe ſich nicht auf M.s Teilnahme
an dem Streit über die Feiertage, überhaupt nicht auf Saden des Glaubens und der
Disziplin. — M.s Briefe, die z. T. in einer großen Anzahl von Einzel-Publikationen ediert
wurden, 3. T. noch ungedrudt find, erfcheinen jett in einer wahrhaft nationalen monu= 6
mentalen Ausgabe: Epistolario di L. A. Muratori, edito e curato da Matteo CAm-
pori, begonnen Modena 1901 ; die bis April 1903 herausgelommenen Bände I—V ent:
halten die Briefe aus den Jahren 1691—1721 mit reichhaltiger Bibliographie, jeder
Band auch eine den betr. Zeitraum erjchöpfend darftellende Cronobiografia Murato-
riana und treffliche Regiſter. . Laubmann. 10
Muratorifches Fragment |. Kanon Muratori Bd IX €. 796.
Murner, Thomas, geit. 1537. — Murners fämtlihe Schriften, 59 an der Zahl,
finden ſich zufammengejtellt in Karl Gödekes Grundrik zur Gefchichte der deutichen Dichtung,
II: ©. 215—220, woſelbſt auch die gegen Murner gerichteten Schmähſchriften, wie der Karit-
band, Murnarus Leviathan Vulgo dictus Geltner vder Genß Prediger, Triumphus veritatis, 15
Der geitryfit Schwiger Baur, Die fünfzehn Bundesgenofien des Joh. Eberlin von Günzburg ꝛc.,
S. 220 ff. verzeichnet find. Vgl. aud) G. E. Waldau, Nachrichten von Thomas Murners Leben
u. Schriften als ein Heiner Beitrag zur Neformationsgeichichte, Nürnberg 1775 (wieder abge-
drudt in Scheibles „Klofter”); Deutiches Mufeum, 1779; Banzer, Annalen der deutichen
Ritteratur, S. 347 ff.; Haller, Bibliothet der Schweizergefchichte, Band II und III; Hottinger, 3
Geſch. der Eidgenofjen während der Zeiten der Kirchentrennung (Fortiegung von Sof. v. Müller),
Band II ©. 154; Ruchat, Histoire de la Reform. de la Suisse, Buch III; Auguft Jung,
Geſchichte der Reformation in Strafburg, ©. 238ff.; Röhrig, Neform. im Elſaß, I. 1 ©.228;
ge en, Karl, Deutjchlands Titterarifche und religiöje Verhältnifie im Reformationzzeitalter,
rlangen 1843, Bd II, ©. 61 u. 183ff. — Neuere Schriften, Ausgaben und Artikel find: 36
Friedrich v. Bezold, Geſchichte der deutſchen Reformation (Onkenſche Sammlung II, 1) in
dem Kapitel: Der Wormfer Reichstag und die erjten Siege der Reformation; Waldemar
Kamwerau, Thomas Murner und die Kirche des Mittelalters, Halle, Niemeyer 1890; Th. M.
und die deutjche Reformation. Ebenda 1891; Dr. Balfe, Thomas Murner u. Ulrich v. Hutten,
Stuttgart, Union; E. Matthias, Thomas Murners Scelmenzunft, Halle, Niemeyer; W. Uhl, 80
Thomas Murners Gäuchmatt, Leipzig, Teubner; M. Spanier, Thom. Murners Narren-
beihwörung, Halle, Niemeyer; %. H. von Funk, Thomas Murner, WWKL 8, ©. 2024, R.
M. Werner, Murner in Krakau, VLG 6, ©. 319f.; K. Ott, Ueber Murnerd Berhältnis 3.
Geiler, Alamannia 23, ©. 144—188 und 231—288; M. Spanier, Thom. Murners Ueber:
feßungen aus dem Hebräiſchen, IbG Elſ.-Lothr. S. 63— 75; W. Kawerau, Lob und Schimpf 85
des Eheſtandes in der Litteratur des 16. Jahrh. PX 69, ©. 760-781. Die Litterarhiftoriker
Ludwig Wachler, H. Kurk und Vilmar ertennen M.3 fchriftitellerifhe Bedeutung an; Karl
Gödeke jtimmt ihnen in jeiner Einleitung zu der von ihm 1879 bei Brodhaus herausgegebe-
nen Narrenbeſchwörung in dieſem Punkte nicht nur bei, fondern ift auch der erfte, der M.s
Leben gegen die Verunglimpfungen der Jahrhunderte in Schu nimmt. Indes ift er in feiner 40
Rettung M.s zu weit gegangen.
urner, Thomas, wahrfcheinlih am 24. Dezember 1475 zu Oberehnheim (nicht zu
Straßburg) geboren, war der Sohn mohlhabender, frommer Eltern, welche 1481 nad
Straßburg überfiedelten, und wurde von denfelben, weil er als Knabe, angeblich von einer
Freundin feiner Mutter verhert, ein Jahr lang an einer Glieverlähmung bdarniederlag 4
und noch lange kränklich und ſchwächlich blieb, für den geiftlihen Stand beſtimmt.
15 Jahre alt trat er in das Barfüßerflofter zu Straßburg und erhielt nach einer An-
gabe Wimphelings ſchon mit 19 Jahren die Prieſterweihe. Als fahrender Schüler
durchzog er dann zwiſchen 1495 und 1500 Frankreich, Deutfchland und Polen und Stu:
dierte in Parid, wo er Magifter der freien Künſte wurde, vorzugsweiſe Theologie, in 50
Breiburg Rechtswiſſenſchaft und in Krakau Philofophie, Philologie und Mathematik. An
esterer Univerſität im Winterjemejter 1499/1500 als Frater Thomas Murner ordinis
Sancti Francisci de Argentina immatrifuliert, fchloß er fich enge an den Philoſophen
und Mathematiker Kohannes von Glogau an und erwarb fich das tbeologifche Baccalaureat.
Nachher ſetzte er als Begleiter eines jungen Adeligen feine Studien in Freiburg fort und 55
wurde daſelbſt bei einem fpäteren Aufenthalt (vor 1509) zum Doktor der Theologie
promoviert. Doftor beider Rechte wurde er 1519 in Bafel, obwohl fich der Jurift Ulrich
Zaſius alle Mühe gab, dieje Promotion zu bintertreiben. Nach Freiburg (alfo etwa vom
erbjt 1500 oder vom Krübjar 1501 an) fol ſich Murner, um die Schweizer Klöſter
ennen zu lernen, längere Zeit in Solothurn aufgehalten haben. Nach Straßburg fehrte co
er erit 1502 zurüd. Dort wollte Jakob Wimpbeling gerade ein von der Barfüßerjchule
>.
x
N.
Marscr
runden und hatte, um ſich dem Nate der Stadt u enipfehlen,
_ en, gm der er Me don dem Daupbin Ludwig von Frankreich
m esigiln Bebauptung, Daß die Grenzen Galliens fich bis
= ihveraerdedauptung ZU widerlegen ſuchte, Straßburg und
un m ie unter galliſcher Herrſchaft geſtanden. Jeden⸗
J Konkurrenz mitbeeinflußt, wies Murner in
- nenn zz Behauptung als irrtümlich zurück, kam aber
.ene Ss Freunde und Schüler, voran Peter Günther und
- + 2% beftigite über ihn ber, jtellten ihn als einen Feind
mn ibn geradezu dee \ Yanbesverrats: worauf der Nat
Ben ein einziges Exemplar derfelben blich auf der Biblio:
— 1875 von K. Schmidt zu Genf mit Wimphelings
. mer verteidigte ſich gegen Die angeführten Beichul-
sul — poematum condigna laudatio und vrbot fich, zur
Der wiſſenſchaftlichen Nichterftuhl Rede zu ſtehen, fand aber
os nuglos Die ſämtlichen Wimphelingianer zu Feinden ge:
ur ARTNET Erſatz, daß ihn der Kaiſer Marimiltan, der ſich
Dichtungen intereſſierte, 1506 zu Worms mit dem Dichter:
u —8 im gleichen Jahre befand ſich Murner zum zweiten
iinem „Vogiſchen Kartenſpiel“ (chartiludium logicae), das
in Druck erſchien, Die größten Erfolge erzielte. Als man fi
. me dieier mechaniſchen Methode, Die Yogik zu lehren, feine Zau-
„cp zur Belebung 24 ungariſche Gulden. Auf gleiche Art ſoll
ne Recht zu lehren verſucht, aber feinen Anklang gefunden
>. uf Nartenblättern vorgeführten Formeln und Zeichen weg, jo
neue Anbaltsüberlicht, wie ſich ſolche oft vor gelehrten Werten
„uaystert Dos einem Beneralfapitel jenes Urdens in Rom beimohnte,
Ges er nachher, wahrſcheinlich im Winter 1508, in Freiburg mit
So aber der über Horaz und Lukan las und die Haffifche Bildung
Arnm'chauungen aufs freimütigſte vertrat, eifrig verkehrte, verdarb
. er sntlußrenben Juriſten Ulrich Zaſius, der Pocher geradezu aus
> Wiener beitig tadelte, weil er jenen Ordensbrüdern die Aneide
rzuptett dagegen, Die Bejchäftigung mit Der alten Yitteratur vertrage
sw. vemmen und züchtigen Yeben, und Hafliiche Bildung fer auch für
xy. der Welt zu verfebren bätten, nonvendig. In feinem ludus
[4
um SU usa, dr 1511 ın Frantfurt erſchien, lebrte er Darauf ſogar
a. Sehe Der pſeudonyme Utz Eckſtein und andere ſchoben ihm gleich—
MEN rl CEbriſtus, die er in Predigten gethan haben ſollte, unter,
N. sr zuletzt im „großen lutberifchen Narren“ (1522), den Heinrich
ad whllantab, energiſch verwahrte. Trotzdem war ihm Spottfucht faſt
d drelbe artete unter Umſtänden vielleicht manchmal ſogar in Spöt:
dudels don ſeinen Oberen 1509 nach Bern geſandt, ſchrieb er Die
Ron Den fier ketzeren Prediger ordens der obſervantz zu Bern in
wlan 31. Mat 1509); feine erſte Mrbeit in deutfcher Sprache.
wen 1500 und 1512 entſtandene Narrenbeſchwörung, 1512 von
naßburg gedruckt, und die 1512 nach der Narrenbeſchwörung ver⸗
es Mur in Frankfurt erſchienene Schelmenzunft. Die Narrenbeſchwö—
x Naueniebiif Sebaſtian Brants beeinflußt, bat aber dadurch ihren
idae Dichtung sicht eingebußt. Viel arößeren Einfluß als Yrant
"nut, Inbalt und Darſtellungsmittel Geiler von Kaiſersberg auf
Se Art und Denkweiſe desſelben förmlich hineingebildet batte. Die
Ekizze, auch kein Auszug, ſondern einfach die Narrenbeſchwörung
ee beiden Dichtungen werden Die Gebrechen aller Ztände, Die
Zueicriſche Sinn der Bauern, Die Überbebung, die Selbjtjucht und
„Na. toteie Die Puß und Genußſucht ihrer rauen, Die Raubluſt,
oa Ss Adels, Die Unbotmäßigkeit und der Eigennug der Reice:
Su noei Dir Unwiſſenbein. Leichtfertigkeit, Unzucht, Geldgier und Ge—
.“
JAuben gegeißelt. Über den Tadel kirchlicher Mißbräuche gebt jedoch
Murner 571
Murner nie hinaus; die Verfafjung und die Lehrſätze der Kirche taftet er nirgends an.
Ja felbft zur Abitellung der Mißbräuche ift in feinen Augen fein einzelner berechtigt,
dazu bat nur der KRaifer, der Papft oder ein Konzil Beruf. Der Zweck feiner Satire
ift, Geiftlichen und Laien einen Sündenſpiegel vorzuhalten. Dabei iſt es ihm, mie es
fcheint, um die Sadje, nicht um Perfonen zu thun. Doch gebt man zu weit, wenn man 5
ihn neuerdings den Schmähungen des „grobianifchen“ Zeitalter gegenüber einen „um:
fichtigen, unbefangenen und freimütigen” Ordensgeiftlichen genannt hat. Seine zerfetende
und ſchonungsloſe pfäffiſche Selbſtkritik ijt ohne jedes poſitive Ideal, und dabei it in
dem Weſen und der Bildung des Mannes alles unſtet und fprunghaft.e Die Partei:
fämpfe, in die er fich durch feine Streitluft hineinziehen ließ, ſchadeten übrigens jchon 10
feinem Ruf wie bei den Zeitgenofjen, fo auch bei feinen Ordensbrüdern, fo daß ihn die-
felben, nachdem er 1513 auf einem Ordenskapitel zu Nördlingen zum Guardian gewählt
worden war, 1514 aud) wieder abjeßten.
Murners bebräifche Kenntnifle Bist ein neuerer Kenner fehr gering ein und nennt
feine Überfegungen, wie das Paſſahbuch, mit denen er obendrein bei dem Intereſſe der ı5
eit für das Hebräifche nur ein Geichäft habe machen wollen, leichtfertige Arbeiten des
ederflinfen Mönche.
1514 erjchien fein Gedicht: „Ein andechtig geiftliche Badenfahrt” und 1515 „Die
Mülle von Schwyndelßheym und Gredt Müllerin Jahrzeit“; letzteres eine Ablürzung der
Geuchmatt, deren Drud die Barfüßer felbft bei den Rat bintertrieben. „Die geudymat 20
zu Straf allen wybſchen mannen“ erſchien anftandslos erft 1519 in Bafel und tft gegen
alle Gäuche und Gäuchinnen (Verliebte, Weibernarren 2c.) gerichtet und eine reiche Duelle
für die Geichichte der Sitten, namentlih der Moden. Nach Art der Satirifer macht ſich
Murner ſelbſt zum eriten aller Gäucde. In der Mühle von Schwindelsheim find die
einzelnen TIhätigfeiten des Müllerhandwerks benügt, um Männern und Frauen, die am
Schwindel, d. h. an fittlichen Gebrechen aller Art, leiden, den Text zu lefen. Beſonders
intereflant ift des Müller Klage um Ian verlorenen Efel, der bei allen Ständen, vom
Raifer an, der ihn zum Nat erhoben hat, bis zu den Mönchen, die ihn zum Guardian
und Prior erwählt, und den Bauern, die ihn zum Doktor gemacht haben, herunter, im
höchſten Anfehen fteht. 30
s Murner im November 1515 in Trier juriftifche Vorlefungen nach feinem erſt
1518 im Drud erfjchienenen Chartiludium institute summarie anfündigte, geriet er
wegen feiner früheren Parteinahme für Reuchlin gegen die Kölner mit den Trierer Dom:
herren in Kolliffion und mußte als „Apoftat des Glaubens und Freund der Wiſſen—
haften” vor feinen Gegnern aus der Stadt weichen. 35
1519 erjchien feine Überfegung der Inſtitutionen, die 1521 unter dem Titel „Der
fenferlichen jtatrechten ein ingang und wares fundament” erneuert wurde. Popularifierung
der Rechtskunde war —2* der Zeit; aber Murner und ſeine Zeitgenoſſen irrten gar
ſehr, wenn fie mit dem deutſchen ſtatt des lateiniſchen Worts auch den wirklichen Rechts⸗
begriff zu haben glaubten. 40
Das Verhältnis Murners zu Zuther ift nach den grundverfchiedenen Anſchauungen
der beiden Männer über die Berechtigung zum Neformieren von vornherein ein feindliches,
und dieje Feindichaft fam zunächſt in der anonymen Überfegung Murners von Luthers
„Babylonifcher gefengnuß der Kirche” 1520 zum Ausdruck. Luther nennt Murner feinen
giftigen Feind, geiteht ihm aber zu, daß er nicht wie Emfer lüge. Bon den 32 Büchlein 45
(Ein chriſtliche und briederlihe Ermanung zu dem hochgelerten doctor Martino Iuter,
1520; Bon Doctor Martinus luters leren und predigen, das fie arg wenig feint, 1520;
Bon dem babitentbum . . . wyder Doctor Martinum Luther, 1520; Win new lied von
dem undergang des Chriftlichen Glaubens in Bruder Veiten thon, 1521; Ob der Künig
uß engelland ein lügner fey oder der Yuther, 1522), die Murner gegen Yuther richtete, 50
ift nicht viel mehr als ein Fünftel im Drud erjchienen. Luthers Auslegung der Schrift
befämpfte er mit der Auslegung der Kirche und bemerkte in ber „Proteſtation D. Th.
Murmer Das er wider Doc. Mar. Luther nichtz unrechts gehandlet hab“ (1521), nur
feine Pflicht, fein Gelübde und fein Eid als chriftlicher Prediger und Ordensmann babe
ihn gegen Luther zu jchreiben gezwungen, Mipbräuche verantworte er nit. Warum 55
erntete nun aber der „behendeite, twisigite und gröbfte” Gegner Luthers felbjt im eigenen
Lager feinen Dank, gefchtweige denn, daß er auf die Gegner auch nur die geringite Wir:
fung erzielt hätte? Der Satiriker war ein Eiferer geworden, aber ohne echte religiöfe
Begeifterung und ohne untadelige Zauterfeit der Gefinnung. Auf die Flut von Schmäh—
fehriften, injonderheit des Naphacl Muſäus und des Auguftiners Matthias Gnidius, die fich so
572 Murner ERS Johann
— Hat fofort verbot, — er dbabruk Khusmar esse Mh
unterfagte. Eine Klare, pofitiv religiöfe Stellung weiſt auch diefe Dichtung mi
ee leitende, beg nde dee, 1523 war Murner bei Hein II. von
land, A, ber ſiben j — toßber ne -utl
t der Tatboli
ıf ber Badener Di
— Er entlam jedoch im * Ss un ſich dann in Kurfürft
ehure En a nr
»0 befindliches Bud) darthut, vor dem 23. Auguft 1537 ftarb. Dr. Liſt.
Mufäns, obann, lutberijcher Theolog in Jena, F 1681. — Litteratur: B. Belt
heim, Ei funere J —— iu usaei bei $ N Witten, Memor. theolog. deeas XVI, 7,
206979; Theoph. Colerus, S eines ———— Lehrers, Jena 1681; A it,
—54 der prot. Theol. II, 31 erwähnt noch eine Yeichenrede von G. nen
»5 Syllabus Reetorum et Professorum Jenae 1659, &. 492. Wus dieſen Que Ten raipfen Joh.
Kaſp. Jeumer, Vitae professorum — qui in ill. academia Jenensi vixerunt, 1711; Joh.
Deinz, Belbte, Hergog Ernft der Zromme, 92, Gotha 1810; 3. Bud, De Joanne ‚Musaso
theologo Jenensi, Jena 1862, Vorgfältig, mit einem fände Verzeichnis jeiner Schif
6. Stange, Die ſyy ivitematifchen Prinzipien in ber Theologie des Joh Mujäus,
30 1895; (Dasfelbe u. d. T. Zur Theologie des Mufäus, N eft 1897). — u ver:
gleichen Abr. Galov, Historia syneretistica, 1682 bezw. 1
und er iſche Einleitung in die Religionsftreitigfeiten ae BE Tas ei, |
it. und theol. Einleitung in die Neligionsitreitigteiten der ev.=lutb. Bien 1780)
» Schmid, Geſchichte der ſynkretiſtiſchen —— 1846, ©. 400—420; ——
35 Big 0,59 und feine Zeit, 1853. 60, 2 Bde; ©. Frank, Die Jenaiiche Theologie ihrer
gelaisttihen Entwicelung, 1856; 4. Tholud, Vorgeichichte bes er I. ———
Gaß, et der proteftantijchen Dogmatif, II, 1857, &.202—12. ist
biblioth. suae Bd 4 (j. Reg.) 1721 macht Angaben über die wichtigjten feiner
Johann Mufäus war ein Urenfel von Simon Mufäus, welcher zu Plus get von
40 1558— 1562 ebenfalls in Xena Profeſſor der —— und Superintendent ——
1576 geſtorben war (über ihn vgl. F. A. Ranitzſch, De Simone M Joaı
Musaei — proavo Diſſ. Jena 1863) und vurde am 7. Februar 1613 in dem t
Orte Langeniviefen, two jein Vater Pfarrer war, geboren. Zuerjt von diefem, dann auf
der Schule zu Arnſtadt unterrichtet, ſtudierte er "zuerft fieben Jahre lang Philo un
4 Humantora, in Erfurt unter Meyfart, Großbain u. a,, in Jena unter
Slevoigt, von welchen bejonders der erſtere dort jeit 1623 neben den:
ſtreng lutheriſchen Lehrern Gerhard, Major und Himmel die freiere humaniſtiſ
vertrat. Erſt ſpäter wandte er —— dem theologiſchen Studium zu, und ——
neben den drei genannten ſtrengeren —— auch Joh. Dilherr und Salomo Glaſſi
so jeine Lehrer. Nach Dilberrs ale 1643, wurde ihm die Profeffur der Geſchid
en; 1646 wurde er orbentli Profeffor der Theologie und erwarb ſich alabalt
durch eine Disputation de aeterno dei decreto an absolutum sit meene bie tbeo-
logiſche Doktorwürde. Gleichzeitig vermäblte er fib mit Anna Margaretba Förfter,
Bürgermeifterstochter aus Erfurt, nad) deren Tode nochmals mit der Witive eines Holley
ss Anna Elifabetb Schent geb. Sörgel. 38 Jahre blieb er in jenem Amte, fechsmal Nektor
bis er am 3. Mai 1681 ſtarb. —
Von Gegnern und Freunden wurde Muſäus eine ungewöhnliche philoſophiſche Aus
bildung und Schärfe zugeſchrieben, von jenen als Vorwurf, von dieſen als — ug. W
jene beflagten und dieſe ſchätzten, ſchloß die Verenwilligteit aus, ſich in der Tbeolop
so auf das Sladhfprecben ber rezipierten Tradition zu beſchränken und für kole Ar
Mufäns, Johann 673
für höchftes Verdienſt der Treue preifen zu laſſen. Für Unterfcheidung von Bekenntnis
und Theologie, gegen befenntnisartige Normierung auch aller Theologie und infofern für
Freiheit und Fortgang tbeologifcher Forſchung nach beiten Kräften, nicht unter Zurüd:
haltung diefer, zu ftreiten, wurde in Jena zuerit von Mufäus verſucht, gemäßigter und
ängftlicher freilich als es früher von Calixtus geicheben war, und ohne daß Mufäus,
wie jener, von der ungleichen Dignität der Lehrdiſſenſe Nutanmwendungen für wieder:
berzuftellende größere —— hergenommen hätte. In dem, mas zur Er:
Härung der Glaubenslehre nötig fer, in „philofopbifchen Fragen, die etwa eine Ber:
wandtnis haben mit einigen Glaubensartifeln, da können“, jchrieb Mufäus noch ein Jahr
vor feinem Tode, „auch rechtgläubige reine Theologi nicht alleweg einig ſeyn, ſonderlich
die auf hohen Schulen; denn fie find nicht beftellet, daß fie ohne meiter Nachſinnen ihren
auditoribus nur fürtragen oder in calamum bdiftiren follen, was fie von ihren prae-
ceptoribus gehöret oder bei andern Theologen gelefen baben, jondern daß fie auch für
fih alles wohl erwägen, wo Diffikultäten fteden, diefelbige fo viel als gejcheben fann
deutlich zu erklären ſich bemüben follen, damit fie für fich je länger je mehr wachſen in der 15
Erkenntnis und aud ihre diseipulos zu gründlicher Erkenntnis anleiten mögen; wenn
ewiſſenhafte Theologi und Profeflores ihr Amt mit gebührender Sorgfalt führen, mie
fe durch fleißiges Nachſinnen in Theologia je länger je mehr perfeftionieren und ihren
anbefohlenen Zuhörern die Theologiam aufs gründlichit beibringen mögen, jo Tann es
nicht anders fein, es müfjen bisweilen dissensiones in modo docendi, declarandi, 20
defendendi doctrinam fidei zwiſchen jonjt rechtgläubigen und reinen Theologen ent:
ftehen” u.f.f. (Bedenten vom April 1680 bei Calov, Historia syncret. ©. 1009 ff.).
Bejonderd war er bemüht, jede Frage auf die legten Prinzipien zurüdzuführen, und bat
um Zwecke methodiſcher Bearbeitung der Theologie die Scholajtiter fleißig ſtudiert und
t. Biel hat er auch von Galirt gelernt, obgleich er feine perjönliche Beziehung zu 25
ihm batte. Ofters freilich vermeidet er es ihm zu nennen, wo er fi) mit ihm ausein—
anderjett. Seine philofophiihe Schulung und die Energie feines Denkens befähigten
ihn dazu, auf den Streit mit Gegnern nicht nur des Iutherifchen Lebrbegriffs, ſondern
auch des Chriſtentums und der Neligion überhaupt einzugehen. So ſchrieb er gegen
Herbert von Cherbury eine Dieputation de luminis naturae insufficientia ad sa- sw
lutem (1667 gehalten, 1668 gedrudt als Anhang zu der Neubearbeitung feiner Diſſer—
tation de aeterno electionis decreto), “Der Grundgedanke ift, daß die natürliche
Theologie für Sünder nicht ausreiche, weil fie von der für jene notwendigen satisfactio
ro peccatis nichts wiſſe. Minder bedeutend ift die nach dem Vorwort nur unter feinem
Bräfibium gehaltene, von Chr. Fr. Knorn verfaßte Disputation gegen Spinozas trac- 35
tatus theologico-politicus — ad veritatis lancem examinatus 1674, welde
gegenüber jener 1670 erſchienenen Schrift die Gedanken vertritt, daß eine reibeit zu
glauben und zu lehren, welche die Schrift nicht zugeftehe, auch von der Obrigfeit salva
pietate nicht zugelafjen werden fünne, und daß jeder von dem Rechte, in veligiöfen
Sachen unrichtig zu denken, nad Forderung göttlichen und menſchlichen Rechts weichen, 10
in zmeifelhaften Fällen aber der von der Stirche für fchriftgemäß erklärten Lehre folgen
mühe: die Obrigkeit ſei daher auch berechtigt, Dies durch Geſetze und Strafen zu er:
zwingen. Gegen Matthias Knutzen und feine Agitation fchrieb er 1674 eine „Ablehnung
der ausgefprengten abfcheulichen Verleumdung, ob wäre in der fürftl. Sächſiſchen Reſidentz
und gejambten Univerfität Jena eine neue Secte der fogenannten Gewiſſener entitanden 45
und derjelben eine nicht geringe Anzahl von Studiofis und Bürgern beygethan“ u. f. w.
1674, 2. vermehrte Aufl. 1675. Bon katholiſchen Theologen wechſelte er mit drei Sefuiten
Schriften, mit Bert Erbermann über das Bibelwerk feines Herzogs Ernit des Frommen
(biblia Lutheri auspieiis Ernesti ducis etc. glossis ac interpretationibus illu-
strata — a Viti Erbermanni, iterata maledicentia vindicata etc. Jena 1663) und 50
über die Kirche (tractatus de ecclesia, quo duae eius antehac habitae dispu-
tationes: una de natura et definitione ecclesiae, altera de eiusdem distinctione
in universalem et particularem uberius deducuntur et ab adversariorum, im-
primus Viti Erbermanni, objectionibus et exceptionibus vindicantur, Jena 1671,
2. Aufl. 1675); gegen Jodocus Nedde, der verlangt hatte, daß die Lutheraner allweg 55
zu ihrem Beweis „ein befonder Fundament (sc. erplizierter Lehre außer der Schrift) an:
wenden follen, deilen feine mit uns ftreitige Partei zur Behauptung ihrer falfchen Lehre
fih anmaßen könne“, um ſie mittelft diefer neuen Art Präffription von vornherein ing
Unrecht zu jegen, fchrieb er eine „Verteidigung Des unbeweglidien rundes, deſſen
der Augeburgifchen Konfeffion vertvandte Lehrer zum Beweis ihrer Kirchen ſich gebrauchen, co
[ei]
0
por
nri Mufäns, Johann
viſreberſt Joboei Kedden Jeſuitens Sophiſtereien entgegengelegt, worin auch von der all:
wemeinen Rirche, derſelben wahren Gliedmaßen und dero Vereinigung — gehandelt wird“,
vun Heid, indem er ale ſolch unbeweglichen Grund die heilige Schrift binſtellt; gegen
bir baut Des Jalob Maſenius meditata concordia protestantium cum catholieis
In una vonfeaaione fidei ex S. S. 1661 richtete er zwei disputat. theolog. 1162.
Star dieſen Schriften iſt Die bedeutendſte die de ecclesia, worin er die Örundfragen ber
rvangelyeden Glaubenogewißbeit im Gegenfag zum Katholicismus behandelt. Ferner
debort bierber ſein ebenfalls jebr gebaltreicher tractatus theolog. de conversione ho-
iuiuix pœcatoris ad deum, quo de conversionis appellationibus, natura, actibus
vs spewiatim de actibus fidei, neque fidei obiecto formali contra pontificios
(use aßgitur et detertis fraudibus, quas hac in re sophistae moderni commit-
tung, iu Adler. et religionis pontificiae principia et causas solicitius inquiritur
ten oem etwriterte Auilage 1662. Mit Arminianern tie Curcelläus ftritt er über
die Wie fand der Sritateit der Heiden (dissert. theol. de quaestione: an Gentiles
a abuque Ade in Christum per extraordinariam Dei gratiam ad salutem per-
uuxeoro aut uinilmum ignis seterni supplicium declinare possint? 1670 u. ö.).
zei Berker NE Socmialter zeiate noch Das aus feinem Nachlaß 1701 veröffent:
wir veilegtum ventzoversiarum ete. Vorzüglich viel Mühe wandte er an Beur:
Asteig SUOHRREIUE NED und Traditionen. Eine feiner frübeften Schriften gegen den
v Tieren UE Kedrizus richtete fich gegen Überjchätung des Gebrauchs
Nibeeiepe iu N Twain xt den Weformierten, aber Doch auch gegen den Bor:
aid Nato gen De Wainirkpen Theologen, als ſeien ſie den Artanern, Donatiſten und
Weaepepitin it Aterliantitg aler Bbrlstopbte aus Der Theologie glei und dadurch
sn De Asufe Ni uipeuken arfadeiih >loßgeftellt; Dazu kamen Anbänge gegen
ultra id Dutielaim de usu prineipiorum rationis et philosophiae in con-
aesvisais Wiewsoggleis libri tres. Sena Trtkk ic 0. Gin umfungreicheres Merk über
ſ.)Adituituieiivierte ichrieb er zur Verteidigung einer \nauguraldiffertation (}. o.)
u sehe NMareuiger Theologen (nad Budde, isagoge S. 1240: Samuel Andreä)
ad nd Kegen M. Ir. Wendelin in Jerbſt (de aeterno electionis decreto an
le dla eXtra Jeum causa impulsiva detur necne, 1668 u. ö.), ferner de
ist weil sintne curpus et sanguis Christi in ea realiter praesentia? dis-
wi... (pi peartis affirmativae probatio ex verbis institutionis deducta a Jo-
va.» \orstt vbieetionibus et exceptionibus vindicatur 1664. Auch foldhe Zuthe:
ie. ungerechtfertigt von der herrſchenden Yebre abzuweichen jchienen, Tuchte
. KEN and Geduld umzuftimmen, wie J. Mel. Stenger in Erfurt, welcher es
ne id vurote yipeifelbaft muchen zu müſſen glaubte, Daß fih obne Werlujt der
valiter Buße td Nudfall öfter ber ihnen wiederholen fönnen (vgl. 3. ©. Walch, Re:
ereliesäußeiten der luth. Kirche IV.V, 2.919 ff.) und weldem er die Schrift entgegenfeßte:
Ya Seniipeigeitalt Die Lehre von Der Buße nüßlich mit gutem Beitande nadı Gottes
a le vergetragen und nach denfelben mit den ZJubörern verfübren werden — aud
ade Grregenheit neu entſtandener Schwärmereyen an den Tag gegeben, famt
read Wrasöiniig Derielben und was deswegen gebandelt werden“ 1672 vermehrt
ne Auch but er, allerdings erjt nach den Darüber ibm entitandenen Anfec-
on a ZuulNetteinus Galirte öffentlid angegriffen (quaestiones theologicae inter
nordtalvo havtenus agitatae de Syneretismo et Sceriptura sacra 1679), doc it
ea ie Juhre uber gebaltenes Kolleg und fein Kollege Valent. Veltheim rübmt
wet veultra Syneretiismum, ecclesiae hodiernae pestem, auditores suos
nn Tuabunis (bei Mitten J. c. p. 2070). Doch batte er in früberer Zeit für Hor:
a Drau ar gute Werke im rechten Sinne ſich jchen deshalb mit erklärt, teil
ar cast Zeit dies jo not thue, wo neben anfpruchövoller Orthodoxie grobe Sitten:
alte enter ID alltäglichen ſei (vgl. Johann D. Muſäus Bedenken über der unlängit
toner VEeped! „Ob gute Werke nötig ſeien zur Seligfeit” 1650 von ibm felbft
onen Ntanı verjaßt, aber nicht Durch ihn zum Trud befördert, vgl. Darüber die
oa eis Ahr gegen Stenger und J. G. Wald 1. c. IV. V, p. 718 ff.). Schärfe
ine Puradoxieen, wie gegen Joh. Leyſers (vgl. Bd XI S. 127) Verteidigung
Yalystalsan af am. theses de coniugio theologicae 1675). Sonſt aber war ei
nt Streite unter den Yutberanern jelbjt um fo mehr abgeneigt, ie
syn duichſchaute, Daß Nechtgläubigfeit der Erkenntnis und Chriftlichleit in der
a baline Nicht notwendig verbunden jeten, und daß jene ohne diefe nicht in
.' Aasibanit beiteben könne, Diefe aber das Michtigfte fei. Der jenaifche Theolog
-
-
Mufäus, Johann 575
J. G. Wald betrachtet ihn geradezu ald Vorgänger Speners, denn er habe „beitänbig
gelehret, man könne die Theologie eines Unmiedergeborenen für feinen wahren Habitum
halten, und infomweit märe auch ein foldher, der unwidergeboren und gottlos lebte, wenn
er gleich dabei orthodor wäre, fein eigentlicher Theologus und fei fein Habitus bloß na-
türlih“ (di. c. II, ©. 77). Diefelbe Gefinnung verpflichtete ihn aber auch zum Wider:
ftand gegen die immer meiter getriebene Firterung der lutherifchen Theologie und darum
egen die Einführung des Galovfchen Consensus repetitus fidei vere Lutheranae.
—* der erſten Admonition der ſächſiſchen Theologen an die Helmſtädtiſchen vom 29. De:
zember 1646 hatten auch die Jenaiſchen noch teilgenommen (vgl. Henke a. a. DO. II, 2,
©. 118); als aber dann die Turfächlifchen in den Jahren 1650 und 1651 einen neuen 10
fächfiichen Theologentag, wie den jenaifchen vom Jahre 1621, zur Aburteilung Calixts
und wohl auch zur Annahnıe eines neuen Belenntnifjes verlangten, ließen die jenaifchen
Theologen es durch ihre Herzöge als billig vorftellen, daß auch nichtfächfifche lutherifche
Theologen, „jo fih der Sachen nicht teilhaftig gemacht”, mit zugezogen oder doch über
das neue Belenntnis gehört werden müßten. Dadurch wurde der Theologenkonvent ver: 15
hindert (vgl. Henke a. a. O. II, 2,233 ff). Als dann 1655 der Konfenfus in gejchärfterer
Be von den kurſächſiſchen Theologen vollendet und unterjchrieben mar, weigerten
Mufäus und die Sgenenfer beizutreten, da er „andern lutheriſchen Kirchenftänden,
collegiis theologieis und ministeriis gar nicht fommuniziert worden”, da zwiſchen
nötigen Glaubenslehren und Nebenfragen darin nicht unterjchieden, ſondern alles als 20
fundamental behandelt fei, und da man nicht nur Lehren, fondern auch Perfonen ver:
dammt habe (vgl.: Der Theologifchen Fakultät zu Jehn Bedenken — vom consensu
repetito und: Bon dem Galirtinischen Syncretismo April 1680, abgebrudt bei Galov,
Histor. syneret. p. 999—1089). Auf ihrem Widerſpruch beharrten fie aud in ben
von 1670—72 durch Herzog Ernſt den Frommen betriebenen „auebenäberhanblungen, 25
Nach dem Tode des Herzogs (geit. 1675) verbreitete man von Wittenberg aus „theo-
logorum Ienensium errores“, deren in diefer Flugichrift 93 von Job. Reinhard zu:
fammengeftellt waren, die meiften aus Mufäus’ Vorlefungen. Dieſer fette ihnen auf
einhelligen Beichluß der Fakultät als derzeitiger Dekan "Der Jeniſchen Theologen aus:
führlihe Erklärung über 93 vermeinte Religionsfragen oder Kontroverfien wie, was und 30
aus mas Motiven und Gründen fie — gelehret oder nicht gelehret haben, auf Veranlaffung
einer verleumberifchen Chartede u. S. f., 1677 (Vorwort vom 4. Sept. 1676) entgegen.
(Am Anfange ein Bild des Mufäus, am Schluſſe Reinhards Flugſchrift.) 1677 trat
Calov felbft in der Fortjegung feined systema locorum (tom. 8) gegen Mufäus, den
Dr. Mediator, auf. 1678 und 79 folgten noch zwei anonyme Quartbände, morin 35
Salon den Jenenſern Abfall von ihren rvechtgläubigen Vorgängern vorhalten ließ oder
felbft vorbielt, im Jahre 1679 auch des —5 oben erwähnte Veröffentlichung gegen
den Synkretismus, aber im September desſelben Jahres ließen die jungen Herzöge eine
außerordentliche Vifitation über die Univerfität Jena ergehen, bei welcher den fämtlichen
Brofefloren derfelben, 19 an der Zahl, eine neue Verpflichtungsformel aufgezwungen 40
wurde, durch melde fie den Sat des Kaſſeler Kolloquiums von 1661, der Diftens mit
den calvinifchen Lehrern gehe das Fundament des Glaubens nicht an, und dieſe könnten
„ungeachtet des vorhandenen Diſſenſus in die Brüberfchaft mit diesjeitigen Theologen
aufgenommen werden“, als bejonders „verdammlichen Synkretismus“ mit jedem anderen
Synkretismus abjchwören mußten. (Die Verpflichtungsformel bei Tholud, Das akade— 46
miſche Leben des 17. Jahrhunderts I, S. 6f.) Mufäus, damals Rektor der Univerfität,
fol vergebens für fi) um ſechs Wochen Bedenkzeit gebeten haben (Gelbfe 1. c. II, 56),
er reagierte noch gegen diefen Sieg Calovs in einem Bedenken von 1680 (j. o.), wogegen
ihm dieſer jchon höhniſch feine neue Verpflichtung vorbalten fonnte (hist. syneret. ©. 111).
Als eine feiner letzten mwiljenfchaftlichen Schriften und als zuſammenfaſſende Darftellung so
feiner theologischen Prinzipienlehre ift zu nennen feine introductio in theologiam, qua
de natura theologiae naturalis et revelatae, itemque de theologiae revelatae
principio cognoscendi primo, scriptura sacra, agitur, Jena 1679. Er jtarb am
4. Mat 1681. Bon Schriften, die aus feinem Nachlaß erfchienen, find noch ermähnens-
wert feine praelectiones in epitomen Formulae Concordiae 1701. Das Vorwort 55
N Buddeus isagoge, S. 1242 von Joh. Wilh. Bater d. J., einem Enkel des Muf.,
rof. in Altorf) nimmt Mufäus’ Gedächtnis gegen die Verdächtigungen feiner Orthoborie,
wie fie Andreas Carolus in feinen Memorabil. ecclesiast. saec. XVII an drei Stellen
ausgeiprochen hatte, in Schub. Die Schrift felbjt iſt deshalb wertvoll, weil fie neben der
„Ausführlichen Erklärung” die einzige ift, die über des Muſäus dogmatifche Anfichten einen ı
a
576 Mufäns, Johann Mufäus, Peter
Sejamtüberblid gewährt, Biel leiftet für den gleichen Zived pendium
udn un hanihnihen "Baden 30 Rue SR Ba ad ———
yandjchriftli Fe —— hat, allerdings mit
—* wer — Sieh Yen die Annahme hei und —— der
eiligen Schrift des heiligen Geiſtes erklärt ee Sab
wschrnden, videhur autem da —
in Schrift eine Bol eg lo L hud, Das
el am ©0 Jahrh. ©. er ac — Ver “ En —
Schrift nicht allein d begann a
en iſt es jei” (vgl. Ausführliche een 29— 832). Et aber
Major in Jena (geit. 1655) an Calov gejdhrieben babe, Musaeum
» sophari, quam quod loquatur eloquia dei (jo Soc Tholud, Das —5*
des 17. Sahrh. II, 67 nadı Andreas Garolus) bat * J. W. Baier d. J. a. a. Se
und gezeigt, * dieſe Bemerkung von v oder ſeinem anonymen
famne Mit mehr Recht iſt darauf —— u Pufäus die hatrliche ©
I»: einem volen Spiteme außgeRaltet —* und ſich * hat,
36 genug 1 weg zu eben — —— enden u ur, man
unter Mujäus einen Heim lien Aufflärer voritellen, der feine —
— hätte. Was des — theologiſche —— ee iſt id
m i be au Beten * —— mihfiel, —— m
9— lieber bemühte, ſolche Gegner wiſſ | u
richtigen, als fie durch kirchenpolitiſche Gemwaltafte mundtot zu machen, i zu be
46 Er nicht minder aber, daß er Damit ben ee Zorn Cal
er ir
* jerger Drtboborie in der —3* en zu —— pain —*
7) Johannes ——
50 Muſäus, Peter, Lutherifcher 2 ul —— in Kiel, 1671. —
en —— von —— —53 Witten, —
1840—52 mit Verzeichnis feiner — —— * 84 die
Be Seh * auf ihn gehalten hat). Joh. Moller, Cimbria literata 1744, T. ie S. —13;
t. 3. Ehryſander, — professorum theologiae qui in — De EEE
187—93: 6. N. —** bensbeſchreibung aller Profeſſorum ir du Mine
* I, ©. 37596; F. W. Strieber, Heſſiſche Gelehrtengeſchichte Bd 9 BR.
Peter Mufäus, Bruder des vorigen, geboren am 7. Februar 1620, hatte
ähnlich wie jein Bruder, ſechs Jahre in Jena unter Stabl u. a, dann in
ftubiert und war als Schüler Georg Calirts 1648 in Ninteln angeftellt, wo man damals
Mufäns, Peter Musculus, Andreas 577
gemäßigte Lutheraner aus deilen Schule allen vorzog, zuerit als Profeflor der Philofophie,
fett 1653 als ordentlicher Profeſſor der Theologie. Als folcher nahmen er und fein
Kollege of. Henichen als Iutberifche Theologen an dem Kolloquium zu Kaffel 1661
teil und wurden darum für ihre Zugeltändniffe vor anderen getroffen von dem ganzen
Unmillen aller derer, welche, was im weſtäliſchen Frieden politifch für die Gleichitellung 5
und Einigung aller deutfchen Proteftanten trotz Kurſachſens Gegenbemühungen glücklich
vollendet war, durch Erhaltung und Steigerung der theologischen Diffenfe noch möglicht
wieder zu vereiteln, ich für verpflichtet hielten. Später foll Mufäus felbjt dur die
Übergriffe der Reformierten infolge des Kaſſeler Kolloquiums verlegt und dadurch Rinteln zu
verlajjen beitimmt worden fein. Bon 1663 — 1665 war er Brofeflor in Helmjtedt, und 1665 10
ließ er fih an die neue Univerfität Stiel berufen, bei deren Eröffnung er als erſter Pro-
rektor die Einmweihungsrede hielt. In diefer fpäteren Zeit äußerte er ſich ungünjtiger als
früher über Synfretismus und Union, befonders in einem liber I de fugiendo syn-
cretismo iussu Christiani Alberti Ducis Holsatiae scriptus ete. Kiel 1670. Mag
ihn nun dazu weitere Erfahrung oder Anbequemung beitimmt haben, jedenfalls befriedigte 15
er dadurch weder Reformierte noch Lutheraner, deren einer urteilte: Musaeum in libro
hoc syncretismum non impugnasse sed defendisse (ſ. Moller 1. c.). Won Krank—⸗
beit die ganze Kieler Zeit hindurch geplagt, aber der ärztlichen Mahnung, fich zu fchonen,
mit dem Worte miberjtebend: professorem oportet laborantem mori, jtarb er am
20. Dezember 1674. Galov ſah in diefen frühen und qualvollen Tode eine verdiente 20
Strafe für feinen Synkretismus (bist. syncret. S.610). Seine vielfeitige philoſophiſche
Bildung und Gelehrſamkeit wurde der feines Bruders fogar überlegen geachtet; die theo-
logiſche Richtung beider ftimmt im ganzen überein. Über feine fonftigen Schriften vgl. be:
ſonders Moller und Strieder. Zwei Briefe von ihm, das Kaſſeler Kolloaunım betreffend,
fteben in: Gel. aus alten Nachrichten gezogene Neuigkeiten, Nürnberg 1737, ©. 3 ff.»
11 ff. (Hente 7) Johannes Kunze.
Mujaph |. d. U. Gottesdienſt, fynagog. Bd VII ©. 11,31 ff.
Musculus, Andreas, geſt. 1581. — Chriſt. W. Spieker, Beſchreibung u. Geſch. d.
Marien- oder Oberkirche zu Frankf. a. O., Frankf. 1835; derſ., Lebensgeſch. des A. M., Frank⸗
furt a. O. 1858 (unüberſichtlich u. nicht immer zuverläſſig, dabei voreingenommen); L. Grote, 30
Zur Charakteriſtik des A. M., 8hTh 1869, 377ff.; G. Kawerau, Koh. Agricola, Berlin 1881;
M. Osborn, Die Teufelslitteratur des 16. Jahrh., Berlin 1893; derſ., Neudruck der Schrift
d. M. Vom Hoſenteufel (Neudrucke deutſcher Litteraturwerke des 16. u. 17. Jahrh. Nr. 125);
die Schriften über die Frankf. Univ., bei. Beemann, Notitia Univ. Francof. 1707, ©. 88ff.,
und die Schriften über die Kont.: Formel; Döllinger, Die Reformation II, 393 ff. Nach Spieler 35
zeichnete 9. Weingarten in ber 2. Aufl. diefer Encykl. fein Bild, deſſen Auffag im folgenden
einzelnes entlehnt ift.
Der ftreitfertige Theologe aus dem Kreife der Gnefiolutberaner wurde 1514 zu
Schneeberg in Sachſen geboren, von feinem Vater Johannes Meufel, Bürger und Rats:
bern der Stadt, ftreng und firchlih Fromm erzogen und auf der Lateinfchule der Water: 40
ſtadt, an der bis 1525 der befannte Hieron. Weller unterrichtete, vorgebildet. In Schnee:
berg batte, dank der gemeinfamen Regierung der Erneftiner und Albertiner, Herzog Georg
dad Aufkommen evangelifcher Anſchauungen nicht zurüdvrängen können, und feit den
Verhandlungen zu Grimma, Juli 1531, leitete er auf die Mitregierung förmlich Verzicht.
Gleichwohl wendete fh A. M. im SS. 1531 nach Leipzig, nicht nach Wittenberg, wo as
er als Andreas Meusel Snebergensis immatrifuliert wurde und am 21. Februar 1534
als dritter unter 8 Bewerbern die Baccalaureatsprüfung bejtand. Er verdiente ſich dann
etlihe Jahre fein Brot als Lehrer junger Edelleute in Amberg, bezog aber im SS. 1538
wieder die Univerfität, und zwar jest Wittenberg, mo er am 18. September 1539 Ma:
gifter wurde und fich bei Melanchthon twie bei Luther zum evang. Theologen vorbildete. co
„Ich Tage es für meine Perfon ohne Scheu”, Schreibt er 1561, „daß von der Apojtel
Zeit ber fein größerer Mann gelebt oder auf Erden gekommen fei, . . . ala eben Yu:
therus, und wohl zu jagen, daß Gott alle feine Gaben in dieſem einigen ausgegoſſen habe.
Mer da will, der halte der alten Lehrer und des Luthers Gaben, Licht Verftand und
Erkenntnis in geiftlihen Sachen gegeneinander, fo wird er augenfcheinlich befinden, daß sc
fo großer Unterfchied fer zwiſchen den lieben alten Lehrern und Yutber, als zwiſchen der
Sonne und de3 Mondes Scheine” (Spieler, U. M. ©. 7). Als Magijter verheiratete
er fi, wohl mit der Schweiter von Job. Agricolas Frau, als deſſen „affinis" er in
den Quellen mehrfach bezeichnet wird (CR IV 865; VI 111; Spieler ©. 319). Diefem
Real:Gncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XI. 37
Pt Andreas
s 55 En an s idoneum
t Franffurt |
= wu um ‚die theol. — kl. 5 == beſetzt
g⸗ nicht
— ven und x —— darauf Bindfeil, Sup * * * Da er der
erintendent Theod wer * ee | Doktor, eintreten
* — —— = Y iſt der — Theod.
hie 10 "c XII, 540). ——* na dies Vorgehen — — ſehr;
ſuchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu beſchwichtigen
ſendete auch der Frankfurter Univerſität eine Darlegu — vocabulo nitentiae ein
(OR VI 104 ff. — Das Verhältnis des M. elanchthon Io Poli jeitdem getrübt.
ideeus wurde als Nachfolger des Cordatus nadı Stendal berufen, M. ruckte —* *
mter als Pfarrer an der Oberkirche und als Ordinarius der theol. wurde
jetzt auch zum Neftor der Univerſität gewählt. Lange Zeit hindurch war er — einzig
olog. Docent; erſt 1564 wurde h Körner (Cornerus) neben ihm zum Profeſſon
Ar der Theologie — und A die Dritte —— wieder in Erwägung genommen (P. Net
Die allgem. Statuten der Univ. Frankfurt, Breslau 1898 ©. 87). So war M. ein
wichtiges ‚ bochangejehenes Glied der Univerfität; 1572 wurde er bei der Neformation der
Umibeofiät zu einem ber Inſpektoren ernannt, welche die aan in der Abjol-
vierung ber vorgejchriebenen Yektionen zu überwachen batten ( Fakultätsftatuten,
s Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa
—— aufgerichtet, vgl. ſeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum,
1573. —I Soda nn Georg ernannte ihm noch kurz vor —* Tode zu einem der
Vifitatoren der Ökonomie der Univerſität (Akten der Frankf. Univ. im Breslauer Univ.
Archiv). Auc in der Kirche ftieg er au böberen Wü auf, indem er nadı Agricolas
15 —* re der ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis. Francof.
6 )
Sein Leben war ein unabläſſiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und
auch in jeiner Natur. Sein Amt verwidelte ihn in fortgejegten Streit: erft mit einem
katholiſch geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (j. oben) mit Ludeeus. erregte
ihn das Interim, das er trog Agricola befäm fte. In dem —* folgenden Kampf um
die Oſianderiſche Lehre von der Nechtfertigung and er ſich mit Ugricola wieder zuſammen
— doch fcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der : euer der märki
Konfejfton von 1552 wider Dfiander geweſen zu fein, fondern Agricola — |
werau, Agr. ©. 304; Pr ana für Köſtlin ©. 80; Stfir 1901, —— ferner der
ss in Königsberg unleidlich gewordene Stancaro jetzt nach Frantfurt fam ‚ geriet M, jofo
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Herbjt 1552 über
—— disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Net, (Ba
Rawerau, — 306 ff. dazu auch den Brief Bindſeil, Suppl. p- 11, der von 155%
a
1556 ift.) Friedrich Staphylus, der einſt mit M. zuſammen in nn
co batte, nad feinem Abfall zur katholiſchen Kirche fein Aufſehen erregendes, ges Bud)
Muscnins, Andreas 679
Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1:58, ausgehen ließ, und in
diefem Bl. G 3? auch M. angriff als Vertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt habe, quod Christus etiam
passus sit secundum divinam naturam, fv antwortete M. fluge: Responsio ad
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): eg ſei erlogen, weder 6
Yutber noch er bätten fo gelehrt; und er formulierte jest feine Wieinung folgendermaßen:
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im-
passibilem. Aber Stapbylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier jcharf (BL. K 6P bis M 6)
durch den Nachweis ab, daß M. 1553 ſelbſt ein Schriftchen batte druden laffen, das ale 10
Yutbers Yehre den Sat entbielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi-
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylug
bier aus, M. babe fich vergeblich bemüht, von der Frankfurter Univerfität dag Zeugnis
zu erbalten, daß er nicht fo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief
dieſe Kontroverje unglüdlih für M., und nur der allgemeine Unmille der Evangelifchen ı5
gegen den Konvertiten, gegen den jeßt alle Richtungen vereint zu fümpfen hatten, kam
ibm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon empbatifch als das unicum Ger-
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge-
priejen. 20
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein-
gefchräntt M. und Agricola Necht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, batte doch bier
verftimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen
den ‚Dbilippismug in der Dark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen jeinen 3
Berliner Kollegen Propſt Bucbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeilterten Bbilippiften
Abdias (Gottſchalk) Brätorius in ‚Frankfurt, der ein um fo gefährlicherer Gegner war,
als er durch feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um feiner
Sprachkenntniſſe willen dieſem auch für diplomatiihe Sendungen ſehr nützlich mar.
Streitgegenjtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. BB IS. 253, Bd XII ©. 90). 1558
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in
Streitjchriften, die in den nächſten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgejegt. Schien
der Kurfürſt 1560 Luſt zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu
verweifen, fo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius jeine Sache verloren und entwich aus Der
Mark, aber Buchbolzer führte jo kräftig feine Sache weiter und mußte namentlich Agri—
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfehren konnte (April 1562). Aber ein
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus mar 40
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung
im Yande im Einne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonifchen und anticalvintitifchen
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend—
mahl ausgeben — jene Antivort in den froptocalvinijtiichen Wirren, 1577 folgt eine
„Widerlegung der Calviniften”. con 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 4
tiarum ac dietorum“ Zeugnifie aus den Schriften der Alten zu Gunſten der lutberi-
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Catechismus . . . der beil. alten
Xehrer nah Ordnung der Hauptitüde des Katechismus” den Nachweis verjuct, daß
Yuthers Lehre alt, die römische aber zwijcheneingefonmen fei. Joachim IT. beauftragte
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yebrbefenntnis 50
a Noch kurz vor jeinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu
nach Berlin entboten, um mit ibm und den SHofpredigern Georg Göleftin und Paul
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde
jo Zeuge der letzten Xebenstage des Rurfürften, bielt ihm auch am 26. Januar 1571 die
redigt im Berliner Dom. Johann Georg nabım die Arbeit wieder auf: fie er: 5
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem Fl. Katechismus jene große Yebrjchrift ent—
baltend (vgl. Bd IV 2.296,55). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus:
Hochnüglicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern ... Xutberi zu:
fammengebracdt” einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders ın „allen
Anfecbtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troſt und Belehrung bieten follte, aber ©
4
— Andreas
lanchthon er als den — Mysnensis ‚que —— idoneum
Br —— — Er
um Die D) Dee ) 4
ag de einen zweiten Doet. Theol. und einen dazu seigneen Heiſtlichen (Bi
tation der Univ. vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur der Bfarrer Jo
und M. vorhanden, und feiner von beiden ivar Doet. theol. Joachim
ee ee |
—*— nach Frankfurt zu REN um dort dieje beiden ‚une promovieren, Melanch⸗
——— ber Bitte zu ur mm ee N er auf, über die er
die Doktoranden disputieren laffen könne (CR VI 22. — * ——
trat auch die Reiſe an, erkrankte aber unterwegs über — et, fonnte
20 weiterfahren und fiarb. bald. darauf — erg bg 5 Se der
Zerbſter Superintendent Theodor 5
und die Promotion vollziehen (bei San Notii 88 yn ber ——
Franciscus, „eujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre lieuit“).
war aber M. durch Thejen, die er ſelbſt aufgejett batte, J Ludecus in Euch geaten *
—* augleich —— und die ganze Wittenberger Theologie begeben —
ſten, über die Taufe Johannis und über den
* 10 "c NZ. 540). Melanchthon verdroß dies Vorgeben feines ——— Es
juchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu
jendete auch der rg Univerfität eine een en ala
»(CR VI 104 ff. 108 ff). Das Verhältnis des M = elanchthon bli ————
—— wurde als er des Gordatus nach Stendal berufen, M. rüdte in feine
mter als Pfarrer an der berkirche und - inarius der theol. Fakultät ein, wurde
— er Rektor ber Univerfität Lange Zeit hindurch war er der einzi
theol erſt 1564 wurde t Kom (Cornerus) neben ibm zum S |
35 = A —— und auch die dritte Nur wieder in Erwägung genommen
e allgem. Statuten ber Univ, Frankfurt, eslau 1898 ©. 87T). So war ein
ihn es, bochangejebenes Glied der Univerfität: 1572 wurbe er bei der Reformation der
Uniberfität zu einem der Inſpeltoren ernannt, nt, wel die — —— in der Abſol⸗
vierung der vorgeſchriebenen Lektionen zu überwachen hatten (Neb, Die Fakultätsſtatuten,
10 Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa
communis, rn vgl. jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum,
1573. Kurfürſt Johann Georg ernannte ibn noch kurz vor name ‚Tode zu einem ber
Viſitatoren der Ökonomie der Univerfität (Akten der Frankf, Univ, im Breslauer Univ.
Archiv), Auch in der Kirche ſtieg er zu höheren Würden auf, indem. er nad — 5**
1 Tode ar eg der ganzen ‘ art wurde (Solemnia anni seeularis. Francof.
1606 L 2
Sein Leben war ein umabläffiger Kampf; das lag in ben — und
Per in feiner Natur. Sein Amt vertoidelte ibn in fortgejegten Streit, mit einem
oliich gejinnten Gegner Baul Grenäus, dann (j. oben) mit Yubecus, erregte
ihn das Interim, das er troß Agricola befämpfte. In dem nun folgenden Kampf um
die Oſianderiſche Lehre von derXechtfertigung fand er ſich mit * hc zuſammen
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der a al
Konfeſſion von 1552 tiber Oſiander geivejen_ zu jein, ſondern le Me cm
werau, Agr. S. 304; Fejtichrift für Köſtlin ©. 80; Stſtr 1901, er
5 im Königsber unleidli gewordene Chancen jet nach pre ſofort
mit ihm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin m SHerbt 1552 —— Chriſt
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als — und gab M. Recht. (Ba
Hamerau, ar 306 ff. Dazu aud den Brief Bindfeil, Suppl. p. 451, ae von dh ’2, mid
1556 it.) ls Friedrich Stapbpius, der einjt mit M. zufammen in Wittenberg tubier
co batte, nach feinem Abfall zur katholischen Kirche fein Kuffchen —— gehäſſi⸗
Musculus, Andreas 579
Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 15.8, ausgehen lich, und in
dieſem BI. G 3 aub M. angriff als Vertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt babe, quod Christus etiam
passus sit secundum divinam naturam, fo antwortete WM. fluge: Responsio ad
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 5
Yutber noch er bätten fo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen:
Hoc cerucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im-
passibilem. Aber Stapbylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fcharf (Bl. K 6P bis M 6)
durch den Nachweis ab, daß M. 1553 felbjt ein Schriftchen hatte druden laſſen, dag ale 10
Luthers Lehre den Satz enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi-
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus
bier aus, M. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis
zu erbalten, daß er nicht jo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief
dieſe Kontroverje unglüdlich für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelischen
gegen den Stonvertiten, gegen den jet alle Richtungen vereint zu kämpfen batten, kam
ibm zu Hilfe. Gegen St. hatte M. noch Melanchthon empbatiich als das unicum Ger-
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genoinmen, und ihn mit Yuther vereint
ald die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge-
priejen. 20
Aber dag Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein—
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, batte doch bier
verftimmt und balf den mebrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen
den Vbhilippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen feinen 25
Berliner Kollegen Propit Bucbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeifterten Philippiſten
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in ‚srankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war,
ale er durd feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ji erwarb und um feiner
Sprachkenntniſſe willen diefem aud für diplomatiiche Sendungen ſehr nüßlich war.
Streitgegenjtand wurde die ‚sormel des Frankfurter Nezefles: Nova obedientia est ne- 80
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (val. Bd IS. 253, Bd XII S. 90). 1558
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in
Streitichriften, die in den nächſten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgefeßt. Schien
der Kurfürſt 1560 Luſt zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu
verweilen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Zache verloren und entwich aus der
Mark, aber Buchholzer führte jo kräftig feine Zache weiter und mußte namentlich Algri-
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joahim fiegte und
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfebren Tonnte (April 1562). Aber ein
Jahr darauf war völliger Stimmungswechfel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung
im Yande im Sinne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonifchen und anticalvinijtischen
Yutbertumsd zu. In den Jabren 1571 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend:
mabl ausgeben — feine Antwort in den froptocalviniftiichen Wirren, 1577 folgt eine
„WBiderlegung der Calvinijten“. Schon 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 45
tiarum ac dictorum“ Zeugniffe aus den Schriften der Alten zu Gunſten der Tutberi-
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Gatechismus . . . der heil. alten
Lehrer nad Ordnung der Hauptitüde des Katechismus” den Nachweis verjuct, das
Yutbers Lehre alt, die römifche aber zwiſcheneingekommen fei. Joachim IT. beauftragte
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yuthers Werfen ein Yehrbefenntnis
en Noch kurz vor feinem Ende hatte jener im Dezember 1570 M. zu
h nah Berlin entboten, um mit ibm und den SHofpredigern Georg Cöleſtin und Paul
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde
fo Zeuge der letten Yebenstage des Kurfürjten, bielt ibm auh am 26. Januar 1571 die
Leihenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm die Arbeit wieder auf: fie er: ©
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem fl. Katechismus jene große Yebrichrift ent:
baltend (vgl. Bd IV S. 296,35). M. lie dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus:
Hochnüßlicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern... Yutberi zu:
fammengebradt”“ einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen
Anfecbtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troſt und Belehrung bieten jollte, aber 60
37 *
6
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578 Musenlus, Andreas
danken, daß er im —F 1541 an der Frankfurte Univerfität Be:
eich. bekam er einen N an "der Franziskaner⸗ (Unter-)
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f, nach Frankfurt zu —— um dort dieſe beiden in —
— zu, ber Sitte zu olgen, und feste ibm ſogar
Doktoranden disputieren laſſen fünne (CR VI 25. XI 60, val.
trat auch die Reife an, erkrankte aber untertvegs über der Kälte des Winters, fonnte
> jweiterfahren und ftarb bald darauf EBEN —— S. BE 2 —
Zerbſter Superintendent Theodor Fabrieius, gleichfalls
und die Promotion vollziehen (bei ann, Notitia p. 88 tft der ie ale: -
Franciscus, „cujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre lieuit
war aber Di, —— — 2 die er ſelbſt aufgeſetzt hatte, mit Ludecus in — geraten und
26 hatte zus zugleich Melanchthon und die ganze Wittenberger Theologie 2 ** ui
7 über die Taufe Johannis und über den jegen
Theje 10 XII, 540). Melandıthon verbroß Dies ar — ———
* — jerem ie (12. April Bun zu — ehren * zu beſchw *
ete a er niverfität eine Darlegung de voca —
»w(CR VI 104jf. 108 Das Verhältnis des M, u u Melanthon blieb ſeitdem —
8 wurde ala Size des Gordatus nad Stendal berufen, M. rückte im feine
Ämter als Pfarrer an der Oberfirche und als Ordinarius der tbeol. Fakultät ein, wurde
jegt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit hindurch mar er der inzig
theolog. Docent; erſt 1564 wurde Chef h Körner (Cornerus) neben ibm zum Profeſſt
86 der Thenlogie 6 und auch die dritt er ofejjur wieder in Erwägung genommen er Met
Die allgem. Statuten der Univ, Sranffurt reslau 1898 ©. 87) So war M.
wichtiges, hochangeſehenes Glied der Univerſität; 1572 wurde er bei der Reformation
Univerjität zu einem ber Inſpektoren ernannt, twelche bie übrigen Profeſſoren in der N J
vierung der vorgeſchriebenen Lektionen zu uͤberwachen hatten (Reh, Die Fakultätsſtatuten,
40 Brest. 1900 S. 85). Auf ſeine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa
communis, aufgerichtet, cal jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum,
1573. Kurfürſt yobanıt — ihn noch kurz vor ſeinem Tode zu einem be
Vifitatoren der Ofonomie der niverfität (Akten der Frankf. Univ, im Breslauer Univ.
Archiv). Auch in der Kirche ftieg er vn u böberen Wü auf, indem er ——
15 Tode ee der ganzen Darf wurde (Solemnia anni secularis. Francof
1606
Sein Leben war ein unabläſſiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und
auch in ſeiner Natur. Sein Amt verwickelte ihn in —— ui Streit: mit einem
— geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (ſ. oben) mit Ludecus erregte
= ihn das Interim, das er troß Agricola befämpfte. In dem nun folgenden Kampf um
die Oſianderiſche Lehre von derNechtfertigung fand er ſich mit Agricola wieder
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, der Berfafler ber |
Konfejlion von 1552 wider Oſiander geweſen zu fein, fondern Agricola jelbit
werau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köftlin ©. 80; Stfir 1901, Er
5 im Königsb unleidli geivordene Stancaro“ jetzt nad) een
mit ibm im Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Per "1552 ; 141]
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. er z06
Kawerau, ar 306 ff. dazu auch den Brief Bindjeil, Suppl. p. 451, ber von nich
1556 iſt) Als Friedrich Staphylus, der einſt mit M. zujammen in Wittenberg
co batte, * ſeinem Abfall zur katholiſchen Kirche ſein Aufſehen erregendes, aebäfliges
Musculus, Andreas 579
Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1:58, ausgehen lie, und ın
dieſem Bl. G 3? aub M. angriff als Vertreter „valentinianischen” Irrtums, meil er
„ex sententia Lutheri“ im Streit mit Ztancaro gelehrt habe, quod Christus etiam
passus sit secundum divinam naturam, je antwortete M. Fluges: Responsio ad
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es jei erlogen, weder 6
Yutber noch er bätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen:
Hoc cerucifixum est, quod incarnatum est .. . divinitatem vero servavit im-
passibilem. Aber Staphylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fharf (Bl. K 6P bis M 6)
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 ſelbſt ein Schriftchen hatte druden laſſen, das ale 10
Luthers Lehre den Satz enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi-
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus
bier aus, Di. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis
zu erhalten, daß er nicht fo gelehrt babe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief
dieje Kontroverfe unglüdlich für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelifchen 15
gegen den Stonvertiten, gegen den jeht alle Richtungen vereint zu fämpfen batten, kam
ihm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon emphatiſch als das unicum Ger-
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schu genommen, und ihn mit Yuther vereint
ald die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge-
priefen. 20
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein—
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin
zu kommen und ſelber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier
verſtimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen
den Philippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola dieſen vor allem gegen feinen 25
Berliner Kollegen Propſt Buchbolzer, zu führen, jo M. gegen den begeifterten Bbilippiften
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in ‚Frankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war,
ale er dur feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um feiner
Spracdhtenntnifje willen dieſem auch für diplomatische Sendungen ſehr nüßlich war.
Streitgegenjtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 0
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vol. Bd IS. 253, Bd XII S. 90). 1508
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Kanzel begonnen und dann aud in
Streitichriften, die in den nächjten Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgefeßt. Schien
der Rurfürjt 1560 Luſt zu baben, durch ein Friedensmandat die Gegner zur Ruhe zu
verweifen, fo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwankungen 35
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Zace verloren und entwich aus der
Dart, aber Buchholzer führte jo kräftig feine Sache weiter und wußte namentlich Agri-
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim ſiegte und
Prätorius triumpbierend nah Frankfurt zurüdfebren konnte (April 1562). Aber ein
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung
im Yande im Sinne eines fcharfgeipannten antimelanchtbonischen und anticalvinijtischen
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über dag Abend:
mabl ausgeben — jeine Antwort in den froptocalviniitiihen Wirren, 1577 folgt eine
„Widerlegung der Calviniſten“. Schon 1552 batte er in jeinem „Enchiridion senten- 4
tiarum ac dietorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunſten der lutheri-
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Catechismus . . . der heil. alten
Lehrer nad Ordnung der Hauptitüde des Katechismus“ den Nachweis verjucht, daß
Zutbers Lehre alt, die römische aber zwiſcheneingekommen fei. Joachim II. beauftragte
ibn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yehrbefenntnis 50
ufammenzuftellen. Noch kurz vor jeinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu
nach Berlin entboten, um mit ıbm und den Hofpredigern Georg Cöleſtin und Baul
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde
jo Zeuge der legten Yebenstage des Rurfürften, bielt ibm auch am 26. Januar 1571 die
Leichenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nabm die Arbeit wieder auf: fie er: 5
ſchien 1572, neben der Conf. Aug. und dem Fl. Katechismus jene große Yehrjchrift ent:
baltend (vgl. Bd IV 2.206,39). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus:
Hochnützlicher teurer Schag und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern ... Lutheri zu:
fammengebradht” einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belebrung bieten follte, aber vo
4
578 Musculus, Andreas
daß er im WE. 1541 an ber Frankfurter Univerfität Be—
Be EEE NO Men an Sam m
landıtbon | im als ben ingenioens Mynensis, quem coneionibus idoneum
10 —— — IV 865). Aber Agricolas Can hielt ihn im Frankfurt feit. Es
a Auen Fakultät dajelbft. Drei Lehrſtühle jollten bejegt fein durch
‚ einen zweiten Doet. Theol. und einen geeigneten Geiftlichen (Bifi-
iin vn vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur ber ea Te Babe
vorhanden, und feiner von beiden war Doet. theol.
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nn auf, nad Frankfurt zu ap um dort * beiden zu pro ——
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Zerbſter Superintendent Theodor Fabrieius, gleichfalls > it dr Same ent
und die Promotion vollziehen (bei ann, Notitia p. 88 ijt ber ia
ranciscus, „eujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre leuten), 2
war aber Wi. durch Thejen, die er jelbit —5 etzt hatte, mit Ludeeus in Streit us geraten und
25 Yin zugleich Melanchthon und die ittenberger rt über die
ften, über die Taufe *8 nnis und über den an berg der Buße gegen
Tode 10 XII, 540). Melanchtbon verbroß Dies ln feines Schülers —* se
h a in Lo erem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu htig
ae Univerfität eine —— e vocabulo ae cin
J vr DLR. 108 ff). Das Verbältnis des M. u Snelanchtkon bli ſeitdem getrübt.
decus wurde als chf er des Cordatus nad Stendal berufen, M. rüdte in
Amter als Pfarrer an der berfirhe und als Ordinarius der ei Aal in, wune
jetzt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit bindurd war er der ein;
ia. Doc; m erit 1564 wurde Chrfte h Körner (Gornerus) neben ibm zum ® rofeſſe
36 * logie beftell t und aud) die dritte Ye sofellu ur wieder in Erwägung —— ‚Mel:
— 5* allgem. —— oe an Ireslau * ©. RE war % ein
wi j ng es er Univerſität; 1572 wurde er bei ber Reformation be
Un m einem der Inſpektoren ernannt, welche die übrigen ‚Drofenipuen. in der‘ bio!
bierung der vorgeichriebenen Lektionen zu überwachen hatten (Reh, Die Yakultätsftatut
40 Bresl. 1900 ©. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvikt der Studenten, die Mensa
communis, aufgerichtet, vgl. jeine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum,
1573. Kurfürft yohann eorg ernannte ibn noch kurz vor jeinem Tode zu einem der
Viſitatoren der ») onomie der Univerfität (Akten der * Univ. im Breslauer Uni.
Archiv). Much in der Kirche jtieg er 8 höheren Würden auf, indem er ern er
1 Tode ae ber ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis.
1606 L 2),
Sein Leben war ein unabläjfiger Kampf; das lag in den Verhältniſſen — und
auch in feiner Natur. Sein Amt verwidelte ihn in fortpeiekten Streit: —
katholiſch geſinnten Gegner Paul Crenäus, dann (j. oben) mit Ludecus.
ihn das Interim, das er trotz Agricola befämpfte. In dem nun, ——
die Oſianderiſche Lehre von der Rechtfertigung fand er ſich mit ———
— doch ſcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, der Ver af der mär
Konfeffion von 1552 wider Dfiander geweſen zu fein, jondern Agri ſelbſt (vgl.
iverau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köftlin ©. 80; Stftr 1901, 137), As ferner der |
ss in Königsberg unleiblic geivordene Stancaro jeht nach Frantfurt fam, geriet M, er
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Hexbit 1552 über Chriſti
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Necht, (Mal
Kawerau, Agr, 306 FF. dazu auch den Brief Bindfeil, Suppl. p. 451, der von 1552, nid
1556 if) Als Friedrich Stapbylus, der einjt mit M. zufammen in Wittenberg
PM zer nadı feinem Abfall zur — Kirche fein Aufſehen erregendes, gehäſſt
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Muscnius, Andreas 579
Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1558, ausgehen lich, und ın
dieſem Bl. G 3° auh M. angriff als Vertreter „valentintaniichen” Irrtums, weil er
„ex sententia Lutheri“ in Streit mit Ztancaro gelehrt babe, quod Christus etiam
passus sit secundum divinam naturam, jo antwortete M. flugs: Responsio ad
virolentum et maledicum seriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 6
Yutber noch er hätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen:
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im-
passibilem. Aber Staphylus replizierte in jeiner Defensio pro trimembri theologia
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier ſcharf (Bl. K 6P bis M 6)
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 felbit ein Schriftchen batte druden laflen, das als 10
Yutbers Yehre den Zaß enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi-
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Stapbylus
bier aus, M. babe ſich vergeblih bemüht, von der Frankfurter Univerfität dag Zeugnis
zu erhalten, daß er nicht fo gelehrt babe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief
dieſe Kontroverſe unglüdlib für M., und nur der allgemeine Unwille der Gvangelifchen
gegen den Stonvertiten, gegen den jeßt alle Nichtungen vereint zu fümpfen hatten, kam
ihm zu Hilfe. Gegen St. batte M. noch Melanchthon empbatiich als das unicum Ger-
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge-
riefen. 20
Aber daß Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein-
geſchränkt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin
zu kommen und ſelber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier
verſtimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen
den Philippismus in der Mark vorbereiten. Hatte Agricola dieſen vor allem gegen ſeinen 25
Berliner Kollegen Propſt Buchholzer, zu führen, ſo M. gegen den begeiſterten Philippiſten
Abdias (Gottſchalk) Prätorius in Frankfurt, der ein um ſo gefährlicherer Gegner war,
als er durch ſeine Gewandtheit die Zuneigung Joachims ſich erwarb und um ſeiner
Sprachkenntniſſe willen dieſem auch für diplomatiſche Sendungen ſehr nützlich war.
Streitgegenſtand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. BB IS. 253, Bd XII SC. 90). 1558
brach der Streit aus, von M. in Heftigfeit auf der Ranzel begonnen und dann auch in
Streitichriften, die in den nächjten Jabren bin und ber flogen, eifernd fortgefegt. Schien
der Kurfürſt 1560 Yuft zu baben, durch ein ‚sriedensmandat die Gegner zur Ruhe zu
verweifen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch heftige Schwanfungen 35
mit fich: im Februar 1562 gab Prätorius jeine Sache verloren und entwich aus Der
Mark, aber Buchholzer führte jo Fräftig jeine Sache weiter und mußte namentlich Agri-
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und
Prätorius triumpbierend nad) Frankfurt zurüdfehren fonnte (April 1562). Aber ein
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus mar 40
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung
im Yande im Sinne eines fcharfgejpannten antimelanchtbonifchen und anticalvinijtischen
Yutbertums zu. In den Jahren 1574 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend:
mahl ausgeben - - feine Antwort in den Irpptocalviniftiihen Wirren, 1577 folgt eine
„Widerlegung der Calviniſten“. Schon 1552 batte er in feinem „Enchiridion senten- 4
tiarum ac dictorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunjten der Tutheri-
ſchen Lehre gefammelt, und ebenjo 1555 in feinem „Gatechismug ... . der heil. alten
Yehrer nad Ordnung der Hauptitüde Des Katechisinus” den Nachweis verjucht, daß
Luthers Lehre alt, die römifche aber zmwijcheneingefommen fei. Joachim II. beauftragte
ihn, für ein brandenburgijches Corpus doctrinae aus Yutbers Werfen ein Yehrbefenntnis 50
a a Noch kurz vor feinem Ende batte jener im Dezember 1570 M. zu
nach Berlin entboten, um mit ihm und den Hofpredigern Georg Göleftin und Baul
Musculus (einem jüngeren Bruder Des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde
fo Zeuge der leßten Yebenstage des Rurfürjten, hielt ibm auch am 26. Januar 1571 die
Zeichenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm Die Arbeit wieder auf: fie er: 55
ihien 1572, neben der Conf. Aug. und dem fl. Katechismus jene große Yehrjchrift ent:
baltend (vgl. Bd IV S. 296,33). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus:
Hochnüglicher teurer Schab und Gülden Kleinod . . . aus den Büchern... Xutberi zu:
ſammengebracht“ einen Auszug aus Yutbers Schriften folgen, der bejonders in „allen
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belebrung bieten follte, aber @
37*
u
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578 Musculus, Andreas
hatte er es auch zu danken, daß er im WE. 1541 an der Frankfurter Univerfität Be:
ſchäftigung fand; zugleich befam er einen Predigerpoften an der Franziskaner- (Unter)
Kirche daſelbſt. Er ſtand bier auf Seite des Alefius in dem ärgerlihen Streit mit
Chriftoph v. d. Straßen, der den accessus ad publicas meretrices in Schuß ge
b nommen hatte. Als Alefius über diefer Sache Frankfurt verließ, da wünſchte aub M.
fortzugehen, und jener cınpfahl ihn warm für ein Predigtamt in Nürnberg: er babe außer
der Schwägerfchaft nichts „Islebianum“ an fich, fei ein nicht nur jtimmbegabter, jondern
auch beredter Prediger, affert meditatas conciones (Spieler ©. 319); und aud We
lanchthon empfahl ihn als den ingeniosus Mysnensis, quem concionibus idoneum
10 arbitrarer (CR IV 865). Aber Agricolas Einfluß hielt ihn in Frankfurt feft. Es
jtand traurig um die theol. Fakultät daſelbſt. Drei Lehrſtühle follten bejegt jein durch
den Ordinarius, einen zweiten Doct. Theol. und einen dazu geeigneten Geiftlichen (Viſi⸗
tattion der Univ. vom 9. Sept. 1540); es waren aber nur der Pfarrer Joh. Ludecus
und M. vorhanden, und feiner von beiden war Doct. theol. Joachim II. forderte daber
15 zu Anfang des Jahres 1546 Konr. Cordatus in Stendal, der Wittenberger Doktor war,
dringend auf, nad Frankfurt zu fahren, um dort dieſe beiden zu promovieren. Meland-
thon redete ihm zu, der Bitte zu folgen, und jeßte ihm jogar die Theſen auf, über die er
die Doktoranden disputieren laſſen fünne (CR VI 25. XII 539, vgl. VI 107). Cordatus
trat auch die Reife an, erkrankte aber unterwegs über der Kälte des Winters, konnte nit
20 mweiterfahren und ftarb bald darauf (Bindſeil, Supplementa ©. 363). Ta mußte der
Zerbfter Superintendent Theodor Fabricius, gleihfallg Wittenberger Doktor, eintreten
und die Promotion vollziehen (bei Becmann, Notitia p. 88 ift der Name entftellt: Theod.
Franciscus, „cujus tamen nulla hactenus alia vestigia videre licuit“). Inzwiſchen
war aber M. durdy Thejen, die er ſelbſt aufgefett hatte, mit Ludecus in Streit geraten und
25 hatte zugleich Melanchthon und die ganze Wittenberger Theologie angegriffen: über die
Lehre vom Falten, über die Taufe Johannis und über den Begriff der Buße (gegen
Ihefe 10 CR XII, 540). Melanchthon verdroß dies Vorgehen feines Schülers fehr; er
juchte ihn in längerem Schreiben (12. April 1546) zu belehren und zu befchmichtigen,
jendete auch der Frankfurter Univerfität eine Darlegung de vocabulo poenitentiae ein
3 (CR VI 104ff. 108 ff), Das Verhältnis des M. zu Melanchthon blieb ſeitdem getrübt.
Ludecus wurde ald Nachfolger des Cordatus nad Stendal berufen, M. rüdte in feine
Ämter als Pfarrer an der Oberfirche und ale Ordinarius der theol. Fakultät ein, wurde
jegt auch zum Rektor der Univerfität gewählt. Lange Zeit hindurch mar er der einzige
tbeolog. Tocent; erft 1564 wurde Chriftoph Körner (Cornerus) neben ihm zum Profejlor
35 der Theologie beitellt und auch die Dritte Frofeflur wieder in Erwägung genommen (P. Reb,
Die allgen. Statuten der Univ. Frankfurt, Breslau 1898 ©. 87). So war M. en
wichtiges, hochangefehenes Glied der Univerfität; 1572 wurde er bei der Reformation ber
Univerfität zu einem der Inſpektoren ernannt, welche die übrigen Profefjoren in der Abjol:
vierung der vorgejchriebenen Yeltionen zu übertvachen batten (Reh, Die FYakultätsitatuten,
40 Bresl. 1900 S. 85). Auf feine Anregung wurde das Konvift der Studenten, die Mensa
communis, aufgerichtet, vgl. feine Oratio de dignitate et necessitate Academiarum,
1573. Kurfürft Johann Georg ernannte ihn noch kurz vor feinem Tode zu einem der
Vifitatoren der Ufonomie der Univerfität (Akten der Frankf. Univ. im Breslauer Univ:
Arhiv). Auch in der Kirche ftieg er zu höheren Würden auf, indem er nad Agricolas
15 Tode Generalſuperintendent der ganzen Mark wurde (Solemnia anni secularis. Francof.
1606 L 2b).
Sein Xeben war ein unabläjliger Kampf; das lag in den Verhältnilfen — und
auch in jeiner Natur. Sein Amt verwidelte ibn in fortgejegten Streit: erft mit einem
fatbolifch gefinnten Gegner Paul Grenäus, dann (f. oben) mit Ludecus. Dann erregte
ihn das Interim, das er trog Agricola befämpfte. Sr dem nun folgenden Kampf um
die Ofianderifche Lehre von der Rechtfertigung fand er fih mit Agricola wieder zufammen
— doch fcheint nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, M. der Verfaſſer der märki
Konfeſſion von 1552 wider Oſiander geweſen zu fein, fondern Agricola ſelbſt (vgl. Ka:
werau, Agr. S. 304; Feſtſchrift für Köſtlin S. 80; Str 1901, 137). Als ferner der
65 in Königsberg unleidlich gewordene Stancaro jegt nach Frankfurt fam, geriet M. fofort
mit ibm in Konflikt; beide mußten vor Joachim in Berlin im Herbft 1552 über Chrifti
Mittleramt disputieren, Agricola fungierte als Schiedsrichter und gab M. Recht. L.
Kawerau, Agr. 306 ff. dazu auch den Brief Bindjeil, Suppl. p. 451, der von 1552, nicht
1556 ft.) Als Friedrich Stapbylus, der einft mit M. zufammen in Wittenberg ſtudiert
co batte, nad feinem Abfall zur katholischen Kirche fein Yuffehen erregendes, gehäfliges Buch
Muscnins, Andreas 579
Theologiae M. Lutheri trimembris epitome, Coloniae 1558, ausgehen ließ, und in
diefem Bl. G 3P auch M. angriff als Bertreter „valentintanischen” Irrtums, weil er
„ex sententia Lutheri” im Streit mit Stancaro gelehrt habe, quod Christus etiam
passus sit seecundum divinam naturam, fo antwortete M. flugs: Responsio ad
virolentum et maledicum scriptum Frid. Staphyli (1558): es fei erlogen, weder 5
Luther noch er hätten jo gelehrt; und er formulierte jest feine Meinung folgendermaßen:
Hoc crucifixum est, quod incarnatum est... . divinitatem vero servavit im-
passibilem. Aber Staphylus replizierte in feiner Defensio pro trimembri theologia
M. Lutheri (2. Aufl. Meißen 1560) und fertigte ihn bier fharf (Bl. K6P bis M 6)
durch den Nachweis ab, dag M. 1553 felbft ein Schriftchen hatte druden laffen, das als 10
Luthers Lehre den Sat enthielt: non tantum humanam naturam, sed etiam divi-
nam, seu verum Deum pro nobis passum et mortuum. Auch plauderte Staphylus
bier aus, M. habe fich vergeblich bemüht, von der Frankfurter Univerfität das Zeugnis
zu erhalten, daß er nicht jo gelehrt habe, wie ihm St. jet vorgerüdt hatte. So verlief
dieſe Kontroverje unglüdlih für M., und nur der allgemeine Unwille der Evangelischen
gegen den Konvertiten, gegen den jetzt alle Richtungen vereint zu kämpfen hatten, kam
ihm zu Hilfe. Gegen St. hatte M. noch Melanchthon emphatiich ald das unicum Ger-
maniae et ecclesiae Christi lumen in Schuß genommen, und ihn mit Yuther vereint
als die viri pietate et vera coelestis doctrinae cognitione praestantissimi ge:
riefen. 20
Aber dag Melanchthons Judicium in der Sache des Stancaro nicht unein-
geihräntt M. und Agricola Recht gegeben, und daß jener abgelehnt hatte, nach Berlin
zu fommen und felber neben Agricola das Schiedsrichteramt zu üben, hatte doch hier
veritimmt und half den mehrere Jahre andauernden Kampf von Agricola und M. gegen
den Vhilippismus in der Dark vorbereiten. Hatte Agricola diefen vor allem gegen feinen 25
Berliner Kollegen Bropft Buchholzer, zu führen, fo M. gegen den begeifterten Bhiltppiften
Abdiad (Gottſchalk) Prätorius in Frankfurt, der ein um fo gefäbrlicherer Gegner war,
als er durch feine Gewandtheit die Zuneigung Joachims fih erwarb und um feiner
Sprachkenntniſſe willen diefem auch für diplomatische Sendungen . fehr nüglich war.
Streitgegenitand wurde die Formel des Frankfurter Rezeſſes: Nova obedientia est ne- 80
cessaria, das „Muß“ der guten Werke (vgl. Bd I ©. 253, Bd XII ©. 90). 1558
brach der Streit aus, von M. in Heftigkeit auf der Kanzel begonnen und dann auch in
Streitichriften, die in den nächſten ‘Jahren bin und ber flogen, eifernd fortgejegt. Schien
der Kurfürjt 1560 Yuft zu haben, durch ein ;srievensmandat die Gegner zur Ruhe zu
verweiſen, jo brachte doch der bald neu entbrannte Kampf noch beftige Schwanfungen 35
mit fih: im Februar 1562 gab Prätorius feine Sache verloren und entwich aus der
Mark, aber Buchholzer führte fo kräftig feine Sache weiter und wußte namentlicd) Agri-
cola jo wirkſam anzuflagen, daß momentan der Philippismus bei Joachim fiegte und
Prätorius triumphierend nah Frankfurt zurücdfehren konnte (April 1562). Aber ein
Jahr darauf war völliger Stimmungswechſel bei Hofe eingetreten, der Philippismus war 40
definitiv erlegen (April 1563). Als dann Agricola ftarb (1566), fiel M. die Führung
im Yande im Einne eines fcharfgefpannten antimelandhthonischen und anticalviniſtiſchen
Luthertums zu. In den Jahren 157-4 und 75 läßt M. drei Schriften über das Abend:
mahl ausgehen — jeine Antwort in den fryptocalviniftifchen Wirren, 1577 folgt eine
„Widerlegung der Galviniften”. Zchon 1552 hatte er in feinem „Enchiridion senten- 45
tiarum ac dietorum“ Zeugniſſe aus den Schriften der Alten zu Gunften der lutheri-
jchen Lehre gejammelt, und ebenſo 1555 in feinem „GSatechismug . . . der beil. alten
Lehrer nad Ordnung der Hauptjtüde des Katechismus” den Nachweis verfucht, daß
Luthers Lehre alt, die römische aber zwiſcheneingekommen fei. ‘Joachim II. beauftragte
ihn, für ein brandenburgifches Corpus doctrinae aus Luthers Werken ein Yehrbefenntnig 50
Tr uftellen. Noch kurz vor jeinem Ende hatte jener im Dezember 1570 M. zu
nad Berlin entboten, um mit ibm und den Hofpredigern Georg Cöleftin und Paul
Musculus (einem jüngeren Bruder des A. M.) über diefe Arbeit zu beraten; M. wurde
jo Zeuge der leßten Yebenstage des Kurfürften, bielt ihm auch am 26. Januar 1571 die
tchenpredigt im Berliner Dom. Johann Georg nahm die Arbeit wieder auf: fie er: 5
fchien 1572, neben der Conf. Aug. und dem El. Katechismus jene große Yehrjchrift ent:
haltend (vgl. Bo IV S.296,3). M. ließ dann noch 1577 unter dem Titel „Thesaurus:
Hochnüglicher teurer Schag und Gülden Kleinod... . aus den Büchern ... Zuthert zu:
fammengebradht” einen Auszug aus Yuthers Schriften folgen, der befonders in „allen
Anfechtungen, Streit und Kampf des Gewiſſens“ Troft und Belehrung bieten follte, aber @
37”
—
5
580 Musculus, Andreas
doch nah des M. Sinn auch der kräftigen Polemik gegen allerlei Ketzerei nicht entbehtt.
Wir finden M. ferner im Juni 1576 mit feinem Kollegen Körner (Cornerus) auf dem
Torgauer Konvent bei den Beratungen über dag Torgiſche Bud und im Syrübjahr 1577,
wieder zuſammen mit Cornerus, in Kloſter Bergen bei der endgiltigen Redaktion der Kon-
5 fordienforimel als Vertreter der Turbrandenburgifchen Kirche beteiligt (Bd X ©. 741f),
die nunmehr feft auf dein Boden der bier firierten lutherifchen Lehre ſtand.
Auch in der eignen Gemeinde gab es für ihn manden Kampf. Vor allem mit dem
Magiftrat, über das Necht, Die Diakonen (apläne) anzuftellen und zu entlaffen, das beide
Teile für ft beanjpructen, über Anderungen in der Liturgie und an der Ausftattung
10 der Kirche; Schule und Hofpital gaben gleichfalls Anlaß zu Kompetenzitreitigteiten.
Wiederholt mußte der Kurfürft eingreifen und dieje Streitigkeiten fchlichten. M. verbitterte
diefe Kämpfe, bei denen er oft gute kirchliche Intereſſen (befjere Befoldung der Geijtlichen,
Verwendung des Kirchengutes für kirchliche Zwecke u. dgl.) wahrnahm, durch feine Heftig:
feit und durch die Gewohnheit, feine Klagen alsbald auf die Kanzel vor die Gemeinde
15 zu bringen. Kämpfte er dabei auch oft für feine eigne materielle Yage und zur Beirie
digung feiner Bauluft, unter Berufung auf feine alten treuen Dienfte, und daß er fib
in jungen Jahren bei ihnen abgearbeitet, jo gab er doch von dem, was er fo erlangte,
gern und reichlich den Armen und den Studierenden, die er oft über Vermögen unter:
jtügte; feine Witwe — feine zweite rau — hinterließ er in Armut. Vor allem aber
20 war e8 die Not der Kirche und derer, deren Mutter die Kirche fein foll, deren er fi
eifrig, freilih nicht ohne Yeidenfchaftlichkeit, angenomnin bat. Der Magijtrat dagegen
klagte über das berrifche Weſen des Pfarrers, der gern mit einem Fuß in der Kirche,
mit dem andern im Nathaus fteben twolle, und befchwerte fi) über zahlreiche Außerungen
in M.s Predigten, in denen er ibn beleidigt habe: „Der Teufel haufieret überall, ganz
25 bejonders aber auf dem Natbaufe” ; die Bürgermeijter follten zum Teufel gehn, und die
Gemeinde folle Gott bitten, daß dies Negiment bald ein Ende nehme u. dgl. Aber M.
fand an Joachim ficheren Rückhalt und einen Verteidiger, der fchließlich durchſetzte, was
M. beanipruchte. Dies Vertrauen feines Landesherrn benugte M. aber auch zur Förde:
rung mohlthätiger Snititute, zur Stiftung von Stipendien und zur Unterjtügung armer
30 Studenten. In feinem Amte fchonte er fih nie; er predigte in der Regel wöchentlich
weimal, und nie unter 2 Stunden. Er machte häufige Inſpektionsreiſen, nicht felten zu
Kup, Nach Luthers Vorbild iſt er geneigt, in jedem Gegner gleidy den böjen Feind felbit
zu feben, der ihn zum Kampf berausfordert. In allen Sünden und Unfitten der Zeit
treten ihm die verichiedenen Teufel vor Augen, die das Chrijtenvolf verführen und ver:
36 derben. Mächtig erhebt er fich ala Vertreter alter einfacher Sitte 1555 gegen die von den
Landsknechten verbreitete Mode der gelegten Wluderhofen in der Schrift: „Wider den
Hofenteufel”, der aus dem allerbinterften Ort der Hölle, aus den Hofgefinde des Teufeld
tomme (vgl. über diefe Schrift auch eine Augsburger Flugjchrift von 1558, in Bibl.
d. Stuttgarter litt. Vereins 217, 473f.). Wenige Jahre vorher (1551) hatte ein Schlefier,
so Matthäus Friedrich, „wider den Saufteufel” gefchrieben und damit einen neuen Yitteratur:
zweig gefchaffen, in dem fich kraftvoller Predigtton mit vollstümlicher draftiicher Sitten:
ſchilderung und anfchaulicher Erzäblung abjchredender Beifpiele verband; dieſe Art fand
großen Beifall. M. nahm diefen Gedanfen auf. 1556 nahm er in der Schrift „Vom
Sotsleftern” den „Fluchteufel” und 1556 (neue Aufl. 1561) auch den „Eheteufel” aufe
s Kor. Es folgte 1561 die Schrift „Von des Teufels Tyranney in den legten Tagen”.
Bejonders gern fehildert er font die legten Dinge, Tod und Gericht, ewige Verbammnis
und ewige Seligkeit: „Vom Himmel und der Hellen“ 1559, mit ſcharfem Kampfe wider den
roben und ficheren Haufen, der die ewige Bein für Märlein erklärt und eintvendet, es wäre
wider Gottes Gerechtigkeit, Zeitliches mit Ewigem zu beftrafen ; ferner „Vom jüngften Tage“
60 1557, „Bedenke das Ende” 1572. Aber auch dem MWucher und Geiz gilt feine Straf:
predigt (1579), dem „ist regierenden Epicuro“ (1569); er fchreibt aber auch ein latetnifches
Gebetbuch, Paffionsbetrachtungen, über rechten Gebrauch des Abendmahls u. dgl. Spieler
bat 46 Schriften aufgezählt ; das Verzeichnis iſt aber nicht vollftändig. Einzelne derjelben
fanden noch im 17. Sabrhundert neue Auflagen; feine LZeichenpredigt auf Joachim II.
65 hat Spiefer S. 144 ff. wieder abgedrudt. Seine praftifchen Arbeiten zeigen neben feinem
heiligen, aber leicht maßlofen Gifer eine derbe und draftifche, dabei nicht geijtlofe Volls⸗
tümlichkeit.
Nachdem er ſchon 1576 ſchwer erkrankt war, aber noch einmal wieder ſeine Geſchäfte,
auch ſeine Dienſtreiſen, hatte aufnehmen können, kehrte er im Juni 1581 von einer
cr Synode in Nauen krank nad Frankfurt zurück, und kam nicht wieder zu Kräften; am
Muscenins, Andreas Musculus, Wolfgang 681
209. September ging er beim. Sein Sohn Sohannes, den der Vater ald Prediger in der
Lebuſer Vorſtadt angeftellt hatte, wurde ein Opfer des Fatholifierenden Konfekrations-
begriffe Joachims (vol. ZhTh 1849, 468 ff). Er hatte 1568 bei der Austeilung des
Abendmahle Wein verjchüttet und mit dem Fuße den vergofjenen Wein am Boden zu
verdeden gejucht: vergeblich hatte M. fchriftlich für feinen Sohn bei dem erzürnten Kur: 5
fürften Fürbitte eingelegt, vergeblich auch perſönlich ihn zu entjchuldigen geſucht: Joachim
fürchtete das „gefchändete Blut” Chrifti und meinte noch fehr gnädig zu fein, als er den
Miflethäter nur Landes verwies. Eine Tochter heiratete erſt den Frankfurter Profellor
Andreas Prätorius, dann den Brofeflor, jpäteren Superintendenten in Sorau Joachim
Garcaus. — Ein Bi des A. M. findet man in Fortgef. Sammlung 1741 und bei
Spiefer. G. Kaweran.
[
V
Muscenlns, Wolfgang — (Müßlin, Meuglin), 1497— 1563. — As Quellen
find zu betrachten: Seine eigenen Schriften, 9 %ol.:Bände (Verzeichnis bei Leu, Helvet. Lexikon);
Sammlung feiner Briefe auf den Stadtbibl. von Zofingen, Bern und wohl auh Straßburg.
Gedrudte Brieffammlungen aus der Reform.:Zeit, u. a. im Corp. Ref.; W. Musculus Dusa- 15
nus, Diarium itineris, Originalhandſchr. auf der Berner Stadtbibl., abgedrudt bei Kolde,
Analecta Lutherana, welche auch noch andere Dokum. u. Nachrichten enthält. Historia vitae
et obitus Dr. W. Musculi per Abrahamum Musculum filium, enthalten in Synopsis festal.
concionum, ed. 1595 zu Bajel durd einen Sohn des legtern. Auszüge aus allerlei gedrudten
Büchern, Noten zum Leben de? W. Musc. aus den MSS des Sohnes Abrah., Berner Stadt:
bibl. MSS XII, 96. — Un Litteratur iſt zu vergleihen: 1. Biographien (außer der
bereits erwähnten Historia vitae): Helvetiend berühmte Männer, v. Pfenninger u. Meifter I,
144156; Adam, vitae, 367—389; 2. Grote, W. Musc. ein biogr. Verſuch, Hamb. 1853;
®. Th. Streuber, W. Musc., ein Lebensbild im Bern. Tajchenbd). 1860 (mojelbft genaue
Litteraturangaben bis 1860). AdB Bd 23, ©. 95, 96. ©. Bern. Biogr. II ©. 491 g —
2. Werke und Schriften zur Reformationsgeſchichte, insbeſ.: Fiſcher, Diſput. und Reform.
in Bern ©. 549ff. Be. 1828; Heß, Lebensgeſchichte des Hch. Bullinger, 1828/29; Tillier,
Geſch. des Freiſtaates Bern; die Haller-Müslin Chronit; Ad. Fluri, Die Bern. Schulord⸗
nung von 1548, in Mt der Geſellſch. für deutſche Erziehungs- und Schulgeſch. v. Kehrbach,
Jahrgang XI, Heft 3; C. B. Hundeshagen, Konflikte des Zwinglianismus, Luthertum und 30
Calvinismus in der Berner Landeskirche v. 1532—1588. Bern 1842; Stieve, Die Einführung
der Reform. in der Reichsſtadt Donauwörth, SMA, hiſt. Klaſſe, 1884, ©. 387, 415 ff.; Grin-
deiy, Quellen zur Geſch. d. Böhm. Brüder: fontes rer. Austriacarum. Dipl. c. acta Bd XIX
(giebt über die Beziehungen des Musc. zu den Protejtanten in Böhmen und Polen Aus:
oe aan Geſchichte der Schweiz. Reform. Kirchen, Bd I; Fluri, Bern. Taſchenbuch 35
„S. 239.
I. Wolfgang Musculus Dufanus, mie er ſich nannte, wurde am 8. September 1497
ale Sohn eines Küferd in Dieuze in Zothringen geboren. Obſchon feine Eltern arm waren,
thaten fie ihr möglichjtes, dem begabten und lernbegierigen Knaben in der Stabtichule
und den beilern Schulen der Nachbarſchaft eine ordentliche Bildung zu teil werden zu w
laſſen. Als fahrender Schüler durdhftreifte er, wie viele Zeitgenoffen, fingend und bettelnd
die Welt, twobei es ihm gelang, feine Bildung zu vervolllommnen. Xängere Zeit ver:
weilte er in Rappoltsmweiler, Colmar und Schlettitadt, an welch letzterem Orte er nament:
lih von dem deutichen Humanismus mächtig angeregt wurde. Mit 15 Jahren wurde
Musculus um feiner Schönen Stimme willen in das Benebiktinerflofter bei Lixheim gelodt. 45
ier fand er die heißerjehnte Gelegenheit, fib in die Schriften der Alten, infonderheit
vids, zu vertiefen und fich der Pflege der Mufit auf der Orgel hinzugeben. Mit dem
20. Jahre begann er das Studium der Theologie. Da er eine befondere Gabe der Be:
redſamkeit verriet, übertrug man ibm bald die Predigt im Klofter und den zum Klofter
gehörenen Parochialkirchen. Die Mahnung, die ihm ein älterer Mönch bierfür and Herz so
egte: Si bonus vis fieri concionator, da operam ut bonus fias biblicus, hat er
zeitlebens treulich befolgt. Im Sabre 1518 lernte er im Klofter Luthers Schriften kennen,
und wurde al8bald ein entichiedener Verteidiger der neuen Lehre. Dadurch zog er fich,
obſchon fein Eintreten für Yutber nicht ohne Eindrud blieb, die Feindſchaft An Fußreicher
Perföntichteiten zu, jo daß fein Verweilen im Klojter je länger je mehr zur Unmöglich- 55
eit wurde. Troßden wählte man den lutberifch Gefinnten zum Prior, aber gerade Diele
Wahl zeitigte in ihm den Entichluß, das Klofter zu verlaffen. Er entfloh, mit Vorwiſſen
des Priors, 1527, nachdem er 15 Jahre im lofter zugebracht hatte, und heiratete Die
Nichte feines Prior, Margaretha Barth. Damit hatte er feinen Bruch mit Klofter und
Kirche dokumentiert. Freilich hatte er damit auch feine forgenfreie Exiſtenz mit einer un: 60
ficheren forgenvollen vertaufcht. Seine Frau mußte ſich als Magd im Haufe des Strap:
582 Musculus, Wolfgang
Theobalb verdingen, und elbit arb ala Weber. '
Jung aaa m — 5 —* Eon
— —
—
en Anke ungen. KR Hafen patte Bu ii bon jeber bie
nung —— ern betrieben, ——
hauen gu egen Zwingli nicht 8 — und bes-
Halb Tor ihm alles —Se— was mai er Seite kam, felbft aud) Be welche nur
Br perfönliche Hochachtung für den — * ‚er Reformator ausbrückten ſahen
die Oberdeutſchen a er ie ur Er —— erſon vor
— und ſeine nichaun en vor Mißverſtändnis chützen. Als Y
1534 in diefem Sinne an die Frankfurter gejchrieben, und — weil „er ſeine
ehre nicht a Sarah bi. Scri Ale
gave
ll) und Putontu
—* ihre —
und in der Tha
Die J. helvet Konf
15 bringen, daß die Be weder W ebertäufer noch Shiematiter, — — —
—— re Bucer 1536 eine — nach Ei u 8 N Beprum ba
ftat
5 —— Mi und Musculus nal als Vertreter von burg an
ung teil, welche jtatt in Eifenad in Wittenberg jtattfand "Hay
itt. Konkordie war. Des Musculus oben ertwähntes Tagebuch giebt über die Ber.
banblungen enaue Auskunft. Er und fein Begleiter Bonifacius Lycoſthenes (Wolfhart
hatten vom Rat Auftrag, alles zu vermeiden, was eine Einigung weren konnte, und
65 obſchon Musculus jeinergeit den Bucer vor einer Einigung um je Preis. |
hatte, juchte er ſoweit als möglich entgegen zu fommen und gab des Arievens Bi
feine tetrapolitan. Anfichten vom Abendmahl auf. Nacd Beendigung ber dlun
P Mai) beſuchte er den Luc. Kranach und zog dann beim, wo er bie Annahme »
— ohne Mübe a
Aber der Kompromiß Defriedigte niemanden. Die Auferung Bucers, die gwinz
Musculus, Wolfgang 583
lianer feien einverstanden, machte Yuthern das Abkommen verdächtig, und dieſe nahmen
es auch nicht an, troß der Empfehlung des Mykonius. Mußte diefer doch auch zu:
gefteben, „die Wahrheit werde hier mit jeltfamen Worten gelehrt”! Musculus hielt fich zu:
nächſt gemifjenhaft an die Konfordie, aber als er fie von allen preisgegeben ſah, nahm
auch er feine frühere Pofttion wieder auf, die er dann jpäter in feiner „Confessio de 5
sacramento corporis et sanguinis dominiei begründete. Ebenfo erfolglos war feine
Teilnahme an dem 1540 in Worms begonnenen und 1541 in Regensburg fortgejeßten
„Religionsgeſpräch“ evangeliſcher und fatholifcher Theologen. Das von Musculus alg
einem ber bezeichneten Notarien geführte Protokoll ift noch in Bern vorhanden. Zwei
Predigten, die er hier über die Mefje hielt (Später gedrudt), verurfachten eine Fehde mit
Dr. Cochläus, aus der 1545 die Gegenjchrift „Anticochlaeus” hervorging. Am Jahr
vorher hatte er, von Augsburg auf die Bitte der Donaumwörther um einen Lehrer abge:
ordnet, in diefer Stadt die Reformation eingeführt, und in diefer Zeit für fie einen In
teinischen Katechismus gefchrieben.
Trog diefer intenfiven firchlichen Thätigfeit fand Musculus genügend Zeit zu theo-
logifcher Beichäftigung. Er erlernte jet noch das Griechifche und das Arabiſche, und
veröffentlichte Überfegungen von Schriften und einzelnen Stüden der griechifchen Väter, u. a.
Kommentare des Chryſoſt. zu den paulin. Briefen, Schriften des Baſilius und Gregor
von Nazianz und des Athanafius. Ohne es zu ahnen hatte er damit die Grundlagen
für feine jpätere umfaſſende Wirkſamkeit in Kirche und Schule von Bern gelegt. 20
Unerwartet rafh nahm feine gejegnete Thätigkeit in Augsburg ein Ende. Das
Augsburger Interim von 1548 wurde vom Kaifer auch der Stadt Augsburg aufgenötigt.
So lange noch evangelifcher Gottesdienft beftand, und die evangelifche Bevölkerung täglich
Troſt und Stärkung begehrte, barrte Musculus unerfchroden auf feinem Poſten aus, ob:
ſchon jeit dem Einzug des Kaiſers der evang. Kultus nur noch geduldet wurde, und 25
Musculus den ärgiten Beihimpfungen, ja thätlichen Beleidigungen auögejegt war. Am
26. Juni wurde der Widerjtand des Rates gegen das verhaßte Interim gebrochen, und
an demjelben Tage legte Musculus, nachdem er erfolglos fchriftlih und mündlich pro-
tejtiert hatte, fein Amt nieder. Als heimatloſer Mann verließ er noch am gleichen Abend
die Stadt, fein Weib und feine 8 Kinder, um in der Fremde Aſyl und Brot zu fuchen. 30
Über Lindau und Konftanz reifte er dahin, wo der Arm des Kaifers nicht mehr hin-
reichte, in die Schweiz, und zwar zunächſt zu feinem Verleger, Buchdruder Herwagen in
Bafel. Mittlerweile war ihm feine Yamilie nad Konftanz nachgereift und Musculus
eilte ihr dorthin entgegen. Hier predigte er noch am Tage vor dem verräterifchen Über:
fall der Stadt durch panische Truppen über Jo 6, 66—69, im Blick auf das Interim. 36
Natürlich war hier feines Vleibens nicht. Noch während des Sturmes verließ er bie
Stadt und floh nad St. Gallen zu Vadian, und von da weiter nach Zürich, mo ich
YBullinger und Pellikan des jchmwergeprüften Mannes in der edeljten Weiſe annahmen.
Im Haufe des nad) Bern berufenen Joh. Haller, der fich eben zur Abreife rüftete, fand er
vorübergehend eine Heimat. Durch Ochin ließ ihn Erzbifchof Cranmer, wie andere ver: a
triebene Pfarrer, nah England einladen, aber er lehnte ab. Mit Korrekturen für die
Buchhändler Herwagen und Froben fuchte er ſich etwas zu verdienen, um nicht ganz feinen
gürde: Freunden zur Laſt zu fallen. Die übrige Zeit verivendete er auf Srivatikubien.
lich, nachdem er dreiviertel Jahre lang ohne Anftellung geweſen war, verichaffte ihm
fein in Bern hochangejebener Freund Haller, der während 1545 —47 fein Kollege in Augs- 45
burg geweſen war, die Stelle eines Profeſſors der Theologie in Bern, Februar 1549. Frei:
lich erſchien es dem Rat nicht ganz unbedenklich, ihn kommen zu laſſen. Troß des kleinen
Gehaltes von faum 150 Gulden nahm Plusculus den Ruf mit Dreuden an.
III. Joh. Haller war nad) Bern berufen worden, um die Nefonftituierung der durch
Parteikämpfe zwiſchen zwinglifch und lutheriſch GSefinnten und fpäter zwiſchen Zminglia= so
nern und Galviniften geſchwächten und zerriſſenen Berner Kirche durchzuführen. Anner:
balb eines Jahrzehnts hatte dieſe Kirche zwei Krifen erlebt. Der Anfchluß der bernifchen
Theologen an Zmwingli war naturgemäß geweſen, aber Durch die Uniongbeitrebungen unter
den Proteftanten, denen die politisch weitfichtige Regierung Berns ein großes Antereffe
entgegenbracdhte, und den Starken Einfluß Bucers in Bern erhielt eine lutherifhe Etrömung 5
jo ſehr Oberwaſſer, daß das friedliche Verhältnis zu den übrigen reformierten Schweizer:
firchen gefährdet war. Freilich zögerte die Negierung, fobald fie zur Einficht gelangte,
nicht, dieſen Fremdkörper auszuftoßen, und die Anhänger der lutherifchen Abenpmahls:
lehre, ſoweit fie ſich nicht fremvillig unterzogen, zum Teil jogar zu vertreiben. Aber nun
drohte ihr ein weit geführlicherer Konflift mit dem der Bernifchen Kirchenpolitif direkt er
ee
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[N
a
584 Musculns, Wolfgang
zuwiderlaufenden Galvinismus, und nur mit unendlicher Mühe Tonnte ein offener Bruch
verhindert werden. Am meisten zur Verföhnung diefer Gegenfäge zwiſchen Zwingliſcher
und Galvinifcher Auffaffung in der Schweiz trug Heinrich Bullinger und feine Schule
bei, und zu diefem Bullingerfchen Kreife darf man aud Haller und Musculus zäblen.
5 Haller jollte eben nach den Intentionen der Regierung in diefem vermittelnden Sinne
wirken, und er wählte fich als Mitarbeiter den Musculus, dem er feiner Zeit das Ber:
iprechen abgenommen batte, daß er, falls er einmal weichen müffe, nirgends anders als
bei ihm feine Zuflucht juchen wolle. Die Dankbarkeit gegen Haller und die in Bern gefun-
dene Hilfe veranlaßten ihn ebrenvolle Berufungen (im Auguft 1551 nad England zur
10 Erfegung Bucers, nad) Straßburg, nach Neuftadt an der Donau dur den Ralgr en
Dttheinrih, an die Univerfitäten Marburg und Heidelberg, und fchließlich wieder nad
Augsburg) abzulehnen und Bern treu zu fein bis zu feinem Tode (30. Auguſt 1563).
Musculus war in der That bejonderg geeignet, die ihm übertragene Aufgabe als Pro:
fejlor der Theologie und mit Haller gewifjermaßen als Leiter der Kirche zu löſen. Obfchon er
15 an fehöpferifcher Originalität nicht an die älteren NReformatoren heranreichte, fo befähigten
ihn dafür feine außerordentlichen Kenntnifje der Sprachen und der Theologie ſowie namentlich
feine klare tiefgründige Exegeje in bobem Maße dazu, als Lehrer die heranwachſenden Geiſt⸗
lichen in die Wahrheit einzuführen und ihnen das Erbe der Reformatoren zu übermitteln.
Und durch feine in rafcher Folge erjchienenen Kommentare (vgl. Leu, Helv. Zerif. und AdB
20 Bd 23 ©.96) wirkte er nachhaltig auf feine Zeitgenofjen ein, jo daß ihm die allgemeine
Achtung zu teil wurde. Die Berner nannten ıhn um feiner Verdienſte willen den vene-
randus senex. Dieſe Verdienfte erwarb er fich nicht nur als theologifcher Lehrer, fon:
dern vor allem auch ald Mann der Kirhe und Schule Er war nichts weniger als ein
Barteimann, vielmehr bat er zeitlebend die Unterſchiede zwiſchen den reformatorifchen
25 Richtungen für unweſentlich und das Streiten und Zanken der Theologen für ein Un:
recht gehalten. Wie er aus Friedensliebe einſt der Mittenberger Konkordie zugeitimmt
hatte, jo pure er auh in Bern zwifchen den — zu vermitteln, was ihm bei
ſeinem milden auch dogmatiſch vermittelndem Standpunkt, der im allgemeinen derjenige
der Straßburger war, vortrefflich gelang. Auch in den Streitigkeiten der Waadtländer
30 Geiſtlichkeit wegen Einführung der calviniſchen Kirchenordnung mußte Musculus (1558
bis 1559) eingreifen, wobei er öfterd mit Calvin, Viret und Dep in Berührung Tam.
Galvın ſchalt ihn und Haller einmal Mietlinge, und aud der Verkehr mit Viret mar
nicht immer freundlich, mas bei der Gereiztbeit der firchenpolitifchen Verhältniſſe zwiſchen
Bern und Genf nicht zu verwundern ift. Musculus war mit unendlicher Geduld beforgt,
35 die Schärfe der Ge enfäße u mildern, und es ift zu einem großen Teil fein Verdienſt,
daß es zu feinem Bruch gefonmen ift.
Es iſt nicht richtig, daß ſich Musculus allmählih dem Iutheriihen Standpunfte ge
nähert habe. Er vertrat, zumal in feiner dogmatifchen Hauptichrift, den loci communes,
die reformierte Auffaflung ſowohl bezüglich der Prädeftinationslehre als auch des Abend-
so mahls (vgl. au de sacram. corpor. et sang. domen. Confessio, in welcher er
befennt: nulla est corporalis praesentia. Nec gratia mysterii huius ... . sacra-
mentali signo et usui alligari debet, sed libera et sola fide, sive extra sive
intra sacramenti usum a veris fidelibus pereipi). Doc ift nicht anzunehmen, daß
er auf die dem Consensus Tigurinus voraufgebenden Verhandlungen irgend einen
45 maßgebenden Einfluß ausgeübt hätte, dazu war die Stimmung in Bern anfänglich zu
fühl. Musculus, mochte er vielleiht auch in der Sache zugeltimmt haben, bielt * auf⸗
fallend zurück. Auch den lutheriſchen Tauf- und Abendmahlsritus verwarf er in einem
Briefe an Herbrott zu Laugingen vom 26. April 1554 ausdrücklich. Seine „Loci
comm.“ gleichen in formeller Hinſicht denjenigen Melanchthons und dem Bullinger Kom:
zo pendium. Hervorzuheben iſt, daß dem Foedus Dei bereits ein eigener Locus gewidmet
und daß der Locus de ministris verbi divini bejonders reichhaltig iſt. Seine wohl:
thuende Eigenart ift es, daß bei ihm die bl. Schrift in erfter, die Konfeſſion aber erft
in zweiter Linie jtand.
Über feinen theologifhen Unterricht fehrieb Haller unterm 27. uni 1549 folgendes:
55 „Musculus lift in novo Testamento ganz koſtlich und wol, mit einem folchen methodo,
das unmöglich, das einer nit bald überkömme commodissimam tractandarum scrip-
turarum rationem". Sem Einfluß auf das heranwachſende Theologengejchlecht war
demnady auch durchſchlagend.
Durch feine Schriften wurden die iſolierten Broteftanten in Polen und Ungarn auf
co ihn aufmerkſam, und es entſpann ſich ein jchriftlicher Verkehr, welcher die Schrift ver:
Muscnins, Wolfgang Mufit 685
anlapte: „Vom Auffgang des Wort Gottes unter den Chriften in Ungarn, die den
Türden unterivorffen”.
Einer Jugendneigung folgend verfaßte er lateinifche Epigramme, aber auch einige
deutiche Kirchenlieder (vgl. Ph. Wadernagel, R.:2. III 800-803; Eridfon, W. Mus-
culus, Monatfchrift für Gottesdienft u. kirchl. Kunſt, 1897 Nr. 8 mit Bild von Musc.). 6
Endlich jet noch erwähnt, daß von ihm ein eigentliches Predigergefchlecht in Bern
abjtammt. Seine 6 Söhne waren Prediger. Der befannteite von ihnen tft der fpätere
Dekan und Freund Bezas, Abr. Musculus (1534—1591), der am Geſpräch zu Mömpel-
gard teilnahm, befannt namentlich durd feinen Streit mit Samuel Huber (vgl. PRE ?,
Bd VIII E. 410). Ferner find zu nennen der Pietiſt Iſaak Muslin, der Weißgerber 10
(Blöjch II 45) und der lebte des Gejchlechts, der Münjterpfarrer Dan. Müslin geit. 1821.
(Bern. Tafchenbdh. 1853 ©. 271 ff. ©. Bern. Biogr. II ©. 196 ff.) Hadorn.
Muſik bei den Hebräern. — Litteratur: Eine Aufzählung von Hierher gehörigen Werfen
findet jih in Forkel, Allgem. Geſch. der Mufit I, 173—184. Verfchiedene ältere Arbeiten
jind gejammelt im Ugolini Thesaurus t.XXXII. Aus älterer Zeit vergleiche ferner: Prae-
torius, Syntagma musicae, 1614; Kircher, Musurgia, Rom 1650; Bonnet, Histoire de la
musique, Paris 1715; be la ®orde, Essay sur la musique ancienne et moderne, Paris 1780;
Burney, General history of music, London 1776; de la Molette bu Contant, Trait€ sur la
podsie et la mus. des Hebr., Paris 1781; Bartolocci, De Hebr. musica bibl. rabb. t. IV.
attei dissert., Pad. 1780, t. I. II. VI; Sonne, De mus. Jud., Hafn. 1724; Martini, 30
Storia della mus., Bologna 1781; ©. v. Til, Digt-sang-speel-konst söe de Ouden als by-
sonder der Hebr., Dvrtr. 1692; J. Lund, Zübifche Altertümer IV, 4. 5; D. Lundius, De
mus. Hebr. diss., Upf. 1707; Marpurg, Krit. Einl. in die Geſchichte der alten und neuen
Muſik, Berlin 1759; Neinhard, De instr. mus. Hebr., Vit. 1699; Wald, Hist. art. mus.,
Halle 1781; Harenberg, Comm. de re mus. vetust. in Misc., Lips. nov. IX, 218sqq.; Pfeiffer, 25
Muſik der alten Hebräer, Erlangen 1779; Herder, Geiſt der hebräifchen Boefie; Saalſchüz, Form
der hebr. Poejie, Königsberg 1825; Geſchichte und Würdigung der Mufit bei ben Hebräern,
Berlin 1829, Archäologie I, 272 ff.; Schneider, Bibl. gef. Darftellung der h. Muſik, Bonn
1834. — Bon neuerer Litieratur ift zu nennen: Ambros, Geſchichte der Muſik; Delitich, Phy-
fiologie und Mufit 1868; derjelbe, Bialmen*, 25 fj.; Ewald, Die Dihter des alten Bundes! 80
I, 209 ff.; Brown, Musical instruments and their Homes, New-York 1888; die betr. Ab:
jhnitte der Arhäologien von Jahn, de Wette, Keil, Benzinger, Nowad; Wellhaufen, Music
of the Ancient Hebrews, Appendix zu SBOT Psalms 1898; %. %. Cohen, Rise and De-
velopment of Synagogue Music in Anglo-Jewish Hist. Exhib. Papers 1888, 80—135. —
Die Artikel „Mufit” in: Wiener, Realmwörterb. II, 120 ff.; Schentel, BL IV, 256 ff.; Niehm, 86
Handwörterb. d. bibl. Altertt. 1029 ff; Encyclopaedia Biblica IIT, 3225 ff.; ®uthe, Bibel-
wörterbud). — Ueber die moderne arabiſche Mufit vgl. befonder® Lane, Manners and cu-
stoms etc., deutfch v. Benter III 187 fi.
Zu einem richtigen Verſtändnis der alten hebräifchen Muſik fehlt ung nicht weniger
als das mwichtigfte, nämlich die Kenntnis des Rythmus und der Melodie. Was erfteren 40
anbelangt, jo baben mir menigjtens poetische Texte in großer Anzahl, aus denen ſich
einiges über den Rythmus entnehmen läßt. Daß died aber wenig genug it und daß
das wenige noch der wünſchenswerten Sicherheit entbehrt, iſt in dem Artikel Dichtkunft
des näheren gezeigt. Für die Melodie aber fehlt es nicht nur ganz an jeder Firierung
einer folchen, fondern überhaupt an jeglicher Überlieferung über Art und Weife derfelben. #5
Wir find ganz darauf angemiefen zu unterfuchen, ob wir aus dem, was mir über die
bebräifchen Muſikinſtrumente willen, und etwa aus der heutigen Muſik im vorderen Orient
einige Rückſchlüſſe auf die hebrätfche Melodie bei Geſang und Inftrumentalmufif machen fönnen.
I. Die Mufifinftrumente. Über die hebräifchen Mufitinftrumente find mir ver:
hältnismäßig gut unterrichtet. Zwar fehlt ung fowohl eine Beichreibung derjelben ims
alten Teitament, als auch jegliche Abbildung eines folchen aus der Zeit der fanonifchen
Litteratur. Aber diefer Mangel wird aufgewogen durch fpätere Abbildungen von In—
ftrumenten auf jüdifchen Münzen, die nad) Madden (Coins of the Jews) der Zeit des
Aufftands gegen die Römer (66-70 n. Chr.) angehören. Hierzu Tommt noch die Ab-
bildung von Trompeten auf dein Titusbogen. Und nicht minder wertvoll find für unfere 55
Kenntnis der bebräifchen Inſtrumente die Abbildungen der ägyptiſchen reſp. babyloniſch⸗
afiyrifchen Denkmäler. Diefe zeigen in den Formen der Inftrumente hinreichend große Über:
einitimmung, daß ein Rückſchluß hieraus auf die Inſtrumente der Hebräer durchaus ge:
rechtfertigt erfcheint.
1. Saiteninftrumente. Unter den dreierlei Arten von Inſtrumenten, Die uns 80
im AT begegnen — Saiteninjtrumente, Blasinftrumente und Schlag: oder Schüttel:
inftrumente — ftehen die Saiteninftrumente an Bedeutung in der hebräifchen Muſik oben
—
5
=
586 Muſik
an. Ihre allgemeine Bezeichnung iſt Mr (Pſil, 1; 6,1; 51,1 u. ö.). Das „Spielen“
derſelben iſt #2 (1 Sam 16, 16f. 23; 18, 10; Jeſ 23, 16; Ez 33, 32; Pi 33, 3;
2 Kön 3, 15 7372 der Spielmann). In den Pſalmen iſt gewöhnlich "ST geſagt; dabei
ift aber nicht an reine Inſtrumentalmuſik gedacht, fondern an Gefang und Spiel zu:
5 fammen: 75223 "ET ift dem Sinne nab = Eingen zum Spiel des Kinnor (Pf 71,22;
144,920). Die Saiten, ©°7, beitanden aus Därmen (Schafbärmen, vgl. Odyſſee 21,408),
oder etwa auch aus gezwirnten Fäden oder Baſt. Tie bei den heutigen arabijchen In—
jtrumenten üblichen Metallfaiten fannte man nicht. Aus welchem Holz die Körper ge
wöhnlich gefertigt waren, hören wir nicht; daß 2 Sam 6, 5 Cypreſſenholz 52) ge
iv nannt iſt, beruht auf einem Textfehler: nach 1 Chr 13, 8 iſt O°T°9E zu leſen. Von
Salon wird als bejonderer Yurus berichtet, daß er Inſtrumente aus dem von Athiopien
fommenden Zandelbolz anfertigen ließ (1 Kg 10, 11f.; 2 Chr 9, 10).
Das Spielen der Saiteninjtrumente mar ein Rupfen und Zupfen, beziehungsieife
Schlagen der Saiten mit den Fingern. Streichinftrumente find weſentlich fpäteren Ur:
15 fprungs und im AT noch nicht befannt. Ob und in wie weit zum „Rühren“ der Saiten
außer den Fingern aud) ein Stab, Pleftrum, gebraucht wurde, wird weiter unten noch näher
zur Sprache fommen. Tie altägpptifchen Abbildungen zeigen ein folches fchon in früher
Zeit bei den Agyptern im Gebraud).
Im A. T., find zwei Arten nationalzigraelitifcher Saiteninftrumente genannt: kin-
»» nor und nebel; fremden Urfprunge tft die sabbkha (nur Dan 3, 5. 7. 10). Yeßteres
gilt auch für die gittith M5 (Pf 8, 1; 81, 1; 84, 1), wenn diefes Wort, mie mande
Erklärer meinen, eine befonvere Art des Kinnor, nämlich den „Gattitifchen”, aus der
Philiſterſtadt Gatt ftammenden, bezeichnet. Allein das iſt nur eine Vermutung, die durd
ger feine weiteren Gründe geftügt werden kann. Cbenfogut Tann das Wort mit =
>5 Kelter zufammenbängen (= Kelterlied), oder mit feinem von beiden.
Kinnor und nebel dagegen find ſehr häufig erwähnt, teild jedes für ich, teils
beide zufammen. Die LXX giebt 722 in der Negel mit xidapa (jo auch 1 Kor 14,7;
Apk 5, 8; 14, 2; 15, 2) oder xivvoa (fo auch 1 Mak 3, 45; 4, 54) wieder; danach
die aramäiſche Bezeichnung IA oder "MR (Da 3, 5. 7. 10); fünfmal ſteht dafür
ww waitnoıov (jo auch Sir 410, 21, wo aber vielleicht der nebel gemeint tft), einmal (Pi
137, 2) der allgemeinere Ausdrud Ögyavor. Luther überfegt „Harfe“. Das Wort ET
bleibt in LXX meiſt unüberjegt und erſcheint einfach transffribiert als vaßla, vaßkor,
yad/a, latein. nablium. In anderen Stellen ftebt dafür yadrıoıov (fo auch Sap. 19,17),
danach die aramätjche Bezeichnung TTS (Da 3, 5. 7. 10. 15). Einmal findet fih
35 für nebel der Name xidapa (Pj 81,3) und einmal die Bezeihnung doyavor (Am 6, 5).
Wan wird biernah fagen fünnen, daß die Überlieferung binfichtlich diefer Inſtrumente,
wie fie in der LXX vorliegt, feine ganz fichere ift, jonft wäre der Wechjel in den Namen
nicht möglich.
Was wir aus dem AT felbjt über Form und Charakter der beiden Inſtrumente
u erfabren, tft jehr werig. Aus dem Namen nebel hat man fchon vielfach fchließen wollen,
daß Diefes Inſtrument, beziehungsweiſe fein Refonangboden, eine baucdhartige Form gebabt
babe. Denn ?>2 bezeichnet ſonſt den Schlauch, in dem der Mein aufbewahrt wurde, be
ziebungtveife den Thonkrug. Auch das andere bat man fchon daraus Schließen wollen, daß
der Reſonanzkörper Diefes Inſtruments der Hauptfache nad durch eine tierische Membran
45 gebildet wurde (Enc. Bibl. a. a. O.). Allein die Etbymologie des Worts 223 ift une
ganz dunkel; es ift nicht ficher, daß der Name des Anftruments urfprünglich mit dem
anderen gleichlautenden Wort überhaupt ettvag zu thun bat. Erman u.a. Stellen >22 Harfe
mit dem ägyptiſchen nefer, der Bezeichnung der Yaute zufammen, was dann natürlich
für die Entlehnung des Inſtruments jelbit von den Agyptern ſprechen würde (Erman,
ww Aegypten, 313). Dies tft freilich ebenfalls unficher.
Was über den Gebrauch der beiden nftrumente dem AT zu entnehmen tft, wird
weiter unten zur Sprache fommen. Hier iſt von Intereſſe nur die Angabe, daß beide
Inſtrumente auch im Geben gefpielt werden fonnten (1 Sa 10, 5; 2 Sa 6, 5; 1 Chr
16, 285 2 Chr 20, 285 Jeſ 23, 16). Ste müſſen alfo verhältnismäßig Hein und leicht
> tragbar geweſen fein. Tas jchließt natürlich feinesivegs aus, daß dieſe Inftrumente ober
wenigſtens eines derjelben, die Harfe, auch in einer größeren Form, etiva den ägyptiſchen
jtebenden Harfen entſprechend, im Gebrauch war. Überhaupt müffen wir uns von vorn:
berein vor der Borftellung büten, als ob die Form der genannten beiden Inſtrumente
zu allen Zeiten diefelbe gewejen wäre. Es ift fogar recht gut möglich, daß die mit einem
vo gemeinfamen Samen bezeichnete Inſtrumente unter jich recht verfchiedene waren.
Mufit 587
Außerden hören wir noch, daß der Kinnor in alter Zeit mit der Hand gefpielt
wurde. Wenigſtens befommt man aus den Stellen 1 Sa 16, 16, 23; 18, 10; 19,9
zunächſt diefen Eindruck. Joſephus dagegen jagt, daß die Kinyra mit dem Pleftrum
geichlagen werde. Angefichts dieſes Zeugnifies, das alle Beachtung verdient, muß man
zugeben, daß die angeführten Stellen doch nicht mit voller Beftimnitheit den Gebrauch)
des Plektrums ausfchließen. Denn menn darin geſagt ift, daß David „mit feiner
Hand” den Kinnor fpielte, jo ift der Gegenfat dazu in den legtgenannten Stellen ber,
daß Saul in feiner Hand den Speer hält; und auch in den erjten beiden Stellen
muß der Ausdruck nicht fo gedeutet werden, daß er den Gebrauch des Pleftrums aus:
jchließen würde. Jedenfalls darf aus der Nichtermähnung des Pleftrums im AT nidt ı
ohne weiteres gefchloflen werden, daß es den Hebräern völlig unbefannt war. Es läßt
jih aber auch annehmen, daß dasjelbe Inftrument anfänglich mit der Hand und fpäter
mit dem Plektrum gefpielt wurde.
Jedenfalls in Beziehung auf die Zahl der Saiten der Inſtrumente ift eine Ver:
änderung im Lauf der Sahrbunderte nur natürlich. Es bat alfo gar nichts auf: 15
fallendes, wenn aud in diefem Punkt die Angaben des Joſephus und die des AT nicht
übereinjtimmen. Während erfterer (Ant. VII, 12,3) der Nabla zwölf Saiten giebt,
redet Bj 33,2; 144,9 von einem Nebel mit zehn Saiten. Nach Pf 92, 4 fcheint dies
jedoch nicht das gewöhnliche Inſtrument geweſen fein; leßteres hatte wohl weniger Saiten.
Tazu ftimmt, daß die Zahl der Saiten bei den auf jüdifhen Münzen abgebildeten zu
Inſtrumenten nur 3—5 beträgt (ſ. u.). Man darf alfo wohl annehmen, daß fich im
Zaufe der Zeit beide Inſtrumente nach der Richtung hin verbolllommneten, daß fie mehr
Saiten befamen — eine ganz naturgemäße Entwidelung, wie wir fie auch bei der griechifchen
Lyra und Kithara finden.
Ber diefen fpärlichen Angaben des AT find mir in der Hauptfache auf das an: 25
gewieſen, was die Tradition über die An der beiden Inſtrumente und fagt und was
mir aus den Abbildungen der ägyptifchen und babylonisch-afiyrichen Inſtrumente ent:
nehmen können. Was die erftere anlangt, jo können wir die ſpätjüdiſchen Angaben als
unzuverläffig bei feite laflen; fie find in Schilte haggibborim (in Ugolini, Thesaurus
XXXII) zufammengeftellt. 30
Die Kirchenväter (Hieronpmus zu Pſ' 33,2; Eufebius, Auguftinus u. a.) finden
interejlantereife den Unterjchied beider Inſtrumente in der verjchievenen Stellung des
Reſonanzkörpers. Der Kinnor bat nach ihnen feinen Refonanzboden unten ; er befteht in
einen keſſel⸗ oder paufenartig gewölbten hohlen Holzlörper, der die gewölbte Seite nad)
unten dreht. Das Pfalterium hat ald Nefonanz einen hohlen Holzkörper oben, der die 36
Saiten von oben ber gleichſam überdacht. Wir haben bier den grundlegenden Unter:
jchied zwiſchen den zwei Klafjen von Saiteninftrumenten angedeutet: bei der einen Alafje
find die Saiten horizontal und nebeneinander über den Echallboden ausgefpannt (Raute,
Guitarre 2c.); bei der anderen ſtehen die Saiten ſenkrecht (oder in einem ſpitzigen Winkel)
auf dem Refonanzboden auf und laufen von dieſem in vertifaler Richtung, übereinander x0
nicht nebeneinander angeordnet, zu dem am anderen Ende fie haltenden Arm (Harfe).
Ob dann beim Spiel der Refonangboden unten oder oben zu ſtehen kommt, ift nebenfächlich :
die ägyptiſchen Harfen, die ftebenden wie die tragbaren, haben ihn unten, die Abbildungen
babylonifcher und afigrifcher Harfen zeigen ihn oben (vgl. Abbildungen bei Niebm HWB,
S. 1047}. und 1049). Auf legtere würde alfo die Beichreibung der Kirchenväter zu: 45
treffen, wie auch die andere Bemerkung dazu ſtimmt (Euſeb., Htlarius), daß die Nabla
allein aufrecht ftehe. Wenn von anderen Kirchenvätern unter Berufung auf Hieronymus
dem Pfalterium (nabla) die dreiedige Form des griechiihen Delta zugefchrieben wird, fo
erinnert das allerdings mehr an die ägyptiſchen Winkelharfen; aber ein folches Instrument
fonnte leicht jo getragen werden, daß der Nefonanzboden oben war und entiprach dann 50
ganz der aſſyriſchen Harfe aus der Zeit Affurbanipals (f. u.). Es bat alfo alle Wahr—
fcheinlichkeit, daß bei den Kirchenvätern eine gefunde Tradition vorliegt, wenn auch zu ihrer
Zeit die a habe unter dem griechifehben und römijchen Einfluß manche Veränderung
mögen erfahren haben.
Die Angaben des Joſephus über die Zahl der Saiten der Inftrumente und über 55
den Gebrauch des Plektrums find Ichon erwähnt worden, ebenjo die in der LXX vor:
liegende Tradition. Diefelbe ift bauptfächlich infofern von Intereſſe, daß durch fie die
Identifikation des Kinnor mit der Yaute ausgefchloffen wird. Wenn die LXX Kinnor mit der
techifchen Bezeichnung xidaoa wiedergiebt, jo darf man wohl daraus fchliegen, daß der
Kinnor mit dem griechifchen Inſtrumente Diefes Namens einige Abnlichleit muß gehabt eo
Gi
—
—
688 Mufit
haben, was bei der Yaute nicht zutrifft. Andererfeits giebt, wie erwähnt, Die LXX den
Namen Nebel meiſt eifach umſchrieben wieder, findet alfo feines der griechiichen
Inſtrumente in diefem vAaßla wieder.
Tas giebt uns einen Fingerzeig für die Deutung der Abbildungen jüdifcher Mufil:
5 inftrumente, die wir, twie oben erwähnt, auf Münzen aus der Zeit des Aufitandes gegen
die Nömer haben. Abbildungen diefer Münzen vgl. bei Madden, Coins of the Jews,
Benzinger, Archäologie, S. 273; Riehm, HWB, ©. 1046. Die auf den Münzen ab:
gebildeten Inſtrumente fcheinen zwei Typen eines und desſelben Inſtrumentes zu zeigen.
Die einen gleichen der griechifchen Yyra, die anderen der Kithara. Bei den leßteren ift
10 der griechifche Einfluß namentlich in der yon des Reſonanzkörpers deutlich erkennbar.
Terjelbe zeigt ganz die Linien der griechifchen Vaſen, auf einzelnen Münzen ift die Form
eine fehr elegante. Bon dem hoben Rejonanzboden aus laufen zwei Arme aufivärts, eben:
falls in den Yinien der Vaſe gefchmweift, fo daß fie gleichfan den fich in ber Mitte ver:
engenden, oben wieder fich erweiternden Hals der Vaſe bilden. Die Saiten, 3, 5 oder 6
15 an der Zabl find unten an dein Nejonanzlörper, oben an einem die beiden Arme ver:
bindenden geraden Uuerftab befeitigt. Die andere der Lyra ähnliche Form des Inſtru⸗
mentes wird durch einen pauken- oder Feflelartigen Reſonanzboden charakterifiert. Der:
jelbe befindet fich unterhalb des ovalen Holzftüdes, an dem die unteren Enden der Saiten
befejtigt find. An Stelle der geſchweiften Arme treten hier gerade, ziemlich parallel:
%» laufende Stäbe, die auch bier oben durch einen Querſtab, der die Saiten hält, verbunden
werden. Auch bier wechjelt die Zahl der Seiten von drei bis ſechs. Wegen ihrer An:
lichkeit mit den griechiſchen Inſtrumenten hat man überhaupt bezweifelt, daß mir bier die
original⸗jüdiſchen Inſtrumente vor uns haben. Allein dagegen fann mit Necht geltend
gemacht werden, daß der jüdische Nationalſtolz es nie erlaubt haben würde, dieſe In—
25 ftrumente als Embleme auf jüdischen Münzen zu verwenden, wenn fie nicht den jüdiſchen,
im jüdiſchen Gottesdienft verivendeten Inſtrumenten im allgemeinen entfprochen bätten.
geibnil e Inſtrumente hätte man nie als Symbole der jüdischen Selbititändigfeit gebraudt.
ann aber fünnen wir darin nur Darftellungen des Kinnor fehen, nicht der Nabla ; denn
erfterer muß, wie oben erwähnt, einige Ahnlichkeit mit Der griechifchen Kithara gebabt
3 haben. Auch die Ausjagen der Kirchenväter über Form und Stellung des Refonan;:
bodens beim Kinnor treffen wenigſtens auf die lyraähnlichen Darſtellungen zu.
Nimmt man noch die weitere Angabe der Kirchenväter hinzu, daß dieſes Inſtrument
nicht gleich der griechiſchen Kithara in aufrechter Stellung -- wie ed auf den Münzen
dargeftellt ift — gefpielt wurde, jondern in wagrechter Richtung gehalten wurde, fo ſpringt
35 die prinzipielle Ahnlichkeit desjelben mit der uns ſonſt befannten altjemitifchen Lyra reip.
Kithara fofort in die Augen. Berühmt und oft reproduziert (vgl. 3. B. Erman, Ägypten
344; Riehm, HWB. ©. 54; Benzinger, Archäologie, S. 274) Hi die Darftellung in
einem Felſengrab der XII. Dynaſtie (um 2000 v. Ehr.), welche uns ſemitiſche Bebuinen
zeigt, die in Agyptern einwandern tollen und den äguptifchen Beamten um Cinlaß
40 bitten. Einer diefer Beduinen trägt unter dem linken Arm die jogenannte „ägyptiſche
Lyra”. Das ziemlich plumpe Inſtrument befteht im weſentlichen aus einem vieredigen
Brett, das nah dem Mapitab der Figur etwa einen Fuß breit und anderthalb Fuß lang
it. Aus dem oberen Teil des Brettes ift eine ziemlich quabratifche Offnung fo au
geſchnitten, daß nur noch ein fchmaler Rahmen übrig bleibt. Über das Brett und die
5 Oeffnung find der Yänge nad vom oberen bis zum unteren Rand acht Saiten einander
parallel geſpannt; einige andere laufen in ſchräger Richtung bierzu auf der unteren Häljte
des Brettes. Der Mann jpielt im Geben; er trägt das Inſtrument unter dem linken
Oberarın, aber nicht aufrechtitehbend, jondern auf der Längsfante liegend, mit dem
durchbrochenen Teil nah vorn und mit den Zaiten auf der rechten Seite. Non links
50 her greift er mit der linken Hand durch die Uffnung in die Saiten. Mit der rechten
Hand rührt er mitteljt eines Plektrums die Saiten da, wo fie über den als Refonanz-
boden dienenden unteren Teil des Brettes gelpannt find. Das Anftrument begegnet uns auch
fonft noch oft auf ägyptiſchen Abbildungen, und man darf wohl fagen, daß es im alten Agypten
im weiteſten Gebrauch war. Nach und nad, namentlich ſeit den Zeiten der 18.—20. Dynaſtie,
65 bat es feinere Formen angenommen; der obere Teil, der Rahmen, zeigt ftatt des einfachen
Vierecks verjchiedenfach geſchwungene Yinien, vgl. die Abbildungen bei Riehm HWB, ©. 1048;
Wellbaujen a. a. O. S. 229 Abb. dd, no.?. Der untere Teil, der den Reſonanzboden
bildet, urfprünglich wie erwähnt ein einfaches Brett, bat fih zu einem merkwürdigen
Schallfajten erweitert, wie die in dem Berliner Mufeum befindliche Lyra zeigt, vgl. die
co Abbildung bei Wellbaufen a. a. O. S. 231 Abb. 1,
Mufit 589
Das Inſtrument jcheint nicht ägyptiſchen Urfprungs geweſen zu fein. Jedenfalls
aber war es ſchon in älteiter Zeit im allgemeinen Gebrauch bei den jemitifchen Völkern
Weſtaſiens. Das zeigt nicht nur die oben erwähnte Abbildung, wo es als Inſtrument
ſemitiſcher Beduinen erjcheint, fordern vor allem auch jein Vorkommen auf aſſyriſch-baby⸗
lonifchen Dentmälern. In feiner einfacheren Form finden wir c8 wieder auf einer von 6
Rawlinſon reproduzierten Darftellung von drei femitiichen Gefangenen, die unter Be:
wachung eines aſſyriſchen Kriegers diefe Lyra Spielen. Wellbaufen meift (a. a. ©. 225)
mit Recht auf die Ahnlichkeit in Zeichnung und Tracht diefer Gefangenen mit den Dar-
jtellungen von Seraeliten auf dem Salmanaflarobelist und auf dem berühmten Sanherib:
relief (töraelitiiche Gefangene vor Sanberib im Lager von Lachiſch). Danach ericheint es 10
nicht als unmahrjcheinlich, daß auch Ddiefe Leierfpieler gefangene Seraeliten find. Das
Inſtrument gleicht ganz dem des femitifchen Beduinen, nur daß der Rahmen nad) oben
hin breiter wird. Es wird wie dieſes unter dem linfen Arın getragen und mit beiden
Händen geipielt; ob mit oder ohne Plektrum läßt ſich aus der Zeichnung nicht mehr
erſehen. Den feineren Formen der ägyptiſchen Lyra entipricht eine andere von Rawlinſon 15
wiedergegebene Abbildung (ſ. Wellhaufen a. a.D. S. 228 Fig. bb). Hier ift der Rahmen
der fünffaitigen Kithara im ziemlich phantaftiichen Formen gejchweift; der Querſtab
oben läuft in eine lange gejchweifte Spite aus. Die Abbildung eines aſſyriſchen Duartetts
bei Wellhaufen (a. a. O. ©. 232 Fig. qq) zeigt uns nebeneinander eine fünffaitige
Kithara mit fat geradem rechtwinfeligem Rahmen und eine fechsjaitige Kithara mit 20
geſchweiftem Rahmen. Bei letterer fünnen wir, da der Spieler von der linken Seite ge:
zeichnet ift, auch den unteren Teil, den Refonanzboden fehen, der ebenfallg aus einem
einfachen vieredigen Brett befteht.
Diefe vollftändige Übereinftunmung der ägyptiſchen und aſſyriſchen Darftellungen
namentlich auch in: den feineren und enttwidelteren Formen des Inſtruments ift deshalb 25
bejonders intereflant,. weil wir daraus erfehen fünnen, wie ein und dasſelbe Inſtrument
dieje bedeutenden Veränderungen in den Formen erleiden konnte. Da überdies, worauf
auh Wellhaufen a. a. D. aufmerkſam macht, Einzelheiten in der fpäteren Form des
Nabmend an die der griechischen Kithara erinnern, nur daß dieſe regelmäßiger ift, fo
liegt um fo weniger Grund vor, die auf den jüdifchen Münzen gegebenen Abbildungen so
anzugtoeijein. Die althebrätichen Inſtrumente mögen fehr wahrſcheinlich einfachere Formen
gebabt haben, fie werden in ältefter Zeit den einfachiten ägyptiichen und affyrifchen In—
firumenten geglichen haben. Ebenfo ficher aber find in der griechifchen Zeit nicht mehr
diefe rohen Inſtrumente im Gebrauch geweſen, fondern feinere, mehr oder meniger nad
der Mode, d. h. nach griechifchem Geſchmack umgeformte. Alles aber, was mir aus dem 35
AT und fonit über den Kinnor erfahren, paßt auf diefes Inftrument, namentlih aud
ſehen wir, daß es mit oder ohne Plektrum gefpielt werden Tonnte.
Mas die Nabla anlangt, find wir ganz auf den Vergleich mit den ägpptifchen und
babylonifchen Inſtrumenten angemwiefen. Tie einzige wertvolle Angabe, die wir fonft
baben, über die Stellung des Reſonanzkörpers paßt nur auf ein Inſtrument der Harfen- 40
Hafie. Auch die Harfe ift jeit uralter Zeit in Norderafien und in Agypten in Gebraud.
Die ältefte aller Abbildungen von Saiteninjtrumenten, ein Stein aus Tellob in Süd—
babylonien, jtellt eine Harfe dar, ein ſenkrecht ſtehendes Anftrument, mit einen faften-
artigen Refonanzboden, auf dem ſich ein plumpes Rahmengeftell erhebt; die Saiten,
11 an der Zahl, laufen vom Reſonanzboden ziemlich ſenkrecht, doch etwas Divergierend, 45
zum oberen Querbalken. Das ganze Inftrument ift zienlich groß, etwa von drei Vierteln
Manneshöhe, und bat robe Verzierungen. Vgl. die Abbildung bei Wellbaufen a. a. O.
S. 224 Fig. r. Handlicher iſt die auf einem Siegelcylinder abgebildete babyloniſche Harfe,
welche jenkrecht getragen wird (vgl. Abbildung bei Mellhaufen a. a. D. ©. 227 Fig. w
und Enc. Bibi. ©. 3237) und die uns häufiger begegnende ebenfallg fenkrecht getragene vo
afiyriiche Harfe (vgl. Abbildung bei Mellbaufen a. a.D. ©. 226 Fig. v.; Niehm, HWB,
©. 1049; Benzinger, Archäol. S. 275). Beide Inſtrumente zeigen die charakteriftischen
Merkmale aller Harfen: die Saiten find nicht quer über einen Reſonanzboden gefpannt,
fondern laufen ganz frei von Stab zu Stab; der Rahmen, in den fie eingeipannt find,
ift nicht auf allen vier Seiten gefchloffen (mie bei der Kithara), fondern auf einer Seite 55
offen; das Inſtrument wird beim Spielen fenfrecht gebalten. Im einzelnen bejtehen
beide Inſtrumente aus einem vertifalen Stab und einem von dejlen Ende nah oben
laufenden gebogenen Holzkörper (falfch find die Abbildungen der afjyrifchen Harfe bei
Riehm u. a., welche den leßteren gerade laufend zeichnen). Zwiſchen beiden Stäben als die
Sehnen des Winkels find die Saiten gejpannt. Die erwähnte babylonische Harfe wird jo ge: 60
590 Muſik
tragen, daß die offene Seite nach innen, dem Spieler zu liegt; bei der aſſyriſchen Harfe liegt
der nach oben laufende Pfoſten von Holz an der Bruſt des Spielenden. Um den unteren
Stab ſind die Saiten feſt gewickelt und hängen noch ein gutes Stück herunter; das nach oben
laufende Holz zeigt bei der aſſyriſchen Harfe die Vorrichtungen (Wirbel) zum Stimmen ganz
5 deutlich. Intereſſant iſt vor allem zu beobachten, wie aus dem einfachen Stab der alten
babvlonifchen Harfe bei der aſſyriſchen Harfe ein breiter Nefonanzlörper geworden iſt,
der die Saiten ſchildförmig überdacht. Dazu jtimmt vor allem die Angabe der Kirden:
väter, daß bei der Nabla der Reſonanzkörper oben geweſen fer (ſ. o.). Eben dies bildet
einen Hauptunteriſchied zwifchen der afjurifchen und der ägyptifchen Harfe, welch' letztere
iv den Nefonanzboden unten bat (ſ. u.).
Zu erwähnen tft noch, daß die aſſyriſchen Abbildungen auch eine Harfe zeigen, welche
borizontal getragen wird. Auch bier find die Saiten (nur neun) ald Sehnen zwifcen
zwei einen jenfrechten Winkel bildenden Hölzern eingefpannt. Die offene Seite des In:
jtruments liegt dem Spieler zu; das breitere als Rejonanzkörper dienende Holz, das auf
15 der linken Zeite dee Spielers liegt, ijt bier cbenfalld gerade. Das Inſtrument wird
feiner Lage entjprechend nicht mit den Händen gejpielt, ſondern die Saiten erden mit
einem langen Plektrum gejchlagen. Mit diefem Inſtrument ift nicht zu verwechſeln das
unten zu erwähnende aſſyriſche „Pſalterium“. Abbildungen diejer liegenden aſſyriſchen
Harfe ſ. bei Mellbaujen a. a. U. 227 Fig. x.
0 Die ägyptiſche Harfe zeigt eine große Mannigfaltigleit in den Formen (vgl. Erman,
Aavpten <. 342). Im alten Reich finden wir nur die großen Harfen. Die eine Größe
wurde figend reſp. knieend gefpielt; der SHolzbogen der Harfe ruhte an der Schulter des
Spielenden. Dieje mittelgroße Harfe batte 6 oder 7 Saiten. Die ganz große Harfe,
die bis zu 20 Saiten batte, war jo groß oder noch größer als ein Mann. Der Spieler
s jtand beim Spielen; aud die Harfe ſtand auf einem Ende des Holzbogens. Deutlich
zeigen dieſe Harfen alle die urfprüngliche ‚Korm Des Inſtruments: ein großer Bogen, bei
dem Die Saiten die Stelle der Sehne vertreten. Wie bei der babyloniſch-aſſyriſchen bat
jih aud bier bei der ägpptifchen Harfe im Yauf der Entividelung der einfache Bogenitab
verbreitert zu einem Reſonanzboden und ift teilmeife zu einem kiſtenförmigen Hohlkörper
0 geworden. Dieſer legtere befindet ſich jedoch im Unterfchied von der affpriichen Harte
unten und dient zugleich als Fuß, auf dem die Harfe jteht. Die Wirbel zum Anipannen,
d. h. Stimmen der Saiten find oben. (Abbildungen |. bet Riehm HWB 104.)
Im neuen Reich kommen dazu die verfchiedenen kleinen tragbaren Harfen. Zum
Teil baben diefelben ebenfalls die Form eines ſtark gehrümmten Bogens; andere find den
afinrtichen gleichend winfelförmig. Bald baben fie einen Nefonanzboden, bald nicht. Wie die
afiprtiiche Harfe werden alle dieſe vor der Bruft getragen. Abb. ſ. bei Wellbanjen a. a. O. 320
ig. ff, gg, hh. Cine dritte Gattung endlich wird merkwürdigerweiſe beim Spielen auf der
Schulter getragen (1. Abb. bei MWellbaufen a. a. ©. 229 Sig. dd). Diefe Harfen feben
auf den criten Anblid mehr einer Yaute äbnlid. Der Nejonanzboden iſt bei einzelnen
ganz mie der einer Yaute geformt, keſſelförmig gemwölbt mit der Wölbung nach unten.
Allein Der Zaitenbalter verläuft nicht gerade in einer Richtung mit den Dedel des Re:
ſonanzbodens wie bei Der Yaute, jo daß die Zaiten auf legterem und auf dem Saiten:
balter nebeneinander aufliegen. Vielmehr iſt der Stil Des Nefonanzlörpers bogenfürmig
geichweift, fo Daß auch bier Die Bogengeltalt des Ganzen unvertennbar ij. Die Saiten
3, aber find nicht nebeneinander fondern wie bei allen Harfen übereinander vom Dedel des
Meionanzbodens zum Ende des Stils geipannt. Als Mittelding zwiſchen Harfe und Laute
Ind dieſe Inſtrumente non befonderem Intereſſe. Die zablreihen Abbildungen aber, bie
wir von den verichiedenen Harfen haben, zeigen, Daß Diefes Inſtrument bei den alten
Agpptern ſehr belicht mar.
„ Tasielbe gilt aber auch von der Yaute, und jo manches Die eben ung der bebräi-
ichen nabla und der Harſe, namentlich der aſſyriſchen Form derfelben, für fich Bat, je
it Doc nicht ohne meitered ausgeichlojien, Daß die Hebräer auch die Laute fannten, und
Pic vielfach vertuchte Glei der nabla mit der Yaute kann bei dem wenigen Sichern,
was mir millen, nicht von gar getviefen werden. Es tft ſchon erwähnt morben,
dak ih die Verteidiger dieſer Anſicht auf die Bedeutung des bebräifchen Wortes 2:
— Schlauch berufen. its wird dagegen das Wort aus dem ägpptifchen nfr, der
Bezeichnung für Laute, abgeleitet und die Uebernahme des Worts würde natürlich die
der Sache. Der nat, vorausſetzen. Seinem Urjprung nah ift das Initrument
genum aamptiich (. Gun, pten 3437). Es findet fih aber auch bei den femitifchen
„ Npilern, ndentalls bei SUR ern ſchon frühe, und zwar in mejentlich derſelben Form.
12
Par)
»
Muſik 591
Der hohle Körper (Reſonanz) iſt länglich oval, nah unten mehr oder weniger aus:
gebaudt. Ein für unfere Anſchauung unverbältnismäßig langer gerader Stil dient ale
Saitenbalter. Die wenigen (1--3) Saiten des nftruments laufen auf diefen Stab
nebeneinander ; die aflurifche Yaute zeigt uns die drei Saiten am Ende des tabs noch
lange berunterhängend. Den Körper des Inſtruments bält der Spieler unter dem rechten s
Oberarm. Mit der rechten Hand werden die Saiten gleich oberhalb des Körpers in
Schwingung verjegt, die linfe Hand greift ganz wie bei unferen Geigeninftrumenten um
Das obere Ende des Haljes und giebt den jchwingenden Saiten durch Niederdrüden
verfchiedene Yänge. Andere ägyptiſche Abbildungen zeigen Yauten mit wejentlich fürzerem
Stil. Hier und da bedient ſich der ägyptiiche Spieler auch eines Plektrums. Die In—
ftrumente werden auch im Gehen und beim Tanz im Tanzjchritt gefpielt. Das Inſtru—
ment lebt bi8 auf den heutigen Tag in ganz derjelben Form fort in dem modernen “üd
der Araber (mit dem Artikel al-üd — portugiefiih alaüde, mittelbochdeutich Tüte). In
Eprien und Agyypten gilt diefe Yaute als das edelfte Saiteninftrument; es iſt von den
arabifchen Dichtern hoch gepriefen und von den beiten arabifchen Muſikern viele Jahr: 15
bunderte lang faſt ausfchließlich gebraucht worden. Das nftrument hat einen ſehr kurzen
Hals und fieben Doppelfaiten. Es wird mit einem Plektrum gejpielt; als ſolches dient
ein Stüdcben von einer Geierfeder (vgl. Yane, Sitten u. Gebr. II, 193f.).
Es ift fchwerlih anzunehmen, daß dieſes uralte Inſtrument den Hebräern ſollte ganz
unbelannt geivefen fein. Da wir außer kinnor und nebel feine weitere Bezeichnung =
für ein drittes Saiteninftrument haben, jo legt fih die Annahme nabe, daß auch die
Zaute unter einer diefer Bezeichnungen, aljo wohl unter dem Namen nebel mit be:
faßt wurde.
Noch ein viertes Saiteninftrunent war den alten Semiten befannt und fommt auch
0
[_ 7)
pat einen niedrigen, ztemlich flachen, ein wenig konkav gewölbten Kaften als Refonanz:
örper. Über ihm find parallel nebeneinander zehn Saiten gejpannt, deren Enden an
Alle diefe genannten drei Inſtrumente find jchon mit den bebräifchen Namen Kinnor
und Nebel identifiziert worden. Keines läßt fih mit Sicherheit oder auch nur Wahr:
ie ald den Hebräern unbefannt ausjchließen. Aber noch weniger läßt fich mit
immtbheit ein einzelnes derjelben als Stinnor oder Nebel bezeichnen. b5
Noch ein anderes Saiteninftrument außer den genannten wird im AT erwähnt, die
sabbekha (N320 Da 3, 5. 7. 10. 15). Diefelbe iſt fein jüdiiches, fondern ein aus
ländifches Inftrument und begegnet uns fonjt nirgends im AT. Name und Sadıe find aus
dem Orient zu den Griechen und Römern gekommen. Mit der oaußöxrn (oder odußvE)
durchzogen orientalifche Bublerinnen, die man eben nach ibrem \njtrument ale Sam- ado
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Mufit 593
bei den Saiteninftrumenten der Schwierigkeit, daß wir eine größere Anzahl verjchiedener
Formen jolder Inſtrumente fernen, ale uns Namen überliefert find.
Non Flötenartigen Anftrumenten treffen wir auf den ägyptiſchen Abbildungen
zunächſt Die einfache Yangflöte aus Holz oder Hohr. Sowohl die Yänge derjelben als
auch Die Zahl der Löcher wechjelt ſehr. Daneben finden ſich die Querflöten, die gleich 5
unjern modernen Flöten mitteljt eines am oberen Ende auf der Seite angebrachten
Loches geblajen werden. Sehr beliebt find im neuen Reich (ca. 1600950 v. Chr.) die
Doppelflöten, zwei Flöten, die am Mundſtück miteinander verbunden ſind, nach unten
auseinanderlaufen ; jede Hand fpielt eine der Flöten, die natürlich nicht viele Löcher haben.
Ebenfoldie Doppelflöten begegnen uns auf affuriichen Abbildungen 3.8. aus der Beit ın
Allurbanipals (668- -626 v. Ebr.). Hier ericheinen fie etwas kürzer und weiter ale die
ägbptiichen. Als jpezifiich ſyriſch wird die fleine fpannenlange Flöte genannt, die fcharf
und Häglich Klang und bei der Adonisklage geblafen wurde; bei den Athenern wurde fie
allerdings auch bei Trinkgelagen verwendet (Athen. IV 174f.). Über die fonftigen ver:
jhiedenen Arten der in Griechenland befannten und gebrauchten Flöten |. Ambros, 15
Geſch. d. Muſik, S. 476ff. Die modernen orientaliſchen Flöten variieren ebenfalls in
der Länge; meiſt haben fie 6- 7 Löcher. Sie find aus Rohr. Sehr beliebt ſind auch
jeßt noch Die Doppelflöten; im Unterfchied von den alten Doppelflöten jind aber jeßt
beide Fiöten ihrer ganzen Länge nad zuſammengebunden. Abbildungen der verſchie⸗
denen ügbptifchen und aſſyriſchen Flöten ſ. bei Wellbaufen a. a. O. 219; Enneyel. 20
Biblica III, s.v. music; Wilfinfon II, 307 ff.; über die modernen Flöten vgl. Niebubr,
Reifen I, 180.
Rermutlic waren auch bei den, alten Hebräern verjchiedene Formen diefer Flöten
im Gebrauch und die Bezeichnung >75 dürfte mebrere Arten umfaſſen. Für Die
einzelnen Arten mögen dann immerbin noch bejondere Bezeichnungen im Gebrauch ges 25
weſen jein.
„a vöglihertueii bezeichnet auch 37 eine jolde Flötenart (Gen 4, 21, Hi 21, 12;
Pſ 150, 1). Nadı der Tradition wäre allerdings darunter Die Sadpfeife
— br Tupelfad zu verſtehen (Schilte haggiborim u. a.). Die Befchreibung des
Inſtruments paßt recht gut auf Die beute noch in Agypten, Arabien und Italien ge: 30
bräuchliche Form der Sadpfeife: in einen Yederfad find zwei Pfeifen gejtedt; die eine,
obere dient zum Hineinblaſen, die andere, unten oder ſeitwärts jtehende, wird mit den
Fingern geipielt und bat dazu mehrere Yöcher (vgl. Abb. b. Niebubr, Neifen, Taf. 28). Der
Ton diefer Pfeife bat wie der des heutigen ſchottiſchen Dubeljads etwas Schrilles. Das:
felbe Inftrument ift vielleicht auch Da 3, 5ff. mit dem Ausdruck RED oder NYERTT 35
(von dem griechifchen svupwria) gemeint ; Ießterer Name bat ſich im Spanischen und
Italieniſchen (sambogna) für dieſe pjfeife erhalten. Nach Athenäus (X 139) ſoll
Antiochus Epiphanes zuweilen zum Schall dieſes Inſtruments getanzt haben. Immerhin
ift gegenüber diefer Tradition daran zu erinnern, daß wir weder bei den Aſ yrern
noch bei den Ägyptern Abbildungen dieſes Initruments baben, was die ganze Deutung 40
etwas zweifelhaft macht.
Mit demſelben Recht jedenfalls könnte man auch an die ſogenannte Panspfeife
denken, die Spring der Griechen. Mit dieſem Ausdrud überfegt LXX_ den nur einmal
bei Daniel (3,5) vorkommenden Ausdrud Ya: Die Spring beitcht aus mehreren
(gewöhnlich 7-9) aneinander gereibten Rohrpfeifen von verſchiedener Länge und Dicke 45
und dementſprechend verſchiedenem Ton. Man findet dieſelbe heute im Orient, namentlich
bei den Hirten, häufig im Gebrauch (vgl. z. B. Niebuhr, Reiſen, I 184). Allein wie
alt dieſes Inſtrument tft, und ob ſchon Die alten Hebrärr es gelannt haben, fünnen wir
gar nicht fagen.
Erwähnt jet noch, daß der Talmud ein weiteres Blasinjtrument, Die Ainborgel, oo
MEI, fennt, das im berobianifchen Tempel gejtanden baben joll (Erach. 10, 2 Schilte
haggib. p. 12 ff). Das Inftrument ſoll eine Windlade mit 10 Deffnungen gehabt
baben. \n jeder jtedte eine Pfeife mit 10 Yöchern, jo daß die Orgel alfo 100 ver:
Ichiedene Töne jpielen fonnte. Die Blasbälge ſeien aus Elepbantenbaut geweſen. Eine
Hare Vorſtellung von diefem Inſtrument gewinnt man aber nicht; denn die Bejchreibung 55
ift zu unbeſtimmt und vielfach widerfpruchevoll. So wird 4.2. geſagt, die Orgel ſei ſo
klein geweſen, daß ein Levit ſie habe tragen und zum Gebrauch jedesmal auf ihren Pla
zwiſchen Altar und Vorhof habe ſtellen können. Andererſeits foll ihr Ton homteräbnlic
eweſen jein, fo daß man bei ihrem Schall fein eigenes Wort nicht verftanden habe und
ihren Ton bis über den Olberg binaus gebört babe. Wie viel davon auf der über: co
Keal»Encyflopädle für Theologie und Kirche. 3. A. XI. 38
=
691 Mufit
treibenden Phantaſie der Talmudiſten beruht, und welcher Art eigentlich diefes Injtrument
war, mag bier auf fich beruhen.
3. Die Schlag: und Edhüttelinftrumente. Eine weit größere Rolle als
bei uns spielen beim alten hebräischen mie im modernen orientalijhen Orchefter und Ge
5 fang die Schlaginftrumente, die zur Hervorhebung des Rythmus dienen. Wird doch noch
beute der Gefang ſehr vielfach nach alter primitiver Weife in Ermangelung von Wuftl
inftrumenten mit Händeklatſchen begleitet.
Das gebräuchlichite Inſtrument diefer Art war die Handtrommel, Tamburin en
arab. duff, daber ſpaniſch aduffa; LXX ruunavov. Gen 31,27; Er 15,20; Ri
1011,34: 1&a 10,5; 18,6; 26a 6,5; 1Chr 13,8; Pj68,26; 81,3; 149,3;
150,4; 9:21,12; Jeſ 5, 12; 24,8; 30, 32; Ser 31,4; Jud 3,8; 16,12; 1 Mat
9,39). Meift find es auf den altägpptifchen und aflgriihen Abbildungen rauen,
welche die Handtrommel Schlagen, insbefondere beim Tanzen; Abbildungen |. bei Wilkinfon
II, 240. 254; Wellhaufen a.a. D. 232; Encyel. Bibl. s.v. music. Meiſt find fie
15 rund, ein bölzerner oder metallener Reif, der mit einem Fell überjpannt if. Seltener
find fie vieredig. Ste werden in der einen Hand gehalten und mit den Fingern der
andern gefchlagen. Die heute im Orient üblichen haben an dem Reif dünne Metall:
plättchen, die beim Schütteln flingen; auch find über dem Fell eine vder zwei Saiten
gefpannt. Das mag wohl au in alter Zeit ſchon jo geweſen fein. Auch nody andere den
20 unjrigen ähnlichere Trommeln zeigen die ägyptiſchen und aſſyriſchen Abbildungen; in dem
mehrfach erwähnten Zug von aflyrifchen Muiifern jeben wir einen Trommler, der feine
runde Trommel an einem Band vor ih trägt und fie mit beiden Händen jchlägt.
Eine ägpptifche Trommel (Wilfinfon II, ©. 240) gleicht einen mit einer Haut über:
ſpannten baudigen Topf.
26 Die Cymbeln EER, DE, xvußada , 2 Sa 6,5; 1 Chr 13,8; 15,19;
16, 5. 42, Est 5, 12) werden von Sofephus (Ant. VII, 12, 3) bejchrieben als zwei große
breite Bronzeplatten (nAdrea xal ueyala xydixeca), die mit den beiden Händen gehalten
und gegeneinander geichlagen wurden. Sie dienten als Taktinftrument im Orchefter; nad
der Chronik (1 Chr 25, 1. 6; 2 Ehr 5, 12) gaben die drei Mufilmeifter Davids mit hell⸗
30 Elingenden ehernen Cymbeln den Takt an. Auch bei den Agyptern und Afiyrern feblten
die Cymbeln nit. Wir finden auf afigriichen Abbildungen glodenartig geformte Cymbeln
mit Griff, die von oben nah unten aufeinander gejchlagen wurden, und flache teller:
artige ebenfalls mit Griff, die jenkrecht gehalten und von der Seite her zufammengejchlagen
wurden. Abbildungen |. bei Wellhauſen a. a. DO. 234.
26 Gaftagnetten find beute im Orient ſehr beliebt und dürfen beim Tanz nict
fehlen. Es find Heine Plättchen bon Metall, Bein oder Holz, welche anı Daumen und
Mittelfinger angebracht find und zufammengefchlagen werden (vgl. 3.3. Niebuhr, Reifen,
I, 181, Tafel 27; Wellhaufen a. a. ©. 234). Man wird kaum fehlgeben, wenn. man
annimmt, daß auch die alten Hebräer folhe fannten. Ob aber der Ausdrud FF WEIL
40 (Bj 150, 5) diefelben im Unterfchted von den großen Cymbeln bezeichnet, wie mande
meinen, it ganz unjicher.
An Siſtren dürfen wir vielleicht bei dem 27373 genannten Inſtrument (2 Sa
6, 5) denfen, wenigſtens gebt dahin die in der Vulgata und bei den Rabbinern erhaltene
Tradition. In Agypten waren die Sijtren bejonders im Iſisdienſt im Gebraud), um
s5 den Typhon zu verfcheuchen, und dann auch ſonſt im Gottesdienft, um die Aufmerkſamkeit
des Volkes auf gewiſſe gottesdienftlihe Handlungen zu richten (Plut. Is. 63; Juv.
13, 93ff.; Wilfinfon I, 260; II, 323). Nach den Abbildungen beftand das Inſtrument
aus einem breiten ovalen Metallrahınen, durch welchen eiferne Querſtangen liefen. Anz
legteren bingen lojfe eine Anzabl metallener Ringe in langer Stil, auf dem der
50 Rahmen jap, diente zum Schütteln. Abbildungen ſ. bei Niebm HWB 1054. Ob die
hebräiſchen Siftren ebenfo geformt waren, wiſſen wir gar nicht.
Noch ift ein Inftrumentenname anzuführen, der nicht mit Sicherheit zu erllären tft:
die ED (1 Sa 18, 6), die neben der Handtrommel genannt werden. Nach der Tra:
dition der LXX und Peſchitto find cs eine Art Cymbeln. Dem Namen nad muß das
65 Inſtrument etwas mit der Dreizabl zu tbun gehabt haben. Man bat desbalb vielfach
an Triangeln gedacht, Die mit Stäbchen gefchlagen wurden, oder — da Hieronymus
darunter Siſtren verfteht --- an Triangeln, die mit lofen Ringen behangen waren
und gejchüttelt wurden. Wieder andere denken an dag griechifche Trigonon, das aus
—5 ſtammte, eine Art dreieckiger Harfe (ſ. oben). Etwas beſtimmtes iſt nicht aus—
co zumachen.
Mufit 695
Was den Gebraud aller diefer Inſtrumente anlangt, fo nehmen die Inſtrumente
der Trompetentlafje eine Stellung für Jich ein. Beides, Horn und Trompete, find mie
erwähnt feine mufilalifchen Instrumente im eigentlichen Sinn des Wortes. Sie dienen
nicht zur Begleitung einer Melodie beim Gejang oder können im UOrchefter eine jolche
jpielen. Sie fommen, wenn der Ausdrud erlaubt ift, nur als Lärminftrument in Be: 5
tracht und dienen zur Erzielung eines lauten Schalls. In alter Zeit wurden fie immer
und aud jpäter meiſtens für fich allein geblaſen, jeltener und nur in fpäterer Zeit
finden wir fie im Orcheſter zufammen mit anderen Inſtrumenten, jo 3.8. bei feitlichen
Gelegenheiten zur Verſtärkung des Jubelgefchreis des Volkes (1 Chr 15, 28; 2 Chr 15,14;
Pi 98, 6; 150,3). Das Horn wird vorzugsweiſe zu profanen Zwecken gebraudht. Zu
Signalen des Wächters (Ser 6, 1. 17; He. 33, 3ff.; Ho 8, 1; Am 3,6; Neh 4, 18ff.);
zu Signalen im Krieg beim Sammeln, beim Angriff u. dgl. (Ri 3,27; 6,34; 7,16;
1 ©Sa 13, 3f.; 2 Sa 2,28; 18,16; 20,1; 9:39,25; Jeſ 18,3; 27,13; Jer 4,5;
Am 2,2; Sad) 9, 14); auch bei der Thronbefteigung des Königs (2 Sa 15,10; 1 Kg
1, 34ff.; 2 Kg 9, 13; BI 47, 6). 15
Auch im alten Kultus ift e8 zu ſolchen Ziveden gebraucht worden und fein Gebrauch
bat ſich zu allen Zeiten erhalten: die Annäherung der Bundeslade wird mit Hörner:
blajen verfündigt (2 Sa 6, 15); die Feier des Neumondes des 7. Monats und des
Jobeljahrs wird mit Hörnerblajen eingeleitet, legtere® bat daher jogar feinen Namen _
(xe 23,24; Nu 29,1; vol. Pf 81,4; M. Rosch haschanah 3,3; Le 25, 9; vgl. 20
d. X. Jobeljahr Bo IX, 550; fonft vgl. für gottesdienftlichen Gebrauch auch noch Stellen
wie 2 Sa 6, 15; 1 Chr 15,28; 2 Chr 15, 14; Pf 84,4; 98, 6; 150, 3).
Sonſt erjcheint die Trompete als das eigentliche heilige Inftrument, welches wenigſtens
in jpäterer Zeit faft ausfchlieglih im Kultus verwendet wird. Urfprünglich war das
natürlich nicht jo, die Trompete diente fo gut tyie das Horn profanen Zwecken; Ho 5,825
werden mit ihr Kriegsfignale gegeben, und 2 Kg 11, 14 und 2 Chr 23, 13 find es eben-
falle Yaien, die das Inſtrument blafen. Sonſt aber erfcheint es allerdings immer als
Inſtrument der Prieſter, und zur Zeit des zweiten Tempels fcheint es ausſchließlich zu
gottesdienftlichen Zwecken gedient zu haben. Nach der Tradition machte Mofe zwei
Silbertronpeten, mit welchen die Prieiter der Gemeinde auf dem Wüſtenzug das Signal so
zum Aufbruch, zum Angriff 2c. gaben. Bor allem werden ferner die Feſte und Neu:
monde mit Trompetenblajen eingeleitet und ihre Opfer vom Zrompetenjcal begleitet
Mu 10, 2ff.; 31, 6ff.). Nah 2 Ehr 5, 12 wurde von Salomo ein Bläſerkorps von
120 Prieftern für den Tempel eingerichtet. Nach dem Talmud wurde im zweiten Tentpel
die Darbringung des Trankopfers von zwei Prieſtern mit Trompetenftößen begleitet. 35
Menn trogdem Horn und Trompete mit anderen Inſtrumenten zujammen geblafen
werden, jo dienen fie aud hier nur dazu, den Schall der lärmenden Muſik zu ver:
ftärfen und etwa auch den Rhythmus hervorzuheben und wir fehen daraus, wie im
ah zu unferer Muſik die Melodie in ſolchem Fall eine ganz untergeordnete Rolle
pielte. 40
Das Gejagte gilt auch von der Verwendung der Schüttel- und Schlaginftrumente,
die natürlich ebenfall® mit der Melodie beim Gefang oder Urcheiterjpiel nicht3 zu thun
baben, wohl aber bejonders beliebt find zur Serborbebung des Rythmus. Tamburins
und Zymbeln haben deshalb vor allem ihren Platz beim Tanz, mag derjelbe von
ſonſtiger Mufif und Gejang begleitet fein oder nit (Er 15,20; Ri 11, 34; 1 Sa 46
18, 6; Jer 31,4; Pſ 149,3; 150,4). Aber auch ſonſt liebt man fie beim Gefang,
allerdingd nur beim froben Felt, nicht beim Stlagegefang, wie leicht begreiflich iſt
(Gen 31,27; Pſ 81,3; Jeſ 5,12; 1 Mak 9, 39). Auffallendermeife find die Tam—
burind bei der Anordnung der Tempelmufif (1 Chr 25, 6; 2 Chr 5, 12) nicht ertwähnt,
obwohl man fie neben den Cymbeln erwarten follte Sie waren alſo offenbar im oo
zeiten Tempel nicht im Gebrauch. An ihre Stelle traten zum Markieren des Taftes
ter die Cymbeln. Sonſt aber waren fie keineswegs aus der vollstümlichen veligiöfen
uſik ausgeichloffen (Er 15,20; Pſ 81,2; 149, 3; 150, 4).
Eigentlihe Mufitinftrumente, auf welden mehrere Töne, alfo Melodien gefpielt
werden konnten, waren nur die Saiteninjtrumente und die Flöten. Ihre allgemeine 55
eichnung ala "5 = „Gefangsinftrunente” (Am 6,5; Neb 12,36; 1 Chr 16, 12;
2 Chr 5,13; 7,6; 34, 12) zeigt, daß fie urfprünglid vor allem zur Begleitung des
Gefangs verivendet wurden, und das iſt auch zu allen Zeiten die Hauptaufgabe diefer
—— — geblieben. Dabei finden ſich in der Verwendung der einzelnen In⸗
mente bemerkenswerte Unterſchiede. co
38
0
596 Mufit
Die Saiteninftrumente Nebel und Kinnor werden nur zu fröblier Muſik gefpielt,
nie in der Trauer zum Nlagegefang. Für die Trauer ift charakteriftiih, dap Nebel
und Kinnor veritummen; fie werden „an die Weiden gebängt“ (Jeſ 14, 11; 24,8;
Thren 5, 14; Heſ 26, 13; H130, 31; Pſ 137, 2; 1 Mal 3, 45). Dagegen fehlt beim fröb-
5 lichen Gelage, beim Feſt in der Familie und bei Volksbeluſtigungen ihre Muſik nicht (ef
5, 12; Gen 31,27; 9121, 12 u. o.). Und wie die weltlichen jo werden auch die geiftlichen
Lieder gerne mit diefen Anftrumenten begleitet. Wir finden fie beide in alter Zeit bei
religiöfen Volksfeſten (1 Sa 10,5; 2 Sam 6, 5) wie noch in fpäterer Zeit beim regel:
mäßigen Kult (3.8. 1 Chr 26, 6; Neh 12,27 u. o.). Auch hier immer find es feitliche
10 fröhliche Gelegenheiten, bei denen fie gefpielt werden; ihr Spiel begleitet immer Xob-
und Danklieder (1 Chr 16, 16; 2 Chr 5, 12f.; Pi 33,2; 57, 9f.; 71,22; 81, 2%.;
150,3 u. o.).
Darf man aus der Häufigleit der Erwähnung beider Inftrumente etwas ſchließen,
jo wäre Kinnor das allgemeiner und bäufiger gebrauchte Inſtrument gegenüber Nebel
15 gewejen; es wird wenigſtens viel öfter genannt, und fein Urjprung wird auf Jubal,
den Sohn Kains, zurüdgeführt (Gen 4, 21). Es ift das Inſtrument des Hirten David
(1 Sa 16, 16 ff.) und erjcheint überhaupt als das vollstümliche Inftrument (Gen 31, 27;
Hi 21,12; Jeſ 23, 16). Mo dagegen vom Spiel der Nebel allein die Rede ift, finden wir
ijhhn zu gotteödienftlichen Zwecken verwendet (Am 5, 235; Bf 144, 9), oder in den Händen
20 von „Künftlern” (Am 6,5; Jeſ 14, 11), jedenfalls bemerfenswerter Weiſe nie bei volle
tümlichen Yuftbarkeiten und in den Händen des Volt.
Nicht minder als der Kinnor kann auch die Flöte Anſpruch darauf machen, ein
volkstümliches Inftrument zu fein. Die einfache Rohrflöte gehört ja zu den primitiniten
Inſtrumenten und auch ihre Erfindung verlegt die hebräifche Überlieferung mit Necht in
25 die allerältefte Zeit (Gen 4,21). Flöte und Pfeife finden wir deshalb zu allen Zeiten
bei voltstümlichen Zuftbarfeiten, bei Tanz, Hochzeit, Gelage u. dgl. (1 Kg 1,40; Jeſ
5, 12; Hi 21, 12; 30,31; Si 40,20; 1Maf3, 45; Mt 11,17; Le 7,32). Auch der
voltstümliche Kultus fennt die Flötenmuſik: die Prophetenſcharen begeiftern fih an ihr
(1 Sa 10,5) und die Feſtwallfahrer begleiten ihre Lieder mit der Flöte (Gel 30, 29).
30 Auffallenderweife aber jcheint fie im “QTempelorchefter feinen Platz gehabt zu baben,
wenigſtens weiß erjt der Talmud von ihrer Verivendung beim Sottesdienft (Erach. 2, 3a).
Im Unterfchied von den Saiteninftrumenten war die Flöte, und zwar die als 7
bezeichnete Art dieſer Inſtrumentgattung, das fpezififche Klageinjtrument bei den Hebräern
— wie übrigens aud bei anderen Völkern, z. N bei den Agyptern. Bet der Totenklage
35 wurde die Flöte gefpielt Mt 9, 23; Joseph. bell. Jud. III, 9, 15). In der fpäteren
ze galt Fötenſpiel als ganz unentbehrlich bei der Totenflage und auch der ärmite
dann mußte ſich beim Tod feiner Frau wenigitens zwei Ylötenbläfer mieten.
Nach den Nachrichten des AT zu fchließen erfcheint es als das gewöhnlichere, daß
nur die einen oder die anderen Inſtrumente in Verwendung kommen. Für die alte Zeit
40 wenigitens erjcheint Die Verbindung von Saiten: und Blasinftrumenten als das feltenere
(nur 1&a 10,5; ef 5, 12 erwähnt), und das Zuſammenſpiel des vollen Orcheſters mit
Trompeten, Bauten, Cymbeln 2c. wird erſt in der Chronik erwähnt (1 Chr 16, 28; 2 Chr
5, 12 f.; 20,28; 29, 26ff.). Allein man darf doch nicht zu viel daraus fchließen, denn
die alten Abbildungen der Aſſyrer und Agypter zeigen uns, daß dort das Zuſammenſpiel
45 der verſchiedenſten Inſtrumente in Übung war, jowohl zur Begleitung eines Chors als
auch als reines Orcheſterſpiel.
Wie Ichon erwähnt, handelt es fih bei dem Geſagten in erjter Linie immer um
Begleitung des Geſangs. Unjere Nachrichten find zu dürftig, daß wir Daraus etwas
über die Rolle, welche die Anftrumentalmufif ohne Gefang fpielte, erſchließen könnten.
so Nur von der Trauermufif der Flöten willen mir, daß es ſich nicht nur um Begleitung
des Geſangs fondern auch und vielleicht der Hauptſache nad) um jelbitftändiges Flöten:
jpiel handelte. Wenn wir aber zu dem Gefagten hinzunehmen, daß auch im heutigen
Orient das Urchefter immer der Begleitung des Geſangs dient reſp. nur ein Vor: und
Nachſpiel auszuführen bat, jo werden wir wohl zu dem Urteil berechtigt fein, daß aud
65 im alten Israel das Orcheſter feine jelbftijtändige Bedeutung gebabt bat.
j II. Die Bedeutung der bebräifchen Muſik für das Volksleben und die Stellung,
welche fie im profanen Leben wie im Kultus der vorerilifchen Zeit einnahm, läßt fic
ſchwer beitimmen. Man fann nur fovtel fagen, daß nach allen Angaben der Bibel die
Muſik eine ziemlich hervorragende Rolle fpielte. Nicht zwar fo, wie bei den Griechen,
co denen in alter Zeit Die Muſik etwas fo beiliges war, daß man ſie ausfchlieglich für den
Mufit 59
Gottesdienst beſtimmte (Plutarch de mus.), und welche fie immer als cin Bildungsmittel
von hohen Wert anſahen. Derartige Erwägungen lagen dem alten Hebräer ganz fern.
Aber man wird fagen dürfen, daß die alten Israeliten die Mufif Tiebten. Als Erfinder
der Mufilinftrumente nennt die Tradition Sabal, der der Vater aller derer ift, welche
die Leier oder die Flöte jpielen (Gen 4,21). Kenntnis und Gebrauch dieſer Inſtru—
mente ift alfo ſehr alt bei den Hebräern und reicht in die Zeit ihres Nomabdenlebeng
urüd. Das alte Lied auf Jahveh Er 15, 20 wird vom Weigen der Frauen unter
egleitung von Pauken gejungen, und wenn an den SHerbitfeften von Alters her
Neigentänze von Sungfiauen und yünglingen aufgeführt werden, fo fehlt felbftver-
ftändlich Geſang und Muſik dabei nicht (Ri 9,27; 21,21). Ganz in derfelben Weile ı
mit Reigen und Tanz werden auch die patrivtifchen Feſte gefeiert, die fiegreiche Heim-
fehr des Feldherrn aus dem Kampf (Ri 11,34; 1 Ca 18,6), die Thronbefteigung
oder Soceit des Könige (1 Kg 1, 39f.; PB 45,9f.; 1 Mal 9,39) u. dgl. Ebenfo-
wenig fehlt die Muſik bei Samilienfeiten aller Art (Gen 31, 27; Ser 25, 10; Le
15, 25). Wer ein Meifter iſt im Gefang oder im Spiel eines Inſtruments, der hat 15
immer einen Kreis dankbarer Zubörer um ſich. Der Hirte David ift in feiner Heimat
wohl belannt wegen feines Spield (1 Sa 16, 18). Der Wettgefang der Sünglinge
unterhält die Leute, die am Abend unter dem Thor fi verfammeln (Thren 5,14).
Zum froben Mahl und Gelage gehören Geſang und Saitenklang. Am Hof des Königs,
Ihon eines Davıd und Salomon, fehlen Sänger und Sängerinnen nicht (2 Sa 19, 35; 20
Prd 2,8). Die Propheten haben freilih an den üppigen Gelagen mit Mufif und Tanz
feine Zreude (Am 6,5; Jeſ 5, 12; 24, 8f.; Ser 7,34; 23,16; 26, 10). Aber das
berechtigt uns noch nicht, auf den Charakter diefer Muſik einen Schluß zu ziehen und
diefelbe, wie manchmal gefchieht, als üppig und mwollüftig zu bezeichnen. Auch in der
Hand der Dirnen treffen wir das Eaiteninftrument (den Kinnor), und mit Gefang und 25
Tanz loden fie die Männer an (ef 23, 16). Ob aber im allgemeinen der Ruf der
Sängerinnen und Tänzerinnen von Profeſſion ein weniger guter war, wiſſen mir nicht.
In nacherilifcher Zeit unter dem Einfluß des Hellenismus bat die Verbreitung der
Mufit jedenfalls nicht abgenommen. Die Einführung griechifcher Gefänge mit In—
ftrumentbegleitung wird von Joſephus Herodes d. Gr. zugefchrieben (Arch. XV 8,1). 30
Bor allem bei der Totentrauer durfte zu feiner Der der Klagegefang fehlen. Das
ſpezifiſche Inſtrument für Trauermuſik war, wie erwähnt, die Flöte. Nach den Angaben
des Talmud mußte auch der ärmfte Hebräer beim Tode feiner Frau wenigſtens zwei
Flötiften und ein Klageweib beftellen (Lighfoot hor. hebr. ad Matth. 9, 23). Die
Steichen konnten die Zahl beliebig vermehren. Ein ſchönes Beifpiel eines ſolchen Trauer: 35
gefangs aus alter Zeit haben wir in Davids Klagelied auf Saul und Jonathan (2 Sa
1,18 ff.) und in dem Klagelied Davids auf Abner (2 Ca 3,33). Später hat die Ent:
widelung des Klagegefangs zu einer eigenen metrifchen Form für das Klagelied geführt,
vgl. die Artt. Klagelider Bd X E. 505,8 ff.
Weit weniger Verwendung fcheint die Muſik in alter Zeit im Kultus gefunden zu w
haben, wenigſtens haben wir ſehr wenig direkte Angaben dafür. Immerhin Tanz und
Reigen beim Herbitfeft gehörten mit zu der Fultifchen Feier, und bei manchen Volksfeſten
wird es überhaupt ſchwer zu fagen fein, tie viel von den eingeinen Gebräuchen, Tänzen,
Reigen, Chören, kultiſche Bedeutung hatte. Wie das alte Xoblied Er 15, fo erden nod)
manche andere Jahvehlieder von den Frauen Israels geſungen worden fein an patriotifchen 45
Feſten, wie 3. B. bei der Heimkehr ftegreicher Feldherrn. Auch bei der Einholung der
ndesladbe durch David haben Muſik und Gefang ihren Pla (2 Ca 6, 5. 14f.).
Direkt religiöjen Zwecken dient die Muſik bei den Propheten. Wir hören, daß die alten
Prophetengenoſſenſchaften die Muſik pflegten (1 Sa 10,5; 19, 20 ff). Welche Bedeutung
ir fie die Muſik hatte, ſehen wir aus der interefjanten Notiz in 2 Kg 3, 15: Elifa 5
verlangt nach einem Saitenjpieler, deſſen Spiel ihn in heilige Begeifterung verfegen fol.
Damit darf dann wiederum zufammengenommen twerden, was über die Wirkung von
Davids Saitenfpiel berichtet wird: wenn David vor Saul fpielte, wich der böfe Geiſt,
der Beſitz von Saul ergriffen batte, von Saul (1 Sa 10, 5.10; 16, 16ff.; 19,20 f.).
Wie dort dur die Muſik die heilige Efitafe geweckt wird, jo wird bier der böfe Geiſt 55
von Elohim durch Muſik zur Nube gebracht.
Mit dem allen iſt aber die Vertvendung der Muſik im regelmäßigen Kultus keines⸗
wegs eriwiefen, und dafür, daß 3.8. wie im fpäteren Tempel die Darbringung von Opfern
von Inſtrumentalmuſik oder Geſang begleitet war, finden wir für die älteſte vorkönigliche
Zeit feine Spur. Sicher fünnen wir fagen, daß die Mufif nicht zum Opferdienſt gehörte, 60
a
—
—
598 - Mufit
Aber ebenfo ift als wahrſcheinlich zu betrachten, daß mit der Errichtung eines Töniglichen
Heiligtums die Muſik in den regelmäßigen Tempeldienft ihren Einzug bielt. Die Rolle,
welche Geſang und Muſik im zweiten Tempel fpielt, und die Stellung, melde Sänger
und Mufitanten unter dem Tempelperfonal einnehmen, ift doch nur verjtändlih, menn
b fhon vor dem Exil die Mufil im Tempeldienſt feiten Plag hatte. Und wenn die Tra:
dition alles das auf David zurüdführt und ihn zum eigentlichen Begründer der Tempel:
mufif macht, fo ift das nicht bloß Phantaſie, die aus der alten Notiz über Davids Kunft-
fertigfeit im Spiel berausgefponnen iſt. Es iſt der Natur der Sache nad nur als
durchaus twabrjcheinlich zu bezeichnen, daß der König, der offenbar an der Muſik eine
10 Freude hatte, und der feine Sänger und Sängerinnen, Mufifanten und Tänzerinnen an
feinem Hof hatte diefelben auch in feinem Kultus verwendete, und daß auch ein Salomo
eine Tempellapelle ald zum Glanz des königlichen Heiligtums beitragend betrachtete. Wie
weit daber äußere Einflüffe, 3.8. das Vorbild anderer Heiligtümer mitwirfte, Tönnen mir
nicht beurteilen, da mir nichts über die Muſik an den fanaanitifchen Heiligtümern wiſſen.
15 Merkwürdig ıft übrigens doch, daß im Geſetz Orcheftermufit und Gefang gar feine Stelle
haben. Nur das Blajen der Trompeten an den Feittagen und Neumonden wird den
PBrieftern aufgetragen und zwar als ein wichtiges Vorrecht (Le 23, 24; 25, 9). Nadı
dem Exil Tehren zahlreihe Eänger und Mufilanten mit Serubabel zurüd (Esr 2, 41;
Neh 7,44), ein Beweis, daß die mufikalifche Tradition während des Erild nicht abgerifien
20 tft, fondern ſich fortgepflanzt hat. Bei der Grundfteinlegung des Tempels und der Ein-
tweihung der Stadtmauern wirken Chöre mit (Er 3, 10ff.; Neh 11, 22; 12, 37 ff.).
Nah dem Exil hat dann die Mufif eine immer größere Rolle im Tempeldienft ge
jpielt, daS zeigt ſich äußerlih am Anfchwellen der Sängerjcharen und an ihrer er:
höhten focialen Stellung. Für lehtere ift ganz bezeichnend, daß in den Genealo:
25 gien der Chronil die Sänger ganz den Stamm Levi angegliedert find; von König
grippa erhielten fie dann das Vorrecht vor den übrigen Leviten, das weiße — ur:
ſprünglich priefterliche — Gewand zu tragen (Joseph. Ant. XX, 9, 6). Die zurüd:
fehrenden Sänger jiedelten jih in der Umgebung Jeruſalems an (Neh 12, 28). Der
perfifche König gab bejonderen Befehl ihnen Tag für Tag ihren Unterhalt zu liefern
30 (Neh 11, 23; Esr6,8ff.; 7, 20ff.; Neb 12,47; 13,10). Das Anfchwellen der Sänger:
jcharen zeigt am beiten der Vergleich folgender zwei Zahlenangaben: Nach dem Eril kehren
zurüd 148 Sänger (Neh 7, 44; beziehungsweiſe nach anderer Angabe 128 Sänger Est
2,41). Nach dem Chroniſten joll die Zahl der Sänger zu Davids Zeit ſchon 4000 be:
tragen haben (1 Chr 24, 5); fie erfcheinen in drei Gefchlechter (Chöre?) eingeteilt: Afaph,
35 Heman, Jeduthun, die ſich auf die drei gleichnamigen Muſikmeiſter Davids zurückführen.
Das Gefchleht Aſaphs zählt vier, Jeduthun ſechs, Heman vierzehn Ordnungen von je
zwölf Singmeiſtern, von denen die gewöhnlichen Sänger als „Schüler“ unterjchieden
werden (1 Chr 26, 7f.).
Ihr Gefang wurde vom Tempelorcheiter begleitet, das nach 1 Chr 16, 19—21 jeweils
aus act Nablafpielern und ſechs Kinnorfpielern beitand. Der Muſikmeiſter fchlug dazu
den Takt mit der Cymbel. Im herodianiſchen Tempel beitand dag Orcheſter aus 2—6
Nablafpielern, 9 Kinnorfpielem und 1 Cymbelſchläger. Dazu kamen nad talmubijcher
Angabe noh 2— 12 Flötenfpieler und 2 Trompeten (Maimonides, Kelö hammikdäsch
C. 3). Mit der ganzen Entwidelung der Tempelmufit hängt aufs engite zufammen die
der Pſalmendichtung (j. Art. Pſalmen). Nach den talmudifchen Angaben erhielt jeder
Tag der Woche feinen befonderen Pſalm, der während der Darbringung des Morgen:
opfers gefungen wurde; es find die fieben BI 24. 48. 82. 94. 84. 93. 92 (vgl. auch die
almüberfchriften in der LXX und die Pfalmenfommentare, 3. B. Baethgen S.XXXVID.
Ber den Kircchweihfeltopfern wurde Pi 30 gefungen. Jede Abteilung der Sängerchöre
so hatte ihre Dienſtwoche. Für dag Orcheſter war im berodianifchen Tempel ein befonderes
Podium errichtet.
III. Auf den Charakter der hebräiſchen Mufif laffen ſich aus dem bisher Ge-
jagten immerhin einige Schlüffe zieben, die beftätigt und ergänzt werden durch das Bild
der heutigen orientalifchen, ſpeziell arabiſchen Muftf. Man wird fich bei ihrer Beurteilung
55 vor beiden Extremen zu büten baben, das muß von vornberein bemerkt werden: einer:
jetts vor der namentlich bei den Nabbinen üblichen übertriebenen Wertung, welche fich
die hebräiſche Mufik, bejonders die Tempelmuſik, als eine auch für unfere Ohren überaus
wohlklingende und wirkungsvolle Muſik vorstellt. Andererfeits aber aud) vor einer zu
geringfchägigen Beurteilung, die fie mitſamt der heutigen vrientalifhen Muſik ale vom
vo fünjtlerifchen Standpunft ganz wertlos, als barbarifches Gefchrei einfach wegwirft. Wir
4
o
d
a
Muſik 599
werden uns allerdings, das ſei gleich von vornherein bemerkt, die hebräiſche Muſik im
weſentlichen wohl ſchwerlich anders als die heutige arabiſche Muſik vorſtellen können.
Allein es wäre ein grober Fehler, dieſe letztere deswegen, weil ſie unſerem Ohr nicht zu—
ſagt, — d. h. weil unſer Ohr nicht daran gewöhnt — und weil ſie unſere Harmonie
nicht kennt, ohne weiteres zu verachten. Mit demſelben Recht betrachten die Drientalen 5
unſere ſchön hbarmonifierte Muſik als gräuliches Geräufd).
Zur richtigen Würdigung der althebräifchen mie der modernen orientalischen Muſik
muß man jich vor allen vergegenmwärtigen, daß bei beiden der Rhythmus eine außer:
ordentlich große Rolle fpielt auf Koſten der Melodie. Alte Lieder, mie das Triumphlied
Er 15, 20 ff. wurden, wie berichtet wird, gejungen mit Begleitung von Tamburinen
allein. Dan fteht, daß diefes Singen vor allem ein rhythmiſches Deklamieren war. Das
entfpricht ganz dem, was wir überhaupt über die Entwidelung der Muſik wiſſen. In
ihren eriten Anfängen ift Bolalmufif überall ein rhythmiſches Sprechen ohne reicheren regel:
mäßigen Tonmechjel (Melodie), eine Art deflamatorifcher Vortrag mit beftimmter rhyth⸗
mifcher Betonung. Wie ſich dann daraus eine regelmäßige Variation des Tond und 15
jchlieplih die Melodie entwidelt hat, das darzuftellen gehört nicht hierher. Genug, daß
wir vom hebräischen Volksgeſang konſtatieren können, daß er in alter Zeit auf der Stufe
ftand, wo der Rhythmus das Übergewicht über die Melodie hat.
Und das ift ficher nicht bloß in der älteften Zeit fo geweſen, ſondern auch Tpäter
noch jo geblieben. Iſt das doch noch heute ein charakteriftisches Merkmal des arabifchen zu
Geſangs, ſowohl des Vollsgefangs als aud) teilmeife des Kunſtgeſangs. Die Agypter
. B. ind ſehr gelangsluftig. Ber der ſchweren Arbeit ermuntern fich die Ruderer durd)
Geſang; die Ejeljungen auf ermüdenden Marſch fingen fi zu; die Schar der Arbeiter,
wenn fie von der Arbeit abends nad Haufe zieht, erfreut fd am Geſang. Faſt immer
ift diefer dann derart, daß einer von ihnen eine fürzere oder längere Zeile fingt, und die 25
Schar der andern ihm mit einem furzen Refrain antivortet. Der Vorſänger wechſelt;
wer gerade etwas zu fingen weiß, Tann an die Reihe fommen. Aber immer ift diefer
oft improvifierte Gejang des Vorfängers und meift auch der Refrain ein rhythmiſches
Recitieren ohne viel Melodie mit ftarter Betonung des Rhythmus, der vielfach durch
Händellatfchen noch befonders hervorgehoben wird. Auch wo eine Schar von Knaben oder 30
Männern ſich im gemeinfamen Gefang vergnügt, ift das für unfer Ohr meit eher dem
taftmäßigen Herfagen, als einem Eingen zu vergleichen, ganz ähnlich der Art und Weile,
wie etwa bei uns eine Schulflaffe yemeinfam einen Spruch oder Liedervers auffagt. Auch)
hier wieder darf das Markieren des Rhythmus durch Händeklatſchen nicht fehlen.
Auch wo wie im entividelteren hebräifchen Volksgeſang und im Kunſtgeſang — wenn 35
wir überhaupt von einem folchen reden dürfen — eine eigentliche Melodie ſich findet,
dürfen wir fie ung nicht nach Art unferer Melodien als feites und unveränderliches Ton-
gefüge vorftellen. Das ergiebt fich ohne meiteres aus der Betrachtung der Texte, die wir
haben. Nehmen mir z. B. die Palmen mit ihrer Ungleichheit der einzelnen Strophen
und Verſe in Beziehung auf die Zahl der Worte und Silben und das Metrum, fo leuchtet ao
ohne weiteres ein, daß bier nur Melodien möglich find, twelche ebenjogroße Beweglichkeit
und Dehnbarkeit haben. Wir haben für unjere weltlichen und geiftlichen Lieder entiprechend
ihrem Bau in Strophen aud) Melodien je für eine Strophe, die fi) nach der Zahl der
Strophen wiederholen. Solche Strophen in den Palmen abzuteilen, gelingt nur in
jeltenen Fällen. Das gewöhnliche muß alſo bier die kurze Melodie fein, die nur für eine «6
albzeile oder Zeile beftimmt mar, und fich dementfprechend öfter wiederholte. Auch dieſe
ze Melodie mußte in Beziehung auf das Zeitmaß dehnbar fein, da Zeilen von fehr
ungleicher Länge nach derjelben ‘ elodie gefungen würden, m. a. W. es fpielte auch bier
noch das melodifche Recitieren cine große Rolle. Ganz dasfelbe finden wir bein heutigen
arabifchen Geſang. Auch da find die Melodien meift ganz kurz, nur eine einzige Zeile, 60
wenn man fo jagen darf, die fich ſehr oft wiederholt.
Als ein drittes Merkmal dürfen wir anführen, daß die Melodien einen fehr kleinen
Tonumfang hatten. Das beweifen die gebrauchten Inftrumente. Die Saiteninftrumente
wie die Flöten hatten in alter Zeit nur ſehr wenig Töne; die Zahl der Saiten mar bei
erfteren gering und die Variterung der Töne dur Verkürzung der jchivingenden Saite 55
mittelft Feſtdrücken durch die Finger fcheint wohl bei einzelnen Inſtrumenten vorgefommen
u ein, ift aber bei anderen (3. B. bei der Harfenklaffe) durch ihre Form ausgejchlofien.
Wir baben biezu wiederum den modernen Gefang in Parallele zu ftellen. Auch da über:
ſchreitet ſelbſt Beim Kunftgefang die Melodie felten den Umfang einer Duinte,
Noch in einem weiteren Punkte gleicht die hebräifche Mufif durchaus der heutigen su
=
=
Kant
tube Harmonie, Die auf De
lan aufletenden diſſonierende:
. „x unam Urſprungs lIu. Som.
7 * durchaus einitimmig, iemant NG
as uns ale harmoniſch und neh
Zen, Deren Schwingungs;zablen :
Hi dem Orientalen etwas haßlich
der, ein ungeordnetes Hann ven
daran kein ernſter Mann ? Keranuger
arkiſchen Militarkapellen ihre vrien
Ann in Konzerten ein Orche'ter td
letodie. Nur etwa ein beitandiager
qSurchgebend ein und dieſelbe Barmen,
naleich Den NMbhythmus hervorbhebend.
ne CEhore giebt es überhaupt nicht.
. . Neitung, Da Spielen Die Inſtrumen:
wenn eiwa Die begleitenden mir
at geſpielte Melodie in harnoriicher
onvenll wird als harmoniſch im u
Der Toneifett, Dev durch das Zuſammen
rernl bekannt, und es iſt Sehr häufiis.
u Me Melodie ven einem Ich
unisono-Spiel und Geſang kenn:, wird
rvergehoben iit, daß De Sanger allen
die Oktave reſp. das Zuſammenivpicken ih
les angenommen werden. Der Ute
und ihr zuſammenklingen aniſcheinend
ja ein den Natur gegebener, und es
“> ber den Inſtrumenten nachahmte. Es
5 78 Err 15, 20if., wie meiſt geichieht,
*enden Inſtrumente (mebel nad Jung
sanben Stimme geſtimmt waren und ge
Sohn nnerſtimme nachabhmten. Im Temvelcher
- 5 5 die drei Tochter Hemans in der ya
noch nicht zu Den Tempelſangern, und ebenie
Ih 7T, 175 nichts amt Dem Tempelzwang
J am Geſang bei den Volksfeſten, wenn
Der entgegenzog U. w.: val. Dean
Anvel ſangen nach Dem Talmud Leviten
v Seit werden wir eher daran su Denken
pr den JFalſettogeſang Der Männer lieb:.
zart uns Abendlandern Die Wirkung dieſe:
Dub werden fun Daß gerade umen:
on. mp Orcheſters gewaltige künſtleriſche Wu
ebl betannt. Und ſelbſt Die uns ſonſt se
Mielodien verfehlen in dieſem Fall ibren
eria: die Frage nach dem Spiteme der
SINKT m. a. W. nach Der „Tonleiter“ der
c:ètigſte fur Die Srfenmmis des Ciuratiit
, Lleiben. Wahrend Die riechen ein Spitem
“wieignge firieren konnten (vgl. Paulv NE.
Alrpuise, brachten es die alten "eb
ro einer iolchen. Die jetzt im Orient
Jaurundert dorthin gekommen. Wielicch
SET deuten und aus ihnen Die Me—
seo abe aleeit ]Sulmen mit ihren aus den
Yen ‘Bocte S. 1665 Nabn, Gin
"tn, DL 376 jf. und Die verſchiedenen ol
Mufit 601
menkommentare). Allein mit der Melodie haben, wie jet allgemein anerkannt ift, dieſe
Accente nichts zu thun. Sie dienen lediglich der Necitation, fie regeln den Tantilierenden
Bortrag in den Synagogen als Merkzeichen für den Rhythmus und die damit zufammen:
hängenbe Modulation der Stimme. So befigen wir gar feine Probe einer althebräifchen
elodie; mas wir an fonagogaler Muſik haben ift alles nachchriftlichen Urjprungs. Proben
derfelben ſ. bei Kircher in Ugolini Thes. XXXII, 387 ff.; Forkel, Geſch. der Muſik I,
170; DeSola, The ancient Melodies of the Spanish and Portuguese Jews (1857).
Daß die Hebräer das Intervall der Oktave kannten, und tie fie es verivandten, ijt oben
gefagt worden. Damit ift nun aber noch keineswegs gegeben, daß fie diejes Intervall
in acht Tonftufen zerlegten und bieje zählten, alſo eine der unjeren ähnliche „Tonleiter“
hatten. Vielfach jchließt man dies neuerdings aus der mufiltechnifchen Bezeichnung
MIST, die ſich einigemale im alten Teftament findet. Pf 6 und 12 tragen in ihrer
Überfchrift die Anmweifung: MFRETT zu fingen oder zu fprechen. Ebenſo heißt es
1 Chr 15, 20f., daß die Githern im Tempelorchefter PIRET 22 gejpielt wurden. Es
liegt nun namentlich in leßterer Stelle fehr nahe, den Ausdrud mit Oktave zu überfegen 15
im Gegenfag zu Pr 27, das Bezeichnung der höheren Oktave der Jungfrauenftimme
fein Soll (ſ. o.). Mit diefer Bezeichnung des Antervalld als „Oktave“, „achter Ton”,
wäre dann natürlih eine Tonleiter von acht Tönen gegeben. Mit Wärme tritt ins:
befondere Niehm (HWB 1058) biefür ein und glaubt auf Grund unferer Kenntnis der
guediicen Mufit eine folche Tonffala auch für die alten Hebräer annehmen zu fönnen. 20
ber zunächſt einmal ift diefe Deutung der Ausdrücke keineswegs eine fichere oder die
einzig mögliche. M>> Tonnte 3. B. ebenfogut wie mrma (f. 0.) Bezeichnung eines Sn:
jtrumentes „des elamitifchen Instruments” jein (fo 3. B. Graetz, Palmen ©. 85; Well:
baufen a. a. O. und andere). 77779 läßt fich als Bezeichnung der Melodie oder Tonart
(„nady der achten Singweiſe“) entfprechend anderen folchen Bezeichnungen der Melodie 25
erklären, oder ebenfalls als Bezeichnung eines Inſtrumens, „das achtjaitige” (3.8. Graetz,
Palmen a. a. O.). Die Deutung auf Jungfrauenftimmen und die tiefere Oktave kann
namentlich bei M’7”ZÖ. nur in Frage kommen, wenn ſchon vorher das Vorhandenſein
einer achttönigen Skala nachgewieſen märe. Das aber ift keineswegs der Fall; im Gegen:
tel. Daß wir auf den Neproduftionen der jübifchen Inſtrumente auf Münzen (. 0.) so
nirgends foldhe mit acht Saiten, fondern nur foldhe mit 3—6 Saiten finden, fpricht ficher
nicht dafür. Die Ausſagen der Kirchenväter helfen nicht viel meiter. Clemens vergleicht
die Gejangsweife im ‘Tempel mit der dorifchen Tonart, was ſich vor allem auf die
würdevolle Ruhe dieſer Tonart bezieht (Paed. II, 4 p. 194f.); er warnt, wie fpäter
Auguftin, die Chriften vor dem theatralifchen chromatifchen Gejang der Heiden und mahnt 35
zur alten Mufif Davids zurüdzufehren, die cr demnach für diatoniſch hält. Aber er
urteilt natürlich nur nach den zu feiner Zeit bei den Juden in der Synagoge ıc. ges
fungenen Melodien. Und da der Einfluß griechijher Muſik in fpäterer Zeit unzweifel-
baft ift, jo werden wir fein Urteil nicht ohne weiteres auf die ältere Zeit übertragen
dürfen. Auch ganz abgejehen davon baben beide Außerungen nur den Wert einer ganz 40
allgemeinen Charafteriftif, und tollen wor allem eben den Keierlichen Ernft der hebräiſchen
Muſik Tennzeichnen.
Ziehen wir fchlieglih auch bier die Muſik des heutigen Orients herbei, fo iſt zu:
nächft zu Tonftatieren, daß es an einer genauen zuverläffigen Fixierung der Intervalle
berjelben fehlt. Das Urteil der meisten Reiſenden über die arabifhe Muſik trifft wohl ss
in den beiden Punkten zufammen: einmal daß fast alle Töne ganz unrein gejungen und
efpielt werden, und fodann, daß die Melodien überwiegend in Moll gehalten ſeien. Man
Feb fofort, daß beide Sätze aufs engfte zufammenbängen: das Chr des Europäers „or:
rigiert“ die „unreinen” Töne meift fo, wie wir fie erwarten müßten, wenn die Melodien
in unseren Molltonarten verlaufen würden; denn nach diefer Richtung bin ift die Ab- 60
weichung am geringiten. Dazu kommt noch, daß dementſprechende Intervalle ſich nicht
felten finden. Aber fo einfach, wie es bier erfcheint, liegt die Sache doch nidt. Ale
Ergänzung gebört dazu das Urteil des Morgenländers über unfere Mufit, und das geht
ebenfalls dahin, daß wir „unrein” fingen und fpielen. Unfere Intervalle Hingen ihm
in demfelben Sinne unrein, wie feine Antervalle unseren Ohren, m. a. W. fie And ihm bõ
ebenfo ungelvohnt und frembartig, wie umgefehrt. Und man kann mit leichter Mübe
fonftatieren, daß die „Unreinheiten” in den Melodien konſtante find, daß nicht etiva
bloß der ungeübte Laie fte fingt, jondern auch die geſchätzte Sängerin; und der Meifter
auf der Yaute Spielt auch nicht „reiner“, obwohl er ein gutes Gchör hat. Man fann
das fofort aufs deutlichite fehen, mern man verfucht, die Melodien in unferem Tonſyſtem 60
oı
—
—
)
602 Mufit
u firieren. Die wenigen bisber aufgezeichneten Melodien klingen fofort ganz anders,
jobald man fie auf einem Klavier mit unferen Intervallen Spielt. Mit anderen Worten:
die heutigen Drientalen (Agypter und Sprer) unterfcheiven mit ihrem Gehör und ver:
ivenden bei ihren Melodien auch noch andere Intervalle ale wir. Und da nicht an-
5 genommen werden Tann, daß fih das erjt in chrültlicher Zeit jo entwidelt bat, wird man
zu einem Rückſchluß auf die altorientalifche, beziehungsweise althebräifche Muſik genötigt.
Aud von bier aus aljo ergiebt fich das negative Nefultat, daß mir cin dem unfrigen
ähnliches Tonfyften von acht Tönen innerhalb der „Oktave“ nicht vorausfegen dürfen.
Noch find über die Art und Weile des Vortrags einige Bemerkungen anzufübhren.
ıv Charakteriftifch für den bebrätfchen Gefang ift die Vorliebe für den Wechjelgefang, ſowohl
im Volksgeſang als im Kunftgefang. Es iſt ſchon oben davon die Rede geweſen, daß
8 im Urient das gewöhnliche iſt, daß cin VBorfänger eine Zeile fingt und die übrigen
Sänger fie tviederholen, oder mit einem kurzen Refrain antworten (vgl. auch Niebuhr,
Reifen I, 176). Und in den Terten und Berichten des ATS ſelbſt baben wir zahlreiche
15 Belege für die Beliebtheit folchen Wechſelgeſangs zu allen Zeiten. Das alte Siegeslied
Er 15 zeigt in feiner alten wie in jeiner überarbeiteten jegigen Form, daß fein Gefang
fih auf den Porfänger und den Chor verteilte. Zahlreiche Pfalmen haben Refponforial:
form. Die Gemeinde beziehungsweiſe der Chor antwortet auf die Worte des Vorfängers
(oder Levitenchors) mit einem Hallelujab oder ähnlichem (1 Chr 17, 36; Er 3, 11;
Pf 106, 48; 118, 1--4; 136; Jer 33, 11). Ganz befonders lehrreih iſt Pf 136, mit
feinem von der Menge ftetig wiederholten Antiphonem „jeine Güte währet ewiglich“.
Aufs genauefte gleicht der Palm in feiner Anlage den heutigen „Liedern“ der Araber,
wie fie ettva auch improvifiert werden. Weiterhin haben wir die Nachricht, daß die beiden
seitchöre bei der Einweihung der Mauern Jeruſalems unter Nebemia nach Bejchluß des
35 Rundgangs am Tempel fich einander gegenüber aufftellten eben zu ſolchem Wechſelgeſang
(Neb 12, 31 ff). Endlich vergleiche man noch die in der Apotalupfe gegebene Schilde:
rung der himmlischen Mechfelgefänge, melde ohne weiteres ala Bild der Gejänge in ber
urchriftlichen Gemeinde und damit auch als Bild des Tentpelgefanges angejehen merden
dürfen (Apk 4, 8ff.; 5, 9 ff; 7, 10ff.; 19, 1ff.). Much unfer muftfalifches Gefühl gebt
% dahin, daß ſolche Wechfelgefänge ungemein viel zur Belebung des Ganzen und zur Er:
böbung der Wirkung beitragen fünnen.
Anders urteilen wir von unferem Geſchmack aus über das charafterijtiiche Merkmal
des Vortrags beim Sologefang, namentlich beim Kunftgefang: das Vibrieren der Stimme
und das Näfeln. Daß Icgteres alt it, können wir zwar nur vermuten auf Grund ber
35 fonft von ung bemerften Übereinftimmung der heutigen und der alten orientalischen Ruf.
Das BVibrieren der Stimme dagegen wird für die alte Zeit direkt bezeugt durch die be:
fannte, ſchon öfters erwähnte aſſyriſche Abbildung einer Mufilbande aus der Zeit
Aflurbanipale. Dort hält eine der fingenden Frauen, ganz wie noch heute ein arabifcher
Sänger oder Sängerin es thut, die Hand unter dag Kinn, mit derjelben einen leichten
40 Drud auf die Kehle ausübend. Dies geſchieht zu dem Zweck, um befonvers fchrille Töne
bervorzubringen und denfelben eine eigentümliche Vibration --- die nicht indentifch iſt mit
unſerem Tremolieren — zu verleiben.
In den Palmen finden fich noch eine Reihe weiterer Angaben, die fich vermutlid
auf den Vortrag beziehen. Wir baben aller Wahrſcheinlichkeit nach in einzelnen Pfalmen:
45 überfchriften eine Angabe der Singweiſe, nadı welcher der Palm gejungen werden fol
(Bi 9, 15 22,15 45, 15 56, 15 57, 15 58, 15 59, 15 60, 15 69, 15 75, 1. Allein
die Deutung der betreffenden Worte ift meift ganz unficher und auch wenn wir fie richtig
verftehen würden, kämen wir doch über die eigentlich felbftverftändliche Thatſache nict
hinaus, daß es feftftebende, den Sängern oder in weiteren Kreiſen befannte Melodien
do gab, nach denen verfchiedene Yieder gefungen werden fonnten. — Noch weniger willen
wir mit den fonftigen mufifalifchstechntfchen Ausprüden anzufangen. Wir wiſſen nicht
was der Ausdruck T2’72 bedeutet; denn gegen die herkömmliche Deutung „dem Sing
meifter” (zur Einübung?) kann mit Hecht die Frage erhoben werden, warum denn eine
folhe Bemerkung gerade bei den betreffenden 53 Pſalmen und nur bei diefen notwendig
55 war, Auch die Überfegung Wellbaufens „for the liturgy“ ift ganz unficher. — Die
Bezeihnungen METZ und POITET? find ſchon beiprocdhen worden. — Der Aus
drud Sela endlich, der fihb in 40 Palmen 71mal findet, wird in der LXX mit àd-
wann überfegt, was am wahrfcheinlichiten als „Zwiſchenſpiel“ gedeutet wird. Er finde
ſich nur in der Mitte der Palmen, nicht am Ende, wo eine folde Bezeichnung unnötig
so wäre, Sachlich ift auch ohne dies anzunehmen, daß beim Vortrag von Liedern, namentlich
Muſik Myconins, Friedrich 603
beim Solovortrag, der Gefang da und dert unterbrochen, und diefe Baufe durch das Spiel
des Orcheſters ausgefüllt wurde. Im übrigen muß für alle diefe Ausdrüde bier auf
die Pſalmenkommentare vertiefen werden. Benzinger.
Myconins, Sriedrich, geit. 1546. — Frider. Myconii Historia Reformationis
vom Jahre Chriſti 1517—1542 ... mitgeteilet ... von E. S. Cyprian (Gotha 1715), ? Leipzig
1718, mit manden autoTiogr. Angaben. Briefiwechjel in den Briefen Luther, im CR, im
Briefiv. d. Jonas, in BR V, 164ff. Biographie: Anton Probus, Oratio de Frid. Myconio,
Smalcaldiae 1597; Gagittarius, Historia Gothana, 1689, 168 jj. (wiederabgedr. bei Cyprian
0.0.9. p.38 ff.); Juncier, Redivivus Myconius, Walter&haufen 1730; J. G. Bojjed, Frid.
Myconii memoriam ... repetit. Lips. 1739; €. K. Gottjr. Lommatzſch, Narratio de Frid. 10
M., Annaeb. 1825; Ledderhofe, F. M., Hamburg u. Gotha 1854; derf. in AdB; N. Peterſen,
in Pipers Evang. Kalender 1861, ©. 151ff.; Meurer in Altväter d. Iuth. Kirche IV (1864),
299 5.; G. 2. Schmidt, Zuft. Menius II (1867), ©. 3ff. Ueber die Schriften des M. |.
Lommatzſch p. 112ff. u. Meurer ©. 303; bei leßterem aud) Nachweis iiber die Briefe d. M.
und deren Fundorte. — G. Kreyenberg, F. M. im Grenzboten 1892, 1, S. 114 ff. Sein Bild 16
in Holzſchnitt auf der Bresl. Stadtbibl, in 2 W 18.
Quthers treuer Genofje und Gehilfe, der NReformator in Thüringen, wurde am
26. Dezember 1490 — denn fo mwird die alte Angabe: Etephanstag 1491 zu veritehen
fein — zu Lichtenfeld am Main in Oberfranken geboren. Auch eine Denkmünze von
1539, die fein Alter auf 48 Jahre angiebt, fpricht mehr für 1490 als 91. Sein wo
Kamilienname „Mecum“ wurde von andern und ihm felber zu den mannigfachiten Wort:
ipielen benutzt. Magnificate dominum mecum -- jo begrüßte ihn einft Mutian
(Briefv. d. Sonas II 72); mecum es, imo totus nobiscum es, ruft ihm Jonas zu
(ebd. I 119). Er felbft tröftet fih mit dem Hodie mecum eris in paradiso und dem
Non timebo mala, quia tu mecum es (ebd. II 72); und Luther fpielt dann aud) 25
wohl mit feinem Vornamen, denn er ift ja in Wahrheit Fridericus et Fridsamus
(de W. IV 540).
Die Eltern waren fromme rechtfchaffene Bürgersleute von gefunden chrijtlichem Sinn.
Nom Bater lernte er frühzeitig die Katechismusterte, Dekalog, BU und Symbolum, und
wurde zu fleißigem Gebet angehalten. Ghrifti Blut, fo lehrte ihn jener, fei das Löfegeld zu
für der Welt Sünde; jeder Chrift müfje glauben, daß, wenn nur drei Menjchen hofften,
durch Ghriftum felig zu werden, er einer von dieſen fei. Die Ablaßbriefe feien Netze,
das Geld der Einfältigen zu fangen; Vergebung der Sünden und ewiges Leben jeien
ficher für Geld nicht Fäuflich, doch börten die Priefter dergleichen nicht gern (Brief des
M. an P. Eber bei G. Hecht, Vita J. Tetzelii, Witemb. 1717, €. 117f.). Nachdem 85
er die Stadtichule der Vaterſtadt befucht, lichen ihn die Eltern 1504 zur Lateinfchule
in Annaberg ziehen, die unter dem Rektor Andr. Weidner, gen. Staffeljtein, in Anſehen
ftand. Hier hatte er (wohl im Juli 1510) ein oft erzähltes Renkontre mit ob. Tebel,
der damals als Unterlommiffar des Jubelablaſſes für den Deutjchorden in Livland
Deutſchland durchzog. ein erit kurz vor feinem Tode darüber niedergefchriebener Bericht 40
(im Brief an Eber bei Hecht a.a. O., zuerit in Jenisius, Annabergae Historia,
1605 II 4ff. deutih in Sonderausgabe von J. Frd. Bertram, Halle 1728) enthält
zwar ın den Nebenumjtänden manche Untichtigteit (vgl. N. Paulus, 3. Tebel, 1899,
S. 21f.), doch wird die Hauptſache richtig fein, daß er abgetviefen wurde, als er das
„pauperibus gratis“ für fih in Anspruch nehmen wollte; daß diefe markante ‘Pointe 45
in ihrer Begegnung nur einem lapsus memoriae ihre Entitehung verdanken follte, mie
Baulus a. a. D. annimmt, ift höchſt unwahrscheinlich, da er ja eben um diefer willen bie
anze Geſchichte erzählt. Staffelftein riet jegt dem um fein Scelenbeil inmitten einer
(inigen Welt belorgten Jüngling, ing dortige Kranzisfanerklofter einzutreten: am 1-4. Juli
ührte er diefen Rat aus. Einen bedeutfamen Traum, den er in der nächſtfolgenden so
Nacht träumte, hat er in jenen Briefe ausführlich erzählt. Von Annaberg wurde er ind
Leipziger Klofter, von da 1512 nach Weimar verfegt. Er nahm es mit feinem Kloſter⸗
leben ſehr ent; zugleich begann er eifrig zu ftudieren: Petrus Yombarbus, Alerander
von Hales, Bonaventura, Gabriel Biel; auch Augujtin, defien Schriften, wie de gratia,
de libero arbitrio u. a. ſowie jein Pfalmenfommentar, ihm tiefen Eindrud machten. 55
Aber noch hielt ihn die Echvlaftit in ihrem Banne. Auch fein Amt ala Vorleſer bei
Tiſch, wobei die Bibel mit Lyras Auslegung gelejen wurde, half ibm noch nicht zu
ter Erkenntnis. Vom Studium, das ihm den erfehnten Frieden nicht bringt, wendet
er fich zu allerlei mechanischer Arbeit (Buchbinden, Trechfeln u. a) und macht den Yeib
müde, unzufrieden mit fich jelbjt und feinem Schöpfer. Befondere Seelenängfte bereitet eo
[ei]
0 Myconins, Friedrich
ihm Die Prädeſtinationsfrage — er durdhlojtet die Schreden der Hölle. 1516 wird fr
in Weimar zum Prieſter gewweibt und hält darauf zu Pfingften feine Primiz in Gegen:
wart Des Herzogs Johann und feines Sohnes Johann Friedrich, die die Koften ber
Feierlichkeit beftritten. Bald darauf wurde ihm ein VPredigtamt dafelbjt übertragen, „und
ich that etlich wenig Predigt von der Heiligen Leiden und Yegenden” (Goprian S. 15f..
Mir Begier borcbte er auf die Stimme des Mittenberger Auguftiners, als dieſer den
Kampf wider den Ablap begann, und gebörte zu den GEriten, die feiner Führung in
das neue Verſtändnis des Evangeliums folgten. Je mebr nun der Weimarer Konvent
ſich ablehnend gegen Yutber verbielt, deſto jehtwieriger wurde die Pofition des M. Er
wurde ihnen immer verdächtiger, immer ſchärfer wurde er daher übertvacht, fein Verkehr
und ſein Briefwechſel Tontrolliert. Man bedrohte ihn mit ewiger Klofterbaft, und vor
feiner Seele tauchte Das Schickſal jeines Urdensgenofjen Johann Hilten auf, der wohl
20 Jabre bindurch in ſolcher Saft lebendig begraben geweſen war (vgl. Bd VIII 78ff).
Man verſchickte tb in Die Klöſter zu Yeipzig und Annaberg, ins Machtgebiet Des Herzogs
id Georg. Aber vo gelang ibm, 1524, auf dem Wege nach Annaberg zu entfliehen und
nach Zwickaunzu entkommen, wo er am Ausfägigenjpital Anftelung als Prediger fand.
Ron Bier ads richtete er in den Oſtertagen einen Mahn: und Troftbrief an jene liebe
Vergſtade Annaberg, Deren Franziskaner ibn nach der erjten Predigt, die er am Palm:
ſenntag in Zwickau gehalten, in den Bann getban batten; er ermahnte fie, ſich vor
den Rapiſten zu buten und ſich Die evangeliſche Freibheit zu bewahren. Auf Bitten bes
Alienbutger Berttihen Wenzeolaus Lind und des Gabr. Didymus wurde er von Zmwidau
mb Dem nabe bet Annabera gelegenen, aber unter kurſächſiſcher Herrſchaft ſtehenden
iadicben Ruchdoiz geiendet und nach vier Predigten von der Gemeinde feſtgehalten;
Ne begehrie bir Sturz Des ver Lutber ibr zugeſandten als ihren Prediger (M. an Stephan
Ne, tr Nut En Ader jegr berief ihn Herzog Johann nad Gotha auf Bitten
Me Nut, der Bentettdt und des Stiftes; Mitte Auguſt trat er bier fein Amt an.
In Weiha batten oder ziper bereits einzelne evangeliſch gefinnte Männer borgearbeitet,
aAberem der Suuptiadht Sub os mer dem wetlichen und weltlichen Regiment noch übel
au Der bobere und miedere Klerus war in toten firchlichen Mechanismus und fleiſch⸗
a tube eben veriunden. Dos ZS>uhreien, in den Banden unwiſſender und träger Mönche,
uam Argen. In der ftadtichen Verwaltung und bet den Ratsmitgliedern berricte
Nonude, Unprönung Mißwirtſichaft ivgl. Coprian S. 117). Eben jet, am Pfingit
Sichetag IS batte trunkenes Volk Die Sauter der Stifteberren geftürmt, viel Schaden
aitstndtre und die Piafñendirnen aus den geiſtlichen Häuſern bervorgebolt, der Nat aber
ou uderfrob dieſem Treiben nicht gewebrt. Herzog Jobann hatte dann die Übel:
unit zur Necberrichaft gezogen, und Die Stadt hatte Schudenerfah zahlen müſſen (Coprian
Z.IsEr Aber tolde Vorkommniſſe veritärften das Verlangen nad einer Reformation.
In dieie Berbaltnifie trat M. mit Weisheit und Thatkraft ein. Unanjehnlich und Hein
pen Geitalt, dazu von ſchwacher Sejundhbeit, enttaltere er Doch viel Einficht und Energie
und ilokte Durch feinen mit Milde gepaarten Ernſt jedermann Achtung ein. In fried⸗
der Werneinichaft mit feinen geiftlichen GSebilfen konnte er wirffam neue Ordnung
hie: „eueurrimus, certavimus, laboravimus, pugnavimus, vicimus et viximus
senper eonjunctissime et amicissime, alſo daß man ſich darob mundert” (Cyprian
"ve Als um Bauernkriege 1525 em Haufe Bauern zu Jchtersbaujen die Schlöffer
Wleuben, Müblberg und Wachlenburg jcehleifen und den Adel vertreiben wollte, trat er
ac entgegen und brachte fie durch cine ernjte Anjprache dabin, daß fie abzogen, obne
bad zu tbun. Um diefe Zeit (3. Mat 1525, Enders V 162F.) trat Yutber mit ihm
in drteilichen Verkehr. Geſehen batte ihn M. ſchon 1518, als er auf der Reife nad
Nunsbına in Weimar bei den Franziskanern übernachtet hatte; er batte ihn aber damals nict
rehen dürfen. Jetzt ſprach Yutber (ad te incognitus incognitum) ihm Mut ein,
und den Aufruhr ſich richt erichreden zu laſſen. Melanchthon, der feit 1527 ebenfalls
a ihm brieflich verkehrte, warnte ibn öfter vor unkluger Einmifchung in weltliche
Nadel und jünftigte feinen lebbaften, bisweilen ungeduldigen Eifer (CR I 1030f., II
IM. ließ dieſe Mahnungen nicht unbeachtet, und fo gejtaltete ſich fein Verhältnis
um Burgermeiſter Lob. Oswald, mit dem er anfangs manden Kampf batte, allmäblib
ireundlicher (OR XX 553, XXV 785) Won Grund aus reformierte er die Schulen der
indt und gewann dag Intereſſe der Bürgerichaft dafür, wofür ihm Melanchthon 1534 be
vonders Danfte (OR II 789). Im Auguſtinerkloſter errichtete er alsbald eine Schule, deren
alt Rektor von 1521-1535 der in den Briefen der Wittenberger oft erwähnte
thin Monner aus Weimar war, der fpäter Erzieber der Söhne Johann Friedrichs
>
\
—
Myconins, Friedrich 605
und furfürftlicher Rat wurde (Enders V 162, VII 183; CR I 1023. 1029|.) Diefen
folgten, Lorenz Schipper, Georg Merula, ſpäter Pankratius Süßenbach aus Schleſien,
dem M. nachruͤhmt, er babe die Schule in rechte Form und Ordnung gebracht. Wie durd)
Predigt und Seeljorge (vgl. CR XXIV 430. 780; XXV 736) wirkte er durch das Vor:
bild eines mufterhaften Wandels. In feiner 1526 gefchloffenen Ehe mit Vlargarete 5
Jäcken, Tochter des Barthel Jäcken, wurden ibm neun Kinder geboren, von denen aber
1542 nur noch vier am Xeben waren. Sein Sohn Friedrich, geboren 1537 nad) fieben
Töchtern (de Wette V 74), ftudierte mit Erfolg in Leipzig, Wittenberg und Jena, ftarb
aber bereits 1565. Cine Tochter, Barbara, heiratete den Gothaer Rektor Cyriakus
Lindemann, einen Verwandten Luthers; deren Tochter den Pfarrer zu Friedrichsroda,
Cyriakus Schneegaß (vgl. Koch, Geſchichte des Kirchenliedes? II 252 ff.), dem mir
die Herausgabe vieler Briefe angejehener Männer an M. verbanten in den Schriften:
XVI selectiores ... ad F.M.... epistolae, Schmalcaldiae 1593 und LXVI
ae ... Melanchthonis ad F.M. ... epistolae, Jenae 1594; vgl. CR I
LIV . 15
Bei der Bedeutung, welche M. bald im nächſten Kreife erlangte, fonnte fein Ein:
fluß nicht auf Gotha beichräntt bleiben. Den Prinzen (jpäteren Kurfürjten) Johann
Friedrich begleitete er dreimal alö fein Brediger an den Niederrhein nad) Köln, Jülich
und Cleve; ebenfo denjelben als Kurfürften 1534 über Fulda nad) Düffeldorf, Braun:
ſchweig und Celle Auf diefen Reifen fand er Gelegenheit, in Braunfchweig, Celle, 2
Soeſt, Ejjen und Tüfjeldorf „Ehriftum mit großem Zulauf des ermählten Volks Chrijti“
zu grebioen. Die Fahrten an den Niederrhein (zweimal 1526, einmal 1527) Itanden
in Verbindung mit der VBermählung Johann Friedrichs mit Sibylle von Jülich-Cleve.
Als M. bei der dritten Reife im Februar 1527 täglih im Schloß zu Düfjeldorf predigte,
trat der Stölner Franzistaner Joh. Haller aus Corbach ihm am 17. Februar mit einer
Predigt entgegen, infolge deren e8 am 19. in einem Gafthaufe am Markt in Gegen:
wart des jungen Herzogs, vieler Edelleute, Gelehrten und Bürger zwiſchen beiden zu
einem Religionsgeiprähb kam, bei welchem Corbah nach anfänglich heftiger Gegenrede
hließlich erklärte, er wiſſe des M. Sache nicht zu tadeln, fie gefalle ihm recht mohl.
s er aber hinterber die Sache jo darftellte, als habe M. ihm zugeftinmt, gab diejer so
die „Handlung und Disputation” in Drud (Wittenb. 1527, Erempl. in Breslau, Stadt:
Bihl.; Neudrud durch O. Redlih in 3. Berg. GV. [1893] 29, 193 ff.). Die fehr feltene
Gegenfchrift, die Corbach dagegen ausgehen ließ, iſt mir nicht zugänglicdy gemwelen. — An
den in Thüringen 1527 und 1533 veranftalteten Kirchenvifitationen nahm M. neben
Melanchthon, Menius, Chriftoph v. d. Planit. Georg v. Wangenheim und Hans Gotta :
hervorragenden Anteil (Burkhardt, Geich. d. ſächſ. Kirchen: und Schulvifitationen ©. 29}.
124 ff.). Zahlreiche Briefe Luthers und Melanchthons aus diejer Zeit betätigen feine
gene Ausjage: „Alle Pfarrer im Land zu Thüringen hab ich helfen vifitiren und fon-
ſimiren mit großer Sorg, Mühe und Arbeit.” An vielen wichtigen Reformationshand—
ngen nimmt er teil: am Marburger Religionsgefpräh 1529, der Wittenberger Kon= 40
fordie 1536 (ſ. den Bericht des M. bei Tentel, Supplem. Hist. Goth. III. 114ff.),
der Berfammlung in Echmalfalden 1537, den Verhandlungen in Frankfurt und Nünı-
berg 1539, dent Hagenauer Konvent 1540. Er befreundet fih dabei immer mehr mit
Melanchthon, dem er dankbar bezeugt: „er dienet mir wohl dazu, mit dem ich alle Sachen
zuvor abredet, der mir auch die Pfeile fiddert.“ 1538 zieht er mit Franz Burkhardt und 45
Georg von Boyneburg nach England, um mit Heinrich VIII. Theologen über die
Artikel der Augsb. Konfeſſion zu verhandeln (Xitteratur |. in Möller KG III? 188,
ZKS V 164 ff). Nach erfolglofer Arbeit Tehrte er nach einem halben Jahre ent=
täufcht und mit fcharfem Urteil über König Heinrich von dort zurüd. Erfolgreicher war
feine breivierteljährige Arbeit im albertinischen Sachfen nach Herzug Georgd Tode 1539. so
Er hatte die befondere Freude, am 4. Mai in feinem lieben Annaberg zufammen niit
Paul Lindenau vor einer Verſammlung von 6000 Menfchen die Neformation einführen
zu fünnen (G. Müller, Baul Lindenau 1880 S. 56). In den Pfingittagen erſchien er
(23. Mai) mit den Wittenberger Neformatoren in Leipzig, und hielt am 1. Pfingfttage
(25. Mai) die erfte evangeliſche Predigt in der Nicolatfirhe. Die Fürften ließen ihn 55
ier mit Gruciger zurüd zur Durchführung des Reformationswerkes: „Zu Xeipzig blieb
ich dreiviertel Jahre, und Ieget den Grund der ganzen Xehr Chrifti, richtet die Pfarren
und Minifteria an“. Er ftieß bier auf zähen Widerſtand; aber in vielftündiger Dispu-
tation im großen Golleg mit den Dominiltanern (20. Juni) brachte er „des Bapiteg Kram“
zu Falle. Er erwarb ſich die Zuneigung der Bürgerfchaft, fo daß der Nurfürlt Johann co
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606 Myconins, Friedrich
Friedrich gebeten wurde, ihn auf zwei Jahre dort zu laffen, „denn er jchaffet groß Nut
und Frucht, und das Volk trägt groß Gefallen zu ihm“ (Briefm. des Jonas J 361).
Sp lange durfte er freilich nicht bleiben; Anfang 1540 kehrte er zu feiner Gemeinde
zurüd. Sm Jahre 1539 batte er eine kleine Schrift ausgeben laffen, die uns den treuen
5 Seelforger zeigt: „Wie man die einfeltigen, vnd fonderlich die Kranden, im Chriſten⸗
thumb vünterrichten fol” (MWittenb. 1539, mit Worrede Luthers, EA 63, 363 ff.), eine
Schrift, die eine volljtändige paftorale Anleitung für Beichte und Kommunion am
Krantenbette giebt. Einer neuen Ausgabe, Frankfurt a. ©. 1598, iſt noch em Be
danken des M. „Wie man mit den befejienen Yeuten umgeben foll”, beigefügt.
10 Die Gefundheit des M. mar von jeber ſchwankend und feinem arbeitsreichen Beruf
nicht gewachſen. Echon im Frühjahr 1532 war Melanchthon um ihn beforgt (CR II
572$.); jeit den Anftrengungen der Vifitationstbätigfeit des J. 1539 aber, die er mehr:
fach fchon unterbrechen mußte (CR III 7.412. 772, Briefiv. d. Jonas I 340. 344), ent
widelte fich ein zunebnendes Yuftröhrenleiden; nur noch mit Mühe geitattete es ibm, im
1» Juni 1540 dem Konvent in Hagenau beizumohnen. Seitdem nahm es unaufhaltſam zu
(CR III 10975. 1124. 1129. 1139; IV 645; Briefw. d. Jonas II 19. 72). In
feiner gedrüdten Stimmung richtete ihn Luthers glaubengftarter Brief vom 9. Januar
1541 auf, in den diefer ihm zuruft: „Dominus non sinat me audire tuum transi-
tum me vivo, sed te superstitem faciat mihi. Hoc peto, hoc volo et fiat mea
20 voluntas, Amen, quia haec voluntas gloriam nominis Dei, certe non meam
voluptatem nec copiam quaerit“ (de Wette V 327). M. fchrieb es diefem Briefe zu,
daß er wider Erwarten fi langfam erbolte (a. a. ©. V 334); wirklich blieb er noch
fünf Jahre, 7 mal 7 Tage über Yutberö Tod hinaus, am Leben. Da er aber länger
Zeit hindurch den Hals fchonen mußte und nicht predigen durfte, benutte er bie Muße
25 zur Durbforihung der Archive des Stifte, der Klöfter und des Hoſpitals und machte
uszüge daraus: „Neues Erbbud und Kopey der Miniftratur 1542 und fchrie
ebento jest jeine Historia Reformationis von 1517—42 — beide zuſammen band
Ichriftlih in einem Bande der Herzogl. Bibl. zu Gotha —. Diefe Reformationsgeſchichte,
anſpruchslos, aber frifh und plaftifch feine Erlebnifje und Eindrüde widerſpiegelnd, iſt
30 das wertvolle Dokument eines Zeitgenojfen der Ereigniſſe. Obgleich er auch weiter
fränfelte, fonnte er doch in den beiden legten Lebensjahren dann und warn die Kanzd
wieder beiteigen. Ende 1545 trat jein Yeiden wieder ftärfer auf; am 4. Advent bielt er
feine lette Predigt. Noch erlebte er das große Brandunglüd Gothas, dag am 31. Oktober
1545 an 600 Gebäude zerftörte (CR V 884. 896f.), und den Tod Luthers, den er nob
35 unter den Lebenden juchte, als er am 21. Februar 1546 Paul Eber über feine jugend
zeit, feine Begegnung mit Tegel und den Traum tim Klofter berichtete und den Br
mit den Worten jchloß: „Nolo ista legat vel Lutherus vel Philippus, quibus
saepe ista recensui et habent meliora, quibus pro nobis occupentur”. m
ſichern Vorgefühl feines Endes verabfchiedete er fich brieflich von den Freunden Ratzeberger,
40 Mörer und Menius (Sedendorf III 619f.), empfahl dem Kurfüriten die Kirche un
J. Menius als feinen Nachfolger, empfing noch tröftende Briefe von Melanchthon (CR
VI 47. 69) und feinem einftigen Mitarbeiter in Yeipzig Gruciger (VI 27 ff.). Am 7. April
entichlief er, den Yobgefang Simeons ziveimal wiederholend, nahm. 4 Uhr. Tags darf
bielt ihm Menius die Yeichenpredigt (Mittenb. bei Georg Rhaw 1546), der R Pan⸗
ab kratius Süßenbach cine lat. Gedächtnisrede. Johann Stigel aber verfaßte die Diſtichen
auf dem Grabſtein am ſüdlichen Eingang der Gottesackerkirche.
Wenige Geftalten der Neformationgzeit berühren ung fo fompathifch wie M. Wie
Luther, fo war auch ihm das Verjtändnis des Evangeliums auf dem Boden innere
Herzens: und Yebenserfabrung erwachſen und fchlug bier tiefe Wurzeln. Er hatte frük-
so zeitig mit fich abgefchlojjen und konnte nur vorübergehend durch Servets antitrinitariſche
Cpefulationen beunruhigt werden (CR XXIV 398). In Luther erkannte er mi
Freuden von Anfang an „ven gejandten Dann Gottes und den legten Elias, den Ar
fänger, da noch niemand von diejen Handel hätte träumen dürfen” (Cyprian S. 47).
Nach feinem Tode fchrieb er an Johann Friedrich: „diefer Dr. Luther ift gar nicht ge
65 ftorben, wird und fann nicht jterben, fondern wird nun allererft recht leben, denn jene
Schriften find des lebendigen Gottes Schriften.“ Aber mit gleicher Pietät hing er an
Melanchthon und ebrte in ihm „miraculum mundi in omnibus artibus“. Vor den
dogmatifchen Streitigkeiten, in die fein Freund Menius hernach vertwidelt wurde, tft a
gnädig bewahrt geblieben. Die Xauterfeit feines Charafterd war allerfeit® unbejtritten
eo und ficherte fein Anfehen bei Freund und Feind. Troß feiner Tüchtigkeit in lateiniſchet
Myconins, Friedrich Mytonins, Oswald 607
wie deutfcher Nede und feiner volfstümlichen Begabung trachtete er nicht nad) dem Ruhm
des Cchriftitellers oder Gelehrten, fondern fuchte fein Arbeitsfeld in der kirchlichen
Praxis: videbam et intelligebam, ad quid maxime vocatus essem: ut essem
vox clamans ad parandam viam Domino (seht p. 142 f. ..
(Oswald Schmidt F) G. Kawerau. 5
Mykonins, Oswald, geit. 1552. — Biographien: M. Kirchhofer, Oswald My:
konius, Züri 1813; K. R. Hagenbach, Johann Delolampad und Oswald Myfonius, die Re:
formatoren Bajeld, Elberfeld 1859 (hiev wird auch dag Hauptſächlichſte aus den wenigen
Schriften des M., mit Ausnahme der Biographie Zwinglis, mitgeteilt). Dazu vgl. Die
Chrijten des M.; jerner die Biographien Zwinglis, Bullingerg, Oekolampads; Thomas und 10
Seliz Platter, zur Sittengefchichte des 16. Sahrhunderts bearbeitet von H. Boos, Leipzig
‘
Dswald M., Zivinglis Freund, Oekolampads Nachfolger, bieß eigentlich Geißhüsler
und war eines Müllerd Sohn (daber auch Molitoris genannt) aus Luzern. Geboren
1488, wandte er fi, von feinen nicht unbemittelten Eltern mit binreichenden Mitteln 15
verfeben, frühzeitig den gelehrten Studien zu. Zunächſt genoß er den Unterricht des als
Lateiner berühmten Rubellus, dem er von Rottweil jamt feinen Mitſchülern Glarean und
Berthold Haller nach Bern folgte. Sodann kam er zu längerem Aufenthalt nad Bajel.
Hier immatrikuliert 1510, wurde er Baccalaureus und erhielt nacheinander mehrere Schul:
ftellen; obwohl vdiejelben fein veichliches Austommen gewährten, wagte er es doc, fich zu 20
verbeiraten. In Baſel Schloß er auch einen für feinen fpäteren Lebensgang bedeutungs-
vollen Sreunbichaftsbund mit Zwingli und verfehrte häufig mit Holbein und Erasmus.
guet) hen war feine bebeutende Zehrgabe befannt geworden. Man rühmte an ihm die
ürze und Ginfachheit, mit der er den Echülern die fprachlichen Anfangsgründe beizu—
bringen verftand (Bibliander). Er erhielt 1516 einen Ruf als Lehrer an die Schule des 26
Shorberrenftifts von Zürih. Als folder gab er auch, in patriotifchem Intereſſe, zwei
Schriften heraus, in deren einer (von 1518) mir der reformatorifchen Außerung begegnen,
man müfle dem Papſt nur jo lange geborchen, als er nichts Unchriftliches verlange. Die
wichtigite Frucht jenes Aufenthaltes des Mykonius in Zürich mar aber ohne Ziveifel die
Berufung Zwinglis, für welche er bei beiden Teilen, ım vertrauten Umgang mit den
beſſer gefinnten Chorherren und in lebhafter Korrejpondenz mit dem Freunde in Ein:
(ebein, auf entfcheidende Weiſe thätig war. Er jelbft konnte fich freilich des glüdlichen
efultates feiner Bemühungen injofern nicht mehr lange erfreuen, als er bald darauf
durch einen Ruf an die Stiftöfchule feiner Vaterftadt Yuzern vorläufig von Zwingli ge:
trennt wurde. Wie fehr diefer feine Mitarbeit vermißte, geht am beiten aus der brief: 35
lichen Äußerung bervor: „feit du ung verlaffen, fo it mir nicht anders zu Mute, ale
einem Heerhaufen, dem der eine Flügel abgefchnitten ift; jest erit fühle ich, mie viel
mein Mykonius bei Weltlichen und Geiftlichen vermocht hat, mie oft er ohne mein Vor:
wiflen für Chrifti Sache und die meinige in den Riß getreten“. “Die Korrefpondenz der
beiden aus diefer Ju läßt uns einen tiefen Blid thun in das ernfte Streben des My: 40
konius, unter der Anleitung Zmwinglis frei zu werden von traditionellen Vorurteilen und
abergläubifchen Vorftellungen. Sie gebört aud in Tulturhiftorifcher Beziebung zu den
intereflanteften Quellen. Für Mykonius war der brieflihe Austaufh mit Zwingli ein
Labſal inmitten der vielen Anfechtungen, denen der „lutheriſche Schulmeifter” in Luzern
infolge freimütiger Außerungen 3.8. über Neliquienverehrung und über das " Peielaufen“ 45
ausgefeßt war. Obſchon die Schule unter feiner Yeitung gedieh, wurde er dennocd Mitte
1522 wegen feiner reformatorishen Anſchauungen von feiner Stelle entlaſſen; wie denn
auch feine Gefinnungsgenojjen Zimmermann (Tylotect), Kilchmeier und Gollin aus den
der neuen Lehre äußerſt feindlichen Luzern weichen mußten. Trotz der liebevolliten Zu:
ſprache Zwinglis wollte Mykonius nicht ohne eine beſtimmte Aufgabe nach Zürich fommen, so
ſondern blieb noch mehrere Monate in Luzern. Aus diefer peinlichen Lage befreite ihn
der treue Beichüger der aufblühenden ſchweizeriſchen Reformation, Diepold von Geroldsed,
indem er ihn, unter der Mitwirkung der Herren von Schwyz, nach Einfiedeln berief.
Doch ſchon nad kurzer Friſt kam die gewünjchte Berufung nah Zürich, mo er während
der fieben beveutungsvollen legten Lebensjahre Zwinglis demſelben treu zur Zeite ftand. 56
Zunächſt gehörte feine Arbeit der Schule beim Fraumünſter, und Thomas Blatter erzählt
uns in feiner Selbitbiograpbie voll Begeifterung, mit welchem Eifer und Erfolg Mykonius
die Schüler zum Studium der Klaffifer anleitete. Am Fraumünſter bielt er auch ſtark
befuchte deutſche Vorträge zum Neuen Teftament. Daneben beteiligte er fih in aller
Stille an ſämilichen reformatortjchen Werken Zwinglis. Dahin gebört feine Schrift von 60
30
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608 Mytonius, Oswald ee
1524: Ad sacerdotes Helvetiae qui — suasoria, ut
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iogr. d. M, ©. 463 ff.) ein ſchönes Zeugnis für ab.
30 — age nahm er einen fublimeren —— ein, als * meiſten ſe
genoſſen. Er nahm an den bezüglichen Verhand ungen, von Butzer aufgefordert, den
regſten Anteil. Im allgemeinen blieb er, wie aus ſeinen Briefen und aus —* *
mentar zum Evangelium Marci (Baſel 1538) erſichtlich iſt, den Anſchauungen Zwing
treu, nahm aber dazu noch einige ihm zur vollen Wahrhenen —— Nom *
5 aus "Sutber berüber. Als ibm die Züricher deshalb Vorwürfe ie A erflärte er, von
einem Übertritt ſei bei ihm feine Rede, er trete vielmehr san dem Jertume beider ab
und nehme von jedem das Wahre an. So wirkte er mit, in ber 1536 abgefapte
weiten Bajeler oder erjten helvetiſchen Konfeſſion das Sp dmahl als eim myſtiſches
I bezeichnet und von einem Eſſen des Yeibes und Trinken des Blutes Chriſti nich
40 zur —— Speiſe des Bauches, Een: Nahrung bes — Lebens geredet
wurde. Und auch als Luther, der infolge bieler Formel eine Weile Frieden gebalten,
aufs neue Losbrach, fuchte M. zu befänftigen, indem er nad) Zürich ichrieb, nd
G * und
wingli hätten ich mi veritanden ; Luther babe ſich nie wollen —— daß
Zwingli mehr bloße Zeichen im Abendmahl annehme, und hr inw
—— hu ie Die
15 habe nicht jehen wollen, da —— die ee Lehre —* Auch —
er ſonſt in theologiſchen Streitfragen um fein Guta tr e en gab er
Potum in verſöhnendem Sinne ab, —— als die vo —
Länge Bogen, lärte er ſehr richtig, das 3 arme Wolf babe bald Grund
— daß ſeine gegenwärtigen Pfarrer es in die Irre führen,
dem Rei eligionseifer, wie z. B. dem Widerwillen gegen bie —
— Herausgabe des Korans zu pin eh —* ar u Er
Nachdem er ae von der Peſt er
—— a n bervorragenditer — — iſt Ende "Shane,
( Me i, —— reformatoria II) vielfachen Einblick
56 7 des Vehrers eröffnet. M. hat die von Bilfiender beiorpte. X | der Briefi
Dekolampabs und winglis (Bafel 1536) weſentlich — und 3 ine erſie
furje Vita Zwinglii geſchrieben. 2 Egli
ufter, Jakob Peter, dänischer Bilchof, 1854, —
—— et a et 1854, 2, ER oa eh vom I P. w 2, Dnfer, Mit
rw
Myufter 609
J. P. M. an ®. F. Engelbreth in Kirkehistor. Samlinger 4 Reihe IV, 446f. 693f.; Aus
binterlajjenen Briefen an J. P. M., 1862; Einige Blätter aus J. PB. M.s, Leben und Zeit,
herausgegeben von C. L. N. Mynſter; H. WMartenfen, Zun Andenten au J. 3. M., 1855;
C.L. N. Myniter, Einige Erinnerungen und Bemerkungen über JZ.B M. 1877; 3. PBaludan:
Miller, Der apologetifhe Beitandteil in Biſchof M.s Predigt, in Nyt theol. Tidsskrift, V 5
1854, 110f.; &. Koch in Dansk biograf. Lexikon XII; 9. Schwanenflügel, X B.M. I—II,
1900; Fr. Kielfen in: „Der Proteftantigmus am Ende des 19. Jahrh.s“, 1902, 984 f. — Myn:
jter8 „Gemiſchte Schriften” liegen gefammelt vor in 6 Bänden, 1852—57.
Jakob Peter Mynſter wurde geboren in Kopenhagen den 8. November 1775. Sein
Vater, Inſpektor am königlichen Frederikshoſpital, ftarb ſchon 1777, aber im jelben Jahre
verbeiratete fich feine Mutter mit dem Oberarzt des Hofpitale, F. L. Bang, einen Bruder
der Mutter Grundtvigs (VII, 206) und der Mutter des Philoſophen Heinrich Steffens.
Doc die Ehe feiner Mutter mit Dr. Bang war nur von furzer Dauer; jchon 1779 ſtarb
fie, und Mynſter hatte jet in einem Alter von 4 Jahren fowohl den Vater mie die
Mutter verloren. Sein Stiefvater verheiratete fich bald von neuem, aber M. fühlte ſich 15
im Haufe feiner Stiefeltern nicht glüdlih. Das häusliche Leben war dort beberricht
von einem Pietismus, der ſich in langen ermüdenden Andadhten und in Strafpredigten
über die unbedeutendften Vergehen äußerte.
Kurze Zeit bejuchte M. die Metropolitanfchule, wurde dann aber im Haufe unter:
richtet und 1790 vom Vater privat zur Univerfität entlaflen. Während feiner Studenten: 20
jahre verkehrte er in einem Kreis von begabten Freunden, zu welchen u.a. Heinrich Stef:
fens gehörte. Auf den Wunfch feines Stiefvaters ftudierte er Theologie, ohne inneren
Trieb. Die theologische Fakultät in Kopenhagen war damals ziemlich jchlecht bejett und
der junge M. war, wie fo viele junge Männer im Anfang des 19. Jahrhunderts, ohne Sinn
für pofitives Chriftentum, begetftert für die franzöftiche Revolution und von pbilofophifchen 25
und äfthetifchen Intereſſen in Anspruch genommen. Doch rührte fich in feinem Innern
eine Sehnſucht nach etwas anderem als Philoſophie und Ajthetil, und er war oft von
Schwermut geplagt.
Nach jeınem theologifchen Amtseranıen wurde er Hauslehrer auf Bregentveb und
dadurch Lehrer des erſten Eonftitutionellen Mlinifterpräfidenten Dänemarks, ded Grafen 30
AM. Moltke. Auf Schloß Bregentved mar reiche Gelegenheit zum Selbitjtudium, und
M. las die deutichen Philofophen, deutſche und Franzöfiiche Dichter. 1801 wurde er zum
Baftor in Spjellerup auf Seeland ernannt, wofür Graf Moltke das Vokationsrecht hatte,
. trat aber erft 1802 fein Amt an.
Im PBaftorat zu Spiellerup führte er ein ſehr einfanıes Leben, und die alte Schwer: 35
mut fuchte ihn dort oft beim. Aber an einem Sommertage des Jahres 1803, als er
allein auf feinem Sopha faß und in Jacobis Schrift über Spinoza las, fuhr e8 ihm
auf einmal dur die Seele wie ein Xicht von oben, und er fagte fich mit aller Klarheit:
„Wenn das Gemiflen nicht eine bedeutungslofe Einbildung iſt — und in diefer Hinficht
begte er feinen Zweifel —, wenn du demfelben in einigem gehorchen follft, dann ſollſt #0
du ihm in allem gehorchen, ganz unbefümmert um das Urteil der Welt, ihr Lob oder
ihren Tadel. Und wenn es einen Gott giebt — und auch bierüber war in feinem Herzen
fein Zweifel — und du dich doch nicht weigerſt, dich in einigem vor ihm zu beugen und
dich in feinen Willen zu ergeben, dann follit du es in allem thun, ohne Vorbehalt und
gänzlich dich und all das deine feiner Vaterband überlafjen.” 5
Einen plöglichen, geiftigen Durchbruch batte er erlebt, der die größte Bedeutung für
ihn erbielt. Schelling, Steffens und Novalis hatten ihn ſchon vorber den chriftlichen
Ideen näher gebracht, aber der hiſtoriſche Chriſtus war ihm doch nur eine poetifche Ge:
ftalt gewejen. est aber konnte er mit Entzüden und innerem Jubel fagen: „Sch habe
einen Gott und einen Heiland!” Viel fpäter bat er in einer Predigt gejchildert, mie
tiefere Forſchung ihn zwar dem pofitiven Chriſtentum genähert, aber Gott ihn „auf dem
Wege der Liebe” zu fich gezogen babe. In der Äde und Leere der Welt habe er das
Bedürfnis nach einem Mittler zwifchen fih und Gott empfunden, und da hätten ihn
„die tiefen Töne aus der Vergangenbeit” mit wunderbarer Kraft ergriffen, jo daß er
ihnen laufchte und ein anderer wurde. Es mar das Gewiſſensgebot und das Seufzen
der Kreatur in feinem Herzen, das ibn zum Ghriftentum 309.
Nach dem Bruch mit dem Nationalismus befam feine Predigt eine andere farbe
und einen anderen Inhalt, wovon einige gedrudten Predigten aus diefer Zeit Zeugnis
ablegen. Diefe Spjellerup- Predigten, die „eine Fromme Geſinnung“ zu fehildern und zu
weden ftrebten, erhielten eine Bedeutung für viele Leſer; fie baben vielen Dänen zur 60
Kirche geläutet.
NealsEncyllopäbie für Theologie unb Kirche. 8. U. XI. 39
⸗
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7)
610 Mynſter
1812 wurde M. nad) der Hauptſtadt verſetzt als erſter Kapellan an der Frauenkirche.
Im Jahre darauf wurde er zugleich Dozent der Pſychologie am Predigerſeminar, 1826
Hofprediger, 1828 königlicher Konfeſſionarius und Hof: und Schloßgeiſtlicher. Als Prediger
verſammelte er in der Hauptſtadt eine ſtets wachſende Schar um ſeine Kanzel, und viele
5 der beiten Männer und Frauen der Nation wurden durch feine Haren und überzeugenden
Neden aus der rationaliftifchen Wüfte hbinausgeführt. Seine Stärle war nicht Diefes ober
jenes Einzelne, fondern eine feltene Vereinigung von verfchiedenen Fähigkeiten und An-
lagen, eine Harmonie, die ihren innerften Grund in feinem Gotteöverhältnis hatte. Cr
war beredt, aber es war nicht die Beredfanikeit, die zu ihm hinzog; es war jeine Bar:
10 monifche, würdige Verfönlichkeit. Seine Eigentümlichkeit ald Prediger mar der
Sinn für das Ethiſche und Piychologifche, und im Laufe der Jahre trat die Totalität
des hriftlichen Glaubens in jeinen Predigten ſtärker und ſtärker hervor. Er bat auch
eine kurzgefaßte Dogmatik hinterlafjen, die nicht allein den Umfang und die Tiefe feiner
ee uden Studien, fondern zugleich jein entſchiedenes Iutherifches Grundgepräge
15 darthut.
Aus feinen Vaitorenjahren in der Hauptitadt ftammen eine Reihe von theologiichen
Abhandlungen die er gefammelt in deutſcher Überfegung herausgab (Kleine theol. Schriften,
Kopenhagen 1825). Die meiſten behandeln ifagogifche Fragen; in einer derſelben redet
er der fühgalatifchen Hypotheſe das Wort, die in neuelter Zeit fo viele Anhänger ge
20 wonnen bat. Er war nicht nur in der ajtbetifchen und pbilofophifchen Litteratur be
wandert, fondern er hatte auch eine nicht geringe Firchengejchichtliche en ve Be
Ive e derjelben find mehrere bedeutende Abhandlungen über die Verhältniffe in der Ur:
icche.
Als Biſchof Münter (ſ. d. A. oben S. 553) 1830 ftarb, erwarteten viele, Daß M. fein
26 Nachfolger werden würde. Aber der als theologifcher Profefjor und befonders als nordiſcher
Archäologe befannte P. E. Müller befam den Vorzug. Als aber Müller fchon 1834
Itarb, war M. der gegebene Dann für den Biſchofſtuhl von Seeland, und er bat mit fefter
Hand das ſeeländiſche Stift bis zu feinen Tode verwaltet.
In feine Paftorenzeit fiel &rundtvige firhlicher Kampf. Aber für Grundtoig hatte
so er feine Sympathie. In den Tagen, wo, veranlaßt durch Grundtvigs „Kirkens Gjen-
mäle“ (VII, 213f.), die Wogen der Erregung hoch gingen, hielt M. eine merkwürdige
Predigt von „der hriftlichen Weisheit”, durch welche er, troß feiner Einigkeit mit Grundwig
in chriſtlicher Hinficht, feine Sache von derjenigen Grundtvigs fchied; der große Lärm
und Grundtvigs feifellofer Ungeftüm mar ihm zumider. Der Gegenfats zwiſchen dieſen
36 beiden großen kirchlichen Perſönlichkeiten dauerte bis zuletzt, und verſchiedene Male
prallten die beiden Reden zuſammen. Auch die kirchlichen Freiheitsgedanken Grundtoig
waren M. zuwider; ſpäter kam auch noch der politische Gegenſatz hinzu, als Grundtuy
ſich mit Begeifterung dem neuen Grundgejeß und den von bemfelben gefchentten Fri
beiten anieloß, während M. fi den vermeintlichen Segnungen der Freiheit und dei
40 allgemeinen Wahlrechts gegenüber jfeptifch verhielt. Er war einer von den wenigen, die
auf der grundgefeßgebenden Reichöverfammlung gegen das Grundgefeh jtimmte. Auf der
anderen Seite gelang e8 Grundtvig, die Einführung einer Reviſion des Rituals und de
Agende, die M. vorgenommen batte, zu verbindern, und auf dem Firchenpolitiichen Gebiet
kam es in den Sahren nach dem Erlaß des Grundgejeges oft zu Zufammenftößen zwiſchen
5 M. und den Schülern Grundtvigs. Aber auch von andern Seiten ber fand M. Wider⸗
ftand. Als nah dem Tode Friedrichs VI. der Liberalismus in Kirche und Staat fen
Haupt zu erheben begann, mußte M. es in mehrfacher Weile fpüren, daß er im
ftand, ein einfaner Wann zu werden. Es war ihm unmöglich, die liberale Strömung
zu bemmen, und in feinen legten Jahren fonnte er nur „mit Trauer und Widerwillen
so. an die öffentlichen Angelegenheiten denfen.
Aber in ftillen Stunden, die fein mühevolles Amt ihm erübrigte, erfrifchte er fih
an der Fortſetzung feiner Studien und litterarifchen Arbeiten, und eine Predigtſammlung
nach der andern kam von feiner Hand heraus. Seine „Betrachtungen über die dhriftliche
Glaubenslehre” (in 2 Bänden; deutjche Überjegung von Th. Schorn, 2 Aufl., Hamburg
65 1810) waren lange Zeit ein beliebtes Andachtsbuch, das fich weit über Dänemarks
Grenzen hinaus Bahn brad. In feinen letten Jahren maren feine Gedanken von der
Arbeit an einer Verfaffung für die bänifche Bollstirche in Anſpruch genommen. Ber
gebens batte er bei den Verhandlungen über das Grundgefeß ſich bemüht, daß im dieſem
Beltinnungen aufgenommen würden, welche der Volkskirche ihre Selbitftändigleit und
so ihr Eigentumsrecht ficherten. 1853 wurde er Vorfigender einer kirchlichen Kommiſſion,
Mynfter Muyrrhe 611
welche die Verfaſſungsfrage bearbeiten ſollte, aber ehe dieſe recht in Wirkſamkeit trat,
ſtarb er (den 30. Januar 1854).
In M. verlor die däniſche Kirche einen ihrer bedeutendſten Männer. Er war aber
kaum im Grabe erkaltet, als ©. Kierkegaard (X, 281; XII, 378) einen ungeſtümen Angriff
auf feinen Nachruhm richtete. Es kann nicht geleugnet werden, daß dieſer Angriff eine 5
Zeit lang dazu beitrug, eine Reaktion gegen die unbegrenzte Ehrfurcht, die bisher M.
umgeben hatte, hervorzurufen. Er war ja auch in politiſcher Hinſicht fein Mann ber
neuen Zeit. Nah und nad ift jedoch eine gerechtere Beurteilung dieſer hervorragenden
firchlihen Geftalt angebahnt worden. Sn einer toten Zeit hat er, als ein Redner über
die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern, in Berveifung des Geifted und der 10
Kraft pofitives Chriftentum gepredigt, und er befaß eine Feſtigkeit und Unbefledtheit des
Charakters, die allen Sodadtung abnötigen muß. Fr. Nielſen.
Myrrhe. — ©. Celfius, Hierobot. I, p. 520eqq.; Winers RWB unter „Eifig“ und
„Myrrhe“; Oken's Naturgefchichte III, 3, & 1760; Riehms Handwörterbuch? S. 1069 f.;
Löw, Aram. Pflanzennamen 246, 15
Myrrhe, 77, oudova, äoliſch udooa, it das jehr mohlriechende Harz des erſt von
Ebrenberg genauer bei riebenen balsamodendron myrrha (Nees), eines befonders in
Arabien und Athiopien (Herod. 3, 107; Strab. 16, p. 769. 792; Diod. 3, 46; über
Ägypten fam das Gewächs auch nach Hellas, Athen. 15, P 681), nicht aber in Palä—
ftina (daher Myrrhe Mt 2, 11 unter den föftlichen Gefchenten der Magier erfcheint; auch 20
HL 4, 6. 14 fprechen nicht für deren Vorkommen in Kanaan: in beiden Stellen mird
die Geliebte mit einem Garten voll köſtlicher Wohlgerüche verglichen, fofern fie fich mit
Myrrhen behängt 1, 13 und gefalbt hat) wachjenden Baumes oder Strauches, den die
Alten, die ihn zum teil nur vom Hörenfagen und nicht aus eigener Anjchauung kannten,
nicht ganz übereinftimmend befchrieben haben, |. Theophrast. hist. plant. 9, 4; Plin. 3
H. N. 12, 33sqq; Diod. 5, 41; Dioscorid. mat. med. I, 73. 77. Das Harz, an-
fange ölig, dann gerinnend, ift erſt gelblich-weiß, dann aber, zu harten Tropfen oder
Kömchen von eigentümlich balfamifchem Geruch und bitterem Gejchmad erhärtend, rötlich;
es fließt teild von felbft, und died war die ebelfte Art, Exod. 30, 23 durd IT,
5,5 mit 7 "= bezeichnet — („von felbit) fließende Myrrhe“ (doch könnte 30
ter auch einfach an ein flüffiges Präparat, eine Salbe, im Unterſchied von den Kör-
nern im Beutel 1, 13 oder zum Näudern 3, 6 gedacht fein), von Plinius oraxım
genannt (jo auch LXX HR. 1, 13), fonit von LXX und Sir 24, 15 dem Sinne
nah gut durh ou. &xAexın, Vulg. murrha probatissima wiedergegeben; auch 957
(„Tropfen“) bezeichnet Erod. 30, 34 wohl dasjelbe, wie denn LXX es durch oraxın 35
geben; teild gewann man die Myrrhe, die übrigend in verfchiedenen Sorten und nicht
immer unverfälfcht, zum Teil wohl auch durch ähnliche Harze von anderen Bäumen erfeßt,
in den Handel fam und namentlich durch Nabatäer und Phönikier aus Arabien in den
Weſten geführt wurde (vgl. Ritter, Erdk. XVI, S. 389; Robinfon, Baläftina, III, ©. 114),
durch Einfchnitte in die Rinde des Baumed. Sie hat einen bitteren, jcharfen, gewürz⸗ ao
baften Geſchmack. Gebraucht wurde fie teild zum Räuchern (H% 3, 6, cf. Plin.
H.N. 21, 18; Athen. III, p. 101), teil® zum arfümieren der Kleider und Betten
(Pi 45, 9; Prov. 7, 17, vgl. wie die Geliebte das Aroma in einem Sädlein am Bufen
mug, H% 1,13: a7 TS), teile als DI TE 729, Eſth. 2, 12, zu Salben
(Exod. 30, 23; HR 5, 5, wo die Salbe auf die Thürriegel nieberträutelt) teils, 45
wie noch heute, als Arznei (Herod. 7,181), teil$ endlich pulverifiert zum Einbalfamieren
der Leihen (Jo 19, 39; Herod. 2, 86; vgl. Real-Encykl. Bd II, S. 531,32 ff. (daher
die meiften Kirchenväter die Miyrrhen Mt 2,11 als Zeichen des bitteren Leidens und Ster-
bens faßten; ſ. Dillmann in Ewalds Jahrbb. f. bibl. Wiflenich. V, ©. 138 Note 22). Auch
dem Weine wurden Myrrhen beigemilcht, um ihm einen würzigen Wohlgeruch zu geben, co
und dieſer weniger beraufchende uvooivns olvos, vinum murrhinum, war bei den
en namentlich jehr beliebt (Plin. H. N. 14, 15. 19, Athen. 11, p. 464; Gell.
.A. 10,23 u... Nah Me 15,23 wurde Jeſu vor der Kreuzigung „Louvorvioufvos
olvos“ angeboten, d. 5b. wohl allgemein „Gewürzwein“, wie denn Mt 27, 34 Ddiefen
Trank, „Eſſig mit Galle vermischt”, nennt, momit er die mit irgend welchen bitteren 55
Ingredienzien gemifchte osca oder den fauern Wein der römijchen Soldaten begeichnet —
in diefem Fall natürlich zum Zweck der Betäubung; nad jüdiſcher Sitte nämlich wurde
den Hinzurichtenden ein mit Weihrauch zur Betäubung gemifchter Trank gereicht; ſ. Light:
foot, Horae hebr. et talm. ad Matth.27,34 et ad Joh. 19,39. (Rüetfgi F) Kittel.
39*
612 Myrte Myftagogische Theologie
— &. Plin. H, N. 18, 85; Athen, II, p. 43agg.; XIV, p. 6ölagg.; XV,
Miyrte,
5 675 sag. und vgl. Gelfius, Hierobotan, II, 17 * Nie 2* örterd. S. 1060f.; Lim,
Aram Pilanzennan. 50; Hein, Kulturpflanyen x,
ina, wie —8* in Syrien, w
. Georg. 1, 106) ge —
15 5 23, 4 1." pen —
———— — —— 6), oder wurden auf den Meg re 50)
Ei © trug man bei Gaftmälern ( orat. ds un Snnbel ide de
bejonders Do eiten, da bie * der Aphrodite — und
— — eignete ſich der
enname eines liebli äbehens; ee fübrte befanntlic
uriprünglich dieſen Sad. 2a (Rüetichi F) Kittel.
— Bit Ga, D it des Fr
1940, © OR" Combat der —*
— ie | in ihrer eich! icen Entwidelung, 32%, Bo IX—
25 — ne u. 50 (= : aa I,
r —— enden —* onafunde L, "sog, S. 335 ff.
vder by; Litteratur, 2. Aufl. 1897, ui i Ku ifter Di —
er itteratur, 2. Aufl. var. m Me der in
—— Serien); 5. F. ea — Eastern Westen,
ie * Dee Er
male ie une Grtlärungen (Sabre. 8* hiſt. Bill Be ua — kobenie IV, By.
richt darüber von E. Kurk 895, ©. 617 ED; Dres, |
— von G. Rietſchel, Lehrhuch der Sigi. 1, — in — 100, — es
ED. Dieyer, a theol, Litteratur der griech. Kirche im 16.
ue, var. 1. (be Kadett biäher das 16. Sad in En Binden,
3s.und bad 17. Zn Bm 1894 ff.). en, YO
D | der Litu nä
onen in De oremnchen Ah heimi i & Ki ka — * mi de, Die
ft aber bier längjt nicht jo entwidelt und w genommen wie dort,
ideen, Die rn
wo jie — nicht dogmatiſch geworden iſt, vr in wahr
an gebildet baben, tiefiter Ehrfurcht begegnet, ja für unantajtbar ilt. Die Nam
ogen gehören zu den geehrteſten im ber orientaliſchen ba,
gottespienftlichen Feiern nicht ſowohl nad) gefcpüchtlicher Methode auf ibren Urfprung
ihre Entwidelung unterfucht, als vielmehr im ganzen oder im nem <
lichen Gebeimfinn angejehben werden, kann von „my ogiſcher The ie” ‚geredet werde
45 Eine ſolche Liturgik entjpricht der Vorftellung vom Kultus, die in der orientalifchen Kir
ert bat und unabtrennbar ijt von ben Gedanken diefer Kirche über ? dos Mc
Ghriftentums. Für legtere ift es das Maßgebende an einer er. er ji
Io bat, die — nicht unmittelbar erkennen kann. Wer die
— „Myſtagog“. Prieſter und Theologen find es, die ea
währen. 3 älterer Zeit fonnte der Theolog unter jedem Gefichtspuntt
jondern aud) der Dogmatiker > — als Myſ
65 iſt alle tonventine, wenn jest nur noch
als „myſtag
Für die oe ber Bereite See En vo —*
„AvoTa bie Erläuterung: u u ae s
— iſt diejenige, —* der Titel Sri a
a0 Pan braucht fich nur an die Weitfchichtigkeit des Begriffs des „rue
Myſiagogiſche Theologie 613
um zu verſtehen, daß die myſtagogiſche Theologie nicht gerade notwendig bloß als „Lehre
vom Kultus” gedacht wurde. Überall, wo ein Geheimnis im Spiele ift, konnte von einer
Avorayoyina geredet werden. Photius bat feiner Schrift über die Zerrdoevos des bei:
Ligen Geiſtes die Überjchrift gegeben zent Tjs uroraywyias tod dyiov nveiuarog.
Auch die Ankündigung eines „WMunders“ wurde als uvorayayla bezeichnet. Ich habe
mir aus Gregor von Wofla, Adv. Apoll. XXI (MSG XLV, 1165), die Wendung no:
tiert: 5 yovousn tij naodern naoa toü JTaßoımi uvoraywyla. Tas uvoraymyeiv
iſt Einführung, „Einweihung“, in ein Myſterium, welcher Art es ſei; es fann praftifch
oder tbeoretifch fein, es fann gefcheben durch Darbietung eines Myſteriengenuſſes oder aud)
bloß durch Schilderung, es kann auch die Korn der repräfentativen Darftellung haben: 10
Stephanus citiert 3. B. aus (Gregor von Nazianz (ohne näbere Angabe) einen Satz,
wonach Ghriftus bei der Verklärung auf dem Berge doroanre xal Hilov pwroadE-
0TE005 yivaraı „uvoraywyav To mEllov". Meben dem geiftlihen Sprachgebraud gab
e3 auch einen profanen: im alten Hellas wurde als uvoraywyos aud der Cicerone be:
zeichnet, der für Geld den Reiſenden die Tempel und ihre Heiligtümer zeigte und erklärte. 15
Innerhalb des kirchlichen Sprachgebrauchs bat fih mit der Zeit ein ganz konkret zuge:
Ipigter Zinn von uvoraywyia firiert. Stepbanus macht ibn fenntlich, indem er aus
Theodor von Ztudion den Satz beibringt: Hueis roõ Ayımrdrov natoıLdpxovV UPNLO-
vevouev &v 17 uvoraywyia. Hier ericheint die Yiturgie xat' &Soyrpv, die Abendmabhls-
feier, im ſpezifiſchen Sinne als die „Myſtagogie“. In der That ift fie für die „mofta= u
gogiſche Theologie” das eigentliche Haupttbema geivorden. Für die Abendmahlsriten bat
die orientalifche Mirche auch die feitefte Theorie gejchaffen.
Um eine Überficht über die Entmwidelung der myſtagogiſchen Theologie zu gewinnen,
mögen wir den Ausgang von den „myſtagogiſchen Katecheſen“ des Gyrill von Jeruſalem
nehmen. Sie führen uns in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Daß er mit ihnen etwas:
befonderes biete, deutet Cyrill durch nichts an. Sie werden alfo nicht die erften in ihrer
Art geivefen fein. Allein fie repräfentieren litterarifch für uns den Anfang. In ihnen
it alles noch ſehr jchlicht aufgefaßt. Nachdem Cyrill in achtzehn Katecheſen das Tauf:
Inmbolum „tradiert“ und ausgelegt bat, und nachden inzwifchen die Taufe vollzogen tft,
hält er noch fünf Katechefen an die veopwtoror bezüglich der Feiern, durch die fie nun 30
bindurchgeführt find. Es iſt die Zeit der ftrikteften Arkandisziplin. Vorausgeſetzt ift,
daß die Täuflinge bis zum Taufafte nichts davon milfen, wie die Kirche die Taufe voll:
ziebt und mas alles auf fie folgt. Dicht vor und alsbald nach der Taufe bat ein Sal—
bungsakt jtattgefunden. Tann baben die Täuflinge zuerjt die Euchariftie empfangen,
zuerit gefehen und gehört, was bei diefer Gemeindefeier alles geſchieht. Cyrill refapitu: 35
liert großenteils nur einfach die einzelnen Akte. Gr ſcheint anzunehmen, daß die Täuf—
linge gar nicht ganz gemerkt haben, durch mie vieles fie bindurchgeleitet find. Alſo das
meiste, was er in diefen „myſtagogiſchen Katecheſen“ vorbringt, iſt bloße knappe Schilde:
rung. Nur bin und wieder bietet Cyrill auch Erläuterungen der Art, daß er zeigt, wie
der Ritus fchon durch jeine Form Bedeutung babe. Was die Taufe, Salbung, Eucariftie 0
fachlich gewähren, ift auch „ſymboliſch“ ausgedrückt; der Kortjchritt der Handlungen zeigt
die ;rortfchritte in der Erneuerung des Menjchen. Merkwürdig, daß Cyrill für die Eucha—
riſtie am menigften von fombolifcher Art zu bemerken findet. Er iſt da noch ganz bin-
genommen von bloß „dogmatifchen” Gedanken, d. b. von dem Intereſſe, den „Neulingen“
einzuprägen, daß es nicht lediglib Brot und Mein war, was fie da empfingen, fondern
in wunderbarer Weiſe der Yeib und Das Blut des Herm. Befonderes (Gewicht legt er
auf das rechte feierliche Verhalten der Gläubigen felbit, giebt dafür Speziell Anweisungen,
zum Teil mit fombolifcher Motivierung.
ch habe in der Vergl. Konfeſſionsk. (I, 393 ff.) ausgeführt, daß die moftagogifche
Theologie das Intereſſe gewähre, die Arkandizziplin zum Schmwinden gebracht zu haben. 5o
Zwar der Mann, der der eigentliche Begründer jener „Iheologie” als einer Sonder:
wifjenfchaft ift, der Pſeudo-Areopagite, it noch ganz beherrſcht von der Arkandisziplin,
aber er bat ihr doch indirekt ein Ende bereitet, indem er ſie überflüffig machte. Die
Arlandisziplin, die ficher nicht vor der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts auf:
gekommen tft (über vermeintliche Zpuren von ihr bei Tertullian, Clemens von Aleran: 55
drien, Drigenes ſ. mein Werk „Tas apoft. Symbol“, Bd II, S. 91ff. 105 ff. 176 ff),
hängt mit Bräuchen aus der antiten Myſterienpraris zufammen (dgl. d. A. Arkandisz., Bd II,
51ff.). Sie verrät, dag die Auffaſſung der Kirche von ihrem Multus Sich derjenigen ſehr
genäbert hatte, die in den griechifchen Kultvereinen heimiſch war. Aber die fides silentii
war doch nur ein ſehr äußerliches Mittel, um die chriſtlichen „Myſterien“ vor Entweihung 60
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612 Myrte Muſiagogiſche Theologie
Myrte. — S. Plin. II. N. 18, 85; Athen. II, p. 43sgq.,; XIV, p. 6ö5lagg.; XV,
p. 675 sqq. und vgl. Gelfius, Hierobotan. II, 17 sqq.; Riehms Handwörterb. S. 1060 j.; Löw,
Aram. Pflanzennam. 50; Hehn, Kulturpflanzen 2. ®, 229 ff.
Myrte, CM, uvgoirn, ein in Aſien bäufig wachlender, von dort nach Griechenland
» und Italien verpflanzter Baum, der etwa 10 Fuß body wird und gem in Thälern und
an Ufern, doch" auch auf Anhöhen (Plin. H. N. 16, 30, vgl. Neb 8, 15), wofern fie
nicht ganz troden find, wächſt. Seiner Schönbeit, feiner glatten, immergrünen Blätter
und weißen Blüten, wie des Wohlgeruchs wegen, den Blumen und Blätter verbreiten
(Virg. Ecl. II, 54), war diefer Baum eine von jeber beliebte Gartenzierde und wurde
10 auch bei den Hebräern als Kulturgewächs gepflegt (vgl. Jeſ 41, 19; 55, 13, wo in ber
meiftantfchen Zeit die Wüſte einem Garten voll von blühenden Myrten gleichen fol),
obwohl. er auch ın Paläſtina, wie überall in Syrien, mild wuchs, Nehemia a. a. D.).
Aus den ſchwarzen (Virg. Georg. 1, 106) Beeren wurde ein DI und fogar eine Art
Wein bereitet, Plin. H. N. 15, 35—38; 23, 14. Myrtenzweige dienten bet allen Feſt
15 lichkeiten als Schmud der Häufer und Zimmer (3.8. beim Laubbüttenfeit, Nebemia a. a C.;
vgl. Theophrast. hist. plantt. 4,6), vder wurden auf den Weg geitreut (Herod. 7,59),
und Myrtenkränze trug man bei Gajtmälern (Horat. Od. 1, 4, 9; 1, 38, 5. 7) und
bejonders bei Hochzeiten, da die Myrte der Apbrodite heilig und Symbol ebelicher Liebe
war (Virg. Ecl. 7, 62; Aen. 6, 143; Pausan. 6, 24, 5). Terefflih eignete ſich ber
> Name Hadafla:Miyrte als Eigenname eines lieblihen Mädchens; Ejther führte bekanntlich
urfprünglich diefen Namen, Eft. 2, 8. (Rüetſchi F) Kittel,
Myſtagogiſche Theologie. — Litteratur: Gaß, Die Myftit des Nikolaus Kabaſilas,
1849, ©. 155 ff.; Symbolit der griech. Kirche, 1872, S. 298 ff.; Steig, Die Abendmahlslehre
der griech. Kirche in ihrer geichichtlichen Entwidelung, TH, Bd IX— XII 1864 ff., ſpeziel
358 23—27 (= XI, ©. 193{f.), $ 48 u. 50 (= XIN, 653ff. u. 666 ff); Kattenbuſch, Lehrb
der vergleichenden Konfeſſionskunde I, 1892, ©. 335 ff., 350 ff, 393 ff., 491 ff.; Krumbader
(Ehrhard), Geſch. der byz. Ritteratur, 2. Aufl. 1897, var. 1. (f. im Regijter die Namen ber in
Betracht kommenden Scriftiteller); %. E. Brightman, Liturgies Eastern and Western, vol.I
Eastern Liturgies, 1896, fpeziell Introduction pag. XCIII-XCV; NR. Krasnojeljcev, Ueber
3, alte liturgifche Erklärungen (Sahrb. d. Hıft.:philolog. Gefellich. zu Odefja IV, Byz. Abt. II,
1894, rufj.; Bericht darüber von E. Kurg in Byz. Beitihr. IV, 1895, ©. 617f.); Drews,
Rec. von G. Rietſchel, Lehrbuch der Liturgit 1.85, in ThStKr 1900, ſpez. S. 480-488;
PH. Meyer, Die theol. Litteratur der griedy. Kirche im 16. Jahrh., 1899; E. Le Grand, Bi-
bliographie Hellenique, var. ll. (behandelt bisher das 16. Jahrh. in drei Binden, 1885 fi.
3; und dag 17. in vier Bänden, 1894 ff.).
Die moftagogifche Theologie iſt eine Form der Liturgik, nämlich diejenige, die be
fonders in der orientalifchen Kirche heimisch iſt. Sie fehlt der lateinischen Kirche nicht,
it aber bier längſt nicht jo entwidelt und wird auch nicht jo ernft genommen tie dert,
wo ſie zwar nicht dogmatiſch geworden ıft, doch aber in den Grundideen, die fich heraus
40 gebildet haben, tiefiter Ehrfurcht begegnet, ja für unantajtbar gilt. Die Namen der großen
Myſtagogen gehören zu den geebrtejten in der orientalifchen Kirche. Überall da, wo die
gottesdienftlichen Feiern nicht ſowohl nach geichichtlicher Methode auf ihren Urfprung und
ihre Entwidelung unterfucht, als vielmehr im ganzen oder im einzelnen auf einen galt
lichen Gebeimfinn angejeben werden, Tann von „moftagogifcher Theologie” geredet werden.
5 Kine ſolche Liturgik entpricht der Vorftellung vom Kultus, die in der orientalifchen Kirk
ih firiert bat und unabtrennbar iſt von den Gedanken dieſer Kirche über das Weſen de
Chrijtentume. Für legtere ıft es das Maßgebende an einer Zultifchen Feier, daß fie De
züge bat, die man nicht unmittelbar erfennen fann. Wer die Feier „leitet“ oder „erHlät”,
iſt gleicherweife „Myſtagog“. Prieſter und Theologen find eg, die die „Myſtagogie“ ge
;o währen. in älterer Zeit fonnte der Theolog unter jedem Gefichtspuntt, nicht nur de
„Xiturgiker”, fondern auch der Dogmatiker oder Ereget als Myſtagog bezeichnet werden.
Es iſt alſo Tonventionell, wenn jegt nur noch die Liturgik in der orientalischen Kirk
als „myſtagogiſche Theologie” betitelt wird. In der römischen Kirche nennt man die ih
entfprechende Tisziplin, in übrigens unbeſtimmtem Sprachgebrauch, „Symbolik“.
55 Für die Gefchichte der Begriffe uvoraywyös, uvoraywyia, uvoraywyeiy genügt
im wwefentlichen ein Hinweis auf Suidas, Euicer, Stepbanus ic. Der tgenannte (Le
xicon ed. J. Bekker) bemerft bloß uvoraywyds — lepevs. Aber voran ftebt unter
„Avorayoyei“ die Crläuterung: uvorjgua Erutelei, &s yvorngia äye N duödeoxe.
Die leßtere Wendung ift diejenige, bei der der Titel HeoAoyla uvorayayızn antnüpft.
w Dan braucht fih mur an die MWeitfchichtigfeit des Begriffe Dis „wuvornoor" zu erinnern,
Myftagogifche Theologie 613
um zu verjtehen, daß die myſtagogiſche Theologie nicht gerade notwendig bloß als „Lehre
vom Kultus“ gedacht wurde. Überall, wo ein Geheimnis im Spiele ift, fonnte von einer
uvoraywyia geredet twerden. Photius hat jeiner Schrift über die duerzdpevors des hei:
ligen Geiſtes die Überfchrift gegeben nepi Ts uvoraywyias tod dylov nvebuaros.
Auch die Ankündigung eines „Wunders“ wurde ald uvorayayia bezeichnet. Ich habe 5
mir aus Gregor von Nyſſa, Adv. Apoll. XXI (MSG XLV, 1165), die Wendung no:
tiert: N yevoußon tij naodevo naoa tov Taßoınl uvoraywyia. Das uvoraywyeiv
iſt Einführung, „Einweihung“, in ein Myſterium, welcher Art es jei; es Tann praftifch
oder theoretifch fein, e3 kann geichehen durch Darbietung eines Myſteriengenuſſes oder auch)
bloß durch Schilderung, es Tann audy die Form der repräfentativen Darftellung haben:
Stephanus citiert 3. B. aus Gregor von Nazianz (ohne näbere Angabe) einen Satz,
wonach Ghriftus bei der Verklärung auf dem Berge dorgante xal Nilov pwroadE-
0TEDoS yiveraı „uvoraywmy@v TO uEllov". Meben dem geiftlichen Sprachgebraud gab
es auch einen profanen: im alten Hellas wurde als uvoraywyos auch der Gicerone be:
zeichnet, der für Geld den Keifenden die Tempel und ihre Heiligtümer zeigte und erklärte. 15
Innerhalb des Firchlichen Sprachgebrauch® hat fih mit der Zeit ein ganz konkret zuge:
jpister Sinn von uvoraywyia fixiert. Stepbanus macht ihn Fenntlih, indem er aus
Theodor von Studion den Sat beibringt: Nueis TOD Ayımrarov natoıdgyov urnuo-
vevonev &r 17 (woraywyia. Hier erſcheint die Liturgie xar’ &Eoynv, die Abendmahlg-
feier, im (pesifichen Sinne als die „Myſtagogie“. In der That ni fie für die „mylta:
gogiſche Theologie” das eigentliche Hauptthema geworden. Für die Abendmahleriten hat
die orientalifche Kirche auch die feitelte Theorie gejchaffen.
Um eine Überficht über die Entmwidelung der myſtagogiſchen Theologie zu gewinnen,
mögen mir den Ausgang von den „myſtagogiſchen Katecheſen“ des Eyrill von Jeruſalem
nehmen. Sie führen uns in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Daß er mit ihnen etwas :
befonderes biete, deutet Cyrill durch nichts an. Site werden alfo nicht die erften in ihrer
Art geweſen fein. Allein fie repräfentieren litterarifch für ung den Anfang. In ihnen
iſt alles noch ſehr fchlicht aufgefaßt. Nachdem Gyrill in achtzehn Katechefen das Tauf:
jombolum „tradiert“ und ausgelegt bat, und nachdem inzwifchen die Taufe vollzogen: ift,
bält er noch fünf Katechefen an die veopwtioror bezüglich der Feiern, durch die fie nun 30
bindurchgeführt find. Es iſt die Zeit der ftrikteften Arkandisziplin. Vorausgeſetzt ift,
daß die Täuflinge bis zum Taufafte nichts davon wiſſen, wie die Kirche die Taufe voll-
zieht und mas alles auf fie folgt. Dicht vor und alsbald nad der Taufe bat ein Sal:
bungsaft ftattgefunden. Dann baben die Täuflinge zuerft die Euchariftie empfangen,
guerit gefehen und gehört, was bei diefer Gemeindefeier alles geichieht. Cyrill refapitus 85
iert großenteild nur einfach die einzelnen Akte. Gr jcheint anzunehmen, daß die Täuf-
linge gar nicht ganz gemerkt haben, durch wie vieles fie hindurchgeleitet ind. Alfo das
meifte, was er in diefen „myſtagogiſchen Katecheſen“ vorbringt, iſt bloße knappe Schilde:
rung. Nur bin und wieder bietet Cyrill auch Erläuterungen der Art, daß er zeigt, tie
der Ritus ſchon durd feine Form Bedeutung babe Was die Taufe, Salbung, Eucharijtie 40
jachlich gewähren, ift auch „ſymboliſch“ ausgedrüdt; der Fortfchritt der Handlungen zeigt
die Syortichritte in der Erneuerung des Menſchen. Merkwürdig, daß Corill für die Eucha—
riftie am wenigſten von ſymboliſcher Art zu bemerken findet. Er tft da noch ganz bin-
genommen von bloß „dogmatischen” Gedanken, d. b. von dem Intereſſe, den „Neulingen“
einzuprägen, daß es nicht lediglich Brot und Mein war, was fie da empfingen, jondern 45
in wunderbarer Weije der Leib und das Blut des Herrn. Befonderes Gewicht legt er
auf das rechte feierliche Verhalten der Gläubigen felbit, giebt dafür Tpeziell Anmeifungen,
zum Teil mit fomboltfcher Motivierung.
Ich habe in der Vergl. Konfeſſionsk. (I, 393 ff.) ausgeführt, daß die myſtagogiſche
Theologie das Intereſſe gewähre, die Arkandiesziplin zum Schwinden gebracht zu haben. 5
Zwar der Mann, der der eigentliche Begründer jener „Theologie“ als einer Sonder:
wiflenfchaft ift, der Pſeudo-Areopagite, iſt noch ganz beherrſcht von der Arkandisziplin,
aber er bat ihr doch indireft ein Ende bereitet, indem er fie überflüſſig machte. Die
Arlandisziplin, die ficher nicht vor der ziveiten Hälfte des dritten Nahrhunderts auf:
gelommen ift (über vermeintliche Zpuren von ihr bei Tertullian, Clemens von Alexan- 55
drien, Drigenes |. men Werl „Das apoft. Symbol“, Bd II, S. 9 ff. 105 ff. 176 ff),
hängt mit Bräuchen aus der antiken Myſterienpraxis zuſammen (vgl. d. A. Arkandisz., Bd II,
51 ff.). Sie verrät, daß die Auffaſſung der Kirche von ihrem Kultus fich derjenigen jebr
genäbert batte, die in den griechifchen Kultvereinen beimijch war. Aber die fides silentii
war doch nur ein jehr äußerliches Mittel, um die chriftlichen „Müfterien” vor Entiveibung 60
[_
0
X
IS
or
614 Myſtagogiſche Theologie
zu fhügen. Bor allen fonnte fie dem Chriſtentum nicht den Dienſt tbun, feine Feiem
als bebeutfamer und reicher mie die heidniſchen ericheinen zu laffen. Daß die Kirche in
ihrem Kultus größeres befige als irgend ein heibnifcher, religiöfer oder philofophifcher
Verein, ift der alten Chriftenheit erſt voll verbürgt erfchienen, als ihr die myſtagogi
5 Theologie geſchenkt wurde, die auch von der formalen Seite ber die „wunderbare” ig
faltigkeit und Tiefſinnigkeit der von der Kirche verwalteten Myſterien zeigte. Der Pſeudo⸗
Areopagite iſt darum mit Recht eine der gefeiertſten Perſönlichkeiten der Kirche geworden,
weil er es vermochte, in einem als wahr empfundenen Ideenwurfe den geſamten Kultus,
wie die Chriſten zunächſt des Oſtens ihn übten, als wirklich voll Andeutung von Kräften,
10 die der profane Menſch nicht ahne und die doch deutlich durch alle Riten hindurch⸗
leuchteten, darzuthun. Daß feine füblime Myftagogie wie eine Großthat aufgenommen
wurde, und daß fie die Duelle geworden ift für einen breiten Strom tbeologifcher Er:
zeugnifle, der noch nicht verfiegt it, kann einen nicht verivundern. Der Pfeubo-Areopa-
gite hat in den lebten Dezennien des 5. Jahrhunderts gefchriftitellert. Das 4. und 5. Jahr
15 hundert waren die eigentliche Periode der Arkandisziplin. Nach dem Auftreten jenes
(wahrjcheinlih in Syrien zu fuchenden) Theologen (vgl. den Art. „Dionyfius Areopagita”
Bd IV, ©. 687 ff.) ift fie nicht zufällig unvermerkt geſchwunden.
Vom Areopagiten kommt bier in Betracht die Schrift Zleol rc &xxAnoaouxig
leoaoxlas, MSG III, 369 ff.). Man hat ſich zu hüten, dasjenige, was in biefer Schrift
20 direft dogmatifche (philofophifche, neuplatonifche) Epelulation I (f. dazu den Art. in
Bd IV), und was ın ihr zur Myſtagogie zu rechnen ift, zu verwechſeln. Natürlich be
rührt fich beides nahe, aber es handelt fie dabei um unterfcheibbares. Die eigentliche
Myſtagogie gilt den ritualen Formen als foldhen, ihrer Angemeflenheit zu dem fachlichen
Ssnhalte der Myſterien. Es iſt für altlirchliches Empfinden das bedeutjame an den Aus
25 fübrungen des Nreopagiten über den chriftlichen Kultus, daß er die Übereinftimmung von
Inhalt und Form zeigte, daß er den Gläubigen die Augen öffnete für die Schönkeit
und geheimnispoll zutreffende Weiſe aller Verrichtungen der „Hierarchie“. Dionyſius
machte es klar, was man ſchon lange geglaubt hatte, daß dag Dogma in den kultiſchen
Feiern fich fpiegele. Das hat den Riten die Stellung gefichert, daß fie die Probe auf
80 das Dogma feien, ja daß fie gegebenenfalls das Kriterium böten, um dogmatiſche Neue
rungen zu würdigen und lehrhafte Streitigkeiten zu entfcheiven. In dem genannten
geht Dionyfius aus von dem allgemeinen Gedanken der Hierarchie. Die irdifche Hierarchie
tft die Fortfegung und Nachbildung der himmlischen. Wie die himmlischen Scharen Kreiſe
darftellen, die ftufenmweife der Gottheit angenäbert find, fo auch die klerikalen Ordnungen
35 auf Erden, an deren Spike der Zuvvuos lsoapylas, der nach deilen Titel „Lepdoyn“
das ganze heißt, der Biſchof, ſteht. In der duvaıs noayuareias find die —*
und irdiſche Hierarchie, beide wieder in ihren verſchiedenen z4feıs, gleichartig. Nur ini
Map ihrer Ödvvawıs ift unterfchieden und darin zeigt ſich nun die „Schönheit“ des game
Die önto Yuäs obolaı xal takes find „förperlos“, alfo ſinnlich nicht mahrneb
ww dagegen die irbifche Hierarchie iſt nach finnlichen Symbolen abgeſtuft. Dionys identifiziert
die Berfonen und ihre Verrihtungen. Zu der wahren Hierarchie gehören perfönliche und
fachliche Medien. Sie alle gründen ſich auf die Adyıa tod Yeov. in durchgehends ft
gehaltenes Thema ift es, Daß die Hierarchie ebenfo in ihrer perjönlichen Sufpiung und
qualitativen Einheitlichfeit die Einheit Gottes und die Svossöns Yewars der Glieder de
5 Kirche verdeutliche, wie fie andererjeits in ihrer gegliederten Mannigfaltigkeit der Viel
getaltigfeit der gefchaffenen Tinge angepaßt feien. Wer den fsodoyns anjieht, bat vor
ugen den S>deos zal Velos Avno, der alle leoa yrwoıs in No vereint. Bon ihm
dependieren zwei Klaſſen niederer Aeriter, die von ihm die Weihe erhalten und ber ab-
geituften Art entiprechen, wie die Menjchen allmählich vergottet werden ſollen. Wie die
so perjönlichen und fachlihen Beziehungen der Hierarchie vorzuftellen, zeigt Dionys vom
2. Buche an durch Erörterung der einzelnen Myfterien. Er behandelt nacheinander bie
Taufe (poitioua), das Abendmahl (svvafıs), die Salbung (udoov), die Herilalen Rei
(legatıxal teieıwoeıs), die Mönchsweihe (uovayızı) telelwors), die Grabriten (rd Ei
Tois xexorumußvors telovusva). Immer folgt auf eine furze Schilderung des Ber:
55 laufe der Handlung, alfo des uvorngov als ſolchen, eine längere ober fürzere dempla
der Einnbildlichkeit der Niten. Vogiſch follte eigentlich voranftehen das an vierter Stele
erft zur Sprache gebrachte Mofterium der Weihen der Hierarchie. Um einige Beiſpiele
aus der Hewoia deöfelben zu geben, jo handelt es fich für Dionys bier ebenfojehr darum,
das bei allen drei Ordnungen (den Liturgen, den Prieftern, dem Hierarchen) rituell gleiche,
vo wie das unterfchtedliche durch Erläuterung der Symbolik zu rechtfertigen. Alle drei Orb:
— — —— — —-
Myftagogiiche Theologie 615
nungen treten bei EN; Weihe an den Altar heran und fallen vor demfelben nieder:
das bedeutet die gleiche Übergabe ihres Lebens an Gott. Alle werden durd) Handauflegung
eines Hierarchen geweiht: das giebt ihnen die einheitliche Kraft und Sicherheit. Sie werben
alle mit dem Kreuze figniert, denn fie alle jollen Chrifti Zeben nachahmen, alle erhalten
fie von den anweſenden Prieftern den heiligen Kuß, denn fte bilden eine Gemeinichaft 5
gteichgeitalieter, in liebevoller Freundſchaft geeinter Geifter. Aber nun die unterfcheidenden
Riten. Die unterjte Stufe beugt bei der Weihe nur ein Knie, denn fie übt nur eine
Funktion; die zweite Stufe, die der Prieſter, beugt beide Knie, denn fie „reinigt“ nicht
nur, fondern „erleuchtet” auch; der Hierarch beugt nicht nur die Knie, fondern befommt
auch die heiligen Schriften aufs Haupt gelegt: er ift der eigentliche Kenner und Träger 10
der Aoyıa od Beod, auf denen die Myſterien ruhen, und er bietet daher die „Vollen⸗
dung“, die Überleitung zu Jeſus felbft. Es ift überflüffig, hier fämtliche Myfterien durch:
änneben. Bei der Taufe — B. wird die Entkleidung und Hinkehr nach Weſten bei der
brenuntiation gedeutet als Ablöſung von allem lichtloſen, irdiſchen Weſen, die Richtung
und der feſte Blick nach Oſten beim Bekenntnis iſt die Hinkehr zu Gott ala dem Licht 15
und dem unveränderlich Einen, die weißen Gewänder, die dem Getauften angelegt werden,
weifen bin auf die drrddera, mit der er fortab den &varrla begegnen wird ꝛc. Auch
die Alte bei der euchariftiichen Feier werden in analoger Weile nur im einzelnen und
wejentlih auf innere Zuftände jei e8 des fungierenden Klerus, fei es der Gläubigen ge:
deutet. Selbit die Feiern der Enthüllung und dann der Austeilung des zuerft verdedten 20
Brotes und Kelches werden nur in das Licht gerüdt, dab in ihnen gezeigt werde, tie
Ehriftus unfere „Ton vontn“ und die Verbindung des „Geteilten“ mit dem „Einen“ fei.
Erheblich meiter ausgebildet erjcheint die Symbolif fchon bei Marimus Gonfeflor,
geit. 662. Die Schrift von ihm, die ung hier befchäftigen muß, führt den Titel: Mv-
oraywyla nepi tod ıvwv ovußola ta xara ınv Aylay Exxinolav Eni ns ovvdkews 25
relovusva ovv&ornxe (MSG XCI, 657 ff). Wie der Artikel über Dionyfius Areopa-
gita nur die philoſophiſch-dogmatiſchen Gedanken des Mannes ffizziert, jo auch derjenige
über Marimus Bd XI, 457 ff. Die uvoraywyia wird dort 466,32 ff. nur kurz berührt.
Marimus kennt den Areopagiten und preilt ihn als navayıos xal Övrws Heoparıwo
(Prooem.). Es wäre, meint er, toAuno0v xal abdades xal änovolas Eyyos, ſeine 30
Gedanken weiter fortführen zu wollen. Er image e8 überhaupt nur, über den gleichen
Gegenitand zu ſchreiben, weil er von einem „großen Greis“ mündliche Belehrungen em:
blangen babe, die er nicht möchte verloren gehen we M. bietet nun zuerit, was der
reopagite noch gar nicht ind Auge gefaßt, eine ° Ianogie der Kirche ſelbſt. Zuerſt
vergegenwärtigt er fie als lebendige Gemeinde, cap. 1. Als foldye ift fie ein zUnos xal 35
ebay Gottes ſelbſt. Denn wie Gott die unendliche Fülle der geichaffenen Dinge in fich
felbit ovv&yeı xal ovvdyeı xal nepıyodpeı, jo befaßt die Kirche alle Arten von Men:
fchen, Männer und Frauen und Kinder, alle Völker und Sprachen und Denkungsarten,
die verſchiedenſten Charaktere, Talente, Gefchide, und fie giebt ihnen allen diejelbe Yela
uopopn xal rrooonyooia, rö ano Kowrod elvaı xal bvoudleoda. Sodann faßt er 0
fie als Gebäude auf, cap. 2. Da ift fie ein Abbild des Univerfums. Sie ift doppelt
veranlagt, denn man unterjcheidet in ihr den Raum für die Priefter, das leoareiov, und
den für das Voll, den vads. Das entipridt dem Unterfchied der überfinnlichen und der
finnlichen Welt, wie fie beide doch für einander da find, cap.2. Auch der finnlichen Welt
ala foldyer entjpricht fie, denn der Chor repräfentiert als erhöhter Raum den Himmel 45
gegenüber dem Schiff als der Erde, cap. 3. In ähnlicher Weife zeigt Marimus, daß
die Kirche als Gebäude ein Bild des Menſchen ift; hier findet er fpeziell auch für den
Altar ein Analogon: diefer forrefpondiert dem vods und damit der uvoren Weokoyia,
durch die der Menfch am meiften der Gottheit ſich naht, cap. 4. Auch für die Seele
allein tft die Kirche ald Bau ein zunos, cap. 5. Mit cap.8 kommt Maximus auf das co
Thema, welches nach der Überschrift des Werks ihm das hauptfächliche ift und das er
nun bis zum Schluſſe, cap. 24, feithält, die Feier der ovvafıs. Er gebt den ganzen
Verlauf derfelben durch: der Eintritt des Prieſters in die Kirche ftellt die Erfcheinung
Chriſti im Fleifche dar, der Eintritt des Volks bedeutet die Scheidung der Gläubigen
bon den Ungläubigen, die Schriftleftionen enthüllen ras uaxapias Tod nravayiov Veod 65
Bovinaeıs, die heiligen Gefänge gewähren av Beiwv NYdovnv dyadav, die Friedens—
verfündigungen deuten auf die Gnadenverheißungen für Diejenigen, die tapfer die Kämpfe
gegen die feindfeligen Övvausıs beiteben, die Verlefung des Evangeliums erinnert daran,
nera ıö xnovydivaı ro edayyedıov das Ende kommt, die Schließung der Thüren
Daran, daß nach dem Gerichte die ao eingehen zum vontös xoouos und zum Hoc): 60
Myſtagogiſche Theologie
a allgemeine önodoyia bed Deior ounflokon vie mionens ift ein
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und deſſen näherer Um Gang der Liturgie wird
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Emendation, vorliegt: 6500 ftatt 5500, wie immer das näber se me Geſtu
65 wird die Lesart 6500 durch eine Schrift, die auf unferer Toropfa rubt, Darüber I
Ob die Figuration der Finger etwa leichter auf 6500 als au 5500 gedeutet werde
fann, weiß ich nicht. Milles giebt in jeiner Ausgabe aud in — nis bi
einem Fragment der Schrift, welches ſich in einem Cod. Magdalen. findet und
von Fronto Ducaeus ediert war (ſ. darüber Milles in der Praetatio une);
so treten uns ſchon nicht ganz unbedeutende ZJujäge entgegen. Man gewinnt den
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Myſtagogiſche Theologie 617
dak Cod. Bodleian. nicht etwa ein Exzerpt, fondern daß Cod. Magd. Interpolationen
biete. Daß Cyrill von Jeruſalem der Autor fer, darf furzer Hand für ausgefchlojlen
erflärt werden. Dagegen ift mir wahrſcheinlich, daß Germanus I. von Konstantinopel
der Autor der Urform der forooia iſt. In den neueren Verbandlungen über Diejelbe
bat man überjfeben — nur Brigbtman p. XCV macht eine Ausnahme —, daß Pitra 5
in den vorhin ſchon genannten Monumenta ein Stüd der lateinischen Überjegung mit:
eteilt hat, die Anaftafius Bibliotbecarius (geft. 879, }. über ıhn Bd I S. 4192|.) ange:
ertigt und Karl dem Kahlen überjandt bat (ſ. dazu den ebenfalls von Pitra a. a. O. 287 f.
zuerit edierten Brief des Anaftafius an den Kaiſer). Anaſtaſius fagt ausdrüdlich, Die
Griechen erflärten den Germanus reverendae memoriae ecelesiae Constantinopoli-
tanae antistes (das fann nur Germanus I. fein), für den Verfaſſer der Schrift, die er
bier im Auge bat. Pitra giebt S. 298 nur die drei erften Kapitel. Er bezeichnet Die
Handichrift, die er gefunden babe, nicht näher. Es käme viel darauf an, fie feltzuftellen
und dieſe Überfegung vollitändig zu edieren. Zu Grunde liegt eine Form, die ſich aufe
nächite berührt mit dem oben erwähnten Cod. Magd. Ich febe feinen Grund zu be: ıä
zweifeln, daß Germanus I. wirklich der Autor fe. Er war zwar nie Mönd (|. über
ER vi Art. im KathRX.), aber die Schlußfapitel in Cod. Bodleian. könnten füglih ein
Zufaß fein.
Erft in einer außerordentlich weitläufigen Überarbeitung tritt die Zoropia in den
griechifchen Handichriften als ein Werk des „Germanus, Erzbiſchofs von Konjtantinopel” 2
auf. Migne, dem Richard Simon u. a. folgend und den Tert nach Gallandi, Bibl.
vet. patr. abdrudend, bringt diefe Necenfion mit Sermanus I. in Verbindung (MSG
XCVIII, 384—453), andere wollen fie Germanus II. (geft. e. 1240) vindizieren. Die
Schrift führt bei Migne den Titel: Toropia 2xxinoraorıxı xal uvorun Dewgia. 8
ſcheint mir offenbar, daß fie in dieſer Form das Refultat wiederholter Bearbeitung der:
alten iorooia iſt. Yebtere, und zwar vielfach wie in Cod. Magd., ſchimmert unvertennbar
durch. Immer wieder zeigt fie fihb als das Nüdgrat. Ihre Kapitelfolge ift auch bier
der Faden für die Darftellung. Hineingearbeitet aber iſt der ganze Abriß der Yiturgie.
Man wird bei erneuter kritiſcher Unterfuchung vor allem feitzuftellen baben, welchem
Stadium der Entwidelung der Liturgie dieſer Abriß entipriht. Man wird dann aud) ww
vielleiht den Ort mutmaßen dürfen, wo diefe Redaktion entitanden. Wenn an einigen
Stellen (397 D, 400 A) auf den Brauc und die Überlieferung der ueyain &xxinoia
Sophienkirche) Squg genommen wird, ſo iſt der Ton doch derart, daß ein Schluß nicht
zu ziehen tft. Auch das gewährt keinerlei ſichere Spuren, daß gelegentlich lateinische Aus:
drüde citiert werden (416 A), bez. daneben „ſarraceniſche“. An einer Stelle wird auf 3
ol 2&v ’Ivöia teloüvres 10 ueya Toito uvoryjorov reflektiert (422 B). Führt dag nod)
nicht in eine jpäte Zeit, jo do um fo ficherer die bier zugleich auftretende Berüdfichtigung
derer, weldie ras Beverixas vrjoovs bewohnen (422 C). Tb bier nicht ein Tertverderb
vorliegen könnte? ©. 417 A tritt das Jahr 6500 auf, aber als das, in welchem Die
„uEiAlovoa Apıorov naporota“ Stattfinden werde. Das iſt alfo eine ganz andere Be: ww
trachtung als in der alten ioropia, wo an diefer Stelle auf die gejchebene Erjcheinung
Chriſti reflektiert ijt (Ebrbarb bei Krumbacher? S. 67 jagt, der Verfaſſer fee die „An:
funft des Antichriften auf das Jahr 992 feſt“; wie er dazu gefommen, jebe ich nicht).
Was es mit der ympis av daxröimv Eupaivovoa EEaxısyıdıoorov NEVIa-
xooooröv für eine Bewandtnis bat, ift auch bier nicht zu erfennen. Ob fi die Be: 16
rechnung des Berfaflers Tontrolieren läßt, weiß ich nicht (f. etwa Drews, ©. 483 Anm.).
Auf irgend einen anderen Germanus in der Überſchrift zu reflektieren als denjenigen,
der vermutlich mwirklih der Autor der Urform der Zoropla war, iſt natürlich feinerlei
Anlaß; dieſer Name blieb baften auch als die Schrift innmer mehr wuchs. Wie die
Schrift in den verfchiedenen Kodices -- die aller MWahrjcheinlichfeit nach vielfach noch jehr
verfchiedene Terte repräjentieren, und, wenn ebiert, uns vielleicht Die Stufen des Wade:
tums erfennen laſſen würden — an ihre mancherlei Autornamen gekommen ift, jteht
dahin. Auf das krauſe Detail in der Korm bei Migne einzugeben, feblt bier der Raum.
Es ift im Geifte der Grundjchrift gedacht. Das will befagen, daß die „hiſtoriſche“ Er:
Härung überwiegt und die Bezugnabme auf das Yeiden und Sterben des Herrn die 5
myſtagogiſche Ausdeutung der liturgifchen Alte, Gewande ꝛc. beberricht. jedenfalls iſt
die Grundrichtung eine eigentümlich andere als beim Arcopagiten und bei Maximus.
Denn bei letteren fteht der Gedanke, daß die myſtagogiſche Theologie dogmatiſch-philo—
ſophiſch orientiert jein müfje, im Vordergrund. Gemeinſam iſt diefer und der biltorijchen
Betrachtung in gewiſſem Maße die Nüdjicht auf die beil. Schriften, Die „Aoyıa Tod VEod“, w
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616 Diyfiagogifche Theslogie
zeitsmale Chrifti, die allgemeine öuodoyia des Below ovußolor tijs nuiorews ift em
„möftifcher Dan” für die navooyos nepi Nuäs Tod Veov nodvora, der Geſang des
Trishagion läßt ſchon den Yobpreis anllingen, den mir mit den bimmlifchen Schaaren
werden erfchallen laſſen ꝛc.
bh Wir fommen nunmehr zu denjenigen myſtagogiſchen Schriften, die eine ſymboliſch⸗
biftorifche Auffaffung ſpeziell der ganzen euchariftifchen Feier zeigen und diejenige „Theorie“
aufftellen, welche die charakteriſtiſche für die orientalische Kirche geworben ift, die fog. dra:
matiſche Kultustheorie. Xeider betreten wir bier in mancher Beziehung ein unficheres
Gebiet. Tenn es iſt meber ohne weiteres Tlar, bei welcher Schrift wir bier anzulnüpfen
ın haben, nody wie eg mit Herkunft, Alter ꝛc. der grundlegenden Schriften ſteht. Bis in
die legten Jahre Tonnte man glauben, bei Sophronius von Jerufalem (geft. 638) einjegen
au dürfen, darauf zu Germanus von Konftantinopel und zwar dem älteren (geft. c. 730)
übergeben und dann die mittelalterliche Linie (Nikolaus Kabafilas, Symeon von Theſſa⸗
lonich) verfolgen zu können. Durch die Unterfuhung von Krasnoſeljcev, deren Nefultate
in Ehrhard und Drews fich angeeignet haben, iſt nun aber alles, was fih an Die Namen
Sophronius und Germanus fnüpft, Tontrovers geivorden. Es ift bier nicht der Ort, um
das kritiſche Detail mit ber legen, um jo weniger, ald weitere Editionen nötig find, cebe
ein definitives Urteil möglich iſt. Durch Krasnofeljcev (ſ. doch auch ſchon %. E. Bright:
mann, der Kr. noch nicht zu kennen jcheint, p. XCIV), ift noch ein neuer Name und eine
nee Schrift, die man freilich ſchon längjt hätte beachten follen, von Wichtigkeit geworden,
nämlich Theodor ven Andida und feine ZJoodewpia xepalauböns. Ich werde nur bie
banptfüchlichiten Daten und die Grundzüge der in Betracht kommenden Schriften zur
Sprache bringen.
Taf nicht Sopbronius der Begründer der „dramatifchen” Theorie von der Abend:
a muablslitungie it, dürfte Krasnoſeljcev ficher geftellt haben. Vielmehr ift diejelbe jüngeren
Datums Cinzufegen it, um zunächſt litterariich den Faden richtig in die Hand zu be
kommen, bei einer Schrift, die nur erſt eine Vorbereitung beißen kann, nämlich bei der
larıyaia SunÄnaaeoruc) al uroraymyıxı) (etwa = myſtagogiſche Kirchenkunde), die ver:
ſchiedenen Autoren zugeſchrieben iſt. Bon diefem Merle eriftiert eine Menge Handfchriften
and os alt Mar, daß & im Yaufe der Zeit eine Neibe von Bearbeitungen erfahren bat.
yttm in Juria evelesiastici Graecorum historia et monumenta II, (1868),297 giebt
vin Verzeichnie Der ibdm befannt gewordenen Codices, es find deren zweiundvierzig. Als Autor
werden Die verſchiedenſten Männer genannt, am öfteſten Germanus von Konſtantinopel
und Anfilins, viermal Evrill von Jeruſalem und Chryſoſtomus, auch Johannes der
taten. WMilleo in ſeiner Ausgabe der Werke des Cyrill von Jeruſalem (Oxoniae
bat, NUN NO) bietet nach einem Cod. Bodleianus die knappſte bisher ver:
afentlicdte Form. Die Schrift but bier zweiundzwanzig kurze Kapitel. Sie giebt eine
Yanbaliiihe Ertlarung des Kirchengebäudes und der Cuchariftie, beides freilich nur in eine
Auowahl Das Edarakreriſtiſche iſt dabei. daß ganz mefentlich der Gedanke vorberridt,
w Run als au) die osuepeon und Die rag) (auch die dydoraoıs) Chriſti Bezug habe.
MWabrend bei Wagimus Die ganze Kirche moſtaͤgogiſch erflärt wird, tritt bier nur ein In⸗
tele an demjenigen Tele, in welchem ſich das Upfer vollzieht, zu Tage, alſo am Altar
und deyen naberer Umgebuna. Der Gang Der Yiturgie wird ſtizzenhaft verfolgt. Im
weſentliben wad auch ber alles to erklärt, Daß es eine Be —F auf die Perſon Jeſu
uwolviere Die Kleider des zart und Der Diatonen bilden * iſch Chriſtus in ſeinem
veiden at Bin „doyizaets" (blog rm!) vepräſentiert auch in feinen Funktionen Chriſtus
Pahnoiſcben tinten auch einige andere Gcchispuntte auf. Allein man Tann den regie
waren myſtagogiſchen Gedanken nicht verkennen. Der Tert bei Mille bat ficher Bezug
un) einen möonchiſchen Kreis. Das bewerten die beiden Schlußlapitel. In cap. 18 be
nt der Autor. daß Der dozueoers bir der. Beritiegelung“ (Segnung) des Aads durd bie
Häaltung ſeiner Finger (dem 5 Tor Kuerekor dtarvn@oews) anzeige, daß Chriſtus
um Jahre GH0U0 geboren werten je. Das it eine volllommen tätfelbafte Angabe. Ich
werte ſfaſt denken, Daß ein alter Schreibiebler. oder Dann wahrjcheinlicher eine vermeintliche
Emendation, vorliegt: 6500 itatt >5tm, wie immer das näher zufammenbinge Geftü
Wird Die Yovart 6500 durch eine Schrift, Die auf unſerer foroola ruht. Darüber hernach.
Ob die Figuration Der ‚yinger etwa leichter auf 6500 als auf 5500 gedeutet werben
ann, weiß ich nicht. Milles giebt in ſeiner Musgabe auch in Klammern Kenntnis von
einem Fragment der Schrift, welches jih in einem Cod. Magdalen. findet und zuvor
von Fronto Tucaeus ediert war (j. darüber Milles in der Praefatio unter V); bier
treten ung ſchon nicht ganz unbedeutende Zuſätze entgegen. Man gewinnt den Eindrud,
Myſtagogiſche Theologie 617
daß Cod. Bodleian. nicht etwa ein Exzerpt, fondern daß Cod. Magd. Jnterpolationen
biete. Daß Cyrill von Serufalem der Autor fei, darf furzer Hand für ausgefchlofjen
erklärt werden. Dagegen ift mir mwahrfcheinlihb, daß Germanus I. von Konftantinopel
der Autor der Urform der ioropia iſt. In den neueren Verhandlungen über dieſelbe
bat man überjehen — nur Brightman p. XCV madıt eine Ausnahme, —, daß Pitra 5
in den vorhin fchon genannten Monumenta ein Stück der lateinifhen Überſetzung mit:
eteilt hat, die Anaftafius Bibliothecarius (get. 879, |. über ihn Bd I S. 492.) ange:
Fertigt und Karl dem Kahlen überjfandt hat (ſ. dazu den ebenfalls von Pitra a. a. O. 287 f.
zuerſt edierten Brief des Anaftafius an den Kaifer). Anajtafius jagt ausdrücklich, Die
(Sriechen erflärten den Germanus reverendae memoriae ecclesiae Constantinopoli- ı
tanae antistes (das fann nur Germanus I. fein), für den Verfaffer der Schrift, die er
bier im Auge hat. Pitra giebt ©. 298 nur die drei erften Kapitel. Er bezeichnet die
Handichrift, die er gefunden habe, nicht näher. Es Täme viel darauf an, fie fetzuftelfen
und dieſe Überfegung vollftändig zu edieren. Zu Grunde liegt eine Form, die ſich aufs
nächſte berührt mit dem oben erwähnten Cod. Magd. Ich fehe feinen Grund zu be: 15
zweifeln, daß Germanus I. wirklih der Autor fei. Er war zwar nie Mönch (j. über
au ne im KathKL.), aber die Schlußfapitel in Cod. Bodleian. fönnten füglih ein
ufaß fein.
Erft in einer außerorventlich weitläufigen Überarbeitung tritt die forogia in den
griechischen Handichriften als ein Werk des „Germanus, Erzbiihofs von Konjtantinopel” zu
auf. Migne, dem Richard Simon u. a. folgend und den Tert nad Gallandi, Bibl.
vet. patr. abdrudend, bringt diefe Necenfion mit Germanus I. in Verbindung (MSG
XCVIII, 384—453), andere wollen fie Germanus II. (gejt. e. 1240) vindizieren. Die
Schrift führt bei Migne den Titel: Toroolo Exxinoraouıxn xal uvarızi) dewoia. Es
ſcheint mir offenbar, daß fie in diefer Form das Rejultat wiederholter Bearbeitung der
alten ioropia ift. Lebtere, und zwar vielfach twie in Cod. Magd., ſchimmert unverfennbar
durch. Immer wieder zeigt fie ſich als das Nüdgrat. Ihre Kapitelfolge ift auch bier
der Faden für die Darſtellung. Hineingearbeitet aber ift der ganze Abriß der Liturgie.
Man wird bei erneuter Fritiicher Unterfuchung vor allem feftzuftellen haben, welchem
Stadium der Entwidelung der Liturgie diefer Abriß entipriht. Man wird dann aud) zw
vielleicht den Ort mutmaßen dürfen, wo diefe Nedaktion entftanden. Wenn an einigen
Stellen (397 D, 400 A) auf den Brauch und die Überlieferung der ueydAn Edxxinoia
(Sopbientirche) eu genonmen wird, fo iſt der Ton doch derart, daß ein Schluß nicht
zu ziehen ift. Auch das gewährt feinerlei fichere Epuren, daß gelegentlich lateiniſche Aus—
drüde citiert werden (416 A), bez. daneben „farracenifche”. An einer Stelle wird auf 35
oi &v ’Ivdla teloüvtes ıö u£ya tovto uvormorov refleftiert (422 B). Führt das nod)
nicht in eine fpäte Zeit, jo doch um fo ficherer Die hier zugleich auftretende Berüdfichtigun
derer, welche zas Beverixas vroovs bewohnen (422 C). Ob hier nicht ein Tertverder
vorliegen fönnte? ©. 417 A tritt das Jahr 6500 auf, aber als das, in welchem die
„Eilovoa Xoiorod napovola" ftattfinden werde. Das ift alfo eine ganz andere Be: ww
trachtung als in der alten iorooia, wo an diejer Stelle auf die gefchehene Erſcheinung
Chrifti reflektiert ift (Ehrbard bei Krumbacher? S. 67 fagt, der Verfaſſer fee die „An:
funft des Antichriften auf das Jahr 992 feſt“; mie er dazu gekommen, jehe ich nicht).
Was es mit der yrpls av daxtulwv Zupaivovoa Ekaxısyıliooröv TEVITA-
xooiootoy für eine Bewandtnis bat, tft auch bier nicht zu erkennen. Ob ſich die Be:
rechnung des Verfaſſers fontrolieren läßt, weiß ich nicht (j. etiva Drews, ©. 483 Anm.).
Auf irgend einen anderen Germanus in der Überjchrift zu reflektieren als denjenigen,
der vermutlich wirklich der Autor der Urform der iozoola war, ift natürlich Eeinerlei
Anlaß; diefer Name blieb haften auch als die Schrift immer mehr wuchs. Wie Die
Schrift in den verjchiedenen Kodices — die aller Wahrſcheinlichkeit nach vielfach noch ſehr do
verichiedene Texte repräfentieren, und, wenn ediert, uns vielleicht die Stufen des Wachs—
tums erfennen laſſen würden — an ibre mancherlei Autornamen gelommen it, jteht
dahın. Auf das krauſe Detail in der Form bei Migne einzugehen, fehlt bier der Raum.
Es ift im Geifte der Grundichrift gedacht. Das ill befagen, daß die „hiſtoriſche“ Gr:
Härung übermwiegt und die Bezugnahme auf das Leiden und Sterben des Heren Die 55
myſtagogiſche Ausbeutung der liturgiichen Akte, Gewande 2c. beberricht. jedenfalls ift
die Grundrichtung eine eigentümlich andere als beim Areopagiten und bei Maximus.
Denn bei legteren fteht der Gedanke, daß die myſtagogiſche Theologie dogmatiich-pbilo-
fopbifch orientiert jein müfje, im Vordergrund. Gemeinfant ijt diefer und der bijtorijchen
Betrachtung in gewiſſem Maße die Rückſicht auf die heil. Schriften, Die „Aöyıa Tod Meoũ“, w
)
(3
5
45
Hintergrund — —— * —— auf ein anderes Moment
dieſer — —— Unfprüngliche Sich Richtung in een
| | zurück, — x boch wei ———
tei — Dart
Ba
* — den: inıhli
finnen — ichen Feiern
Wir kommen nunm eodor don Andida und feiner Moohecolu xepa-
Jaunö: — — 2107 — me; er noic
— CXL, Er Die Schrift ift ** auf den Antrieb eines Biſ fs Bafllius
von Phyteia eidve Orte find nad Ze Quien (bei — 2— in Phrygia Salutaris zu
1 fuchen —— er: S. 157 giebt an, daß Andida in Kappadocien liege, er
emerkt auch, daß ſtatt Zruox. ’Avöldeoo» eine Reihe von Kodices einen M-
»ökaos An, nennen. Die Zeit des Mannes ift weſentlich aus dem Inbalte feiner
Schrift zu —— Da bleibt bis auf weiteres ein ziemlich großer Spielraum; Ehr—
hard verſ bas 12,, vielleicht noch das 11. —— doch giebt er feine
0 Gründe an. Throdor fennt die Zoropla unter dem en des Darling, im i
Form, das ift nicht zu erkennen, doch handelt es fich ficher um eine —— älter iſt,
als die vorhin —— ae - ** —— ie Schrift des
fo mehr,
—— des Chrofoftomus r sehet. — iſt — ein iR —*
da el daß ra 2 Asırov teiob
Bye Ser
u are Be el — 1. Dagegen hätten | ie —— — daß —
pfängnis und.
tens durch Johannes * 5 Die e Meike toie — er e er
gr „mühe“, die Liturgie enthalte auch alles m ja jei für —— dies ein „Bild“
27728
o gut wie für ben Opfertod und die Auferftehung des Herrn, zeigt deutl
ih bewußt ift, etwas neues zu jagen. Er erwartet auch Widerſpruch, werner das nun
— — an der Liturgie zeigen wolle, und er entwickelt zum ——e* allgemeine
—— e Geſichtspunkte, wie man überhaupt der Liturgie ibre —— entlocken
45 fönne jo es ift ficher, dafı Theodor der eigentliche Begründer der Theorie dom ber
Liturgie als einer Darftellung des ganzen Lebens Jeſu ift. Bei „Bafilius“ hat er ge
lefen, daß auch die Kleider ꝛc. der Priefter den Herrn abbilbeten. acceptiert er,
obne darauf weiter einzugehen, cap. 5. Ihm ift nur daran gelegen, den neuen“ Ge
fihtöpunft, den er beizubringen bat, zu entiwideln. Hier "2 einige Proben. Die fepd
0 rodnela, auf der das Opfer borgerichtet wird, El noddeors, iſt zivar einerfeits dem rdpos
zu vergleichen, allein fie it 3 u 3 feine Krippe (pdren) zu veriteben, Uff.
Das Bent iſt matürlih ein rörog des Leibes des Herrn, aber ebenfo ſehr ein folder der
dsına zal Beoröxos als durch SHerabfunft des heiligen Geiftes den Logos
angend“, 9. In ber ueydin Beeinola wird —3 ſpeziell rm ——
5 Diakon mit einem eiſernen Inſtrument, welches Aöyyn genannt wird
welches zum Leib des Herrn wird, beraustrennt aus der allgemeinen” Daffe, ie
Maria herausgenommen ift aus der Menjcheit. Der Diakon begrüßt das Brot «
geroiffermaßen wie der Engel die Maria. Wenn der Diakon ſich alsdann von ber
Deors entfernt, jo bleibt der Herr in 9* talt des Brotes dort im der Stille und 2
co bovgenbeit zurüd wie in Bethlehem und Nazareth. Ja die roddsoıs wird jeht
Myftagugifige Theologie 619
um Bilde der dreißig Jahre vor dem Auftreten des Heren, 10. Nun aber tritt Der
—*8 in Aktion und er repräſentiert zuerſt den Täufer Johannes, indem er zur Buße
auffordert, 11. Die altteftamentlichen, prophetifchen Leſungen paſſen auch dazu, ebenfo
die hier vorkommenden Antiphone ꝛc., die zulegt wieder auf die Yeoroxos hinweiſen und
dann zeigen, wie der Herr „auftritt“. In der ueydin dxxinola wird der legevs jet
auch abgelöft vom doyısoevs, der vollends Chriſtus repräfentiert, 14. Die jebt begin-
nenden Zefungen aus den Alten und Briefen der Apoftel bedeuten zunäst gewiſſermaßen
die Berufung der Apoſtel. Die Friedensverkündigung durch den doyısoevs aber iſt die
Beltätigung der prophetiichen Verheißungen, 15. Die Lefung aus dem Evangelium aber,
die nun folgt, ftellt Chriſti Lehrthätigkeit vor Augen, 17. Wenn jebt die &yıa von der 10
roödeoıs aus in feierlihem Zuge zum eigentlichen Altar gebracht werden, jo bedeutet
das den Zug Jeſu von Bethanien nad) Serufalem, 18. Eine Reihe von Einzelmomenten
wird ba noch auögebeutet. Won dem ganzen dieſer Erklärung ift zu jagen, daß fie voll
feflelnder Phantafte ift. Es ift merkwürdig, daß der Name des Theodor von Andida
in der Tradition jo zurüdgetreten ift, wie ed der Fall iſt. 15
Die Schrift des Andidenferd hat freilih in ihrer Art Epoche gemacht. Denn ihre
Betrachtung der Liturgie tft für die olgegeit maßgebend geblieben.
Erft an diefer Stelle ift die Schrift, die mit Sophronius von Yerufalem in Berbin-
dung gebracht wird, zu beleuchten. Sie führt den Titel: Adyos negueywv ıny &xxin-
ormaouıxıyy änacay loropiav xal Asnrouspiji dpiynow ndyrımv ıj dela ↄ0
ieoov 8 reaovovrcv, iſt jedoch nicht vollſtändig erhalten Mat, Spieil. Rom. IV,31—48,
danadı I G LXXXVII, p. III,3981 ff). Es ift leicht zu erkennen, daß fie eine Kombination
der foroola und der Schrift des Theodor repäfentiert. Von leßterer entnimmt fie den
Grundgedanken für die Deutung der Liturgie, aus erjterer vieled Detail, befonvers für
die Gewänder 2c. Beiden Schriften gegenüber geist ſich der Autor auch als felbititändiger 26
aa in Einzelheiten. Es fcheint mir klar, daß er die ioropla weder in ihrer Ur⸗
orm, noch in einer fo entwidelten Form, wie mir fie bei Migne vor und haben, benußt,
fondern in einer mittleren, die noch nicht ediert ift. Zu einer beftimmten chronologifchen
Fixierung gelangen wir auch hier nicht. Daß der Mignefche „Germanus“ den „Sophro:
nius“ benuße, — nicht zu beweiſen. „Sophronius“ iſt ſtraffer als jener, behandelt aber s0
auch ſchon alles, was er bringt, wie etwas „gewohntes“. Schon Theodor ſpricht von
drei Formen der Liturgie, die verbreitet ſeien, der des Baſilius, des Chryſoſtomus und
derjenigen der noonyıaousva, die manche auf Jakobus, den Bruder des Herrn, andere auf
Petrus, andere noch auf „andere“ zurüdführten (Theod.c. 32, Sophr.c.1). Das bietet
höchſtens bei genauerer Durchforfchung des Details einen chronologifchen Anhalt. — In 85
feinem Werke „Chriftugbilder” (1899) hat v. Dobſchütz einen kurzen liturgifchen Traktat
in Betreff des Bildes von Edeſſa ediert (TU. Bd XVIII m %., Bd III], Bei:
lagen IIC), der auch müftagogifche Erläuterungen im Stile der Zoroola bietet (6.5 u. 6).
Der Traktat hat dadurch ein gewiſſes Intereſſe, daß er genau datierbar ift, nämlich auf
die Jahre 944— 959. Someit ich erfenne, läßt fich nicht zeigen, daß er mit der ioroopla 40
in einer der bisher edierten Formen, gar mit Theodor, oder „Sophronius‘, in direlter
Verbindung ftehe. So beweilt er nur, daß im 10. Jahrhundert ſchon überhaupt Werte
bon dem bejonderen Geſchmack diefer Gruppe niyftagogiicher Theologen verbreitet waren.
Man kann auch zmweifeln, ob die alte doroold den Anftoß gegeben bat oder ihrerfeits
fhon hervorgegangen tft aus populären Spekulationen, die in den Geräten, Gemwanden, 4
Geſten ꝛc. des Klerus Typen, Abbilder „biltorischer”, biblischer Berjonen, Dinge, Vorgänge
ſahen. Jedenfalls (das verrät ja beſonders Theodor) ift in Kreifen des Klerus und wohl auch
der Laien in diefer Richtung die Phantaſie noch viel fruchtbarer geweſen, als mir litte-
rariſch erfennen. Das erſchwert auch die „Duellenkritif” im einzelnen bei den erhaltenen
Schriften. Nur direfte Wortberübrungen gejtatten auf fiterariiche Zufammenhänge zu 5
ſchließen. Wie v. Dobihüg mich hat willen lafien, wird er aus Handfchriften eine Reihe
neuer Mitteilungen maden. So zunädit aus Cod. Coisl. 296, au8 dem Smirnow
in einem ruſſiſch gefchriebenen Auflage in den „Arbeiten der Faiferl. ruff. archäologiſchen
Geſellſchaft“ 1897 ſchon ein kurzes Stüd mitteilte. Den Aufſatz „Zu Codex Coisl.296”,
den v. Dobſchütz in der Byz. Zeitſchr. demnächſt veröffentlicht, fenne ich noch nicht, da= 56
gegen hat mir v. Dobſchütz das Smirnomfche Fragment zugänglich gemadt. In ihm
tritt ein Spiel von „Fragen“ und „Antworten“ nur und zwar ziwilchen einem Baaıdevs
und Tonydouoc 6 Bedioyos. Im übrigen handelt es ſich nach der Überfchrift um eine
Form der loropla Exxinoraorıxn de „Sermanus von Konftantinopel”. — Montfaucon
(MSG XCVIII, €. 15 Ann. 10) erwähnt von der ioropia eine Form, die er in einem 00
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Ood. Coisl, (Nr. —* —3 di
— — au Be a t 2: ——
von ojtom ein re u u
widelte Oefhichte der iorogia genauer zu — A ne
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Sehen afilas, geit. 1371 — Fi im allgemeinen den Art. in BdIX,
)- In — * um tijs Velas Asırovoyias, MSG CL, 368 ff.
re er nicht nur Bf ogiſches ebenſoviel Dogmatiſches er | zur
er man f eich, daß Dogmatif und SRyfkopogie und
en Jo we a di a wo über dem Deeident er
daboov eis To deiov o@ya xal al,
15 — F —— und der durch ſie ei —— an u
vgl. e. 32; dazu —* ehe“ I ©. as a) —
Kabaſilas widmet doch — —— —— Er iſt geiſtig
von Andiba am verianbtefen len, De m Gemanıs un ben
20 weiteren Bearbeitern feiner ioropia, au dem „Sopbronius”, das Intereſſanteſte find
die Ausdeutung der Geräte, Gewande ꝛc., läßt er ganz bei — * folgt er
dem eigentlichen Gange ber De enau. Im einzelnen das a nn
he von ftagogen beeinflußt ift, zu weit. —
feine Vorgänger, kennt fie aber unzweiſelhaft, indem er in freier Meife von ibnen
> bat befruchten lafjen. ihn beichäftigen ragen wie dieſe, warum die rima Ha ih
alsbald auf das Bvmaorjorov verbracht we fofort
„Opfer“ — ſondern zubor als eine änaoyı) tod —— ein —— —
—* bringt d : —— zu —— des —— * Fat Yon
| n dowrivns, € um n mw
x 2: Yo ur 60 2 em, ee ein Ben ft ”
mit Recht auch den dnorumdeis doros ganı
einem Bilde des „jungen“ eis, ba erft zu dem bes „een —
35 Nachdem Brot * Kelch in der rechten Weiſe gerüſtet ſind er
und beräuchert es von allen Seiten, Das deutet darauf, d
Deoü Öuwarus verdedt war, bis Die Zeit der rg kam weis The ne
= aus dem Himmel, e. 11. Im weiteren zeigt Kabaſilas, wie die, Liturgie —
ebeten, Zeltionen, Geſängen Ei die — Bi te Jeſu zur © J |
10 ehe es zur vollen Offenbarung feines Wejens fommt, Von e. 24 an |
den Wft der Nerbringung der dno« ** den Altar. Diefer Akt
* tod Koworod dyciosiic, ſpeziell ſeines Zuges n 3 alem, n
weiter zur eigentlichen Opferung, wobei han —— — Ki er Akt voll
ſignifilatoriſcher Worte ih Handlungen it. | j
1 einmal prinzipiell ausf zal N —— io Muay
iorogias, Ar do —— yoi —* ‚ 0, 16
Ein einbeitliches FA von „ niſſen“ orig (dor ), ft die ——
Zn was ra —— Berge a —— we gu — * ‚od xv·
— t zu eben iſt 2 i Liturgie ge
— he und berübtmtere Werk des Ha * X *
Tanſc. Dieſes m —— als eine oder ſelbſt die — a f in der Ki dh
von Byzanz geltende Werk —— weitere neue myſtagogiſche —— im 5. Bi
welches von der za od 1eood Üvanaornolov handelt, Sr — ee
aller Myſterien, durch die hindurch das Leben in Chrifto feine
Tert S. 120, Migne 625 ff). Hier ift Kabaſilas völlig Telbitftändig. Ich
auf eine Darftellung oder auch nur Anbetung des Einzelnen — es bandelt fid
darum, daß alles bis auf bie Gewandung am Sierarchen der Bereutung des Alte
angepaßt iſt — Gap, Einleitung ©. 167 ff. giebt eine treffliche Near. re
Einflußreiher als Nabafilas noch ift Someon von The geworden, weft. 1424
co oder 1430. In Form eines Audkoyos bat er ſowohl bie — — Dogmen, als ſam
Myftagogiicde Theologie 621
liche Myſterien behandelt, jene vorab in cap. 1---32, dieſe fodann in cap. 33—293 (MSG
CLV, 176--536; angefügt tft, doch nicht mehr in Korm eines Geſprächs, fondern einfach
einer Abhandlung eine Auseinanderjegung über die Heia rgooevyNn, cap. ?294--373; un:
abhängig vom Dialog bat Symeon noch eine Founreia Tod Beiov vaod verfaßt, a. a. O.
697— 749 [nachdem er im Dialog von der xadıeowors desjelben gehandelt und auch 5
da Schon mandes an deſſen Einrichtung beleuchtet bat). Es verbietet ſich von felbft auf
diefes Sammelwerk myſtagogiſcher Weisheit genauer einzugeben. Seine Bedeutung beruht
darin, daß e8 eben alles behandelt. Das bat ibm jeinen befonderen Ruhm gefichert. Sy:
meon fteht in der Reihe derjenigen, die die iorooia ausgebaut haben. Er ift an geiftig-
theologijcher Bedeutung unzweifelhaft geringer als Kabaſilas. Die Reihe Dionyfius Areo- 10
pagita, Maximus Konfeſſor, Theodor von Andida, Kabaſilas könnte man die große nennen.
Für diefe Theologen jind deutlih die Handlungen und Morte (Leſungen 2c.) das twich-
tigfte und bedeutiamjte Thema der myſtagogiſchen Spekulation, für die anderen, denen
Symeon zuzuzählen ift, find es die Dinge, gerade das Außerliche fcheint ihnen das In—
tereflantefte. Auch für Symeon ift der doyıspeds der Nepräfentant des Herrn felbit,
ol oiw adro, aljo die niederen Kleriker, repräfentieren ihm die Engel oder aud die
Apoftel (f. c. 97f.). Aber die „dramatiiche” Theorie von der Liturgie wird dod nur
nebenbei mitentividelt, ec. 97 ff. und Symeon reproduziert bier bloß Geläufiges. Er ift
dabei im einzelnen nicht jehr anfchaulich (übrigens meine ich bei ihm zuerſt im technifchen
Ausdrud die Unterfcheidung der beiden eloodoı, der jog. wmxoa wie er fie nennt der 20
„rowen", 5.289 A] und der „Öevreoa, ueydin" S. 2964 zu treffen; er redet davon
als befannten Ausdrücken). Es iſt nicht zu verfennen, daß ihn der Bifchof ꝛc. nicht ſowohl
in ibren Aktionen, als vielmehr in ihren Figuren „Typen“ bedeuten. Man ehe 3. B.
mas er aus den Enta iega Evövuara Tod dpyısocws bei der Euchariſtie macht, c. 79
und 81 (von ihnen jchreibt er S. 256 B, daß ſie 779 baydownnow Önkodoı Aoıorov 26
xal ra tijſß bardownnosws). Übrigens behandelt er im Traftat vom Tempel die „Er:
ſcheinungen“ des Klerus noch vollends eingehend. Bei Symeon iſt man ganz in der
Atmofpbäre, wo der Klerus eigentlih nur in feinen Gewanden und fraft ihrer veligiöfen
Charakter hat. In diejen ift er freilich voll „Heiligkeit“. Aber alles ift Staffage, Die
wirklichen Perſonen bedeuten nichts, ‚sorm und Farbe, das „Ausſehen“, das ift das Er: 80
babenjte am Klerus. Geräte, Ort und Geften find an den Feiern die Hauptſache. Deren
Geheimniſſe aufzudeden, erjcheint ald das Anziebendite für den Miyftagogen. Aus einem
Drama wird da die Yiturgie vielmehr zu einer Schauitellung.
Es lohnt Sich nicht, den neueren griechifchen myſtagogiſchen Schriften nachzugeben.
zu den angeſehenſten ſpäteren Autoren auf dieſem Gebiet gehört Johannes Nathanael. 86
Er lebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, war Priejter in Venedig, ſpäter
olxovduos und Eniroonos des ölumenifchen Batriarchen in Konftantinopel. Aus nid)
tigen Gründen zeitwetlig erfommuniziert, it er 3. DB. in der ’Aonis 6ododokias, melde
die Synode zu Jeruſalem 1672 (j. den Art. darüber Bd VIII, 703 ff.) edierte, unter
den Säulen der Urthodorie genannt, fpeziell mit Bezug auf fein Werk über die Liturgie 40
(f. Kimmel, Monumenta fidei ecel. orient. 1,336). Über den Dann und das foeben
genannte Werk desfelben ſ. Xe Grand, Bibliographie HelleEnique, ouvrages publies
aux XV® et XVIe siöcles II, 1885, S. 24 und 202--205, auch Ph. Meyer, Die theol.
Litteratur der griech. Kirche im 16. Jabrb., 1899, &. 140 u. 147f. Der Titel des
Wertes it: IN Ayia Asırovoyia ucera Eiryyjoswv dıapdowrv Ördaoxdiwv, doneo uern- 4
veyxev eis mv aonıv yAmocay ’lodavyns 6 Nadavani ete., 1574. Tas Werk war
mir nicht zugänglich. Ye Grand teilt die Vorrede mit. Johannes nennt darin jelbit
jeine Autoritäten, es ferien „neben andern” Germanos Patriarch von Konſtantinopel, Sy—
meon ö v£os Beddoyos, Wi. Kabaſilas und Theodor von Andida. Meyer vermutet,
daß Johannes Statt des genannten Symeon vielmehr den Symeon von Thefjalonich be=
nußt babe, denn von jenem erjteren fer fein liturgiiches Werk befannt. Das ift richtig
(j. Hol, Enthuſiasmus und Bußgewalt beim griech. Möndtum, S. 26 ff). Es wäre
jedoch ſehr wohl möglih, daß er deflen Eowres 10 Belwv Üıuww» meine. Das Wert
bat ſchwerlich eigenartigen Stoff; fein Hauptinterefle tft, daß es in der Vulgärſprache
gelehrieben it. -— Ein anderer Mann, deſſen Name ich mwenigftens bier nennen will, iſt 5
ifolaus Bulgaris. Er bat eine Katıjyyoıs leoa iſrot tijç Beias xal lepäs Aeırovo-
gas Enynos al E£etacıs TOP YEIXOTOVOVUELWY ÖLod xal uera nollov Allwv,
zenedig 1681 ediert. S. Ye Grand, Bibl. Hellenique ouvrages publies au XVIIesie-
ele, II, 1894, &. 366 ff. Bulgaris giebt ſich ſelbſt nur als Editor des Werkes an,
Autor desjelben ſei fein Bruder Chriſtodulos, ueyıoTos nowronanäs von Korkyra. Das 80
[2
b
622 Myſtagogiſche Theologie Mypit
Wert fcheint griechifch nicht wieder aufgelegt zu fein, bagegen iſt 1893 eine engliſche
Überfegung ediert. Bei LeBret, Magazin zum Gebraud) der Staaten: und Kirchengeſch. II
(1772), 541—565 trifft man einen Auszug, der zeigt, daß das Wert IQwerd von
größerem Intereſſe it. Aus Le Grands großen Werfen, oder aus Sathas N, oo
6 er wären noch manche Schriften zu eruieren. Pal. auch 5. B. Byz. Sale
(1901), 241.
Die ruſſi joe Litteratur ift wichtiger als die neuere griechiſche. Aus ihr nenne ih
2. von Wuralt, Briefe über den Gottesdienft der morgenländ. icche 1838; Philaret
(ehedem Erzbifchof von Tſchernigow), Erläuterung des Gottesdienftes der morgenl. Kirche
ı0 nach feiner ſymboliſchen Bedeutung (Geſch. d. Kirche Rußlands, deutſch von Blumenthal, I,
1872, ©.369 f.); Gogol, Betradhtungen über die göttl. Liturgie (zuerit herausgeg. 1857:
deutich bei U. v. Maltzew, Liturgiton, 1902, ©. IX—CVIM). Das, was in dieſen
Merken gan unächſt auffällt, ift eine Begeifterung, wie die ältere Sitteratur fie doch nicht
fennt. Der nüchternfte ift der Erzbiſchof. Die beiden anderen genannten Autoren, Laien,
16 der legtgenannte ein gepriejener Dichter, reden wie in der Ekſtaſe. Die dramatifche Theorie
bon der Liturgie tritt mie eine ausgemadhte, ſelbſtverſtändliche auf. Indem die Horen-
gottesdienfte mit in die Deutung verwoben werden, erfcheint die ganze Heildgefchichte vom
Sündenfall an als das Objekt der Daritellung. Nicht ohne Belang ift, daß der Inhalt
ber Gebete, Lefungen, Zurufe 2c. genau mit in Betracht gezogen wird. Denn das giebt
20 dem „Drama“ eben Pe Inhalt. Die handelnden Perjonen werden zwar auch in jeber
minutiöfen Außerlichkeit ihrer Erfcheinung geiftlich gedeutet. Aber das Intereſſe seit
doch offenfichtlich über und fucht wieder dem Gedanken, daß die Adyıa od deov das
eigentliche Grundelement der Myſterien fei, gerecht zu werben. Muralt bat nicht nur
bie Liturgie, jondern den ganzen Cyklus der Mufterien und heiligen Zeiten in Betradt
26 gezogen. Geine höchſte Kategorie in der Würdigung des „Reichtums“ der m ei
—* iſt „vührend“. Die Gefühlsweichheit des —*8 Zweigs der orthodoxen Kirche
drückt ſich darin aus; die Griechen, zumal der alten Zeit, bieten doch ganz andere Kate⸗
gorien, ſolche, die dem „Staunen“, der Zuft des „Schauens“ und ber Pefriebigung der
„Philoſophen“ gegenüber den firchlichen Feiern Ausdrud gegeben! Bei den genannten
so ruſſiſchen Schriftitelleen fann man übrigens erfennen, daß die myſtagogiſche Spehulatim
im einzelnen eine Grenze überhaupt gar nicht findet.
Auf die Litteratur der abendländifchen Kirche, die der vorgeführten morgenlänbdifchen
zu vergleichen ift, einzugehen, liegt außerhalb der Aufgabe dieſes Artikels. Drews a. a. O.
©. 485 ff. legt, den Finger auf Einzelheiten in altgalliichen Dokumenten und in be
36 mozarabifchen Liturgie. Wenn er meint, daß die Echtheit der beiden Epistolae des Ger:
manus von Paris (geit. 576) hr mit ftichhaltigen Gründen nicht anzmweifeln RN ſo
hat Hauck, auf den er ſich da mitbezieht, in Bd VI, 607, s ff. doch vorſichtiger geurteilt,
und 9. Koch in feinem Aufjate über „Die Büßerentlaffung in der alten abendlänbijchen
Kiche”, ThOS 83. Jahrg., 1900, hat ©. 525 ff. Gründe beigebracht, die die Echtbeit
40 wohl ausfchliegen. Sehe ich recht, \o hat das Abendland feine e ige klich zufammen:
hängenden und durchherrichenden Theorien über die Symbolit im Kultus ausgebildet
Wer die Geſchichte der Kultſymbolik hier verfolgen will, findet eine Sammlung in Be
tracht zu ziehender Dokumente in Melchior Hittorps Wert De divinis catholicae ee
clesiae officiis et mysteriis varii vetustorum aliquot ecclesiae patrum ac scrip
4 torum ecelesiasticorum libri, Paris 1610. Aus der neueiten Zeit nenne ich zur
Orientierung über eine Spezialität dad Merk von Joſeph Sauer, Symbolik des Kirchen:
gebäudes und feiner Austattung in der Auffaffung des Mittelalters (mit Krb Arsink
von Honorius Auguftodunenfis, Sicardus und Durandus), 1902. Analoge A
über einzelne Gebiete der von der Myſtagogie berührten Verhältniffe der irhe vn von
do By an oder überhaupt des Orients fehlen noch fehr. In Bezug auf die Liturgie iſt bie
Yulan e noch nicht erledigt feftzuftellen, wie myſtagogiſche Theorie und forti
Entwidelung der Feiern ſich edfeffeitig beeinflußt haben. F. Kattenbuſch.
Myſterien ſ. die Artikel Sakramente und Spiele, geiſtl.
Myſtik ſ. Theologie, myſtiſche.
Naaſſener Nahum 623
N.
Naaſſener ſ. Ophiten.
Nabatäer |. d. A. Arabien Bo IC. 767, 2 ff.
NRahtmahlöbnlle |. Bulla in coena Domini Bd III ©. 535.
Nachtwache |. Tag bei den Hebräern. 5
Rahum, der Prophet. — Litteratur: Luther, Auslegung des Propheten Nahum,
1555; Chyträus, Expl. proph. Nah., Viteb. 1565; Gesner, Paraphr. et expos. in Nah.,
Viteb. 1604; Safenreffer, Comm. in Nah. et Hab., Stuttg. 1663; Abarbanel, Rabbin. in
Nah. comm. a J. D. Sprechero, Helmst. 1703; 4. Wild, Meditt. sacrae in proph. Nah.,
Francof. 1712; SKalinsty, Vaticc. Chabacuci et Nachumi, Breslau 1748; H. A. Grimm,
Nahum, neu überj. mit erflärenden Anmerkungen, Düfleldorf 1790; €. Ph. Conz in Stäud-
lins Beiträgen I, 169; €. J. Greve, Vaticc. Nah. et Hab., Amstelod. 1793; J. Bodin,
Nah. latine versus et notis philoll. illustr., Ups. 1806; €. Kreenen, Nah. vatic. philol. et
crit. expos., Hardervici 1808 ; Srähn, Curt. exegetico-critt. in Nah. proph. apec., —
1806; Ueberſetzung mit tuarung von Moſ. Neumann, Breslau 1808, H. Middeldorpf,
amb. 1808, Juſti, Leipzig 1820 und in ſeinen Blumen althebr. Dichtkunſt, II, S. 577;
ölemann, Nah. orac. verss. germ. öuororelevrors et scholl. illustr., Lips. 1842. gl. ferner
D. Strauß, Nah. de Nino vatic. explan. ex Assyr. monumm. illustr. Berol. 1853; C. 4.
Blomauiit, Upf. 1853; F. Gihl, Upf. 1860; M. Breiteneiher, München 1861; 2. Reinke,
Kritik der alten Verfi. des Nahum, Münſter 1867; Knobels Proph. II, 207; Preiswerks 20
Morgenland V, 97; X. Engjtröm, Destructio Nini, Lond. 1760; H. Guntel, Nah. in ZatW
1893, 233— 244; 9. Billerbed u. N. Jeremiad („Der Untergang Ninivehd und die Weis:
fagungsjchr. des Nahum von Elkloſch“) in Delitzſchs und Haupts „Beitrr. zur femit. Sprad)-
wiienihaft“ III (1895), 1; Wellhauſen, Skizzen und Vorarbeiten V, 158.
1. Der Name EM: (griech. Naodu, vgl. Le 3, 25, lat. Nahum oder Naum, vgl. 25
4 Edr 1, 40) iſt von DT; gebildet, mie E7 von EIN, und bedeutet trojtreich (vgl. die
pbön. n. pr. EMI ſ. corpus inscriptionum semitt. 93. 94. 123). Mit diefer Be:
deutung ftimmt der für Israel troftvole Inhalt der Weisfagung zufammen, fofern fie
die Verheißung enthält, daß Jahve an dem damaligen Hauptfeind Israels, an Aſſur,
die Strafe vollziehen werde. 2. Nahum wird 1, 1 genannt "ÖIPRT: der Ellkoſchith; so
LXX. Vulg.: ‘Eixeoaios, Elcesaeus. Hieronymus jagt zu Na 1, 1 daß Helcesei
en Dörfchen in Galiläa jei, das ihm felbjt ein Führer (circumducens) gezeigt habe:
vielleicht das heutige EI-Kauzeh bei Rama in Naphtali; nad) Epiphaniug N ein Ort in
der Nähe von Bet-Dschibrin d. i. Eleutheropolis (ſ. Eb. Neſtle ZdPV 1878, ©. 222
bis 225) gemeint. Knobel und Hitzig (in der 1. Aufl. feines Komm.) fuchten Elkoſch in ss
dem im Alten Teftament nicht erwähnten Kapernaum, das man als Dit: "e>, Dorf
Nahums, deuten zu dürfen meint. Allein diefer Kombination fehlt es an jeder biftori-
fchen Grundlage; und da die Meinung der heutigen Morgenländer, welche als den Ge-
burtsort des Propheten den Ort Alkusch (VA) in Affyrien, unweit von Moful
anſehen, fi auf eine erft im 16. Sahrhundert auftretende Überlieferung ftügt, fo bleibt «0
man entiveber bei obiger Angabe des Hieronymus (vgl. Cyrill. Alex. ad Nah. 1, 1),
oder bei der des Epiphanius, was deshalb vorzuziehen, weil Nahum nad) 1,9. 12%. 13;
2, 1 in Juda gefchrieben hat. Was die inneren Gründe betrifft, aus melchen hervor:
gehen fol, daß Nahum vielmehr in Afigrien gefchrieben, fo find fie ſehr fubjektiver Natur.
r beiläufig, jagt Ewald, blide er auf Juda hin; feine Spur verrate, daß er in Juda 45
gefchrieben, vielmehr folge aus der Faflung der Worte 3, 1, daß er fehr weit won Jeru⸗
falem und Juda geredet. Schon die allgemeine Farbe des Buches beurfunde den Augen:
gen. Allein, was legtere Behauptung anlangt, fo ift die Belanntichaft mit afigrifchen
ingen, die uns in dem Buch entgegentritt, nicht größer, als fie von den aſſyriſchen In⸗
vafionen ber jeder Bewohner Paläftinag haben konnte. Denn die Ortskenntnis, welche 60
2, 7 vorauszufegen fcheint, iſt Leine genauere, ald man fte von der berühmten Stadt
wohl in ganz Vorderaſien hatte. Die Lebendigkeit der Schilderung aber geht durch das
ganze Bud. Kap. 1, 2—16 ift nicht weniger lebendig, ald Kap. 2, und doch wird nie
⸗
0
put
b
624 Nahum
mand daraus ſchließen wollen, daß Nahum das alles mit leiblichen Augen geſehen habe,
was er uns 1,2. in jo großartigem Bilde vor Augen ſtellt. Daß feine Spur Nahums
Anweſenheit in Juda verrate, wird von anderen bejtritten, iwie von Maurer und Hißig,
der auf 1, 4 binweilt, von Umpbreit, auf den die Worte 1, 13—2, 2 gerade Den ent
5 gegengejegten Eindrud, wie auf Ewald, machen. So furz auch der Blid auf Juda iſt,
jo nimmt er doch, da die Weisſagung gegen Ninive doch nur für Juda beitimmt, aljo
Mittel zum Zmed tft, eine ſehr bedeutfame, zentrale Stellung im ganzen des Buches
ein. Was endlih die aſſyriſchen Wörter anlangt, welche das Wohnen des Propheten ın
der Nähe Ninives beweifen follen, jo fann Ewald nur drei namhaft machen, nämlıd
10 287 2, 8, 27725 3, 17 und SEES ebendaf. Allein daß das erite dieſer Wörter die
Perſon der aſſyriſchen Königin oder jogar den Namen derjelben bezeichnen ſoll, iſt doc
mebr als fraglich. Warum follte >27 nicht als Hophal von >87 zu fallen und die Stelle zu
überjegen fein: „Es iſt beichlofjen, fie (Die Königin Ninive) wird gefangen, weggeführt?“
Anders verhält es ſich mit den beiden anderen Wörtern. Die aſſyriſche Herkunft des
15 offenbar ein Amt bedeutenden Worts "TE (Fürjt, Großer) iſt wahrſcheinlich; TOFS wird
neuerdings auf ein ajlyrijches tupsarru zurüdgeführt (vgl. Friedr. Delisich, Wo lag
das Paradies, S. 148) i. d. Bed. Tafeljchreiber und als Bezeichnung einer Würde bei
den Aſſyrern und Medern erklärt. Aber weit entfernt, daß die Kenntnis ſolcher Worte
einen aſſyriſchen Aufenthalt des Propheten vorausfegt, erklärt fie ſich vielmehr umgefehrt
an vollfommen aus dem Aufenthalt der Aſſyrer in Paläftina, wie ja auch Seremia 51, 27
das Wort "SET gebraudt, obne daß es noch jemand eingefallen wäre, wegen Diefes und
mancher anderer aus den öjtlihen Spraden entnonmener Wörter an einen Aufenthalt
diefes Propheten in jenen Ländern zu denken. Wir können ſonach feinen von den Gründen,
welche man beigebracht hat, um zu beweifen, daß Nabum in Afiyrien gejchrieben, für
95 überzeugend anfeben. 3. Was die Frage nach der Abfaffungszeit des Buches betrifft, fo
balten die Meiften dafür, Nabum babe zu Hiskias Zeit gemweisfagt, doch mit dem Unter:
jchied, daß ihn die Einen vor Sanheribs Niederlage vor Ferufalem auftreten, ja dieſelbe
vorherjagen lafjen, die Anderen in jener Niederlage gerade die Veranlaflung zu dieſer
prophetijchen Außerung fehen. Andere machen Nahum zu einem Zeitgenofjen Manaſſes,
so Ewald weit ihn der Zeit Joſias zu, da er annimmt, der Prophet habe den Angriff de
Phraortes auf Aſſyrien vor Augen; noch etwas fpäter fest ihn Hitzig an; Coccejus
gebt bis auf Jojakim, bis auf Zedefia Clemens von Alerandrien berab (Strom. 1, 392).
Bochart (Phaleg S. 6) will Nabum fogar nad Jeremia und Ezechiel anjegen. Tiefe
Hinz und Herraten der Ausleger legt allerdings den Schluß nahe, daß der Text für bie
35 Beſtimmung der Abfaſſungszeit feine fichere Handhabe biete. Man meint freilich, die
Niederlage Sanberibs vor Jerufalem (2 Kg 19,357.) müſſe dem Propbeten noch in frifchen
Andenten gewejen fein. Allein Stellen, wie 1, 11f.; 2, 3, laut welchen aus Ninive
Der hervorgegangen, der gegen Jahve und fein Heiligtum das Schlimmfte plante und
ausführte, berechtigen nur zu dem Schluß, daß die für Jerufalem fo gefährliche Invaſion
40 der Aſſyrer unter Sanberib der Vergangenheit angehörte. Ebenſo ift die Meinung, daß
1, 14 die Ermordung Sanberibs (el 37,385 2 Kg 19,37) geweisſagt fei, als mit den
Worten unvereinbar abzuweiſen und nicht einmal fo viel richtig, daß der Prophet auf
diejeg Ereignis Nüdfiht genommen (ſ. Keil z. d. St.). Hienach ift alfo die Behauptung
E. Nägelsbachs, daß die Abfaſſung unjeres Buches ftattgefunden haben müſſe nach jener
45 Niederlage und vor der Ermordung Zanberibs, unbaltbar. Den einzigen ficheren An-
baltspunft für die Beftimmung der Abfaſſungszeit bietet die Stelle 3, Sff., wo Ninive
ugerufen wird: „Bilt du beijer, als No-Amon, am Nilfttom gelegen, Waſſer rings um
Ne ber, die da eine Veſte des Meeres, deren Diauer der Strom? Atbiopier in Menge
und Agppter ohne Zahl, Put und die Lybier waren dein Beiftand. Auch fie wanderte
so fort, zog in die Gefangenſchaft“ u. ſ. f. Es iſt bier ein biftorifches Faktum angezogen,
das nah Schrader (Die Keilinfchr. u. d. U. T. zu Nah. 3, 8ff.; Dunder, Se des
Altert. II, 3827.; E. Diener, Gefch. d. Altert. I, S 392; Tiele, Babyl.⸗aſſyr. Geſch. S.358)
durch die aſſyriſchen Inſchriften feitgeftellt ift. Diefelben berichten von der Zerftörung
No:Amons d. i. Thebens in ganz ausdrüdlicher Weife. Danach mar 8 Aflurbanipdl,
»» der Sohn und Nachfolger Ajarbaddons, welcher in feinem ziveiten gegen Urdamani, den
Nachfolger Tirbafas gerichteten ägyptiſchen Feldzug Theben jenes Schidjal bereitete. Da
nun von einer fonftigen früberen oder fpäteren Zerftörung Thebens nichts bekannt ift,
jo kann fein Zweifel darüber obmwalten, daß Nabum dem Aſſyrer das gleiche Schidjal
androht, das dieſer felber jener ägyptiſchen Hauptſtadt bereitet hat. Auch die Zeit dieſes
co Sreigniffes läßt fih nah Schrader genau bejtimmen, fofern aus den aſſyriſchen Annalen
Nahum Name 625
feitgeftellt werden Tann, daß der aflyrifche Feldzug gegen Agypten bald nad Tirhakas
Tod ftattgefunden. Da nun Tirhala 664 v. Chr. geftorben ift, jener ziveite ägyptiſche
Feldzug vielleicht jchon im Jahre darauf ftattgehabt hat, die Zerſtörung No-Amons aber
noch in der friihen Erinnerung des Propheten mar, jo ift etiva das Jahr 660 der Beit-
punkt, in welchen Nahum fein prophetifches Wort gegen Ninive geredet hat. Wir hätten 5
dasjelbe fonady der Regierungszeit Manaſſes zuzumeilen. Bei diefem Reſultat wirb es
fein Berbleiben haben müſſen, 5 lange es nicht gelingt, eine frühere Zerftörung Thebeng
geichichtlich nachzumeifen. Daß eine ſolche ſchon durch Sargon zu Hiskias Zeit erfolgt fei,
wie man behauptet bat, läßt fih nicht erhärten (vgl. Delitzſch, Der Prophet Jeſaja',
©. 240). 4. Das Buch des Propheten bildet ein mohlgeorpnetes Ganze. Die Kapitel:
einteilung entfpricht den drei Hauptivendungen der Rede. Das erite Kapitel enthält Ein-
leitung und Thema der Weisfagung, das zweite die Schilderung des Gerichtsvollzugs an
Ninive durch ein von Jahve entbotenes Heer, das dritte zeigt, twie der Untergang Ninives
durch feine Schuld, bei. die Blutfchuld herbeigeführt wird. In Bezug auf die Integrität
des Buchs ift der erfte Teil der Überichrift, (77 RE) von Eichhorn, Berthold, Ewald
u. a. als echt bezweifelt worden, allein derjelbe ift, weil fonft dag Objekt der Drohung
1, 8. 11 nicht erfichtlich, unentbehrlid. Auch der 2. Teil (Gefiht N. des Elf.) fünnte,
wie Orelli richtig bemerkt, nicht leicht mwegbleiben und erweckt durch die ſonſt nicht er:
baltene Angabe über die Herkunft des Verfaſſers Zutrauen; nur wird er im Unterfchieb
vom eriten nicht von Nahum jelbit, jondern ſonſt von kundiger Hand vorgeſetzt ſein. 20
Gunkel a. a. O. u. a. fehen in 1. 2, 1. 3 einen allerdings vielfach bis zur Unkenntlich—
keit entitellten Pjalm, der dem Buch Nahum fpäter vorgejegt worden ſei; Wellhaufen a. a.O.
bezeichnet 1, 13; 2, 1. 3 als eingejchoben.
Bon der Redeweiſe des Propheten jagt Lowth — De s. po&s. Hebr. p. 216 ss.
— mit Recht: Ex omnibus minoribus prophetis nemo videtur aequare subli- 2
mitatem, ardorem et audacem spiritum Nahumi. Adde quod ejus vaticinium
integrum ac justum est poema. Exordium magnificum est et plane augustum;
apparatus ad excidium Ninivae ejusque excidii descriptio et amplificatio ar-
dentissimis coloribus exprimitur et admirabilem habet evidentiam et pondus.
Eigentümlichleiten der Sprache Nahums find Aramaismen 37; suspiravit (2, 8), "717 30
eurrens (3, 2; außerdem noch im Deboralied Ri 5, 22), und vielleicht MYT>E (2, 4).
Über die eigentümlihen Suffirformen 7123 2, 4 und a8: 2, 14 vgl. Etabe,
Lehrb. der hebr. Sprache, S. 20, Anm. 1 und 213. in leßterer Form liegt ficher ein
Schreibfehler vor, wie denn der Tert des Buches ficher nicht ohne Verderbniſſe ift. In der
oben angeführten Schrift yon Billerbed und Jeremias hat derfelbe eine eingehende Er- 35
örterung, auch in militärischstechnifcher Beziehung, unter Zuhilfenahme aller Mittel der
Aſſyriologie erfahren. Bold.
Name, bibliihe Bedeutung desfelben. — Matthaei Hilleri, Onomasticon
sscrum, Tubingae 1706; Simonis Onomasticon sacrum Hal. 1741; H. Ewald, Auf. Lehr:
buch d. hebr. Sprache? (1863) ©. 667 ff.; Fr. Böttcher, Ausf. Lehrb. d. hebr. Spr. I (1866) 40
©. 314f.; Eb. Neftle, Die israelit. Eigennamen nad) ihrer religionsgefhichtlihen Bedeutung,
Harlem 1876; Robertson Smith, Kinship and Marriage in early Arabia, Cambridge 1885;
dazu Nöldele ZomG 1886 ©. 156ff.; Fr. Ulmer, Die femitifhen Eigennamen im AT, I,
Beibz. 1901; Jul. Böhmer, Das biblifhe „Im Namen”, Gießen 1898; derjelbe in Edjlatters
und Gremers Beiträgen zur Förderung chriftl. Theol. V, Heft 6 (1901): Zwei wichtige Kapitel 45
aus der bibl. Hermeneutif; Fr. Giejebrecht, Die altteftamentlihe Schätzung des Gottesnamens,
Königsb. 1901. Vgl. ferner Dehler in Aufl. 1 u. 2 diefer Encyflopädie unter „Name“, ebenfo
von Wittichen in Schenkels Bibelleritun; ebenjo von ©. Baur bei Riehm, B. Howb.; Cremer,
Neuteitamentl. Wörterbud unter öroua; Hamburger, Realenchyklop. des Judentums II, 828 ff.
Bgl. auch die Lehrbücher zur Altteft. Theol. von Dillmann, Schulg u. f. mw. 60
Nenn in allen Sprachen die Namen der Gegenftände urfprünglih nicht millfürlich
gewählte Klangformen find, fondern bedeutfame Benennungen nad bejondern Merkmalen,
die man an den Dingen wahrgenommen, und diefe Grundbedeutung der Wörter in den
femitifchen Sprachen in: allgemeinen durchfichtiger und darum bemwußter geblieben ift ale
m den indogermanifchen, fo gilt beides auch in Bezug auf die Perfonennamen. Die alten 55
äer pflegten ein Kind nicht zu benennen, ohne an die Bedeutung des verliebenen
end zu denken, und wenn derjelbe auch ſchon ſehr frühe etwa ein Familienerbſtück
ein mochte, fo befann man ſich doch auf feinen Inhalt. Ja man bildete immer wieder neue
onennamen, um die Eigenart oder die bejonderen Berbältnifje des Benannten auszu—
drüden, jo daß der Prozeß der Sprachbildung ſich in der Schaffung von Eigennamen fortfeßte. eo
Realstinchkllopädie für Theologie und Kirche. 3. AM. XIII. 4
uk
0
fer‘
8
vo
Name
Wie der M eiten die T beſonders orſtechenden Merkmal
benannt — feine ———— — * — an
kam Der 2, 20), 5 trachtete man aud) im Namen, tve man
jond —
Namen beizulegen —— Rama, Si * aber auch
— —*4 e —— * eine — fehlten olten ( en 26, 20, 33 u FF.)
ji — geweiht waren, es einem
— Fans Got — u 5 — u. ä), = einer
milie
E die Namen Ihres Kinder zum neu twelch: di Summe he N
Ne Mbtıdt bei der bezeugte, Jeſ 7, 35 8, 35 Sof 1, 3ff. vn allgemeinen aber
Abficht bei der ren dabin, das’ Kind * zu vi
> Bert * a t und bei den Nachbarn hä
ern, Rachel, Debora, Chulda u. dgl. Man hat darin Totemis-
une Kim —— als äge Die Vorftellung u Grund, daß der Stamm vom betreffenden
tamme. Allein dafür fehlen, tie Yöleke gegen Nobertfon Smith g ——
J e Anhaltspunkte Pielmebr joll die Eigenart des Individuums, die es *
oder die man ihm wünſcht, durch die hervorſtechende Eigenſchaft — F ekennzeichne
werben. Wal. die Tierbilder im Segen yes Gen 49. (Über en Aberglaube
25 vom Einfluß des Kindesnamens auf das BR —* — ‚Heiben-
tums?’, ©. 199.) Der Mann Oreb oder Seeb kommt dem Raben od a en
1 Manmende Männemame Park St Ra —
er eit des Exils mende ername au
ae wenn man fih an 1 Sa 24, 15; 26, 20 erinnert. Auch
A belegende Name Thola (Wurm) mag auf elende Bebenzunftände, deuten;
“ ar Auch ————— wie Thamar (Dattelpalme), Eſchkol (Traube,
ei Be ä. gi ii lan Shi — dieſe Gewaä ihre
ek en; vgl. Die otbams Mi Naturſymbo en Namen
* Barak (Bit), "aillah (Schatten, weiblich) u. a. Die
35 äußerlicher oder innerer Art kann auch ohne Bild durch den Eigennamen genannt fein ie
Kareach (Rahl) 2 u 23; Paſeach (Hinfend, Claudus); Schelömoh, 5
David (Liebling). find 7 von leiblichen Außeruůchteilen genommenen
bier —* ſeltener als }. u bei den Römern.
8 überwiegen überhaupt bei den Jsraeliten im Gegenſatz zu ben 1 Selen
40 Benennungsarten bie religiöfen, was, wie Böttcher berborbebt, ——
über a auffälligen ee ausmacht, da bei den let Sildungen auf
je @05, 49705, avaf, zgarns, tiuos, zAns (von idee) | ** ai) NOLOTO —— akkı,
‚ev u. dgl. dem Staatsleben, Ehrenwetftreit, und —— Wohlgefall |
Die Borfiehe. r tbeopbore Berjonennamen iſt allerdings nicht b zraeliten eiger
46 fie zeigt fich 3. 3 auch bei den ihnen nabe verwandten abifihen € race bon welche
die minäiſchen und ſabäiſchen nfchriften berrübren, von beren Eigennamen aus iv
auf alttanaanäifche und altisraelitijche wie Abimelech, Abiefer, Abigail, Achimelech, An.
minabab u. a. eim neues Licht gefallen ift, wodurd fie ebenfalls als ans deinen
Siehe Fr. Hommel, Altisraclit. Überlief rung 1897, ©. 75 Benennung
co Kindes nach einer Gottheit jchloß ein Belenntnis zu ibr in fich, gr au päterbin
mehr Gewohnheit als bewußte Abficht dabei walten mochte, wie denn 3. B. Ahab jein
mit Jebel gezeugten Söhne Ahasja und Joram bieß, was immerhin zeigt dr a er ſich
von Jahveh nicht losfagen wollte. In den zahlreichen Fällen, wo eine beftimmte Eigen
ſchaft Gottes oder ein näheres Verhältnis zu ibm in dem Namen bes Kindes aus
66 Kin war, bildete derſelbe einen Segenswunjd und eine beilvolle Lofung für ba
en desjelben, Wenn die Namengebung mit der Beichneidung verbunden war (j. Bb
. 660, 49), To mußte das religiöje Moment um jo mehr bervi Bei Mäd
5 ie am Tag der Entwöhnung erfolgt fein. Auf a JF Namens hatte übrigen
die Mutter am meiften Einfluß (Gen 29 und 30; 1 Sa 1, 20; 4,21; vgl. aber aud
ww ge 1, 59 ff). —
Name 627
Dieſe theophoren Eigennamen ſind von hohem Wert für die Religionsgeſchichte. Sie
laſſen erkennen, welche Gottheit zu einer Zeit beſonders verehrt, welche Gottesnamen
hauptſächlich im Gebrauch waren, und geben auch merkwürdige Winke darüber, in welchem
Verhältniſſe man zu ſeinem Gotte ſtand. In der früheſten Zeit herrſcht die allgemeinſte
und einfachſte ſemitiſche Benennung Gottes vor: El. Vgl. Israel, Ismael, Elieſer u. ſ.w.; 5
daneben Schaddaj, fo in Zuriſchaddaj Nu 1, 6; Ammiſchaddaj, 1, 12. Wie in jenen
altarabifchen Perfonennamen, wo ebenfalls EI in der älteſten Zeit vorherricht, finden ſich
auch in den älteſten hebräifchen viele, wo die Gottheit durch einen vielfagenden Verwandt:
chaftsnamen umſchrieben iſt. So mit Abi, Achi, Ammi: mein Bater, mein Bruder, mein
beim: Abinvam: mein Bater iſt buldvoll; Achitub: mein Bruder ift Güte, Amminadab : 10
mein Oheim (DI eigentlich Bruder des Vaters, daher Vormund, Beichüger) iſt freigebig:
Diefe Gottesnamen laffen auch bei den Israel verivandten Stämmen auf eine urjprüng-
lich reinere Auffaffung Gottes und ein inniges Verhältnis zur Gottheit fchliegen. Bon
Mofe an treten dann Zufammenfegungen mit Jahveh, Jahu, Jeho, Jo ein und werben
etwa von David an vorherrichend. So zuerit Jochebed (Mutter Mofes), Jehoſchua u. ä.; 16
auch mit Nachfegung dieſes Namens: Adonijahu, Sefarjahu u. ſ. f.
Die Bildung neuer Namen läßt fich bis in nacherilifche Zeit hinab verfolgen, was
beweiſt, daß im Volke der Sinn für die Bedeutung des Namens lebendig blieb. Daneben
begreift fich, daß man in der Negel auf bekannte Namen griff, die durch ihren Sinn oder
durch die Erinnerung an frühere Träger berjelben empfohlen wurden. Sp liebte man dem 20
Entel den Namen des Großvaters, dem Neffen den des Oheims, etwa auch dem Cohn
den des Vaters zu geben. Letzteres Tob 1,9; vgl. Xe 1,59. Im der fpäteren jüdifchen
Zeit wurden vorzugsweiſe auch Namen aus der älteften Gefchichte wieder aufgefriicht, welche
fonft wenig üblich geweſen waren, wie Jakob, Joſeph, Simeon, Maria (Mirjam) u. ä.
In Diefer jpätern Zeit find auch aramätfche Nanıen häufig wie Martha, Tabitha, Kaiphas u. a., 26
daneben manche griechifche feit der mazebonifchen Periode, fpäter römiſche; jo Alexander,
Andreas, Andronikus, Antipater, Aquila, Markus; fogar ſolche, die an fremde Götter
erinnerten, wie Apollonius, Bacchides, Demetrius, Epaphroditus. Solche fremde Namen
ericheinen in der Volksſprache häufig abgekürzt, mie Antipas, Epaphras u. ä. Ebenfo
wurden bie hebräifchen Namen vielfach gräzifiert: Lazarus aus Eleaſar; Matthäus aus 30
Amitthaj; Ananiad aus Chananja; Alkimos aus Eljafim ; Jaſon aus Jeſchua (Fo).
Ant. 12, 5, 1), Hyrkanus aus 77 (d. h. Flavius). Manche wählten auch einen grie-
hifchen Namen, der als Überjegung des jüdifchen gelten konnte, 3. B. Dofitheus oder
Theodotus ftatt Natbanael, Elnatban, Nikolaus jtatt Bileam, oder einen folchen, der aud)
nur ähnlichen Klang hatte. Dahin gehört vielleicht aud) Saulue-Paulus. Manche Juden 35
batten außer dem hebrätfchen Namen einen griechifchen oder römischen Zunamen, fo Jeſus
mit dem Zunamen Juſtus Kol 4, 11; Xohannes mit dem Zunamen Markus AG 12, 12.
Vgl. für die jüngere Zeit Zunz, Namen der Juden, Leipz. 1837; Hamburger, Real-Encykl. I
unter „Namen“.
Sp fehr iſt bei den Söraeliten der Name das Wahrzeichen der Perſon, der Ausdrud 40
der individuellen Eigenart, daß zwwifchen ihr und ihrem Namen ein lebendiges Wechfel-
verhältnis ftattfindet. Der Name tft für ihr Wefen und Ergehen von Bedeutung (no-
mina sunt omina); ſtimmt er nicht damit überein, fo follte er umgeändert werden
(Ruth 1, 20f.), wie denn überhaupt im Sprachgebrauch die Übereinftimmung zwiſchen
dem „Genannt werden” und dem thatfächlichen Beftand borausgejegt wird Ho 2,1; Jeſ as
1, 26 u. oft. Vgl. auch Jeſ 9,5. In der That waren Namenänderungen nicht felten,
wenn jemand in eine neue Lebensitellung trat, etwa mit einem Ehrenamt betraut wurde,
oder fonft für jene Umgebung einen anderen Charakter annehmen ſollte. Gen 41, 45;
2 Ra 23, 34 u.a. Vgl. au die Umnamungen Gen 17, 5. 15; 32, 28f. u. ä. Yu
von Lehrern und Meiftern werden den Süngern etiva Namen gegeben, die ihre geiftige so
Eigenart zutreffender ausdrüden follen ala ibr Kindesname Vgl. Jedidja 2 Sa 12,25;
Boanergs Mc 3, 17; Kephas-Petrus Jo 1, 43. — Ein „neuer Name” ſtellt eine neue
Ehrung in Ausfiht Jeſ 62, 2; vgl. 65, 15; Apk 2, 17.
Weil zwiſchen der Berfon und dem Namen, den fie trägt, ein lebendiger Zufammen:
don befteht, fo wird großes Gewicht darauf gelegt, daß der Name durch die Kinder und 55
hlommen auf die Nachwelt fortgepflanzt werde. Gen 48, 16; Dt 25, 6f.; Nu 27,4;
Ruth 4, 5. 10. 11; vgl. 2 Ca 18, 18. Zu beftimmter Unterſcheidung von Gleich:
namigen, aber auch oft um auf die Abſtammung Gewicht zu legen, wird denn auch zum
eigenen Namen der des Waters hinzugefügt, mit 52 eingeleitet; dabei modte nad den
Verhältniſſen die Abficht walten den Betreffenden zu ehren oder berabzufegen; letzteres ep
40°
628 Name
iſt z. B. Ref 7, 4; 1 Sa 22,8 der Fall. Später wurden ſolche Patronymika geradezu
zu Eigennamen, wie Bartholomäus (= Bar Thalmaj), Barabbas, Barjefus u. ä. Dies
erinnert an die Kunje, den Decknamen der Araber, welcher aber davon verſchieden ift:
Die Araber pflegen außer ihrem Kindesnamen bejonderd im traulichen Verkehr noch einen
6 Beinamen zu führen, der meift von ihren älteften Sohne abgeleitet ift, wie Abu Seid,
Bater des Seid, und oft den Hauptnamen ganz verdrängt hat.
Daraus, daß im Namen die Befonderheit des Individuums ſich ausprägt, wird die
Redeweiſe verftändlich, monad, Gott jemand mit Namen gelannt oder gerufen und berufen
habe Er 31, 2; 33, 12. 17; Jeſ 45, 3f.; 49, 1. Es handelt fih an folchen Stellen
ıo um perjünliche Berufung einer bejtimmt ausgeprägten Individualität. Das Wort 79
fteht denn auch geradezu für Einzelperfonen, Individuen Nu 1, 2. Ebenfo ift im NT
Öyöuara gebraudt Apk 3, 4; 11, 13, wie Luther Er 34, 23 „Mannsnamen” für Ber:
fonen jegt und man im ſchwäbiſchen Volt nody hören Tann: „ES iſt ein Mannsname
vorbeigegangen.”
15 Der Name Gottes nun lt, wie ſich ſchon nad) dem fonftigen Sprachgebraud er⸗
warten läßt, von bejonders hoher Bedeutung. Wurden Ion leblofe Dinge und Tiere
nach dem benannt, was ihnen charakteriftiich it, find die Namen der Menjchen der Aus
druck ihrer befonderen Eigenart und findet eine lebendige Wechfelbeziebung zmifchen der
Perſon und ihrem Namen ftatt, fo läßt fich im voraus denken, daß auf den Namen ber
20 Gottheit ein außerordentlicheg Gewicht gelegt wurde und man in ihm die Ausprägung
des beitimmten Gottes fah, den man verehrte oder der eigenartigen Offenbarung, welcher
man teilbaftig geworden war. Daß die Benennung Gottes nichts Gleichgiltiges war,
vielmehr ein bedeutfamer Erponent der empfangenen Offenbarung, zeigt Er 3, 13, wo
Mofe, um mit Zuverfiht vor fein Volk treten. zu können, den dharakteriftiichen Namen
25 des Gottes der Väter wilfen muß, der ihn ſendet. Zwar ift nicht richtig, daß jeder
neue Name einen neuen Gott bedeute. Man hatte von jeher bewußtermaßen verfchiebene
Namen oder Umfchreibungen für denjelben Gott. Aber mie durch einen neuen Menſchen⸗
namen eine neue Zebensitellung oder ein neues Verhältnis, jo kann auch eine neue Bhale
der Gotteserkenntnis oder der Beziehungen zu Gott durch einen neuen Gottesnamen ge
30 fennzeichnet fein Er 6, 3. Darin liegt, dat Gottes Weſen in einem Namen fich nidt
erichöpft. Wohl reflektiert der Israelit nicht über Gottes Weſen an ſich, fondern hält
ih an den Gott, der ihm erkennbar und darum nennbar geiworden it. Aber er kennt
eine fortfchreitende Offenbarung und hat darum das Bedürmis, neue Namen Gottes zu
prägen, oder ivenigftend den Namen Gottes durch Zufäge zu erweitern. Vgl. Jahveb Ze:
86 baoth und foldhe Zuſätze wie Er 34, 6f.
Es verfteht jich von ſelbſt, daß der Name Gottes etwas ſakroſanktes war, nicht zwar
in dem Sinn, daß er überhaupt nicht hätte ausgeiprochen werden dürfen. Ein „Namen:
tabu” nach Art der Auftralier iſt der altisraelitiichen Religion ganz fremd. Ein foldes
taucht auh nicht Am 6, 10 auf (Giefebreht ©. 128), wo nad) Sa 19, 17 zu erklären
wilt. Und die ängftliche Vermeidung der Ausiprache des heiligjten Gottesnamens Jabveh
(f. Bd VIII, 529 ff.) gehört erjt der jpätjüdifchen Zeit an, mo man ihn im Gebrauch
durch einen weniger beiligen (Adonaj u. dgl.) oder durch dag Appellativ OT (Mifchna ;
RD Samaritaner) erjeßte, welches Le 24, 11, vgl. Di 28, 58 dafür fteht. Jene über:
triebene Scheu ift daraus gefloffen, daß man das 27° Le 24, 11. 16 nicht mehr richtig
a verstand, möglicherweife auch schon. unter Mitwirkung babylonifchen Aberglaubens, der
ſich noch Später jedenfalld bei den Juden des schem hamöphöräsch (177°) in fett:
ſamer Weife bemächtigt bat. Richtig ift, daß Gen 32,30; Ri 13,18 himmlische Mächte
erfcheinen, deren Namen dem Menſchen zu kennen verwehrt ift, da er um ihr gebeimni«
volles Weſen nicht willen ſoll. Aber gerade der heiligfte geoffenbarte Nanıe des Bunde:
ta gottes wird im Gegenteil fehr bäufig genannt und ebenfo offen wie mit Nachbrud an
gerufen int Gebet (Gen 4, 26; 12, 8; 1 Sg 18, 24 u. |. m.), beim Eidſchwur (1 Sa
20, 42 und oft) und eben daraus läßt fich erſehen, wer ſich zu diefem Gott beiennt
sep 1, 5; Jeſ 48, 1. Aber ſchwer verfündigt fich, mer diefen Namen läftert (Le 24,
11. 16), oder zu falfchen Eide mißbraudt (Er 20, 7; Dt 5, 11; Xe 19, 12), oder mit
rt Frlfehlicher Berufung auf ibn weisfagt (Dt 18, 22); denn was in feinem Namen geredet
ft, macht den Anspruch, von ibm ſelbſt geredet zu fein. Durch Anrufung diefes Namens
He fid der Menſch mit Gott in Verbindung wie beim Beten, jo beim Segnen Dt 21,5;
Yu 129, 8.
| Wenn über einem Volk oder Land „der Name Jahvehs ift ausgerufen worden“, fo
weht er Wefig davon ergriffen und ſteht zu dieſem Beſitztum in einer innerlichen, perſön⸗
Name 629
lichen Beziehung Am 9, 12; Dt 28, 10. Der Ausdrud ift von menfchlicher Proklama⸗
tion eines Eigentümers oder Regenten hergenommen. Jedoch ift dabei die Meinung,
daß diefe Ausrufung oder Anrufung des göttlichen Namens nicht willfürli won menf
licher Seite gefchehen fei. Um vor Gott rechtögiltig zu fein, muß Gott jelbit eine folche
Beziehung gejtiftet haben. Dies gilt namentlih auch, wo ein beiliger Ort, Tempel,
Altar Träger feines Namens fein fol. Vgl. Er 20, 24 „an jeglicher Stätte, wo id)
ein Gedächtnis meines Namens ftiften werde“. So ift die Bundeslade von ihm jelbft
geweiht (2 Sa 6, 2). So hat er das Haus erwählt, mofelbft fein Name wohnen, d. h.
dauernd feinen Sit haben fol 1 Kg 9, 3; 11, 36; 2 Kg 21, 4; 23, 27; Neb 1, 9;
Ser 7, 12. 14 u. a. Die Bedeutung eines ſolchen Heiligtums liegt eben darın, daß es 10
dem Namen Yahvehs erbaut ift, 1 Sg 3, 2; 5,17. 195 Jeſ 18, 7 u. f. w. Daß dort
der Name Jahvehs wohne, will mehr befagen, als daß er dort angerufen werde: ber
Name Jahyvehs ift daſelbſt (1 Kg 8, 16. 29 und oft), d. h. die Offenbarung dieſes ge-
beimnisvollen Gottes hat hier eine Stätte Daß auch bei diejen lokalen Weihen der
eigentliche Name Gottes nicht gleichgiltig war, läßt fi daraus erkennen, daß Altäre, die 16
einer beſtimmten Gotteserfcheinung oder -erfahrung ihren Urfprung verdantten, etwa nad)
einem bejonderen Namen oder Zunamen des Gottes benannt waren, der fi) hier geoffen:
bart hatte, Gen 16, 13; Ex 17, 15; Ri 6, 24. Sie erhielten das Gedächtnis dieſes
Namens und feiner Offenbarung. Allein zugleidy nahm man an, daß er ſich an diefen
Stätten fort und fort ebenfo offenbar. Auch hier war die Mechfelbeziehung zwiſchen 20
Name und Ort eine lebendige. In dem centralen Hauptbeiligtum nun, das Jahveh mit
feinem Namen belegt hat, wohnt fein Name ee, es tft der Sit, gewiſſermaßen
der Mittelpunft feiner Iebenbigen Offenbarung auf Erden, was ein perjönliches Inne—
wohnen der göttlichen Herrlichkeit in diefem Heiligtum zur Vorausfegung hat. Deshalb
konzentriert fich hier audy der Dienft Jahvehs; man dient bier feinem Namen auf litur: 25
giſche Weiſe Dt 18, 5. 7.
Wie Gott zu feinem Namen fich beiennt, fo gehört diefer Name zu Gott felbit, er
ift etwas göttliches. Er ift auch nicht von den Menfchen willfürlich ausgedacht, oder bloß
Ionventionell gewählt, ſondern beruht auf göttlicher Offenbarung, welche der Benennung
vorangehen mußte (Er 3,14; 6, 2f.). Es iſt alfo ganz der altteftamentlichen Anfchauung 30
entiprechend (trog Böhmer, Giefebrecht), wenn Chler (PRE? X, 414) fagt, diefer Name
fein ein nomen editum, dann erit ein nomen inditum. Wie er aber ein Wahrzeichen
ift, das an eine beitimmte Offenbarung erinnert, fo dient er auch als Zufammenfaflung
alles deſſen, mas von diefem Gotte fund geworden ift. So ift er der Leitſtern, welcher
den ganzen Wandel feiner Verehrer beitimmt, Mi 4, 5. Die Mißachtung der göttlichen 35
Gebote aber ſchändet den heiligen Gottesnamen, zu dem man fid) befennt; fo die Ab-
götterei Le 20, 3; 21, 6; Ez 20,39, oder die Verunreinigung des Heiligen Le 22,2. 32;
Ez 43, 7 u. a. Überhaupt wird diefer Name durch die Frevel feiner Anbeter gefchändet
Am 2, 7; Pr 30, 9. — Lehrreich iſt auch PI 8, 2: „Wie prächtig ift auf der ganzen
Erde dein Name”, will jagen: die Kundgebung deiner felbjt in deinen Merken! 4
Weil der Name Gottes fo das Wahrzeichen feiner Dffenbarung und der Inbegriff
defien ift, mas man von Gott meiß, fo wird von ihm mit höchſter Verehrung und
wärmſter Zuneigung geiprochen: Der Name Gottes ift Gegenitand ehrfurchtsvoller Scheu
(Dt 28, 58; Pi 102, 16; Mal 3, 20), der Heilighaltung (Jeſ 29, 23 und nody Mt
6, 9!), des Vertrauens (Pf 33, 21), der Zuverficht (da er eine befjere Waffe ald Schwert 15
und Spieß 1 Sa 17, 45; Pr 18, 10), des Lobens, Preiſens und Verehrens (Pf 7,18;
103, 1; Hi 1, 21), der Liebe (Pf 5, 12; Jeſ 56, 6). Die größte Schuld Israels ift
e8, wenn e3 diefen Namen vergeilen hat, Ser 23,27. — Wenn der Menfch nicht gleich-
iltig ist gegen Verunglimpfung jeines Namens, fo twahrt Gott um fo viel mehr die
bre feines Namens gegen Mißachtung durch die Feinde und Herabwürdigung durch un: 50
mwürdige Verehrer, Ez 20, 9. 14. 22. 44; 36, 20f.; 39, 7. 25; Mal 1, 6. 11. Sein
tes Motiv bei der Erlöfung des fchuldigen Israel aus dem Gerichtäzuftand it Die
Ehre feines Namens; ift doch dieſer Name feine Selbftvarftellung in der Welt. Daß fein
perfönliches Weſen, nicht bloß ein einzelnes Attribut mit dem „Namen“ Gottes verbunden
edacht ift, erhellt am beiten aus Er 23, 21: „mein Name ift in ihm‘ (dem Engel, der 55
rael anführt). Dadurch tft diefer Engel vor andern göttlichen Organen, melche Gottes
irfen vermitteln, ausgezeichnet, Daß Gott felber perjönlich in ihm mohnt, daher er mit
beiliger Scheu zu behandeln iſt. Der Name Gottes iſt alfo die Manifeftation des gött-
lichen Selbft vor den Obren und dann überhaupt den Sinnen und Gedanken der Menfchen:
finder, der geichichtlich aufgetretene Gott, Won einer Exiſtenz des Namens Jahvehs co
or
630 Name
„neben Jahveh“ zu fprechen ift freilich ganz unzutreffend. Denn Jahvehs Weſen und
Perfon tritt ja eben in feinem Namen zu Tage. AS der erjcheinende Gott tritt
ın 589 Jeſ 30, 27; vgl. 59, 19 geradezu auf (womit zu vergleihen Tr “e &
33, 14f.); doch macht Böhmer mit Recht darauf aufmerkſam, daß der Ausdruck felten
5 (etwa noch Pf 20, 2) als jelbftitändiges Subjelt der Handlung vorlomme, eben weil der
Handelnde und fich Offenbarende dabei fein anderer ift als Jahveh jelbit.
Zur Erklärung diefes prägnanten Gebrauchs des göttlihen „Namens“ ift aljo nicht
von einem andern Begriff wie „Weſen“ u. dgl. auszugehen, was das Wort nidt ur:
fprünglich bedeuten kann, fondern von dem eigentlichen Namen der Gottheit, in welchem
10 fih ihr Weſen und Charakter ausfpricht und ihre Offenbarung fih zufammenfaßt. Aber
auch auf magifches Befchreien mit dem göttlichen Namen nad) Analogie heidnifcher or:
meln (Giefebrecht) ift nicht zu refurrieren, wovon im biblifchen Cchrifttum nichts zu finden,
fondern daran zu denfen, daß wie beim Menfchen nach hebräifcher Auffaflung, jo vollends
bei Bott eine lebendige Wechfelbeziehung zwiſchen dem Namen und feinem Träger beiteht.
15 Dagegen liefern zur relativen Verjelbititändigung von „Angeficht” und „Namen“ der Gott-
beit im Einne der Manifeltation oder Offenbarung derfelben die phönizifch-fartbagischen
Snichriften eine gemwiffe Analogie. Ein jivonifcher Tempel war der Altarte mit dem Zu-
namen bsam 2» „Name des Baal” geweiht, wodurch dieſe Göttin ſelbſt nad ihrem
Mefen als eine Manifeftation des Gottes Baal bezeichnet ift, wie in Karthago die Göttin
20 Tanit auf vielen Injchriften a3 32 „Angeſicht des Baal“ heißt. Siehe meine Allgemeine
Neligionsgefchichte (1899) ©. 240ff. Zu beachten ift, daß bei jenem Zunamen „Name
Baals“ es fih um Feine phonetifche Verwendung des legteren handeln Tann, fondern zo
ebenfalls jene innerlichere Bedeutung des kundgewordenen, eigentümlich geoffenbarten
Gottes haben wird.
26 Im Neuen Teltament finden wir dieſelbe vergeiftigende Erweiterung und Bereide
rung des Ausdruds „Name“ wie im Alten Teftament. Es kann nicht genug beachtet
werden, daß die erfte Bitte, welche Jeſus den Jüngern anenpfiehlt, lautet: „geheiliget
werde dein Name”. Damit tjt ficher nicht bloß die heilige Scheu in der Ausfprack
oder Anrufung des göttlichen Namend gemeint, fondern die Hetlighaltung alles veflen,
30 lan Ko offenbar geworden und fo mit feinem Nanıen verfnüpft oder darin be
oſſen iſt.
Ebenſo iſt „der Name Jeſu Chriſti“ das Wahrzeichen und der Inbegriff alles deſſen,
was dieſe Perſon für die Menſchen bedeutet. Es iſt der höchſte Name, dem alle Ge—
ſchöpfe zu huldigen haben Phi 2, 9f. Dieſer Name faßt die ganze Kunde von Chriſto
35 und feinem Heilswerk zuſammen. Vogl. AG 9, 15; Le 24, 47. Die Apoſtel tragen
diefen Namen in die Welt hinaus. Die Gläubigen glauben an diefen Namen Xo 1,12;
I Io 5, 13, und werden in diefem Namen felig AG 4, 12. In feinem Namen werben
von den Jüngern Wunder getban Me 16, 17; AG 16, 18, wobei diefer Name felbit
verftändlich ausgefprochen wird, aber nicht als eine bloße Zauberformel wirken fol, fon:
0 dern eben das Mittel ift, Durch welches die zu heilenden Kranken in Beziehung zu ber
in den Süngern ſich fundgebenden Kraft Jeſu Chriſti gefegt werden. Analog ift das
Gebet im Namen Zefu zu verftehen, welchen fichere Erhörung verheißen ift Jo 14, 13;
16, 23. Es kann ſich auch bier nicht um einen magischen Mißbrauch handeln, ſondern
der wirkſame Gebrauch dieſes Namens fest eine perfünliche Einigung der Bittenden mit
15 Jeſu voraus. Gegen Mipbrauh des Namens Chriſti ohne innerlice Verbindung mit
ihm ſ. AS 19, 13ff. und vergleiche andererfeits Mt 7, 22, wonach, auch wenn der ob
jeftive Name Chriſti durch Vermittelung der Menschen fegensreich gewirkt bat, für bie
betreffenden Medien jelbft kein Segen daraus erwächſt, wenn fie innerlih nur Iofe mit
diefem Namen verbunden waren. Der ya it dann ähnlich wie der 1 Ko 9, 27 m
Auge gefaßte. Necht gebraucht aber, verbürgt diefer Name Chriſti feine hilfreiche Gegen
wart Mt 18, 20. — Die Taufe auf den Namen Chriſti (AG 2, 38; Nö 6, 3 u. a)
der ausführlider auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des hl. Geiftes
(Mt 28, 19) erbält ebenfalls durch dieſen Namen ihre Beziehung auf Chriftum, ihren
geiftigen Charakter im Unterfchied von andern Taufen, und zwar lag gerade im Namen
55 Chriſti für jüdische Ohren das eigentlich Charafteriftiiche diefer Taufe, daher die Nennung
dieſes Namens im gewöhnlichen Sprachgebrauch genügte. Vgl. übrigens Ed. Riggenbad,
Der Trinitarifche Taufbefebl in Schlatter und Cremer, Beiträge 1903 Heft 1, ©. 85ff.
Tas mit Bantilew verbundene eis TO Örona Mt 28, 19; Ga 3, 27; 1 Ko 1, 13F}.;
Ro 6, 3) erklärt ſich leicht aus dem griechiichen Sprachgebrauch (Deißmann), ift aber
sonicht erft von Paulus aufgebradt (Böhmer), jondern gebt wohl auf hebräifch-jübifches
Name Nanaia 631
252 zurüd (Dalman). Wie üblich diefes bei den Juden war, |. Wünfche, Neue Beiträge
dur Erläuterung der Evangelien aus Talmud und Midraſch 1878 ©. 141f. 3.28. ein
erk thun „um Gottes willen” heißt omw ziwb, eig. mit Beziehung auf den Namen
des Himmels, d. h. Gottes. — Daneben ber läuft der Ausdrud: Aantilew ni To
övdnauı AG 2, 38 und & r. 6. AG 10, 48, entſprechend dem DEI des AT. Die 5
Hauptfache ift die mit allen diefen Wendungen ausgefprochene innere Gemeinjchaft mit
Chrilto, welche durch die Taufhandlung zum Ausdrude fommt, ob aud nad) dem jüdi-
ſchen wie griechifchen Sprachgefühl mehr die Heritellung derfelben (eis) oder ihr Beitehen
(&v) oder ihre Vorausfegung (Zr) in den einzelnen Formeln hervortrete. v. DOrelli.
Nanaia, Navala, Gottheit. — EC. Majion, Memoir of the Ancient Coins 10
found at Beghram, in the Kohistän of Kabul, in dem Journal of the Asiatic Society of
Bengal, Bd III, Galcutta 1834, ©. 172; %. PBrinjep, Continuation of Observations on the Coins
and Relics, discovered by General Ventura, in the Tope of Manikyala, ebenda &.449-—451;
%. Avdall, Note on some of the Indo-Scythic Coins found by Mr. C. Masson at Beghram,
in the Kohistän of Kabul, ebenda Bd V, 1836, ©.266—268; Wilfon, Ariana antiqua, 1ö
A descriptive account of the antiquities and coins of Afghanistan, Zondon 1841, ©. 3627.;
Movers, Die Phönizier, Bd I, 1841, S. 626f. (fehr fonfundierend); C. L. W. Grimm, Kurz:
ge eregetifhes Handb. zu den Apokryphen des Alten Tejtamentes, Liefer. 4, 1857, ©. 38 ff.;
indiihmann, Die perjifche Anahita oder Anaitis, AMA, philofoph.=philolog. Claſſe, Bd VIII,
1858, ©. 87 ff, beſonders ©. 121—128; Comparetti, Sulle iscrizioni relative al Metroon 2%
Pireense in den Annali dell’ Instituto di corrispondenza archeologica, Bd XXXIV, Rom
1862, ©. 38—42; J.B. Emin, Recherches sur le paganisme Armönien (überjegt aus dem
Auflifchen) in der Revue de l’Orient de l’Algerie et des colonies, Nouv. ser, Bd XVIII,
Paris 1864, ©. 198 ff, beſonders S. 204f.; Laſſen, Indiſche Alterthumskunde, Bd IT?, 1874,
S. 828. 833. 836 f. 870f.; Franc. Yenormant, Artcmis Nanaea in der Gazette archdolo- 25
gique, Jahrg. II, Paris 1876, ©. 10—18. 58-68; P. Scholz, Bößendienft und Zauber:
wejen bei den alten Hebräern, 1877, ©. 355— 364: „Nanaea oder Anaitis“; v. Sallet, Die
Nachfolger Aleranders des Großen in Baltrien und Indien, 1879, passim, bejonder® ©. 186f.;
G. Hoffmann, „Nanai” in: Auszüge aus fyrifchen Alten perfiiher Märtyrer (1880), Abhand-
lungen für die Stunde des Morgenlandes, Bd VII, 1881, ©.130—161; Edu. Meyer, 4. 30
„Altarte” in Roſchers Lerikon der grieh. u. röm. Mythologie, Bd I, 1 (1884—1886), Tiefer.
4, 1854, 8.645; A. Stein, Zoroastrian deities on Indo-Scythian coins in: The Indian
antiquary, Bd XVII, Bombay 1888, ©. 89 ff., beſonders ©. 98; H. Gelzer, „Zur armenifchen
Götterlehre” in den Berihten über die Verhandl. der K. Sächſ. Geſ. d. Wiſſenſchaften,
Philol.⸗hiſtor. Claſſe, Bd XLVIII, 1896 (7. Dez. 1895), ©. 99 ff, bejonders S. 123f.; Tiele, 35
Geſchichte der Religion im Altertum, deutiche Ausg. Bd I, 1896 (I, 1: 1895), S. 159 f. und
dazu B. Jenſen, THRZ 1896, 8.67; Fr. Jeremias in Chantepie de la Sauſſaye's Religions:
geihichte?, 1897, Bd I, ©. 171. 189; Wagner, A. „Nana“ in Roſchers Leriton ber gried).
u. röm. Mythologie, Bd III, 1 (1897 —1902), Xiefer. 37, 1898; Zimmern in: Schrader, Die
Keilinjchriftien und das Alte Teftament*, 1903, passim, beſonders ©. 422f. 40
In der wunderlid, fonjtruierenden Berliner Doftor-Difjertation von M. E. Meyen, De
—* Taurica et Anaitide 1835 iſt Nanaia S. 43 erwähnt, ſonſt aber nichts über ſie zu
en.
Der dem zweiten Makkabäerbuch vorangeſtellte Brief (der zweite, wenn man zwei
Briefe unterſcheidet) erwähnt einen Tempel der Novcio (Vulgata Nanea, Luther: ss
Nane) in Perſien (2 Maf 1, 13—15), in welchem Antiohus von den Prieſtern des
Heiligtums gefteinigt worden fe. Die Lesart einiger Kodiced Avyavanas, Ayavaav
(ſieh. Fritzſche's Ausgabe) konformiert den Namen dem befanntern der perfifchen Göttin
Avaiuıs. V. 15 iſt vielleicht ebenfalls zu lefen 775 Navaias;, die Lesart anderer Hand:
fehriften roũ Navaiov ift aber, wie ich mid von einem Gräciften belehren laffe, nicht wo
mit Grimm u d. St.) unbedingt zu verwerfen, da eine Bezeichnung Navaiov für den
Tempel der Göttin zivar nicht direft von der Form Navaia gebildet werden fonnte,
wohl aber von einer dazu nad) Analogien fupponierten Grundform Nava.
Der Brief, in welchen von der Navata die Rede ift, will ein Sendfchreiben ber
paläftinischen Judenſchaft an die ägyptiſche fein und empfiehlt das (von Judas Maffa: 55
bäus eingeführte) Felt der Tempelweihe. Der Brief wird e. 1, 10, wenn das Datum zu
ihm gehört, datiert aus dem Jahr 188 der feleucidifchen Ara, d. i. 125/124 v. Chriſto.
Der darin genannte Antiochus wäre, wenn died das wirkliche Datum der Abfaſſung fein
jollte, wohl nicht, wie man gewöhnlidd annimmt, der im Jahr 164 v. Chr. geitorbene
Antiohus Epiphanes ſondern twahrfcheinlich Antiochus VII. Sidetes, der im Jahr 128 co
v. Chr., aljo wenige Jahre vor der angeblichen elaftungsgeit des Briefes, in Medien
fein Ende fand (fo nad) dem Vorgang Alterer Nieſe, Kritik der beiden Makkabäerbücher,
632 Nanaia
| S. 19ff. und Torrey, uni) cbt sb bad (m —
Daß der Brief (wie Torrey annimmt) echt ober doch (mas Nieſe S.22ff. vertritt
id) im Jahr 125/124 v. BE ii ir! 8 ni, ie man of gem
hat, ——— durch den ſagenhaften Charakter feines
gemacht. |
Die Zeuanifj ben im bi orfor enden G Naraia
Sr ne te Tran
eten an, en er en allen
Orientiert wäre. Bald da darf wo der Linterjeichnte, der ſolches :
10 für keineswegs in Anfpruch nehmen Tann, über dieſen Gegenftand eren und mit
> her Ichen Referve ar nehme über den —— de ar Materials
much
ud don Windiichmann, dem in —— einem gi
en —— — — über die FI Nanaia nod da —
und den kritikloſen Darftellungen von Fr. Yenormant und Sol, bie ie verſchieden⸗
* Sottesnamen und Borjtellungen vermengten, verdanken wir eine
Unterfuhung über die Verbreitung des Gottheitsnamens Nanaia und —— ——
Namen —* * Hoffmann (1880). Er hat in ſeiner ——
Belege | Gottheitsnamen aus feiner Kenntnis ber Ipeiichen
»» Seitdem oben ſich die Feilfchriftlichen e für eine abplonifche be Gattin 9 ge
bäuft und ift unfere Kenntnis der indo n Münzen und Siegel mit dem Gottheit
namen Nava um einiges erteitert worden, Vollftändig neue Fundorte für bie Gott:
——— Nanaia und Nanag ſind, ſo viel ich ſehe, nicht entdeckt —— eisen *
aſſen meines Erach tenö die bisher geltend gemachten Urteile über den Fangen
25 * Hin 8 te Namensformen nod mehrfache Mod
und find ihrer viellei
Die Nanaia in „Berjien” (Elam) 2Matı. Die Angaben des na
2 Nat 1 über den Tod des Antiochus paſſen ganz genau weder zu dem über den Tod des
Antiohus Epiphanes noch zu dem über den Tod des Antiohus Sidetes anderweitig
0 Mitgeteilten. Entweder in 2 Maf 1, 12 ff. oder fonft in einem oder mehreren ber andern
Berichte muß eine Verwechſelung oder eine andersartige Inkorrektheit der Relation vor—
liegen
"lief (a.a.D., &.20) bat richtig als auf eine Parallele auf die bei Granius
Licinianus (S. 9 ed. Bonn.) von Antiochus — erzählte Geſchichte e
3» gemacht, tie dieſer zur Diana nad Hierapolis kommt, um fie zu heiraten, und beim
ochzeitsmahl den Tempelſchatz als Mitgift an ſich mnmt. Ehenfo will der Antiochus
— 2 Mal 1,12 ff, ſich mit der Nanaia vermählen und die Tempelſchätze ſich als Mit-
gift aneignen.
Der Name der Diana des Granius Licinianus könnte möglicherweife ber Navalı
ao entiprechen, da wir weiterhin (ſ. unten 8 6) einer Aorewıs Nava begegnen
einer Nanata in — die 2 Maf 1 angenommen er Dal ſonſt nichts befannt. Der
Verfaſſer von 2 Mal 1, 10ff. tonnte auf Perſien ald das betreffende A
wenn er an Antiochus Epiphanes dachte und ——— das dieſer, wie es 1 6,1
bargeftellt wird, zu „Elymais in Perfien” den Verfuch gemacht babe, ein dortiges Hetlig-
a tum zu plündern, und bald darauf geftorben ſei. — Der offenbare Zufammenbang =
uns
fr 1, Pa: Ste He t „12. Mtihus Ciba mir in ber
r zu Sprechen, auch 2 Mal 1,12 ntiochus —— i
——— —*
—* den Umſtänden feines Todes. mußte der Verfaſſer "von Zu, 10ff, wenn er
so wirklich im Jahr Den efehrieben bat, doc wohl einigermaßen unterrihet | Der
eu von > Sranius Yicinianus und 2 Maf 1, 12 ff. das
eugnis von 2 en 12 i. für einen Aultus der Nanaia in Ne entiverten
unften eines Kultus diejer Göttin zu Hierapolis am Euphrat. Kultus einer
Nanat war wirklich auf ſyriſchem Boden verbreitet (f. unten 53). Daß er zu
65 beſtand, wiſſen wir freilich nicht. Die dort verehrte Göttin trug von — aus den Namen
Atargatis (j. A. Atargatis Bd II, S. 175, ff). Es wäre aber benfbar —*
Beinamen Nanai führte, wie die mit ihr urfprünglich en —* nn
Nand oder Nanai genannt wurde (f. unten $ 2). Diefe Nanä ft na
und Bedeutung mit der perfifchen Anabita, bei den Griechen Anaitis, mu
(f. unten SI Ende und $5). Die Anabita aber repäfentiert ebenfo wie die —*
Ranaia 633
von Hierapolis die Feuchtigkeit in der Natur als die Kraft der Befruchtung. Nach
Lucians De Syria dea ($ 15) galt ferner die vielföürmige und vielgedeutete Göttin von
Sierapolis Einigen als Rhea und ihr Heiligtum als von Attes geftifte. Der Name
ana ſeinerſeits fommt auf phrygiſchem Boden vor, allerdings nicht als Beiname der
Rhea oder Kybele, aber doch in ihrem Mythenkreis, nämlich in Verbindung mit dem 5
Attis als Name feiner Mutter (ſ. unten $ 6). Die Göttin von SHierapolis heißt bei
Granius Licintanus Diana, wie im Piräus von einer Agrems Navd die Rede ift. Lucian
wieder (Syria dea $ 32) giebt an, daß die Göttin von Hierapolis unter ihren vielen
Berührungen mit andern Göttinnen auch etwas von der Artemis habe.
ch lege aber auf die Möglichkeit, daß mit der Nanaia von 2 Maf 1, 12ff. die 10
Göttin von Hierapolis gemeint ſein könnte, feinerlei Wert. Es wäre dag um jo weniger
angebracht, als die Angabe, über Hierapolis ſich einzig bei dem jpäten Granius Xici-
nianus findet, während bei Älteren nur von dem Plünderungsverjudy des Antiohus Epi-
phanes in einem elymaifchen Tempel berichtet wird (f. unten). Bielleicht darf jogar die
Vermutung auögefprochen werden, daß die Angabe bei Granius Licinianus durch irgend: 15
welche Vermittelungen auf 2 Mat 1 zurüdgeht und je „Hierapoli“ entjtanden ift aus
einem Mißverftändnig von & 7 äyla nöleı 2 Mat 1, 12.
Aber jedenfalls ift, ganz abgefehen von dem Urteil über Zeit und Herkunft des
Briefftüdes 2 Mak 1, 12 ff, deilen Erzählung über das Ende des Antiohus nicht der
Art, daß allein auf Grund diefer Cräblung der Kultus einer Göttin Nanaia auf per: 20
ſiſchem Boden angenommen werden dürfte, auch wenn „Perfien” im denkbar meitelten
Sinne verftanden wird. Wenn die Diana von „Hierapolis“ feine Erklärung der
Nanaia in 2 Maf 1 liefert, bleibt es doch an und für ſich möglih, daß der Verfaſſer
des Briefes oder fein Gewährsmann den Namen Nanaia, den er aus fyriichem Kultus
(Nanai) kennen konnte, irrtümlich gebraucht für den der perfifchen Anahita, Anaitis, für welche 25
die Bezeichnung als „Artemis“ bei den Griechen ftehend war. Wie Granius Licinianus den
Tempel, welchen Antiochus plündern wollte, der Diana, jo weiſt ihn auch Porphyrius der
Diana und Polybius der Aprems zu. Die Unbeltimmtheit der Zolalangabe in 2 Mak
1, 12}. aegt, daß der Verfaffer des Briefes eine genaue Kenntnis über den von ibm
gemeinten Kultus nicht beſaß. | 3
Zweifellos hängt feine Deren mag er nun an den einen oder den andern
Antiochus denken, zufammen, wie mit 1 Maf 6, 1ff., wo in dem Bericht über den Tod des
Antiohus Epiphanes von einem Tempel „zu Elymais in Perfien” die Rede it, fo auch
mit dem Parallelbericht bei Polybius (XXXI, 11), wonach Antiochus Epiphanes fich be-
gab Bovisusvos eünopfjoaı yonudımwv ... Eni rö ins "Aortwmöos leodv eis mv 3
"EAvuaida, und der damit übereinftimmenden, mwahrjcheinlid daraus geichöpften Angabe
des orphprius (beit Hieronymus zu Da 11,44 f., Opp. ed. Ballarfı V, 722): ... in
Elimaide provincia ... ibique volens templum Dianae spoliare etc. Damit ijt
zu vergleichen die Angabe Appians (Syr. 66) über Antiochus Epiphanes: zo jc Fav-
nalas "Apooölıns leoov Zodinoe. Joſephus (Antiq. XII, 9,1), der von Antiochus Epi- 10
phanes berichtet, daß er kurz vor feinem Tode vergeblih einen Zug gegen die Stadt
Elymais in Perfien unternommen habe, wohin ihn die Schäte des Tempels gelodt
ni zugleih von 1 Mat 6, 1ff. und nad) feiner eigenen Angabe von Polybius
ängig.
Aus feinem diefer Berichte ift zu entnehmen, wie die elymaifhe Göttin in Wirk: ss
lichkeit hieß. Was die Lofalität betrifft, fo ift das Heiligtum diefer „Artemis“ oder
„Aphrodite” Schwerlih in Sufa zu juchen, wohin eine unzuverläffige fyrifche Angabe
Kultus der Nanai verlegt (f. unten S 3). Sufa gehörte allerdingg zu dem alten Reich
Elam oder zu Elymaia im teitern Sinne; aber Polybius (auch Porphyrius) nennt aus:
drüdlich die von Suftana unterfchiedene Provinz Elymais, öftlih und ſüdöſtlich won so
Sufa. Wahricheinlich meint den felben Tempel wie Polybius und Appian auch Strabo
(XVI p. 7440), der unter den reichen Tempeln von Elymais den der Artemig, ra
Alapa, nennt, welchen ein unbenannt bleibender Z/aodvaios beraubt habe (ſ. Näheres
über die Lage von za Alapa bei Hoffmann ©. 131ff.). Ob Plinius (Nat. hist. VI,
27, 135) die Lokalität Suſas von der eines berühmten Diana-Tempels diejer Gegenden 66
unterfcheidet oder beide als unmittelbar neben einander liegend anfiebt, ift nicht deutlich ;
er fagt von dem Fluß Euläus, daß er in feinem Laufe berühre arcem Susorum ac
Dianae templum augustissimum illis gentibus. Die Sachlage wird dadurch nod)
verwidelter, daß 2 Mat 9, 1f. der von Antiochus Epiphanes verfuchte Tempelraub nad
Verfepolis verlegt wird. Eo viel ift aber doch aus 1 Mak 6, Polybius und Strabo mit oo
634 Nauagia
Sicherheit zu entnehmen, daß in Elymais ein an Schätzen reicher Tempel einer Göuin
ſtand. Tie Angabe des PBlinius Tann eben denſelben Tempel meinen. Die darin ver:
ehrte Gottheit war nach Bolybius und Strabo eine Artemis. Damit würde überein:
jtimmen die Bezeichnung bei Plinius ale Diana.
b Eben dieſer Tempel kann auch 2Mak1, 12ff. wenigſtens urſprünglich gemeint
ſein, da es keinerlei Schwierigkeit macht, „Perſien“ hier in weiterm Sinne zu verſtehen,
als auch Elymais einſchließend. ft der Verfaſſer des Briefes mit dem von 2 Maf9, 1f.
identiſch (jo Nieſe), fo hätte er ſeinerſeits allerdings die von ihm in dem „Briefe“ benützte
Angabe auf Verfepolis in der Perſis bezogen.
10 Wie die elymaiſche Artemis vorgeftellt wurde, iſt aus den Berichten nicht zu er:
jeben, abgejeben von dem, mas etwa der Name „Artemis“ befagen Tann. Er verweilt
wahrfcheinlih darauf, daß die Göttm cine Mondgottheit war. Aus dem Umijtand, dag
jih nad) 1 Maf 6,2 goldene Nüftungen und Waffen in dem großen elymaijchen Tempel
befanden, die Alexander d. Gr. dort zurüdgelafien baben follte, fann man nidt un:
15 bedingt (mit Hoffmann ©. 13-4) jchließen, daß die Göttin dieſes Tempels als Kriegs-
göttin gedadht wurde. Siegestrophäen fonnten in dem Tempel einer jebden- Gottheit
aufgeitellt werden (vgl. indeffen über Aftarte U. Ajtarte Bd II, ©. 151, ısff.).
Unmöglih ift es nicht, daß die elymaiſche „Artemis“ den Namen Navata trug.
Wir haben ein Feilfchriftliches Zeugnis, wonach ſich zu der Zeit Afurbanipals ein
20 geraubtes babylonifches Bild der Göttin Nanä& von — ſeit anderthalb Jahrtauſenden
in Elam befand; Aſurbanipal berichtet, daß er es nach Erech zurückgebracht habe (ſ. unten
82). Aus jener Zeit mag ſich auf elamitiſchem Boden Kultus der Nan& oder, mit
einer andern, vielleicht nur gräzifierten Ausfprache des Namens, der Nanaia erhalten
haben. Demnad iſt es denkbar, daß dem Verfaſſer von 2 Maf 1, 10ff. oder feiner Bor:
25 lage wirklich von dem Stultus einer Nanata in „Perſien“ oder genauer in Elymais etwas
befannt war. Aber freilich wifjen wir bis jest nur, daß in Elam cin Bild gejtanden
hatte, welches bei den Babyloniern als das der Nanä galt und als aus Erech geraubt
angefehben wurde. Daß man aud in Elam die dort verehrte Göttin Nand nannte
oder mit einer ähnlichen Namensform, willen wir big jet nicht. Es wäre denkbar, daß
3 die Elamiten das von Afurbanipal ihnen genommene Bild, aud wenn es wirklich aus Ereh
entführt war, anfaben und benannten als das Bild einer bei ihnen einheimischen andern
Gottheit. Ebenſowenig haben wir ein Zeugnis dafür, daß nad) Ajurbanipal und bis in
ſpäte Zeiten in Elam Kultus der Göttin bejteben blieb, welche vormals in jenem nad
Erech fortgeichafften Bilde verehrt worden tvar. Deshalb ift es doch zweifelhaft, ob mit
35 der elymaiſchen „Artemis“ oder „Diana” die Göttin Nand gemeint ift. Lediglich die
immerhin zweifelhafte Angabe über die Nanata 2 Mak 1, 12 ff. iſt dafür geltend zu machen.
Es liegt nahe, die elymaiſche „Artemis“ für identifch zu halten mit der perfifchen
„Artemis“, der Anahita, deren Kultus im perfiichen Reiche ſeit der Achämenidenzeit weit
verbreitet war. Er beitand nad einer Angabe des Beroflus bei Clemens Alerandrinus
40 (Protrept.c. 5,65 S. 57 ed. Botter; vgl. dazu unten $5) aud) in Elam, nämlich zu Sufa.
Dabei mag aber urjprünglicdher Kultus der Nanä in dem der Anahita aufgegangen fein.
Beide fünnen etwa in der Anfchauung des Wolfes und ebenfo der Abendländer ver:
Ihmolzen worden fein, fodaß man von der Anabita-Artemis redete und, ala ob es
die felbe wäre, von der Nana-Nanaia. Wenn wirklich die Bezeichnung der großen ey
45 maifchen Göttin mit dem Namen „Artemis“ darauf verweilt, Daß fie als —
vorgeſtellt wurde, fo hat fie dieſen Charakter nicht von der babyloniſchen Nan&, die als
der Wenusftern galt (f. unten S2 und 3), ohne daß fich daneben ein Zuſammenhang
mit den Mond erkennen ließe. Wohl aber fcheint die Anahita ſpäter als Mondgöttin
gedacht worden zu fein (vgl. Nofcher, Über Selene und Verwandtes, 1890, S. 165f.).
so Auch diefe, im Aveſta mit der Arbvieura identisch, war nicht von Haufe aus Mont:
göttin; aber fie repräfentiert das Waller, und das feuchte Element in der Natur wird
im Altertum vielfadh zu dem Mond in eine Beziebung geſetzt (ſ. d. A. Mond oben
e.3.11f. SID. Die indoftytbifche Höttin Nana (f. unten 8 5), die vielleicht Züge der Ana:
bita trägt, wird dargeftellt mit der Mondfichel auf dem Haupte. In der ziveifachen Be
65 zeichnung der elymatichen Göttin als Aphrodite (bei Appian) und als Artemis mag alfo
eine Hinweiſung dort auf die babplonifche ana und bier auf die iraniſche Anahita er:
halten fein. Daß wenigitens in Später Zeit Die iranische Anabita einerſeits und die
babvlonische Iſtar-Nana andererjeits, oder doch eine andere Form der großen femitifchen
Göttin, mit einander verſchmolzen worden ind, fcheint fich daraus zu ergeben, daß im
en Neuperfiichen anähid Name des Planeten Venus ift. Der Name hängt gewiß mit dem
Nanaia 635
der Göttin Anahita zuſammen, obgleich allerdings die kürzern neuperſiſchen Formen für
den Namen des Planeten nähid und nähid ſich ohne Vermittelung des Gottesnamens
aus dem Arabifchen erflären laſſen. Der Planet Venus war der Stern der babylonijchen
tar, der Nanai bei den Syrern und anderer Iemitiicher Söttinnen, während die alt:
—53 — Arboigura-Anahita zu dem Venusſtern in keinerlei Beziehung ſteht. Eduard
eyer (A. „Anaitis” in Roſchers Lexikon d. griech. u. röm. Mythol. Bd I, 1 8.332)
vermutet vielleicht mit Recht, daß die Beichreibung der Geftalt der Ardviqura-Anahita
im Aveſta (Naft 5, 126 ff.) den figürlichen Darftellungen der babylonifchen Göttin nad):
gebildet if. Eine Verfchmelzung der Nand und der Anahita konnte dadurd nahegelegt
werden, daß fie eine ähnliche Bedeutung haben. Beide repräfentieren die befruchtende ı
Kraft in der Natur.
Daß fie thatfächlich von Haufe aus eins waren, feheint mir noch gmeiteboft Nach:
dem man früher die Anahita mit der babyloniſch-phöniciſchen Göttin Anat (ſ. A. Anam:
meleh Bd I, ©. 4187, 35ff.) tbentifizirt hatte, haben neuerbinge Senfen und Zimmern
(Zimmern a. a. O., ©.442 Anmkg. 6) die Anahita auf die babylonifche Iſtar, die mit 15
Nana gleichgejegt wurde, zurüdführen wollen. Es ift nicht zu verfennen, dag Anahita
einen andersartigen Charakter hat als im allgemeinen die zoroaftrifhen Gottheiten.
Das läßt fich aber etwa daraus erklären, daß fie eine aus iranischen Volksglauben auf:
genommene Geſtalt ift, die in der joroaftrifchen Religion eine dieſer entfprechende Um:
ildung nicht erfahren bat. Ob der Name Anahita, der im Avefta die gleiche Göttin
bezeichnet wie der iranifche Name Ardvicgura, ebenfalls iraniſchen oder aber babylo-
niſchen Urfprungs ift, muß erjt durch meitere Unterfuchung auf etymologifchem Wege
entjchteden werben.
Neben der immerhin auch ihrerſeits hypothetiſchen Nana von Elam läßt ſich jonit
auf einem Boden, der unter der Bezeichnung „Berfien” in 2 Mak 1, 12 verjtanden 25
werden könnte, Kultus der Nanä oder einer Nanata nicht nachweifen. “Die unten
(8 3) zu befprechende Angabe des Pfeudo-Melito von der Verehrung der Nanai zu
Sufa „in Elam” Tann als ein vollgiltiges Zeugnis für die Lofalität der Verehrung
nicht angejehen werden. Wenn alſo der Verfajler von 2 Mak 1, 12 ff. nicht lediglich
durch eine VBertwechfelung auf den Namen Navaia geraten ift, jo hat er damit gewiß su
die Göttin der eigentlichen Elymais gemeint. Cine bloße Verwechſelung liegt faum vor,
da die Feilfchriftlichen Angaben die Annahme nahe legen, daß wirklich eine in Elam
verehrte Göttin Nana hie. Sogar die fonft nur noch an ganz entlegener Stelle
(j. unten 85) vorkommende Namensform Navala Tann korrekte Wiedergabe einer
elamitischen Namensform fein (ſ. Jenſens Mitteilung unten 8 2). Der Verfaſſer 5
des Briefed mag alfo troß feiner ungenauen Angabe der Lage des Nanata-Tempeld
aus fehr guter Duelle unterrichtet geivefen fein. Da er mit der Angabe de Nanaia:
Tempels als des Ortes des Todes des „Antiohus” ganz allein fteht, jo kann man ge:
neigt fein, anzunehmen, daß ein unmittelbar aus der Zeit nad) dem Tode des „Antiochus“
u den Juden gelangter autbentifcher Bericht hier zu Grunde liegt, dann ohne Frage (da 40
ntiohus Sidetes nicht in Elymais feinen Tod fand) ein Bericht über den Tod
des Antiohus Epiphanes. Diefe Eindrüde fünnen Beranlafjung geben, den Brief nahe
an das Jahr 164 dv. Chr. beranzurüden, alfo das Datum 2 Maf 1, 10 nicht auf diefen
Brief zu beziehen.
. 2. Nanäd bei den Babyloniern. Den Kultus der Göttin Navala hätten die 45
Elymäer, wenn er bei ihnen wirklich beſtanden hat, aus der babylonifchen Religion über:
fommen oder doch mit ihr gemeinjam gehabt; denn ber Name Navala entipricht ziweifel-
[08 dem in den babylonifchen Keilinschriften mehrfach vorlommenden Namen einer Göttin
NanA oder vielleicht Nanai.
er die Namensform teilt mir P. Senjen (15. San. 1903) Folgendes mit: „Der so
Nanıe wird zum mindelten meift, vielleicht immer, phonetiich gejchrieben Na-na-a, was
unächſt auszufprechen wäre Nanä. Eine Form Nanaila) — geichrieben Na-na-a+ta —
eint mir (doch kann mid mein Gedächtnis trügen) nicht gefichert. Zwar wird in
einem jumerifchen Tert einmal fo gejchrieben; indes das zweite a von a+a [in aflyrifch-
babylonifchen “Terten — ai(a)] künnte bier einem fumerifchen Flerionsauslaut entiprechen. 55
Aber da in der Schrift (Konjonant +a) 44 ivenigftens in fpäterer Zeit auch gebraucht
wird für gefprocdhenes Konſonant +ai, ift es nicht ganz unzuläffig, das vorliegende
Na-na-a auszufprechen Nanai(a). In der neuelamitifchen —5 iſt fraglos (Konfonant
a) +2 — Konſonant +ai, ein Umſtand, der mit dem gleichen auf babyloniſchem
Boden doc wohl zufanmenbängt.” -— Mit Nüdficht auf die ſyriſche Form “= für den 60
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636 Nanaia
zweifellos aus dem Babyloniſchen entlehnten Gottheitsnamen möchte ich meinerſeits bei
dieſem Sachverhalt vermuten, daß doch ſchon die Babylonier den Namen auch Nanai
ausgeſprochen haben.
Der Name „Nanai“ bei den Babyloniern iſt nach Zimmern (S. 422 Anmlg. 4)
anzujehen als die worjemitifche, fumerifche Benennung der Sftar von Erech. De La
garde (Synimicta, 1877, ©. 95, 9ff.) erflärte Navaia für ein turanifches Wort aus
nana „türfifh Chrenname der Frau”. Hoffmann (S. 160) erhebt dagegen Wider⸗
ſpruch, weil dies türkiſche nana eine jefundäre Form fe. Aber fein Nachweis eines
indogermanifchen Worte® nana „Mutter“ könnte zur Erklärung eines, wie Hoffmann
anzunehmen ſcheint, urfprünglich elamitifchen Gottheitsnamens nach dem, mas und
jegt über die Sprache der Elamiten befannt ift, fehmerlich noch veriwertet werden. Als
twranifcher Gottheitsname läßt fih Nana aus dem aveſtiſchen männlichen Perfonnamen
Nanarästois (Naft 13, 115; vgl. Hoffmann S. 155), dem Genetiv eines noch unerflärten
Eigennamens Nanarästi, nicht entnehmen.
Speziell zu Erech beitand ein uralter Kult der Nan&, die hier als ibentifch mit ber
Iſtar erfcheint und als Tochter des Himmelsgottes Anu gilt (Zimmern ©. 422). In
einer babylonifchen Yitanei an den Gott Marduf wird unter den Göttern Nanä& genannt,
tar dagegen nicht (Mt der Deutfchen Orient-Geſellſchaft Nr. 9, 1901, ©. 19). Zu
Borfippa erſcheint Nana ale Gemahlin des dort verehrten Nabü (Zimmern S.404). In
dem aus Erech ftammenden Gilgamifch-Epos wird die Jftar von Erech Sr Nanä) vor:
zugsweiſe als die Göttin der finnlichen Liebe dargeitellt (Zimmern ©. 422.).
Afurbanipal brachte bei der Eroberung Elamd das Bild der Nand von dort nad
(Frech, nachdem es, wie der Eeiljchriftliche Bericht lautet, vor 1635 (1535) Jahren durd
Kudurnanchundi nach Elam entführt worden war (Zimmern ©. 383). Unglaublidy ift
Diefer Bericht durchaus nicht, da die Elamiten in hohem Altertum mehrfach Babylonifc
Dentmäler geraubt baben. Aus Afurbantpale Angabe tft, wie immer man über die
Entführung diefes Gottesbilpes zu urteilen bat, jedenfallge zu entnehmen, daß de
Kultus der babyloniſchen Nanda in irgendwelcher Beziehung —* zu einer in Elam
verehrten Göttin. Der Zuſammenhang kann keinenfalls in der Weiſe zu denken
ſein, daß eine elamitiſche Göttin von den babyloniſchen Semiten entlehnt wurde;
denn dieſe haben offenbar die Nana in Babylonien bereits vorgefunden, alſo von den
Zumerern überfommen. Wohl aber fönnten mit den Sumerern die Elamiten eine
(Hörtin Nana gemeinfan gebabt haben. Dann wäre um jo eber die Entführung de
(Bottenbildes durch Kudurnanchundi als gefchichtliches Ereignis verftändlih. Die
Namenoform Nayata in 2 Mat 1, 137. kann nad dem oben von Senjen Mitgeteilten
die elamitiſche Ausſprache des Na-na-a gefchriebenen Namens fein. Der Bericht Aſur⸗
banipals kann alfo allerdings der Angabe in 2 Mak l, 12ff., wenn man bier „Perſien
ala inkorrefte Bezeichnung * Elymaia oder Elymais anſieht, zur Beglaubigung dienen.
3. Nanai bei den Syrern. Im Sprifchen hat fid) der Name der babylonifchen
Wand in der Form "2 erhalten. So nennt die forifche Überfegung 1 Mal 1, 13. 15
die Nevrala des griechischen Textes; als das Land, mo fich der Tempel der ">> befant,
wird v. 12 wie im griechifchen Tert Perfien (CE) angegeben. Die fyrifhe Namens:
form ift gewiß nicht Nani jondern Nanai auszufprehen nach Analogie des griechiſchen
Navala.
Nach Bar-Bahlul war “> der Name des Planeten Venus (Bernftein, ZomG X,
I856, 549). Kultus der Nanat beftand nah ibm bei den “Arbaje, d. i. den Be
wohnern der Yandichaft zwiſchen Nifibis und dem Tigris (de Yagarde, Gefammelte Ab:
bandlungen 1866, S. 16, 20; Hoffmann €. 131). Nach einem anonymen Bericht über
die Märtyrer der Stadt Karka, d. i. Kerkuk füpöftlih von Moful, wurde Nanat in der
Nachbarſchaft diejer Stadt verehrt (Hoffmann, Alten, ©. 48. 131 nah Möfinger, Mo-
numenta Syriaca, Bd II, Innsbruck 1878, S. 67,3, wo Statt zu leſen ift „)),
Tie Verehrer werden bezeichnet als eine von König Sabor aus Maißän, dem alten
Mefene an den Mündungen des Euphrat3 und Tigris, dorthin verpflanzte Kolonie, bie
bei ihrer Überfievelung diefe Gottheit mitgebracht haben fol. Nach den Alten des Mar
Main (Hoffmann ©. 29) ware Nanat, „Die große Göttin der ganzen Erbe” (vgl.
dazu das Prädikat der Iſtar-Nana: „Herrin der Länder”), verehrt worden am Hofe
Sabors II. Hoffmann (S. 131) erklärt, gewiß mit Recht, diefe „Lofalifierung“ für Erdid-
tung. Tagegen ift nicht unwichtig für die Herkunft der in dieſen Alten genannten
Nanai, daß fie in einer Neibe mit den babyloniſchen Göttern Bel und Nebo aufgeführt
Nanaia 637
wird, freilich aud mit Zeus. Ferner vermutet Hoffmann, doch nicht ohne Vorbehalt,
daß der Name Nanai in dem Namen des Gaues now: bei Babylon enthalten fei,
ben er aus Nanai und Iötar zujammengejegt denkt (S. 93. 131).
Bon der Nanai erzählt die ſyriſche Apologie des Pfeudo-Melito (mo nicht mit den
Älteren — fondern zu Iefen fein wird, f. de Yagarde, De geoponicon versione
syriaca, 1855 [abgedrudt in feinen Gefammelten Abhandlungen, ©. 143, ssff.| und
ernftein, ZemG X, ©. 549), daß fie von den Clamtten verehrt morden fe. Sie
fei die Tochter eines Königs von Elam geweſen, und ihr Vater habe ihr, nachdem fie
von Feinden gefangen fortgefchleppt worden, Bild und Tempel zu Sufa, einer Burg in
Elam, errichtet (f. Corpus Apologetarum ed. Otto, Bd IX, 1872, ©. 505. 426 und 10
dazu ©.476f. Anmkg. 163). XLenormant (©. 17) bat in diefer Darftelung richtig
eine forrupte Erinnerung erkannt an die feilfchriftlich berichtete Entführung des Bildes
der Nana. Auf des Pfeudo-Melito Erwähnung eines Kultus der Nanai in Elam und
eziell in Sufa ift an und für 9 fein Wert zu legen. Den Namen Elam konnte die
elle der Apologie aus einer Kombination der Nanai in ber ſyriſchen Überfegung von 15
2 Mak 1, 13ff. mit 1 Mat 6, 1 gewonnen haben und dazu die „Burg Suja” aus Da
8,2 (vgl. Hoffmann ©. 131).
yuoeäfle verweifen dieſe Äyrifchen Angaben für den Kultus der Nanai nur auf
den Bereich des alten Babyloniens und die nördlich davon gelegenen aramäifchen
Gebiete. Was mir darüber hinaus von Verehrung in Sufa und am Saflanidenhof 20
erfahren, läßt fich nicht als glaubwürdig erkennen.
Vielleicht ift der palmyreniſche menjchliche Eigenname > (Palm. 132 bei de Vogüs,
Syrie Centrale, Inscriptions Se&mitiques, Paris 1868—1877) auf den Namen der
Göttin Nanai zurüdzuführen, ebenjo dann auch wohl die Form x) (Palm. 67 bei
de Bogüe), bei der es, da fie in Verbindung mit einem andern Berfonnamen (8:3 RP>"2) 25
auftritt, zweifelhaft erjcheint, ob ſie einen felbitftändigen Eigennamen repräfentiert. Mög—
licherweiſe fünnte, wie S. X. Coof (A glossary of the Aramaic Inscriptions, Cam—
bridge 1898, ©. 81) vermutet hat, der Gottheitäname auch enthalten fein in dem
Perſonnamen einer griechifchen Inſchrift aus der Auranitis, Nevos (f. Journal Asi-
atique, Ser. VII, Bd XIX, 1882, ©. 12). 30
Über die Korrektur “== zu Jeſ 65, 11 ſ. A. Meni Bd XII, ©. 577, ı0ff.
4. Nana (Nanda) bei den Armeniern. Agathangelus, der Selretär des
Königs Tirivates von Armenien im Anfang des vierten Jahrhunderts n. Chr., berichtet
nad) dem armenifchen Tert von dem heiligen Gregor und dem König Tiridates: „...fie
zerichlugen das goldene Bild der Göttin Anahit (Gr. "Agrems) und fie zerjtörten den ss
—A Ort und das Gold und Silber nahmen ſie weg. Hierauf ſetzten
u
oa
ic über den
Gail (Gr. Avxos) und zerftörten den Tempel der Wanda, der Tochter Aramazd's,
in der Stadt Thil (Gr. Orodias)” — fo nad der Überfegung von Windiſchmann
(S. 108 auf Grund des Drudes des armenischen Tertes Wenedig 1835, ©. 587, 24;
I. Gelzer ©. 124). Nach dem griechifchen Tert zerftörten die Genannten zov Ts 40
Adıpyäas (= Nanea) Bwuov, Yvyaroos Atos (ed. de Lagarde, AGG, Bd XXXV, 1889,
©. 67,3%; vgl. dazu S. 135). Aus diefem Bericht ift deutlich zu erfehen, daß Nansa
und Anahit bei den Armeniern als unterfchiedene Göttinnen verehrt wurden (was fchon
1836 J. Avdall ©. 268 richtig bemerkt hat).
Anahit wie Aramazd verweiſen neben vielen andern Gottesnamen der vorchriftlichen 45
armenifchen Religion deutlih auf Iran als ihr Uriprungsland. Durch perſiſche Ver:
mittelung unter den Achämeniden oder fpäter durch parthiſche könnte neben dieſen ira:
nifdyen Gottheiten die Göttin Wanda aus Elam nach Armenien gekommen fein, fofern
ür fie wirklich ein clamitifches Pendant anzunehmen if. Aber in der armenifchen
eligion finden ich neben iranischen Beftandteilen auch foldhe, die aus Syrien auf= so
genommen worden find. Am deutlichiten ift das für den Gottesnamen Baräamin zu
erlennen, der dem awsr2 in Palmyra entjpricht (vgl. Hoffmann S. 136; Gelzer S. 119ff. ;
A. Baal BI, ©. 331, 2). Der Name ferner der armenifchen Göttin Aftlik
„Sterndyen” ift eine Überfegung des ſyriſchen Kaukabt& „Sternin“ oder vielleicht beffer
„Leiner Stern” (Hoffmann ©. 136), und der „Schreiber unter den armenifchen Göttern, 66
Tiur, der feiner Bedeutung nach eine perfiiche Parallele nicht zu haben fcheint, entfpricht
vielleicht dem auch in Palmyra verehrten babylonifchen Nabü (Jenſen, Hittiter und
Armenier, 1898, ©. 185f.). Neben diefen Gottheiten fann auch die Nanea von den
Syrem ber zu den Armeniern gelangt fein (jo auch Gelzer S. 123). Taß fie von der
638. Nanaia
Anahit beſtimmt unterſchieden wird, macht eine Vermittelung ihres Kultus bei den Armeniern
durch die Perſer oder Parther weniger wahrſcheinlich.
Da im armeniſchen Tert des Agathangelus nicht der Name der Göttin ſteht, ſondern
das von dem Namen gebildete Adjektiv: „der Naneifche Tempel”, Tann man nad
5 Gelzer (S. 124) zweifelhaft fein, ob der Name Nane oder Nanea lautete. Die erfie
Form würde dem eigen Nanai direft entjprechen, die zweite twahrjcheinlich einer grä:
tfierten Bildung Navaia. Sie würde dann vermutlich darauf verteilen, daß die ſyriſche
Nanat bereits in bellenifierter Geftalt zu den Armeniern gelommen war.
Für die Spentifizierung der Nanda mit ’Adnväa liegt wohl fein anderer Grund vor
ı0 als der Umftand, daß die Göttin eime Tochter des Aramazd genannt wird, der im
griechischen Tert des Agathangelus Zevs heipt. Ich möchte aus der Benennung "Adna
nicht (mit Hoffmann ©. 136) Eolaern, daß die Nansa als eine friegeriihe Göttin auf
gefaßt murde, fo lange andere Anzeichen für eine derartige Auffaffung nicht vorliegen.
5. Nana Nanata) auf baftrifh:indifhem Gebiet. An dem gefchichtlichen
15 Sufanınenbang und der Namensidentität der babylonifchen Nana und der ſyriſchen Ranat
äßt fich nicht zweifeln. Das ſyriſche Heidentum tft mit babylonifchen Vorftellungen und
Gottesnamen durchfegt, und die babylonifche Iſtar, mit der die Nand von Eredh identifiziert
twurde, repräfentiert wie die forifche Nanat den Planeten Venus. Auch die armentide
Nanea läßt ſich nicht aus dem gleichen Zufammenbang löfen, mag fie nun dur Ber:
20 mittelung der Sprer aus Babplonien zu den Armeniern gefommen fein oder — was
wir glaubten ablehnen zu follen — einer elamitifchen Nanaia entiprechen, die auch ihrer:
jeits mit der babyloniſchen Nand in Zuſammenhang ftehen würde.
Unficher aber kann die Identität einer im fernen Dften vorfommenden Göttin Nana
mit der babylonifchen erfcheinen.
26 Nava und Nava oao (lied: Nana schao) „Königin Nana”, daneben vereinzelt
Navo, kommt vor auf indoffgthiichen Münzen mit Legenden in indiſcher Sprache, aber
griechiicher Schrift. Die Göttin ift auf den Münzen abgebildet für fich allein oder neben
dem bierarmigen Okro. Die Münzen find ſämtlich oder doch zumeift im Pendſchab und
im Kabul:Thale gefunden worden (über diefe Münzen ſ. außer den grundlegenden Werfen
30 von Wilfon und v. Eallet und den andern oben unter der Xitteratur angeführten
Arbeiten noch beſonders Gardner, The coins of the Greek and Scythic kings of
Bactria and India in the British Museum, London 1886; über das ſtythiſche Neid
in Baktrien und Indien |. v. Gutfchmid, Geſchichte Irans und jeiner Nachbarlänke,
1888, ©. 135 ff. 164 ff.).
35 Die Münzen mit Namen und Bild der Göttin gehören vorzugsweise den Königen
aus der ſtythiſchen Turufchfa-Dynaftie an, Kanerki und feinem Nachfolger Ooerki oder, mie
nad A. Steins (a. a.D., S. 96f) überzeugender Unterfuhung in Übereinftimmung mit
den Namensformen der Stein-Inſchriften richtiger zu leſen ift: Kaneſchki und Ooeſchki
(f. die Angabe der Münzen bei v. Sallet S. 197. 203; Gardner ©. 131. 134f. 144}.
40 Die Regierungen der beiden Könige find anzufegen am Ende des erften und Anfang dei
zweiten nachehriftlichen Jahrhunderts (ſ. v. Sallet ©. 63ff.; Gardner S. Lf.; J. Fer:
auffon, On the Saka, Samvat, and Gupta Eras, in dem Journal of the Royal
Asiatie Society, New Series, ®d XII, 1880, ©. 259ff.; Oldenberg, Ueber die Ta:
tirung der ältern indiſchen Münz: und Inſchriftenreihen, Zeitjchr. f. Numismatik, Bo VII,
s 1881, ©. 289 ff.; jo viel fcheint feitzufteben, daß das für die Negierung Kaneſchki's in:
fchriftlich genannte Jahr 9 gerechnet iſt nach der Caka-Ara, die mit dem Jahr 78179
n. Chr. beginnt). Die Skythen waren fchon unter einem Vorgänger Kanefchli’s aus dem
zunächft von ihnen offupierten Baltrien nach Indien vorgedrungen.
Auf einer Münze Kaneſchki's mit rein griechifcher Inſchrift ıft für Nava die Form
so Navara gebraudit (v. Sallet S. 186; Gardner ©. 129). Außerdem fommt auf einer
Kupfermünze mit dem Königsnamen Over vor ANAN, zweifellos ftatt NANA, da das
Bild auf der Münze das der Nana iſt (Wilfon, Taf. XIII, 7; vgl. v. Sallet S. 208).
Es ift aber allem Anfchein nad nicht an einen befondern König Over zu denken, ſondern
die Legende Ooer Kenorano durch Buchftabenverivechjelung entjtanden aus Ooerke
65 Korano, (zu Iefen: Ooeschke Koschano), ſodaß alfo der König Ooeſchki gemeint
wäre (Gardner S. LIT, Oldenberg S. 297 75). Tann findet fih Bild und Name der
Nava nod auf einer Münze mit dem Königsnamen Bazodeo, der identiſch ift mit dem
Namen apıenn der Inſchriften (Gardner S. 159). Iſt mit Bazodeo-Vaſudeva ein
beſtimmter König gemeint, jo wäre er nach Ooeſchki anzujegen; es ſpricht aber manches
vo dafür, daß der Name ein Titel für mehrere Könige tft (Gardner ©. LIf.; vgl. Stein ©. 98).
Nanaia 639
Das Bild der Göttin auf den Münzen tft infofern verfchieden, als nur die Golb-
münzen in ber Regel auf dem Kopfe der Göttin eine Mondfichel zeigen (Wilfon, Taf. XII,
2; XIV, 1; Gardner, Taf. XXVIII, 9. 10, vgl. n. 12 [ohne den Namen Nava],
Taf. XXIX, 8; dagegen iſt auf der Goldmünze bei Gardner, Taf. XXVIII, 8 die
Mondfichel nicht zu erkennen). Auf den KRupfermünzen fehlt der Halbmond; das Haupt der 5
Göttin ift, wie meift auch auf den Goldmünzen neben dem Halbmond, von einem
Nimbus umgeben (Wilfon, Taf. XI, 17—20, XII, 12; Gardner, Taf. XXVII, 5). In
der rechten Hand bält die Göttin auf den Gold: und auch auf den Kupfermünzen einen
emporgerichteten Stab oder Stiel, der oben gegabelt iſt. v. Sallet (S. 186. 203) wollte
in der Gabelung einen Hirsch: oder Rehkopf erfennen,; Gardner (©. 131 u. ſ. mw.) fieht 10
darin „forepart of horse“. Auf Gardners deutlichern Tafeln Tann man die Figur
eher ML verſtehen als bei Wilfon, und namentlih auf der Goldmünze Kaneſchki's unter
den Münzen des Berliner Königlihen Münzfabinets (v. Sallet S. 197), die ich einge:
eben habe, fünnte man wirklich eine Art „Stedenpferd” (v. Sallet), nämlih Kopf und
orderfüße irgend eines Tieres am obern Ende des Stabes erfennen. Hoffinann (S. 153.) 15
hat gegen diefe Deutung Einwendungen erhoben und an einen Zweig wie das Baregma
der perfifchen Anahita gedacht. Ach muß aber geftehen, daß mir die Bedeutung des
„Szepters” als Baumziveig nach den Abbildungen bei Gardner und den Berliner Münzen
ſehr zmeifelhaft erfcheint. Zumeilen ijt diefer Stab mit Bändern ummunden. Ein
Schwert (Gardner ©. 145) vermag ich in der Austattung der Göttin nirgends zu er: 0
erfennen ; wohl aber hält die Göttin in der Negel oder immer, außer dem Stab ın der
einen Hand, einen Gegenftand in der andern, der wie eine „patera“ (Gardner) ausſieht,
jo auh auf der Goldmünze Kaneſchki's im Berliner Münzkabinet. Auf zwei neuer:
dings befannt geivordenen Siegeln jpäter Zeit ft die Nana ſitzend dargeitellt, mit dem
Halbmond über dem Haupte, einmal auf einem liegenden Löwen ſitzend (mit der Legende 35
Dosıyodavo, |. Sunningham, Coins of the Later Indo-Seythians, in: The Numis-
matic Chronicle, Series III, Bd XIII, 1893 ©. 128). Ich habe nicht Tonjtatieren
fönnen, ob auf dieſen Siegeln neben dem Bild auch der Name der Nana fich findet.
Cunningham (a. a. O., ©. 126f.) erkennt in dem Umftand, daß König Ooeſchki auf
mehreren feiner Münzen einen Helm trägt mit einem daran angebrachten Halbmond, ein 30
Zeichen feiner fpeziellen Devotion für die Mondgöttin Nana. Das ift nun freilich daraus
noch nicht unbedingt zu fehließen, da auf den indojtothifchen Münzen nody eine andere
Mondgottheit, unter dem Namen Mao, vorkommt.
Pas den Namen der Göttin Nava betrifft, jo tit fein Zufammenhang mit dem ber
babylonifchen Gottheit durchaus nicht außer Frage. Hoffmann (S. 157 ff.) hat darauf 35
bingewiejen, daß, wie ım Sanffrit nanä „Mutter“ bedeutet, ebenjo ähnlich klingende
Wörter in fehr verjchiedenen, vorzugsweiſe in indogermanifchen, Sprachen mit derjelben
oder einer ähnlichen appellativen Bedeutung vorkommen. Es ſcheint ſich dabei zumeiſt oder
überall urfprünglid um ein Wort des Kinderlallens zu bandeln.
Mit einer einheimifch-indischen Bezeichnung haben wir es aber in dem Nava der indo: 40
ſtythiſchen Münzen ſchwerlich zu thun. Indiſchen Urſprungs find audy die andern gleich:
zeitig mit der Nava vorkommenden Gottesnamen der Münzen größtenteils, vielleicht ine-
efamt, nicht. Als indischen Urfprungs iſt unter den Namen der Münzen mit Deutlich:
eit nur Bovdo, d. i. Buddha, zu erkennen. Der neben der Nana abgebildete Ofro
(v. Sallet S. 203) iſt troß feiner vier Arme, die ihm nach indischen Vorbild gegeben 4
worden find, nicht indischer Herkunft. Hoffmann (©. 145) hat den Namen nad) Benfen’s
Vorgang zweifellos richtig aus dem Merfiichen ale = Ahurö erflärt.
Für die Herkunft der indoſtythiſchen Nava könnte von Bedeutung fein, daß auf den
Münzen Kaneſchki's auch die jcheinbar gräcifierte Form Navara fich findet und daß auf
den Münzen dieſes Königs die griechiichen Gottesnamen Ads und Zainyn (letzteres 00
Gardner ©. 129), auf denen feines Nachfolgers Ooeſchki Adıo (v. Sallet ©. 200f.),
Hoaxılo, Zapano vorlommen. Es liegt alfo, wie ebenfo aud in Bildern der indo—
jEytbifchen Münzen, griechiicher Einfluß vor, und man kann etwa annehmen wollen, daß
die Nana durch direft griechijche Vermittelung unter den unmittelbaren Nlachfolgern
Aleranders des Großen in diefe Gegenden gelangt fei. Dem ift aber doch nicht ficher 55
fo. Die Form Navara fünnte nämlich die Gräcifierung einer vorgefundenen Form
Nava durd einen helleniſtiſchen Stempelfchneider fein, mie ſich auf demfelben Wege das
griechische ZIAros neben dem andern Namen des Sonnengottes auf diefen Münzen, Muoo,
ertlären läßt (Hoffmann ©. 155). Auch ivenn die Form Naveua auf den Münzen die
urfprüngliche ift, jo könnte doch die Göttin etwa erit in fpäter Zeit mit gräcifiertem eo
Namen in diefen Gegenden Aufnahme gefunden haben. Übrigens könnte andererjeits die
Babyloniern
orm Navasa eine denkbare urſprüngliche Form Nanaia bei den oder
— Für verhältnismäßig ige Ei des
Ge Tone
eahm igs Eu ei
v. Gutſchmid S. 45) über bis Indus. Su Daben Seit
ven, dem fich ein A und ein Salkmen befindet weiſt dieſe Stine nad nadı ber
bei Wilfon Taf. XXI n. 18) in parallelen Zeilen eg
und NANAINY au (nal. v. Sallet &. 99; Gardner ©. 119).
Belbnon un
10 auch * — verbinden diefe Darftellung mit dem Bilde der Nana bei den me
Küs auftc drLnfant, ha Die
Fe zeigt, noch nicht dafür, daß auf deſſen —— —
ge An Gottesnamen auf den Münzen der Turufchla-Könige find neben den iſchen
zßtenteils iraniſche Gottheiten zu erkennen. Am deutlichſten iſt dies für den auf
den Sonnengott zumeiſt angewandten nichtgriechiſchen Namen der Fall.
beruht die 2elung Mio —— —“ —— Br aber = wirllich zu |
Namensformen Miogo, po,
»0 Mooo, (v. Sallet ©. 196. "Sof, Stein * 90), die — dem m Bild eines ——
gottes gleich dem des 75 anderer Münzen vorlommen, gehen —
berfichen Mithra zurüd. Die verbreitetften unter jenen Namensformen find
M: Die erjtere entfpricht dem im fpätern Perſiſch —— Mihr für
„of ©. 145), dem armenifchen Mihr, Merh, indem o für h Aa ——
die Form Mihr, Merh ſ. de Lagarde, Gef. Abhandlungen, S . 293,5ff.; Arme:
mifche Studien, 1877, ©. 105; über den armenifhen Gott |. IB. Emin S, 208f.;
zer ©. 108). Die Form Muvo entjpricht dem indiſchen Lehnwort mihira „Sonne“
(Stun e. 2 ing a S. 834 Anmtg. 1). Auch die meiften andern
namen der M en Benfey (Einige Bemerkungen über die Götternamen auf
zo Inbofeptbiichen Win dbm& VII, 1854, ©. 450—467), Hoffmann (S. 15) und
Stein (©, BA: Sort aus ber proaftrifchen Neligion nachgewieſen. — * aljo
nabe, —— pm hen Urſprung zu denken oder
eine iranifche Got Gottheit Nanaia oder Nana feine Spur findet, an eine Ver⸗
— — zbildern der Nana di rn Anabita erfennen
ann bat ın den n er ie p e je:
glaubt und Nava als einen ihr erſt auf indiſchem Boden geg en Beinamen au angejeben
© 155). Daß Ay mit dem Halbmond % ildet wird, paßt allen ‚ge der nal ite
rest [. dazu oben $ 1). Die tdbieura-Anahita trägt der Beichreibung
—* Geſtalt im bee (Malt 5, 128) eine goldene Sternenkrone. t fönnte der
0 Nimbus zufammenhängen, ber das Haupt ber a fr fr ber Han Nana — Das in
feinen Details ſchwer zu erfennende „Szepter“, das fie in der bält, fünnte 2
lichertweife dem Baregma der aveftifchen Anabita (Nait 5, 98. per abend, Den
Bilde der armenischen Anabit oder Artemis —— man —— elus (ed.de La-
garde ©. 14,56) dar oriuuara zal Önoeis vAddovs rar Öevdomm. it Das
15 „Syepter“ der indo bien Nana bei * —— —— als Baumgiveig
nur ein unzuderläfl nhaltspunkt für diefe Vergleich Der vereinzelt neben dem
Namen ober dem — * der baktriſch-indiſchen Nangia— * vorfommende Löwe
F — 5* lee ch nidyt an, erinnert dagegen an die öfters auf eimem
oder
— babyloniſchen, ſyriſchen und karthagiſchen Göttinnen (f. A. Atar:
50 —* » II, ©. 176f.). Dat nad) Altan (De nat. animal. XII, 23) im Tempel ber
naitis (I. "Avafrıdos ftatt Adarıdos) in Elymaia zabme Löwen gehalten wwurden, be
ruhte offenbar auf der Verſchmelzung dieſer Analtis mit einer —— Göttin. Auf
dieſe Mifchform könnte der Löwe der baftrifch-indifchen Nanaia-Nana zu
Aber troß der Berührungen, die ſich eiwa zwiſchen diefer und ber A erlennen
55 laſſen, iſt es wenig wahrſcheinlich, daß in der battriſch- indiſchen Nana —* Ana⸗
hita unter einem neuen ihr beigelegten Namen zu erkennen iſt. Die haben
ſonſt auf ihren Münzen die Namen iraniſcher Gottheiten in —— beibehalten.
Nach dieſer Analogie wäre das gleiche Verfahren auch zu erwarten dem Namen ber
Anabita gegenüber. Da wir num fiher auf babylonifchem, . ſyriſchem und armeniſchem
0 Boden einer Göttin Nanä, Nanai, Nanca begegnen, jo iſt mit einiger Beſtimmiheit anzu:
Ranaia 641
nehmen, daß der indoffythifche Gottheitäname Nana, der fi) unter andern weder ſtythi⸗
f noch indischen Gottesnamen vorfindet, ebenfo wie dieſe auf einer Entlehnung aus
der Fremde beruht und in feinen Urfprüngen dem Namen der Nana von Erech entipricht.
Dann wird meiter anzunehmen fein, daß die Namensform Navara auf den Münzen
nicht eine exit in Baltrien oder Indien aus der andern Form Nava künſtlich gebildete
Gräcifierung ıft, fondern direft oder indirekt mit der ſyriſchen Form des Gottheitsnamens
Nanai zujammenhängt. Die Namensform Nava könnte daneben gleichfalld aus dem
Weiten überfonmen jein, da die Göttin in Babylonien Nana heißt. Vielleicht aber ift
dies Nava indifche Ausſprache für Navara, indem man dabei an das Sanſkritwort
nanä „Mutter“ dachte. 10
Nach Maſſon (a. a. O.) werden in Balutſchiſtan und in der Nähe von Kabul heilige
Stätten (Zeärats) der „Bibi Nanni“ von Muhammedanern und Hindus verehrt. Maſſon
pielt diefe Bibi Nanni für etiva identisch mit der indifchen Parbati. Das Wort bIbI
edeutet im Hinduftani „Weib, Frau”. Es wird in der heutigen volfstümlichen Religion
des nördlichen Indiens als Ehrenprädikat vor Namen von Göttinnen oder weiblichen 15
Heiligen gejtellt (ſ. W. Croofe, An Introduction to the popular religion and folk-
lore of Northern India, Allahbabad 1894, ©.132. 139). Aber für den Namen Nanni
babe ich eine anderweitige Bezeugung nicht ermitteln fünnen. Daß bier ein Zufammen-
bang vorliegt mit der Nanaia (wie nah Maſſons Vorgang Prinjep a. a. O., Wilſon
S. 363, Laſſen S. 870f., Zenormant ©. 16 meinten), ift mindeſtens zweifelhaft, da näni 20
un De) die Großmutter von mütterlicher Seite bezeichnet (vgl. Hoffmann ©. 155f.
nmig. 1230).
Auf dem Wege, den die babylonifch-fgrifche, vielleicht auch elamitifche, Nanä:
Nanai bis nach Indien zurüdlegte und nicht zurüdlegen Tonnte ohne die Vermitte⸗
lung irgendeines Volkes, das nicht zu ihren urjprünglichen Verehrern gehörte, hat 25
fie eine Bedeutung angenommen, die ıhr anfänglich fremd war. Die Iltar:Nand von
Ereh und die Nanai der Syrer repräfentieren den Venusſtern, die indoſtythiſche Nana
den Mond. Es iſt wohl möglich, ne bier eine Verjchmelzung mit der Anahita zu
Grunde liegt, daß aljo iraniſcher Einfluß mit im Spiel ijt. Eine Verſchmelzung mit
der Anahita anzunehmen, liegt um fo näher, als Kultus derfelben ſchon ın alten Zeiten 30
in Baltrien beftanden zu haben fcheint. Nach einer bei Clemens Alerandrinus (Protrept.
ec. 5, 65 ©. 57 ed. Botter) erhaltenen Angabe des Beroffus ftellte Artaxerxes II. Bilder
ıjs ’‘Apooötıns Tavaidos, d. i. der Anaitis (Scaliger: 75 "Apoodiıns ts "Avaltıdos),
an veridhiebenen Drten feines Reiches auf, auch in Baltrien, oder — wenn man ben Tert
fo verſtehen will — er lehrte die Baltrer und Perſer dieſe Bilder zu verehren. Nach 3
Einigen wäre in der aveftifchen Ardvigura-Anahita eine von Haufe aus baktrifche Gott:
beit zu erkennen.
Daß die Nanaia-Nana zugleich mit dem Kultus der zoroaftrifchen Gottheiten,
bie mit ihr auf den inboftythiichen Münzen vorfommen, in „Indo-Stythia” auf-
geflommen fei, findet Stein (©. 98) deshalb unmahrfcheinlih, teil fie auf der Münze 40
mit dem Eukratides-Typus den zoroaftrifchen Gottheiten vorausgebe und ſich noch auf
den Münzen des Bazodeo finde, „von denen alle wirklich zoroaftriichen Typen ſchon
verschwunden” Seien. Dieſe Auffaffung wird für den Anfangspunkt richtig fein; für den
Endpunkt ift fie bei der Unbeftimmtheit des „Bazodeo“ unficher. Iſt aber auch nur ber
Anfang der Nana auf bafktrifcdyeindifhem Boden nicht gleichzeitig mit dem Auflommen 45
der zoroaftrifchen Gottesnamen, dann find wir nicht unbedingt genötigt, jene auf dem
felben Wege gelommen zu denken wie diefe und zwar um fo tveniger, als von einer
Göttin Nana auf altiranifchen Gebiet nichts befannt ift. Als Vorbild der indoſtythiſchen
Nana würde geographiihb am nächſten liegen die „Artemis“ von Elymais, wenn fie
wirklich den Namen Nanaia trug. Aber tvern nicht etwa fchon früher, kann die Nana co
in der Zeit der Arfaciven, deren Reich auch die Kultusorte der babylonifch-iyrifchen Nanä-
— ebenſo gut von einem dieſer Kultusorte aus bis nach Baktrien ge:
angt jein.
Spezielle Beadhtung verdient vielleicht der Umftand, daß mie auf den Münzen der
Turufchla-RKönige ſich Mioro und Nana als Sonnen: und Mondgottbeit entfprechen, ebenjo 65
noch einmal diefe beiden Hottesnamen neben einander vorkommen, nämlich als Mihr und
Nanda auf armenifchem Boden. Durch die Varther, die dem armenifchen Kultus jeine
iranischen Beitandteile zugeführt oder vermehrt zu baben fcheinen, fünnten etwa aus Ar:
menien die beiden Gottheiten dem fernen Oſten vermittelt worden fein. Die indofkytbijche
Namensform Miooo fanden mir der allerdings nicht ausfchlieglih armenifchen Yorm 60
RealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 41
a
643 Nanaia
Mihr für das altperſiſche Mithra entſprechend. Bei dieſer Zuſammenſtellung darf aber nicht
unbeachtet bleiben, daß der armeniſche Mihr nicht wie der iraniſche Mithra und auch der
indoſtythiſche Mioro ſpeziell die Sonne repräſentiert. Der griechiſche Text des Agath
angelus bezeichnet den Mihr als "Hnpauoros (ed. de Lagarde ©. 68,15; vgl. S. 140).
6 Diele Gleichſetzung mit Hephailtos Tann doch wohl nicht, wie de Lagarde annahm, ledig:
lich auf Unwiſſenheit und Millfür des Verfaſſers des griechiſchen Agathangelus:Textes
beruben, da die Wiederkehr der Gleichfegung bei Moſes von Chorene zu zeigen fcheint,
das fie feititebend war (Gelzer S. 137). Jedenfalls aber ift die Ramenelore Navaıa
der Münzen der armeniſchen Form Nanẽa (menn dieje und nicht Nan& die richtige ift)
10 ähnlicher alö dem Nanä der Babylonier und Nanai der Syrer, um von Dem —
haften babyloniſchen oder elamitiſchen Nanaia abzuſehen. Sonſt iſt die Form Novaio
nur noch aus der Stelle des Makkabäerbuchs bekannt. Schon Wilſon, der freilich von
der babyloniſchen Nana noch nichts wiſſen und deshalb auch an eine elamitiſche Nand
nicht denfen fonnte, hat einen direkten Zufammenbang der indoftythiichen Nana mit der
15 armenifchen Göttin angenommen. Er ftellte fich jene vor als eingeführt durch einen wan-
dernden Skythenſtamm, der fie in den Gegenden des Kaspifchen Meeres kennen gelemt
hätte. Unmöglich ift diefe Annahme nicht, aber doch wenig wahrjcheinlich, da — fo viel
ich ſehe — nichts Pofitives dafür fpricht, daß die on Skythen ſich in de
Gegend des Kaspiſchen Meeres aufgehalten hätten. Wohl aber konnten aus dieſer Gegend
30 durch Vermittelungen Götternamen zu den Skythen in Baktrien und Indien gelangen.
Im Jahre 72 n. Chr. beſaßen die Hyrkaner den ſüdlichen Rand des Kaspiſchen Meeres
und grenzten an ein von parthiſchen Königen regiertes Reich, das an die Stelle eines
frühern Shothifchen in Salaftane getreten war und ſich bis an das Indusgebiet ausdehnte
(v. Gutſchmid, Geſchichte Irans, S. 134F.).
26 Jedenfalls wohl wird man — mag nun die inboffgthifche Nana aus Elam, aus
Babylonien, aus Syrien oder aus Armenien gekommen fein — an die Parther als Ber:
mittler zu denken baben. Parthifcher Einfluß zeigt fih in andern Erjcheinungen auf ben
baftrifchzindifchen Dlünzen unverkennbar (ſ. v. Sallet ©. 49. 51. 140. 158. 167). Be
rührungen zwiſchen den Barthern in Iran und den Skythen fanden ftatt nach dem Emm:
30 bruch der Skythen in Baktrien. Er erfolgte vor dem Jahr 128 v. Chr., das aus einer
chineſiſchen Duelle feftzuftellen iſt, wahrfcheinlih um 140 v. Chriſto. Berührungen der
Skythen mit den Parthern fanden ferner ftatt bei der Gründung eines ſtythiſchen Reiche
in Safaftene, die ebenfall® vor 128 Liegt (ſ. v. Gutſchmid a. a. O., ©. 71f. 113),
und festen ſich im erften vorchriſtlichen Jahrhundert fort. Unter dem Arfaciven Vola⸗
36 geſes I, der etwa feit 53 v. Chr. König war, beftand in Oftiran und am Indus jene
von partbifchen Königen regierte Reich (v. Gutſchmid ©. 129). Indiſch-parthiſche Könige
find bis nach dem Jahr 78 n. Chr. bezeugt. Dies partbifchzindifche Reich mußte den Stythen
weichen, als fie aus Baltrien nach Indien vordrangen (v. Gutſchmid S. 135 ff.).
‚sreilich betreffen diefe Durch etwa zwei Nahrbunderte ſich bindurchziehenden Berüb:
so rungen mit den Barthern twahrjcheinlich verichiedene Skythenſtämme. Aber bei irgendeiner
derfelben konnte auf direftem oder indireften Wege durch partbifche VBermittelung die
Höttin Nanaia dem Skythenſtamm der Kuſchan zugeführt werden, dem die Turufcta-
Dynaſtie angehörte.
Ebenfomenig wie über den Weg, auf welchem die Nana zu den Indoſtythen kam,
#5 find wir unterrichtet über die Art, wie die Turufchla-Könige in fo meitem Umfang mit
zoroaftrischen Gottheiten befannt getvorden find. Die Aufnahme zoroaftrifcher Gottet:
namen bei den Indoſtythen erfolgte anjcheinend erft zu einer fpätern Zeit als die Über:
nahme der Nana. Zoroaſtriſche Elemente machen ſich in den Müngbildern, fo viel ich
(ehe, erit ſeit Kanefchki geltend, während jene Münze mit dem Eukratides-Typus und dem
so Namen der Ylanata fraglos älter it. Als Kaneſchki König murde, müflen nad den
Münzfunden und andern Nachrichten die Skutben ſchon lange Zeit, wie es fcheint etwa
feit der Mitte des zweiten Nabrbunderts v. Chr., in Baltrien jehbaft geworden fein. Det
balb wird wohl höchſtens in einzelnen Fällen anzunehmen fein, daß Die zoroaftrifchen
Sottbeiten der indoffuthifchen Münzen einer in Yattrien einheimiſchen zoroaftrifchen Ne:
65 ligionsform entjtammen. Es könnte dies fonft der Zeit nadı zutreffend fein für bie
ſchon unter den Achämentden in Baktrien verehrte Anabita. Im allgemeinen aber ift, fe
viel ich fehe, — und zwar ganz unabhängig von der frage nad dem baftrifchen oder
nichtbaktriſchen Urjprung der zoroaſtriſchen Religion — nicht mit irgendwelcher Sicherbeit
au erkennen, intvietveit Schon vor der Eajlanidenzeit die zoroaftrifche Religion in Baktrien
wo zur Anerkennung gelangt war.
Nanagia 643
Zu dem Aufkommen zoroaſtriſcher Vorſtellungen bei den indiſchen Skythen gegen
das Ende des erſten nachchriſtlichen Jahrhunderts iſt zu vergleichen die Beobachtung, daß
ſich bei den Parthern ſeit der Mitte dieſes Jahrhunderts „Rückgang des Hellenismus“
und ein „Erſtarken der orientaliſchen Reaktion“ in der Barbariſierung der griechiſchen
Legenden auf den arſacidiſchen Drachmen und in dem Aufkommen von Legenden in Beh: 5
letoifchrift neben dem Griechifchen zeigt (ſ. v. Gutihmid S. 125). Da die Parther allem
Anschein nad zoroaftrifche Religionsvorftellungen nad) Armenien vermittelt haben, fo
cheint mir nichts im Wege zu Stehen, fie auch für die indifchen Skythen in der gleichen
ermittlerrolle thätig zu denken.
Wil man die zoroaftriichen Götternamen der Indoſkythen weder in Baltrien vor- 10
gefunden noch durch die Parther vermittelt denken, fo müßte man annehmen, daß fie
direft aus der Perfis entlehnt feien, mo mährend der ganzen Arſacidenzeit einheimifche
Fürſten vegierten, die fih nad) ihren Münzen die Pflege der zoroaftriichen Religion an:
gen en fein ließen (f. v. Gutihmid ©. 156 ff.). Allein es iſt nach den vorliegenden
E brichten faum anzunehmen, daß die Turujchla:Könige oder ihre Vorgänger mit der ı5
eigentlichen Perſis in Berührung getreten find.
Die meines Erachtens beſtehende Mahrfcheinlichkeit, daß die Parther den Skythen
Boroaftrifches vermittelten, Tann als Analogie zu Gunften der Annahme fprechen, daß aud)
die Göttin Nana auf dem gleichen Wege zu den Indoſkythen gelommen fei. Sollte aber
die Schon öfters erwähnte Münze mit dem Eufratides-Typus (deren Yundort ich nicht zu 20
ermitteln vermag) einer Zeit angehören, ehe die Arfaciden mit den baftrifch-indischen
Gegenden in Berührung getreten waren, jo müßte man mohl annehmen, daß ſchon burd)
griechifche Vermittelung die Göttin Nanaia-Nana in diefe Gegenden gelangte. Sp weit
ich darüber urteilen darf, giebt die Münze bei ihrem „barbarifchen” Charakter zu diejer
Annahme feine Beranlafjung. Eufratides regierte feit etwa 175 v. Chr., und i. %. 14035
werden die Baktrer zum legten Mal als jelbititändiges Volt genannt (ſ. v. Gutihmid ©. 52).
Die Münze ift alfo, fofern fie baktriſch iſt, wahrſcheinlich aus der Zeit nad) 140.
Der Weg, auf welchem die Nanata-Nana nad) Indien gelommen it, ift noch dunkel.
Daß fie aber zulegt dem Urſprung nad) mit der babylonifchen Nand zufammenhängt,
fcheint mir nicht zweifelhaft zu fein. Es wäre doch ein fehr merkwürdiges Spiel des 30
Zufalls, wenn in Babylonien oder Elam eine babylonifche und vielleicht elamitische
Göttin Nand oder Nanai, Nanaia, griechiſch Navala, mit der Anabita verjchmolzen
wurde und vollftändig unabhängig davon im Indusgebiet eine der Anghit mindeſtens
ähnliche Göttin ebenfalls Nava und daneben auch, geradeſo wie dort, Navara genannt
worden wäre. Bei den Berührungen in der Vorftellung der beiderjeits mit dem gleichen 35
Namen benannten Gottheiten (hier und dort: Mond und Löwe) wird die Identität des
Namens auf fprachlichem und geichichtlihem Zufammenbang beruben. Es wäre denkbar,
F auch das Prädikat schao „Königin“, das die indoſtythiſche Nana führt, zurückgeht
auf die Bezeichnung der babyloniſchen Sitar-Nand als „Herrin der Länder” (vgl. oben
$ 3 die Nanai ald „die große Göttin der ganzen Erde‘). 40
6) Nana in Phrygien und Athen. Mit Hoffmann (S. 157) kann man Be:
denken haben, ob ſich auch nad Weiten bin von Babylonien aus der Gottheitename
Nand ausgebreitet habe, ob nicht vielmehr der in Phrygien und im Piräus vorkommende
Gottheitsname Nana eine nur zufällig an die babylonifche Nana erinnernde Benennung
einer Göttin ald der „Frau“ oder „Mutter“ repräfentiere. 4
Nah Arnobius (Adv. nat. V, 6 S. 178 ed. Reifferſcheid; zu dem Tert |. Hoff:
mann ©. 156 Anmkg. 1233) trug die Mutter des Attis den Namen Nana (vgl. V, 12
©. 185). Arnobius unterfcheidet jte von der Magna Mater, d. i. der Kybele. An der
Richtigkeit der Namensüberlieferung wird nicht mit de Lagarde (der in feinen Armenifchen
Studien, 1877, ©. 190 Nara oder Anara „ranatapfel” Torrigierte), zu zweifeln fein, bo
da Ndvas und Ndvvas als männlicher und weiblicher Eigenname bäufig in phrygiſchen
und andern Heinafiatifchen Inschriften vorfommen en ©.157). Dafür, daß die
phrugiiche Nana zu femitischen Kulten in Beziehung ſteht, Spricht ihre Kombination mit
dem GSranatapfel. Nach der Erzählung bei Arnobius wird Nana ſchwanger von den
Früchten des Granatbaums; er ift erwachſen aus dem Blute des Agdeitis, der von Div: 65
nyfo8 des männlichen Gliedes beraubt worden. Der in Alien heimische Granatbaum,
der mit den vielen Kernen jeiner Apfel ein Bild der Fruchtbarkeit iſt, ſcheint der
Aftarte heilig geweſen zu fein. Jedenfalls ift der Granatapfel in der Ornamentik des
Salomonifchen Tempels cin heiliges Zeichen (f. Baudiffin, Studien zur femitifchen Ne:
ligionsgefchichte II, 1878, ©. 207 ff). Daß Paufanias, der die felbe Gefchichte wie @o
41*
O2 ronain man Tem des Öranatapfelbaums einen
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u ” ee (See — . Studien II, S. 208
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or "0m mn on mehr zrmaliden Nana Die doreus
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Sredung wirklich aufred: er⸗
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_ Eu ze, wohl identiſche aid
zentrale wäre an eine Nermitte
„ zen Ereb nach Phrygien un
araa Kermittelung zu denken. Die
=, is nacht einen direkten Zujamnen:
- Ta ten oder Nane oder mit der iv
" nimnittelbar auf Die babylonifche und
. j RAbriſen.
=. ai "E raendwo Sicher bolljogen worden
or wer it, laßt ih nicht mit Sicherheit
> | ‚zero ale Die Man zu bejtimmen it.
- m ag „er den Achämeniden oder Arſaciden
Tasaett, daßk don Dort aus mit oder ohne
— Tale * Artemis-Nana, d. h. vermutlich
— An un Zuiammmenfchmelzung auf babnle:
— u _
Nanaia Nantes 645
nifchem Boden fann um fo eber gedacht werden als nad) dem Zeugnis des Beroſſus bei
Clemens Alerandrinus (Protrept. c. 5, 65 ©. 57 ed. Potter; vgl. dazu oben 8 5)
Artarerres II ein Bild der Analtis zu Babylon aufftellte.
Das einzige Zeugnis dafür, daß die Göttin von Elymais Nand oder Nanaila) hieß,
bleibt die immerhin problematifche Ausfage von 2 Mak 1 über die „perfiiche” Nanaia
in Kombination mit dem feilfchriftlichen Bericht Ajurbanipals. — Die ficher begeugte
Reihenfolge der Apres Nava im Piräus, der Nana bei den Phrugern, der Nlanda
bei den Armeniern, der Nanai bei den Syrern und der Navara-Nava bei den Indo—⸗
finthen hängt, wie mir zuletzt doch unverkennbar zu fein fcheint, in ihrer Gefamtheit zu:
ſammen mit der babyloniſchen Nanä und ftellt einen Beleg für meite Ausbreitung einer 10
babylonifhen Gottheit dar, welchem fich andere analoge fo leicht nicht an die Seite
ftellen laſſen. Wolf Baudiſſin.
Nantes, Edikt von. — Der Tert des Edikts 3. B. bei Aguesse (f. unten) Bd IV
©. 601 ff. Briefe und Aften in M&moires et correrpondance de Duplessis-Mornay, Bd 6 ff.
Paris 1824. (Benoist) Histoiro de l’@dit de Nantes, 5 Bde, Delft 1693—95; ©. v. Polenz, ı5
Geſchichte des franzöſ. Calvinismus, 3. Bd, Gotha 1864, S. 772 ff.; L. v. Ranke, Franzöſiſche
Geſchichte, 2. Bd, 2. Aufl. 1857, ©. 42 ff.; L. Aguesse, Histoire de l’&tablissement du
rotestantieme en France, 4. Bd, Baris 1886, S. 557 ff.; vgl. den Art. Du Pleſſis Bd V
Bei feiner der romanischen Nationen fand die Reformation fo viel Empfänglichkeit, 20
wie bei den Franzofen. Es gab bald feine Provinz und faum eine größere Stadt, wo
fih nicht Heine evangelifche Gemeinden bildeten; 1559 fchloffen fie fich zu der reformierten
Kirche Frankreichs zufammen, ſ. den A. Franzöſ. Glaubensbelenntnig Bd VI ©. 230.
Aber unendlich ſchwer wurde es diefer Kirche der Minorität gemacht, die Anerkennung
ihres Eriftenzrechtes der katholiſchen Majorität abzuringen. Es bedurfte Jahrzehnte langer 25
Bürgerfriege, um Schritt für Schritt Boden zu gewinnen: endlich 1589, als die fran:
zöfiiche Krone an den Führer der Hugenotten, Heinrich von Navarra, überging, ſchien jede
weitere Gefahr überwunden. Da ftellte der Übertritt Heinrichs zur katholischen Kirche
1593 alles von neuem in Frage.
Heinrichs Abfall von der reformierten Kirche war nicht durch religiöfe Motive be- so
dinge. So gewiß er nur deshalb möglich war, weil die Religion im Leben dieſes
Fürſten niemals das beherrfchende Moment gemwejen it, jo gewiß iſt er ausſchließlich
durch politiiche Erwägungen herbeigeführt worden. „Es ilt, jagt Ranke I ©. 568, nicht
die ganze Wahrheit, aber es iſt etwas Wahre daran, wenn Heinrich feinen Freunden
erflärte, er bringe feine Überzeugung feiner Pflicht zum Opfer.” Er glaubte, daß die 35
Beruhigung Frankreichs, die Übicherherftellung des politischen Gleichgewicht in Europa
ohne feinen Übertritt zum Katholicismus ihm nicht gelingen werde. Deshalb waren die
Befürchtungen, welche die Hugenotten an den Abfall des Königs knüpften, grundlos. Er
würde den Zived, den er bei feinem Übertritt im Auge hatte, verfehlt haben, wenn er
ih zum Werkzeug der katholiſchen Berfolgungsfucht gegen den Proteftantismus hergegeben 40
pün. Wie feine politiiche Überzeugung den Übertritt zum Katholicismus forderte, fo
orderte fie auch, daß er der reformierten Kirche cine ſichere Exiſtenz im Staate verichaffe.
Im September 1593 verfammelten jich die Deputierten der reformierten Kirchen zu
Mantes; fie erneuerten mit der Genehmigung des Königs die Union ihrer Kirchen und
ſchwuren leben und zu ſterben in ber Verteidigung ihres Glaubens. Im nächſten 4
Jahre hielten fie ihre Synode in Montauban. Dort beichloß man den Zufammentritt
einer politischen Verfammlung aus allen Provinzen, um die Anterefjen der reformierten
Kirchen zu vertreten. Sie fand noch im gleichen Jahr zu Sainte Foy Statt. Bisher war
Heinrich IV. der Broteftor der Hugenotten gewefen. Die Verſammlung von Sainte %oy
erflärte, daß er nach feinem Abfall vom reformierten Glauben dieſe Stellung nicht bei- 50
behalten könne. Deshalb gaben ſich die Reformierten eine Verfaflung, die fie in den
Stand ſetzte, ihre echte felbjt zu verteidigen. Es ward ein allgemeiner Rat eingefeßt,
welchem alle Autorität in Religionsſachen zukommen und unter deſſen Oberaufficht alle
Provinzen Stehen follten. Er beitand aus zehn Dlitgliedern, je eines für jede Provinz,
vier Adelige, vier aus dem dritten Stande und zwei Geiſtliche. Ferner wurden Provin⸗ 55
ztalräte ernannt, aus fünf bis ſieben Mitgliedern beitebend, deren einer wenigſtens ein
Geiſtlicher fein follte. Tiefe Organtfation leiſtete große Dienſte; fie zeigte die Macht
der Hugenotten ihren Feinden und bildete ein feltes Band um alle Kirchen. Der König
war nicht ohne Bedenken, legte ihr aber jchlieglich Fein Hindernis in den Meg.
Nantes
„2: Ienammndlung wurde 1595 in Zaumur gebalten. Zie forderte vergeblich
: zrmierten Rultus im Nönigreich. Grit der Verſammlung, Die im Jabre
.n itattfand, gelang es durch Geduld und Feſtigkeit, Die proteſtantiſche
a2 Zen Ausgang entgegen zu führen. Die Schwierigkeiten waren ſebr
zz 2.’ gotn Der Nechte der Proteftanten hatte erfauft werden können, von der
zz Me ver allen daran bielt, daß man mit Nom in guten Verhältniſſen
; 0 Arrormterten, Die nicht gefonmen waren, von ibren Forderungen abzu:
az m znaurberlih durch Geſandte und Bittichriften bedrängten. Aber die Re
‚an czunm nicht nach, bis ihren ‚sorderungen genug geſchah. Sie ſandten vine
nenn und bejchlojfen, ſich nicht aufzulöjen, che nicht ein endgiltiger
zz hr der Die Rube der reformierten Mirchen Jichere.
>>, Veriammlung jeine Antwort ertvartete, bemühte ſich Du Pleſſis Mornay
. „emmen, Daß er, Das einzige Mittel ergreifend, welches aus dieſer uner:
„nm ren konnte, einige friedlich geſinnte Katholiken als Geſandte nad You:
0.2. Dr Dieie zögerten, wollte Die Verſammlung die Gemeinden beivaffnen
edungsutund ſetzen. Es brauchte nicht weniger als die Weisheit und
.. Rernaps, um „ihr den Weg zu zeigen, der fie dem gewünfchten Ziele ent:
rem, ebne zum Außerſten zu fommen“, nämlich um fie zu bewegen, die An:
. naaden GGeſandten zu erivarten. Tiefe trafen endlich in Youdun ein; es waren
> ot und Calignon, der eine fatboliich, der andere reformiert (Mornay VI,
re. Me Vorichläge, Die ſie mitbrachten, nicht geeignet waren, Die Reformierten
sa a man dennoch an, zu unterbandeln. Da aber Heinrich IV. nicht ge
rzugeben, und Da andererfeits Die Neformierten in nichts von ihren
woilenen wollten, jo ſchien es, als ob dieſe Angelegenbeiten nie könnten
der Und doch würde der König bei einer baldigen Beendigung bir
an Soul gefunden baben. „Wenn der König,” jchreibt Mornay, „ver:
dus Me Verſammlung einen feinem Intereſſe nachteiligen Entſchluß faſſe,
os, bre Yage zu ordnen... Sie ftreben nicht nach dem Befige des
a ah einem Teile Desfelben; für ſie iſt die Religion Urſache und nidt
nad, Se verfolgen feine abenteuerlicen Zivede, fie begehren nur, was jedem
and tt, Die Zicherbeit für ſich jelbit und Die Erhaltung des Staates.“
or si Leichwichtigen, indem man den Neformierten die Ausführung di
\ate ID zuſagte. Allein Das genügte der Werfammlung nicht. Nach
vn sun dem Hofe näber zu fein, empfand Die VBerfammlung bald beilen
nriiun und beeilte ſich daber, ſich nach Saumur zurüdzuzieben. Tie Unter:
Bactien iort, als Die Nachricht von der Einnahme von Amiens durch dir
en Die adeligen Führer Der Hugenotten, Die Herzoge von Bouillon und
währt, die Gelegenheit benützend, nach den Waffen greifen, um dem König
atsehrlt, welches er verweigerte. Aber Die Deputterten wieſen Diefe Anſchläge
nut Wunſch,“ ſchrieb Mornay an den König, „it, daß man fie als
it und treue Unterthanen anjeben und bebandeln möge; übrigens ind
RXrreidigung des Staates, das Teuerfte, was fie befigen, zu den Füßen
a wßitiulegen”. Die Verſammlung bezweckte einfach die Gewiſſensfreibeit;
site Bartet, jondern eine Kirche, Das wußte fie, und Darum wollte Sie
vg ei Krieg anfangen; aber aud nicht für ihn, jo lange ibre religiöſen
ti rel, „Mit tiefem Bedauern ſehen wir,“ fo jchrieb fie an Heinrich,
nei den alten Feind Diefes Reiches mit unferem Yeben nicht beiftchen
nn begebren, betrifft durchaus unentbebrlihe Dinge: die Religion,
spirit nicht wohl [eben können, Die Gerechtigkeit, ohne welche es den
nee ucht moglich ift, zu beſtehen“ (Mornay VII, 189). Mornap billiate
Sur wußte, Daß, wenn fie nachgäben, es nur nacteilige Folgen für
or war aber der Meinung, daß jede Partei von ihren Forderungen
ww. damit man ſich deſto cher vereinbaren Tünne Der König, ber
nah zeigte ſich nadigtebiger, als ihn Mornay überzeugte, daß es
ae sebr ot thun“ (Mornay VIL, 199), und ihn bat, „feinen Ab-
antitibt zu gebe, um die gerechten Forderungen der Neformierten
Sa VII, 208) Die Gemüter berubigten ſich nad und nad und
Aiuten zwiſchen Dem Yager vor Amiens und der zu GChätelleraut
enneslilll Fortgefeßt werden. Während der Tauer Der Belagerung
Rantes 647
wurden die Deputierten mehrmals durch Gerüchte über den Frieden mit Spanien in Be:
forgnis gejeßt. Sie wußten, daß derfelbe nur auf ihre Koften würde geſchloſſen werden;
fie machten die königlichen Abgeordneten hierauf aufmerkfam, ſowie auch darauf, daß es
dem König nur vorteilhaft wäre, ivenn er fie befriedige, indem ihm danı ihre Hilfe zu:
gejichert jet und fie die Beendigung des Krieges bejchleunigen müſſe. Aber Amiens 5
wurde ohne fie erobert. Diefe Begebenheit ivar entjcheidend. Nun zeigte ſich Philipp IL.
zum Frieden geneigt. Die Ausfiht auf Frieden aber wirkte auch auf die Unterhand-
lungen zwifchen dem König und den SHugenotten günſtig. Gegen Ende des Jahres
1597 waren beide Parteien über die Hauptartikel eines Edikts einverftanden. Der Staats:
rat machte wohl allerlei Schwierigkeiten, der König ſelbſt wollte fih mandye Privilegien
vorbehalten, aber die Neformierten beharrten auf ihrem Begehren, und mittelſt einiger
Konzeffionen erhielten jie endlich da3 jo lange gewünjchte Edikt. Als Heinrich IV. auf
feinem Zuge nach der Bretagne in Tours anfanı, empfing er dafelbjt die Gefandten der
VBerfammlung Am 2. Mai 1598, an demfelben Tage, wo der Friede in Vervins ge:
fchlojjen wurde, unterzeichnete er dann das Edikt in Nantes. 15
Das Edikt von Nantes bewilligt den NReformierten nicht viel mehr als die vorher:
gehenden ; die Stellung, die fie durch dasfelbe erhalten, ift von der der Katholiken immer
noch fehr verſchieden. Die Zahl und die Gewalt geben dem Rechte voran, und die,
welche Die Mebrbeit und die Macht nicht für ſich haben, find nur im Intereſſe des
öffentlichen ;yriedens geduldet. Man wird nicht erivarten, daß das Edikt die Kultus 20
freiheit zugeltehe, die Neformierten hofften e8 auch nicht; fie freuten fich fchon, „daß die
Religion freier fein und daß in den Gerichten einige Gerechtigkeit bereichen würde.” Sie
erhalten kaum die Gewifjensfreiheit. Diefe ohne die Kultusfreiheit iſt aber nur ein
Icheinbarer Gewinn, bejonders wenn dazu noch die bürgerlichen und politifchen Rechte
nicht diefelben find für alle Nach dem Edikt ift es den Reformierten erlaubt, im ganzen »
Reihe zu leben und zu wohnen, ohne daß man fie zu irgend etwas beivegen oder zwingen
könne, das gegen ihr Gewiſſen wäre, und de daß man fie wegen ihrer Religion an-
fechten dürfe in denjenigen Orten, wo ſie fich niederlaffen werden. Es iſt beiden Parteien
verboten, ſich gegenfeitig ihre Kinder zu rauben ; die von proteftantifchen Geiftlichen ge-
tauften Kinder dürfen nicht wieder getauft werden. Dies fcheint eine vollitändige Frei: zo
beit zu fein; allein fie iſt beſchränkt durch die Privilegien, welche der Tatholifchen Re—
ligion zuerlannt werden, und dur den Mangel der Kultusfreibeit. Der katholiſche
Gottesdienit ijt im ganzen Weiche wieder hergeitellt, die Kirchen und die Güter werden
der Geijtlichfeit zurückgegeben; die Neformierten find verpflichtet, den Prieſtern den
Zehnten zu entrichten, die Feſt- und Faſttage zu beobachten, während der Faſten fein 35
Fleiſch zu verlaufen, fich den römiſchen Chegejegen zu unterwerfen. Die öffentliche Aus:
übung ihres Gottesdienjtes ift ihnen bloß in eiviffen durch das Edikt beftinmten Ort:
Ichaften geftattet. Es ift allen Adeligen, welche die hohe Gerichtsbarkeit bejigen, erlaubt,
in ihren Schlöfjern Gottesdtenft zu halten, ebenjowohl für fih und ihre Familien als
für ihre Untertbanen und alle, die daran teilnehmen wollen. Den Übrigen wird der: 40
felbe nur für fih und ihre Familien bewilligt; es dürfen jedoch bis 30 Perfonen bei-
wohnen. An den Orten, die ſich unter der Gerichtsbarkeit eine® Tatholifchen Herrn
befinden, ijt deijen Erlaubnis notwendig. Der Gotteödienft iſt ferner geitattet in allen
Orten, wo er in ben Sahren 1596 und 1597 bis Ende Auguft ausgeübt ward. Cr
wird erlaubt oder hergejtellt in allen Orten, wo er jtattfand oder ftattfinden follte gemäß 4
dem Edikte von 1577, den geheimen Artifeln und den Konferenzen von Nérac und
De e8 ſei denn, daß die Ortichaften im Befis von Tatholifchen Herren feien. Er ift
erner in jedem Gerichtsbezirke (Bailliage, Senechaussee, Gouvernemens tenans
lieu de bailliage) in einer Vorjtadt, einem Flecken oder einem Dorfe gewährt. Er iſt
verboten in Barıs und in einem ui von fünf Stunden, in den füniglichen Armeen, su
ausgenommen in den Duartteren der reformierten Heerführer. Es iſt den Neformierten
erlaubt, Kirchen zu bauen und die, welche ihnen während des Krieges waren entrijjen
worden, wieder in Belig zu nehmen. In allen Ortichaften, two der öffentliche Gottes-
dienft ausgeübt wird, iſt erlaubt, Bücher zu druden und zu verkaufen. Ohne Anjehen
der Religion find die Schulen, Unwerfitäten, Spitäler allen geöffnet, und werden unter 66
alle die öffentlichen Almoſen ausgeteilt.
Die Artikel, gegen welche der Nat des Königs am meiſten Schwierigkeiten erhob,
find die, welche fi) auf die Amter und die jogenannten balbgeteilten Kammern (Cham-
bres mi-parties) bezieben. Heinrich IV. jeßte es dur, Daß alle Beamtenſtellen den
Heformierten zugänglidy wären. Was die Gerechtigfeitspflege anbelangt, erhielten fie er
⸗
0
648 Nantes
endlich, was mehrere Edikte ſchon bewilligt hatten, was war ausgeführt worden,
eine Ramıner 28) Gil (hambrs PET wilde übe er. bie Sronefe
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LLITETLET. KK TI -
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abjla MELLIMITE
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sic.
Kam Den | IE tet in Endlich4
alle Rechnungen der politischen mmlungen, jeit der von Mantes, in der Nechnungs:
29 fammer * h alle Ungefeblichkeiten, deren fid die Verfammlungen
fchuldig gemacht haben 1 fönnen, „find vergefien.
Dem Edikte find Reformierten günftige gebeime —— bei Es werden
ihnen darin außer sh * Edilts noch mehrere Orte Gottesdienft
zn Für die Beftimmung all diefer Ortichaften mr föni —
t, a zioifchen zwei oder drei von den Neformierten vo — lagenen
en follen. Da die Verträge mit den Liquiften alle zum Vorteil
fehleffen worden waren und dadurch wiele Neformierte der Wo
edens beraubt wurden, beftimmen die —— Artikel eine gewiſſe Anzahl ı
two dieſe Wert ige nicht anwendbar fein jo Io Der auf die Beamtenftellen bezügliche
30 Artikel des Edikts foll überall ohne Ausnahme ausgeführt werden. D Tenigen —
welche nur probif ſch or bis auf weitere Verordnung gültig waren,
diejenigen dagegen, nr r eine bejtimmte Zeit geichloffen waren, jolle
Nr eit durch das von Nantes erjeßt werben. Die — das
Recht, Konſiſtorien, Kolloquien, Provinzial: und er —— halten, Schulen
ur eröffnen in den Städten, wo fie Steuorn zu erbeben für
en Unterhalt der Geiſtlichen, die Kojten der, ee uf. w.
Zu diefen Artikeln fügte ‚IV. zwei Brevets hinzu. Durch das —
er ben Reformierten 45000 T ler für ihre Ausgaben, durch das andere
daß die Sicherheitspläße, welche fie am Ende Auguft 1597 inne hatten und in we ei j)
10 jie Garnifonen unterhielten, während adıt Jahren von ihnen unter Oberberric
bejegt bleiben follten. Für bie Befoldung der Befasungen giebt er en 29000° I le
in der Daupbine tourben ihnen 195000 Thaler bewillt h Heimich IV. behält
die Plätze zu betimmen, indem er dazu reformierte Rometfierien zu Rate
erlaubt er, daß dern Mitglieder der Verfammlung von Ghätelleraut in Saumur, ie
15 Verifitation des Edikts durch das Barifer Parlament zurüdbleiben, um deſſen Ausfübrung
zu “Shen ef
erjieht aus dem Testen Artikel, daß man den Wi
iberftand ber
tete. Und jo geſchah es auch. Im Jahre 1598 war noch lange alles ——
uchte no J Jahre, bis nach mancherlei Schwierigkeiten das Edilt überall
50 — war; das Parlament von Rouen verifizierte es — nach ſeiner Form und
einem Inhalt erft im Jahre 1609. Überdies war der Tert des Ebiltes, das von ben
menten einregiſtriert wurde, in mancher Hinſicht von * des
Bis zur Seit, wo Heinrich es unterzeichnete, waren es die Neformierten, die durch ihre
Bebarrlichfeit und ihre Drobende Haltung gewiſſermaßen ihn dazu zwangen ober
55 den Widerſpruch der Katpolifen nicht auffommen ließen. Won da an aber * ur
—— — — * Ayers Senat der mit feiner Gewalt
tt, um den Wi nd ber Gerichtsböfe und der Geiftli —— —
da er endlich in ſeinem Lande von allen anerkannter Herr Beten
feinen Willen N welchen er bei anderen Gelegenbeiten nicht zu ini ei
0 Es war vorauszufeben, daß die Barlamente und die Geiftlichfeit mit dem
Nantes 649
unzufrieden fein. Der Klerus hatte gegen jeden Artikel feine Einwendungen zu machen.
Die Parlamente widerſetzten ſich beſonders den halbgeteilten Kammern und der Zulafiung
zu den öffentlichen Amtern, weil dadurch ihre Privilegien beeinträchtigt wurden. Das
von Paris änderte das Edikt in mehreren Punkten: in die Chambre de l'édit jollte
ftatt ſechs reformierter Mitglieder nur eines zugelaffen werden; die Sibe der Erzbiſchöfe 5
und Bilchöfe wurden von den Orten, wo der öffentliche Gottesdienft ftattfinden follte,
ausgenommen. bie Klaufel, welche fi auf das Taufen der Kinder bezog, wurde ge:
fteihen; den Reformierten wurde verboten, ohne die Einwilligung des Königs allgemeine
Synoden zu halten. Außer diefen bedeutenden Veränderungen gab es nod) andere minder
wichtige und die fich weniger auf das Allgemeine bezogen. Nach diefen Anderungen Tann 10
Anquez (Histoire des assemblées politiques des Reform&s de France, Paris 1859)
allerdings das vom Parlament modifizierte Edikt als ein zmweites anſehn. Die Verifizie⸗
rung fand erft ftatt, al3 der König das Parlament dazu nötigte. Anftatt aber deſſen
Widerſtand in einem Throngerichte (lit de justice) zu brechen, ließ er die anfehnlichiten
Mitglieder der verichiedenen Kammern zu jih kommen und empfing fie ganz einfach im
Hauskleive. Er erklärte ihnen, es fei fein feiter Wille, daß das Edikt ohne Verzug
angenommen werde; er erinnerte fie daran, daß er es jei, der den Staat wieder her:
geftellt, ihn mit dem Frieden beglüdt, und daß er entichloffen fei, denjelben zu erhalten;
was er gefchrieben, das wolle er auch ausführen. „Er wußte fo durch Geduld und Über:
jeugung zu erlangen, mas man anders dem Einfluß feiner Gegenwart hätte zufchreiben zu
Önnen”. Die anderen Parlamente folgten bald dem von Paris. Es gab allerdings hie
und da einigen Widerftand, allein der König fette das Edikt überall dur, bald durd)
fein bloßes Wort, bald durch feine lettres de jussion. Zu den Deputierten des Ge⸗
richtshofes von Bordeaur fagte er: „Sch habe ein Edikt gemacht und will, daß es aner:
fannt werde”. Zu denen von Touloufe: „Es ift fonderbar, daß ihr euern Starrfinn nicht
ändern fünnt... Ich will, daß die von der reformierten Religion im Frieden in meinem Neiche
leben, daß fie den Zutritt zu den Amtern haben, nicht meil fie von der Religion find,
fondern weil fie meine und des Staates treue Diener geweſen“. Mit der Verifizierung
des Edikts war indeſſen noch nicht alles abgethan, es mußte auch ausgeführt werden.
Letzteres koſtete ſowohl dem König als den Neformierten die meifte Mühe. Die 10 De: 80
putierten waren bis Ende 1599 in Chätelleraut geblieben, troß des Befehles, ſich nad)
Eaumur zu begeben, und nachdem das Edikt in Paris verifiziert wäre, fich zu trennen.
Die Kirchen wollten fi) mit dem Edikt, fo wie es von den Barlamenten ivar angenommen
worden, nicht begnügen; fie waren nicht gefonnen, etwas von dem nachzugeben, was ihnen
der König zu Nantes bewilligt hatte. Für den Augenblid wollten fie wohl auf die Lage 35
Heinrihs IV. Rüdficht nehmen, aber nichtsdeſtoweniger behaupteten fie ihre Nechte, in
der Hoffnung, daß der König fie doch zuleßt zur Anerkennung bringen würde. Die Ver:
fammlung fandte Abgeordnete an den Hof, um dem König ihre Beichtverden vorzutragen;
unter anderem bemerkte fie, daß ungeachtet des Ediktes die Kammern nicht in der feit
gejegten Friſt von ſechs Monaten waren eingefegt worden. Heinrich jedoch gab auf die ww
meilten Klagen feinen Beſcheid; nur in Bezug ur wenige Artifel gab er den Neformierten
insgeheim einige Zuficherungen. Die Schwierigkeiten waren demnach nicht befeitigt. Unter:
deſſen hatte man in einigen Gegenden angefangen, das Edikt einzuführen. Es wurden
dazu vom König Rommifjarien ernannt, je zwei für jede Provinz, ein Tatholifcher und
ein reformierter. Überhaupt war man zufrieden mit der Art, wie dieſe ihren ſchwierigen 45
Auftrag erfüllten. Es gab im ganzen nur wenig bedeutendere Streitigkeiten, und menn
e3 den Kommillarien nicht gelang, die Parteien zu vereinbaren, appellierten diejelben an
den König, welcher in den meilten Fällen zu Gunften der Proteftanten entichted. Ta
dies alles aber nur fehr langſam geſchah, fo hielten 08 Die Deputierten nicht für ratſam,
fih zu trennen. Sie verlegten ihre Verfammlung nad Saumur, wo Wlornay Statthalter co
war, „um leichter feines werfen und beilfamen Rates zu genießen“. Von dort aus jandten
fie Abgeordnete nah Paris, um darüber zu wachen, daß Feine neuen Veränderungen
mehr am Edift vorgenommen würden, und um deſſen Ausführung zu bejchleunigen. Diefe
legte Einrichtung mißfiel dem König, und da er die Verfammlungen nur ungern ſah,
weil fie, wie er meinte, nur zu Unruhen Anlaß geben könnten, befabl er den Deputierten, 55
ich zu trennen und zukünftig feine neuen Verſammlungen zu balten. Die Neformierten
widerfirebten fo lange fie fonnten; fie erlangten, daß ſie h
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ich in Ste Foy im Oktober
1601 verſammeln durften, um ſogenannte General-Deputierte zu ernennen, welche am Hofe
refidieren follten; es wurden deren zwei gewählt, ein Adeliger und einer des dritten Standes,
Diefe Deputierten empfingen die Beſchwerden der Provinzen und trugen fie dem Könige vor *
650 Nantes Narrenfeft
Schon im re 1604 konnte Mornay an la Fontaine England jchreiben:
en Rihen Yefinben fih, durd; Gottes Gnade und unter - — Wohlthat der u
‚in einer Lage, die fie nicht Luſt haben zu verändern. Das
wird, In, t; lä
son ne zit ohne — 10 logge Fee man Ara en
re fo hört man auf unfere lagen, oft auch bilft man diefen
itesd Orten näher ober bequemer hoäre,
daß ah ui | ni m an kn ein un Ainten; vielleicht wäre es =
Könige lich, ſowie au m ienften F
ıo alles iſt Die zu wünfchen, nicht Bea ni) er ne
Naogeorg j. Kirchmeyer Bd X ©. 196 ff.
Naphthali ſ. d. A. Galilia Bo VI ©. 338,5 ff.
Narde. — Bgl. Celsii hierobotan. II, 1 Dfen, N. G. IL 2, © ; Laſſen,
Indiſche Altertumst. I, ©. 288f., Riehms, —— : &.1072 (mit Abbildung); Bin, Aram.
15 Bilanzennamen 316; Lenz, Botanif, 465 ff.
Narde, 772, vdodos, hieß ein im ganzen Altertum (Polyb. 31, 3,2; Horat. od.
2, 11,16; Tibull. 2,2, 7: 8,6, 3 u. ;) und jo bei den Hebräern —
4 ‚13f) ‚Hodigefhägtes Aroma, von dem «8 mehrere befiere und een gab
Das te, ungemein fojtbare (Plinius berechnet den Preis eines ed der beiten
20 auf 400 und mehr Denare) Narbenöl (vgl. Me 14,5) wurde und bereitet
aus der Wurzel und dem unmittelbar über derjelben fich erhebenden, hart 1 tele 86
Stengels einer im nördlichen und öſtlichen Indien, nad Strabo 16, 4,25 aud) in Süib-
arabien und Gedrofien (15, 2,3), auf Anböben und Ebenen wachfenden Pflanze, die
zum Geſchlechte der Valeriana gehört und daher im Syſtem mit ihrem bengalifch
2: Val. Gätämänsi (= —— eflecht) bezeichnet wird. Sie kommt noch heute —
bis zu 14000° über dem vor und dient dem Mojcustier zur Nahrung; man
nennt fie auch spiea nardi (von der Ähnlichkeit der Murzeltriebe * einer gegrannten
Ahre) und nardostachys gatamansi. Schon ihre Blätter verbreiten einen angenehmen
Geruch, dal. Strabo 15, p. 695; Plin. Hist. Nat. 12, 25sq.; Dioseorid, 1, 6 um
s0 die * rakteriſtiſche Erzählung bei Arrian. Alex. 6,22, 8, aus der fid) ergiebt, ß eben
die Phönifen es waren, durch welche diefes köſtliche roduft in den des |
— aud nad) Baläftina — fam. Die ewöhnliche ardenſalbe — man |
indifchen befonders die ſyriſche, vorzüglich qut in — angefertigt, Athen.
auch die afjprifche und babyloniſche genannt, die galliihe und kreten |
35 übrigens in einer Mifhung von Ölen vieler zum Teil ebenfalls zu den —
ehörenden aromatiſchen Pflanzen (Plin. H. N. 13, 1, 15). Sie wurde gewöhnlich in
fleinen Alabafterbüchschen bezogen (Horat. od. 4, 12, 17; Athen. 15, p. 6f un
14,3) und in NRiechfläfcheben (nardi ampulla, Petron. satyr. 78) Abi
bloß als Salbe wurde fie ruf fondern man würzte damit auch ben Wein
0 mil. glor. 3, 2, 11; Plin, Hist, Nat. 14, 19,5) und tranf das dp Athen.
. 689. Daber "wollten einige Ausleger den Ausdruck vdodos zur, Me 4. er
klären: „tinkbare Narbe“, was dann Bezeichnung einer —— —
müßte. peen verdient doch die gewöhnliche Erklärung durch, N“,
glaubhafte“ N, noch immer den Vorzug, da fie ſich etpmolpgifeh — nis "bie ——
u ven läßt, "bei ſolchen Kunſtwörtern des Handels aber einige des Aus-
drude nicht verwundern darf. Mit olcher köftlichen Narde falbte —— Betba
den ge ſechs Tage vor dem Pascha, wie auf fein na orftebendes Begräbnis
(Jo 12, 1ff.), denn eben aud zur Bewahrung vor der Vertvefung wurde dieſes
eivandt (evangel. inf. arab, e. 5). Der Name „Narde“ ift übrigens aus dem
&0 kit t zu erklären, weift alfo ſchon auf die eigentliche” Heimat der Pflanze bin; er foll be
deuten „buftgebend‘“ (nala-dä). (Nitetfchi m Rittel,
Na — Du Cange editio nova, 1885, sub ceryula 2, 277E£., Kalendae 4 481 ff.
vetula 8, 2975, "abbas Co orum 1, 14; Du Tifliot, Memoires pour servir A Y'histoir
de la fäte des Foux qui se faisoit autrefois, dans plusiens sglises, Lausanne et € * |
>» 1741; Dürr, De e puerorum vulgo vom Schul-Bischoff bei Ant. Schmidt, Thesaurı
juris "ecclesiastici, Bin Inderg 1744, 1744, Bb3, ©,58—83, Bt. für Philof. und tath. Zeologie,
— Narrenfeſt 651
a5, Sn 11, Seft 3, 161-180; Scheible, Das Kloſter, 7. Bd, 25. Zelle, S. 26 ff.;
eulſchen Mythologie 2, S. 465 ff.; Anton Springer, Paris im drei:
t, Leipzig 1856, S. 66 ff.; Schneegans in Ztihr. für Kulturgeſch. 1858, 3,
urn lte, Archenlexikon 4, S. 1396 ff. DchA 1, ©. 393 ff.; Alexander Tille,
| te ber beutichen Weihnacht, Leipzig 1893, aud) englifch 1899, ©. Aff., 31ff. (fehler: 5
Eid, Ichief, ſuffiſant).
De mittelalterliche Narrenfeft, festum stultorum, fatuorum, follorum, fete
Dux, ober bejjer die firchlihen Narrenfefte find ein Fulturgefchichtlich überaus
anter Beleg für die Feſtigkeit, mit der volfstümliche religiöfe Feſte auch nad)
en Untergange der zu Grunde liegenden religiöfen Anschauung ſich behaupten, denn
erde diefer Feſte gehen Ieglih zurüd auf altrömifchen Feſtbrauch und alt:
ae Wolksalauben. Sie find nichts anders als das altrömifche Saturnalienfeft in
ehlichem Gewande. — In altkirchlicher Zeit galt die Teilnahme an den
alien für ebenjo verpönt, wie die Teilnahme an anderen heidnifchen Feſten.
wohl fehlte es ſchon um die Wende des 2. und 3. Sahrhunderts nicht an Chriſten,
ie renden dieſes Feſtes nicht entbehren zu fünnen glaubten (Tertullian de
e. 14). ber weitere Kreife der Chriftenbeit beteiligten fich Doch daran erit
Fr rohen Mafienbefehrung im 4. Jahrhundert. Im Dften mußten ſchon Chry-
Frmus (Hom.,. in Kal. Opp. ed. Montfaucon I, 854ff.) und Aſterius von Amaſea
Fam 4 MSG 10, 215 ff.) gegen diefe Unfitte auftreten, im Welten —— (Pos- :
Fe indieulus c. 1 und Sermo 127, 128: Opp. 5, 1, p. 1311ff.), Maximus von
Zus (Hom. 16, MSL 57, 253 ff. iventifh mit Pfeudo-Ambrojiug Sermo 7, Opp.
Frei ed. Maur. 8, 98 FF), Petrus Chryſologus von Ravenna (Sermo 155 MSL
re). Am Abendlande fuchte man dem Unweſen dadurch zu fteuern, daß man
Se Famuarkalenden und hie und da auch die nächſtfolgenden Tage zu kirchlichen Felt: :
a erflärte (val. die Predigt des Marimus), dann audy dadurch, daß man die Ka-
m als Erinnerungstag an die Beichneidung Chrifti zum Firchlichen Feiertag erhob
Am: €. 18 Tours 567, MG Concilia p. 126. und d. A. Neujahr). Vergeben?! Das
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IE Tieh fidy gerade dies derblujtige Narrenfet nicht nehmen. Statt allmählich in Ver:
renheit zu geraten, fand e8 im 6. und 7. Jahrhundert auch bei den chriftlichen Weit: zu
* , ben dhriftlicdyen Franken, den chriſtlichen Alemannen und, wie es ſcheint, ſogar bei
llichen Angelſachſen Eingang. Wie Cäſarius von Arles (Vita I, c. 55 SS rer.
Merovw. III, p. 179, Sermo 129, MSL 39, p. 2001f., fo mußten aud das Konzil
en Hunene (ec. 573—603, e. 1, Coneilia p. 179), Eligius von Noyon (Vita II, c. 16
#5 rer. Merov. IV, p.705f.), Birmin von Reichenau (Dieta c.22 ed. Gajpart, 35
Krcbenbiit. Anekdota I, ©. 172), Ggberbt von York (vgl. Excarpsum c.8 84,
Sabban-Stubbs, Couneils III, p. 424) gegen die Unjitte kämpfen, an den Kalenden
De Hanuar in Hirichmasten, Tierfellen, Frauenkleidern aufzutreten und mächtige Trink—
ae abzuhalten. Im 8. und 9. Jahrhundert wurden daher die Saturmalien nicht nur
Nom (val. Bonifaz epist. 30? MG EE III, p. 301 und die Antivort des Papftes u
Hadsarias ebenda nr. 31, p. 304 ff.), ſondern aud im Frankenreiche noch überall vom
le aefeiert (vgl. Chrodegang von Meß, regula, MSL 89, 1090, Burchard von
burg bei Panzer a. a. O. II, S. 165f., Poenitentiale Halitgari, iudieium
poenitentis 36, Schmit, Bußbücher 2, ©. 256 Regino de synodalibus causis I,
©. 215 MSL 152, p. 231). Noch im 10. Jahrhundert jah fih Atto von Vercelli ver: 45
anlapt, Dagegen zu predigen (Sermo 3, MSL 134, p. 43 und Capitulare c. 79,
A f.), und noch zu Begimm des 11. Jahrhunderts glaubte Burdard von Worms,
ı daber vorfommenden Ausfchreitungen jteuern zu müſſen (Decretum XIX, c. 5
MSL 140, p. 965). indes bat es doch den Anfchein, als jei das Feſt bei dem Volke
bamals allmählich im Vergefienbeit geraten. Da bat der ——— der es ſo lange so
eneraiich bekämpft hatte, es vor dieſem Schidjal bewahrt, indem er es zu einem ſpezifiſch
Heritalen Seite erbob. Schon frühe muß die Sitte aufgefommen fein, daß die einzelnen
itlihben Stände und Gruppen je einen beitimmten Tag nad Weibnachten als ihr
eujabrfeit begingen: die Diafonen den Ztephanstag (26. Dez.), die Priefter den Johannis—
ag (27. Dez.), die Knaben den Tag der unfchuldigen Stindlein (28. Dez.), Die Subdiafonen 65
den Neujahrstag oder das Epipbanienfeft oder den 11. Januar. Bon diefen Feten find
das Feſt der Kinder und das ‚seit der Zubdiafonen in fpäterer Zeit befonders aus:
ildet worden. Tas Feſt der Kinder entwickelte ſich zu einem echten Kinderfeft. Einer
Dom: oder Stiftsjchüler wurde zum Kinderbifchof (Apfelbiſchof) gewählt. Er bielt
im bischöflichen Ornat des Offizium, wobei die übrigen Knaben in die oberſten Chor: en
— —
652 Rarrenfeft
ftühle fich fegten, während die Stiftöherren und Vikare in den niedrigften Pla nabmen
(fo ſchon 1136 in Straßburg vgl. Grandidier, Essais sur la cathödrale de Stras-
bourg I, 72 und Schneegang a. a. O.). Kamen fchon bei diefem Feſte mancherlei Aus-
ſchreitungen vor, fo waren diefelben bei den Feſten der Briefter, Diafonen und Eub:
5 diafonen bereit im 12. Jahrhundert die Negel. Das Felt der Subdiafonen nennt ſchon
Johann Beleth (Diöcefe Amiens) in feinem Rationale divinorum officiorum.c. 72
MSL 202, p. 79, vgl. aud) ec. 120 ebd. p. 122 ff. um 1180 festum stultorum. Aud
die Subdiafonen wählten bei diefer Gelegenheit einen Biſchof, den fie mit Gefang und
und Prozeffion in die Kirche geleiteten. Dort wurde derfelbe mit dem bifchöflichen
10 Ornate bekleidet und hielt cine Meſſe. Die bibliichen Leftionen wurden dabei cum
farsia rezitiert, Beifpiele bei Du Gange sub farsia. Auch trug man feine Bedenken
durch ſchmutzige Lieder und Reden den Spaß zu erhöhen. Ya, es fam bisweilen jo:
gar in der Kirche zu blutigen Schlägereten. E3 gereicht der Kurie zu hoher Ehre, daß fie
alsbald den Kampf gegen dies Unweſen aufnahm. Der päpitliche Legat Peter von
15 Capua war der erfte, der dagegen einjchritt. Auf feinen Befehl unterdrüdte das Barifer
Domkapitel 1198 menigftens die fchlimmften Mißbräuche (vgl. Cartulaire de Notre
Dame de Paris I, p. 72--75 Collection des Cartulaires de France t. 4). Sn:
nocenz III. verbot dan 1210 grundfäglidy die Narrenfefte der Priefter, Diakonen und
Subdiakonen und Innocenz IV. fette 1246 auf jedes Dunnberhanbein gegen dieſes
20 Verbot die Strafe der Erfommunilation. Allen diefe Verbote machten ebenfowenig
Eindruck, mie der Erlaß des Bifchofs Peter von Paris vom Jahre 1208 und die Be
chlüffe des Barifer Konzils von 1212 und des Rouener Konzild® von 1214 (die Kanone
find identisch Teil 4 ce. 16 Hefele 5, 871). Die Narrenfefte der Kleriker behaupteten fid,
insbefondere das Narrenfeit der Subdiafonen. Ja, im 14. Jahrhundert wurde das Ritual
25 diefer ;Feitlichkeiten bie und Da genau aufgezeichnet, fo 3.8. 1365 in der Diöcdle
Viviers, vgl. den Auszug aus dem Caeremoniale Vivar bei Du Gange sub voce
Kalendae. Es fam fogar vor, daß der Narrenbifchof durch das geiftliche Gericht „im
Namen des Waters, des Eohnes und des hl. Geiſtes“ genötigt wurde, feinen Wäblern
den üblichen Schmaus zu geben, vgl. die Gericht3urfunde aus der Diöcefe Viviers von
30 1406 ebend. Diefe Konnivenz der Tirchlichen Behörden trug natürlich nicht dazu bei, den
Geiſt des Feftes zu veredeln. Die Kleriter erfchienen in der Kirche dazu Ende de
14. Jahrhunderts nicht bloß in Tiermasfen, fondern au als Weiber, Zubälter, Gaulle
verkleidet. Anftatt mit Weihrauch räucherten jie mit Blutwurſt oder altem Ztiefelleder.
Statt der Nefponforien fangen fie ſchmutzige Lieder. Statt der Hoſtie genoffen ſie am
35 Altar fette Würſte. Auch vergnügten fie fich während der kirchliche Syeier mit Würfel:
jpiel und führten zum Ergögen der Zufchauer fehr unpafjende Neigentänze auf. Falt
noch ſchlimmer waren die Prozeſſionen, die ſich an die Firchlide eier anſchloſſen.
unge Leute produzierten fich daber wohl im Adamskoſtüm und juchten den Pöbel durd
unanftändige Gebärden und Reden zu amüfieren! — Hatte einjt die Kurie dergleichen
40 Ausschreitungen zu Steuern gefucht, fo agitierte jeßt dagegen zuerjt die Erbin ihres Ein:
fluffes im fatholifchen Europa, die Pariſer Univerfität. Dann erlich das Basler Konzil
am 9. Juni 1425 ein Tategorifches Verbot (Sessio 21, c. 11 vgl. Hefele, Konzilien
nefchichte 7, S. 596 ff). Als auch das nichts half, richtete die Pariser tbeologifce
Fakultät am 12. Mai 1444 eine Encyflifa an fäntliche Biſchöfe Frankreichs, in der ſie
45 ſchleunige Unterdrüdung der klerikalen Narrenfeite forderte. Aber auch dieſe Enchklila
hätte ſchwerlich etwas gefruchtet, hätte nicht König Karl VII. von Frankreich durch Ver:
ordnung vom 17. April 1445 die weltliden Behörden angewieſen, dieſe Feſte nicht mehr
zu geitatten. So find die klerikalen „Saturnalien” — wenigſtens in dem Lande, wo
fie die größte Holle fpielten — Schließlich durch die weltliche Obrigkeit abgefchafft worden.
50 Bei den Felte des Rinderbifchofs waren fo ſchlimme Ausfchreitungen nur vereinzelt
borgefommen. Darum wurde es auch im 13. Nabrhundert von den Päpften nicht ver:
boten und von den Bifchöfen in der Kegel geftattet. Nur das Konzil von Cognac —
1260 c. 2 vgl. Hefele 6, S. 66 — glaubte es ganz unterdrüden zu müſſen. Meift
aber begnügte man fich damit, e8 von den eingefchlichenen Mißbräuchen zu reinigen, jo
55 1271 das Konzil von Salzburg (e. 17 Sefele 6, ©. 170) und 1279 Lohn Pedbam,
Erzbiſchof von Canterbury (Milfens, Coneilia II, p. 38). Das Konzil von Baſel
beſchloß dann auch, Dies Feſt im Bereiche der ganzen abendländifchen Rirde abzufchaffen.
Aber diefer Beſchluß fand nirgends Beachtung. Erft im 16. Jahrhundert wurde der
„Kinderbiſchof“ auf den britischen Infeln, in Frankreich, in Spanien, in den proteftan-
eo tiſchen Gebieten Deutjchlands verboten, vgl. Zt. f Phil. u. kath. Theol. NE 11 a. a. O.
Rarrenfeft Rafiränt 663
Aber hie und da 3.8. in Köln hielt fich die eier bis ind 17., ja vereinzelt, z. B. in Reims
und Mainz, bis ins 18. Jahrhundert. Erſt dur) die Fransötifche Revolution tft diefer
legte Reſt der mittetalterlihen Saturnalien auch in feinen legten Zufluchteftätten ver-
nichtet worden. H. Böhmer.
Narther |. d. A. Kirchenbau BP X ©. 782, 9f. 6
Rafiräat. — J. G. Carpzov, Apparatus hist. crit. Antiquitatum s. Codicis (1748),
p. 151; J. D. Michaelis, Mofaifhes Recht (1777), III, 18ff.; 9. Ewald, Geſchichte des
Boltes Israel*, II, 560 ff.; und Wltertümer ©. 113ff.; 3.8. Saalfhüg, Archäologie der Hebr.
(1855) I, 228f.; H. Vilmar, Die ſymboliſche Bedeutung des Naziräergelübdes, THStH 1864,
S. 438 ff.; Köhler, B. Geſch. AT, I, 419ff.; 3. Grill, Ueber Urjprung und Bedeutung des 10
Nafiräergelübdes IvrTh 1880, ©. 645 ff.; Oehler, Theol. des AT’, ©. 473ff. Vgl. überhaupt
die Handbücher zur Altteft. Theol. von Schulg, Smend, PDillmann, und zur hebr. Archäo-
logie von Keil, Nowad, Benzinger, ſowie die Artt. „Nafirder” im Realwb. von Winer,
Denke Bibelleriton, Riehms Handwörterb. und Hamburger, Encyklopädie des Judentum?
„S. 786 f. 16
Der Naftränt ift in Israel eine althergebrachte religidje Weihe, melde, von Mann
oder Weib freiwillig übernommen, gewiſſe Enthaltungen auferlegt, nämlich ſtrengſte Ent:
fagung vom Genuß beraufchenden Getränk, völlige Vermeidung der Berührung mit
einem Toten und Beibehaltung des unverfürzten Haarwuchles. Der religiöje Charakter
tritt fehon darin hervor, daß Jahveh den Entichluß zu folchem Gelübde wedt (Am 2,11) 20
und daß der Nafir als Jahveh Gemeihter gilt ("> AT Nu 6, 2). Das Wort TI, Na:
firäer, ſelber bedeutet nicht: gekrönt (durch fein volle® Haar), fondern: durch Enthaltung
abgejondert, geweiht, woraus ſich die allgemeinere Bedeutung eines durch befondere Würde
auögezeichneten Gen 49, 26; Dt 33, 16 ableitet. Richtig erflärt daher der Talmud
AT duch map, Abfonderung; f. die Stellen bei Garpgov, Appar. ©. 151f. — 26
Solche Weihe und Enthaltung fommen teils als lebenzlängliche vor, teild auf beſtimmte
Zeit, für welche man ſich bejonderem Umgang mit Gott weiht. Erfteres ift der Fall
bei Simfon und Samuel; ähnlich) bei Johannes dem Täufer Le 1,15, wo aber vom
Haarwuchs nicht die Rede. Diefe Beifpiele zeigen, daß jchon die Eltern, vielleicht auf
höhere Weifung, ein Kind vor feiner Geburt zu diefem Weiheſtand beſtinimen fonnten, 30
wobei die Mutter bereits jene Enthaltungen auf fich zu nehmen hatte Ri 13,4. — In
der Miſchna Sota 3, 8 wird freilich nur dem Vater, nicht der Mutter, geftattet, einen
Sohn zum Nafir zu beftimmen. Auch der Talmud unterjcheidet übrigens jene beiden
Kategorien der Iebenslänglichen und der temporären Nafiräer: 397 TI und DER ar .
Doch macht er noch einen Unterſchied zwiſchen dem gewöhnlichen Ca "1: und dem ss
Simſons-Naſiräer Miſchna Nafir 1,2: Der lebtere darf fein Haar niemals kürzen, der
erftere dagegen die Laſt feines Haares erleichtern, wobei er drei Stüde Vich als Opfer
darbringen fol. Wenn er jich verunreinigt hat, foll er das gefeliche Opfer Nu 6,9 ff.
bringen. Dagegen jet der Simfons-Nafiräer im Fall der Verunreinigung dazu nicht ver:
pflichtet, weil Simſon Ri 14, 8f. feines gebracht hat. 40
Die befondere Art diejer Enthaltung und Weihe bedarf einer näheren Beleuchtung.
Der Genuß des Weines ift fonft dem Israeliten erlaubt und findet fogar bei den gottes⸗
dienstlichen Mahlzeiten reihlih Play. gl. ſchon 1 Sa 1, 13ff. Im Nafträat tritt ung
eine ftrengere Anſchauung entgegen, melde diefen Genuß gänzlidy vermeidet. Wein
und alles beraujchende Getränt (7% in diefem allgemeinen Sinn) durfte der Geweihte 45
nicht anrühren, auch nicht Eſſig aus Traubentvein oder gegohrenem Fruchtfaft, ja nicht
einmal frifche oder getrodnete Trauben fojten Nu 6, 3). Durch dieſe Entfagung follte
er fich die volle Nüchternheit und Geiftesfraft für den Dienit Jahvehs beivahren. Alle
Luft, die den Menichen zum Umgang mit Gott unfähig oder desfelben unwürdig machen
könnte, foll gänzlich abgejchnitten fein. Zu vergleichen tft, daß auch die Prieſter während so
ihrer Dienftzeit fich des Weins zu enthalten haben Le 10,9. Es jpielt aber auch eine
uralte purijtifche Auffaſſung der ſemitiſchen Nomaden herein, wonach der raffinierte Genuß
von Wein u. dgl. wie andere Verfeinerungen, welche die Kultur gebracht hat, von Übel
it. Bon diefer Eeite ber iſt die Abjtinenz den Rechabitern Jer 35, den Nabatäern
Diod. 19, 94 und den Anhängern Muhammeds zu einer religtöfen Pflicht geworden. 56
Die Verwandtſchaft mit der Priejterregel hinwieder tritt auch darin zu Tage, daß ber
Nafır gleich den Hohenpriefter (Xe 21, 11) die Berührung mit Toten ſchlechthin zu meiden,
alfo auch an der Trauer um die nächjten Verwandten ji) nicht zu beteiligen hatte Nu
654 Rafiränt
6, 6f. Er trägt eben den Seiligkeitscharafter an fich (6, 8). Miſchna Nafır 7, 1 werden
denn auch Hoherprieſter und Nafir zufanmengeftellt und die Frage erörtert, welcher
von beiden fich eher verumreinigen dürfe. Zur Verwandtſchaft des Nafträats mit dem
Prieſtertum vgl. auch Philo, de vietimis 3 13; Maimonides, More Neboch. 3, #8.
; Einen befonderen Dienſt am Heiligtum fchloß das Gelübde des Naſir nicht in fi. Ba
Samuel (1 Sa 1, 11) fam diefer Dienft als befonderes Gelöbnis hinzu; aud die am
Heiligtum dienenden Weiber (Er 38, 8; 1 Sa 2,22) find nicht als Naſiräerinnen bezeichnet.
Eimfons Beifpiel zeigt den Nafir ohne derartige Verpflichtungen, weiſt allerdings auch
ale merkwürdigen KRontraft auf zivifchen der Weihe des Standes und der ganzen Xebens-
10 haltung.
Die zweite Hauptregel neben der Enthaltung von beraufchenden: Getränk ift für
den Wafir das ungeichorene Haupthbaar. Diefes iſt Jahveh geheiligt und darf nicht
durch ein Schermeſſer entweiht werden. Analoge Vorftellungen anderer Völker zeigen,
dag man im ftetig tachjenden Haar eine göttliche Triebfraft wahrnahm; das Er:
15 zeugnis diefer göttlichen Lebenskraft foll nicht gejchwächt und durch ein menſchliches
Werkzeug fünftlich gemindert werden (vgl. als Analogie die Entweihung des Steines Cr
20, 25). Der volle Haarwuchs iſt aljo das Zeichen der Weihe (MT2 Er 6,7) auf dem
Haupte des Nafir, bei Eimfon die Bedingung wi Gotteskraft. Auch der im Sabbath:
und Jobeljahr unbefchnitten wachſende Weinſtock heißt Nafir Le 25,5. 11. — Te
20 temporäre Naſiräer hat fein Haar, jo lange die Gelübdgzeit dauert, wachjen zu laflen;
beim Ausweihungsopfer aber es in die Flamme unter dem Friedensopfer zu merfen.
Sit ihm aber während der Weihezeit eine mit dem Gelübde unvereinbare Verunreinigung
begegnet, fo bat er fein Haar zu ſcheren und die MWeihezeit nochmals von vorn zu be
ginnen, nachdem er zur Sühnung gewiſſe Opfer, zwei Turtel oder junge Tauben, ge
25 bracht hat Nu 6,9 ff. Miſchna Themura 6, 4 jchreibt vor, dad Haar des VBerunreinigten
jet nicht zu verbrennen, fondern zu vergraben. Das Haupthaar wurde alfo, wenn im
Heiligtum verbrannt, als eine Art Opfer angejehen, das vom eigenen Leibe Gott dar:
gebracht twurde. Ahnliches begegnet oft bei verwandten und fernerjtehenden Völkern.
Sp dürfen die muslimifchen Melfapilger vom Augenblid, wo fie das Gelübde der Mall
3o fahrt übernehmen, bis zur Ankunft am Ziel ihr Haar nicht fcheren. Dort wird es
ebenfall8 an beiliger Stätte verbrannt. Siebe meine Algen. Religionsgefchichte ©. 370;
über Haaropfer der Semiten im allgemeinen Robertson Smith, Religion of the
— 1894, ©. 328ff.; Wellhauſen, Reſte des arabiſchen Heidentums?, 1897,
S. 123f. 149.
35 Das Geſetz Nu6 beſchäftigt ſich nicht mit dem ganzen Brauch des Naſiräats,
ſondern regelt ihn nur, ſoweit er für die Kultusordnung in Betracht kommt; deshalb iſt
bier nur des temporären Gelübdes gedacht. Außer den oben erwähnten Beitimmungen
für den Fall einer Verunreinigung wird bier namentlidh (6, 13ff.) dag am Schluß der
Weihezeit Darzubringende Opferceremontell angegeben. Sowohl ein Brand: als ein Sünd—
10 und ein Friedens- oder Gemeinſchaftsopfer (mit Webe) famt Zubehör find dabei gefordert.
Siehe über deren Bedeutung den A. Opfer. Nachher darf der Ausgeweihte wieder Wern
trinken.
So bedeutet der Naſiräat eine völlige Hingabe in den Dienſt des Herrn. Man
beachte übrigens den Unterſchied dieſer altisraelitiſchen Askeſe von der ſonſt gewöhnlichen,
die im heidniſchen Indien auf die Spitze getrieben wurde, aber auch auf chriſtli
Boden (nicht ohne alle Berechtigung nad) Ausſprüchen Jeſu über das Faſten und Stellen
wie 1 Ko 9,27) die übliche it. Hier bat die Enthaltjamfeit den Zweck, den finnlichen
Leib zu dämpfen, damit der Geiſt übermächtig ſei; dort foll fie im Gegenteil dazu
dienen, dem Leibe die ungeſchwächte Vollfraft zu erhalten für den Dienft Gottes.
ri Nachdem ſich der Nafiriat dur die ganze Geſchichte Israels hindurch erhalten
batte, fand er im nacherilifchen Judentum, das zur Askeſe neigte, bejonders reichliche
Pflege, wobei freilich das äußerliche gefeglihe Thun den Meiſten die Hauptjache fchten.
Man gelobte, zeitweilig ſich dieſer Enthaltung zu unterwerfen, beſonders wenn man fid
in Krankheit oder ſonſt in Not befand (Sof. Bell. Jud. 2, 15), eine Neife unternabm
(Miſchna Nafir 1,6) u. dgl. Oft geſchah das Gelübde aud) in Unbefonnenbheit, 3. 3.
bei Beteuerungen („ih will Naſir fein, wenn .. .“, weshalb es eine ganze Kaſuiſtik der
Sefegeslchrer darüber gab, welche Formeln mirklih bindend feien, welde nicht. ©. M.
Naſir 1f. Bejonnene Lehrer warnten vor unbefonnenen Gelübden diejer Art, fo Simeon
der Gerechte; ſiehe oft, Gefchichte des Judentums 1857 LI, ©. 171. Doch fehlte es
co auch nicht an ſolchen, die durch ihren erniten Sinn und Wandel diefem Stand ber
4
ri
Ei
Nafiränt Natalis 655
Nafiräer Ehre machten. Dahin gehören Geftalten wie Kohannes der Täufer, Jakobus
der Gerechte (Hegelipp bei Eufeb. Kirchengefch. II, 23), bei welch leßteren noch weiter:
ehende Askeſe (Enthaltung von Fleifch) damit verbunden war. — Eine befonderg cifrige
Nafirderin war die jüdische Proſelytin Helena, Königin von Adiabene. Siche Han:
burger, Enc. II, 373. — Philo nennt den Nafiräat 9 ueydAn eüyn de ebriet. Si. 6
Auch der Apoftel Baulus hatte Beziehungen zu diefem Gelübde, was nicht befremden
darf, da er den Juden ein Jude fein wollte und bei aller Betonung der Freiheit ın
Chrifto der Askeſe nicht durchaus abgeneigt war (1 Ko 9,27). Zwar AG 18, 18 ift
fraglich, ob die Worte „nachdem er in Kenchreä (fein Haupt) fich gefchoren hatte; er
hatte nämlich ein Gelübde” auf Paulus gehen follen oder auf Aquilas. Auch Scheint es 10
ſich Hier nicht um ein eigentliches Nafiräatsgelübde zu handeln, da die Haarſchur nad)
deifen Vollendung am Heiligtum von Serufalem bätte vor ſich gehen müſſen und au
bei einer Verunreinigung nad) talmudiſcher Beitimmung menigitens 127722, d.h. im
hl. Lande zu vollziehen gemweien wäre. Manche nehmen freilih an, man habe damals,
wenn man im Ausland ein folches Gelübde übernahm, ſchon zum Anfang der Weihe: 16
zeit das Haar geichoren. Allen dies läßt ſich ſonſt nicht nachiweifen und von einer
fpäteren Vollendung ift nichts angedeutet. Es fcheint fich aljo um eine andere Art von
Gelübden zu gemein die damals Übung fein mochten, und wozu wie der Nafiränt
felbft, jo auch in der griechiichen Welt gepflogene Übungen anregen fonnten. Vgl.
Diod. Eic. 1,18; Iliade 23, 141ff. Dagegen AG 21,23 ff. übernimmt Paulus für 20
einige arme Judenchriſten die nicht unbeträchtlichen Koften des Ausmeiheopfers, durd)
welches fie ihren Naſiräat beendigen follten. Das war ein Liebeswerk, welches öfter
vortam. So erzählt Joſephus (Ant. 19, 6, 1) vom König Agrippa, er babe vielen
Naſiräern zum Vollzug ihres Gelübdes verholfen. Bol. auh M. Naſir 2,6. Dabei
übernahm der Patron nicht felber dag Gelübde, etwa auf 7 Tage, wie man AG 21, 27 26
veritanden hat. Dagegen zeigt jenes Beiſpiel Pauli, daß er dem Opfer beivohnte, wozu
gewiſſe Reinigungen notwendig waren. v. Orelli.
Nasmith, Davıd f. Stadtmiffion.
Natalie (Noel), Alerander, geit. 1724. — Quctif und Edard, Sceriptores ordin.
Praed. II, ©. 810ff. — Hurter, Nomenclator Bd II ©. 1136, 2. Aufl. 90
Natalis (Noel) Alerander, wurde am 19. Januar 1639 in Rouen von Eltern aus
dem Mittelftande geboren. Früb in die Schule der Dominikaner feiner Vaterſtadt ge-
Ihidt, trat er am 9. Mai 1655 felbft in diefen Orden. Seine großen Talente blieben
nicht unbemerkt; der Orden ſandte ihn nach Paris, wo er im Konvent zu St. Jakob
Philoſophie und Theologie zuerjt hörte, dann felbjt lehrte. Won dem Orden veranlaßt, 55
nahm er 1672 die Würde eines Licentiaten der Theologie an und wurde 1675 Doktor
der Theologie. Seine Dilfertation handelte von der Simonie und richtete ſich gegen
Launoy. In den von Colbert pur Ausbildung feines Sohnes (des nachherigen Erzbifchofg
bon Rouen) veranftalteten theologischen Konferenzen, zu denen er zugezogen wurde, be:
handelte er Tirchenhiftorifche Themata mit folcher Auszeichnung, daß ihn Colbert zur Be- 40
handlung der ganzen SKtirchengejchichte auffordert. So entitand fein großes firchenhifto-
riſches Denk, bon dem 1677 der erite Band in Oktav zu Paris unter dem Titel: „Se-
lecta historiae ecclesiasticae capita et in loca eiusdem insignia dissertationes
historicae, criticae, dogmaticae" erſchien. Natalis Alerander arbeitete daran mit
großem Eifer und einer ſtaunenswerten Arbeitsfraft. Schon 1686 erichien der lebte ss
24. Band, der big zum Ende des Tridentiner Konzils reiht. Später fügte er noch die
Geſchichte des Alten Teitaments in jechs Bänden hinzu. Das Merk, das zu den aus-
gezeichnetiten der gallikaniſchen Schule gehört, ift weniger eine fortlaufende Geichichts-
erzählung, als eine Reihe von Einzelabhandlungen über die wichtigſten Punkte der Kirchen:
geſchichte. Zuerft giebt der Verfaſſer von jedem Sahrhundert eine Synopsis hist. ecel., &
dann folgen die Dissertationes, welche einen weit größeren Umfang einnehmen. Die
Behandlung ift mebr dogmatifch-polemifch als biftorisch. Gine umfangreiche Panoplia
adversus haereses, die dann auch auf die neueren Gegner Noms, namentlicd die Re—
formierten, Rüdfiht nimmt, fehlt nicht. Die Haltung ift freifinnig, gallikaniſch. In den
eriten Bänden konnte das weniger berbortreten; deshalb gefielen diefe, in denen die eriten 65
Jahrhunderte mit großer Gelehrſamkeit, aber kritiklos, im Intereſſe der römischen Kirche
behandelt find, in Rom, wohin Natalis Alerander fie fandte, ſehr, und trugen dem Ver:
fafjer großes Lob ein. Ganz anders geftaltete ſich das aber, ald das Werk bis zum
656 Natalis Nathan
Mittelalter Fortfchritt und hier die antipäpitliche Tendenz herbortrat. Natalis Alerander
nahm bier oft Partei gegen die Päpfte, namentlich gegen Gregor VII. Deshalb verbot
Innocenz XI. durch ein Defret vom 13. Juli 1684 bei Strafe der Erlommunilation,
die Schriften des P. Alerander zu leſen. Natalis Alexander gab dem Urteile jedoch nicht
5. nach, fondern verteidigte ſich in einer 1699 in Folio erfchtenenen Ausgabe in angehängten
Scholien gegen die religiosi censores und wies in einzelnen Punkten die faktiſche
Nichtigkeit feiner Angaben nad, in andern, daß die Urteile, welche man verworfen batte,
nicht Seine, fondern die angejehener Kirchenlehrer und Zeitgenoſſen „dien, die er nur auf:
genomnen habe. Eo hatte N. A. 5. B. Gregor VII. mit den Worten charafteriftert:
10 „virum ingenii vehementis et severae sanctimoniae“. Diefe waren beanftandet
und N. A. antwortet darauf in den Scyolien: „Hic Gregorii VII. character. Addidi:
eruditionis exquisitae, studii in disciplinam ecclesiasticam incredibilis, animi
intrepidi, quem sanctissimi et purissimi consilii virum B. Petrus Damiani ad
Nicolaum II. scribens praedicat“. Alia ad eiusdem commendationem congessi,
ı5 ne eius effigiem ex parte tantum delineasse viderer. Namentlich hatte das Ka—
pitel de politia ecelesiastica XI. et XII. seculi großen Anftand gefunden. Hier werden
3.B. Ausfprüdhe, mie: „Numquid ideo malum esse desiit, quia papa tvoncessit?“
verivorfen, worauf N. U. einfach antwortet: „Ipsa S. Bernardi verba sunt, non
mea“. Dagegen veröffentlichte Roncaglia 1734 in Lucca eine Ausgabe mit Berichtigungen
und gegen N. U. felbit gerichteten Differtationen, und nun wurde das Werk dur Be
nebilt XIII. dem Inder wieder entnommen. Außerdem exiftieren noch mehrere Ausgaben,
Luccae 1749 sq. (durch den Erzbifchof Manſi beforgt), Venet. 17785q. (d einen
Anonymus in zwei Bänden fortgeführt), Bingen 1784, 4°. Neben einzelnen Tleineren
hiftorifchen Schritten giebt es von N. A. auch Schriften dogmatischen (Hauptwerk: Theo-
35 logia dogmatica et moralis, zuerft Paris 1693, dann 1703, 1743, 1768), und bomi-
Ietiichen (Praecepta et regulae ad praedicatores verbi divini informandos) Sn:
halts. Endlich auch einen Kommentar über die vier Evangelien und die Briefe des Neuen
Teftaments. N. U. wurde 1706 Provinzial feines Ordens. Schon durch die damit ver:
bundenen Arbeiten feinen Studien entzogen, wurde er darin feit 1712 durch ein Augen:
3 leiden noch mehr gehindert. Er jtarb am 21. Auguft 1724, 86 Jahre alt, im Jakobiner⸗
flofter zu Paris. Dr. Uhſhorn }.
Natalitia f. d. U. Märtyrer Bd XII ©. 51,%.
Nathan (hebr. 775, abgekürzt aus Netbanja, Jehonathan oder dergleichen) ift ber
Name eines bekannten und einflußreihen Propheten aus der Umgebung Davids. Wir
35 befigen über ihn drei längere Erzählungen, von deren Deutung bauptjächlic das Ber:
ftändnis der Perſon Nathans und feiner Bedeutung abbängt: 2 Sa 7, Iff.; 2Sa 12, 1fl.
und 1Kg 1. Es empfiehlt fih von der letzteren Erzählung auszugehen. Gegen Ende
des Lebens Davids tritt die Frage der Thronfolge für den Fall des Todes des Könige
auf, Adonia, einer der Söhne Davids, betrachtet N, auf Grund feines GeburtSporrechtes,
40 nach Abſaloms Tode als den Erben des Thrones. Um fich den Thron zu fichern, ſam⸗
melt er eine Partei um ſich und hält jih Wagen und Trabanten. Ihm und feinen
Ausfichten jtehen aber im Wege Bathfeba, die Mutter Salomos, und der Propbet Na:
than, ehemals des Prinzen Erzieber (2 Sa 12,25). Sie wilfen eg unmittelbar vor Davids
Tode dahin zu bringen, vap diefer plöglih Salomo die Thronfolge zuſpricht und ihn
45 auch jofort als den neuen König proflamieren läßt. Als Mittel dazu dient Die Erinne
rung an ein Veriprechen, das David vor Zeiten der Batbfeba für ihren Sohn Salomo
gemacht babe, ſowie die Mitteilung an den König über ein von Adonia eben veranftaltetes
Opferfeit, bei dein Adonta bereits als König behandelt werde.
Für die richtige Würdigung diefer Erzählung und beſonders der Nolle, welche Na:
so than in ihr Spielt, ift die Frage von entjcheidender Bedeutung: Hatte David eine folde
Zufage wirklich gemacht oder haben Nathan und Bathſeba fie etma nur dem alterd-
franfen Manne eingeredet? Ferner die andere: Hat Adonia das ihm zum Vorwurf Ge
machte wirklich begangen oder ıft auch dies nur Dichtung eines ntriguanten?
Man it beute vielfach geneigt, beide ragen zu Ungunften Nathang zu beantworten.
55 Damit ift dann natürlich auch über fein Charakterbild das Urteil gejprochen. Allein es
liegen keinerlei entjcheidende Gründe zu dieſer ungünftigen Deutung des Sachverhaltes
vor, worüber mein Kommentar zum Königsbuch zu INg1,9u.13 (©. 4 u. 6) zu ver:
gleichen iſt.
Rathan Naturgeſetze 657
Die zweite Angelegenheit, in der Nathan nach der bibliſchen Erzählung eine ent—
fcheidende Rolle fpielt, iſt in 2 Sa 12,1 ff. berichtet. David hat ſich mit Bathjeba, Urias
Frau, vergangen und Uria ums Leben gebradht. Er ehelicht Bathſeba und fie gebiert
ihm einen Sohn. Jahve aber mißfiel Davids Thun (11, 27). Er fchlägt das Kind mit
rankheit (12,15). David fucht durch Falten und Trauer Jahve zu ertweichen. Auf die Nach-
riht von feinen Tode läßt er wider Erwarten von feiner Trauer ab und ift guter Dinge
(12, 23). Zwiſchen 11, 27 und 12, 15 ift nun im heutigen Texte die befannte Erzäh-
lung über Nathan zu lejen (12,1 ff.), nad) welcher der Prophet David eine Parobet vor⸗
trägt und, als David das Urteil über den Schuldigen geſprochen, mit den Worten „Du
biſt der Mann!“ die Anwendung auf Davids eigenes Verhalten macht. Weil aber David 10
Buße thut, wird ihm Jahves Vergebung — freilich auch der Tod des im Ehebruch ge—
eugten Kindes angekündigt (12, 14). Hier haben wir es augenſcheinlich mit einer ſelbſt—
—* Erzählung zu thun, die in den Hauptbericht eingelegt iſt. Der letztere iſt, wie
die obige Darſtellung zeigt, in ſich geſchloſſen; vor allem aber entſpricht das Verhalten
Davids vor und nach dem Tode des Kindes nicht dem, was man nach 11, 1ff. 14 er⸗ 15
warten ſollte. David faßt die Sache von der natürlichen, nicht von der ethiſchen Seite.
Iſt das Kind tot, fo weiß er ſich zu tröſten, — nicht etwa weil nun feine Schuld ge—
fühnt ift, fondern weil er doch nichts ändern Tann. Vor und nad) dem Tode des Kindes
iſt mit feinem Worte von feiner Schuld und der Eimficht, daß das, was über ihn fommt,
ein Strafgericht Jahves jet, die Rede. 20
Es muß aljo angenommen werden, daß zwei Berichte uber den Hergang umliefen,
ein mehr profaner und ein prophetiiher. Man wird bei der Tendenz unferer biblifchen
Berichterftatter und Redaktoren, das Religiöſe in den Vordergrund zu jtellen, im Prinzip
geneigt fein, den Hauptbericht für den hijtorifchen und den anderen für pätere lagenhafte
Zuthat zu erflären. Allein man wird gut thun, ſich vor Ungeredtigfeit im Urteil zu 25
hüten. Was willen wir denn über die Auffallung und Denkweije, vor allem aber über
die Parteiſtellung und Objektivität des Hauptberichterftatters? Wußte er um den Hergang
mit en wenn er um ihn wußte, war er unparteiiich genug Davids Selbitdemütigung
a
zu berichten? Iſt e8 ferner wahrſcheinlich, daß David, falls 12,1 ff. hiſtoriſch find, jenes
Geſpräch mit Nathan fofort audy feiner ganzen Umgebung mitteilte und daß er beim so
Tod des Kindes vor ihr auf es Bezug nahm? Alle diefe Fragen müßten erjt erledigt
werden, ehe man über die Gefchichtlichleit des Geſprächs mit Nathan ein rundes Nein
ausfprechen Tönnte.
Es kommt dazu, daß die oben gegebene Deutung von Nathans Verhalten bei Davids
Lebensende nichts im fich ſchließt, mas fein Auftreten bier unmöglich erfcheinen liche. 35
Man fagt: bier fer er lediglich der Mund der Gottheit, dort ein in die Händel der Welt
verwideltes Glied einer Hofpartei (Nowack, Kommentar 194). Allein man bedente, daß wir doch
bier von ihm und feinem Verhalten nur einen einzelnen Zug erfahren; was der Verfaſſer
fonft über ihn zu fagen mußte, bleibt ung unbefannt. Geſetzt aber, auch 2 Sa 7 ftamme
von demfelben Autor, wäre e8 als cin Widerjpruch zu bezeichnen, wenn ein Prophet, der 40
zweimal feinem König als der „Mund Gottes” entgegengetreten tft, der dann zum Gr:
zteher eines königlichen Prinzen bejtellt wird, Später für die Eicherung der Thronfolge
feines Zöglings eintritt? Zudem darf angenommen werden, daß in 1 Kg 1 ebenfalls ein
Prophetenwort Nathans zu lejen wäre, falls der Berichterftatter von 2 Sa 12, 1 ff. auch
bier zum Worte zugelaflen worden wäre. — Über die dritte Erzählung, 2 Sa 7, mag a
das Urteil aus dem Bisherigen entnommen werden. Sie ftebt 2 Sa 12, 1ff. nahe und
zeigt in der heutigen Geſtalt manche Züge der deuteronomifchen Redaktion.
Ziehen wir das Ergebnis, fo können wir jagen: Nathan ift unter allen Umftänden
eine der einflußreichiten Perjonen an Davids Hofe, der Erzieher Salomos und der Für:
derer jeiner Thrombeiteigung, dem Salomo feine Dienfte durch Berufung feiner Söhne co
in hohe Amter gedankt haben mag (1Kg 4,5). Über jein Thun befigen wir zwei Neihen
von Berichten, von denen die eine rein profane, von propbetifchen Einflüffen freie Zivede
verfolgt, während die andere aus prophetifchen Kreifen, vielleicht in letzter Linie von
Schülern Nathan, ſtammt und demgemäß dem jpezififch prophetiichen Wirken Nathan
größere Aufmerkſamkeit zuwendet. Beide bieten naturgemäß, weil von verſchiedenen Ge: 5
ſichtspunkten ausgehend, eine verichiedenartige Betrachtungsweife dar. Es tft aber damit
nicht gejagt, daß fie ſich inhaltlich ausfchließen. Kittel.
Raturgejete. — Unter Gefeß im allgemeinen wird man zu verjtehen haben die
Regel, nach der etwas mit Notwendigkeit gefchieht, oder nach der etwas gejcheben foll, co
Reals@ncyllopädie filr Theologie und Kirche. 3. Aufl. XIII. 4?
658 Naturgeſetze
gleichviel, ob es wirklich geſchieht oder nicht. Das Sollen betrifft nicht das Geſchehen
in der Natur, ſondern es bezieht ſich auf die Geiſteswelt, und jo wird man zu unter:
jcheiden haben zwiſchen Gefegen der Natur, die wenigftens in der Kegel als unverbrüdlid
angefeben werben, und denen des Denkens, des Wollens, des Fühlens, oder den logifcen,
5 ethifchen, juridifchen, äfthetifchen, die zwar auf ben betreffenden Gebieten befehlen, aber
keineswegs immer bejtimmen, fondern häufig nicht befolgt werden. Es wird nit jelten
falſch gedacht, unfittlich gehandelt, obgleich das logische, das moraliſche Geſetz anders be
fieblt, dagegen ftatuiert man feine Ausnahme vom Gefeg der Schwere. Mit den Natur:
gefegen haben es die bejchreibenden und erflärenden Wiſſenſchaften zu thun, mit den zu:
10 legt erwähnten die fogenannten normativen. Die Naturgejege Tann man auch als die
allgemeinen Formeln betrachten, nach denen das natürliche Gejcheben vor ſich gebt, unter
die man alles Cinzelne unterordnet, als die allgemeinen Säte, welche das Einzelne unter
fih enthalten. Dies Allgemeine wird von dem menjchlichen Geift in dem Einzelnen ge
funden und bat als Allgemeines feine felbititändige Geltung, fteht nicht über den ein⸗
15 zelnen Geſchehniſſen, fondern erijtiert nur in diefen, wie der allgemeine logiſche Begriff
Bein Necht nur in den einzelnen Dingen bat, nicht wie Platon mit feinen Ideen wollte,
eine von den einzelnen Gegenjtänden getrennte Exiſtenz.
Mie weit gewiſſe Naturgefege reichen, etwa das der mechanischen Kaujalität, ob
dieſes auch das ganze organische Leben beberrfche, oder ob bier Teleologijches, das freilich
20 dann auch unter der Form des Naturgefeßes betrachtet iverden müßte, hineingreife, ftebt
noch Teineötvegs feit. Namentlich ift cs fraglich, wie meit die ganzen feelifchen Vorgänge
den fogenannten Naturgefegen untertvorfen find, oder wie weit dieje ihre eigenen Geſetze
haben. Es läßt ſich bierüber nichts Allgemeingiltiges jagen, weil die betreffenden ſich
einander entgegenftebenden Ansichten metitenteils zufammenbängen mit den Weltanfchauungen
25 ihrer Vertreter. Der Naturalift wird Das phyſiſche Gefchehen ganz in das Gebiet der
Naturgefege rüden, während der Dualift e8 diefen entziehen wird. Es berrichen bier Vor:
urteile, nicht Ergebniffe ſtrenger Forſchung. — Wie viel es Naturgefete gebe, d. b. wie viel
formuliert werden fünnen, ift nicht zu beitimmen, da das Gebiet der Erfahrung, der we:
nigftens die meilten entnommen tverden, ein äußerſt mannigfaltiges, ja ſcheinbar endlofes
soil. Es iſt zu weit gegangen, eine gewille Anzahl von Gejegen des Entſtehens und er:
nebeng, wie der Entmwidelung, überhaupt Des Geſchehens feititellen zu tmollen, mie das
neuerdings gefcheben iſt. Auch die Zahl der phyſikaliſchen Ariome genau anzugeben, er:
jcheint jchon gewagt. Scharf fcheidet man neuerdings mehrfach zwiſchen dem Geſchehen
in der Gejchichte und den Naturvorgängen, da man mit den Gejegen und Methoden der
35 Naturwiſſenſchaft nun und nimmer der Gegenſtände der Gejchichte Herr werben könne.
Auch babe es der Hiltorifer mit der eigentlichen Wirklichkeit, d. b. dem Einzelnen zu
tbun, während der Naturforfcher mit feinen Selenen nur in Abſtraktionen denke. Auch
dieſer Streit der Meinungen it noch nicht ausgeglichen, wird aber wohl mit der Aner:
fennung der Tifferenz der beiden Gebiete endigen. — Wie man auf dem Gebiet der Meta:
0 phyſik der Neigung nicht zu widerſtehen vermag, alles auf ein Grundprinzip zurüdzuführen,
wie Die Männer der Naturwiſſenſchaften beftrebt find, die Anzahl der Elemente auf we
nige, womöglich auf eins zu reduzieren, fo bat ſich auch das Bedürfnis gezeigt, die Zahl
der Naturgejege möglichſt zu beſchränken, ja alles Geſchehen von einem Geſetz abhängig
zu machen, aljo ein oberites Geſetz anzunehmen. Es könnte dies nur einen Sinn haben,
46 wenn man eine ganz allgemeine Form hinſtellte, etwa das Geſetz der Kauſalität, dem
ich alles Vorgehen unterordnen muß, das dann auch weit über die Natur binübergriffe,
oder Das der Entmwidelung, Evolution — ein Begriff, der in der neueren Zeit eine be
ſonders große Rolle Spielt, es freilich immer, ſeitdem es eine Philoſophie giebt, getban
bat, da alles Gefcheben im weiteren Sinne Entwidelung iſt. Es würde dies Geſetz,
co ebenſo wie die Kaufalität, nicht nur das natürliche Geſchehen beherrichen, fondern auch
alles Geiftige, ſowohl das individuelle al3 das foziale, wie es auch faktifch von feinem
Hauptvertreter der neueren Zeit auf alle dieſe Gebiete übertragen morden ii. Wan
würde nur mit folchen allgemeinen Formeln oder Prinzipien wenig gewonnen haben, da
eine Erklärung der Vorgänge durch fie nicht gegeben wird: in dem Begriff des Vorgangs,
5 des Geſchehens, liegt ſchon die Enttwidelung, liegt ſchon die Kaufalität. — Es fcheitert
die Ableitung der einzelnen Geſetze aus einem folchen inhaltslofen Prinzip an der Mannig-
faltigfeit der Erfahrung, ebenſo wie es nicht gelingen fonnte, die ganze Untologie auf
einen bloß formalen Sag zurüdzuführen. Auch fogar aus dem Geſetz der Erhaltung der
Energie, das Schon inbaltsvoller zu fein ſcheint, laſſen fich einzelne inhaltliche Naturgeſetze
co nicht ableiten, wenngleich es ich überall realifiert.
Naturgefete Nandäns 659
Was die Gefchichte der Naturgejege betrifft, jo reicht jte, wie ſich denken läßt, tief
in das Altertum zurüd. Schon bei Anarimander, bei Heraflit, kann man in der eiwigen
Bewegung das Schema, die Form der Natur oder das allgemeinfte Gejeß bemerken, etwas
Ähnliches in der Verdichtung und Verdünnung bei Anarimenes. Bei Platon und Ari:
ftotele8 wird von Gefegen der Natur allerdings gefprochen, die Lehre von ihnen aber 5
nicht ausgeführt. Woher diefe Gefege rühren, darüber finden wir wenigſtens ſchon bei
Anaragoras eine Aufllärung: das Chaos, in dem alles zujammen war (duod navra),
wurde von dem Geiſt, der von außen heranlam, geordnet (dıexdounge ndvra). Hiermit
waren die Geſetze von einem höheren Prinzip, das man das göttliche nennen Tann, der
Welt gegeben, die fich nach ihnen entwidelte, ohne daß von .außen wieder eingegriffen 10
gu werden brauchte, eine Art Deismus, wie wir ihn zu Beginn der neueren Ahitofophie
ei Descartes und auch fonft finden. Der Demiurg ſpielt auch in der platonifchen Kos-
mologie, die freilich nicht ſtrenge Wiſſenſchaft fein foll, eine Rolle. Stammten fo bei
dem Deismus, ebenfo bei dem Theismus, die Naturgefege von der Gottheit, fo maren
fie in dem Naturalismus, der die Welt ohne Gottheit zu begreifen fucht, von vornherein 15
in der Welt, werden überhaupt nicht abgeleitet. So iſt bei Demofrit die Beivegung ewig
in der Welt; es ift zwar alles kauſal beftimmt, aber diefe Beftimmung oder diefes Deleh
rührt nicht von einem Urheber außerhalb der Welt her. So hat auch nad) Spinoza die
Natur, die bei ihm freilich gleich der Gottheit ift, die mathematischen Gefete, nach denen
fie begriffen werden muß, in fich, fie giebt jte fich gleichſam felbft. Gegenüber beiden An: 20
fbauungen von Gott als Gefebgeber der Natur und von der Natur als ihrer eigenen
Geſetzgeberin, brachte Kant eine ganz verfchtevene auf und zeigte jid) darin als der wahre
Copernicus. Er lehrte, daß der Menfch, wie fein eigener Geſetzgeber auf praftifchem Ge⸗
biete, jo auch der Geſetzgeber der Natur jei, indem er in feinem Berftande die Begriffe,
Regeln, Geſetze immanent habe, durch deren Anwendung überhaupt eine Tontinuierliche 2
ufammenfaflung der Wahrnehmungen möglich fei, oder Erfahrung und Wiflenjchaft, die
ıh auf Erfahrung gründe, zu ftande fomme. Die Daritellung dieſes apriorischen Beſitzes
ift reine Naturwiſſenſchaft im Gegenfag zur empirischen. zu dieſen aprioriſchen Geſetzen
oder Grundſätzen des reinen Verſtandes gehören bekanntlich als die wichtigſten die, daß
jede Veränderung eine Urſache habe, und daß die Subltang becharte, und die Acci⸗ 30
denzen wechſeln. — Man wird über diefe Annahme, daß der Menich, befier das menfch-
liche Bewußtſein, prior in ſich diefe Säte habe, verjchieden urteilen fünnen, da aud)
das Kauſalgeſetz z. B. möglicheriveife auf Erfahrung beruht, aber ſo viel muß feititehen,
daß die gewöhnlichen Naturgefege, die zur Erklärung einzelner Erjcheinungen dienen follen,
nur auf Grund der Erfahrung fich bilden können, obwohl das Transfcendentale in ihnen 3:
enthalten fein mag.
Mit den Naturgefegen, die hier befprochen worden find und die Natur betreffen, find
nicht zu verwechſeln die Gefeße, die von der Natur, fpeziell von der des Menſchen jelbft
für fein Verhalten, vornehmlich für das fittliche, gegeben fein follen im Gegenſatz zu gött-
lichen Gefegen oder Geboten oder zu folchen, die durch Willtür der Menſchen (Heoicc 40
im Gegenfag zur ars) feitgeftellt find; auf dieſe natürlichen Geſetze gründet ſich dann
die natürliche Sittlichleit und das natürliche Recht, worüber bier aber nicht zu ban-
deln ift. M. Heinze.
Ratürlihe Religion f. d. A. Deismus Bd IV ©. 533,7 ff.
Randäns, Philippus, geit. den 7. März 1729. — Nouveau Dictonnaire Hist. et 5
Crit. de Chaufepie Tom. III.; Firmin Didot freres, Nouvelle Biogr. generale, Tom. 37;
Haag, La France prot.; Bibliotheca Brem. Cl. 2; D. 9. Hering, Hiftor. Nachricht v. d. Ev.
Ref. Kirche in Brandenburg und Preußen; derjelbe, Beiträge II; J. A. Triniug, Freydencker⸗
Leriton; Unjhuldige Nachrichten 1708 und 1713; Al. Schweizer, Geſch. der Gentraldogmen
der ref. Kirche, 2. Br.
Naudäus, eigentlih Naude, Philipp, ift geboren den 28. Dezember 1654 zu Meb
von bürgerlihen Eltern, denen die Mittel fehlten, ihren Sohn auf Schulen ausbilden zu
lafien. Reichbegabt und voll Wiſſensdrang erlernte er für fich die alten klaſſiſchen Sprachen.
n feinem zwölften Lebensjahre fam er an den weimarſchen Hof nad) Markſuhl, um den
rinzen ald Page zu dienen. Hier erwarb er jich viele nügliche Kenntniffe und erlernte 55
die deutiche Sprache. Die Verſuche, denen er bier ſich ausgejegt fand, dag reformierte
Belenntnis mit dem lutheriſchen zu vertaufchen, nötigten ihn, die Unterjcheidungslehren
beider evangelifchen Kirchen auf das gründlichfte zu jtudieren und zu prüfen. Bet dieſer
42°
60
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Bun . SrUNRTG Sebrr 37 tenrunze: und sugleich mit größter Yuit
NN ta, pn Beperkifum m Te onummeerr mit einem eifernen Fleiße
les aa sap Almen om Teunzeot verlangte ihn jein Water
. .. . „u Zen, su Mr 222 Ti Xbematitk᷑ gebörte, fortſetzte
Den. Son ad Az Autmiunr nee Zukes von Nantes floh er
. 2. ogpyariman pain Dir nun Sohn in Die Deutice
.: hud? Bann Th want: or nodbit zwei Jabre verblieb.
tn rt. mim Me Mamoiicen as bei den großen Mur:
- ment nach Berlin Wed ı7 aeren, was er beginnen
. x Demon den notigen Unterhal: s2 zetäuften, traf er den Ma—
>... Ss Vagen am Hofe in jarem Tase unterrichtete. Tiefer
ed. mem ın Der Mathematik zu erzeccen R. hatte mancherlei Re:
nn u .2 unterrichtet hatte, willigte ade: mb ein, als ibm jener
. oe 87 wurde er Lehrer der Maipemast und Arithmetik am
in. ar rin und 1696, nach Dem Tode yarzortelds, deſſen Nachfolger
u Drrsglied der Zoctetät Der Niflenihater. acworden, wurde er 17H
on re 2. an Der Akademie der Wiſſenſchafſten. Wan bat von ihm einige
“wi dtend. „id eine Geometrie in Deuticher Sprache. Non unendlich größerem
F >. sah :veologiſchen Schriften, welche er brrausucachen bat. Dieſelben
N tet Zweck: Die Verteidigung Der jouperanen Gnade Gottes auf der
ron er nerdhtrismtus gegen alle Angriffe univerialtiricher oder jemipelagia:
“ron „able De Der Askeſe dienenden Werke, wie Meditations saintes sur
. niuoe, Berlin 1690, jowie Entretiens solitaires, Berlin 1717 ſind in
none Dabei iſt alles in fließender Sprache und vracis Dargestellt, logiſch
te ans ilgemein derftändlid. Ein befonderes Intereſſe beanipruchen dieſe jeine
el Me Ur Die Gegenwart für die Freunde der reformierten Theologie und
wat saruie, ell ſie Diefe im letzten Wiertel Des 17. und eriten Biertel des 18. Jahr:
yo sr illuſtrieren und zugleich in das Verſtändnis Der reformierten Frädeiti:
en a Abweiſung aller falſchen Konſequenzen und V Verdächtiaungen, mie wenig,
re Per Unmttand aber, daß ein Nichttheologe, der kein Dilenant iſt, jondern em
>, we eaheiicbaftlich Durchgebildeter Mann, Diele Schriften ohne alte Nebenabſichten,
hr zur Sache und zur biblijchen Wabrheit, geſchrieben bat, bat ven jeber bei
abieziſchen Leſer Das Intereſſe an Denfelben noch mehr geiteinert. Auch it nicht
alt, dak N. auch durch Die Thronbeſteigung Friedrich Wilbelms I. (17131,
biedeiien Gegners der Prädeſtinationslebre, nicht im geringſten ſich in ſeiner
yesälbspötteite einſchüchtern ließ, ſondern nach wie vor, mit Mannesmut, unbekümmert
AR Machtigen Gunſt oder Ungunſt, ſeinen dogmatiſchen Beſtrebungen getreu verblieb.
up Reibe ſeiner apologetiſchen Schriften zu Gunſten des Supralapſarismus, den vr
on lei Folgerichtigen Bradeſtinatienismus anſah, eröffnete N. mit ſeiner Morale
Aigzelique, Berlin 1699, 2 Bde, gerichtet gegen Die von der geoffenbarten Religion
wsahte naturliche Moral, welche den Urſprung des Übels in der Welt leugnet. La
wette Perfeetion de Dieu dans ses divers attributs, Amſterdam 170, 2 pe,
pl mt Schärfe dieſes ſupralapſariſche Syſtem gegen alle Widerſacher Dosfelben
patlab agent den Philoſophen Vierre Baple und gegen den franzöſiſchen Prediger
ar Iaguelot zu Berlin, welcher mit den Waffen Des Univerfalisnmus Des ebengenannten
jedes Dev Wahrheit Des Chriſtentums, Die in jenem Dictionnaire historique et
lage dusgeſtreuet werden, widerlegte. Auf Die Gegenſchriften mebrerer Ungenannten
nette W. 1708 in Récueil des Objections, worin er zugleich den Beweis lieferte,
oc Iniralapſarier nur im Ausdrucke von den Zupralapfartern abweichen, nicht abır
bs Zube ſelbſt. Gegen Bavles Commentaire philosophique sur ces paroles
te Jesu Christ! Contrains les d’entrer, 1686 erſchienen, batte N. ſchon int Jabre
one Widerlegung geſchrieben, aber durch verſchiedene buchbändleriche Machinattonen
min dw Teruct dieſer Arbeit immer vereitelt. Grit im Jahre 1718 eridien Diele Re
ul. du A'ommentaire philosophique sur ces paroles etc. zu ®erlin, mern
vd len, daß Div Toleranz für alle, jelbit fur die Heiden, Die im chriſtlichen Staate
Number, zum Indifferentismus fubre, Die Belehrung der Ungläubigen unmoglic
ud nn legt nur Gewiſſensdruck ſtatt Gewiſſensfreibeit fordere; N. bat dabei Die
er bins dm Reiche auerkannten Religionsgenoſſenſchaften im Auge An Examen
to clean truités, Amſterdam 1715, 2 Bde polemiſiert N. gegen den Nopenbaaener
area Var Placette und den bekannten ſchweizeriſchen Theologen Uftenvald, welche dir
,
Nandaus Raumbnrger YFürftentag 661
Theologie ihrer Zeit neue, von der traditionellen Kirchenlehre abweichende Bahnen an-
wiejen. Die in denselben Jahre erfehienene Schrift N.S: Gründliche Unterſuchung der
myſtiſchen Theologie, Zerbft 1713, richtet fich gegen die völlig ungefunde myſtiſche Mich:
tung feines Landsmannes Pierre Boiret. Im Jahre 1716 veröffentlichte N. feine:
Anmerkungen über einige Stellen des oſterwaldiſchen Traftate von den Quellen des Ver: 5
derbeng, und feines Katechismi, nachdem er 1714: Theologifche Gedanken über den Ent-
wurf der Lehre von der Beichaffenheit und Ordnung der göttlichen Ratfchlüffe gegen die
univerſaliſtiſch gerichtete theologiſche Fakultät zu Frankfurt a / O., vornehmlich gegen die
Theologen Samuel Strimefiug, Holzfuß und Jablonsky herausgegeben hatte. Treu und
unentiwegt in feiner Überzeugung wurde N. von feinen geitgenoften, jelbft von den 10
Gegnern, bei feinem gottesfürchtigen Wandel hochgeadhtet. Won feinen hinterlafjenen Ar—
beiten, unter denen ſich auch eine über “ebuige Theodicee befindet, wurde 1736 zu Leiden
gedrudt: Trait& de la justification, eine MWiderlegungsjchrift der unklaren Gedanken
des unioniftifch gefinnten, ſchon im J. 1675 verftorbenen Sedaner Profeſſors Louis Te
Blanc über die Vereinigung der verfchiedenen chriftlichen Kirchengemeinfchaften. 1
Sein Sohn, anfangs zur Theologie neigend, aus angeborner Schüchternheit aber
vor der Ranzel zurüdfcheuend, wurde fein Gehilfe am Soachimsthalfhen Gymnaſium
und nachher roteffor der Mathematik zu Frankfurt ad. Er ftarb am 17. genuar
1745. un,
{6
Naumburg, Bistum. — C. B. Lepſius, Gefchichte der Bifchöfe des Hochftifts Naum: 20
burg, 1 Tl. Naumburg 1846.
Die Entftehung des Bistuns Naumburg vollzog ſich in derfelben Zeit und in der:
jelben Weife mie die der Bistiimer Meißen und Merieburg, ſ. Bd XII ©. 512 u. 648.
Sein urfprünglider Sig war Zeig. Es umfaßte die wendiſchen Gaue am rechten Ufer
der oberen Saale: Weitaba, Tuchurin, Strupenize, Wuonzowa, Pliſni und Tobna. Die as
Belehrung der Bevölferung zum Chriſtentum vollzog fich ſehr langfam; fie war im An-
fang des 12. Jahrhunderts noch nicht vollendet; erſt im Gefolge der deutjchen Einwan—⸗
derung verſchwand das Heidentum. Mit den geringen Erfolgen der Miffion hängt die
Verlegung des Biſchofsſitzes von Zeig nad) dem an der Grenze des deutjchen Spradı-
gebiet3 gelegenen Naumburg zufammen. Sie ift das Werk König Konrads II., der die so
Söhne des Markgrafen Ekkehard beitimmte, die ihnen gehörige „neue Burg“ oberhalb
der Saale dem Bistum für ewige Zeiten zu überlaflen. Nachdem dies gejchehen, wurde
die Verlegung unter Beirat der Fürften beichlofien. Papſt Johann XIX. genehmigte jte
im Sahr 1028, Jaffé -1087.
Bifhofslifte: Hug I. 968—979. Friedrid erwähnt 981. Hug II. zulett er: 35
mwähnt 1002. Hildiward geft. 1030. Cadalus gejt. 1045. Eppo geit. 1079. Gunther
1079— 1090. Friedrich. Walram 1090 oder 9I—1111. Dietrih I. ermordet 1123.
Richwin 1123—1125. Uto I. 1125—1148. Wichmann 1149—1154. Berthold I.
1154 oder 55--1161. Uto II. 1161—1186. Berthold II. 1186—1206. ngel:
hard 1206— 1242. Dietrih II. 1242—1272. Meinherr 1272 oder 73—1280. Ludolf so
1280—1285. Bather 1285. Brun 1285-1304. Udalrich I. 1304--1316. Heinrich
v. Grünenberg 1317-1334. Wittigo I. v. Ofterau 1335—1348. Nikolaus v. Yurem:
burg 1349—1350. Johann I. v. Miltiz 1351. Johann II. v. Neumarkt 1352— 1353.
Gerhard v. Schwarzburg 1359 —1372. Wittigo II. v. Wolframsdorf 1372—-1382.
Chriftian v. Mizleben 1382 —1394. Ulrih II. v. Rodenfeld 1395—1409. Gerhard 4;
v. God 1409--1422. Johann II. v. Schleinig 1422-—-1434. Peter Schinner 1.134
bis 1463. Georg v. Haugwitz 1463. Dietrich III. v. Burgsdorf 1464— 1466. Heinrich
v. Stammern 1466--1480. Dietrih IV. v. Schönberg 1181— 1492. Johann v. Schön:
berg 1492—1517. Philipp, Pfalzgraf 1517—1541. Julius Pflug ſ. d. A. Hand.
Raumburger Fürftentag 1561. — Drei Monographien: &. P. Hönn, Historia des ww
von denen Evangeliſchen Ständen Anno 1561 zu Naumburg gehaltenen Convents, Frankf. u.
Zeipz. 1704; Gelbte, Der Naumb. Fürjtentag, Leipz. 1793; Robert Calinid), Der N. F. 1561,
Gotha 1870. — Urkundliches in Neudeder, Neue Beiträge II (Leipz. 1841) 1fj. — Salig,
Hijtorie der Augsb. Konf. III; Planck, Geſch. des prot. Lehrbegriffs III; H. Heppe, Geld. d.
deutfchen Proteſtantismus 1555 — 81, I (Marb. 1852) 364 ff.; Beilagen 114ff. 126 ff.; M.Ritter, 55
Deutſche Geſch. im Zeitalter der Gegenref. I (Stuttg. 1889) 1537. 209ff.; 3. Janſſen, Geſch.
d. deutihen Boltes IV (Freib. 1885) 130. Ferner zu vgl. Bel, Roh. Friedr. d. Mittt. I
356 ff.; Ehr. Frd. v. Stälin, Württemberg. Geſch. IV (Stuttgart 1870) 585ff.; W. Kludhohn,
Briefe Friedr. des Frommen I (Braunſchw. 1868) 154 ff; derf., Friedr. d. Fr., Nördlingen
662 Naumburger Tyürftentag
1879, 79ff.; B. Kugler, Chriitoph, Herzog zu Württemb. IT (Etuttg. 1872) 183 ff.; Preger,
Flacius II 83ff.; Sillet, Erato von Crafftheim I 300ff. II 484; O. Zödler, Die Augsb. Kon!.
Frankf. 1870, 48ff. Die päpjtliche Botichaft: Ed. Reimann in Forſchungen 3. deutfchen Geld.
VII 235f. — Bagenmann in RE? X 437 ff.
5 Die alte Biſchofsſtadt Naumburg a. d. S. war im 15. und 16. Sahrbundert wieder:
holt die Malftatt deuticher Fürftenverfammlungen und Konvente zur Beiprechung poli:
tifcher oder Eirchlicher Angelegenheiten gewejen. Bon großer Bedeutung für Die Gefchichte
des deutichen Protejtantismus wurde der vom 20. Sanuar bis 8. Februar 1561 bier ge-
haltene Sürjtentag, der den doppelten Zweck verfolgte: Cinigung ber proteftantijchen
10 Stände durch Unterfchrift der Conf. Aug. und Beratung gemeinfamer Maßregeln gegen
das wieder einberufene Konzil von Trient.
A. Die Borverhbandlungen Auf den Wormjer Kolloquium (Sept. 1557)
war der Diffenfus der PBroteftanten durch die Abreife und den Proteſt der emeftinifchen
(flacianifchen) Theologen offen zu Tage getreten. Die Verſuche, den Zwieſpalt zu bejei-
15 tigen, waren bisher gefcheitert. Der auf dem Fürftentage zu Frankfurt im März 1558
abgeichloffene Frankfurter Rezeß (vgl. BD VI ©. 169 ff.) war von Johann Friedrich dem
Mittleren und feinen Theologen durch das Konfutationsbud) (28.Nov. 1558) beantwortet
ivorden, und aud) andere Stände hatten ftatt des Beitritt3 Cenſuren des Rezeſſes über:
ſandt (vgl. Preger, Flacius II 74). Verſchiedene Vorfchläge, um die durch die Lehr:
0 ftreitigfeiten zerflüfteten, beſonders durch den Gegenfag und die rüdjichtslofe Kampfesweiſe
der Flacianer gegen die Philtppiften untereinander mit Mißtrauen erfüllten Protejtanten
zu einen, refp. der eigenen Richtung den Sieg zu verfchaffen, tauchten nebeneinander auf.
Bon verfchiedenen Seiten, befonders aud) von feiten der Flacianer, forderte man eine Ge
neralſynode, die den führenden Theologen das entfcheidende Wort laſſen und dem ftrengen,
25 antimelandhthonifchen Luthertum den Sieg fichern follte (Preger II 86ff.; denne I, Beil
114). Aber ebenfo Brenz (18. Mai 1559; Cattler, Geh. d. Herzogt. Württemberg
IV. Beil. 157 ff.) wie Melanchthon (18. Dez. 1559, CR IX 987 ff.) Iprachen ihre Be:
denken dagegen aus. Kurfürft Auguft_ hätte am liebſten troß bes
Erneftiners und der Niederfachfen wenigſtens die Majorität der Stände durch den Beitritt
zum Frankfurter Rezeß feit zuſammenſchließen und die mwiderftrebenden Elemente ifolieren
wollen. Inzwiſchen aber hatte Herzog Chriftoph von Württemberg während des Auge:
burger Neichstages (März 1559) als den gangbaren Weg einen neuen Konvent der evan:
gelitchen Fürften in Anregung gebracht, und auch bereits hie und da Zujtimmung gefunden;
aber Kurfürjt Auguft lehnte 9. März 1560 das Projekt entſchieden ab. Als aber Chriftoph
35 im Juni mit Kurfürft Friedrich III. von der Pfalz und deſſen Schwiegerfohn Johann
Friedrich dem Mittl. in Hilsbady bei Sinsheim zufammentraf, gelang es auch den fonft
jo ſchwer zugänglichen Erneftiner für dies Projekt zu getvinnen. Freilich verfolgten
Jitdrich III. und ſein Schwiegerſohn dabei ganz verſchiedene Abſichten. Erſterer, in deſſen
ande ſeit der Vertreibung des Heßhuſen (Bd VIII ©. 9) der Calvinismus Boden ge:
40 wonnen hatte, betrieb den Plan, der calvinifchen Abendmahlslehre, als einer durch die
Conf. Aug. von 1540 nicht ausgejchloffenen, Raum zu fehaffen; Johann Friedrich da:
gegen hoffte durch einen neuen Konvent den ihm verbaften Frankfurter Rezeß aus der
Welt zu Schaffen, und wohl aud, feinen ſchwankend gewordenen Schwiegervater durd)
eine neue Unterfchrift der Conf. Aug. von 1530 bein Luthertum feitzuhalten. Da er
35 jeßt mit feinen Sylacianern in Konflikt gekommen war (Bd VI ©. 87), war ihm eine
Berftändigung der Fürften untereinander gerade genehm; Theologen, meinte er, feien
dabei nicht nötig. Er übernahm es fogar, Kurfürjt Auguft perfünlih für das Projelt
zu gewinnen. So wurden denn zunächſt durch Chriftoph auch Landgraf Philipp und
der Pfalzgraf Wolfgang von Sweibrüden für das Projekt eines Fürjtentages zum Zwed
einer erneuten Unterjchrift der Conf. Aug. mit gebührlicher Präfation und Beſchluß
willig gemacht; im Auguft aber verhandelte Johann Friedrich in Schwarzenberg mit
Kurfürft Auguft und fchlug ihm die erneute Unterfchrift der Conf. Aug. vor, „wie fie
dem Kaifer durch Dr. Brüd übergeben worden“. Das werde ein Weg zur Einigkeit
fein, befonders wenn dann feiner in feinem Lande litte, was der Conf. Aug. zumiber
5 wäre. Und Kurfürſt Auguft willigte ein: ihm fer auch von feiner andern Kontef ton be
wußt, denn von der, fo dem Kaiſer 1530 übergeben jet; dieſe fer der Viſitation in Kur
fachfen zu Grunde gelegt und von ihm neulich erneuert worden. Er fei zur Julammen-
funft mit den ihm bereits als willig bezeichneten Fürſten bereit, audy Brandenburg tolle
er dazu einladen. Mit den andern fünne man ji) hernach verftändigen. Nach meiteren
so Rorrefpondenzen — Landgraf Philipp ſchlug vor, gleich alle Fürſten der A. E. einzu:
Naumburger yürftentag 663
laden; man einigte fi), zunächſt die niederen Stände nicht mit einzuladen, -— auch über
Drt und Termin, und namentlich über Augufts Forderung, daß nichts anderes dort ver:
handelt werden dürfe und „ſonderlich die Kondemnationen, darin ein Teil dem anderen
eingerifjfene Korrupteln und Sekten auflegen wolle, verbleiben follten“ — wurde auf den
20. Sanuar 1561 eingeladen: Württemberg und Pfalz luden die oberländiichen, Auguft 5
und Johann Friedrich die norddeutschen Fürften ein. Das von Augult enttworfene Aus-
ichreiben [ud zur Unterfchrift der Conf. Aug. von 1530 ein, um damit zugleich auf
einem fünftigen Konzilium ein gewiſſes, einhelliges, jtandhaftes Bekenntnis vorzulegen —
am 29. November 1560 murde das Konzil durch Papſt Pius IV. auf den 6. April 1561
nach Trient wieder ausgeichrieben —; alle Kondennationen follten unterbleiben, auch von
feinen weltlichen und PBrivathändeln geratichlagt werden (Calinich S. 104 ff.).
B. Die Naumburger Berhandlungen über die Conf. Aug. Eine ftatt-
liche Zahl von Fürften erfchien, andere ließen ſich durch ihre Räte vertreten, einzelne er:
Härten fchriftlich ihre Bereitwilligfeit, hinterher ihre Unterjchrift zu geben (f. die Verzeich-
nifje bet Salig III 666ff.; Galinid ©. 133ff.). Unter den erfchienenen Fürſten find vor
allem die Kurfürſten Friedrich III. und Auguft, Landgraf Philipp, die Herzöge Ehriftoph, Johann
riedrih und Ulrich von Medlenburg, Ernit und Philipp von Braunſchweig-Gruben⸗
gen, Pfalzgraf Wolfgang und Markgraf Karl von Baden zu nennen; unter den durch
Gefandte vertretenen die Brandenburger Joachim IL, Hans v. Küftrin und Georg
Friedrich, ferner Medlenburg, Lauenburg, Holftein, Anhalt. Noch nie hatte Naumburg 20
eine fo glänzende Verſammlung gefehen, die e8 dann auch an allerlei Feierlichkeiten und
Zuitbarkeiten, an Spiel und Trunf nicht fehlen ließ. Aber man war auch fleißig bei
der Arbeit und hielt bis zum 8. Februar 21 Saunen ab. Bei Erledigung der For:
malien in der eriten Sigung kam es zu einer Differenz zwiſchen Yuguft und Johann
Friedrich, indem jener rügte, daß diefer in den von ihm verfandten Einladungen die aus- 25
drüdlich vereinbarte Bedingung, Fernhaltung aller Kondemnationen und aller Brofanfachen,
ausgelaflen habe. Diefe Differenz wurde zwar noch gütlich beigelegt, es war aber ein
böſes Omen. Herzog Chriftoph hatte einen Memorialzettel mitgebracht, der zahlreiche
Gegenitände benannte, die füglid gemeinfam beraten werden Tünnten: 3. B. eine ein:
hellige norma doctrinae, einheitliche Eheordnung, Beitrafung der Lafter, VBergleichung 30
der Ceremonien, Konkordie mit den außerdeutfchen evangelifchen Kirchen, eine deutſche,
vom Kaifer zu berufende Nationalfunode, ein Defenfivbündnis, Verftändigung über das
Konzil mit Dänemark, Schweden, England und Schottland — Defiderien, die feinem
Weitblick alle Ehre machen (Calinidd ©. 136f.). Aber wie es fcheint, find angeſichts der
felten Forderung Augufts, die im Ausfchreiben gezogenen engen Grenzen innezuhalten, 36
alle diefe Wünfche dort unausgeſprochen geblieben. ;sriedrich III. tvurde am 22. Januar
beauftragt, der erſten Plenarfigung des nächſten Tages die Propofittion der Beratungs:
gegenitände gemäß dem Ausjchreiben zu ftellen. Er proponierte demgemäß 1. Vergleichung
aller Editionen der Conf. Aug., um zu entjcheiden, welches Eremplar unterjchrieben werden
ſolle; 2. eine Präfation, in der man fich über die Veranlaſſung diefer Handlung deutlich 40
erkläre; 3. Aufklärung des Kaifers über den Zweck diefes Tages; 4. Beratung darüber,
ob und wie die nicht eingeladenen Grafen, Herren und Städte ebenfalls zur Unterfchrift
zu bewegen feien. Hier trat nun fofort die Differenz hervor, daß Friedrich felbit und
auch Auguſt (trog des MWortlauts feines Ausjchreibene) die Conf. Aug. von 1540, die
andern die von 1530 unterjchrieben mwiljen twollten, Johann Friedrich aber im Verein 45
mit Pfalzgraf Wolfgang und Ulrih von Medlenburg auch die Unterjchrift der Schmalk.
Artikel forderte. Letzteres wurde zwar, als im Ausfchreiben gar nicht vorgejcehen, von
den übrigen abgelehnt; aber die brennende Frage wurde die nad) den beiden Ausgaben
der Conf. Aug. Schon in den dem Naumburger Tage vorangegangenen Korrefpondenzen
der Fürſten war die Frage nad) dem zu unterfchreibenden Gremplar aufgetaucht. Anfangs so
hatte Auguſt die Unterfchrift einer glaubwürdigen Handjchrift gewünſcht und den Land—
grafen um Beichaffung einer ſolchen aus feinem Archive erfucht. Diefer hatte aber vergeblich
nach einer foldyen fuchen lafjen und nun Melanchthons Ausgabe Iegter Hand vorgeichlagen
(Galinid ©. 116 ff.). Andererfeits hatte Friedrich III. die Unterfchrift der lateinischen
Konfeſſion von 1530 begehrt, da der deutjche Text die anftößigen, die Transfubitantiation 55
ulaflenden Worte „unter Geitalt des Brote und Weines” entbalte. „Damit war die
Rlippe bloßgelegt, an welcher der Fürſtentag fcheitern mußte” (Calinich S. 114). Friedrich
verrät feine weiteren Gedanken, die ihn bei feinem Vorſchlag leiten, wenn er binzufügt:
außerdem fei ja auch der latein. Text des 10. Artikels hernach „wolbedechtlich emendiert“
und dieſes emendierte Eremplar 1541 in Worms „als ihre wahre chrijtliche Konfefjion co
fa
0
jet
[=4
„rn ‚jet bir
| und
ulen verbreitet; batte doch Corpus cine Plipieun (8 VS, 294, 8)
als lateini en Tert der Oont. A ug. den von 1912 u enommen, en
ı0 an die mübjame Arbeit einer Rollatio ionierung ber 2
waren Druderemplare bon 1531 und 1542, de gegen einander vorgelejen wurden, abe
eſitz
ti wei doll vertvenbet dieſes G — von den
n. 6) olle Tage e man auf ieſ eichäft on —
nur Friedrich III. und aus, die übrigen überließen die A
15 und etlichen — nur ungern ern — berz erzugezogenen Theologen. Friedrich ae ſich, immer
wieder dabei für die Variata Stimmung en: die Zufäge, auf die man im ihr
ftieß, jeien doch „ſehr gute or: chriſtliche — der erften Ko n“, Am Schluf;
ber Tert der ©. A. durd) Melanchthons bejtändig erndes Verfahren erlitten
20 überrafchend zu Tage trat, ergaben ſich folgende 5 ne Fragen: 1.
gabe 1531 oder 1540 oder 1542 unterfchreiben folle; 2. ob der Tert in Art. 10
der Invariata die Transfubitantiation zu betätigen | eine; 3. ob in Art. 22 ber
dort gegen die Prozeffion mit der Hoftie vorgebrachte rund „quia d
non convenit eum institutione Christi” Bedenken e, da damit eine Peogeifion
25 mit beiden Geftalten ftattbaft KEG, 4. De — Bedenken zu heben fe j
in Art. 21 den Satz, Kal Me d nos" unmöglich unterjcreiber
fünne, da er im ber Malz die M fe und le om iſtiſchen Gerimonien abgeſchafft
5. ob in der Präfation r# ee ke —— lieber der im ſächſiſchen Corpus
doetr. aufgenommenen C. A. Erwähnun chehen folle, und ob —* die
30 Artikel vom Abendmahl, —5 — und Meſſe in der —— von neuem u er—
klären ſeien (Calinich S. 146). Inzwiſchen hatten anweſende und nicht a
logen ſtreng lutheriſcher Obſervanz verfehlt, durch allerlei —— 8 —*
einzuwirken. Der Roſtocker ——— e David Chyträus, den Herz mitgebracht
ıtte, forderte in feinem Beden alig III 669 ff.; Calinich en Kondemnationen,
and in dem et improbant secus ee ben usichluf aud aller Ubiquitätsleugne
"a aud der Melanchtbonianer, rügte auch ſonſt an der Variata Melandtbonianijd
(darunter aud das, daß die Heilswirlung des Sakraments feine andere ſei als bie des
gepredigten ortes). Seine Forderung en daher: Unterſchrift ber Invariata
mit der der gr Artikel; die Rräfation müſſe ausprüdlich und namentlid) Irr⸗
0 tümer und © befonders die Sakramentierer, verdammen. Die
jendeten ihre bereits 1559 gedruckte Bitte um eine theologifche Gene ein, be:
gleitet von einem Ermahnungsjcreiben (23. Jan.), in dem fie vor
warnten und die Fürften zum Kampf gegen die Irrlehre aufriefen. Man jendete ihne
ihre Schriften am Schluß des Konvents ah zurück (Breger IT 96f). Auf ben *
45 ſendeten fie durch Matth. Juder ein höchſt charakteriſtiſches, von Standpunkt
durchaus konſequentes Schreiben, in dem ſie vor der Unterſchrift - Cont. Aug
baupt iwarnten, falls fie gemeinfam eum non recte sentientibus aut suspocie
folgen 2. a. ebe die Unterfchrift ohne Einſchluß der viel deutlicheren
der Schmalf. el, fo würden letztere dadurch bei jeite — die ot. Aug
50 würde zu —9— weiten Mantel, unter den ſich allerlei Irrlehren verſteckten. Dies
habe es mit den Papiſten und den Sekten von 1530 zu tbun; nune — Bern
Ecelesiae nova remedia flagitant. All die neuen { Arrlebrer nennen ſich
U. C.; was nütht alfo die Unterichrift dieſes Belenntniffes? Sie bedeutet ja nur
ſtie für dieſe Irrlehren! (Calinich 152 ff.) Juder fand Anſchluß an Chyträus, und
55 wirkte in einem neuen Bedenken nun auch in dem Sinne, daß es um i,
Bekenntnis mit ſolchen gemeinſam zu unterſchreiben, die Furtumer hegen oder verteidigen
(Bol. auch ben Brief eines Naumb. Geiſtlichen aus jenen Tagen bei Hummel, Episte
larum Semicenturia, alle 1778 p. 19.) Am Rat der Fürften Gun aber nun dt D
vich III. kräftig für die Unterjchrift der Conf. Aug. von 1540; | —8
00 durch fein eignes Ausſchreiben, das die Ausgabe von 1530 genannt un gendtigt
4 ii A|
Naumburger Tyürftentag 665
gleihen Wunſch fallen zu laflen, forderte nun aber, in der Präfation die Ausgabe von
1540 als eine Erklärung der von 1530 zu erwähnen. Johann Friedrich wollte zus
nächſt die Unterzeichnung der lat. und deutichen Handſchrift Spalating haben; da aber
die andern diefer Feine öffentliche Autorität beilegen wollten, jo mar er zufrieden, wenn
das Eremplar von 1531 „der andern Edition”, d. b. der Oktavausgabe (vgl. CR XXVI 5
337) jamt der Apol. und den Schmalf. Artikeln unterfchrieben würde; auch fünne nıan
in der Bräfation der „lofupletierten Konfeſſion“ gedenken. Für diefe Ausgabe von 1531
ftimmten aud Pfalz: 3weibrüden, Medlenburg, Württemberg, Helfen, mit einzelnen Sonder-
wünſchen, andere für die von 1530. Echlieglich einigte man fih auf die Ausgabe von
1531, auch Friedrih gab nach, unter der Bedingung, daß in der Vorrede über Art. 10 10
und die Meile ihn beruhigende Erklärungen abgegeben würden. Betreffs der übrigen
Borichläge kam der Kompromiß zu ftande, daß in der Präfation weder die Schmall.
Artikel noch der Frankfurter Rezeß (den Friedrich III. erwähnt wiſſen wollte), noch die
Repetitio C. A. genannt werden follten, wohl aber die Apol. und die Ausgabe von
1540. Der Entwurf diefer Präfation wurde den beiden Kurfürften Auguft und Friedrich 15
übertragen.
Meber hat (Kritifche Gefch. der Augfpurg. Conf. II [Frankf. 1784] 336 ff.) aus dem
Berliner Archiv-Eremplar der Naumburger Alten den Nachweis erbracht, daß zwar für
den deutſchen Tert der Conf. Aug. der Tert der Melanchthonſchen Duart-Ausgabe
Wittenb. 1530'31, dagegen für den lateinifchen der der Oktav-Ausgabe 1531 verwendet zu
worden iſt. Preger bemerkt noch dazu (Flacius IT 97): „Was die Fürften dazu be-
wogen, iſt bis jetzt nicht erwieſen“. — meinte (S. 165ff.), in einem von Kluck⸗
hohn (Mie ift Friedrich III. Calvinift geworden? S. 55f. und Beil. [aub in Mündn.
hilt. Jahrb. 1866, 471. 475 ff.]; Briche Friedrihs des Frommen I 426ff.) publizierten
Briefe Friedrihg von 156% die Yöfung des Nätjels gefunden zu baben. Hier behauptet:
der Pfalzgraf, der erſte Trud der Conf. Aug. enthalte ja die Worte „sub specie panis
et vini“; Calinich jchreibt ihm das nach: weil die Duart-Ausgabe papiftifch gelehrt babe
und dieſe anftößige Stelle in der Oftav-Ausgabe getilgt worden fei, darum fei letterer
der Vorzug gegeben worden. Aber Friedrichs Erinnerung hat ſich bier gröblich getrrt.
Diefe Worte haben nie im lateinifchen Text, in feiner Ausgabe, geitanden; nur der deutiche 30
Tert bietet — und zwar ebenfo 1530 wie 1540 — das „unter Geftalt des Brotes und
Meine”. Dagegen ift das andere, was Friedrichs Brief anführt, richtig und führt auf
die richtige Spur. Es ſtehe in der Quart-Ausgabe in der „derjelbigen angehefteten Apo-
logie: mutato pane etc." Tas doppelte anftößige Citat aus der griechifchen Liturgie
und aus Vulgarius (Theophylact): „mutato pane etc.“ und „panem vere in car- 55
nem mutari“ ift in der Oktav-Ausgabe getilgt (vgl. CR XXVII 534). Weil nun in
jenen Ausgg. von 1531 Conf. Aug. und Apologie in einem Drud vereinigt waren,
leßtere auch felbftverjtändlich alg Kommentar der erjteren galt, außerdem die Präfation
ausdrüdlich die Apol. in das erneuerte Bekenntnis der Fürften mit einfchließen follte, fo
gelang g& Friedrich III. zu erreichen, daß man ibm durch Mahl der Oktav-Ausgabe für 40
den lateın. Tert — der deutfche ift in diefer Ausgabe nicht vorbanden — einen ſchweren
Anftoß aus dem Wege räumte. Tie von beiden Kurfürften vereinbarte Präfation (ge:
nauer Abdrud bei Weber a. a. O. II Anhang F vif.) richtet ſich an den Kaiſer und
erflärt diefem: fie hätten neuerdings auf Reichstagen und fonft den Vorwurf hören müffen,
als feien fie ihrer Yehre, mie die in der 1530 übergebenen Conf. Aug. verfaßt, nicht 15
einig, jondern zmwieträchtig und z. T. davon abgetvichen. Aber fie duldeten und verteis
digten feine andere Lehre als die in hl. Schrift gegründete und diefer Konfeſſion einver:
leibte. Um foldye Auflage ale beichwerliche Berleumdung zu erweiſen, bezeugten fie nach
nochmaliger vertraulicher Unterredung, daß fte alles, was der hl. göttlichen Wahrheit
gemäß in den propbetifchen und apoftoliichen Schriften, auch den bewährten Hauptſym- zo
olis verfaßt und begriffen, einmütig befennten. Nachdem aber Gott das Yicht des Evan:
gelii deutfcher Nation wieder lauter und vein babe erjcheinen laffen und ihre Worfahren,
auch zum Teil fie ſelbſt nämlich Yandgraf Philipp und Fürft Wolfgang von Anbalt]
auf dem Reichstag zu Augsburg ihr chriftliches Bekenntnis deutſch und lateiniſch über:
geben, fo hätten fe nicht unterlaffen, dieſelbe Konfeffion, wie jie zu Wittenberg 15931 55
deutfch und lateinisch gedrudt, abermals vor die Sand zu nebmen. „Denn wiewohl ber:
nahmals A. 1510 und 12 obgemeldte Konfeſſion etwas ftattliber und ausführlicher
wiederholt, auch aus Grund bl. Schrift erklärt und gemebrt, . . . aucb auf dem Golloquio
zu Worms von den Ständen, folcher Konfellion verwandt, den verordneten Taiferlichen
Präfidenten und Nollofutoren übergeben ... worden, jo baben wir doch diesmal die 6
IS
[ei
666 Raumbnrger Yürftentag
obberührte publicierte A. C.... derhalben an die Hand nehmen mwollen, damit... Daraus
... zu jpüren, daß unfere Meinung nicht fei, einige andere oder neue ungegründete Lehre
zu verteidigen.” „Es ift aber unfer Gemüt und Meinung gar nicht, daß wir Durdh diefe
Subfkription von obberübrter 1540 übergebenen und erklärten Konfeffion mit dem menig-
5 Iten wollten abweichen” ; fie jet deſto ausführlicher geftellt, damit die göttliche Wahrheit
deito mehr an den Tag käme; fie wichen von ihr fo wenig als von der eriteren ab, wie
fie denn auch „den mehrern Teil bei unfern Kirchen und Schulen in Gebrauch”. Ebenſo
repetierten fie ausdrüdlich die Apologie. Auch andere auf Neichstagen und Kolloquien
von ihnen übergebene Schriften und repetierte Konfeffionen follten biermit nicht ver-
10 worfen, jondern in dem Verſtand der Schrift, ſowie der Conf. Aug. und Apologie vor:
behalten fein. „Und wenn der Gegenteil etliche Artikel oder Wörter in der Conf. Aug.
und in der Apologie — junderli von den Saframenten, der Mefle und römischen Kirche
— zu ihrem Vorteil deuten tvollten, als wären wir mit, ihren abgöttifchen Lehren und
Geremonien (in denen fich nachgebends allerhand chriftliche Anderung zugetragen), ſonderlich
15 mit dem Greuel der Transfubitantiation einig“, jo weiſen fie dag zurüd, befennen ſich
aber zugleih zur wahren, weſentlichen Gegenwart des Leibe und Blutes Chriſti im
Abendmahl: und wie nichts Sakrament fein kann außerhalb dem Brauch der Niekung,
fo werden die verworfen, die da lehren, daß Chriftus nicht wejentlih in der Nießung
jet. (Dieje Erllärung übers Abendmahl wurde noch vor der Unterfehrift hinzugefügt.)
20 Sp übergeben fie die von ihnen von neuem fubftribierte und befiegelte A. C. mit der
Bitte, der Kaiſer wolle fie wegen der Auflage, als follten fie zwiejpältig fein, entfchuldigt
haben, fie bei dem Paſſauer Vertrag und Keligionsfrieden handhaben, auch nicht geftatten,
daß unter dem Schein eines angemaßten Koncilit oder in andere Wege etwas Becher:
liches gegen fie vorgenommen werde. (Vgl. auch Hönn S. 99ff.; Gelbfe 181 ff. 232 F.;
35 Salinih 167 ff. 171 ff.)
Als es zur Unterzeihnung diefer Präfation kommen follte, da erbaten Johann Fried⸗
rich und der Medlenburger Ulrich ſich Bedenkzeit. Und dann erklärten beide gemeinfam,
von ihren Theologen beraten, fie müßten ihre Unterfchrift vertveigern, weil Die fchäblichen
Irrtümer, befonders die der Saframentierer, nicht namentlich aufgeführt und vertorfen,
30 über die ftreitigen Artikel Feine deutliche Erklärung gegeben und gegen die Wahrheit der
beftehende Zwieſpalt geleugnet worden ſei. Alle Bemühungen der anderen Fürſten, den
Riß zu verbüten, blieben vergeblich; die fchriftliche Erklärung, die Johann Friedrich am
2. Februar abgab (Calinih 179 ff.) wiederbolte nur feine Weigerung. Sein Schwieger⸗
vater Friedrich kam darüber mit ihm bart aneinander; der Verſuch dieſes, den Schwieger:
35 vater durch Kanzler Brüd über feine eigene Stellung zur Abendmahlslehre inquirieren zu
laſſen, verdarb es völlig. Am folgenden Morgen verließ Johann Friedrich ohne Abfchied
heimlich Naumburg, ohne die dringende Gegenvorftellung der Fürſten zu beachten, die
ihm vorbielten, welche politischen Folgen der Ausſchluß Friedrichs III. von ihrer Zub:
ftription haben würde, und die ihm, wenn nur jeßt einträchtige Unterfchrift erzielt ſei,
wo eine nachfolgende Vergleihung in der Abendmablsfrage durch gutberzige heologen und
politische Räte in Ausficht Stellten. Dieſe Abreife erregte unter den Fürften allgemeines
Befremden, Friedrich aber legte nun in voller Zigung fein (melanchthoniſches) Bekenntnis
von Abendmahl ab. Unter dem Eindruck diefer Erklärung erfolgte die Unterfchrift:
eigenhändig durch die beiden KAurfürften, den Landgrafen, Herzog Chriftoph und Markgraf
45 Karl; durch die Näte für die 3 Brandenburger, Zweibrücken, Bommern, Anbalt und
Henneberg. Herzog Ulrih unterzeichnete nicht ; die Räte der übrigen abweſenden Fürften
unterfchrieben nicht, z. T. weil fie ſchon abgereift waren. Man beichloß, zu erneuter
Unterbandlung eine Gejandtichaft nad Weimar zu Johann Friedrich zu fenden. Die Je
nenfer Theologen aber jubelten und gaben dem nach Braunſchweig ziehenden Chyträus
co ihren Segenswunjch zu kluger Wirkſamkeit auf dem gegen Hardenberg berufenen Kreistag
der Niederfachfen mit (vol. Bd VII 415). Am 6. Februar ging die au 5 Näten be
itebende Geſandtſchaft nah Weimar ab. Die Fürſten fprachen oh. Friedrich ihr Be:
dauern über feine Abreife aus, teilten ibm die erfolgte Unterjchrift mit, bielten ihm
beiveglich das Argernis und das Frohlocken der Gegner ſowie die politifchen Folgen feines
55 Echrittes vor, baten ibn, wenigstens das Schmäben feiner Theologen auf ihre Handlung
zu verhindern; anderenfalls würden ſie fich öffentlich rechtfertigen müffen. Am 11. Februar
gab ihnen Joh. Friedrich feine Schriftliche, endgiltige Erklärung ab. Cr motivierte noch—
mals, warum er nicht unterjchreiben könne, und übergab zugleich einen umgearbeiteten
Entwurf der Präfation, damit fie doch wüßten, wie ein reines Bekenntnis beichaffen fern
go müſſe. Mit der Unterfchrift dieſer Bräfation müſſe dann aber auch die Erefution in
Naumburger Yürftentag 667
ihren Gebieten wider alle Korruptelen und falfchen Lchren Hand in Hand gehen. Sein
Entwurf fügte das Bekenntnis zu den Schmalf. Artikeln als der richtigen Erklärung ber
Conf. Aug. hinzu, erklärte von der Ausgabe von 1540, daß fie gleichhelliger Meinung
mit der von 1530 verstanden werden müſſe, und bot eine Abendmahlserflärung mit aus-
brüdlicher Betonung der manducatio oralis und des Sakramentsempfangs auch der 5
Unwürdigen. Aud war der Satz geftrichen, daß ihnen Feine Abweihung von der reinen
Lehre nachgetviefen werden könne (Calinich 218ff.). Betreff der Schmähreden jener
Theologen erklärte er, daß ja nichts von ihren Echriften ohne jeine Cenjur aus:
gehen dürfe.
Betreffs der in Naumburg unterjchriebenen Präfation ftreitet man noch heute über 10
Sinn und Tragweite der Auslagen, die fie über das Verhältnis der Variata zur In-
variata macht. Verſteht man diefe auf der einen Seite dahin, daß hier die primäre
Autorität der Invariata, die in jeder Beziehung fetundäre der Variata beigelegt, letztere
als unfchädliche Nebenform des Originals hingeltellt fei, die jedenfalls immer im inne
desfelben aufzufafien ſei (fo 3. B. H. Schmid, Kampf der luth. Kirche um Xutbers Lehre 15
vom Abendmahl 323; Calinich 171ff.; Zödler 48Ff.), fo fehen andere hier einen glän-
zenden Sieg des Geiftes Melanchthons, eine öffentliche Autorifation feines Lehrbegrifis ;
man habe Kurfürft Friedrich mit feiner Calvin zuneigenden Abendmahlsauffaſſung Be:
rechtigung gewähren wollen, habe ja auch das Abenvmahlsbefenntnis der Präfation ge:
fliffentlich in Ausvrüden gefaßt, die dem Frankfurter Rezeß entlehnt waren (vgl. Heppe
I 406; Gillet I 303; Kludbohn, Friedr. d. Fr. 91). Zu beachten ift, daß nicht Theo:
logen, fondern Fürften in diefer Präfation reden, von denen nur einzelne (Kurf. Friedrich,
Landgraf Philipp, andererfeit3 Job. Friedrich) über die theologifchen Differenzen ein per-
fönliches Urteil hatten. Kurfürſt Auguft, der durch feine Näte wohl die Präfation ent:
werfen ließ, hatte in der Variata nie einen von Luthers Theologie abweichenden Lehr: :
topus geſehen; ihm mar fie einfach die lofupletierte, im einzelnen deutlicher und gefchieter
formulierte Augustana von 1530. Den Vorwürfen der Nömifchen und der verhaßten
Flacianer gegenüber wollte er einfach diefe Zufammengehörigfeit beider Ausgaben und
die Unanftößigfeit feines Verfahrens, die Ausgaben von 1540 und 42 in feinem Lande
verbreitet zu haben, bezeugen: fein Land mar lutberifches Land dabei geblieben. Anders 30
natürlich Friedrich, der feine eigene Pofition mit diefer Präfation zu deden ſuchte. So
wird denn der Sinn, den die Unterzeichner den betreffenden Ausfagen beigelegt haben,
je nad) ihrem Einblid in die thatfächlichen Verhältniffe und ihrer kirchlichen Stellung
verſchieden geweſen ſein. Dem Wortlaut nach ift die Conf. Aug. 1530 als der Uriginal:
tert, der von 1540 als eine weitere Ausführung und Erklärung jenes bezeichnet; damit 85
follte im Sinne der Majorität nicht Melanchthon neben und in feiner Abweichung von
Zutber anerkannt, fondern höchitens Melanchthon als der treue Interpret Yuthers be:
zeichnet werben. Es kommt hier das günftige Urteil über die Variata zum Ausdrud,
das noch 1575 Selneccer in feiner Historica narratio de D. M. Luthero (Bl. Hbf.)
in die Worte gefaßt bat: Mutatum nihil adeo esse novimus, vel in minimo, 40
quod ad res et sententiam capitum doctrinae spectat: illustrata autem quae-
dam et interdum copiosius explicata esse non diffitemur, sed publico docto-
rum nomine.
C. Die Berhandlungen übers Konzil. Pius IV. hatte nah Erlaß der In—
diftionsbulle vom 29. November 1560 die Legaten Commendone, Bilchof von Zante,
und Delfino, Biſchof von Xiefina, nach Deutſchland gejendet, um die nieder und ober:
deutjchen Fürften zum Konzil einzuladen. Am 5. Januar 1561 empfing fie Kaiſer Fer—
dinand in Wien; er jchlug ihnen vor, zunächſt nad Naumburg zu geben, wo jie Die
roteftantifchen Fürſten verfammelt fänden: er wolle gleichfall® Geſandte dorthin zur Be:
rwortung ihrer Teilnahme am Konzil fenden. Am 28. trafen fie in Naumburg ein. bo
Delfino machte zunächit den Verſuch, bei den einzelnen Fürſten Audienz zu erhalten;
aber von Friedrich III. wie vom Kurfürſten Auguft auf fpätere Zeit vertröffet und zus
nächſt an die Gefamtheit der verſammelten Fürften vertiefen, meldeten fie fich beim
irstentage an. Die Taiferlichen Geſandten (Graf Eberftein und andere Herren) wurden
bon zum 30. vorgeladen, die päpftlichen Boten ließ man gefliffentlich big zum 3. Februar 55
warten. Die faiferlihe Propofition (Hönn 21ff.; Calinich 190 ff.) ermahnte zum Beſuch
des Konzild unter Hinweis auf den Schaden des Neligionsziviefpalts fürs Neich nach außen
und innen. Wohl hätte der Statfer lieber eine deutſche Stadt als Konzilsort gejeben,
aber feine Bemühungen darum feien vergeblich geblieben ; aber Geleit und Sicherbeit und
daß fie dort nach Billigfeit gehört werden würden, jichere er ibnen zu. Am >. erſchienen 60
8
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668 Naumburger Fürſtentag
auch die Legaten vor den Fürſten, überreihten die Indiktionsbulle ſowie Breven an bie
einzelnen Fürften und luden jeder in lateinischer Anſprache zum Konzil ein, wobei fie mit
großer Kunſt das bevorftehende Konzil weder als Fortſetzung des alten noch als ein neues
bezeichneten, auch klüglich den Punkt umgingen, ob die früber in Trient gefaßten Be
5 Ichlüffe als bindend gelten oder noch einmal wieder zur Verhandlung kommen jollten.
Man empfing fie mit allen Ehren, aber ohne ihnen die Hand zu reichen. Kaum waren
fie in ihre Herberge zurückgekehrt, jo ſchickte man ihnen die Breven ungeöffnet zurüd,
da man die Anrede in der Adreſſe „dileeto filio“ meinte ablehnen zu müſſen. Am 6. Fe
bruar befchieden die Fürſten die fatferlihen Gefandten: das Konzil entipreche nicht ibren
ı0 Anſprüchen an ein Konzil: auf einem, das fie befuchen könnten, müſſe Gottes Wort
Nichter fein, ihnen nicht bloß Gehör, fondern auch Stimmredt gewährt werden; dieſes
fei Doch nur TAB des früheren, das ihren Glauben verdammt habe. Ihre endgiltige
Erklärung aufs Konzil behielten fie jpäterer Verhandlung und Verftändigung auch mit
den jetzt abweſenden Fürlten vor. In einem direft an den Kaijer gerichteten Schreiben
15 ſetzten ſie außerdem auseinander, was ihr Fürftentag für einen Zweck verfolge. Am 7.
erhielten auch die Legaten ihren Beſcheid --- nicht in der Berfammlung der Fürften, fon:
dern nur durch eine Abordnung von Näten. Die Fürften Sprachen ihnen ihre Verwun—
derung über dieje Beichidung aus; ob denn der Bapit glaube, daß fie ihre Religion ändern
wollten? Ein vom Papſt ausgefchriebenes Konzil befuchten fie nicht, da er ja Der Urbeber
20 aller Irrungen fei Durch feine Unterdrüdung der Wahrheit. Nur mit dem Kaiſer, nicht
mit den: Papfte hätten fie zu tbun. Commendone meldete ſich nach diefer Abfertigung
noch fchriftlich bei dem bereits abgereiften Sohann Friedrih an, erhielt aber nur den
groben Beicheid, er bätte weniger als nicht mit dem römifchen Biſchof zu verhandeln.
So zog er weiter nah Berlin, Delfino nach dem Weiten.
35 D. Andere Angelegenheiten. Ta die verfolgten franzöfiichen Hugenotten id
mit einem Bittgefuch an die Fürſten gewandt hatten, fo erließen diefe am 7. Februar
Fürſchriften für fie an König Karl IX. und an König Anton von Navarra (Hönn 72 ff.
75ff.; Calinich 211ff.). Auch erfchten ein Gefandter der Königin Elifabeth von England,
durch den diefe angefichts der Moalition der katholiſchen Mächte zu engerem Zuſammenſchluß
30 der Evangelischen aufforderte und fpeziell angeſichts des Konzils gegenfeitige Verftändigung
über die Schritte, die man zu thun gevenfe, in Vorjchlag brachte. Die Fürften ver:
jprachen darauf, gute Korreipondenz mit ihr zu balten, teilten Abſchrift ihrer jest chen
beichlofjenen Erklärungen an Kaifer und Papſt mit. Zugleich ſprachen fie die Hoffnung
aus, daß, ivenn die Königin beim Licht des Evangeliums bleiben wollte, fie dann auch
35 die Augsb. Konf. vollftändig mit ihnen befennen werde. Auch dem König von Dänemark
teilten fie Abjchrift ihrer Präfation und ihre Stellung zum Konzil mit.
E. Schluß und Nadverbandlungen Im Abſchiede verpflichteten fich die
‚Fürften, jeder Die ihm zugeteilten ‚Kürften, Grafen, Herren und Städte zum Anfchluß
an die Subjkription der Conf. Aug. ſamt Präfation zu bewegen. Sie beſchloſſen ferner
40 zur Erhaltung des Friedens forgfältige Cenſur neuer Schriften und Unterdrüdung aller
Schmähſchriften; ſodann zur Feltfegung der dem Kaiſer in Ausficht geftellten Erflärung
übers Konzil eine Zuſammenkunft von Räten und Theologen in Erfurt am 22. April,
twelche ſeitens der 3 Rurfürsten, Pfalzgraf Wolfgangs, der Herzöge von Württemberg und
Pommern und des Yandgrafen dortbin zu ſenden wären. Auch befannten fie fich nochmals
45 zum ‚srankfurter Resch und erklärten fich bereit, mit der Minorität evang. Stände, die
mit diefen nicht zufrieden geweſen, weiter zu verhandeln. Damit jchloß der Fürftentag
— jcheinbar hoffnungsvoll, aber doch jtand der Zujammenbrud des Friedenswerkes un:
mittelbar bevor. So eifrig und erfolgreihb auch namentlich Herzog Chriſtoph im Süd—
weſten Grafen, Herren und Städte zum Beitritt betvog, jo wirkte doch der Proteſt Jo:
so hann Friedrichs und die emfige Arbeit der Theologen der antipbilippiltifchen Richtung
dabın, daß ſich vor allem in Niederfachfen eine geſchloſſene Gegnerfchaft gegen die Raum:
burger Zubffription bildete. Auch Regensburg, Augsburg, und andere Städte verweigerten
die Unterjchrift. Aber auch Joachim II. Fam jegt Johann Friedrich fo weit entgegen,
daß er eine Jchärfere Erklärung übers Abendmahl verlangte, auch auf die Gefahr Bin,
55 dann den Kurf. Friedrich und den Yandgrafen zu verlieren. Markgraf Hang von Küftrin
erklärte, an der Bräfation Anſtoß zu nebmen, und wollte gleichfalls ein unzweideutig lutbe-
riiches Abendmahlsbefenntnis. Und auf dem Yüneburger Konvent im Juli vertvarfen die
führenden Iheologen der Städte Lübeck, Bremen, Hamburg, Roftod, Magdeburg und
Braunſchweig einmütig die Naumburger Präfation und forderten jcharfe Kondemnie:
vo rung der Storruptelen (vgl. Bd IV S. 359). Die niederfächfifchen Fürſten ſchloſſen
NRanmburger Yürftentag Nanſea 669
ſich der Verwerfung der Naumburger Präfation an. Auch in Pommern erhob ſich
der Proteſt der Theologen gegen die undeutliche Abendmahlslehre der Präfation; die
gürtten follten dergleichen doch nicht ohne Yuziehung erfahrener Theologen bejchließen.
ie Fürlten des Naumburger Tages fahen mit Schreden, daß aud) diesmal wieder der
Vereinigungsverfuch den Zwieſpalt nur fchärfte und Elagten bitter über die „mutwilligen” 6
und „unruhigen” Theologen. Gleichwohl gab Kurfürſt Auguft die Hoffnung noch nicht
auf, wenigſtens ob. Friedrich noch durch ein Entgegentommen im Abendmahlsartikel zu
ewinnen. Er ließ durch feine nach Dresden berufenen Theologen einen von Eber ver:
ten „Bericht vom bl. Abendmahl” aufjegen, der, ohne neue Formeln bieten zu wollen,
fih einfach auf Luthers Predigten und Natechismen, die Augsb. Konf., die Loci, die 10
Medlenb. RD und die Wittenberger Konfordie bezog — ein vorſichtiges Umgehen der
für fie ſelbſt figlichen Fragen (vgl. Voigt, Briefiv. der berühmteften Gelehrten 392; vgl.
auh Bd V ©. 120). Aber diefe Theologen Augufts waren ja verbädtig! Chrijtoph und
Pialzgraf Wolfgang, denen zunächſt diefer Bericht zuging, anttworteten mit allerlei Be:
denfen ihrer Theologen, — die Wittenberger und Leipziger aber wichen vorfichtig weiteren 15
Disputationen aus (dad Bedenken, das Joh. Aurifaber in Königsberg im Auftrag Herzog
Albrecht3 darauf verfaßte, ſ. bei Strobel, Beitr. zu Litt. I 500ff.). Inzwiſchen ftritten
auch Ehriftoph und Landgraf Philipp, deſſen vertrauter Verkehr mit Bullinger längft an=
ftößig geworden war, gleichfall® über die Abendmahlslehre. Waren hier ſchon Schiwierig-
feiten in Menge vorhanden, jo trat nun Kurfürft Friedrich entſchieden gegen jede Kon= 20
zeſſion auf, die man Johann Friedrich in der Abendmahlsfrage nachträglich machen würde ;
er bleibe bei der Naumburger Präfation, mit jeder weiteren Traftation möge man ihn
verjchonen. Die endlofen SKorrefpondenzen, bei denen man in der Berlegenheit noch den
Verſuch machte, den Tert der Wittenberger Konfordie als Formel, über die man ſich
vielleicht einigen könne, in Vorjchlag zu bringen, blieben erfolglos, da auf der einen Seite 26
Johann Friedrich, um den man fich fo hoch bemühte, immer fchroffere Forderungen ftellte
und bei deren Ablehnung im Frühjahr 1562 die Verbandlungen abbrach, andererfeitg
auch Friedrich III. ſich auf nichts weiteres einließ. „Prinzipielle —E ſtoßen nur
um ſo ſchroffer aufeinander, wo man fie durch äußerliche und oberflächliche Trans⸗
aktionen überflüften und vertujchen will; fchließlich behält der das letzte Wort, der be= 30
barrlich und rückſichtslos zu feiner Fahne fteht” (Calinich 340).
Auf dem im Abjchted befchloffenen Erfurter Tage (22. April bi8 1. Mat 1561),
u dem die Näte und Theologen der bevollmädhtigten Kürften mit üblicher Unpünktlichkeit
* einfanden, entwarf man eine Supplikation an den Kaiſer mit der Bitte, er möge
das Trident. Konzil abſtellen und ein freies chriſtliches Konzil berufen, jedenfalls aber 35
Paſſauer Vertrag und Religionsfrieden aufrecht erhalten, und eine Rekuſationsſchrift. Nach
langen jchriftlichen Verhandlungen murde letztere fchlieglih auf dem Tag in Fulda
(12. bi8 18. September 1562) definitiv feitgeftellt. Beide Schriftjtüde wurden dann auf
dem Frankfurter Reichtstage am 25. November 1562 durch die 3 evangelischen Kurfürſten,
Diedlenburg, Württemberg, Pfalz: Ztweibrüden und Hefjen, dem Kaiſer überreicht. Diefer 40
gemeinfame Proteft gegen Papſt und Konzil war das einzige greifbare Ergebnis des
Naumb. Fürftentages; Ddiefer Schritt verlor aber an Gewicht dadurch, daß das geplante
einhellige Belenntnis mißglückt, der Ziviefpalt im eigenen Yager vielmehr bloßgelegt worden
war. Von nun an vollzieht ſich die Scheidung: ;yriedrich III. geht offen zum Galvinie-
mus über, im übrigen aber behält den Sieg das ſchroffe, Melanchthons Schule und Ein: 46
flüſſe zurüddrängende Luthertum. G. Kawerau.
Kaufen, Friegrig geſt. 1552, latholiſcher Theologe und Biſchof. — Ppistolae
miscellaneae Frid. Nausean, libri X, Basil. 1551 fol.; W. Friedensburg, Beiträge zum
Briefwechſel der kath. Gelehrten im Nej.: Zeitalter, ZKG XX 500ff. XXI 537 Ff.; Nuntiatur:
berichte 1533 ff. Bd I—4; Kopallik, Regejten zur Geſchichte der Erzdiögefe Wien II (1898) co
29f.; Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner: und Eifterz.:Orden III, 3, 162ff.;
Joſeph Metzner, FZriedr. N., Regensburg 1884; TH. Wiedemann, Geſch. d. Ref. und Gegenref.
im Lande unter der Enns I (1879) 227 ff.; II (1880) 27 ff.; v. Beißberg in AdB XXI
321; Weber in KR? IX doff.
Friedrich Grau (latinijiert Nausea |,von nauseo, es graut mir” Mebner]) wurde 65
1480 als eines Wagners Sobn in Waifchenfeld in Oberfranfen (daber Blancicam-
pianus) geboren (fein Geburtszeugnis Negeiten II 60f). Dem befannten Bambergi:
chen Hofmeifter Johann von Schwarzenberg verdanfte er den Zugang zu höherer Bil:
dung; Doch Liegen die Anfänge feiner Studien für uns im Dunkel. Nach bumaniftifcher
670 Nanfen
Vorbildung fcheint er unter Cochläus an der Sebaldus-Schule in Nürnberg als Yehrer
thätig getvejen zu fein. 1514 erhielt er in Bamberg die Akoluthenweihe, war aljo damit
im Befig der ordines minores (Regeften II 39); in demfelben Jahre zog er ale In-
jtruftor eines Sohnes Schwarzenbergs nad Leipzig, begleitete diefen 1518 nad Pavia
6 zu juriftifchen Studien, ſiedelte dann mit ihm nach Padua über und blieb aus Geſund—
heitsrüdfichten bier zurüd, auch als fein Tutel im Herbſt 1521 nach Deutjchland zurüd:
fehrte. Er hatte bereits 1519 in feinen Diftichen in Lactantii opera feinen Übergang
von den Mufen zum Studium der Kirchenväter angekündigt, dann aber doch weiter ge:
fchriftitellert über Poetik, Grammatif, Stiliftik, Dialeftit, Rhetorik, Muſik und Aritb:
ı0 metik; auch ſetzte er zunächft das Rechtsftudium fort und erwarb im März 1523 ben
juriftiichen "Doltorgrad (Reg. II 39). Nun wollte er in Siena die theologifchen Studien
vollenden, aber ſchon nach wenigen Monaten (Febr. 1524) nahm ihn Kardinal Lorenzo
Campegi "bei feiner Zeyation nad Deutfchland (oben Bd III ©. 701) als feinen Sekrelit
in feine Dienfte. Dabei fiel N. der Auftrag zu, Melandithon, der gerade in feiner
15 Heimat Bretten weilte, zur Rückkehr zur fath. Kirche zu loden, aud wurde er in bderfelben
Angelegenheit zu Erasmus nach Bafel geſendet (vgl. awerau— Die Verſuche, Mel. zur
kath. Kirche zurückzuführen, Halle 1902, S. 6ff.). Am 12. September 1524 machte Cam-
pegt ihn zum Notarius papae und Comes aulae palatii Lateranensis (Reg. II 29).
Den Gravamina, die von den Ständen auf dem Nürnberger Reichstage übergeben
20 wurden, mußte er eine eingehende Schriftliche Prüfung widmen, die aber erft 1538 in Drud
ausging (vgl. 3686G XX 79): Responsa ... ad aliquot Germanicae nationis gra-
vamina, in denen er freimütig Biel e Mi bräuche in der kirchlichen Vertvaltung aner:
fannte. Vergeblich bemübte er fich, hund eine jchmeichelhafte Oratio Erasmus sn
Beſuch der für den Herbft 1524 geplanten Verfammlung deuticher Nation in Speier zu
25 beivegen. Mit Campegi kehrte er 1525 nad) Stalien zurück; von drei ihm jeßt in Deutſch⸗
land angebotenen Pfründen wählte er die Pfarre an St. Bartholomäus in Frankfurt a. M.,
er empfing Ende 1525 in Bologna die Subdiakonats-, in Padua bie Dintonatswveibe
(Meg. II 39). Mit welcher Gefinnung er in die Heimat zog, zeigt feine Oratio pro
sedando plebejo tumultu (7. Oft. 1525): der Kaiſer folle mit Schwertesgemwalt ſich
so ſelbſt Gehorſam und der Miederheritellung des fathol. Kultus freie Bahn fchaffen. Ale
er in Fränkfurt nach Überwindung mannigfacher Hinderniffe am 25. Februar 1526 die
Kanzel beftieg, unterbrach ibn die lutheriſch gefinnte Gemeinde fo tumultuarifch, daß er
jeine Bredigt abbrechen mußte: am nächiten Tag verließ er die Stadt und flüchtete nad
Aichaffenburg (Tagebud) Rönigfteins, Frankf. 1876, ©. 101ff. 205). Er erbielt die
35 Dompredigeritelle in Mainz (noch ohne Prieſterweihe, vgl. Neg. II 40). Hier entmwidelte
er ſich zu einen der bedeutenditen fathol. Brediger und Apologeten der Reformationzzeit
(Centuriae IV homiliarum, feit 1530 twieberbolt aufgelegt, deutſch 1535, vgl. Reg. II
30; über die Meffe 1527; über dag Symbolum 1529, Marienpredigten 1530; über
Tobias 1532 u. a). AB Prediger und als Ratgeber König Ferdinands war er 1529 beim
40 Speirer Neichstag tbätig (Homiliae XII contra Anabaptistias; 5 5 Predigten de vera
christiani hominis institutione, vgl. Reg. II 29). Vor dem Augsburger. Reichötage begebrte
Kardinal Albrecht jein Gutachten über Prieſterehe, Kloſtergelübde und andere Streitfragen.
Sein ſteigender Ruf als Prediger erregte in Ferdinand den Wunſch, ihn als Hofprediger
und Nat ganz an feinen Hof zu zieben, im April 1533 leitete er Verhandlungen Darüber
45 ein (Meg. IT 31 FF). N. ging in diefer a ſehr gegen Ferdinands Willen,
erit ı nach Rom; er ließ fich bier den Fortbeſitz einer Mainzer 328* ſichern und ertoarb
in Ziena den theologiſchen Doktorhut (Jan. 15347 Reg. II 30). Aber erſt im folgenden
Winter zog er nad) Wien; er hielt dort unter großem Beifall 49 Faftenpredigten (gebr.
Mainz; 1535). Diejer neuen Stellung entjtanımen ferner die Advents- und Weihnacts-
so predigten 1535 (Röln 1536), die in Innsbruck 1536 gehaltenen 50 aftenpredigten,
Marienpredigten 1537, die in Prag 1537 gehaltenen Faſten- und Denteloftalprebigten
Zwiſchendurch fallen Beſuche in der Stadt Mainz, wo er 1535 mit feinem Studien⸗
genoffen aus Padua (ZRG XX 510), dem Suntins Vergerio, zufammentraf und aud
1537 längere Zeit weilte. Am 5. März 1538 ernannte ihn ber befannte Bilchof von
Wien, Johann Fabri (Bd VS. 719), der ibn ſchon feit Jahren body Ichäßte (ZRG IX
90f.), MM feinem Koadjutor; ein volles Jahr währte es, bis von Rom her die B tätigung
erfolgte (19. März 1539; Weg. II 37 und 42 ift der 19. März 1538 wohl von 1539
zu verſtehen). Im Herbſt 1538 trat er das neue Amt an, predigte aber auch weiter
regelmäßig vor dem königl. Hofe. Cine kurze Evangelienpoftille — zur Verdrängung
co der lutberifchen Poſtillen — ließ er 1539 in Leipzig erfcheinen (deutfch 560). Auf Fer:
Nauſea 671
dinands Geheiß erſchien er 1540 in Hagenau zum Religionsgeſpräch (Bd VII €. 355),
wo er mit Cochläus zufammen den Tonfufen Saffauer Domdechanten Ruprecht dv. Mos—
heim mit feinen Einigungsvorfchlägen zu prüfen und zu verbören hatte (Spahn, Cochläus
©.283). Bor der Eröffnung des Wormſer Religionsgefpräches ließ N. jeine Hortatio ad
ineundam in christiana religione concordiam (Mainz 1540) erfcheinen, die als Bafis
für die Vergleihung das von den Vätern UÜberlieferte, durch jahrbundertlange Übung
Geheiligte zur Annahme empfahl. In Worms erkrankte er, machte aber doch noch ein:
mal den Verſuch — wohl im Einverjtändnig mit Granvella — Melanchthon und dann
auch Buster in privater Unterhandlung zu gewinnen (Kawerau a. a. O. 67ff.; ZRO III
514), wobei aber Melandhtbon die vorfichtigfte Zurüdhaltung bewies. Nach Fabris Tode 10
(21. Mai 1541) rüdte er in die bifchöfliche Würde ein — nicht gerade freudig, da bie
Berhältniffe der Heinen Didcefe — über ihren damaligen Umfang ſ. KT? XII 1523 —
wie die pefuniäre Lage des Wiener Bilchofs gleich ſchwierig waren. Jetzt erit erhielt er die
Prieſterweihe; die Konſekration als Bischof erhielt er mit päpftlicher Diöpenfation durch)
nur einen Biſchof unter Affiftenz zweier PBrälaten (ZRG XX 538 ff). Auch als Biſchof
blieb er vor allem gefeierter Prediger, nicht nur im Stephangsdom, fondern auch in Böhmen
(1545) und in Sclefien (1547). In Breslau verfuhte man jogar, ihm zugleich die
dortige Dompropftei zu verjchaffen, fo daß er abwechfelnd in Mien und in Breslau refi-
bieren follte. (Über * Beziehungen zu Schleſien vgl. Soffner, Der Minorit M. Hille—
brant, Breslau 1885 ©. 82ff.) Aber Ferdinand vereitelte das Projekt. Die Not feiner 20
Wiener Diöcefe, die Auflöfung der kirchlichen Jurisdiktion, ſowie feine Vorſchläge zur
Reform des Domkapitel, der Geiftlichkeit, der Klöfter, der Schulen, der Univerfität u. |. w.
legte er in ausführlichen Auffägen (15437) Ferdinand dar, aber ohne Erfolg (eg. II
76 ff.). Durch Ungefchielichkeiten in feiner Amtsführung infolge feiner Tranfhaften Reiz:
barkeit und jeiner Unerfahrenheit in Geichäftsfachen geriet er in Streitigkeiten über Yabris 2
Teitament, in Konflikt mit feinem Offizial u. a. m., wodurch auch fein Verhältnis zu
Ferdinand fich trübte, fo daß er 1547 Ichon entjchloffen war zu refignieren; aber Coch—
läus befämpfte mit Erfolg diefen Gedanken. Als Mittel der Reform des Klerus, reip.
feiner Refatholifierung empfahl er ernitliche Vifitationen (Pastoralium inquisitionum
elenchi tres, Wien 1547), fowie befjere Vorbereitung der Prieiteramtsfandidaten (Isa- so
gogicon de Clericis ordinandis, Wien 1548). In der janımervollen Lage der Kirche
begrüßte er die erjten Jeſuiten als willkommene Gebilfen; mit Bobadilla wie mit Gani-
fius blieb er in enger Verbindung. — Als das fo lange verfchleppte Konzil endlich auf
den 1. November 1542 nach Trient berufen wurde, brachte er ſchnell fein großes Werk
Catechismus catholicus, eine unfängliche Berteidigung der katholiſchen Lehre und ihrer 35
Geremonien, zum Abſchluß, widmete es Papſt Paul III. (1. San. 1543), außerdem Die
einzelnen Abteilungen verjchiedenen Kardinälen und Yrälaten (neue Aufl. Antwerpiae
1551); aud zog er felber im Frühjahr 1543 nach Trient und meiter nah Parına, imo
ed ihm glüdte, den Papſt zu treffen (ZRG XXI 537) Außer jenem gedrudten Werke
brachte er umfängliche jchriftliche Vorfchläge mit, in denen er die Geftattung des Laien- 10
felches im Blick auf die Abgefallenen und die Aufhebung des obligatorischen Charakters
des Gölibats angefichts der fittlihen Argernifje im Prieſterſtande und angeſichts des
fchreienden Prieſtermangels empfabl. Seine Denkſchrift für Cervino, interejlant wegen
ihrer freimütigen Äußerungen über die Urfachen der Kirchenfpaltung, ift von Döllinger,
Beiträge zur polit. u. |. tv. Geſch. III (1882) 152 ff. veröffentlicht tworden. Das Konzil aber 45
war inzwischen fchon juspendiert worden. Wie N. jchon 1542 auf Ferdinands Wunſch
Regensburg als den geeigneten Konzilsort vorgeichlagen hatte, jo ließ er 1545 die Schrift
Super deligendo futurae in Germania Synodi loco ausgehen, in der er Negeng:
burg und Köln zur Wahl ftellte. Ferdinand wollte nun N. als feinen Orator nad)
Trient fenden, und auch der Breslauer Bifchof übertrug ihm feine Bertretung; aber die oo
Rückſicht auf das Wormſer Religionsgefpräh und der Widerjtand der evangelifch gefinnten
nteberöfterreichifchen Stände verzögerten fein Erjcheinen auf den Konzil. Exit als Julius III.
dasjelbe 1551 wieder einberief, zog er als Orator Ferdinands dorthin (Nuntiaturberichte
XII 52; Döllinger, Ungedr. Berichte I 325). Eifrig nahm er teil an den Verhand—
lungen über Eucariftie, Buße und legte Olung. Noch hielt er am 7. Januar 1552 einen 65
Vortrag über Mekopfer und Priejtertum; aber das in Trient graflierende Fieber ergriff
ihn und zehrte feine Kraft auf; am 6. „Februar ftarb er (v. Druffel, Briefe und Alten
II 161). Die Leiche wurde nad Wien geichafft und im Stephansbom beigefegt. Ein
Denkmal hat er fich felbft in feiner Vaterſtadt Waifchenfeld in dem von ibm erbauten
Chor der Pfarrkirche geſetzt. w
or
ph
5
ws
5
672 Nanfen Nazarener, ungarifde
Das anziehende Bild des mit unermüblichem Eifer, Ernit, Treue und Begabung an
der Srhaltung des fathol. Glaubens und an der Abftellung der Mißbräuche arbeitenden
Mannes, der Stark empfindet, wie ſchweren Schaden die fathol. Kirche Deutjchlands durch
die Sittenlofigfeit des Klerus, die Schlaffbert feiner Biichöfe und durch Die Fehler der
5 päpftlichen Politik erlitt, wird getrübt durch die felbjtgefällige Eitelfett, mit denen er von
Seinen Verdienften und Erfolgen zu reden weiß, und durch feine unabläfjige Pfründenjagd.
Die devoten Widniungen feiner zahlreichen Schriften an Prälaten und hohe Herren find
für feine Zeit und ihn felbft charafteriftiih. Die Briefe aus der Zeit ſeines Wiener
Bistums find Iehrreihe Dokumente der Auflöfung, in die fich die fathol. Kirche Ufter
10 reichs durch die Heformation verſetzt ſah, künden aber auch bereits die Öegenbeivegung an.
. Kaweran.
Naylor, James |. d. U. Quäker.
Nazaräer |. d. A. Ebioniten Bd VE. 125».
Nazarener iſt der Name einer feit etwa 1845 in Ungarn beftehenden chriftlichen
15 Gemeinschaft oder Sefte, welche heute 13—-15000 Mitglieder (Erwachſene) zählen dürfte
und aus zivei Gründen Intereſſe beanfpruchen kann. Einmal wegen ihrer rührigen
Propaganda und twachfenden Bedeutung, fodann weil in ihr der zur Ruhe gelonmene
und ſittlich veinere Anabaptismus aus der Mitte des 16. Jahrhunderts jo unverändert
wieder auferftanden ift, wie nirgends ſonſt, ſowohl in feinen leitenden Gedanten als aud
a in den kleinſten Cinzelzügen.
Dem ferner Stehenden iſt es micht leicht, ich Kenntnis von den Nazarenern zu
verichaffen. Wenn fte auch bereit find, mündlich oder fchriftlih alle mögliche Auskunft
zu geben, in der Preſſe findet man fat nichts von ihrer Hand, und zivar nicht nur, weil
ihre Mitglieder vorwiegend dem Handiverferitande angehören, jondern vielmehr aus
3 Grundſatz, denn alles nichtsinnerliche in religiöfen Saden tft ihnen zuwider. Nur ibr
Liederbuch ift in fünf Sprachen gedrudt, deutich, ungarifch, ferbifch, rumänifch, ſloveniſch;
dasjelbe führt den Titel: Neue Zionsbarfe ... für die Gemeinde der Glaubenden in Chriſto.
Züri, Zürcher u. Furrer, 5. Aufl. 1889. Einige Predigten, Heinere Traktate u. ſ. w.
über die N. find meift in ungarischer Sprache verfaßt. Nur eine einzige ausführ-
30 lichere, mit Sachlenntnis gejchriebene und zuverläffige Arbeit ift über fie vorhanden: em
Artikel von Balt. ©. Schwalm (nad C. S. Szeberenyi) inden IvrTh 1890, ©. 484—549,
worin aud einige Zeitungsartifel u. |. vw. nambaft gemacht werden. Übrigens werden in
fircbengefchichtlichen Handbüchern die N. nicht erwähnt. Dem folgenden liegen neben
den genannten Schriften von den verfchiedenften Seiten, von Freunden und Gegnern, auch
35 von N. jelber, zu Grunde.
Woher der Name Nazarener ſtammt, läßt fih nicht feftitellen. Anfängli nur
Zpottname, wird er jet Schon lange offiziell, auch von den N. ſelber gegenüber den
Behörden angewendet. Wahrjcheinlidh haben die Brüder Hemfey, welche um 1840 in
der Schweiz als Handwerker arbeiteten und mit Fröhlich und feinem Kreife erweckter
40 und durch Untertauhung getaufter Ghriften in Hauptweil, Thurgau, oder in Illkirch bei
Straßburg in Berührung famen, in ibre Heimat dies Chriftentum mitgebradht. Es ver
lautet aber auch, dag ſchon ſeit 1815 Spuren diefer wehrlofen, den Militärdienſt ver:
werfenden Nichtung in Ungarn vortommen. Mit den Reſten der alten Habaner (ſ. d. Q.
Mennoniten BP XI S. 615, 11) wird feine Verbindung beftehen; ob ein Einfluß von jeiten
35 der in der Schweiz noch beitebenden alten Täufergemeinden durch Wermittelung der
Hemſeys angenommen werden darf, ıft fraglid. Nach 1848 treten in Ungarn N. in
größerer Anzahl auf; ihre erfte große Gemeinde hatten fie in Pacſer im Bäcſer Ko-
mitat. Ztepban Kalmär, ihr eifrigiter Apoſtel, geſt. 1863, ſtammt aus PB. Seitdem
baben ſie jih in und um M. H. Väfärbely, Temeswar, in das Torontaler Komitat, in
so die ehemalige Mülttärgrenze, überhaupt in ganz Südungarn ausgebreitet. In Bubapeft
it ihre Zahl ſeit 20 Jahren wieder zurüdgegangen. Der Grund diefer Erjcheinung ift
der dollftändige Wangel an irgend einer Organisation, jo daß die Gemeinden nie zu jettem
und bleibendem Beltand kommen. Bon einigen wenigen anregenden eifrigen Verfönlichkeiten,
die an einem Urte wohnen bezw. von dort wegzichen, hängt oft nicht nur das Gedeihen,
55 jondern geradezu das Belteben ganzer Gemeinden ab.
Die N. haben nur einen Glaubensartifel: die Bibel verfündet und Gottes Gebote;
diefe treu, gewißfenbaft und mit Liebe zu befolgen ift „der Weg“ zur Seligkeit, der
ww
De |
Nazarener, ungariſche 673
ſchmale, der einzige Weg, der Weg, welcher eigentlich nur im N. ismus gewandelt wird.
Dabei leugnen he nicht, daß auch in den Kirchen liebe Kinder Gottes ich befinden, aber
diefe follten dann eigentlich zu den N. übertreten. Auf dag Thun von Gottes Willen
fommt es ihnen an, ſodann bejonders auf das Leiden. Völlige MWehrlofigteit, geduldiges
Ertragen von Beleidigungen, fogar von Mißhandlungen fennzeichnet den N. Sie Hagen 5
daber auch nicht order über die harten Bedrüdungen, denen fie befonders früher aus:
geſetzt waren. as gehört ja zu den Merkmalen der Kinder Gottee. Am meilten
machten und maden be fi bemerflih durch ihre hartnädige Weigerung, einen Eid zu
ichwören, und ihre Enthaltung von allem Fluchen und vom Militärdienft. Der lebte
Punkt hat die N. vor allem an die Öffentlichkeit gebracht. Nicht das Waffentragen an
fich verwarfen die meiſten; fie würden fich fügen, fall fie 3. B. zum Sanitätdienft ver:
wendet würden oder, wenn aud mit Waffen ausgerüftet, in den Militärtverkftätten als
Handwerker ihren Militärbienft ableiften fonnten. Aber Waffen zu tragen ausdrüdlid)
zu dem Zweck, Feinde zu töten, das galt und gilt den N. für antichriſtlich. Es kam
vor, daß einige N. es als einen Betrug gegen den König anfahen, die Waffen zu
nehmen mit dem ftillen Borfage, nicht zu jchießen, und darum die Waffen zu Boden
fallen ließen, wenn man fie ihnen in die Hand gab. — In ihren religiöfen Ausdrüden
unterfcheiden fie ſich von anderen Pietiften nicht und benügen fie mit Vorliebe die der Bibel.
Viele Freunde gewinnt ihnen ihr mwunderfchöner und mit großer Liebe gepflegter Gefang.
Bei den Gottesbieniten beten fie Inteend, bisweilen ſchweigend. Die Taufe ift ihnen Taufe der =0
Belehrung und gejchieht — dies ift ber einzige Unterſchied zwiſchen den. und dem Ana⸗
baptismug — durch Untertauchung; früher it aud) wohl die Beiprengungstaufe geübt
worden. Nach derfelben folgt Gebet und Handauflegung durch die Alteſten. Es fommt vor,
daß Leute von ehedem Tiederlichem und gottlofem Lebenswandel, jetzt aber befehrt, fich bei
ihnen aufnehmen laſſen; aber die Gerüchte über ſchwärmeriſche Ausschreitungen (auch inbetr. 25
der Ehe) haben felbft ihre Gegner, die dem Thatbeftand nachgeforicht haben, für bloßen
Klatſch erkannt, mie der immer religiöfe Abfonderlichkeiten zu verdächtigen und zu ent:
ftellen liebt. Die N. find vielmehr wegen ihres Fleißes, ihrer Nüchternheit, Ehrlichkeit
und Sparfamfeit als Knechte und Arbeiter ſehr gejucht. Ihren Wohlitand zu vermehren
verichmähen fie keineswegs. Daß die harten Berrüdungen oft eine gewiſſe Schlauheit 30
bei ihnen erzeugt haben, läßt fich nicht leugnen: echt anabaptiftiih; wie das auch ihr
Haß gegen die Kirche, gegen Prieſter und ftudierte Prediger („der Schwarze”) ift. Auf
dieſe beziehen fie fo buchitäblich wie nur möglich alle Worte, welche Chriſtus wider die
Phariſäer und Schriftgelehrten geredet hat. Iſt ja für fie bei ihrer innerlich gerichteten
und nur im rechtichaffenen a fich bethätigenden Frömmigkeit alles äußere Kirchen: 3
tum nur das Reich des Abfalls.
Die N. bilden denn auch felber feine Gemeinfchaft, die einer Kirche (als Inſtitut)
ähnlich fieht. Zwar befigen fie hier und dort Verfammlungslofale, führen aber nicht
einmal Buch über ihre getauften Mitglieder. Jeder, der „fich befehrt” hat und „Zeug-
nis in ber Gemeinde hat“, kann die Untertaucdhung erhalten. Er jchließt ſich damit so
nicht einer organifierten, ftatutarifchen „Kirche“ an, fondern der „chriftgläubigen Gemeinde”.
Doch kennen ſich fast alle Nazarener perfünlich, wie meit zerftreut ſie aud) wohnen,
fie bejuchen fi und beweiſen einander teilnehmende und hilfreiche Liebe. Ihre Alteften
genießen großes Anfehen und faft unbeſchränkten Einfluß, fie erteilen Auskunft über
alle religiöfen Fragen, Nat und Weifung in allen möglichen Fällen, auch bei Ehe: 45
ſchließungen. Neglementiert ift ihre Stellung gar nicht, fo wenig wie eine Kontrolle über
die finanzielle Verwaltung, Unterjtügungen u. |. m. bejteht; alles iſt Sache des Ver:
trauens.
Die N. ſtehen in perſönlichem und brieflichem Verkehr mit den Fröhlichianern in
Zürich und Straßburg, mit einigen Neutäufern in Württemberg, Lothringen u. ſ. w., bo
mit den Amiſchen Mennoniten (ſ. d. A. Bd XII, S. 614, 51, 615, »o) in Amerika, und
nennen fich deren Glaubensgenoffen. Dagegen ift ihr Verhältnis zu den ihnen fonft am
nächiten ſtehenden Baptilten fein freundliches. Iſt eg, weil fie ih am meiſten Kon—
kurrenz machen? weil den N. Spuren von jenen Tendenzen vorgetvorfen iverden, Die
fonft der Sozialdemokratie eignen? ebenfalls ftellen die N. die baptiftischen Gemeinden s;
der „Kirche“ gleich, taufen auch die zu ihnen übertretenden Baptiften nochmals, was im
umgelehrten Dale die Baptiften nicht thun. Von ihren Anfange an, 1848, haben die
N. aus den beiden evangelifchen Konfeflionen ihre meilten Anhänger gewonnen, fodann
unter den Griechiſch-Orthodoxen, am twenigjten unter den Nömifch-Katholifchen, und immer
nur in der geringeren Volksklaſſe. Was aus ihnen werden wird, wenn ihre ökonomiſchen co
Mealsencyklopäble für Theologie und Kirche. 3. U. XIIT. 43
5
ib
[61
a
674 Nazarener, ungariſche Nazarener, württembergifcdhe
Tugenden und ihr wachſender Wohlſtand, ihre Mühlen, ihre Induſtrie ihnen allmählich li grüßen
Bedeutung verſchaffen wird ( Handelsgeichäfte find viel weniger ihre Sache) und wenn
dann ihr oft beichränkter Sinn dem bis jeßt bei vielen fehlenden Bebürfnifje nad
geiftiger und wiſſenſchaftlicher Bildung weicht, iſt nicht abzufehen.
6 Die politifhen Veränderungen in Ungarn haben ihre Lage gegenwärtig bedeutend
verbejjert. Die Jahre 1848—1868 waren für die N. die ſchlimmſte — Da ſind ihnen
wohl von der Polizei die Kinder zwangsweiſe abgeholt, um in den Kirchen getauft zu
werden, Gefängnisttrafen wegen Verweigerung des Milttärdienites, in jedem Wieder⸗
holungsfall verlängert, bis zu 10, 15 Jahren waren an der Tagesordnung ; es jind mehrere
ı0 im Kerker gejtorben, einige in Kriege 1866 wegen diefer Weigerung zum Tode verurteilt
(auch erſchoſſen?). Seit 1868 gewährt die Verfaſſung Gemiffensfreiheit. Wenn auch damals
Üebertritte nur von der einen „rezipierten” Neligion zur andern geitattet wurden, dieſes
aljo den N. eigentlich nicht zu gute fam, wurde doch die Delta der Behörben gegen
fie mohlmwollender, ſoweit das Geſetz 8 geltattete. Eine Verſchärfung trat im Jahre
15 1875 ein: mweil jeder erſt in reiferem Alter durch die Taufe bei den N. eintreten kann, aud
die Kinder der dr, nahm die Regierung an, die Leute handelten nur fo, um vom Waffen:
dienfte freizufommen. Deshalb wurde die den alten galiziihen Mennoniten und deren
Nachkommen, ferner den Lipovanern und Karaiten gewährte Vergünftigung, im Sanitäte
weſen u. dal. ihrer Dienftpflicht zu genügen, nicht auf die N. ausgedehnt. Auch im bo&
20 nifchen Feldzug follen Fälle borgefommen fein, daß N., die fi) weigerten, die Waffe zu
führen, erſchoſſen tourden, und nod) jet (September 1902) befinden fich nur deswegen
in Kerkerhaft mehrere, ſonſi gänzlich unbeſcholtene Männer, einer ſchon ſeit zwölf Jahren.
Eine größere Zahl von ihnen wurde aber nach und nach entlaſſen und zum
ohne Waffengebrauch angeſtellt; es ſcheint dies dem Belieben jeder Behörde von Km
25 zu Fall anheimgeftellt zu fein. Andere Schwierigkeiten entitanden ihnen wegen
Eheſchließungen, die den Vorfchriften des Geſetzes nicht genügten. Seit 1868 ſtand es
ihnen frei, Geburts- und Todesanzeigen bei einer Civilbehörde zu machen, welche die⸗
ſelben den Pfarrämtern übermittelte; doch galten fie noch bis 1897 offiziell als Angehörige
derjenigen Kirche, von welcher fie berftammten, mußten als folhe auch Ki
30 bezahlen. Syn der Regel fuchten die Behörden nach Möglichkeit die Härte der Geſetze Bei
der Anwendung zu mildern. Die N. beichweren fih auch nur über die leteren, nicht
über die Beamten, wie fie auch immer Ehrfurcht vor der „von Gott gefegten“ Obrigkeit
befunden, jich aber faft nie an den Wahlen beteiligen. Mit der neuen ungarifchen Ole
gebung von 1894 und 1895 (Einführung der Zivilche u. a. m.) fiel wieder ein Stüd
35 der die N. drüdenden Beltinnmungen. Seitdem werden fie nicht mehr zwangsweiſe einer
der rezipierten Konfeffionen zugeteilt. Der Staat erkennt fie als font ffionalofe Bürger
an, wenn fie ſich als foldhe melden. Und wenn auch noch Freiheitsſtrafen wegen Dienft-
verweigerung vorkommen, ſowie Pladereien wegen Nicht-Teilnahme fchulpflichtiger Kinder
der N. am firchlichen Religiondunterricht und am obligatorifchen Kirchenbeſuch, fo wird
so ihnen in anderen Etüden, z. B. bei ihren Segräbniflen, Freiheit gelaflen und ihrer
Propaganda nichts in den Wig gelegt, wenn dieſe den Kirchen auch oft unbequem wird.
Sie bezweckt nach Auffaſſung der N. ſelbſt auch nicht die Bekehrung aller, nicht die der
Welt, das erklären ſie für unmöglich, ſondern nur, die empfänglichen Seelen aus der Welt
zu retten. S. Cramer.
45 Nazarener, Anhänger des Jakob Wirz, Seidenwebers in Baſel, geb. dajelbit
1778, geſt. 1858, auch „Neukirchliche“ genannt. — Litteratur: „Biographie von Joh.
Taf. Wirz; ein Zeugnis der Nazarenergemeinde von der Entwidelung des Reiches Gottes
auf Erden“; ferner die untengenannten „BZeugnifje“ 2c., endli ein a. 1852 in Barmen und
Zürich gedructes Slaubensbelenntnig.
Unter der Fülle der Denominationen auf dem Gebiete des Proteftantiemus
nimmt Diefe, der Zahl nad kleine Sekte cine verhältnismäßig ertreme Stellung
zur Stiche ein. Durcaus cfleftifcher Natur, wie fie ift, fchreibt fie ihren Stamm:
baum von den verfchiedenften geiftigen Glementen ber; insbefondere fcheinen es zwei
Quellen zu fein, die in ihrem Gedankenſyſtem zuſammengefio en ſind: einerſeits ſind
55 es mittelalterlich-katholiſche und asketiſche Ideen, andererſeits ift es die Geiſtesarbeit von
Böhme, OÖtinger, Michael Hahn, woraus es ſich aufgebaut hat: Materialien genug, um
davon fich zu näbren und zu leben, und genügend difparate Elemente, um m ibre
Verſchmelzung den Eindruck der Originalität und die Sondereriſtenz ald eine Sefte neben
andern verivandten zu begründen. Jakob Wirz felbjt genoß von feinen Anhängern wegen
Razarener, wärttembergifche 675
feiner Enthüllungen und DOffenbarungen, aber auch wegen feiner Perfönlichkeit die höchſte
Verehrung, denn „Jeſus wollte fih ganz und volllommen in ihm ausgebären, Wirz
follte durch Gnade dasfelbe werben, mas Jeſus von Natur ift”. Die „Zeugnifle und Er:
Öffnungen des Geiftes durch Joh. Jakob Wirz, Heilige Urkunden der Nazarenergemeinde”
(Barmen, Yangewieiche 1863; I. Band — ein zweiter fcheints nicht erjchienen) enthalten 6
folche propbetifche Offenbarungen, die er empfangen haben will, vom Jahre 1823—43,
darunter gleich im Anfang bezeichnende fcharfe Zeugnifie „über die ee „an die
Geſellſchaft zum Fälklein“ einschließlich der Miffionsanftalt: „Ihr folltet Xichter fein in
diefer Stadt; aber mie oft wird nicht mein Name geläftert euertiwegen, weil ibr fo
oft den Meltmenfchen gleich ſeid“ 2c.), „an alle Hirten aller Gemeinen”, „an die Räte,
Kichter und Beamten und das Miniftertum der Kirche in Stadt und Landtichaft Bafel”
— die im Prophetenton gehaltenen Apoftrophen find nicht ohne Kraft, ermangeln aber
der Originalität und atmen eine große Beichränktheit; an der bona fides des Autors,
der fich als göttliches Werkzeug fühlte, braucht man darum nicht zu zweifeln. Charalte-
riftifch für dieſe Oppofition und den Proteft gegen die vermeltlichte Kirche, der ja allen ı5
Selten gemeinfam ift, ift jedoch dies, daß er fich nicht bloß gegen die Mifchung von
Belehrten und Unbekehrten in derfelben, ſondern ganz beſonders gegen den “Theologen-
a die Univerfitätsbildung und wiſſenſchaftliche Forſchung richtet, in welcher ein Ab-
all von Chriſto und ehebruchartige Untreue gegen den Herrn erblidt wird („Ein Hoc:
gelehrter, in geiftlichen und natürlichen Willenfchaften Bewanderter, kann, auch wenn er 20
dem Guten nadyftrebt, fein ſolcher Prieſter (tie Melchifedef) werden. Sein vieles Wiſſen
fteht der Arbeit des Geifted Gottes im Wege”; Zeugnifje ꝛc., ©. 542).
Fragen wir nad den Hauptgedanken, in denen fich die Nazarenerſekte beivegte, fo
ift eine e Zufammenfaflung ſchwer zu geben. Palmer bringt in dem Buche: „Die
Gemeinjhaften und Selten Württembergs”, in dem er ©. 143—155 die Nazarener be⸗ 25
fpricht, das Glaubensbelenntnis der Genofjen des Reiches Gottes, wie fie es ſich auf-
erichtet denken und aufzurichten ftreben, auf folgenden Ausdruck: „Jeſus Jehovah, Ein
en mit dem Vater, und dem bl. Geift, ift ber Grund unseres Lebens und Wirkeng,
den wir in Verbindung mit der hl, Muttergemeinde im Himmel und ihren mahren
Gliedern auf Erden umfaffen, um heranzuwachſen zu einem einheitlichen Bau des so
Tempels der hl. Weisheit in Chrifto“. In diefer Zufammenfaffung treten die oben be:
rührten bifparaten Elemente der Gedankenwelt dieſer Sekte wenigſtens andeutungsweiſe
hervor. Einmal bat fie einen erkennbaren katholiſchen Zug: die Verbindung mit der
oberen Muttergemeinde hat fich in der Interzeffion der Jungfrau Maria und der Heiligen
einen konkreten und für Kultus und Gebetsübung maßgebenden Ausdrud gefchaffen. Im 35
Zufammenhang ſteht damit der Gebrauch des Kreusfchlagens, des Betend gegen Oſten
und des Küfjens in den Berfammlungen. Der asfetiiche Zug geht in der Richtung auf
die — des Cölibats ſoweit, daß ihnen der geſchlechtliche Umgang an ſich
als was ündhaftes erſcheint, ohne daß die Ehe überhaupt verworfen oder gemieden
würde. 40
Andererſeits find die von den chriftlichen, genauer evangeliichen Theofophen über:
kommenen Elemente tieferer Erkenntnis das Material, aus welchem fie ihre höhere Weis-
beit ſchöpfen und mit dem fie einerſeits die biblifchen Begriffe und Zeugniſſe deuten
und umbeuten, andererjeitd das chriftliche Leben, d. h. den jubjeltiven Droge der
Heildordnung ſich zurechtlegen und konſtruieren. Die Maffivität der Begriffe erklärt ſich 45
dabei von ſelbſt. Was die objektiven Heilsthatfachen anlangt, fo zeigt fich beiſpielsweiſe
dieſer geiftige Materialismus in der Erllärung der Geburt Chrifti: „Maria hatte, wie
Adam vor dem Fall, männliche und weibliche Tinkturen in fih; der Sohn Gottes nun
faßte ſich nad) ſeiner zuſammenfaſſenden Allmachtskraft in dieſes doppelte Zeugungs-
vermögen der Maria, wodurch die Erregung der betreffenden Organe und die bl. Be oo
fruchtung erfolgte.” Erftaunlicher ift die Analyfe des Todes und der Auferftehung Jeſu.
Er fei, jo wurde a. 1850 dem Jakob Wirz vom Apoftel Johannes eröffnet, am Kreuze
äußerlich geftorben, aber fein Geiſt fet in den durch den Lanzenſtich nicht verlegten Herz
gefäßen noch zurüdgeblieben und fo babe er am dritten Tage mit Hilfe feiner Freunde
wieder auferftehen fönnen (vgl. Palmer a. a. O. ©. 147). Will man das aud nicht 65
einen Standpunft nennen, der mit der Scheintodhypotheſe übereinfommt, jo verrät ſich
doch darin die Thatfache, mie leicht der maſſivſte Cupernaturalismus in den feichtejten
Rationalismus J lägt.
Leichter läßt ſich zurechtlegen die mit demſelben theoſophiſchen Begriffsmaterial ge:
handhabte Deutung des ſubjektiven Heilsprozeſſes. it das Blut Jeſu der Wieder: eo
43*
far
©
676 Razarener, württembergifche Nazareth
gebärungsftoff für das ganze AU, fo muß der Menjch, der felig werden will, dieſe
gottmenschliche Subjtanz ſympathiſch in fich bineinziehen und der Glaube iſt die magne
tische Kraft, welche dag göttlihe Wort in den Mittelpuntt der Ecele binein führt. Da
ber ift die Nechtfertigung nur in der niederften, anfänglichen Form eine zugerechnete;
5 fie muß auffteigen zur Stufe der beiligenden und vereinigenden Rechtfertigung, Die eme
Transformation in das göttliche Lichtweſen mit fich führt.
Daß die Grundlage, auf welche diefe vermeintlich höheren Erfenntniffe fich aufbauen,
nit das Schriftprinzip ift, jondern die Dffenbarungen und Entbüllungen, die dem
—— Gemeinſchaft, Joh. Jak. Wirz, zu teil wurden, ergiebt ſich aus dem Geſagten
10 von ſelbſt.
Daraus folgt, daß die Lebens: und Entwickelungsfähigkeit diefer Sekte eine be
ichränfte bleiben mußte. Zwar iſt fie mit dem Tode ihres Hauptes nicht untergegangen,
ſondern friftete bis heute an zerftreuten Orten (befonders Barmen und Elberfeld?) ik
Dafein. In Württemberg zäblte die Partei a. 1857 in fünf Oberämtern 423 Mitglieder,
15 a. 1869 nur no 366; jest iſt die Zahl noch geringer. Man hört faun von ihnen
mehr, nachdem ſie doch a. 1858 beim Miniſterium (freilih ohne durchzudringen) um
Itaatliche Anerkennung als befondere Religionsgejellichaft gebeten und längere Zeit auch
eigene Schulen im Yande gewährt befommen hatten. — So kann man fagen, daß dieſe
Denomination zwar eine an Impulſen nicht arme Vergangenheit, aber eine ſchwache
20 Gegenwart und feine Zukunft hat. Eigentlid neue Gedanfen find in ihrem geiftigen
Arjenale nicht zu finden und die nach vorwärt gerichteten, auf den Neubau der Gemeinde,
beziv. des Reiches Gottes (der mit Jakob Wirz im Gang kommen jollte!) zielenden
Tendenzen ivaren zu allgemein und verſchwommen, um eine fruchtbringende Kraft zu
entfalten. 3. Herzog.
20 Nazareth. — Litteratur: Zum Namen vgl. gikig in Tübinger Theol. Jahrbb. I
(1842), 410—413; Hengitenberg, Chriſtologie des AT? II, 124 - 129; Th. Keim, Geſchichte
Jeſu von Nazara (1867 jf.) I, 318. IL, 18. 421; H. Ewald in GgA 1867, 1601 ff.; Hitzig in
Heidelberger Jahrbb. 1871, 50f.; Graetz in Monatsſchrift für Geih. und Wiſſenſchaft des
Judenthums XIX (1880), 481—484; T. K. Cheyne in Encyclopaedia Biblica III (1902) s.v.;
30 Ab. Neubauer, La Geographie du Talmud (1868), 190 f. — Im allgemeinen vgl. Fr. Qua-
resmii Elucidatio Terrae Sanctae, Ed. sec. Venetiis 1880-82; T. Tobler, Nazareth in Ba:
läftina 1868; V. Guérin, Description de la Palestine III, Galilee I (1880), 83 ff.; Eber?:
Guthe, Paläjtina in Bild und Wort I (1883), 302 ff.; G. Schumader, Das jepige Razaretb
in BP XIII (1890), 235 ff.; Baedekers Baläftina und Syrien® (1900), 271ff.
36 Nazaretb ift nach den Evangelien die Vaterſtadt (N zarols) Jeſu Mc 6,1; 204,23;
Mt 13, 54. Dort lebten feine Eltern Ye 1, 26; 2, 4. 39; Mt 2, 23 und feine Ge
ſchwiſte Me 6, 3; Mt 13, 55 f., dort iſt er ſelbſt aufgewachſen Le 2, 51; 4, 16. Da
der Name des Orts im AT nicht vorkommt und auch in der fpäteren jüdiſchen Yitteratur
(ſ. unten) nicht ficher bezeugt ift, fo fünnen wir feine hebräifche Form nur aus ber
40 griechiichen Des NIS erfchliegen. Dieje lautet nach den beiten Tertzeugen Nalaoed oder
Nadaoer, die Form Nacaooo, für die Keim I, 319f.; II, 421. unter Berufung auf
Origenes, Julius Africanus und Euſebius lebhaft eingetreten ift, findet ſich Mt 4, 13
und Ye 4,16. Wegen des griechifchen £ an einen bebräifhen Stamm "1: zu denken, iſt
nicht ratſam, da die Älteften ſyriſchen Überjeger Zu (= näserat) fjchreiben und die
45 heutige arabijche Form, die doch wohl aus dem aramäifchen Dialekte Paläftinas über:
nommen it, en-näsira lautet. Die Wiedergabe eines bebräifchen 3 ſchwankt in der LXX
mebrfach zwiichen a und &: Obc Gen 22, 21; Zoydo Ser 48, 34, dagegen Zdpenta
%c 4,26 = TEE und Lıdor; das & ın Nadaped kann alfo für die Ableitung nicht
den Ausjchlag geben. Demnach iſt als die ſemitiſche Form des Namens vermutlich I
so anzufeben, wozu fih N°377T Joſ 19,12 und TEE 18917,9 f. vergleichen laſſen. Über
die Bedeutung dieſes Namens ijt nichts Sicheres zu fagen (Warte oder Wacht ober Be
zeichnung der Siegesgöttin?); unter den vielen Spielereien mag die ded Hieronymus, der
an neser Jeſ 11, 1 (Avdos, flos) dadte, in der ep. 46 ad Marcellam erwähnt
werden: Ibimus ad Nazareth et juxta interpretationem nominis ejus „florem“
65 videbimus Galilaeae. m Talmud beißt Jeſus "TI (Sanh. 43a. 107b; Sot. 47a),
feine Jünger I’IE" (Taan. 27b); auch diefe Benennung läßt fih zu Gunſten eine
bebräifchen PIE anführen, infofern Das a der crften Silbe zu ö getrübt und die be
kannte Endung I unmittelbar mit dem Stamm verbunden wurde, was fehr häufig ge
hab. Sie bedeutet Nazarener, Jeſus von N., grichiih Nalapnvos (Nebenform Na
Nazareth 677
Loonvös) Me 1, 24; 10, 47; 14, 67; 16, 6; Le 4, 34; 24, 19. Diefe Bildung gebt
auf Nalapa zurüd, wie Maydalnyn auf Maydala. Daneben findet fih auch Na-
Cwoatos Mt 26, 71; Le 18, 37; So 18, 5.7; 19, 19; AG 2, 22; 3,6: 6, 14;
22, 8; 26,9, Nalwoaioı für die Anhänger Jeſu 24, 5. Diefe Form iſt an fich fchon
auffällig, da man nicht einfteht, wie das lange 5 der zweiten Silbe aus dem allein be-
fannten Namen des Orts erklärt werden Tann; fie wird aber noch auffallender dadurch,
daß fie Mt 2, 23 mit einem propbetifchen Ausſpruch dr Nalwoatos xAndhoeraı be:
gründet wird, der fih im AT nicht ausfindig machen läßt. In alter Zeit, 3. B. bei
Eufebius im Onomasticon ed. de Lagarde 175. 177. 183. 195f., wird Nalwonios
entiweder ebenjo twie Naönoatos — Nafträer (ſ. Nafiräat) als heilig, rein gedeutet, vder 10
es wird mit dem bebräifchen "25 — Zeig, Blume (ef 11, 1) in Verbindung gebracht.
Die eritere Deutung muß aufgegeben werben, fobald man ſich für die Herleitung des
Namens von einer Wurzel TX2 entfcheidet, die zweite hat noch bis in die Gegenwart
hinein ihre Vertreter (vgl. die Kommentare zu Mt 2,23). Der eigentümlichen Form des
Worts Nalwoatos wird auch diefe nicht gerecht; denn es ift nicht abzufehen, wie ein 16
Nalwoaios nad) den befannten Regeln der Sprache aus einem 33 (Grundforn nisr)
fih ableiten läßt. Ewald ſchloß auf eine hebräifche Form MI: für den Ort und hielt
Natao£ır für eine nur mundartig davon verjchiedene Ausfprache, in der demnach die
zweite Silbe lang getvefen wäre, wie auch aus dem Wechfel von Nalwoatos mit Na-
Capatos in den Urkunden erhelle. Aber die Iehtere Form tft nach den zuverläffigen Tert: 20
eugen überhaupt nicht vorhanden, und die Länge der zweiten Silbe ift durch die im
almud und im Wrabifchen überlieferte Ausſprache ausgeſchloſſen; daher iſt diefe Er-
klärung nicht haltbar. Hitzig hat vorgefchlagen, das hebräiſche Norbild für Nalwoaioı,
nämlich "ES, in dem (unpunftierten) Tert von Jeſ 49, 6 anzunehmen und den Plural
AG 24,5 als „Oerettete”, owlöuevor im Gegenfaß zu den dnoAlvusvors 1%01,18.21; 25
2 Ro 2,15; 4,3 ꝛc. aufzufaflen; Später fei dann dasſelbe Wort, als Singular, parallel
zu 722 im vorhergehenden Gliede, auf Jeſus felbit bezogen worden, teild in dem Sinn
„Grretteter”, teild wegen der Anfpielung auf den Ortsnamen Nazareth (Mt2,23, danach
Le und Jo). Der Vorſchlag hat ohne Zweifel etwas Gefuchtes an fih. Aber man mird
doch im allgemeinen zu der Annahme geneigt fein, daß ſich der Evangelift in Mt 2, 23 30
durch irgend ein an N. anklingendes Wort des ATS zu der Beziehung aut die Bropheten hat
leiten laſſen. Völlig anderer Art ift der Vorfchlag Cheyne’s zu Mt2,23 und Jo l, 45 f.,
daß N. urfprünglih nicht Name eines Drts, fondern, etwa in einer Urform "25, Be:
zeichnung Galiläas geweſen ſei. Damit glaubt er, ähnlich wie ſchon früher Grätz, zu=
gleich die befannte Frage, ob Nazareth oder Bethlehem die Geburtsftätte Jeſu fei, in eine 35
neue Beleuchtung rüden zu können; die frühefte Geftalt der evangelifchen Überlieferung
habe dahin gelautet, daß. Jeſus in Bethlehem — N., d. h. in Bethlehem in Galiläa =
Sof 19, 15, geboren worden fei; diefer zufammengefegte Name habe aber Anlaß gegeben
zur Spaltung der Überlieferung, fo daß die einen Bethlehem (in Juda), die anderen N.
(ald Ortsname veritanden) ala Geburtsftätte Jeſu bezeichnet hätten. 40
Über die ältefte Gefchichte N.s wiſſen wir fehr wenig. Es lag nah Me 1,9;
Dit21,11 in Galiläa, nah Le 4,29 am Abhang eines Berges und hatte eine Synagoge,
in der aud) Jeſus als Lehrer auftrat, freilich ohne Erfolg zu haben Me 6, 1—6; Mt 13,
53—58; %c4,16—30. Weshalb es nicht in Anfehen ftand So 1, 45f., weiß man nicht
recht; man hat gemeint, weil es zu Galiläa gehörte (ſ. Bd VI, 342, 12f.), oder weil 8 46
ein unbedeutender Ort war, oder weil fpätere ungünftige Urteile der Chriften oder Juden
in die frühere Zeit übertragen worden ſeien. Chriftliche Bewohner N.s find in der äiteften
eit nicht bezeugt; vielmehr teilt Epiphanius adv. Haer. I, 136 mit, daß es bis auf
onftantin nur jüdiſche Bewohner gehabt habe, und in feiner Zeit erjt wenige Chriften
fih dort niedergelaflen hätten. Um 400 feheint es für chriftliche Pilger nur geringe An- so
ziehungsfraft gehabt zu baben, wenigſtens fpricht Hieronymus in feiner Peregrinatio
S. Paulae nur ſehr —** von N. Damit ſtimmt gut überein, daß nach einer jüdiſchen
Elegie des Eleazar ha-Kalir (900 nad) Chr.), die jedoch auf einen älteren Midraid
urüdgeht, ih in N. eine Station für Priefter (MEI 77202) befand, die fih des Tempel:
ienfte® wegen nach Jeruſalem begaben. N: tft offenbar erſt verhältnismäßig fpät in die 55
Reihe der von Bilgern zu befuchenden „heiligen Stätten” aufgenonmmen worden, erit
nachdem Konftantin und feine Mutter Helena ihre Aufmerkſamkeit dem beiligen Yande
zumandten. Daher ift auch die gefchichtliche Glaubwürdigkeit der jegt in N. verehrten
heiligen Stätten (f. unten) gering oder gleich Null. Antoninus Martyr fand um 570
teils Chrijten, teild Juden in N., zu denen feit der Eroberung Paläſtinas durch die Araber 60
Fa |
)
678 Nazareth
auch Muslimen kamen. Unter der Herrichaft der Kreuzfahrer war N. wohl ein rein chriſt⸗
licher Ort mit einem Bifchof, fpäter Erzbiichof. Durch die Siege Saladins 1187 und
des Sultans Bibars 1263 wurde es hart mitgenommen, ebenfo durch die türfifche Erobe
rung des Landes 1517. Es wird bald Torf, bald Stadt (mohl nad) biblifchem Sprach
5 gebrauch) genannt, wie in den Jahrhunderten vor den Kreuzfahrern. Unter der Herrſchaft
des Hugen Drufenfürjten Fachr ed-din (1620— 1634) blühte N. auf, doch kam es bald
darauf teils durch Streitigleiten der Einwohner, teild durdy Angriffe von außen wieder
fehr herunter. Unter dem ftarten Regiment des Schechs Zahir el-amr (1750 —1775)
I fih viele Chriften in N. an; die Niederlafjung der Franziskaner ſeit 1620 war
10 für fie ein feiter Stützpunkt. Die Schredensherrfchaft des von den Türken eingefehten,
in Wirklichkeit aber Yelbitftändig handelnden Paſchas in Afto Ahmed el-dschezzär
(1775—1804) brachte über N., befonders über die dortigen Chriſten fchiwere gabe.
Nach feinem Tode trat größere Ruhe ein, fo daß ſich in den letzten 100 Jahren bat
mehr und mehr ausdehnen können.
15 Still und friedlih, wie in der Höhlung einer Muſchel geborgen, ruht N. in der
Mitte eines Hügellranzes. Aus der Tiefe eines länglich geformten Kefjeld erheben ſich
die fauberen weißen Däufer des Ortes, Neihe über Reihe, freilich nicht ohne die orien-
talifche Unregelmäßigteit, und bededen die nörblidhen und weitlihen Abhänge bis zu ber
Sohle des Thals, das nad) Süden zu den Ausgang in die Ebene Sefreel (j. Bd VIII,
20 731 ff.) öffnet. Duaresmius fchildert die Lage für feine Zeit (1616— 1626) ähnlich: wie
eine Roſe von den Blättern umgeben und verſchönert wird, fo tft N., rund wie eine Rofe,
von Bergen umringt und beihütt. In Verbindung mit den fahlen weißen Bergen er
wähnt er, daß nach der Ausfage der Einwohner N. früher Medinat abiat (d. i. weiße
Stadt) geheigen habe — eine Angabe, die ſchwerlich aubertäffig Die Abhänge find
2; nah Süden und Dften gut bebaut, Komfelder wechleln mit Weingärten und eigen:
bäumen. Dieſe grüne Umgebung giebt namentlih im Frühjahr dem Ortebilde etwas
eundlichee. Die meift gepflafterten Etraßen fteigen teil an; der niedrigite Punkt N.s
liegt etwa 360 m, die höchſten Punkte 420—450 m über dem Meere. Die Einwohnerzahl
ſchätzte Dr. Schumacher 1891 auf etwa 7500 Seelen, jest wird fie auf 11000 angegeben;
3 davon fällt je ein Drittel etwa auf ortbodore Griechen und auf Muslimen, die Lateiner
zählen 1500, die unierten Griechen 1000, die Proteltanten 250, die Maroniten 200 —
Juden werden nicht geduldet. N. ift der Hauptort eines Bezirks (kada) im Mutegarziflil
“Akkä und ein wichtiger Marktplag für die Bauern (FFellachen) der Umgegend; daher
wohnt dort eine große Anzahl von Yanbel und Gemwerbetreibenden. Daneben befchäftigen
35 fi die Einwohner mit Aderbau und Viehzucht. Die einzelnen Religionsgemeintchaften,
zum Teil in befonderen Stadtvierteln wohnend, ftehen unter ihren eigenen Oberhäuptern,
die ein Amtsſiegel führen und die öffentlichen Angelegenheiten gemeinfam mit ber Re
gierung ordnen. Das Einvernehmen zwifchen Chriſten und Muslimen fol in letzter Zeit
nicht mehr jo gut geweſen fein wie früher.
40 Bon den heiligen Stätten in N. ift die den orthodoren Griechen gehörige Gabriels-
firche oder Verfündigungsfirche infofern befonders anziehend, als fie neben einem Orte
erbaut ijt, den das Jeſuskind mit feiner Mutter Maria ohne Zweifel oft bejucht bat,
nämlidy neben der Marienquelle im Nordoften der Stadt. Es giebt zwar noch eine zweite
Tuelle im Welten N.s, die neue Duelle oder Feigenbaumquelle; da fie aber im Hoch—
35 jonımer verjiegt, twährend die Marienquelle beitändig Waſſer hat, jo iſt es im boben
Grade wahrſcheinlich, daß Maria bier mit ihrem Sohne Waſſer geichöpft hat, mie noch
heute die Mütter oft mit ihren Knaben zur Quelle geben. Die Kirche wird fchon von
Arculf-Adamnanus um 670 erwähnt; der heutige Bau, der halb in der Erbe ftedt, ift
um 1780 errichtet und liegt etwas ſüdlich von der Quelle, deren Waffer in einem Kanal
so durch die Kirche läuft, dort neben dem Altar gejchöpft werden kann und teiter zu dem
ſüdlicher gelegenen Marienbrunnen geleitet ift, an dem jebt die Frauen N.s fchöpfen.
Die römiſch-katholiſche Kirche der Verkündigung liegt im Süden des Orts und gehört
zum Sranzisfanerflofter. Der 7* Bau, eine dreiſchiffige Kirche, ſtammt im weſentlichen
aus dem Jahre 1730 und ſoll über dem Hauſe der Maria erbaut ſein, in dem ſie der
55 Engel Gabriel begrüßte. Nach der bekannten Legende ſoll dieſes Haus jetzt in Loreto
in Italien ſtehen; Engel follen e8 am 10. Mai 1291, um es den Ungläubigen zu ent-
ziehen, nach Terfato bei Fiume und dann nach Loreto bei Ancona getragen haben. An-
toninus Martyr berichtet um 570, daß das Haus der Maria eine Batllıka ſei. Diele
wurde von den Muslimen zerftört. Die Kirche der Kreuzfahrer ftand bis 1263. Ihre
Nachfolgerin ift der jetzige von den Franziskanern aufgefüßrte Bau. Unter dem Hochaltar
Nazareth Reander, Auguft 679
öffnet fich die Treppe zur Krypta, die die Engelskapelle, die Verkündigungskapelle und die
Joſephskapelle enthält. Eine tiefer zurüdliegende Felshöhle, eine Gifterne, wird als die
Kirche der Maria ausgegeben. Die Synagoge, in der Jeſus gelehrt haben foll, wurde
ſchon zur Zeit des Antoninus gezeigt; jebt liegt fie, d. 5. die neue Kirche der unierten
Griechen, nördlich vom Klojter der Franziskaner. Weiter abwärts zeigt man das Haus 5
und die Werkſtatt Joſephs (feit den 17. Jahrhundert genannt). Noch jünger iſt der
Tiſch Chrifti, ein großer Felsblod, an dem Jeſus mit den Düngern vor und nad) feiner
Auferftehung gejpeift haben foll; der Ort mit einer Kapelle gehört den Lateinern. —
Man bat au den Berg oder den Abhang, von dem die Juden Sefum hinabſtürzen
wollten Le 4, 29, ausfindig gemacht und zeigt ihn jegt °, Stunde ſüdlich von N. am
Nordrande der Ebene Sefreel in dem dschebel el-kafze, der ſich 240 m hoch fteil über
die Ebene erhebt.
N. ift jebt der Sig eines griechiſch-orthodoxen Biſchofs und hat ein griechifches
Klofter mit Ainaben- und Mädchenſchule. Auch die Ruflen, die fih in den lebten Jahr⸗
zehnten in N. fehr ausgebreitet haben, unterhalten mehrere Schulen. Die römifch-fatho-
liche Kirche wird in N. vertreten dur die Franziskaner, die außer ihrem Klofter mit
Kirche und Schule ein geräumiges Pilgerhaus bejisen, ferner durd) mehrere Frauenorden
(Dames de Nazareth, Soeurs de St. Clair, Soeurs de St. Josöphe). Die Maro-
niten haben eine Kirche. Durch die englifche Church Mission ift feit 1851 in Nazareth
und Umgebung eine protejtantiiche Gemeinde gegründet worden, die feit 1871 eine ſchmucke, zu
in gotischen Stil erbaute Kirche befitt. Die Female Education Society in London
bat 1872—75 ein ftattlidhes Mädchenwaiſenhaus (mit Schule) am Abhang des Dschebel
es-Sich oberhalb der Stadt erbaut, von deſſen Dach ſich ein weiter Überblid über die
Umgegend darbietet. Guthe.
N
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5
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or
Neander, Auguſt, geit. 1850. — O. Krabbe, Auguſt Neander, ein Beitrag zu deſſen
Charatteriftit, Hamb. 1852; C. 8. Kling, D. Auguft Neander, ein Beitrag zu deſſen Lebens:
bilde (mit einem Nachtrag: Neanders Familienverhältniſſe, frühere Zugendzeit, Uebertritt zum
Chriſtentum, Univerfitätd: und Kandidatenleben), ThHStft 1851, II; Zum Gedächtnis Auguft
Neanders, Berlin 1850; Neuer Nekrolog der Deutichen, 1850, ©. 425; Hagenbach, Neanders
Berdienfte um die Kirchengefhichte in den THStK® 1851, III; Baur, Die Ehocen der firchl. ww
Geſchichtſchreibung; G. Uhlhorn, Die ältere Kirchengefhichte in ihren neueren Daritelungen, IdTh
11.85, 3.Heft, S.648 ff.; 3.2. Sacobi, Erinnerungen an A. Neander, Halle 1882; 2. Schaff,
A. Neander, Erinnerungen, Gotha 1886; A. Wiegand, A. Neanders Leben, Erfurt 1889;
N. Er Rede auf A. Neander geb. zur Feier feines 100jährigen Geburtstags, Berlin 1889;
8. Th. Scheider, U. Neander, Beitrag zu feinem Leben und Wirken, Schleswig 1894. 35
Johann Auguft Wilhelm Neander ftammte aus israelitiichem Geſchlechte und führte
vor feinem Übertritt zum Chrijtentum den Namen David Mendel. Er wurde am 17.
(nicht 16.) Sanuar 1789 in Göttingen geboren, wo fein Vater Emanuel Mendel als
Handelsmann lebte. Seine Mutter, Ejther Mendel, ge. Gottſchalk, war aus Hannover
gebürtig.” Sie war verwandt mit dem Philofophen Mofes Mendelsjohn und dem Uber: wo
medizinalrate Stieglig in Hannover und muß eine fromme Frau, eine liebevolle Mutter
geiveien fein. Bald nach der Geburt diefes ihres jüngjten Kindes z0g die Mutter, getrennt
von ihrem Manne, nad) Hamburg, welches Neander deshalb auc als feine eigentliche
Baterftadt anzufehen gewohnt war. Die Familtenverhältniffe, in denen er aufwuchs,
waren in mancher Beziehung drüdend, und nur die Unterftügung Fremder, nanıentlich 45
Stieglits, machte eine gelehrte Ausbildung möglid. Er erhielt dieſe zuerft in einer
Privatichule, dann feit 1803 auf dem Johanneum in gamburg, deflen damaliger treff-
licher Direltor Johannes Gurlitt frühe die bedeutenden Anlagen des jungen Mendel er:
fannte und unter deijen Leitung er den Grund zu einer tüchtigen klaſſiſchen Bildung legte.
Am 4. April 1805 beitand er das Maturitätseramen und ging nun, nachdem er eine ww
Abichiedsrede über das Thema: „De Iudaeis optima conditione in civitatem reci-
piendis“ gehalten (gedrudt im Michaelisprogramm des Sohanneums von 1805) ala Stu-
diosus juris auf das akademiſche Gymnafium Hamburgs über. Es war hier befonders
das Studium des Plato, das ihn beichäftigte und ihm zu einer Vorſchule für das
Chriftentum wurde. Nach feinen eigenen Geſtändniſſen iſt es außerbem eine Stelle in 55
Plutarchs Pädagogen geweſen, die ihm zum Wegweiſer wurde; vor allem aber jchlofien
ibm Schleiermachers Neden über die Religion die Erkenntnis des Chriſtentums auf (vgl.
Strauß in der Rede im Sterbehaufe ©. 14). Im Umgange mit Sievefing, Neumann,
Noodt, Varnhagen, die mit ihm dag Gymnafium bejuchten und ihn wieder mit Adalbert
680 Neamder, Auguft
nr Me A Verbindung brachten, mannigfach angeregt, lam Se en Bahr Man
— N
Am 15. Februar 1806 wurde David
1 Tea damen Johann Aupuf
= ee hi
u vertaufehen. ier war er nur En, das | von
* Ei ya — vgl. a. a. O. —
leiermac * ß entfaltete. Am meiſten gewann
e ſeines Ruhmes ſtand, Einfluß auf ihn. Er * t nur in Reander
0 den en, ii ber ademifchen Laufbahn Re Born ern —F
den Fe chen Arbeiten an, durch Ben
Dr. Gottlieb Jakob Plan —* *
he nn ir Neanders inneres Beben muß —5* en u
1807 über Hannover nad Hamburg er "obtpohl. fir mebr
3 tungen ſchließen fünnen. In Wandsbed hielt er — erſte Predigt über Yo 1,
Als er zurückkehrte, bemerkten feine Mile ge eine große Veränderung an im. & Schleier
marher, a Fichte wurden beijeite gelegt, das Neue Teftament 1 en Pla
ein, und bie Kirchenväter füllten feine Stube. Nad einigen Monaten —
Freunden ein Slaubensbefenntnis vor, an defien Scluffe er das Stubium der Kirchen⸗
10 nefchichte als das gel. ſeines — Studiums hinſtellte und den Herrn inbrünftig
anrief, daß er ihn darin leiten und vor allen Verirrungen bewahren wolle
Nach Beendigung feines akademiſchen Studiums kehrte Neander Oftern |
Hamburg zurüd, Nachdem er im 2 re 1809 jein Handibateneramen — tte,
lieb er bier 1'/. Jahre, gab Unterricht, predigte auch bisweilen und ſetzte inzwiſchen fein
15 Studien, namentlich fi enbiftorijche, mit großem Eifer fort, ſchon j mit dem Sebanı
an ben alabemifchen Beruf beſchäftigt. Marbeinefes und de von
berg nadı Berlin lenkte jeine Gedanken auf die erftere Univerfität, wo er 31
ber Differtation:; „De fidei gnoseosque christianae idea et ea, qua ad se invic
atque ad philosophiam referantur, ratione seeundum mentem Clement
0 xandrini (Heidelbergae 1811)" babilitierte,
Schon im folgenden Jahre 1812 wurde er zum auferordentlichen Profeffor ern
noch che er die erſte jeiner Monographien herausgegeben hatte. i e erichien in dem⸗
jelben Sabre 1812: „Über den Kaiſer Julianus und jein Zeitalter; ein biftorifches Ges
mälde (Leipzig 1812; 2. Aufl. Gotha 1867)". Zwar dachte man jest in Heidelber
» daran, Neander bure Übertragung einer ordentlichen Profeſſur Dort zu balten, aber ein
auf Schleiermachers Anregung an ihn ergangener Ruf na Berlin Tolle En ei
oͤßeren Wirkungskreis hineinſtellen. Wie die Gründung der Univerſität n mit be
—— Preußens in der Zeit tiefften äußerlichen Drudes ——— fi
die theologijche Fakultät Berlins vor allen geweſen, von der die Reg eneration | ver Then
eo logie wie die Wiedererwedung des chriftlichen Glaubens ausgegangen "iR, die mit der Er
Neander, Auguft 681
bebung Deutichlands in den Freiheitskriegen Hand in Hand ging. Schleiermacher, de Wette,
Marheineke wirkten jchon dort, zu ihnen fam nun Neander, der nicht dag Wenigite zur
Erfüllung jener Aufgabe beigetragen hat.
Neander begann feine Wirkſamkeit in Berlm im Jahre 1813, eine Wirkſamkeit, die
var anfangs durd die Zeitverhältniffe eingeengt, bald und raſch fich in immer größeren
reifen entfaltete. Be Kirchengeichichte las er auch Eregeje ded Neuen Teitaments,
beides mit großem Beifall. Daneben rubten feine litterarifchen Arbeiten nicht. Noch im
Jahre 1813 folgte die zweite Monographie: „Der hl. Bernhard und fein Zeitalter” (neu
herausgegeben von Deutfdy 2 Bde 1889 f.), dann im Jahre 1818 die „genetifche Ent:
widelung der vornehmiten gnoftischen Syſteme“, im Jahre 1822 „ver bl. Chryſoſtomus 10
und die Kirche bejonders des Orients in deſſen Den he und die „Denktivürdigfeiten aus
der Geſchichte des Chriftentums und des chriftlichen Lebens”; endlich im Jahre 1825 der
„Antignoftifus, Geift des Tertullianus und Einleitung in deſſen Schriften”, 2. umgear:
beitete Auflage 1849.
Alle diefe Monographien waren nur Vorbereitungen auf das Hauptiverk feines Lebens,
feine „Allgemeine Geichichte der chriftlichen Religion und Kirche”. Schon längere Zeit
hatte ſich Neander mit dem Gedanken einer foldhen getragen, ohne zu einem beſtimmten
Entſchluſſe kommen zu können aus Scheu vor der Größe des Werks. Eine Aufforderung
jeined Verlegers Friedrich Perthes zu einer neuen Auflage des Julian brachte ihn zum
Entihluß, indem er, jenes Werk in der bisherigen Geitalt wieder ausgehen zu Iaffen, 30
Bedenken trug und nun den Plan zu dem größeren Werke faßte. Im Jahre 1826 er-
ſchien der erite Band, dann fucceffive bis zum Jahre 1845 fünf Bände ın zehn Ab-
teilungen, welche bis auf Bonifactus VIII. reichen. Eine neue Auflage der eriten Bände
erjchien feit 1842 vielfach umgearbeitet; einen elften Teil, der die Kirchengefchichte bis
zum Bafeler Konzil enthält, hat Schneider 1852 aus den nachgelafienen Papieren Ne: 25
anders Hinzugefügt. Eine dritte Gefamtausgabe des ganzen Werkes in zwei Bänden
(4 Abteilungen) erjchien 1856 mit einem inhaltreichen Bormworte von Ullmann. Neben
der allgemeinen Gefchichte der Kirche bearbeitete Neanver die „Gefchichte der Pflanzung
und Leitung der chrijtlichen Kirche durch die Apoſtel, als felbitftändiger Nadıtrag zu der
allgemeinen Gefchichte der chriftlichen Religion und Kicche” (2 Bände, Hamburg 1832) 30
und angeregt duch den Kampf gegen Strauß, das „Leben Jeſu“ (ebendaf. 1837). Außer:
dem haben wir von ihm eine große Zahl Heinerer Schriften, Programme, Vorträge in
der Alademie der Wilfenichaften, Aufſähe in der von ihm mitbegründeten „deutſchen 3eit-
ſchrift für chriftliche Wiſſenſchaft und diftliches Leben” u. ſ. w., |. Willenfchaftl. Abhand-
lungen, berausgeg. v. J. 2. Sacobi, Berlin 1851. Eine Gefamtausgabe der Werte Ne: 36
anders erichien 1862-1875.
Wir haben die Eirchenhiftorifchen Arbeiten Neanders zufammengeftellt, um einen Über:
blid über diefelben zu geben; verfuchen wir nun eine Würdigung derfelben. Um Nean-
ders Bedeutung zu veritehen, muß man fich vor allem erinnern, wie es mit der Kirchen
geichichte ftand, als er zu arbeiten begann. Der bebeutendite Kirchenhiftoriter jener Zeit 40
war fein Lehrer Pland. Er gebört der ſog. pragmatischen Geſchichtsſchreibung an; diefe
darf als die Stufe angefehen werben, auf welcher Neander die Kirchengeichichte vorfand,
obwohl in Schellings und Marheinekes Konftruftionen der Sirchengefchichte wie in dem
neu erwachenden gründlicheren Duellenftubium Giefelers u. a. Elemente einer höberen
Auffaflung teils ſchon gegeben waren, teild gleichzeitig gegeben wurden. Die pragmatifche 45
Geſchichtsſchreibung tft Die des Nationalismus wie des Supranaturalismus; erjt eine Theo:
logie, melde fich überhaupt über diefen Gegenſatz erhob, konnte auch eine höhere Ge—
ſchichtsanſchauung hervorrufen, und tie es vor allem Schleiermachers That iſt, den
Fortichritt über jenen Dualismus hinaus bewirkt zu haben, fo bietet Neanders Kirchen:
‚gefchichtichreibung dazu die Barallele in der einzelnen Disziplin. Nationalismus wie su
Supranaturaligmus willen das Chriſtentum nur als eine Lehre aufzufaflen, mag nun
dieſe Lehre als eine aus der Vernunft ſtammende oder als eine von oben übernatürlich
geoffenbarte aufgefaßt werden; beide twurzeln in derfelben nur nad) verfchiedenen Seiten
gewendeten mechanischen Weltanſchauung; beiden fehlt daher das Verftändnis einer ge:
ſchichtlichen Enttwidelung; beiden treten die objeftiven Mächte ganz vor den Individuen 55
zurüd. Deren Denten und Wollen, deren Pläne und Abjichten, gute und böfe, find die
einzigen Motive aller Veränderungen. Bon höheren über die einzelnen Individuen binaus-
liegenden Raufalitäten weiß man nichts, oder wo folche auftreten -- Vorfebung, Plan
Gottes — da find fie tot, fchweben in unnahbarer Ferne über den Individuen. Dieſe
zu belaufchen in ihren Plänen, darin befteht die bijtorifche Stunft des Pragmatismus, auf so
an
—
oO
682 Neander, Auguft
pſychologiſchem Wege foll das Material gewonnen werden, während das Duellenftubium
zurüdtritt. An die Stelle des reichen Anhaltö der lebendigen Entwidelung tritt der
eigene arme, entleerte Begriff vom Chriftentum, in dem man fid doch fo body und reich
bünft und mit dem als Maßftab man zulett zu Gerichte ſitzt.
6 Bereits die erjte Arbeit Neanders, fein Julian, hat die pragmatifche Geſchichtſchrei
im weſentlichen nach allen Seiten durchbrochen. Wenn er gleid im Cingange
binweift, „mie wenig es in der Macht des Einzelnen fteht, etwas zu fchaffen, wie wenig
der Sinzelne vermag im Kampfe mit der Vorfebung, die nach ihrem ewigen Ratſchluſſe
den Seit der Zeiten leitet und bildet”, fo ijt damit der bisher berrichende Pragmatismus
10 aufgehoben und cine höhere teleologifche Gefchichtsbetradhtung an die Stelle getreten. Daß
Neander gerade den Julian zum Gegenftand erwählt, wie die Art, in der er ihn auffef
daß er jelbft in dieſe feinem inneriten Leben fremde und mwiberftrebende Perſönlichklei
(denn wenn man beide, Neander und Julian, als Romantiker einander verwandt g
bat, jo it das mehr Schein ale Wahrheit) mit folcher Liebe und Hingabe eingeht, zeigt
15 ſogleich Neanders glänzendfte Eigentümlichleit. An die Stelle der piochologif Künfte
tritt ein reiches Quellenftudiun, und man braucht nur zu leſen, wie Neander im Ein-
gange die Beitrebungen Sultans in den Entwidelungsgang der Kirche einfügt, um zu
erfennen, daß bier eine höhere Geſchichtsauffaſſung waltet, als jene äußerliche, die Julian
nicht zu verjtehen im ftande war, ihn entweder als a btriinnigen nur zu verabicheuen
© twußte oder ihn gar eben wegen dieſes Gegenfages gegen die Kirche mit einer gewiſſen
Glorie ungab. In noch höherem Maße tritt das alles in Neanders zweiter Monographie,
im Yeben des hl. Bernhard, hervor. Hier hatte er eine ihm felbit im Innerſten ver:
wandte Perfönlichkeit vor fih. Hier erit fteht man recht, wie er es verfteht, eine Ber:
jönlichkeit in ihrem innerften Kern aufzufaflen und von da aus ihr Thun und Wirken
25 darzuftellen, ſodaß es vor den Augen der Leſer aus jenem Kerne von innen beraus
wächſt, und man von da aus auch die Einfeitigleiten und Schroffheiten begreifen lemt.
Mit der „genetiichen Entwidelung der gnoftiihen Syſteme“ wendet er fih dann ber
Dogmengefchichte zu, und auch bier ift feine Arbeit unzweifelhaft epochemachend. Zwar
batten Beaufobre, Mosheim u. a. fchon die Überwindung der alten Auffaffung, nad
3% welcher die gnoſtiſchen Syſteme nichts als Ausgeburten einer kranken Phantaſie oder
tirchenfeindlicher Bosheit waren, vorbereitet, aber auch ihnen waren jene wunderbaren
Syſteme doch nur vereinzelte Meinungen, die fie weder ihrem Urfprunge nach zu begreifen,
noch in ihrer Bedeutung zu würdigen wußten. Neander hat zuerjt die Verwirrung auf
diefem Gebiete zu lichten angefangen, er hat die gnoftifchen Eyfteme mit verwandten Er:
35 ſcheinungen kombiniert, hat gezeigt, aus welchen Bedürfnifjen fie berborgingen, und fie
in den Entwidelungsgang der Kirche eingereibt. Muß auch diefes Werk jetzt als
antiquiert gelten, jo gebührt ihm doch das Verdienſt, bier viele Forſchungen angercat
(hir erinnern nur an die Glementinen) und den Weg gebrochen zu haben. Der Che:
ſoſtomus ift die ausführlichfte der Biographien Neanders, oft breit, zerfließend, ber
40 Be nad mangelhaft, wie das überhaupt Neanders ſchwächſte Seite ift, aber reich an
halt.
Sehen wir nun zu den Hauptwerke Neanders über. „Das Chriftentum erkennen
wir als eine nicht aus den verborgenen Tiefen der menfchlichen Natur ausgeborene, fon-
dern ale eine aus dem Himmel, indem biefer fich der von ihm entfrembeten Menſchheit
35 geöffnet hat, ſtammende Kraft, eine Kraft, welche in ihrem Wefen wie in ihrem Urfprunge
erhaben über alles, was die menfchliche Natur, aus ihren eigenen Mitteln zu fchaffen
vermag, neues Leben ihr verleihen und von ihrem inmwendigen Grunde aus fie umbilden
follte‘. In diefem Befenntniffe, welches er im Eingange zur allgemeinen Kirchengejchichte
ablegt, Tiegen die Wurzeln der ganzen firchengefchichtlichen Anjchauung Neanders. Das
5 Chriſtentum iſt ihm eine Kraft, cin Leben, nicht bloß eine Lehre, und zwar nicht em
bloß menfchliches, aus der Menfchheit ausgeborenes, fondern ein von oben hineingefenltes,
ein göttliches Xeben, ein göttliches, das aber wahrbaft in das menjchliche eingeht, es von
innen beraus umzubilden. „Obgleich es als höheres Umbildungselement in die Menſchheit
eintrat, jo follte es doch nicht bloß durch Wunder fich fortpflanzen, —8 iſt denſelben
5 Entwickelungsgeſetzen wie alles Übrige unterworfen“. Dieſes Eingehen iſt aber möglich,
weil die menſchliche Natur nad ihrer Schöpfungsanlage zur Aufnahme dieſes böberen
Prinzips beſtimmt, für dasſelbe empfänglich iſt. „Wenngleich das Ehriftentum nur als
ettvas über die Natur und Vernunft Erbabenes, aus einer böberen Quelle ihr Mitgeteiltes
veritanden werden fann, jo ftebt c8 doh mit dem Weſen und Enttwidelungsgange ber:
© jelben in einen notwendigen Zufammenhange, obne welchen es ja auch nicht dazu be:
Neander, Auguft 683
ftimmt fein könnte, zu einer höheren Stufe fie zu. erheben, ohne welchen es überhaupt
nicht auf fie einwirken könnte”.
Die Geſchichte der Kirche ift alfo für Neander die Geichichte des Durchdringungs⸗
prozeſſes des von oben hineingefentten göttlichen Lebens mit dem menfchliden. Es ift
das Gleichnis vom Sauerteig, auf das Neander immer wieder hinweiſt. „Wie das Wenige 6
des Sauerteigs, in die große Maſſe des Mehls geisorfen, einen Gährungsprozeß in der:
felben hervorbringt, und, durch die inwohnende Kraft darauf einwirkend, das Ganze jich
verähnlicht ; fo rief das Chriftentum, als das himmlische Ferment, durch die Macht eines
göttlichen Lebens einen Gährungsprozek in der menfchlichen Natur hervor, der feine Wir:
ngen mitten aus den verborgenen Tiefen derjelben, von ihren inneriten Grunde aus,
auf das Denken wie auf das äußere Leben verbreitete, Alles fich zu verähnlichen, Alles
umzubilden und fich anzubilden; etwas, das nur in allmählichen Entwidelungsgange
erfolgen fonnte und mannigfaltige Kämpfe mit den zu überwältigenden fremden Elementen
vorausfehte”. (Vgl. außerdem „Kleine Gelegenbeitjchriften” ©. 123.)
Sehen wir noch genauer zu, wie fid) Neander dieſe Entwidelung vorftellig macht. 16
Das neue göttliche Leben bat ſich zunächſt in Chrifto dargeftellt. In ihm als dem Ur:
bilde, dem anderen Adam, tft es in feiner ganzen Fülle, deshalb über alle Gegenfäge
erhaben, die Grundelemente aller menjchlichen Eigentümlichleiten in fich zufammen-
fchließend. Mas aber in Im ein? war, das muß nun in der bon Ei ausgehenden
Entwidelung ſich individualifieren. Das eine Leben geftaltet ſich mannigfaltig, eingehend 20
in die Mannigfaltigleit des Menfchenlebens. Da die natürlichen Eigentümlichkeiten der
Individuen nicht aufgehoben, fondern verklärt werden follen, fo ftellt jedes Chriftenleben
das eine Leben Chriſti in eigentümlicher Geftalt dar. In feinem ift e8 ganz und völlig;
jeder bringt nur eine Seite desfelben zur Offenbarung. Einer muß daher den andern
ergänzen und bedarf wieder des andern zu feiner Ergänzung, und erft in allen zu: 25
jammen, erft im Lauf der ganzen Gefchichte kommt der ganze und volle Chriftus zur
Darftellung. So ſieht Neander das eine Leben in verfchtevene Richtungen auseinander
gehen, die unter Einwirkung ber ſtets noch eingreifenden Sünde zu Gegenfägen werden,
die ftatt einander zu ergänzen fih ausschließen und befehden, und dann doch wieder auf
Grund der höheren Leitung fid) ergänzen müſſen. Immer aufs neue ftellt Neander so
foldhe Gegenſätze einander gegenüber: äußeres und inneres Chriftentum, Weltaneignung
und Weltbefämpfung, rationaliftifche und fupranaturaliftifche, Scholaftifche und myſtiſche,
ſpekulative und praktische Richtung. Diefe ftete Aktion und Reaktion, diefes ſich gegenfeitige
ervorrufen, Anziehen und Abſtoßen, Anfeinden und Zufammenjcließen, Yorbern und
rgänzen und ın dem allen die immer völligere, alljeitigere Offenbarung des gött- ss
lichen Lebens bis zur vollftändigen Darftellung des ganzen Chriftus in der Geſchichte
Einf ift die Bewegung der Kirchengefchichte, das darzuftellen die Aufgabe des Kirchen⸗
Bon bier aus verfteht man die Eigentümlichkeiten der Neanderfchen Kirchengeichichte.
Hier murzelt zunädjft ihr erbaulicher Charakter. Neander hat jelbit darauf aufmerkſam «0
gemacht, daß hier „ein notwendiger Zirkel für das Erkennen ift.” „Das Verftändnis
der Geſchichte jest das Verſtändnis deilen, was das wirkſame Prinzip in ihr iſt, voraus,
die Gejchichte giebt aber auch wieder dafür, daß ung dies gelungen it, die rechte Probe“
(RS I, 1). Für Neander ift die Gefchichte der Kirche dag Bemußtjein der Kirche von
ihrem eigenen Leben, ihm ift feine Arbeit als Gefchichtfehreiber der Kirche eine Bethä- 46
tigung feines eigenen frommen Lebens; es gilt bier fein oft gebrauchter Wahlſpruch:
„Pectus est quod facit theologum“. Bei Neander wird daher die Kirchengefchichte
ganz von ſelbſt erbaulich,; es iſt Das nichts von außen Hinzugethanes, ſondern der not—⸗
wendige Zielpunkt diefer Bewegung. Deshalb erklärt er, daß er einen Gegenſatz zwiſchen
erbauender und belehrender Kirchengeſchichte nie anerkennen werde, deshalb fpricht er es so
aus: „Die elhignte der Kirche Chriſti darzuitellen als einen fprechenden Erweis von
der göttlichen Kraft des Chriftentung, als eine Schule chriftlicher Erfahrung, eine durch
alle Jahrhunderte hintönende Stimme der Erbauung, der Lehre und der Warnung für
alle, die hören wollen — dies war von früh an ein Hauptziel meines Lebens und meiner
Studien”. 65
Sin den dargelegten Grundanjchauungen Neander® wurzelt dann ferner auch die
Eigentümlichkeit, weldye an allen feinen Werfen zunächft ins Auge fällt, die zu den
leuchtendſten Zügen feiner Ericheinung gehört, feine Achtung vor dem individuellen Leben,
feine Hingabe an das Individuelle, feine Fähigkeit, dieſes zu erfaffen und zur Daritellung
zu bringen, kurz die Objektivität feiner Darſtellung. Aber diefe Achtung vor dem In⸗ 60
dei
©
684 Keander, Auguft
dividuellen rubt auf tiefem Grunde; es iſt nicht Achtung vor dem Individuum an fh,
fondern vor dem Individuum als Träger des chriftlichen Lebens. Weil er weiß, daß
ih das chriftliche Leben jo indiwidualifiert darftellen muß, weil er Chriftum überall ſucht
und „die Gabe hat, ihn überall zu finden”, darum beugt er fi) vor dem Indivibuellen.
» Daher denn dieſe Hingabe an den Gegenjtand feiner Gefchichtfchreibung. Mit aller
Treue, mit der größten Selbftverleugnung ftrebt er die Bilder des individualifierten
chriftlichen Lebens zu erfaflen und das Kleinod, das er gefunden, auch ungetrübt wieder
zu geben. Aus dieſer Hingabe entipringt dann die Fähigkeit, die wir ſchon oben an
feinen Monographien aufgewiefen baben, ſich hineinzuleben in andere Individualitäten,
10 das chriftliche Yeben in jeder Umhüllung, in jeder auch noch fo freinden Form zu finden
und aufzudeden; felbit den leiſen Schimmer des Lichtes, der fonit von Nacht umbüllt ift,
noch zu erfalfen und auch andere erbliden zu laffen. Daher diefe Weitherzigkeit, Diele
Milde des Urteils neben unbedingter Mabrheitsliebe. Daher mit einem Worte dide
Objektivität der Gejchichtsfchreibung, bei der die verjchiedenartigften Geftalten in ihrem
15 eigenen Lichte, in ihrer eigenen Umgebung vor uns bintreten, wie Baur ſchön gefagt bat
(Epochen der Kirchengefchichtsfchreibung S. 206); „Frei vor dem fich ihrer Freiheit freuen:
den Gefchichtichreiber daftehen !“
Doch damit ſtehen wir auch an dem jchwächlten Punkte der Neanderfchen Gefchichts-
auffaſſung. Das Individuelle überwiegt bei weiten das Gemeinfame, das Objektive
>» tritt ganz hinter das Eubjektive zurüd. Die Gemeinjchaft beiteht für Neander, genauer
angejehen, eigentlich nur in den Nebeneinander von einzelnen Individuen, Die Dasfelbe
eine Leben in Mannigfaltigkeit darjtellend, fich gegenfeitig ergänzen und im Gleichgewicht
halten. Diefes Aggregat von Individuen tft nicht ftark genug gegenüber dem Einzelnen,
deshalb macht fich Doc immer wieder der Einzelne, die Berfon vor der Gemeinfchaft, das
25 Individuelle vor den Gemeinfamen geltend. Es iſt mit einem Worte der Mangel des
Kirchenbegriffs, die Schwäche des Kirchlichen der Grundfehler der Neanderfchen Kirchen:
gefchichte. Statt einer Kirche haben wir nur eine Sammlung einzelner, vom chriſt⸗
lihen Leben erfüllter Andividuen, mie denn auch die Grenze der Kirche falt ver:
Ichwindet, indem alle Individuen, in denen nur noch die leifeften Spuren des chriftlichen
80 Lebens fich finden, mit in den erweiterten Kreis gezogen werben, zwiſchen Kirchlichem
u Häretiſchem nur ein völlig relativer, im Grunde nur konventioneller Unterjchied be
alfen wird.
Damit hängt c8 aufs engfte zufammen, daß das biographifche Element bedeutend
vormwaltet. Die Gefchichte drobt, ſich in eine Neibe von Biographien zu zerfplittern. Die
85 Beziehungen des Chrijtentums zu den Gefantheiten, zu den Völkern, noch mehr zu ber
Menschheit ald Ganzem, treten zurüd. Noch weniger als das ficchliche iſt das Tatbe:
lifche Element bei Neander zu feinem Nechte gekommen. Mit Vorliebe wendet er ji
überall dein inneren Leben, dem Genütsleben des Einzelnen zu, hier ſucht er die Wurzeln
aller Geſtaltungen und Bewegungen in der Kirchengefchichte, während er die objektiven
10 Mächte nicht genug zu würdigen weiß, ja dieſe oft mißtrauifch anfieht als Beſchränkungen
der Freiheit des Individuums. Das innere, Stille, verborgene Leben des Chriftentums
bat er mit Meifterhand ausgeführt, aber feine weltübertoindende Kraft, feine nach außen
bin geftaltende Macht bat er nicht in ihrer ganzen Fülle zu erfaſſen vermodt. Tas
(Hebiet des inneren Yebens durchſchaut er und ftellt es unübertrefflih dar, das Gebiet
45 des äußeren Xebens, das Leben der Kirche als Volkskirche, wie es fih offenbart in ber
Bildung des Dogmas wie Des Nechts, in den Geftaltungen der Sitte, wie ın den
Schöpfungen der Kunſt, im Bau der Sprache, wie im Bau bimmelanftrebender Dome
— das iſt zu kurz gefommen. Deshalb mangelt bei aller lebendigen Bervegung, bei
aller reihen Mannigfaltigfeit der Charaktere dennoch eine eigentliche Entividelung. Immer
zo neue Individualitäten werden ung vorgeführt, aber da diefelben Eigentümlichleiten immer
wieder da find, wenn auch anders verteilt, da fie auch nach dem Neanderjchen Geſetze
einander immer wieder das Hleichgewicht balten müffen, jo ift es eigentlich immer wieder
derfelbe Anblit, den man vor fi bat, Ddiefelben Elemente, nur anders gejchoben und
fonıponiert, feine Entwidelung Die Aktion ruft immer aufs neue Reaktion bervor,
55 Nationalismus hält dem Zupernaturalismus die Wage, Scholaftik fteht der Myſtik gegen-
über. Immer ſind es diefelben Kategorien, unter Die Neander die Erfcheinungen bringt,
wie er denn auch fo gem Erſcheinungen verfchtedener Zeiten vergleiht. Es werden
immer neue chrijtliche Perſönlichkeiten, immer neu brechen fich die Etrahlen der Sonne;
man folgt Neander fo gern, wenn er uns bindurchfübrt, und das Leben in feiner Mannig-
eo faltigkeit aufichließt, aber man iſt Doch nicht befriedigt, weil man doch am Ende objektiv
Neander, Auguft 685
nichts werden ſieht. Es iſt eine Bildergallerie ohne Ende, in der die Geſtalten einander
immer wieder ähnlich feben, in der man zulegt jeden Überblick verliert. Auch äußerlid)
prägt ji das in der Form ab, in dem Mangel großartiger Gruppierung und in dem
oft zerfließenden Stil. Fallen wirs zufammen, jo möchten wir fagen: Neander hat aller
dings die Gefchichte des Chriftentums gefchrieben als Kommentar zu dem Gleichnis vom 5
Sauerteig, welches das innere Durchdrungenwerden der Menfchheit von dem göttlichen
Leben darftellt, aber das Gleichnis, welches ergänzend daneben jteht, welches ergänzend
das Wachstum des Neiches Gottes nach außen darftellt, fein Wachſen und Werden als
Organismus allerdings von innen heraus, aber nach außen hin, das Gleichnis vom
Senflorn iſt nicht zu feinen Rechte gelommen. 10
Vergegenmwärtigen wir uns, um dieſes Urteil zu bejtätigen und um zugleich die
legten Gründe der beregten Mängel aufzudeden, N.s Konftrultion der Kirchengeſchichte.
E83 iſt ein ungemein einfaches Schema der Entwidelung. Dieje vollzieht ſich in drei
Perioden, wobei wir natürlich nicht an die äußere Vertodenabtetlung, jondern an den
inneren Entwidelungsgang denten. Die Grenzjcheide der erften und zweiten Periode ı5
bildet für Neander die Bildung einer Briefterichaft, auf die er nicht genug Gewicht legen
fann, ein Umitand, der aufhört, befremdend zu fein, wenn man fich erinnert, welches
Gewicht Neander im Zufammenhange mit dem Hervorheben des Subjeftiven auf das
allgemeine Prieſtertum aller Chriften legt, ſodaß man wohl fagen mag, feine Kirchen:
geſchichte ift zugleich eine Geichichte des allgemeinen Prieſtertums. Diefe Bildung einer 20
Briefterfajte hatte einen doppelten Grund. Einmal wurzelt fie in dem Geſetze der
normalen Entwidelung. „Auf die Zeit der erften chriftlichen Begeifterung, einer jolchen
Ausgießung des Geiſtes, welche die Unterfchiede der Bildung in den Gemeinden mehr
zurüdtreten ließ, folgte eine andere Zeit, ın welcher das Menfchliche in dem Entwide-
lungsgange der Kirche fich mehr geltend machte. Die Verfchiedenheiten in den Stufen 25
der Bildung und ber chriitlichen Erkenntnis traten mehr hervor, und daher fonnte «8
geichehen, daß die Leitung der Gemeindeangelegenbeiten immer mehr dem Sirchenfenate,
die Erbauung der Gemeinden durd) das Wort immer mehr jenen, ivelche als Lehrer an
der Spite ftanden, zugeeignet wurde.” Dazu kam aber nun noch ein abnormer Faktor
der Entwidelung, und in dem liegt eigentlich die Urfache, weshalb es zur Bildung einer so
Vrieiterlafte fam. „Zu dem, mas von felbit aus dem gefchichtlichen Entwidelungsgange
folgte, fam unverkennbar noch eine dem chriftlichen Standpunkte fremde Idee hinzu, eine
dee, welche einen für Jahrhunderte nachhaltigen und fi) aus dem einmal gegebenen
eine immer weiter entiwidelnden Umfchwung der Denkweiſe erzeugen mußte”. Das tft
das Miedereindringen des überwundenen jüdischen Standpunktes. „Die Menfchheit 3
fonnte ſich auf der Höhe der reinen Geiftesreligion nody nicht behaupten; der über-
mundene jüdische Standpunkt war der erjt für die Auffaflung des reinen Chriſtentums
u erziehenden, erft vom Heidentum entwöhnten Maſſe ein näherer; aus dem zur Selbft-
Mändiafeit gelangten Chriſtentum heraus bildet ſich wieder ein dem altteitamentlichen
verivandter Standpunft, eine neue Veräußerlihung des Reiches Gottes, eine neue Zucht ao
des Geſetzes, welche eint zur Erziehung der rohen Völker dienen follte, eine neue Vor:
munbdichaft für den Geift der Mienjchheit, bis derjelbe zur Neife des Mannesalters in
Chrifto gelommen wäre. Dieſe Wiederverhüllung des chriftlichen Geiftes in einer dem
alttejtamentlichen Standpunfte verwandten Form mußte fich, nachdem einmal das frucht:
bare Prinzip hervorgetreten war, immer weiter entivideln, die darin liegenden Folgen a6
immer mehr aus fi) berausbilden; es begann nun auch eine Reaktion des nad) Freiheit
jtrebenden chriftlichen Bewußtſeins, welche in mannigfaltigen Erjcheinungen immer von
neuem wieder bervordrang, bis fie in der Reformation zu ihrem Siege gelangte” (KG
I, 106). Da haben wir das einfache Schema der Gntwidelung, auf das Neander immer
wieder zurückkommt (4.8. II, 1, 26ff.). In der erften Periode die Höhe der reinen 50
Geiftesreligion, dann in der zweiten eine „Wiederverhüllung des hriftlichen Geiſtes“ durch
eine Rückkehr des alttejtamentlichen Standpunftes, daneben beftändige Reaktionen des nad)
Freiheit ſtrebenden chriſtlichen Bewußtſeins, endlich in der dritten der Sieg diefer Reaktion,
alfo die Wiederenthüllung des chriſtlichen Geiſtes. Fragen wir nun aber meiter, woher
denn diefe Wiederverbüllung? fo fann die Hinweiſung auf den Plan Gottes, nach dem oo
der dem altteftamentlichen verwandte Standpunft den toben Völkern zur Erziehung
dienen follte, nad) feiner Seite bin ausreichen, denn abgefeben von der Richtigfeit des
Saßes, wäre damit nur gefagt, wie Gott diefe abnorme Entiwidelung dennoch zum
Dienfte des Evangeliums vertvandt habe, nicht diefe in ihrem Urſprunge nachgetviefen.
Wir ſehen uns aljo auf den Satz vertiefen, daß „die Menjchheit fih auf der Höhe der oo
686 Neander, Auguft
reinen Geiftesreligion nicht halten konnte“, daß nad der Zeit der erften chriftlichen Be
geifterung, wo das Menschliche vor dem Böttlichen zurüdtrat, eine Zeit folgen mußte,
wo umgelehrt das Menſchliche vor dem Göttlichen bervortra. Es ruht alfo die Ent
twidelung auf einem Schwanken zwifchen dem Göttlichen und Menfchlichen, die einander
6 widerſtrebend gegenüberftehen, twehfelstveife einander überwältigend und verbrängend. Wir
ſehen uns im mejentliden auf den Standpunkt der Genturien oder richtiger Amolds,
dem Neander am meiften verwandt ift, zurüdgetvorfen. Nicht daß wir damit Neanders
Arbeit als eine mißlungene darftellen wollten, nur das muß gejagt werden, Daß Neander
am Anfange einer Ehodıe der Kicchengefchichtsichreibung Ieht, noch nicht deren Bollendung
10 bietet. Sein in ga Injet Jugendfrifche gegebener Verſuch, die große Aufgabe zu Löfen, ift
noch nicht deren wirkliche Löfung. Wie das Leben des Chriftentums überall zuerft inner:
liches Leben ift, zuerft in Perfünlichkeiten als individuelles Leben fich darftellt, fo ‚mußte
bon da auch zuerft die Gefchichte des Chriftentums angejhaut werden, und mie in
gen en Theologie feit ihrer Wiederbelebung immer mehr die objektiven Saktoren” *
10 echte fommen, fo wird e8 auch in der Kirchengefchichte fein mühlen. Der Weg dahın
geht durch neue Einzelarbeit, auch durch neue GEinfeitigleiten. Die Elemente, die m
teander zufammenliegen, ohne vollkommen geeint zu fein, müflen aufs neue aus
einanbertreten, jchärfer und meiter als früher, um dann einer höheren Einigung zu
zuftreben. Aber an der Spige diefer Entwickelung als der, welcher zuerſt die neu
20 Epoche der Theologie in einer neuen Gefamtdarftellung der rhengefbichte vertreten
ee Ir Neander. Mit Recht gilt er darum als der Vater der neueren Kirchen:
geſchi
Der litterariſchen Thätigkeit Neanders ging eine nicht minder bedeutſame önliche
Wirkſamkeit zur Seite, ja man kann —— t ſein, durch welche er mehr gewi zu
25 Wiederbelebung des Gi aubens, jedenfalls hätte ſeine litterariſche Thätigkeit ohne dieſe
perſönliche nicht den großen Einfluß üben können. Achtunddreißig Jahre Bat Neander
in Berlin gewirtt. Schon bei Lebzeiten Schleiermacdhers las er neben feinen kirchen⸗
hiftorifchen und neuteſtamentlich eregetifhen Vorträgen auch Dogmatik. Die Greaete trug
einen praftifchen Charakter, wie die zu eingeinen Epifteln auf Grund der Borlefungen
30 erfchienenen Kommentare darthun. Nach Schleiermachers Tode übernahm Neander auch
Vorleſungen über Ethik. Reiches bibliſch— theologiſches Material zeichnen feine Vorträge
aus, doch war Neanders bogmatitche Bildung zu wenig felbitftändig, zu jehr von Schleier:
macher abhängig, über den er jedoch auch in mejentlichen Punkten, namentlich in der
Chriftologie hinausging. Von feinen Vorlefungen find nach feinem Tode mehrere heraus
36 gegeben von J. Müller: Bd I u. II Chriftl. Dogmengefch. von 3.2. Jacobi, Berlin 1857,
Bd III Auslegung der Briefe an die Corintber von W. Beyihlag 1859, Bd IV
Katholicismus und Proteftantismus von H. Mehner 1863, Bd V —— ber duit
Ethik von D. Erdmann 1864. Außerdem der erſte Brief Johannes erläutert durch
A. Neander, herausgegeben von K. F. T. Schneider, Berlin 1851, Dogmatik, herausg
40 v. Gloatz, Braunfchtveig 1898.
Ungemein bedeutend war auch Neanders Einfluß im Verkehr mit den Studierenden.
In weiteren und engeren Kreifen ift er Unzähligen zum reichen Segen geivorben, mie
denn überhaupt die Macht feiner großartigen Einwirkung auf feine Zeit in ber Dayı
feiner Perjönlichkeit liegt. Eine durch und durch einfahe und kindliche Natur,
en nad) außen, faft unmündig in äußeren Lebensverkehr, treu im Beruf, ftreng Yen
ich ſelbſt, voll Milde und Liebe gegen andere, ein ganz und rüdhaltslos dem Herren hin:
gegebenes Leben, fo fteht feine Berfönlichteit bor und. Seine ganze Theologie trägt
einen perfönlichen Charakter. Peetus est quod facit theologum, bas ift fein sah
ſpruch, der feine Theologie charakteriſiert. So mild und weitbernig | jein Urteil fonft if,
co jo tritt er mit einer gewiſſen Heftigfeit auf, fobald er etwas ein die Entwickelung
des chriftlichen Lebens Verderbendes erkennt. Da wirft er das ganze Gewicht feiner
Perfönlichkeit in die Wagfchale, und je weniger der Gegenfa aus feften bogmasiihen
Prinzipien beruht, deito mehr trägt er einen durchaus perjönlichen 1 Charalter. ee
gegen die evangelifche Kirchenzeitung proteftiert und von ihr fich losgefagt, als fee leier-
656 macher angriff, fo bat er * der pantheiſtiſchen und —E Spekulation mit
großer Beitimmtheit nicht ohne Schärfe und Reizbarkeit entgegengefegt aber auch der ich
ſtrengen Richtung, die auf Firierung des Dogmas drang, wobei er denn leicht Beichrä
der individuellen Freiheit fürchtete und ſehr geneigt war, von Menſchenknechtſchaft zu reden.
Sein ganzes Leben und Arbeiten, feine ſchrifiſtelleriſche wie feine akademiſche Thätig⸗
60 keit und fein perſönliches Leben find ein großes, lautes und lebendiges Beugnis von
Neander, Auguft Neander, Joachim 687
Chriſto dem Herrn, und auf dieſem Zeugnis hat ein großer Segen geruht für Tauſende.
Unter den Perſönlichkeiten, an welche ſich die Wiederbelebung des Glaubens und der
Theologie in den erſten Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts knüpft, nimmt er unzweifelhaft
einen der erſten Plätze ein, ſieht man auf den praktiſchen Erfolg, vielleicht den erſten.
Neander hatte ſchon während ſeines ganzen Lebens mit mancherlei Leibesſchwachheit,
die oft zu Beſorgniſſen Anlaß gab, zu kämpfen gehabt. Seit dem Jahre 1847 befiel
ihn ein Augenleiden, das ihn an der Fortſetzung ſeiner Kirchengeſchichte hinderte. Von
der Brechruhr ergriffen, wurde er nach einer Krankheit von wenigen Tagen am 14. Juli
1850 heimgerufen. Schon erkrankt, hatte er noch ſeine Vorleſungen fortgeſetzt; in den
Phantafien der Krankheit beſchäftigten ihn noch die Gedanken an die Fortſetzung ſeiner 10
Kirchengeſchichte, von der er ſogar eine Schilderung der Gottesfreunde diktierte. Als er
zu Ende war, fragte er nach der Zeit und antwortete dann: .„Ich bin müde, ich will
nun jchlafen geben. Gute Nacht!” Sein Kampf war zu Ende, fanft fchlummerte er hin-
über. Am 17. Juli ward er beftattet. Am Sterbehaufe hat ihm Strauß die Leichen:
rede gehalten über den Tert So 21,7: „Da fprad der Sünger, welchen der Herr lieb 16
—* Es iſt der Herr!” und beſſer läßt ſich ſein Leben und Wirken nicht zuſammen—
aflen, alg in dieſes eine Wort. G. Uhlhoru }.
a
Neauder, Joachim, get. 1680. — 3. H. Reitz, Hiltorie der Wiebergeborenen u. ſ. w.,
Spitein 1717, IV. Teil, ©. 44-57; Mar Göbel, Geſch. des chrijtl. Leben? in der rheiniich- ao
weitfälifchen Kirche, 2.8, S. 322 -358; J. Fr. Zen, Soahim Neander, Bremen 1880;
u. Ritſchl, Geſch. des Pietismus, Bonn 1880, 1. Bd, S. 383ff.; K. Krafft, Joachim Neander
(Theol. Arb. a. d. rhein. will. Pred. Ver. 4.85, ©. 46ff., Elberfeld 1880; vgl. auch 3. Bd,
S. #93), NE, A. Neander von J. Herzog; AdB 23. Bd, A. Neander von C. Berthenu.
J. Neander wurde 1650 in Bremen geboren. Das läßt ſich feititellen, obwohl das 25
Taufbuh um diefe Zeit eine Lücke enthält. Er war der. ältelte Sohn von Johann
Joachim N., der feit 1636 dritter Lehrer am Pädagogium, der lateinischen Schule in
Bremen mar, und befjen zweiter rau, Katharina Kinipping. Ein Joachim Nigemann
(Neumann) aus Wismar, von Melanchthon nad Stade empfohlen und dort Super:
intendent geworden, mwahrfcheinlidy identiſch mit Ulrich von Huttens gleichnamigen Freunde so
(AdB 23, 326), wird als das älteite befannte Glied der dem Pfarrer: oder Lehrerſtand
angehörigen Yamilie genannt; noch heute foll ein Zweig unter dem Namen Nymann
in den Niederlanden blühen. Wie ber zuverläffigen Nachrichten über N. überhaupt nicht
viele find, jo mangelt e8 befonderd an folchen über feine Sugendzeit. Er beſuchte das
Pädagogium und feit 1666, dem Todesjahr des Waters, das Gymnasium illustre, die s
Hochſchule feiner Vaterſtadt, an der die Theologie in ausgeiprochen reformierter Form
durch Profeſſoren von Ruf vertreten war; von feinen Studiengenofjen haben nachher mehrere
im Pfarramt oder im Rat eine angejehene Stellung eingenommen. Reitz, der N. aber
erft nach deilen Studienzeit kennen lernte, erzählt: „Seine Studentenjabre brachte er
nach der gemeinen Weiſe zu, das ift in Eitelkeit des Sinnes, in Unandacht gegen Gott 40
und fein Wort und in Haß gegen die, ſo man Heterodore oder Srrgläubige nennt, und
in Liebe zu den Lüſten der Jugend und thörichten Divertiffementen und in bloßem
Geſuch der fih aufblähenven, falſch berühmten Wiſſenſchaft und Erkenntnis” ...
Man wird in diefer Beurteilung einerſeits die unfreiwillige Anerkennung wiſſenſchaft⸗
lichen Strebens zu beachten, andererſeits nicht zu vergeflen haben, daß ein Pietift und «s
Separatift wie Reit (über ihn ſ. ten ©. 255 und Cuno im Ev. Kirchenboten für die
falz 1880, Nr. 29—34) ſchon harmloſe ſtudentiſche Fröhlichfeit als Liebe zu den
ten der Jugend betrachtet haben fann. Allerdings enthalten einzelne Äußerungen
im N.s Liedern, namentlidy aber das Lied über Bj 25, 7 ſtarke Anklagen gegen jeine
Jugendzeit. Es ift jedoch auch hier zu bedenken, daß die dichteriiche Wahrheit nicht co
immer mit der hiftorischen Wirklichkeit zufammenfällt, das Ich aud) diefes Dichters etwas
vom Typus annimmt, und daß es zum Schema gehörte, die Zeit vor der —R
in möglichſt dunklem Ton zu halten, um durch den Kontraſt zu wirken. N.s Bekehrung
erſcheint bei Reitz in zweifacher Form. Die eine iſt eine auf Verwechſelung oder legen⸗
dariſcher Tradition beruhende Jagdgeſchichte, nach der anderen iſt N. überwältigt worden 56
durch eine Predigt von Theodor Undereid, der, feit 1670 Paſtor zu St. Martini in
Bremen, von Coccejus, Lodenſteyn und Labadie beeinflußt, auf Untericheidung der Aus-
erwählten von den Zeitgläubigen drang, und in der Bereinigung zwiſchen Chriſtus, dem
Bräutigam, und der gläubigen Seele, feiner Braut, das Kriterium der Ermählung
fab (über U. f. bei. Göbel S. 300ff.; Ritſchl S. 371 ff). Schon ald Prediger zu oo
688 Neander, Joachim
Mülheim a. d. Ruhr hatte Undereid Privatverfammlungen, die erjten in Deutjchland,
eingeführt, dabei aber davor geivarnt, fih von dem öffentlichen Gottesdienft zurüdzuzieben.
Ob es nun eine einzelne Predigt oder eine Neibe von Predigten und die durch fie bin:
durch wirkende Perfönlichteit des Mannes var, N. ift von ihm, den er früher gebakt
5 hatte (Reit), aufs Stärkfte beeinflußt und in die Bahn des reformierten Pietismus ge
zogen worden. Ob er auch ald Liederdichter Anregung von ihm empfing? Das Elder:
felder Privatgefangbuh von 1721 enthält mehrere Lieder, die Undereid zugeſchrieben
werden, aber ihr dichterifcher Wert ift gering. Undereick wurde fein „geiftlicher Water“.
Als Informator einiger Söhne vornehmer Frankfurter Kaufleute, aber auch zur Fort:
10 ſetzung feiner Studien ging N. nach Heidelberg. Hier hat ihn Weit zuerſt gejeben (bie
Heidelberger Univerfitätsmatrikel fehlt für diefe Zeit); was er über feinen dortigen Ber-
kehr mit Ezechiel Spanheim mitteilt, ift irrtümlih. Dagegen muß R. dem —**—
Joh. Ludwig Fabricius näher bekannt geworden ſein, denn dieſer empfahl ihn Aa der
beimlichen deutjchereformierten Gemeinde in Köln als Prediger. Das innige Berbältnis
15 zu feinen Zöglingen, das die Heidelberger Zeit überdauerte, bezeugt ein Brief aus dem
Jahre 1675. Mit großen Ernſt bittet er fie, 2 Ti 2, 22f., Kol 2, 8 zu beberzigen, in
dem Buch der Schrift, der Natur, in fich felbit zu ftudieren, „auf das einfältigfte und
doch allerbeiligite Leben und Muſter unferes großen Emanuel” zu jehen. Einige Jahre fpäter
ging er nach Frankfurt, ob auf Veranlajlung der Eltern feiner Zöglinge, ſteht dahin.
2 Daß N. als Neformierter der dortigen deutjchreformierten Gemeinde angebört habe, ift
wahrfcheinlih. Die Gelegenheit, Spener perfönlich kennen zu lernen, wird er ſchwer⸗
lich verfäumt haben. Reitz fchreibt, er babe genauen Umgang mit ihm gehabt. Tod
findet fih in Speners Briefen aus feiner Frankfurter Zeit N. nicht erwähnt, und dab
Spener N.s Bundeslieder liebte und einige in den Betitunden fingen ließ (J. U.
2, Schamelius, Evangelifcher Lieder-Commentarius, 2. Aufl. 1737, in dem Abfdhnitt:
Kurtzgefaſſete Hiftorie der Hymnopoeorum ©. 128), beftätigt die Neigiche Angabe nod
nicht. Auch mit Speners Freund, dem Juriſten 3. 3. Schüß, dem Dichter des Liedes Sa
Lob und Ehr dem höchſten Gut, fol N. verkehrt haben. Im Frühling 1674 wurde er
von ber reformierten Gemeinde zu Düfleldorf an ihre lateinifhe Schule als Rektor be
go rufen mit einen Gehalt von 100 Thalern. Sein Bremer Landsmann Sylveſter Lürfen
war Prediger der Gemeinde. N. balf ihn gelegentlich durch Predigen aus und in einer
Zeit anftedender Krankheit durch Beſuche bei Kranfen und Sterbenden. Aber feine
Stellung wurde erfhüttert. Daß er gleich beim Antritt fjeined Amtes ſich gemeigert
hatte, den Heidelberger Katechismus und die Kirchenorbnung unbedingt zu unterjchreiben,
batte man ihm nachgeſehen; als er aber, nach Undereids und Speners Beispiel im Jahre
1676 Brivatverfammlungen veranftaltete, geriet er mit Prediger und Konfiftorium (Brei
byterium) in Konflilt. Zwar hatte die Generalfunode für ülich-Cleve-Berg und
1674 die Privatverfammlungen unter gewiſſen Bedingungen erlaubt, aber keinenfalls
follten fie dem öffentlichen Gottesdienſt Abbruch thun. N. jedoch nahm feltener an diefem
40 teil, ja er bielt fih vom Abendmahl fern, weil er es nicht mit Untviedergeborenen zu
ſammen feiern wollte, und veranlaßte feine Anhänger zu gleihem Thun. Einige Eigen
mädhtigfeiten in der Verwaltung des Schulamtes durch den an die dortige ftramme pree-
buterinle Aufficht und Leitung nidt Gewöhnten famen hinzu. Das Konfiftorium ging
zuerft gegen Ddiefe vor, dann (ob auf Yürfens Betreiben? ſ. zu deſſen Charakteriſtik Krafft,
S. 51ff.; Reitz berichtet über die Düſſeldorfer Vorgänge teild unrichtig, teild ungenm)
verbot es die „heimlichen Zufammenfünfte”, verbot ihm wegen feines ganzen Auftretens
die Kanzel, forderte ſeine Unterichrift unter eine neue Schulordnung, und als er fid
weigerte, feßte es ibn ab. Da unterwarf ſich N.; noch che das Abdankungsſchreiben ihm
eingebändigt war, unterzeichnete er am 17. Februar 1677 eine Erklärung, in mel
wer u. a. die von Labadie und feineggleichen angerichtete Trennung von der äußeren
Kirchengemeinſchaft verdammte und einräumte, der Grund der Trennung fei, daß
einige ſich als Wiedergeborene anfähen mit Verurteilung der anderen. Auch ent
fagte er darin den abjonderlichen Verſammlungen und der „Abhaltung der Glied⸗
mapen vom bl. Abendmahl”. Daraufhin ließ man ihn im Amt, jo daß die Abſetzung
ss ihrer Wirkung nah bloße Sufpenfion war. Ob Undereid ihn zu der Retraftation be
ſtimmt hatte, wie Krafft vermutet, läßt fich nicht feitftellen. Die Sage hat aus biefem
Zuſammenſtoß einer fubjektiviftifch gerichteten Syrömmigteit, die fih in jugendlichen Über:
eifer des Richtens und der Nüdfichtelofigfeiten nicht enthielt, mit einer wohlgefügten
und bewährten aber jchroff gehandhabten Gemeindeordnung, die darum zu erſtarren
co drobte, eine Verfolgung durch Die Katholiken gemacht, fie läßt N. in ciner Höble
*
a
Neander, Joachim 689
im Düſſelthal ſich verbergen und hier ſeine Lieder dichten. Daran iſt richtig, daß er in
„dem Geſteins nicht weit von Düſſeldorf“, dem heutigen Neanderthal, wohl auch in der
leider jetzt der Induſtrie zum Opfer gefallenen Neanderhöhle geweſen iſt, und ſein
Trieb zu ſingen und zu dichten ſcheint hier Nahrung empfangen zu haben (ſeine eigene
Anmerkung zu dem Lied Unbegreiflich Gut weiſt darauf hin). Aus der auch nach Yür ;
ſens Weggang recht unerquidlichen Lage in TDüfleldorf wurde N. 1679 durch die Be-
rufung nad) Bremen befreit; er wurde dritter Prediger („Gehülfsprediger”, „Früh:
brebiger an St. Martini mit einem Gebalt von 40 Thalern und freier Wohnung.
ber Icon 1680, am Pfingftmontag, dem 31. Mai, ftarb er, nad) Turzer, heftiger Krank⸗
heit. Reit nennt als eins feiner lebten Worte: Sch will mich lieber zu Tode hoffen, 10
als durch Unglauben verloren gehen, als das legte: Berge follen weichen und Hügel bin-
fallen, aber meine Gnade will ich nicht von dir nehmen. Verheiratet war er nicht.
Sein Grab iſt unbelannt. In der alten reformierten Kirche zu Düffeldorf und über
einem Eingang der Martinikirche in Bremen find ihm Geventtafeln beezt In Elberfeld
befindet ſich in Privatbeſitz ein Olbild, niederländiſcher Schule, das nad der Familien⸗ 15
überlieferung N. darftellt. Yanges dunkelbraunes Haar umrahmt ein jugendliches, aber
durchgeijtigtes Antlig mit lebensvollen eindringenden Augen; e8 find die Züge eines
Menichen, der gelämpft und gelitten bat. Auf dem Bilde fteben oben die Worte 1. Cor.
15, 58 ’Austaxtvntos 29 Kvoiw, rechts (1.0) 16, 1 (13) yonyogeize, unten Ni lou-
ange, ni mensonge. 20
Die erite von N. jelbft beforgte Ausgabe feiner Lieder erichten 1680 (nicht 1679)
in Bremen (Er. in Berlin und Hamburg). Sie hat den Titel: A & Q2 | Joachimi
Neandri | Glaub⸗ und Liebes-Übung: | Auffgemuntert | durch (Hamburg: Durch) | Ein-
fältige | Bundes Xieder | und | Dand:Pfalmen: | Neugefeget | Nach befant: und un-
befandte Sangs-:Weifen: | Gegründet | Auff dem zwiſchen Gott und dem | Sünder im >»;
Bluht Jeſu befeftigtem | Friedens-Schluß: Zu lefen und zu fingen auf Reifen, zu
Hauß o= | der bey GChriften-Ergegungen im Grünen, | durch ein gebeiligtes | Herken®-
alleluja! | Cant. II, 14 | Meine Taube, in den Felßlöchern, in dem Verborgenen | der
teinrigen, laß mich hören deine Stimme | Bremen, gedrudt bei Herman Brauer | Im
Sabre 1680. (16 und 192 ©. fl. 8°) Das Buch ift den Predigern, Bauherrn, Diaken 30
und Subdialen der Martinigemeinde und einigen mit Namen genannten „jehr vornehmen
Handelöherren in Frankfurt am Main und Köln am Rhein” gewidmet. Auf eine in
3. T. recht fteifen deutjchen Reimen verfaßte Dedicatio folgt eine eindringliche Vorrede.
Hier heißt es u. a.: „Was ift gemeiners be denen, die weder kalt noch warm ſeynd,
als auff diefe Weiſe fich zu entichuldigen: Man folte es bey dem Alten laffen... Mit s;
all dem neuen Werd, davon haben die Vorfahren ja nichts gewußt 2. ... Wer aus
Gott gebohren ift, läſſet ſich von diefen Striden nicht fangen und ſiellet fich der Welt nicht
gleich, fondern rudert mit aller Macht Strohm⸗auff.“ Daran fchließt ſich ein unbeholfenes,
nicht von N. verfahtes, Auffmunterungs-Madrigal. Bon den 57 Liedern gehören 2, ale
Seufzer und Antwort, zufammen. Die 41 erjten und das lette haben Melodien, und zwar so
fteht die Melodie auf der einen Seite, auf der gegenüberjtehenden der Tert, über der Melodie
meift die Überſchrift des Liedes, gewöhnlich in Partizipialform („nach damaliger Art der
fruchtbringenden Geſellſchaft“ Schamelius a. a. O. S. 404, 3. B. Der Verficherte, Der
Zobende, Der feine Tage Zählende), über dem Tert das den Grundton angebende Schrift:
wort, welches dann gewöhnlich auf der folgenden Seite über der Melodie im Urtert er: a5
cheint. Bis 1712 werden 10 Ausgaben, bis 1730 mindefteng ebenfoviele gezählt. Die fünfte
usgabe, 1691 durch G.Chr. Strattner, Rapellmeijter, beforgt und nit neu fomponierten
Melodien verjehen, enthielt 8 weitere Lieder, „die bei fleißigem Nachjuchen gefunden und von
vertrauten Händen kommuniziert waren.” Bon jtarfer Subjektivität und darum nicht als
Kirchenlieder gemeint, wie auch ihr erfter Titel beweiſt, mit labadiftiichen Anklängen und coc= zo
cejanifchen Hintergrund nicht verleugnend, wurden die Lieder zuerft in Privat-, z. T. aber
auch bald in Kirchengefangbücdher aufgenommen, 1694 in das Herborner, 1698 in dag
Bremer und das Darmitäbter u. |. w. In dem 2. Teil des Gefangbuches für Cleve, Jülich,
Berg und Mark v. 1738 ſteht Neanders Name fogar neben Lutber auf dem Titel. Iſt
auch die immer noch wiederholte Behauptung, er habe die Feſſel ausschließlichen Pſalmen- 55
geſangs bei den Heformierten durchbrochen, nicht richtig, fo iſt er Doch, nach langer Pauſe,
wieder der erjte geiftliche Dichter aus der reformierten Kirche und zugleich in ihr dem
Range nach der erfte. Zwar find feine Dichtungen von verjchiedenem Wert, es find in
der Form hölzerne, ja geichmadlofe, im Inhalt auf Spielerei der Einbildungstraft be:
ruhende darunter; in einigen jtören uns Heutige die Beziebungen auf Ezechiel 16 und oo
NealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 44
690 Neander, Joachim Nebo
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16 fesgen ne von — Ed. Simons.
BE: ſ. d. A. Arabien BB I ©. 767 2ff.
Nebo, babylonifhe Gottheit. — Kitteratur: — Jeremias, Monographi
über Nebo in Roſchers Lexikon der ——— III, Sp. 45—08. — 9. Simmern in Schrade
Keilinfchriften und das AT’, ©. 309
20 Nebo i ———— von — erſtadt von Babylon. 1 zen
ihn neben — —— — erodach % KIT ©.609), Stabta
bon —5 Sin & eß E-zida mit dem TQTempelturm E-ur-imin-an-k
„Tempel der 7 Shen (*) N Ohne und der Erde”, deſſen Trümmer von den "Ein.
ebornen Birs, von den „Aranfen“ Birs Nimrüd genannt. werden (}. —5 Lexilon
»» III Fe 53, two auch die Trümmer —— find). 1,
hilderten Turmbaues ift jedoch rn e — * er "Turm von
wibechait Heißt, man habe „hine Epigr Den Gimme eweife fen. —
o t, man e „jene en Himme en
Der Name Nabü (bebr. 2 Form Na-bi-u(m) bedeutet
so iſt verwandt mit dem bebräifchen Worte für Propbet: 0,
— —* 2200), en Gen 14,1 — — Abrahams
oben und dem ©
2 $ ie feftgeftellt worden, — Mi Nebo urft rünglic
Seitdem Babylon Metropole ift, erfcheint er als | |
2 Sohn des Merodach, dem auch nadı dem ———— bon Babplor
0 die Schidjalstafeln übertragen worden find. Daß Nebo in einer für uns prähtftorifcher
eit den Vorrang vor „jeinem Vater” Marduf gehabt hat, ſchließen wir —* folgenden
Imftänden: 1. in Heldengedichten über die —— — die der Hammur bi it vor
ausgingen (hir beſitzen allerdings nur neubabyloniſche Recenſionen),
„Hüter der Melt”; 2. die Inſchriften des Halbahen (neuba Lonieen) N
1 chaismen lieben, dam Nebo und Mardul ftatt der früher üblichen R
und Nebo; 3. Adadnirari IIT., dejjen Politik eine Vereimigung des ı
Babylonien anftrebe, bebt in auffälliger Weiſe Nebo hervor (vielleicht im Aa
die Marduf-Hierarchie von Babylon); er bat dem Nebo einen Tempel in Kelad geba
und der Statthalter von Kelach bat auf zwei Statuen jchreiben laſſen? —* kuͤnflige
so Men: auf Nebo vertraue, auf einen andern Gott vertraue nicht“. — *
Rebo iſt der „Schreiber“ im höchſten Sinne. Er bat die Ghreibfu —* („eis
Nebos”) ber Menjchen übermittelt, und er Sr auf jeine Tafeln die Geſte
Menſchen, insbeſondere ihre Lebensdauer. Die —— vom Ki
vom unwandelbaren Geſchick der Menjchen, die im Islam or Y * et iſt, f
55 mit dem Mardut:Nebo:Kultus verbunden. Darum beißt er: y — e
Dinge”, „der den Stift der Schidſalstafel ergreift“, „ber * der © Scidjalstafel ber
Hötter“. "Affurbanipal fagt: „Mein Leben ift von dir gefchrieben“ ( en — ruhm
ſich der große Litteraturlbnig, „Nebo, der Allſchreiber, babe ibm das { Nerftändnis feine
ei
. hc
Nebo 691
Weisheit gejchenkt”) ; Nebukadnezar bittet: „O Nebo, verkünde auf deiner unabänderlichen
Tafel Länge meiner Tage, fchreib auf Nachkommenſchaft.“ Umgekehrt wird auf den
Feind als Fluch herabgewünſcht, daß „Nebo als Schreiber von Efagil (Tempel Marduks)
die langen Xebenstage verkürzen möge.” — Da die Schreibfunft wejentlid in den Händen
der Prieſter lag, ift Nebo auch Schubgott der Briefter. Die Unmenge der mit Nebo zu:
fammengefegten Namen erklärt fih aus dem Einfluß der Priefterfamilien.
Unter den Planeten ift dem Nebo der Merkur geweiht, d. h. der Merkur wird als
der Planet angefehen, deſſen Erfcheinungen und Lauf die Macht und den Willen dieſer
Gottheit in befonderem Sinne offenbarte (Marduk offenbart fih in Jupiter, Ninib im
Mars, Nergal in Saturn). — Auch die Araber fennen die Verbindung von Nebo und 10
Merkur, |. unten ©. 692,2ff. Noch in der Planetenlifte der Mandäer, die bis auf den
heutigen Tag (f. X. Mandäer Bd XII ©. 155) babyloniſche Gedanken lebendig erhalten,
erfcheint N’bü, der Schriftlundige und Weife, und in den Höllenfahrten des Hibil-Ziva
(d. i. Marduf) wird erzählt, daß Hibil⸗ giwa Samas bei ſeinem Namen rief und Sin
und Kewan und Bel und Dlibat und Nbu und Nireg (Nergal), und ihnen „Glanz gab, 15
I leuchten in diefer Melt“ (in den antichriftlichen Lehren der Mandäer iſt Enbu, Webo:
Merkur, der falfche Meſſias, Mesihä daggälä, d. i. Jejus!).
In nachchriftlichen aramäifchen und palntyrenifchen Infchriften begegnet der Name
Nebo häufig als Beitandteil von Eigennamen. Man findet das Material bei Lidzbarski,
Handbuch der Nordfemitifchen Epigraphif (Weimar 1898) und in Cook, A Glossary 20
of the aramaic inscriptions, Cambridge 1898. Unter anderem lieft man dort die
Namen 2: — Nabü-düri, Nebo, meine Burg; joa: —= Nabü-Sar-iddin, Nebo
bat den König gegeben; 20a: —= Nabü-Sar-ugsur, Nebo, ſchütze den König, 2727
— Arad-Nabü, Diener Nebos (in aramäiſchen Inſchriften; der Gottesname kommt
auch allein vor, gefchrieben 2:) —; 72722 879923 72772 (in palmprenifchen Inſchriften). 25
Die Griechen identifizierten den Nebo mit Hermes oder auch mit Apollo (Strabo
16, 1 p. 739: ta ôb Böpomna leoa nölıs Eoriv ’Aor&udos xal ’AnoAAwvos) wegen
feiner Eigenjchaft als Orakel. und Weisheitögott. Die Notiz in den griechifchen Glofjen
des Heſychius giebt als babylonifchen Namen des Hermes Zeyds an; das entſpricht dem
„ſumeriſchen“ Planetennamen SAK-US be. SA-GAS.
ALS Planet Merkur (er fteht der Sonne am nächſten und iſt ald Morgenftern Tag-
verfündiger) war Nebo auch chthonifche Gottheit. „Er öffnet die Duellen, läßt das Ge:
treide fprießen, Waflergräben und Kanäle würden ohne ihn austrodnen”. Auch die Zeugung
und das Leben der Neugebornen ſteht unter feinem Schuß.
Nebo im Alten Teftament. — Jeſ 46, 1f. redet vom Fall Babylons und 3;
nennt deshalb den Thatjachen entſprechend Bel (Marduk) und Nebo, die beiden Haupt:
ötter von Babylon und Borfippa. Der Sprudy, von dem mwahrjcheinlich der Anfang
eblt (ſ. Windler, Altorientaliihe Forſchungen III, 226f.) jagt: „.. . Zuſammen—
gebrochen ift Bel, es krümmt fich Nebo. Ihre (die Babylonier) Götterbilder find zu
Laftvieh geworden, beladen wie mit Laft, zu müdem (Vieh). Sie krümmen ſich und 40
ftürzen zufammen, vermögen nicht heil ans Ziel zu bringen die Laft, und fie jelbit ge:
raten in Gefangenschaft.” Bon Götterprozeffionen (gegen Delitzſch, Babel und Bibel I,
S.20, 59) ift alfo hier nicht die Rede. Wohl aber Jeſ 45, 20: „Ohne Erkenntnis find
bie, welche tragen ihr hölzernes Schnigbild, und flehen zu einem Gotte, der nicht bilft.“
Ez 9, 9f. kommen 6 Männer mit Zerftörungsiverteugen bon Norden her (aus der
Gegend der überirdiichen Geilter). In ıhrer Mitte fchreitet einer einber in linnenem
Vrieftergewand, mit dem Tintenfaß im Gürtel. Er foll mit feinem Griffel vor Ber:
nichtung der Gottlojen auf die Stirn der Gerechten das Tau, das Jahvezeichen, ein:
aben. Gunkel (Archiv für Religionswiſſenſchaft I, 254 ff.) hat richtig erfannt, daß dieſer
—* Bote der Gottheit Die Züge des Nebo trägt (eines der vielen Zeugniſſe, wie das co
Begriffsalphabet und die Karben der religiöfen Bilder im AT der babylonifchen Welt
entnommen find). Derjelben Vorftellungswelt ift jener Erzengel des Buches Henoch, der
„alle Werke des Herrn jchreibt”, entnommen (f. jedoch H. Zimmern 1. ec. ©. 40417.)
Den Namen Nebo ſoll auch der Berg des Oftjordanlandes Dt 32, 195 34, 1 ge:
tragen haben, von dem aus Moſes die zukünftigen Gefchide Israels ſah. Der Erzähler 5;
bat dabei gewiß an den Namen des altorientaliichen Gottes der Geſchicke gedacht. Nad)
einer anderen Duelle bieß diefer Gipfel des Abarim-Gebirges Pisga. Auch die Städte
Nebo und Nob find Zeuaniffe dafür, daß die Belanntichaft mit Nebo frühzeitig ins
„Weſtland“ gedrungen ift (j. meinen A. Nebo bei Nofcher, 1. e. S. 66f.). Nah einer
fpätern Tradition follen in dem moabitiſchen Nebo Ruinen eines Nebo-Tempeld gezeigt co
44”
a
30
*
692 Nebo Negeb
worden fein (Abd-el-Chakk bei akut, ſ. Gejenius ef 15, 2). Eine Ausbreitung
des Nebo-Stultus bis Arabien 8 — enbaott Ein) ) bezeugt eine aus alt=
babyloniſcher Zeit ftammende Inſchrift, die auf der Inſel Babrein gefunden wurde und
lehrt ferner das Vorfommen des Gottes Anbaj (vgl. ©. 691 mand, Enbu) als bes
5 Götterboten der Katabanier in Südarabien (Hommel, Aufl. u. Abh., S. 150 und. 156),
—— "ben en —— ums Be ben Namen
en theopboren —— Nebo:
| (Naba-kudurnl.us j-usur, or h J— Nebuſaradan
er a) 2 fg 25, 8ff.; Der ee af, d. 1.6. ie a hate Rachkommenſchaf
jegeben“); Nebusasban der 39, 13 (Nabüdeni banni, d nich”). Daf
Abednego, der Name —— —— * der Beruf aufgezwunge
— —5 abe N ee —
er om ame
Name Samgar-Nebo. Ser 39, 3 beruht auf einem Textfeh * Hifred Jeitli
15 Nebufadnezar j. Ninive u. Babylon.
Negeb. — Litteratur: Edw. Robinfon, —— (1841), ie Im (aa),
175f.; Wilten, The Negeb or „South Country“ 1863;
Schauplaß ber vierzigjährigen Wiiftenwanderung Seracis 1er, J. G. —— leber Sn den
XIV, 7 und Paläftinasg Südgrenze Jof XV, 1—4 in Deligic Kommentar über die Geneſi
20 (1872), 574 ff.j Fr. Buhl, Ge li von Raläftina (1896), 877.; — — wi des Pi⸗
ſtorius era bie Being Tajel, hera or as 8. Di Ergebni
ber Reiſe, die Profe —— — in Olmü — h
noch nicht — icht; vgl. Anzeiger ber pl —— ne ie der faif,
* ——— Fa a vom RT re —— 5, ee — und X.
25 Zu ber of ff.: er, vorexiliſche Israele
und feine Erweiterungen (1874), 108: Joh. Hollenberg, Der Eharatter ber alexandriniſchen
— a des —— —2* u. ſ. w. 6 14. — Bu Be 1
‚ Memoirs III (1883), —— und
DEN 00.80. 6: — — *
30 *— ni ——
* aus der en Abrahams Gen 0, 1, ‚beffen Yu
Punkte Kades, Sur und Gerar be — wird ( ſ. unten). Dem ent
40 ſehr haufig neben den anderen jüdlichen Teilen 5 iSraelitifchen
neben bem Berglande (77) und dem Unterlande (TEE) i 1,
40; 11, 16; 12, 8; Ser 17, 26; 32, 44; 38, 13; 2 Chr 28, 48:
Lombrhaft, * fi * nur * allgemeinen beftimmen. —
1 — — ſich nicht. zu — 5 Es i
„Wüſte“ Jo 15, 61 wie auf den nördlichen, ebenſo au — den An
banges zwiſchen der Wafferiheide und dem Toten Meere, der hier nur 25—32
it, angeivanbt wurde; ferner wird Die Salzjtadt Joſ 15, —* die 25km öſtlie X
ſeba (ſ. Bb IX ©. 571, 34-37) und noch im Weſten der Waſſ
zur „Wüſte Juda“, nicht zum N, von Juda (Jof 15, 21-32)
Negeb 693
fih daraus, dab der Ort Arad, der Doch wohl dem heutigen tell “aräd auf ber
Waſſerſcheide zwiſchen chirbet el-milh und es-sebbe (= Maſada Bd IX ©. 572)
entfpricht, dem N. zugeichrieben wird Nu 21, 1; 33, 40, der gerade entgegengefeßte
Schluß ableiten, daß fich nämlich der N. mindeitend bis zur Waflerfcheide ausgedehnt
habe. Vielleicht war die Dfjtgrenze des N. in Mirklichleit eine ſchwankende. Es kann 5
daher auch nicht gejagt twerden, two fie in die Südgrenze Judas Sof 15, 1ff. ein:
mündete. Dieje lief vom Toten Meere an im heutigen wädiel-fikra aufwärts, be-
rübrte den dschebel madara und erreichte durch den wädi marra über Zin die
Gegend von Kades (j. unten). Neben diefem Orte darf auch Gerar für die Südgrenze
des N. genannt werden. Es wird Gen 20, 1 noch zum N. gerechnet, bezeichnet nach
Gen 10, 19 die Südgrenze der Kanaaniter und lag an der Straße von Kanaan
nah Agypten 2 Chr 14, 12. 13. Es bat mit der Ruine chirbet umm dscherrär
füdlih von Gaza nichts zu thun, fondern gehört in den heutigen wädi dscherür weſt—
lich oder füdtveltfich von Kades, deſſen Name ohne Zweifel an das alte Gerar erinnert,
bejonders in der freilich weniger bezeugten Form dscherär (vgl. Gen 26, 17; 1 Chri:
4, 39 1.75). In der Erzvätergeſchichte wird Gerar als der Ort genannt, mo Abraham
und Iſaak wegen ihrer Weiber mit dem Bbilifterfönig Abimelech Schwierigkeiten haben
Gen 20 und 26. Der wädi dscherür mündet weſtlich in den wädi esch-scheräif,
und diefer in den wädi el-arisch; in dem leßteren ift der „Bach Agyptens“ des AT
zu erfennen, in dem die Südgrenze Israels an das Mittelmeer geführt wird Joſ 15,3f.; 20
Ez 47, 19; Nu 34, 4f. Zum Teil menigftens wird die Grenze des N. damit zu:
fammengefallen fein, ganz wohl nicht; denn es ift unwahrscheinlich, daß man den binnen:
ländifchen Namen N. auch auf das Küftengebiet an der Mündung des wädi el--arisch
ausgedehnt hat. Ob der Name Sur Gen 20,1 gerade mit der Weſtgrenze des N. etwas
zu thun bat, läßt fich nicht feftitellen; der Name des Ortes, den man durch die alte 35
„Mauer“ an der ägyptiſchen Grenze zu erflären pflegt, wohl nicht, eher die Wüſte, Die
nad dem Orte benannt war Er 15, 22. Vielleicht kannte man nad Weften bin eine
fefte Begrenzung des N. noch weniger als nach Oſten bin; N. hieß vermutlih im all:
gemeinen die flachere Abdachung des Landes im Welten der Waſſerſcheide, und mo dieſe
N ohne mwejentliche Unterbrechung in die Ebene verlor, hatte auch der Name feine feſte 30
renzen.
as Wort Negeb iſt urſprünglich kein Eigenname, es hat im AT meiſt noch den
Artikel. Sein Stamm findet ſich auch im Aramäiſchen und hat dort die Bedeutung
„vertrocknen, austrocknen“, ſo daß N. das trockene, dürre Land bedeuten würde, was
feiner Beſchaffenheit vollkommen entſpricht (vgl. Paläſtina). Die LXX hat teils ss
ben Namen umjcrieben (vayep), teild dem Sinne nad) durch Zomuos = Wüſte oder
durch »dros und Aly —= Süden überjeßt, die Vulgata hat im Ynkhlup daran häufig
meridies oder terra (plaga) australis (meridiana) oder austrum gejett, Luther
danach Mittag oder Mittagsland. Tiefe Überfegung ftört an einigen Stellen das Ver:
ſtändnis in empfindlicher Weile. Sp heißt es 3. B. Nu 13, 17. 22, daß die Kund- «0
ichafter von Kades (oder der Wüſte Paran) „an den Mittag” oder „gegen dem Mittag”
nach Hebron ziehen; man follte danach meinen, ihr Weg ginge nach Süden, in Wahrheit
aber zogen fie nach Norden! Die durchgefehene Ausgabe (1892) will durch den Ausdrud
„Mittagsland“ bier helfen, er macht aber der Unklarheit nicht völlig ein Ende. Das
Befte ift wohl, den Namen N. im Deutfchen beizubehalten, wie man e8 mit Saron (d. i. 45
Flachland) 3. B. von vornherein gethan bat.
Die Geſchichte diefer durch ihre Stürme bekannten Landfchaft (vgl. Jeſ 21, 1) Tiegt
zum größten Teil im Dunfeln. Das begreift fih aus ihrer geringen Bedeutung; fie iſt
immer mehr ein Gebiet der Hirten als der Bauern und Städte geweſen. An lebteren
bat es freilich in alter Zeit nicht gefehlt (f. unten), aber im AT werden wiederholt die so
EIN im N. erwähnt Sof 19, 8; Gen 25, 16, d. i. eingebegte Niederlaffungen, wie fie
die Hirten zum Schub gegen Feinde oder wilde Tiere aus Steinen und Dornen in der
Müfte herzuitellen pflegen. Palmer a. a. U. 247. vergleicht damit die von ihm gefun=
denen großen Gehege aus Steinen (arab. duwär), die fihb am weſtlichen Rande des
inneren Hochlandes, des dschebel el-makräh, an dem Austritt der Thäler befinden. 56
Der N. war immer nur ein Anbängjel des von der Kultur feit gewonnenen Gebiets,
bald mehr den Beduinen preisgegeben, bald mehr durch feftbeftedelte Punkte dem fichern
Verkehr und regelmäßigen Anbau erfchlojfen. Eine Erwähnung auf einer Infchrift des
ägyptiſchen Pharao Thutmoſis III. lehrt bisher nur, daß der Name der Yanbichaft alt
ft. Im AT wird der I. nad den Stämmen, die ihn durchzogen oder beberrfchten, im 60
0
2
Qt
*
i
694 Negeb
n ra eng Se ) Weife benannt 1 Sa 27, 10; AO
Sem m Ban — a 69 I Du
lich von -milh w 2
der Keniler —*— ug Fo diefe nad) den
5 98 und M =
A, often Des Gebiets, etwa i mo gegen ift zu be
len, dab die LXX 1 ©a 27, 10 (und 30, 29) „Kenifiter‘ jtatt Keniter * un
Yesart, Die u die ———— e ohne Zweifel empfohlen erg no
5, 19 der Keniſiter l in den N.
des N. an den N, der Halebiter, und unter diefen beiden Teilen
würden wir Be u ie en u. das nad Süden zu an die eigentlichen Wohn.
einliher In als Sr
—— — 1 1 16
ı Gebiet des N. — feine Berührung, der N. grenzte Norden an
Wohnſihe des Stammes Kaleb ol, 3 Bd IX ©. 713), der bis zum Königtum 2
25 von son völlig unabhängig tar. —— uda der ende Stamm
war, und bejonders nachdem es ein Königreid J a gab, läßt ſich verjteben, wenn ei
Teil des N. nad Juda benannt wird So et | x
30, 14 fofort, daß die Worte TI” — — Zuſatz ſind, der zur i
mit ®. 16 (Land der Philiſter und Land Judas) dienen foll, ſowie weiter, daß ber N
30 Judas nur mit dem N. Kalebs zufammenfallen foll. Danadı it aud 1 Sa 27, 10 zu
Beulen; ber Wer, färbt S. Judas nach dem Spruchgebrnu, feiner Jet der
dem Königtum Davids undenkbar ift, und meint ven N. Kalebs. Außer
werden im AT für den N, noch genannt bie ee — 1f) und Geffu-
riter (ſ. Bd IX S. 739, 48 ff); in ber gel Gloſſe Nu 13, 29 (vgl. 14, 25% >
3 und in ber —— —— Sen 14, 7 find wohl die Zuftäne gemeint, Die vor den
Siegen Israels Er 17, 8ff, und 1Ca 15 vorhanden waren oder wurden,
vend 1 Sa 27, 8 vermutlich die füdlicheren Gegenden des N. nad) der eigentlichen
zu im Auge bat (j. unten zu Telaim und Telem). Auch ismaelitische ——
nach Gen 21, 21; 25, 18 wenigſtens bie ſüdlichen Teile des N. durchzog
w So lange die Macht der davidiichen Könige noch nad außen bin Bebeutung
itanden die Verkehrswege durch den N, unter ihrem Schuß, befonders bie, die für
Handel nach Agypten * nad Elath am Rothen Meere (ſ. Bd V ©. — i
Zeit wichtig waren, Der erftere lief über Hebron nad) Beerjeba und in |
tung weiter bis über die Gegend von Gerar hinaus, wandte dann mad)
45 erreichte die Grenze Ägyptens an der alten Grenzfeftung nörblid von dem **
mäilije. Dieſer Weg * ſchon früh feine Bedeutung verloren zu haben; die ägup:
tijchen Heere, die im 8. Jahrhundert 9 gegen die Afiyrer in Kanaan kämpfen, erſcheinen
auf der Kuflenſtra e, in Raphia und Gaza. Der zweite reg fit Feine teils von Beer
teild von der Salz tabt (= tell el-millh dDIX ©. 571 ‚ ff.) über
so an der Feſtung Thamar (f. unten) vorüber in das Gebiet der Goomiter und
am Noten Meere. Schon unter Joram, dem Sohne Jofaphats, dieſer bi
Zandelsweg den Jubäern verloren 2 Kg 8,20; Ufia bemächtigte fich feiner —
14, 19—22, doch va. unter Aas gelang e8 den Edomitern, die Judäer endgilt
Glath zu vertreiben (2 16, 6; 2 Ebr 28, 17). Damit wird der gi arö here ei
55 nn Handelsweges den ken entriff en worden jein. Vermutlich Y *
Jahrhunderts der N, immer mehr unter den Einfluß der Edomiter und
* nach Norden vordringender Stämme, bis ſich die —— tm Anfane
6. Jahrhunderts, nach der Eroberung Jerufalens, vollends im N. en und jogar I
Hebron vordrangen (ſ, Bd V ©. 1697). Der N. gilt daber in den nacerilifchen Schrifte
so des AT nicht mehr als judäiſch Ob 197. (val. Ser 13, 19; 32, 44; 3313: Sadı 7
Regeb 685
Der Handelsweg vom Roten Meere mündete ſeitdem hauptfächlic in Gaza. Die fpäteren
Hasmonäerfürften und auch Herodes jcheinen fih um die Zuftände im N. nicht viel ge=
fümmert zu haben; dennoch werden fie Tribut von den damals dort lebenden Stänmen
erhoben haben. Erſt die Nömer haben fi) durch die Anlage von Straßen und burd)
den Bau von Städten fowie Kajtellen um diefen Teil Kanaans verdient gemacht und 5
diefen von der Natur ärmlich ausgeftatteten Landitrih auf eine Höhe gebracht, die er
wohl niemals fonft in der Gefchichte gehabt hat. Palmer bat 1870 in der Nähe der
alten Straßen und Ruinen deutliche Spuren davon gefunden, daß die Thäler einit forg-
fältig bebaut und mit Dämmen zur Verteilung des Waſſers verjehen waren; felbft an
den Hügeln finden ſich noch die Reſte von Terrajien, ald ob fie für den Weinbau ein 10
gerichtet getvefen wären. Die Römerftraße nach dem Noten Meere fernen wir aus der
Tabula peutingeriana (ed. Miller 1888). Sie lief von Hebron teils in einem öſt—
lichen Zweige über Thamar (f. unten) und Petra (f. Bd V ©. 170, 15ff.), teils in einem
weitlihen Zweige über (Beerjeba und) Eluja (heute el-chalaga), Oboda (heute “abde),
Lyſa (heute charabat lussän), Cypſaria, Raſa (2) und ad Dianam nad Haila (d. i. 15
aila oder Elatb). Ptolemäus rechnet ven”. teils zu Idumäa, teil zu Arabia petraea;
das Onomasticon des Eufebius (ed. de Lagarde 240; 299) hat in der Hauptfache dafür
den Namen J['soaoırıxn (Geraritica regio) mit Beerjeba, fo daß zu der Daroma ge:
nannten Gegend höchftens ein ſchmaler Strib des N. im Norden gehört; im 5. und
6. Jahrhundert bildet der N. einen Teilvon Palaestina tertia oder salutaris. Nach der 20
Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert, befonders aber infolge der durch die Kreuz:
züge entfachten Kämpfe find die Bauten der Römer verfallen und die Bebuinen die eigent:
lichen Herren des Gebiets geivorden.
Die Städte des N. find im UT teils unter Juda, Joſ 15, 21—32, teils unter
Simeon, Joſ 19, 2—8 (vgl. 1 Chr 4, 28—33) aufgeführt worden. Es bat fid darin 26
die Erinnerung erbalten, daß einzelne Gefchlechter Simeons, nachdem der Stamm dur
die Ranaaniter (Gen 34, 25--30; 49, 5 ff.) zerfprengt war, im Süden und zwar außer:
halb des Kulturlandes ſich hielten, bis fie fich Ipäter dem Reihe Juda anfchloffen (oder
auch nah 1 Chr 4, 42f. forttvanderten). Diefe Berzeichniffe verhalten fich wie folgt zu
einander. Joſ 19, 2—8 finden ſich mit einigen Abweichungen und Zufäßen noch einmal so
in 1 Chr 4, 28—33, und zwar hat der Chronift aus dem Buche Joſua das Verzeichnig
abgefchrieben.. Joſ 19, 3 (won 733 an) —7 (MT 72) finden ſich mit einigen Ab-
weichungen wieder in Joſ 15, 29—32; die Lifte der judäiſchen Orte Sof 15, 21—32
ift erweitert durch fünf Namen, die wahrfcheinlih aus dem Neh 11, 25ff. erhaltenen
Verzeichnifje genommen find: Sema (= Jeſua Neh 11, 26), Molada, Beth Pelet, Hazar 35
Sual und Beerjeba. Hinter Beerfeba findet ſich nämlih Sof 15, 28 der auffallende
Name Bisjothja; die LXX bat dafür xal al x@ua adıav, ie las aljo in ihrem
bebrätfchen Driginal FI = und feine (Beerjebas) Töchterftädte. Dieſe Verbindung
jteht nun fo wörtlich Neb 11, 27; daraus hat man mit Necht geichloffen, daß die Lifte
Joſ 15, 21. aus jenem Berzeichniffe Neb 11 eriveitert fer. Ber diefer Annahme erklärt wo
fi) auch der Unterſchied zwifchen der Joſ 15, 32 angegebenen Zahl von 29 Städten
und der wirklich vorhandenen Zahl von 36 Städten: 5 Namen aus Neh 11 ſowie Big:
jotbja gehen ab, und die Namen Yin und Rimmon find in einen zufammenzuzieben —
En Rimmon Neb 11, 29. Es kann feinem Zweifel unterliegen, daß alle dieſe Liſten,
auh Neh 11,25 Ff., vorexiliſche Verbältniffe im Auge baben; denn nad dem Exil haben
nicht Yudäer, fondern Idumäer in der Gegend um und füdlih von Hebron gewohnt.
Es iſt ein Irrtum des Chroniften, daß er das Verzeichnis Neh 11, 25 ff. auf die nad):
erilifche Zeit bezugen hat.
Die tertkritifchen Fragen, zu denen diefe Varallelliiten Anlaß geben, laſſe ich bier
bei feite und befpreche noch diejenigen Orte, über deren Lage wir etwas wiſſen oder w
wenigſtens vermuten fünnen. Unter den für Simeon genannten Orten ift wohlbekannt
Beerfeba Sof 19,2; 15, 28; 1 Chr 4, 285 Neb 11,27. Er war in alter Zeit berühmt
durch feine Kultugftätte, die fogar von dem Nordreih Israel aus befucht zu werden
flegte Am 5, 5; 8, 14. Die beilige Legende dort wußte von einem Baun, den Abra=
—* gepflanzt Sen 21, 33, und von einem Altar, den Iſaak gebaut Gen 26, 55, auf os
dem aud Jakob geopfert baben jollte Gen 46, 1. Die „Stadt“ (Gen 26, 33) lag am
füdlichen Ende des von teraclitiichen Stämmen feſt befeßten Yandes — daher die Formel
„ganz Israel von Dan bis Berrjeba” 2 Sa 17, 115 24,2. 15; 18a 4,25 5,5) —
one Zweifel lagen eine Anzahl feit bewohnter Orte noch füdlicher, aber wahrſcheinlich
galten ihre Einwohner nicht als teraelitiich. Die Mutter des Königs Joas, alſo cine der co
wen
\
10
du Regeb
Frauen Bea Abasja, ſtammte aus Beerfeba 2 Kg 12,2. Bon großer Wichtigkeit war
ſchon im Altertum der Brunnen, von dem der Ort feinen Namen hatte. Israel und Die
Philiſter ſtritten ich um feinen Beſitz; man erzählte in Israel, daß der Brunnen von
Abraham (Gen 21, 30) oder Iſaak (26, 32F.) gegraben und von dem Philifterfönig Abi⸗
melech durch beſchworenen Bertrag an die Erzpäter abgetreten worden fei (in der LXX
ypeag 10d Ögxov, Tod 6oxıouod). Euſebius und Hieronymus kennen den Ort noch
ale ein großes Dorf mit römiſcher Befagung 20 römische Meilen oder 32km füdlich von
Hebron. Die heutige chirbet bir es-seba® liegt an der Norbfeite des wädi es-seba’
I8km ſüdweſtlich von Hebron, bis vor kurzem nur geringe Reſte von verfallenen Ge
ww bäuden. Wilhelm von Boldenfele (1332) und Ludolph von Subheim (1335 — 41) baben
noch einige Kirchen bier gefehen, wenn auch der Ort fchon unbetwohnt war; es wird in
alten kirchlichen Verzeichniſſen als Bifchofsfis angeführt. Die Kreuzfahrer kannten dieſe
Ztätte nicht, legten aber den Namen dem jegigen bet dschibrin (j. Bd IX ©. 573)
bei. Zeit 1897 bat ein Schech der “azazime-Bebuinen drei Brunnen neu berrichten und
15 1898 einen Chan daneben bauen lafjen; er erlaubt den Hirten gegen eine Abgabe, bier
ihr Vieh zu tränken. Molada bat man mehrfadh mit Malatha, Malaatha des Ono-
masticon (ed. de Yagarde 214, 255; 266, vgl. Joſephus Antig. XVIII 6, 2) zu:
ſammengeſtellt, doch fehwerlich mit Recht; denn Malaatha entfpricht nach den Lauten der
aramäiſchen Aussprache des hebrätfchen 727=°7 "2, der Salzitadt (f. Bo IX S. 571, 34—37),
aber nicht dem hebräiſchen Molada, deffen Lage ſich bis jet nicht nachivetfen läßt. Mit
Hazar Sual hat man einen bei Robinfon, Paläftina III, 862 aufgeführten Ort et-tali
verglichen, da die Bedeutung „Fuchs“ zu dem Namen „Fuchshof“ zu paflen ſcheint; doc
ift ferne Lage nicht befannt. Yzem oder Ezem erinnert an Azmon, einen Punkt ber
Südweſtgrenze Kanaans Nu 34, 4f.; Sof 15, 4, der vom Thargum durch kesam ober
köopam twiedergegeben wird; man bat den Namen einer Duelle nordweſtlich won Kabes
Barnea (j. unten), “ain el-kasäme, damit verglichen, doch muß der biblifche Ort wohl
weiter nordweſtlich gefucht werden. Horma Sof 19, 4; 1 Chr 4, 30; Sof 15, 30 ift
wohl der auh 1 Sa 30, 30 erwähnte Ort, wohin David Geſchenke von der Beute ber
Amalekiter fandte, aber von Horma in Seir Dt 1, 44 ꝛc. zu unterfcheiden. Zillag mar
wnah I Sa 27, 6 cine dem Philifterlönige Achis von Gath gehörige Stadt, Die id
ale Wohnort angewiefen wurde und fpäter Eigentum der Könige von Juda blieb. Nadı
1a 230, 14.16 lag fie in dem philiſtäiſchen N. der Krethi (vgl. ©. 694, 19), nördlich vom
Bach, richtiger Thal Beſor, das vielleicht dem heutigen wädi esch-scheri’a entipridt,
und tvar von Aphek in der Ebene Jeſreel (f. Bd VIII ©. 733) in drei Tagen zu er
s reichen 1 Sa 30, 1. Diefe Angaben laffen auf eine Lage nordweitlich oder weſtlich von
Beerſeba Schließen. Deshalb ift der Vorfchlag von Rowlands, die chirbet “aslüdsch in
dem wädi “aglüdsch 20km füdlih von Beerjeba als die Stelle des alten Zillag an:
yuleben, chtwerlich richtig. Eher könnte die Vermutung Conders, e8 in der chirbet zu-
heilike füdlich von hüdsch und oftjüdöjtlich von Gaza zu fuchen, die richtige Gegend treffen.
ao Für Beth Markaboth Joſ 19, 5 ſteht Joſ 15, 31 Dabmanna, dad nad 1 Chr 2, 49
falebitifhb war, für Haar Suſa (1 Chr 4, 31 9. Sufim) Sanfanna. Sa (Zof
15, 31 Silbim, 1 Chr 4, 31 Saarain) entfpricht wahrfcheinlich dem ägyptiſchen Namen
scha-ra-ha-n, der als Urtöname auf einer Inſchrift Thutmofis’ III. zwiſchen Tanis
und Gaza erwähnt wird. Ain und Nimmon find mwahrjcheinlib zu einem Namen zu
10 verbinden und En Rimmon Neh 11, 29 auszufprechen; die LXX hat of 19,7 ’Eoen-
uov, Joſ 15, 32 ’Eowu@d, was im Unomaftiton des Eufebius und Hieronymus ed.
de Yagarde 256; 120 als ’Fosußav, Eremmon erfcheint und als ein fehr großes Dorf
16 römiſche Meilen oder 24km füdlih von Eleutberopolis im Daroma bezeichnet wirt.
Es entspricht wobl dem beutigen umm er-ramämin 27km jüdöltlih von böt dschibrin
wo und 15km nördlid von Beerfeba an der Grenze des eigentlichen Berglandes (ſ. ©. 692,4 ff.).
Dasd tft alles, was fid über die Yage der zu Simeon gerechneten Städte jagen läßt. Es
ergiebt fih Daraus, daß ihr Gebiet in der nördlichen, tweitlichen und ſüdweſtlichen Umgebung
von Veerfeba geſucht werden muß und teils mit dem N. der Kretbi, teild mit dem. der
Keniſiter (ſ. jedoch o. S. 691,7 ff.) oder Nalebiter zufammenfällt. Von einer Erweiterung
desd Gebieto Der ſimeonitiſchen Gejchlediter bören wir 1 Chr 4, 38ff. Um gutes Weide:
land für ibre Herden zu Juden, zieben fie im Thal von Gerar (jo it nach LXX für
(Nedor zu leſen, ſ. o. S. 693) oftwärts, d. b. in die S. 689,37 ff. beichriebene waſſerreichſte
(Hegend Deo N., wo ca wirklich gute Weidepläge giebt. Leider läßt fich nicht feftftellen,
in welche Zeit dieſe Belegung Gerars durch fimeonitifche Gefchlechter fällt. Wenn man
mi, II ſur die Datierung verwerten darf, käme man in die Zeit des Königs Hiskia um
Regeb 697
700 v. Chr. und würde geneigt fein, in den früheren bamitifchen Bewohnern der Gegend
(B. 40) arabifche Kufchiten zu vermuten. Da an der Nadricht im allgemeinen nicht zu
zweifeln ift, fo hat man Gerar für eine nicht näber zu beftinnmende Zeit zu den von Simeon
beſetzten Gegenden des N. zu zählen.
Die unter Juda aufgeführten Städte Sof 15, 21—27 bleiben für den N. der Kale- 6
biter, der Serahmeeliter und Keniter (vgl. oben ©. 694) übrig. Die Aufzählung beginnt
nad) Joſ 15, 21 an der Grenze Edoms. Kina V. 22 könnte mit dem Nomadenftamme
Kain (ſ. Bd IX S. 698) zufammenhängen, dem I Ca 30,29 auch Städte zugejchrieben
werden. Kür Adada hat LXX Aoovnd, es ift daher wahrſcheinlich “ar'ärä A lefen und
dag heutige “arrära 3 Stunden füdöftlih von Beerjeba und 10 km füdtweitlich von tell ı0
el-milh zu vergleichen, deſſen Name nad Robinfon, Baläftina III, 181 Waffergruben
(für Anfammlung des Grundwaſſers) bedeutet. Ob das in der Regel verglichene Aroer
1 Sa 30, 28 wirflih mit diefem Orte identisch ift, läßt fich bezweifeln. Kedes V. 23
fol von dem befannten Kades Barnea V. 3 offenbar unterfchieden werden, obwohl die
LXX für beide Orte die gleiche Ausſprache Kadns hat; vermutlich gehört zu dieſem 15
Drte das von dem arabifchen Geographen el-Mukaddasi erwähnte kadüs eine Tage:
reife füböftlih von Hebron (doch it der Name nicht ficher überliefert ZUPV VII, 226).
Bu ER läßt fich der bei Robinson, Paläſtina III 862 verzeichnete Ort el-hudera,
öftlih von chirbet el-karjaten (f. 3.47), vergleichen, zu Ithnan das kalebitiſche Ge:
Ihleht Ethnan 1 Chr 4, 7. Siph V. 24 ift nicht mit dem falebitifchen Orte gleichen 20
Namens zwifchen Karmel und Jutta Sof 15, 55 (ſ. Bd IX S. 569,45) zu vermechfeln.
Telem ift allem Anſcheine nach derjelbe Ort, der 1 Ca 15,4 in der Ausſprache Telaim
begegnet und in den verwandten Glofien 1 Sa 27, 8 (LXX ano Teldu — Teidu),
ſowie 15, 7 ftatt des jeigen bebräifchen Tertes berzuftellen iſt (vgl. Wellhaufen und
Driver a d. St.); er würde dann die Oftgrenze des Gebiet ver Amalekiter bezeichnen 25
(vgl. 0.©. 694,33 ff.). Bealoth wollte Kinobel von der kubbet el-baul nördlich von dem
Anitieg Akrabbim verftehen (ſ. Robinfon, Pal. III, 179), Wetzſtein hingegen von dem
dschebel ‘aräif, der noch etwa 8 Etunden füdlicher liegt als Kades Barnea, und dort
auch die Sof 19, 8 genannte Stätte Baalath Beer Namath im N. fuchen. Allein diejes
Namath im N., 1 Sa 30,27 Ramoth imN., muß wohl nordweftlicher angejegt werden, zu
da e8 zu dem Gebiet Simeond gerechnet wird (f. oben), und Bealotb Joſ 15, 24 lag
wahrjcheinlich norböftlicher. Karioth (Kiriotb) V. 25 ift mit dem folgenden Wort zu
einem Namen zu verbinden, nämlich Karioth Hezron, wie fchon die LXX und die ſyriſche
Überfegung gethan haben. Das Wort Rarioth bedarf der näheren Beſtimmung durd)
ein anderes Wort; es bedeutet nach Wetzſteins Vermutung Schluchten, das Ganze dem= 35
nad) „die Schluchten von Hezron”. Hezron ift nun ein belanntes kalebitiſch-judäiſches
Geſchlecht, nach Gen 46, 12; Nu 26, 21; 1 Chr 2, öff. der Vater von Serahmeel,
Ram und Kaleb. Der Name Hezron ift in feiner modernen arabiichen Form, nämlid)
hadrä, durch Wetzſtein nachgewieſen worden, er bezeichnet nach Palmers Beobachtungen
etwa das Hochland nördlich vom wädi marra zwiſchen den nakb el-gharb (Weſtpaß) 0
und dem nakb el-jemen (Südpaß). Die Nordgrenze fcheint der wädi rachame zu
bilden, der bereit3 von Palmer mit Jerahmeel zufammengeftellt worden tt. Diefe Ver:
mutung gewinnt buch die Gleichung Heron — hadrä an Wahrſcheinlichkeit; zugleich
ließe ſich nach diefen beiden Namen der N. Jerahmeel (S. 694,2) ficherer bejtinnmen. Der
hebräiſche Tert erläutert (Kariotb) Hezron durch Hazor; mit welchem Necht und in weldyem 45
Sinne, läßt fih nicht erfennen. Nobinfon III, 11f. bat diefen Ort des N. mit der um:
fangreihen Trümmerftätte chirbet el-karjaten 6 km ſüdlich von tell main, alfo im
äußerjten Norden des N., verglichen; aber karjaten würde auf ein bebräifches EN”
zurüdmweifen, es liegt wohl auch zu nördlich. Ob gerade dieſes Karioth mit dem Bei:
namen des Jüngers und Verräters Jeſu, Iſcharioth — Mann aus Kariotb, zufammen: sw
hängt, läßt ſich nicht entſcheiden. Wir fennen freilih nur noch ein Karioth in Moab
m 2, 2; es kann jedoch auch andere Orte dieſes Namens in Juda gegeben baben.
Sema B. 26 ſcheint mit Simeon zufammenzubängen; in der Yifte Neh 11,26 fteht dafür
Jeſua, das Conder mit chirbet sa’we nörblich von tell el-millı verglichen hat. Ver:
mutlich handelt es ſich jedoch um einen ſüdlicher gelegenen Urt. 65
Von einigen anderen Orten, die im Altertum entweder zum N. gerechnet oder zur
Beitimmung feiner Grenzen verivendet wurden, ift ſchon oben die Rede geweſen, näntlich
von Arad ©. 693, 1 ff. von Gerar S. 693, 9 ff. und von Sur ©. 693,24 ff. Es erübrigt, noch
zivei Orte zu nennen, die das AT freilich nicht ausdrüdlic in den N. verlegt, Die aber
jedenfalls feinen (Srenzen nabe lagen. Der erfte iſt Thamar. Von ibm gebt Ez 47,19; w
—— —
a nakb 3 uſammenfall
ſons (Paläjtina III, 186), daß das * — dns
15 wähnt wird, zur — —— — beſtimmt war.
kurnub, Man wird bei ana Straße für < Salomog
18 (Ketib) rn
ier anzufegen. Bon der Yesart d
a —— ern: Namen Palm ——
20 N befeftigt hätte, 8 abzufeben, er
Feng Salemos sand fen La, et ; zu feinem
wer weite Ort, der in Verbindung mit dem 555* re iſt
BEN ades Barnca Dt 1, 19. 46; 2,14. Er la re der Au
20, 1b, alfo an der — israelitiſchen Landes, nach m 47, 2
693,19
je Eboms
u
mar und —
Ban * es ih na van Dt aa Zeit der Aufenthalt der aelitife
Nu 20, 1b; Dt 1, 46; A 11, 167. und der Ort, von dein bie Runbfchafter ihren:
duch den N. bis nach Estol in per Gegend bon Hebron (j. Bd IX ©. 568, ») antvraten
Nu 13, 26; 32,8; Di1,20ff. ; Sol —* von dem ferner die Boten an den nig von
Edom wWoeſaubt wurden, um freien durch deſſen Gebiet zu | erbitten Run 20 20, 14 f.;
Ri 11, 16f. Diefen Merkmalen, vor — em für einen längeren Aufenthalt‘; ablreid dvet
35 Menfchen erforderlichen Wafferreichtum ee die Gegend von "ain kadis, einer Zur Ale
— Rowlande 1842 entdeckte und H. Clay Trumbull 30. März 1881 wiederfand. Yet
erreichte von der Lagerſtätte im wädi dscherür, "sei vom wädi esch-scheräif, ir
Sie —— nach drei Kamelſtunden den wädi kadis, eine von fe mag CR 2 chloſſe
bene mit unregelmäßiger Bodenfläche, 4—5 km breit und bon Diten ein
10 kurze Tagereife lang, in der Mitte von einem breiten Waflerbett
um Aderbau benußt wird und durd feine en icharf
—* Nach 1'/, ſtündigem Ritt verloren ſich die Zeichen ber
wurde jteinig, * wieder nach anderthalb Stunden ſah Trumb vie Duke
am Fuße von Kalkfelfen bervorbrechen. Die reichliche Duelle fpeift une in —
friſch grünent
45 liegende Brunnen und Teiche und verwandelt ihre nächſte — in eine
Oaſe. Das treffliche Waſſer verliert ſich weiterhin in dem dürren
wädi kadis führt ein Meg über die Berge nad) Norden, wie es Nu 13, 17. 22; 14,
40. 44 angenommen wird. Bon bier gelangte Trumbull nad) 2°), Stunden im den
wädi el-kadörät, ein Tbal, das nordnordweftlih vom wädi kadis ebenfalls |
so nad Dften ſich ausbehnt und durd feinen reichen Pflanzenwuchs an die —
der Sinaihalbinſel erinnert. In einem der von Norden oder Nordoften b
Seitenthäler fand Trumbull eine andere Quelle, “ain el-kadörät, die iſt als "ain
kadis, aus einem Abbang bervorfommt und ji in einem alle von ettoa 2m in ein
bon dichtenn Grün umrabmtes Beden ergieht, aus dem das Maffer als lebhe ufchen
55 der Bach, abwärts dem Haupttbal zufließt. Die Gegend ift — we in S |
punkt der unterirdisch fließenden Mafler zu betrachten, da audı andere Seitentbäler:
Pflanzenwuchs aufweiſen. Bon bier aus erreichte Trumbull in mordt licher Nicht
den wädi es-seräm in 3 Nameljtunden. Am folgenden Tage bejuchte er er bon bort a
nad 2ftündigen Mitt die. dritte Quelle jener Gegend, “ain el-kasäme, die‘
«0 lich und auch nördlicher gelegen iſt als die beiden oben erwähnten Quellen u
Negeb 699
fächlich, abgefehen von einem mäßigen Wafferausfluß aus der Felswand, einige größere
und kleinere Waflergruben umfaßt, alfo von weit geringerer Bedeutung iſt. Etwa 5 km
weftlich befindet jich die Duelle “ain el-muwelih und ctwa 12km ſüdlich die bijar
(d. i. Brunnen von) mäjin am Fuße des dschebel “aräif, die ſchönes Waſſer ent:
halten. Reſte alter Anlagen und Bauten find in diefer Gegend zahlreih. Aus dem allen 5
ergiebt fich, daß hier die waſſerreichſte Gegend des N. ift. Eine ſolche Ausstattung ift
aber unbedingt für den Ort erforderlich, den man fi als längeren Aufenthalt einer
trößeren Anzahl von Menfchen denken fol. Dazu kommt der Namen kadis, der dem
Biblifchen Kades entfpricht, ſowie die Lage der Duelle, die zu den Angaben des AT gut
paßt. Daher ift faum daran zu zweifeln, daß “ain kadis die Stätte ift, an der Mojes 10
lange Jahre hindurch im Namen Jahwes Necht ſprach und dadurch den felten Grund
für das Wolf Jsrael und defjen Neligion legte, wo zugleich der erjte Anfang des ſeß—
haften Wohnens gemacht und der fpätere Übergang zur Kultur für die Hirtenſtämme
vorbereitet wurde. Die Umgegend von Kades het Pf 29, 8 die Wüfte von K., im
Prieſterkoder die Wüfte (von) Zin Nu 27, 14; Dt 32, 51; Nu 20, 1. 22, ähnlich aud) ı5
Nu 33,36. Es ift begreiflich, daß im AT verfchiedene Erzählungen von dem Aufenthalt
Israels in Kades handeln, bejonderd von der Duelle, deren Waller die Müfte bier fo
überrafchend freundlich geitaltet. Mofes Toll nah Nu 20, 2ff. durh die Munderfraft
feines Stabes das Waller dem Felfen entlodt haben. Mit diefem Vorgang wird ein
anderer Name der Quelle ın Verbindung gebracht, nämlich Haderwaſſer, hebr. AS 2, 20
die Deutung dieſes Ausdruds erfolgt jedoch in verfchiedener Meife: nach dem Jahwiſten
Nu 20, 13 (vgl. Pi 81, 8; 95, 8; 106, 32), weil Israel mit Jahwe haderte; nad)
den Priefterloder Nu 20, (12) 24; 27,14; Dt 32, 51, weil Mofes und Aaron gegen
Jahwe widerſpenſtig waren; und in dem Leviſpruch Dt 33, 8, weil Jahwe dort für
Mofes tritt. Während Ey 47, 19; 48,28 diefer Name ebenfalls von Kades veritanden 25
wird, ift er Er 17, 2—7 mit Mafla verbunden und an den Horeb V. 6 verlegt. Auch
bier handelt e8 fi) um die Öffnung einer Duelle aus dem Geftein dur den Etab
Mofes’, und die Namen werden damit erklärt, daß die Israeliten mit Mofes (oder Jahwe)
germert (hebr. 2°) und Jahwe verjucht hätten (hebr. 1?2, davon 1972), Hingegen wird
ala (neben Meriba) Dt 33, 8 fo veritanden, daß Jahwe den Mofes verfudht, auf die so
Probe geitellt habe. Maſſa findet fich jedoch auch allein Dt 6, 16; 9, 22, an legterer
Stelle zwiſchen Thabeera und den Yuftgräbern, aber vor Kades V. 23, fo daß der Drt
bier deutlich von Kades unterjchieden wird (vgl. auch die Anfpielung auf den Namen in
Er 15,25 "79 DO) Wahrſcheinlich war Maſſa urfprünglic in der Überlieferung ein von
Meriba (= Kades) verfchiedener Ort, ift fpäter aber mit ihn verbunden worden. Kades 35
lt auch als die Stätte, an der Wirjan, die Schwefter Mofes, ftarb und begraben wurde.
er Name Born Mispat, CEO TE Gen 14,7 d. i. Gerichts: oder Orafelquelle, bezieht
fih entweder darauf, daß Mofes dort Necht gefprochen hat, oder darauf, daß dort von
alters her göttliche Beſcheide oder Drafel erteilt wurden. Es liegt die Annahme nabe,
daß fi der Kampf Israels gegen die Amaleliter Er 17 um den Beliß diefer Quellen⸗ 10
gegend drehte, vielleicht hing aud der Zug Sauls 1 Sa 15 damit zuſammen, daß
die Amalekiter diefe Befisfrage im N. wieder geitört hatten. Doc giebt uns die
jeßige Geftalt unferer Nachrichten feinen Auffchluß darüber. Die Beichaffenheit des
Landes lehrt aber, daß es ohne dieſe Quellen für den Befiter feinen Wert bat, ſowie
daß der Kampf um das Land ein Kampf um diefe Quellen fein muß. Die Amaleliter, 45
in deren Bereiche fie nad) 1 Ca 27,8; 15,7 (1. S. 694,33 ff.) lagen, werden fie im Altertum
ebenso eiferfüchtig geführt haben, wie heute die beni “azzäm oder “azäzime-Beduinen.
Endlich fallen in das Gebiet des N. die Brunnen, die Gen 26, 19-—22 die Sklaven
Iſaaks gegraben haben follen, namens Eſek, Sitna und Rehoboth. Zu den beiden letz—
teren haben Robinfon I, 324 ff. 332 und Palmer 296f. die Namen wäadi schutön mit oo
Nuinen (oder wädi schutnet er-ruhäbe) und er-ruhebe, Reſte einer alten Stabt mit
Brunnen etwa 30km ſüdweſtlich von Beerfeba, verglichen.
Bon der Lage der bier behandelten Yandichaft leitet ſich ein anderer, allgemein geo—
graphifcher Sprachgebrauch des Wortes N. ber, der den Bewohnern Kanaans eigentümlich
iſt. Wie der Ausdrud ©) — Meer häufig Weſten bedeutet, jo bezeichnet 223 die fübliche 55
Himmelgrihtung Gen 13, 145 28, 145 Nu 35, 55 Joſ 11,2; 15,45 17, 9f.; Ez
21, 2f. Die gejuchte Sprache des Danielbuches gebraucht N. jogar für Agypten Da
11, Sff., und auch in der rätjelbaften Überschrift Jeſ 30, 6 baben einige Gelehrte dieſe
Bedeutung finden wollen. 1 Sa 20, 41 ift ftatt 232 nach der LXX zu leſen AF7ET,
Erdhaufen, Steinhaufen. Guthe. 60
-
2
Hemso Achemia
nf.
“ern, unter Esra und Nehmia Die bemeitens
. zz Wiederherſtellung des jüdiſchen Gemeinwmeſens
—ers bibliſchen Studien V, 2. 3, 10 und dazu
. 2.2 und über die bibliihe Quelle nach Text und Kom:
= zart es bier nur nod einer kurzen Erzählung ber
‘= rm Jeitgenoſſen Zerubbabeld a7: Car 2, 2; Web
— 2 mn Neb5, 16, den Namen san 02 uam (Nch
77 Meh 12,26 und ITETRT (Neh 8, 0: 10, 2) führte,
.. 14; Esr 5. 15 und Esr 2, 63 — Wch 7, 15).
7,298 Der erſte Dem Sinne nach jo viel wie Bezirks oder
- ‚oerung nad \eahricheinlich babplontiih oder Doch ſemitiſch;
rticher Würdename. Der den königlichen Bevollmächtigten
h Ardes antareysathra (Zvmmifta 1, 60) mir ſehr zweifel—
“pe JIon Esra) Durch Ableitung dieſes Titels von aramäiſchem
. An aunben Sinn erreicht, außerdem aber ibn mit Dem Wein
oz ar Fombinierend von 777 und STE abgeleitet (Qidduſchin
euer, der die Erlaubnis batte, von heidniſchem Weine zu trinken.
ron, u te der Des Batera 7727 (Sept. dyadia 3. B. nad C. A.,
wur. errtas nach ec. B., Lucian u. Vulg. was jonft 1.2 M6 22!
ru at Der maſſoretiſchen Ausſprache bebandelt, wie wenn er
m En
"73200 Nummer gebildet ſei; aber nach der Redensart 2 737 „auf je
—zeph 3,85 Hab 2,51 iſt er yoeifellos urſprünglich gemeint
2” arre Des Deren“, wie aud Böhme erfannt bat (1. Ryjſels
D
u
anni Kemmentars 2. XXXID); der Name tft alfo Dem Zinne
NORD 27T warte auf Bott” zu vergleichen. Schwieriger iſt
oa TI u erflaren, nicht zwar Den Monfonanten nach: Denn wie
A.
Dan we
entstehen av. DD mit beziehen können. Wobl aber ſpricht
re dveil Troſtes“ oder "TI NXcnavt (Neh 7, 7) t„Gott) hat
ut at ausdgedruckt „Jahbwe bat getröſtet“ IT E77, mie in dem
entps Jahwe bat, Gnade erwieſen“ 777775775 wohl aber
an wn Mennt 9272, 28 vergleicht. Es jcheint, daß bei der
wg TEE das bebrätjche Piel STE emem Dal 275, fo bier Das
won ST mit intranſitiver Ausſprache gleichgefegt und Dann nad
ei Unterdruckung Des» der eriten Silbe und Kürzung Des zweiten
onetinßt worden iſt. Daß Hakalija und fein Sohn Nehemia
Su part und Der Araber (ſ BDV 2.502) aus falſcher Deutung
el nehmen und Die Vulgata mit ibrem iussit sacerdos Nee-
os erig Nesiitas D> Matt, 21 zu beitätigen Scheint, kann,
rest Nut aus Veh 10, 9 geichloffen werden, Ivo Die Worte
ir uiebt aui den von den folgenden Subjekten durch feinen
un Keen 5, LE von ſeiner perfönlichen Nichtberechtigung in den
sa iberzeugt NE ale don der Echtheit des propbetiichen Wortes,
ua cvitenbeiieber iſt Die Schon tm Altertum gelegentlich zu Tage
win Nrssakae der jedenfalls einer vornehmen jerufalemiichen Familie
din usde geherte. Dem er nennt \erufalen „Die Stadt Des
the, man balt es für wubrjcheinlich, daß er ſich unter
enteo zum Könige proßlamieren werde (6, 7); und endlich
ven Nebemias am perſiſchen Hofe bei der Neigung Der
aarliit Jurſtengeſchlechter um ihre Perſon zu baben (Ta
1.8, pn leichteiſten, wenn er Dafür galt, unter den ;Fürjten
nenn Mer antter Dielen Umſtänden iſt es nicht befremblid,
rm eninfdungeit, Die Israel ins Unglüd gebracht haben,
ea rhbe bezeichnet, Die Die Minder Jorael und er und
ars sg St Daß wir hierüber und über die Vorgänge,
Von Vergintanus, ſ. unter Cara BD VS. 516 u 518)
in. obepa tea beſißen, bat jenen Grund in der Urgani:
ho breit Bor Web, Vermöge derſelben konnte erjt von
enpipiundy Erzablung Des Nebemia dem Verf. Die Yalt
Nehemia 701
des eignen Berichtes abnehmen, wo feine Berfon für die Schidfale der Reftauratione-
gemeinde im heiligen Yande entjcheidende Bedeutung gewann.
Es war im Kislev des 20. Jahres des Artarerres — 445 v. Chr., daß Nehemia
im Königsſchloſſe zu Suſa von feinem Bruder Hanani und von einigen Juden, oder rich:
tiger: von aus Juda gelommenen und durch feinen Bruder Hanani bei ihm eingeführten 6
Leuten, von der üblen und fchimpflichen Lage hörte, in welcher die heimifche Gemeinde
fh (jeit dem nah Eör 4, 17 ff. den Übermut ihrer Feinde begünftigenden Erlafje des
Artarerres ſ. meine Gefchichte Israels S. 252 ff.) befinde, und wie fie es nicht habe ver-
hindern fünnen, daß in die Mauern Serufalems Breichen gelegt und ihre Thorgebäude
in Brand geftedt wurden (1, 1--3). Ergriffen von dieſer jchmerzlidhen Kunde rang er 10
fib in mehrmonatlidem Falten und Beten (1, 4) zu dem Entichluffe durch, deſſen Aus—
führung 8. 2, 1ff. berichtet wird. Da nämlid das Gebet (v. 5--11), weil es für
„heute“ Gelingen feines waghalſigen Schritte beim Könige von Gott erbittet (v. 11),
als Abschluß feiner Faften aufzufallen ift, und da die Worte Tab pw rm nn im
Unterfchiede von 7227 77p0r O8 und von 727 757202 IR offenbar fagen wollen „an
mid) war die Reihe gefommen, dag Amt des Mundſchenken zu verwalten”, fo muß man
den Tag, an dem er fo betete, und den (wahrſcheinlich erſten) Nifanstag, an dem das
Amt des Mundfchenten ihn zum erften Male feit dem Kislev in den unmittelbaren per:
ſönlichen Verkehr mit dem Könige brachte, für identifch anfeben. Um den König zu teil:
nebmender Frage zu veranlaffen, reichte er ihm den Becher in einer für ihn auffallenden 20
Weiſe. Bisher hatte er dabei nie gefntet (2, 1 I. E3F? 22 NT N Statt des unver:
ſtändlichen >=); dieſesmal fiel er in die Knie, ehe er den Becher erbob und ihn dem
Könige reichte (betrachte - als übel entzifferten Reft von ausgefallenem "3 22 EIER).
Das machte den König in Verbindung mit dem fummervollen Gefichte, das er zu fehen
befam, ftußig; jo daß er den Nehemia darauf direft anredete. Wenn dieſes auch im 25
Tone des Vorwurfs über das Verdrieglichbliden als einen Verſtoß gegen die Etiquette
geſchah — denn Neh. erichraf darüber (2, 2’) — fo gab die Notwendigkeit einer recht:
fertigenden Antwort ihm doch die erfehnte Gelegenheit, das Unglüd Jeruſalems als eine
Schändung der Gräber feiner Väter und darum als genügenden Grund ſeines Unmutes
auh für die Empfindung des Königs zur Sprache zu bringen (v. 3) und auf befien so
Frage, was er denn nun (lies 32 ft. >? ın v. 4) verlange, unter ſtillem Gebete, meil
im Bemwußtfein der Größe und Bedeutung des Verlangten, ihm die Bitte vorzutragen,
als töniglicher Legat mit dem Auftrage der Wieverheritellung nad Jeruſalem entfandt
zu werben (v. 5). Denn daß feine Milfion die eines außerordentlichen Legaten mar,
beweiſt die Frage des Königs nad) der Länge der Zeit, die er abivejend zu fein gedenke, 36
und die Bezeichnung des Terming feiner Wiederlunft, mit welcher N. darauf antwortet
(2, 6). Wenn er aljo nachher 12 Jahre als Becha in Juda fungiert (5, 14), jo müflen
wir in Ermangelung ausdrüdlicher Angaben fchließen, daß zu dem anfänglichen Kom:
mifjortum die Gnade des Königs Später die Bekleidung mit dem dauernden Verwaltungs:
amte des Pecha hinzugefügt hat. Ausgeltattet mit föniglichen Geleitsbriefen an die Prä- 40
feften von Eberhannahar, mit Vollmacht aus dem föniglichen Forſt das nötige Bauholz
zur Herftellung der Thore und Mauern der Stadt, ſowie der Amtswohnung de N. zu
beziehen (in 2, 8 tft 7=°277 ebenfo wie 7, 2 materiell identifch mit „der Stadt“, mit
„Jeruſalem“, aber ein amtlicher Mürdename für fie ald Stadt früher der jüdifchen, jetzt
der perfifchen Könige, die in ihren Beamten dort refidieren; ferner iſt ftatt mr25 zu s
fchreiben Mi>22 in demjelben Sinne wie 2, 5, und ber Relativſatz „welche bergeftellt
werden follen” auf „die Thore der Bira zu beziehen”), endlich gededt durch eine vom
Könige mitgegebene militärische Eskorte (2, 9) kam N., wir wiſſen nicht, nach wie langer
Reifezeit, doch ficher vor den Anfang des 5. Monates in Serufalen an (2, 11). Aber
erſt nad) drei Tagen, nachdem er heimlich auf einem unauffälligen Ausgange (daher nur co
wenige Begleiter, und dieſe unberitten mitnchmend, 2, 12) bei Nacht die Mauer und
insbefondere die Stellen in Augenjchein genommen batte, wo Brefchen (I. EIEIE SO TOR
v. 13) und die Thore durch Feuer zerftört waren, forderte er unter nachdrüdlichem
Appell an das nationale Chrgefühl die Juden auf, die Mauern Jeruſalems wieder her:
zuftellen; zugleich ermutigte er fie durch Mitteilung der glüdlichen Fügung, die ihm für fein 66
Werk die Gunft und Gutheißung des Königs verfchafft hatte (v. 18), dem böfen Scheine
rebellifcher Unternehmung energisch Troß zu bieten, welcher dem früheren Verſuche mit
Erfolg angeheftet worden war, und auch jebt wieder auf ihr Vorhaben geivorfen zu
werden drohte (2, 19. 20). Wie jebr er den Eifer zu entfachen und wie Hug und ener=
giſch er ihn zum praftifchen Erfolge zu leiten verftanden bat, fann man einerfeit aus co
[5
5
gen
.t> das 5, Kapitel darbietet at Dan
eꝛrordentlichein Fleiße alles Reachtene
. 7a der zeit, in welcher Jeruniaten: u
SRpergeſtellt wurde. Ter Mauerbau tell:
»ubeſtimmtes Stuck vollbracht zu baden,
And Berufsgenoſſenſchaften, Die Zunite, du
neten. Und was Das andere anlangt.
„nn Me Mauer vollender wurde, Der 52. Im
. Setepbus ſ. u. Die Daran gelchlefienen
rten. gerieten ſie in yurdit” iprich: NT" --
son wurden, DD es verging ihnen Der Var
....7 Adenn alle Beiden um uns ber taben vo
7. EIN” vorber, verwechſelt und desbalb
:oaltig daruber il. R°E ſt. 20 und faben
ande gebracht jet” verraten mit Dem Gefubl Der
zit Das Gelingen Des ihm von Gott einge
ne Düs des Triumphes uber Die Hinderniſe,
2er ebhrgeiziger Nachbaren, teils De inneren Su
si,titı hatten.
von Anfang an bewußt, daß Die Mustruhre:
. n der Gegner ſeines Volkes durchkreuzen werde
zer unter Den Verdacht einer rebelliſchen Be
„nd ſuchten durch Hohn und Spott über Die ver
ir Arbeitern zu erwecken (3, 33 379: ale aber
Erreichte Den Eifer um Die Vollendung itarkte
Uberfallen Den Fortgang zu ſtoren und den R.
1,2. Je energiſchere militäriſche Gegenmaßn
"mer durch perſonliche Liberalitat und Furſorge
orte, deſto eifriger trachteten ſie nun danach, Diet
a Handſtreich bei einer mit freundlichen Erbietungen
Jeruialems (6, 11), ſei es durch Intriguen im Jeru
EIN M. zu Handlungen zu verlocken, De ihm den
yo geraubt hatten (6, 12. 135. Beſonders nambai:
tr Stelle Sanballat, danach Tobia und Welchen
sa vermuten, daß er Div Intereſſen der vom Suden
i Nachbaren vertrat; vom zweiten, Der mit zwer
Heiraten eng verwandt War und mit vielen Juden
“48 Der, wenn ich mit meiner Vermutung au 15, |
"one Kleinodien beim Tempel in Dépöt gab, Tun
ender, Das Uierland des Jordans verwaltender Mann
dazcaen, daß er als Oberprieſter in Samaria Autorita:
Ber Mondgott, Der in Harran verehrt wurden und
SELL" aussutreden iſt 0). Weich. Israels 2.26
sro, welche nach > No 17,28 die religiöſe Pflege
nam. Wenn in Ami Div alte ehrgeizige Eiferſucht
io begreift ſich am leichteſten, daß er Familienverbin
tr Nubte 15, 280, daß aus Jeruſalem verjagte VPrieſter
rc am hartnäckigſten Die Autorität Nehemias u
birhinit des neuen Juda su bindern ſuchte.
oa at bekampfen galt, beſtanden teils in Der Mutloſia
ech 15 und die dabei zu furchtenden, Durch über
ar vorgemalten Angriffe Dev feindſeligen Nachbaren
a alle wie Bruder zuſammenſtehen ſollten, beſonders
| RR der armeren Klaſſen; Datten Diele Doch, um ibhre
le verpianden und ihre Kinder an ihre vermögenden
ve. und ſaben ſich nun unter Dem doppelten Drucke Der
ge der Glaubiger dem Hungerelend preisgegeben
zuanebt bloß durch krajtigen Juſpruch und kluge
belebte, ſondern mit Den Seinen überall felbit
zragen aalteent. 1. Dieſe beſſerte er, indem u
Nehentia 703
wieder unter eigenem Vorangehen in ber opfertoilligen Verzichtleiftung auf feine Rechte,
die Gläubiger zu einem generellen Schulderlaß bewog (5, 6— 19). Bei dem allen konnte
er fih unbedingt verlaffen nur auf feine eigenen Leute. Denn fo fügſam die VBornehmen
fih auch äußerlich gegen den jegt in Gunſt ſtehenden königlichen Yegaten erzeigten, jo
gab es doch viele unter ihnen, die mit der Abficht, zwei Karten in der Hand zu baben, 6
eimlid ihre Verbindung mit den feinplichen Rivalen fortjegten und ihnen Spionsdienfte
eifteten (6, 17—19). Ja fogar prophetifch begabte und als Propheten angejebene Männer
gaben fich dazu ber, den unter ſolchen Umſtänden des prophetiichen Zufpruches wohl be:
bürftigen Mann (6, 9: „es wäre wohl an der Zeit geivefen, meine Hände zu Stärken‘
I. "TR PMINT) zu fchreden und irre zu machen (6, 14), ja in einem Falle unter 10
dem Scheine göttliher Erleuchtung und eines mohlmeinenden Rates zu einem für feine
Autorität verderblichen Schritte zu verleiten. Hier konnte er feitjtellen, daß der Mann,
dem er vertraut hatte, mit Geld beftochen worden war (6, 10—13).
Aber wenn mit der Schließung der Mauern die Ehre der Stadt wiederhergeitellt war,
o galt es nun ihr die Möglidykeit der Erhaltung in ihrer Ehre zu verfchaffen. Die im ıs
Vergleich zu ihrer Größe nur fpärli bewohnte und in geringem Maße wieder auf:
ebaute Stadt mußte bevölkert werden (7, 4). Auch die darauf bezüglichen Maßregeln
bet N. auf göttliche Eingebung zurüd (7, 5). Dabei mußte das in der Vergangenheit
begründete Recht und der faftifche Beitand der zur Gemeinde gehörigen Bevölkerung
berüdfichtigt werden. Daß Nehemia dazu die alten Urkunden erforfchte, zeigt der Ab: 20
ſchnitt 7, 6—73, und daß er eine Volkszählung anordnete, jagt 7,5 ausdrücklich. Die
Vorbereitungen aber und die Durchführung diejes zweiten großen Werkes erforderten
neifel1os eine längere Zeit, und es iſt wahricheinlidh, daß aus diefem Grunde er das
mt des Peha nachträglich erbeten und übertragen befommen hat. Xeider iſt uns die
Fortjegung, welche das K. 7 in der Denkichrift des Nehemia hatte, nicht erhalten, indem 25
der Vf. des Esr-Neh.buches von ihr abgebt und jene auf Grund der Esramemoiren be
richtete große gottesdienjtliche Verfammlung im 7. Monate in den Vordergrund rüdt,
welche ke zu einem Tage der Gejegeöfreude geftaltete, die fchriftgemäße Begehung des
Laubenfeftes nach fich zog und fchlieglich in dem großen Beichtafte und Gelübde gipfelte,
durch das ſich die Gemeinde verpflichtete, in dem Geſetze Jahves zu wandeln und das so
Haus ihres Gottes in feinen Rechten und Ehren zu erhalten (8, 1—10, 40). Daß Nehemia
den Esra bei jener VBerfammlung unterftüßt hat, wird 8, 9 ausdrüdlich gejagt, und daß
jenes Gelübbe — Sinne entſprach, geht aus dem Umſtande hervor, daß in dem Ver:
zeichnis der Beliegelnden (I. mit Syr. Ar. 10,2: Sen TER ftatt Dr) „Nehemia der
Tirſchatha“ obenanfteht ; ja nad) 13, 31 darf man fchließen, daß einiges, wie 3. B. die 86
Drdnung der Holzlieferungen 10, 35, auf feine jpezielle Anregung in jenes Gelübde auf:
enommen tft. Aus dieſer unter anderem Geſichtspunkte orientierten Erzählung iſt aber
ein deutliches Bild über feine nah K. 7 zu erwartende Negierungsthätigfeit zu gewinnen.
Wir erfahren hinter derfelben in 8. 11, 1—2 nur, daß die Häupter des Volkes in Te:
rufalem Wohnung nahmen, und daß die übrige Bevölkerung durdy dag Los ein Zehntel 10
ihres Bejtandes zur Uberfiedelung nad Jeruſalem „der heiligen Stadt” ausſonderte.
Das ift außerordentlich wenig im Vergleich zu der Ausführlichkeit, die der Anfang diefer
Erzählung verſprach, und zu der nah 5, 14 zmwoölfjährigen Dauer feiner Verwaltungs:
thätigfeit ale Pecha. Man könnte zwar in fie noch die große Feier der Mauerweihe
12, 27 ff. bineinlegen wollen, aber davon erzählt Nebemia felbft nur in unmittelbaren 45
oe (87T 292 13, 1) mit einem Borlommnis, das diesfeits jener zwölf
Jahre fällt, und binte einer — bei der Natur der eingeriffenen Unordnung ziemlich
lang zu denfende — Abweſenheit Nehemias am perfifchen Hofe, wie es der Ausdruck 2m y"p>
13, 6 erlaubt. Die ganze Art, wie er ſich ausprüdt, erwedt die Vorftellung, daß er
vom Amte des jüdifchen Pecha in den unmittelbaren Dienjt beim perfiichen Könige zurüd: 59
getreten, und nach geraumer Zeit gegen die Erwartung 3.B. des Hoheprieſters Eljajchib
auf beitimmten Anlaß und zu beſtimmtem Zweck mit begrenztem Urlaub vom Könige in
Jeruſalem wiedererſchienen fer. Eben deshalb habe ih (a.a.D. 266) die Vermutung
ausgeiprochen, die Mauerweibe gehöre in diefe zweite Anweſenheit Nehemias, und zwar
in das Jahr 430, welches ebenjo ein Sabbathjahr war, wie das Jahr 444, in deilen 55
7. Monat wahrſcheinlich die großern Feiern des Abfchnittes K. 8— 10 hineinfallen. Was
uns außerdem Nehemia aus der Zeit dieſes ziveiten Aufenthaltes von fich erzählt, find
lauter einzelne Maßregeln der Zenfur und der Korrektur gegen Verlegung der von ihm
und unter ibm getroffenen Ordnungen, wie fie Die natürliche Trägbeit und Bequenlich-
feit, die fih dadurch geniert fühlte, wie bei der Sabbathsordnung (13, 15ff.), die auf co
— ⸗
or
w
704 Rehemia
eignen Vorteil bedachte Licbedienerei gegen die Ausländer (13, 4ff. und v.28) in Berbin-
dung mit Gleichgiltigfeit gegen die Ehre des Gotteshaufes und feine regelmäßige Be
dienung (v. 10ff) und der Mangel an religöfem und nationalem Ehrgefühl (v. 23 ff.)
troß des früher von ihm gewedten Eifers ſich wieder hatten zu fehulden fommen laſſen.
5 Abgejehen von der Mauerweihe, bei der er nicht fehlen wollte, dürfen wir feine Wieder
fehr nach Jeruſalem daher aus der Abjicht einer Bifitation und einer ſolchen Stärkung
des von ihm in einer langen Amtsthätigfeit Gegründeten und Geordneten ableiten,
welche geeignet war, jeine gedeihliche Fortentwickelung auch für die Zukunft und Die Zeit
feiner zukünftigen Abweſenheit zu fichern.
10 Hiernadb darf man das eigentliche Verdienft des Nehemia darin ſehen, daB er
das nationale Ehrgefühl der Gemeinde des Tempels und des Gefehes geweckt, daß er
Jeruſalem in den Stand gefegt hat, der maßgebende Vorort und der fefte, jelbftftändige
Mittelpunkt für alle Glieder der Gemeinde im Yande zu werden. u der von Era
unternommenen Unteritellung der Tempelgemeinde unter dad der Diaspora ie der
15 Kolonie in Juda gemeinfame Moſegeſetz fügte Nehemia „die nationalpolitifche Organifation
derfelben als der Amphiktyonie der bl. Stadt”. Seinem Charakter nad) zeigt er ſich als
en Mann von Keohamtem Ehrgefühl und echter Vornehmbeit. Er bält auf feine Ehre
ald Angehöriger feiner Familie, als Belenner des in Israel offenbarten und angebeteten
Himmelsgottes Jahve, als Glied feines beruntergefommenen und doch zu Großem be
> ſtimmten Volkes und fucht fein Volk zu gleihem Chrgefühl enıporzubeben. Seine wahre
Bornehmbeit zeigt fich darın, daß er feinen hohen Rang, fein Amt und jein Vermögen,
die ihm erlaubten, ſich ale durchaus felbitftändigen und unabhängigen, nur feinem Ge
willen verantwortlichen Herrn in der jüdischen Umgebung zu zeigen, ganz in den Dienft
der Sache Stellt, welche er zu feines Gottes Ehre und der Gemeinde Beitem unternommen
35 bat; daß er ſich durd feine Drobungen, Yäfterungen, Intriguen und perfünlicde Müben
und Entbehrungen aufbalten oder irre machen läßt; daß er ınit Zurückſtellung der eigenen
Intereſſen großartige Liberalität übt und wie er ftreng gegen fich jelbft iſt, jo auch mit
ſcharfer Zucht gegen die Pflicht: und Ehrvergeſſenen einfchreitet. In dem allen. ift er
bemüht geivejen, ein gutes Gewiſſen zu Gott zu betvahren, und wie um fein gutes Ge
30 willen feitzubalten, bat er im Angefichte Gottes, den er öfter anruft, am Ende feines
Lebens fein Werk und feine Erlebniffe noch einmal prüfend überblidt und davon eine
Schriftliche Daritellung gegeben, welche den Leſern, für die fie zunächit beftimmt war,
trog aller Gerüchte und Nachreden über feine ehrgeizigen Pläne und die rückſichtsloſe
Härte feiner Amtsführung ermöglichte, wie er felbit mit dem Gefühle des Dankes und
3: der Befriedigung auf jein Werk zurüdzubliden. Die Schrift übt Schon ale eine im WAT
feltene Autobiograpbie einen eigentümlichen Reiz aus; ebenfofehr aber durch die einfache,
rein auf die Sache gerichtete Darftellungstweife, bei der es unausbleiblih ift, daß die
Spannung der Seele des Helden und Erzählers auf das glüdliche Gelingen feines großen,
vielfach bedrohten und angefeindeten Unternehmens ſich auch dem Leſer mitteilt. Für das
4 Nähere vgl. m. Geſch. Israels S. 218--220 und 252—268, mo auch der größte Teil
der bier angedeuteten oder vorausgefegten Tertesbefjerungen neben anderen für die Eregeie
des Buches wichtigen begründet find.
Von gar feinem oder geringem Werte find die Nachrichten des Joſephus und der
Apokryphen. „jener nennt den König von Perſien, dem N. als Mundicent diente, Xerxes
45 (ant. 11,5, 6) und verjtebt darunter nicht etwa Artarerres; denn diefen läßt er unter
feinem Namen in 11,6, 1 jenem Kerres folgen. Trotzdem aber Xerred gar nicht jo
lange regiert bat, jegt er die Entjendung des Nehemia in das 25. Jahr feiner Regierung
(11,5, 7), und die Vollendung des Mauerbaus, den er zwei Jahre und vier Monate
dauern läßt, in den 9. Monat des 28. Jahres des Xerres (11, 5, 8). Nach diefer Ver:
co wirrung der Chonologie kann man fich ein Urteil darüber bilden, welcher Wert dem bei:
zumeljen ift, wenn er Zanballat, „den Kuthäer“ 11, 7,2 von dem lebten Darius ale
Satrapen nach Samaria gelandt werden läßt, und 11, 8,2 den Schwiegerfohn San:
ballat3 (durch feine Tochter Nikaſo) aus der bobepriefterlicben Familie zu Serufalem, den
er Manaſſe nennt, und der wegen feiner Ehe aus Jerufalem vertrieben wurde, al® Bruder
5 des Hobepriefters Jaddus bezeichnet, während N. (13, 28) ihn einen Nachkommen Jojadas
nennt. Auf der anderen Seite fcheint die don mir vertretene Meinung, Sanballat fe
nicht fotwohl als Zatrap, denn als Oberprieſter zu denken, fo ſehr Joſephus ihn direkt
als Satrapen bezeichnet hat, indireft dur ihn ſelbſt betätigt zu werden, wenn er
11,8, 2 erzäblt, Manaſſe babe dem Verjprechen Sanballats, er werde ihm von Darius
co die Oberprieſterwürde verjchaffen, geglaubt und um fo ficherer diefes Amt bald zu gt:
Nehemia Nektarius von Jernſalem 705
halten gehofft, als „Sanballat ſchon alt geweſen fer“. Wenn er im übrigen unter dem
Eindrude der eigenen Erzählung Nehemias ihn als eimen gerechten, fein Volk Tiebenden
Mann charakteriftiert und ihn durch das Prädifat auszeichnet (11, 5. 8) urnusiov alovıov
abıo xaralınav ıa za “legoooAvuwv teiyn, jo führt diefes fofort zu dem Satze des
Siraziden (49, 13): Neewiov Erl noAv Tö uynudovvov Tod Eyeigavros Aulv eiyn
nentwxödta xal orhoavros nölas xal uöxAovs xal üveyelpavıos ra olxöneda Auav.
Penn in Pfeudoesra (ed. Fritzſche) 5, 40 Neeulas[ö] xal Ardaoias (denn o ift nach
e ausgefallen), oder richtiger nach Lucian (den Guthe in Kautzſchs Apokryphen bier
nicht gegenwärtig gehabt hat) N. ö xal ’Arapaodas ericheint, und der Tirjchata der
eriten Rückwanderung (nämlich Serubbabel) mit Nehemia ibentefgient iit, jo Hat das
feine Analogie in den Sept. codd. (ſ. Bd V, 514, 25ff.), welche den Tirſchata in Neb 7, 65
nah 8, 9 ald Nehemia zu erfennen durch den angenommenen Zujammenbang diefer
Stüde verführt wurden. Auf diefelbe Fdentifizierung des Nehemia mit dem Tirichata
Meh 7, 70 wird auch die gelegentliche Ausfage in dem Sendfchreiben der Serufalemer
2 Mak 1,19 zurüdgehen, daß Pehemia den Tempel und den Altar gebaut und durd)
Dpfer eingeweiht habe. Denn „nad Perjien” find die Väter weggeführt (v. 19) und
vom perjiichen Könige wird N. nach langen Jahren nach Serufalem geichidt, um dann
das verſteckte Altarfeuer zum Dpfer in der Geftalt einer diden Flüſſigkeit holen zu lafjen
(v. 20ff.). Wenn diejes in der gemeinen Sprahe Newdal-aeı] d. i. Naphtha Pit, N.
es aber Nepdao in der Bedeutung xadapıouds genannt haben fol, I liegt bier eine 20
iechifche Etymologie vor, bei welcher Napda mit virzto-ov oder -a — Reinigungswaſſer
ombiniert und danach unter dem Borbilde von vextao rektifiziert wurde. Der Wechſel
der Tenuis und Aipirata hat dabei ebenfowenig zu beveuten, wie bei der Gleichung
bon griech. vagpda und aram. NZE? und NSEr. Von Nehemia und feiner Zeit, heißt es
weiter, erzählen gewiſſe, auf feine Zeit bezügliche Schriften, unter anderen ſpeziell auch diefeg,
„daß er die von den Königen und den Propheten handelnden Schriften und die Davids und
königliche Schreiben über Stiftungen geſammelt und fo eine Bibliothek begründet habe” (v. 13).
Um diefe Worte zu verjtehen, muß man fich erinnern, daß Dar 27 723 Eſt 2,23 im
Griechiſchen 7 — 2* heißt, und daß nach altpaläſtiniſcher Ordnung die jenen hebr. Titel
tragende Chronik an der Spitze und Esra-Nehemia am Schluſſe der Kethubim ſtanden (ſ. so
Chronik in Bd IV, 87, 3off.). An dem Schlußbuche ſtechen als bedeutungsvoll die könig⸗
lichen Schreiben zu Gunſten des Tempels und Jeruſalems hervor; in dem Anfangsbuche
bilden die Erzählungen über die Könige und allerlei Propheten die Hauptmaſſe, und auf
dasſelbe folgt der Pſalter Davids. Es iſt nicht zu beyweifefn, daß in der citierten Schrift,
der diefe Nachricht entnommen fein fol, die wirre Vorſtellung berrfchte, mie die große 35
Synagoge, die den Kanon abjchloß, fo gebe auch die Gründung der „Ketbubim” auf
Nehemia zurüd.
Aus den geringen Nachrichten des Talmud, die man bei Hamburger (Wörter:
buch 3. Aufl. I, 1892 unter „Nehemia“ und in Bd II unter „Tradition“ nachſehen
kann, bebe ich als bemerkenswert die Stelle Sanhedrin 93b hervor: Nehemia habe 40
vieles geſagt, was Esras Worte feien vet. Neh 7 mit Er 2 und Neb 8-10). „Und
was it der Grund, daß das Buch (sc. Nehemia, welches bei den Juden Esra heißt)
nicht auf feinen Namen genannt iſt? Deshalb weil er das Gute für fich felbft in
Anſpruch nahın und meil er gefchrieben bat unter Bloßftellung feiner Vordermänner.“
U. Kloftermann. 45
Nektarins, Patriarch von Serufalem feit 1661. — Le Duien, Oriens
christianus III, 1740, ©. 520—522, Satha8, NeoeiAnvıxı) Dılokoyla, 1868, ©. 319 ff.; Le Grand,
Bibliographie Hell&nique ou description raisonnde des ouvrages publié s par des Grecs
au XVII siöcle, an verjchiedenen Orten in Bd II, III, IV (1894—1895), ſ. Regifter.
Sathas bezieht ſich auf einen Bios Nextapior, der einer hernady zu nennenden Schrift des 60
N. beigegeben war und von Le Brand II, 404—407 neuerdings abgedrudt ift. Vermutlich
hat aud das Wert des Dofitheus Jleoi tw» &v ’IeooooAbuoıs narpıapyevoarro» mandjes iiber
N., doch konnte ich es zur Zeit nicht einjehen ſ. Bd VIIL, 697, 5—12. Val. nod) da3 mir
unbekannt gebliebene Wert eines Anonymus: ‘II Exxinola “IeooooAluwr xara ToVs Teocapas
zeievralovs alövas 1517-—-1900, Athen 1001. 63
Nektarius gehört nicht zu den hiftorifch bebeutjamen Patriarchen von Serufalen.
Er ift hauptſächlich befannt geblieben durch ein Schreiben, durch welches er die Confessio
orthodoxa des Mogilas empfiehlt und welches der erjten griechifchen Drudausgabe der:
felben beigegeben wurde; ſ. dasſelbe bei Kimmel, Monumenta fidei ecelesiae orient.
I, ©. 45 ff, bei Mefolorad Svußoien Tjs Öododvkov Ararolıns Exxinolas Ton.
Neal⸗GEncytlopädle für Theologie und Kirche. 3.4. XIII. 45
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706 Nektarius von Jernſalem Nektarins von Ronftantinopel
A’, oe. 370 373, Xe Grand II, 208 7. Es ift datiert vom 20. November 1662. Um
diefe Zeit war N. bereits Patriarch. Er wurde geboren 1605 und hieß mit urjprüng-:
lichem Namen Nixödaos Ilelonlöns. Seine Heimat war Kreta. Gr fcheint von guter
Familie geweſen zu fein und war wiſſenſchaftlich mannigfach intereffiert. Er beherrſchte in
5 |päterer Zeit neben der griechiichen die arabifche, türfifche und lateinische Sprache. Seinen
Sugendunterricht genoß er in einem oyodsiorv, das von Sinatmöndyen geleitet war, fam
dann felbft auf den Sinai und wurde dort Mönch, als welcher er den Namen Nextagıos
erhielt. In reiten Jahren („teooapaxovrra xal nevre Ein teAav") treffen wir ibn ın
Athen, wo er naoa Geopikw Koovöaller Euadhtevoe. Theophilus Korydalleus war
ıo als Philoſoph (Erneuerer des Ariftotelismus) berühmt, ift aber als Freund des Cyrillus
Lucarig zum Häretifer geitempelt worden (j. über ihn Ph. Meyer, Die theol. Litteratur
d. griech. Kirche im 16. Jahrh. S. 9 ff). Um 1660 war N. in Angelegenheiten feines
Klofters in Konftantinopel. Seine dortigen Freunde lenkten dann, als im Dezember
1660 der Patriarch Paiſius von Jeruſalem jtarb, die Augen des ökumeniſchen Patriarchen
15 auf ihn als deſſen zwedmäßigen Nachfolger. N. war bereits wieder auf dem Sinai und
eben jeßt dort zum Abt gewählt. Auf der Reiſe nach Jerufalem, um dort xara tiv
üvmder ovvideay jeine Weihe zu holen, erreichte ihn die Nachricht, daß er zum Patriarchen
der hl. Stadt erwählt fei. Er wurde als foldher im April 1661 gemweibt. In der neuen
Etellung befuchte er abermals Konftantinopel und befonders die Moldau, mo der Etubl
20 von Jeruſalem beträchtliche Güter beſaß. Nicht ohne Intereſſe find feine Beziehungen
zu Moskau, wo ein gewiſſer Yigarives (Asıyagiöns), der ald Metropolit von Gaza ab:
gejegt worden war, in dem Nilonjchen Streit bei Zar Alexis Michailowitſch eine un:
rühmliche Rolle fpielte (f. Ye Grand, IV, ©.21, 28, 38 ff). N. jcheint nur ungern die
Würde eines Patriarchen getragen zu haben. Schon feit 1666 betrieb er feine Ent:
25 lajjung und 1669 treffen wir bereits den Dofitbeus als feinen Nachfolger. Doch blieb er
in Jeruſalem, im Kloſter des "Aoyaypyelos. Nur vorübergehend „floh“ er einmal vor
den Umtrieben der lateinifchen Mönche nach dem Einat. Er jtarb nadı Sathas „nzeoi ro
1680", nad) Le Quien bereits 1675. An der Synode zu Serufalem 1672 (|. den
A. Bd VIII, 703.) nahm er teil und unterzeichnete mit ihre Beichlüffe (ſ. Kimmel
30 I, 487).
Sathas giebt ©. 320/21 ein Verzeichnis der Schriften des N. Am wichtigſten iſt
die dyriooyaıs mit der er den HEoeıs des Petrus, ualorwo r@v Ev Ieoooolvuos gYoa-
roowv, bezüglich des Primats des Papftes begegnete. Erſt Dofitheus brachte Diele
Schrift zum Druck (und gab ihr den oben erwähnten Bios des N. bei; ed war die eritc
35 Schrift, die in der 1680 von Dofitheus zu Yaſſy errichteten Druderei erſchien, 1682;
ſ. Ye Grand IE, 402). Pichler, Geſchichte der Eirchlichen Trennung zwiſchen dem Orient
und Occident I, S. 474—A181 bietet eine fehr ausführliche Jnbaltsangabe. Die Schrift
ift eine der beiten Kontroversschriften, gelehrt und maßvoll; fie bat auch Eindrud ge
macht. Ye Quien bat unter dem Namen Altimura eine Gegenfchrift veröffentlicht
4 (Panoplia contra schisma Graecorum adv. eriminationes Nectarii, Paris 1718;
j. Pichler). Intereſſant ift die Bemerkung des N. über den Unterfchied der Haltung des
riechen und des Yateiner: „Die Yateiner gleichen im Kampfe den entgegenlaufenden
lärmenden, wie Vögel pfeifenden Trojanern, die Griechen dagegen den ernit, ſchweigend
und bedäctig anrüdenden Achäern“. Bei Eus. Renaudot, Gennadii patriarchae
s: Cpolitani homiliae de sacramento encharistiae, Meletii Alexandrini, Neetarii
Hierosolymitani, Meletii Syrigi et aliorum de eodem argumento opusecula
graece et latine, Paris 1709, S. 171—183 trifft man einen Brief, den N. an die
Mönche des Zinat wider J. Claude (f. Ye Grand III, 259f.) richtete. In der Abend:
mablslebre war N., twie fein Nachfolger Doſitheus, ftrifter Anhänger der orthodoren Lehre
co und aufs tieffte mit erregt durch Cyrillus Lucaris und die „calviniftifchen‘ Beftrebungen.
F. Kattenbuſch
Nektarius von Konſtantinopel, geſt. 27. September 397. — Tillemont, M£-
moires etc. IX, X, XI, Benedig 1732; Fabricius-Harles, Bibliotheca graeca 1X, 309,
Hamburg 1504; 8. Rauſchen, Jahrbücher der chriſtlichen Kirche unter dem Kaiſer Theodoſius,
55 Sreiburg i. B. 18975 I. Kunze Das nicänijdy:konftantinopolitanifche Symbol, Leipzig 1898;
K. Soll, Enthuſiasmus und Bußgewalt beim griechiſchen Möndtum, Leipzig 1898.
Als während des Konzils von Konftantinopel im Jahre 381 Gregor von Nazian;
auf den Biſchoftsſtuhl der Hauptitabt verzichtet batte (vgl. Bd II, 44,33 u. VII, 143,31 ff.),
wäblten Die Synodalen, wie Die Synode von 382 (vgl. Bd II, 45, 10) jagt, di ti
Nektarins von Konftantinopel 707
olxovusvırjs ovv6öov (vgl. Bd XL, 24, 28) era xowijs Önovoias in’ Öyeor xal
roõ deopıleorarov Baoılews Geodociov den Nektarius zum Bilchof von Konſtantinopel
(Theodoret 5, 19, 15 == Mansi III, 585D). Die „allgemeine Zuftimmung“ wird
man in Zimeifel ziehen müfjen, wenn zur Zeit der Mahl die ägyptiſchen Biſchöfe ſchon
mit tagten (vgl. Bd II, 44,3). Denn diefe werden gedacht haben, wie ihre oeciden= 5
talifchen Gefinnungsgenofjen, die noch im Jahre 381 (Bd II, 44, 51; Rauſchen ©. 109f.;
Herbit 381) in dem Briefe „Sanetum“ (Ambr.ep. 13 — Mansi III, 631 D) die Recht⸗
mäßigfeit der Wahl bemängelten (vgl. Bd II, 44, ssf.). Wäre aus dem Briefe „Sanc-
tum”, der Flavian v. Antiochien (vgl. Bd II, 44, 20f.) consensione et consilio
Nectarii gewählt fein läßt, mit Sicherheit zu folgern, daß die Bejegung des Stuhles
von Konftantinopel der von Antiochien vorausgegangen iſt (Rauſchen (©. 95, 9, Jo
könnte man die Agypter noch als fehlend denten (Bd II, 44, 32); allein Gregor carmen
de vita sua fpridt m. €. dagegen (vgl. Bd II, 44, 31ff.). Jedenfalls N das Edikt
u
0
des Theodoſius vom 30. Juli 381 die Einjegung des Nektarius [aber wohl auch fchon
das Ende der Synode] bereit? voraus (vgl. Bd II, 45, 2— 7). Die Genejis der Wahl 15
ift ung dunkel. Nach Sokrates (5, 8, 12) war Nektarius — „ein Mann von jenatorijchem
Geichlecht, angenehmen Weſens und durchaus der Bewunderung tert, obwohl er Prätor
(alfo Laie) war” — der Kandidat des Volkes; und dag iſt glaublich, weil die Prätur
in damaliger Zeit den, der fie mit obligater Liberalität verwaltete, populär machen mußte
(ogl. Schiller, Kaiferzeit II, 40f.). Was Sozomenos (7, 8) ſich hat erzählen laſſen — 20
Nektarius, ein Mann jenatorifchen Geſchlechts aus Tarjus, der damals in Konftantinopel
weilte, habe, im Begriff, nach feiner Heimat aurüdzufehren, von Diodor von Tarjug ich
Empfehlungen erbeten, fer in der Würde feines Alter (7 vgl. Gregor Naz. ep. 185,
MSG 37, 304A) dem Diodor als geeigneter Kandidat erfchienen und von ihm dem
Biſchof von Antiochien (Sozomenos denkt dabei wohl an Meletius! vgl. Märcellinus 25
Comes ad annum 381 ed. Mommfen p. 61) empfohlen worden ; diejer habe dann,
obwohl er die Kandidatur belachte, un Diodors willen den Nektarıus als legten auf
die Liſte der Kandidaten geſetzt, die Theodoſius von den Bilchöfen einforderte, und
Theodoſius habe Nektarius erwählt, obgleich diefer, wohl auch zu Diodors Überrafchung,
ih als ungetauft erwies; Neltarius jet getauft und noch im Tauffleide xouvzj 30
pw riijj ovvddov zum Bilchof gemacht —, das hat ſchon Tillemont (IX, 486 ff.) mit
Ste t beziweifelt. Die Herkunft des Nektarius aus Tarſus braucht mit der Gefchichte nicht
zu fallen. Bedenklicher ſchon ift das an fich nicht unmögliche, aber auch nur durd
Sozomenos [und den von ihm ſchwerlich unabhängigen Marcellinus Comes] verbürgte
und in die Situation jchlecht paſſende Neophytentum des Nektarius, die Vorausfegung 35
der ſonſt anfprechenden Hypotheſe Kunzes (S. 32f.), nad) welcher das ſog. Nicaeno-
Constantinopolitanum als Taufbelenntnis bezw. als das fein Taufbelenntnis wieder:
bolende Synodalbetenntnis] des Neftarius in die Akten der Synode von 381 gefommen
it (vgl. Bd XI, 28, 30). — Ein hervorragender Wann iſt Nektarius gewiß nicht getvefen.
Daß er mit dem Nektarius identiſch ift, an den nnd an deſſen Gattin Baſilius gelegentlich 40
des Todes ihres Sohnes einen Troftbrief richtete (ep.5 u. 6 MSG 32, 237 ff; vgl.
ep. 290 p. 1027 }f.), it möglich (Tillemont IX, 486), aber nicht erweislich, ja Ivegen
der Altersverbältnijfe der beiden kaum fehr wahrscheinlihd. Die Briefe, die Gregor von
Nazianz an feinen Nachfolger richtete (epp. 88. 91. 151. 185. 202), laſſen troß aller
Komplimente vermuten, daß Gregor von Nektarius nicht entzüdt tvar (Tillemont IX, 4
488); andernfalld hätte fein carmen de vita sua aud) wohl die Einſetzung des Nek—
tarius erwähnt. Was Sozomenos den Wektarius gelegentlih (7, 10, 2) über jein Vor:
leben jagen läßt, it, wenn es zuverläflig ift, nur unrühmlich. Auch aus feinem Epiffopat
it nichts Rühmliches zu melden: für die Verhandlungen mit den Parteihäuptern im
Jahre 383 (vgl. Bd V, 600,7) läßt er ſich durch den Novatianerbifchof Agelius beraten 50
(Soer. 5, 10, 7ff.); bei der ſynodalen Entjcheidung über das Bistum Boftra (29. Sept.
394 in Konftantinopel, Mansi III, 851ff.; befjerer Tert bei Leunclavius, Jus graeco-
romanum ed. Freher, Frankfurt 1596 ©. 247 ff.; zum Tagdatum vgl. Naufchen
©. 420), um das Gabadius (Mansi: Bagadius) und Agapius fich ftritten, iſt er Xeiter,
aber nicht spiritus rector; die in feine Amtszeit fallenden Xeichenreden am Hofe hielt 65
für ıhn Gregor von Nyſſa (vgl. Bd VII, 150, 57 ff.); und daß er das „Bußprieſter“-Amt
aufbob (Soer. 5, 19; Sozom. 7, 16), it, wie auch dies Amt verjtanden werden möge
(ogl. Raufhen ©. 537 ff.; Hol ©. 216 ff.), auch nach dem Urteil des Sofrates ſchwerlich
teife geivefen. Das Ehrenvollite, was ihm nacherzählt werden fann, fagt Tillemont
(IX, 458), tft, daß die Arianer 388 fein Haus anitedten (Soer. 5, 13, 6; Waufchen co
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abgelehnt. Sonſt, bejonders in phyſiologiſchen ezzen. uber
zei In Der Menſchwerdung Gottes liegt der Febr: Aeweis
we und Die erbabene Beſtimmung des Menſchen.
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Se PDrenihen (cap. I S. SO8) > Wird begeiitert geprieſen; Die
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yo kalt iſt entivertet, wie bet allen Spefulativen Theologen, x 3.
NS brife iſt ein Beweis, wie ſtark und voll im 4. Aabrbundert
. Alum ineinander floſſen. Zie wurde ſehr viel bemügt, offenbar
Amen Gregors v. Nyſſa, mit Dem fie auch viel N
derwandtes bit
Wender 2.7 ff. .. Insbeſondere im MA. genoß Nemeſius unter
my Anſeben, von Joh. Damascenus bis Albertus Magnus und
d Me zur Humaniſtenzeit. Die oben angeführten lateiniſchen Über:
Nr vw. [}
die des Alfanus fiammt aus dem 11., Die des Burgundie von
Nemefins Neostadiensiunm admonitio 709
Piſa aus dem 12. Jahrhundert. Ihnen fchließen ſich an die Überfegungen der Humaniften
Gono und Balla, ſowie eine altarmenifche und eine italienische von 1509.
(Möller 7) R. Schmid.
Neophyten. — Litteratur: Suicer, Thesaurus? II, 394 ff.
Neophyten hießen in der alten Kirche feit mindeftens dem Anfang des ziveiten Jahr: 5
bundert3 (ſchon 1 Tim 3,6) die neugetauften Chriften. Das Wort fommt im eigentlichen
Sinn, in der Bedeutung „friſch gepflanzt”, in der LXX und fonft (vgl. Deißmann, Neue
Bibelftudien ©. 47 f.) vor; in übertragener Bedeutung iſt es bis jegt nur als chriftlicher
terminus technicus nachgetviefen. Übrigen? war es nicht immer, oder nicht überall im
Gebrauch. In manchen Teilen des Orients, h B. in Sprien, fcheint veopwrioros ge: 10
bräuchlicher gemwejen zu fein. Es wurde fpeziell auf die Täuflinge angewandt während
der octo dies neophytorum, fo lange fie die weißen Taufgewänder trugen, fcheint aber
auch allgemeiner die an Anciennität jüngften Mitglieder der Gemeinde bezeichnet zu haben;
wo ein einmaliger jährlicher Tauftermin, um Oftern, üblid) war, werden wohl die Ehriften
des legten Jahrgangs fo geheißen haben. Die Neophyten waren nicht im Beſitz der vollen 15
firhlichen Rechte, vor allem mar ihr paffiveg Wahlrecht beichräntt. Die „apoftolifche
Verordnung“ 1 Ti 3, 6, daß ein Neophyt nicht Bischof werden Tann, tft oft wiederholt
worden, 3. B. Syriſche Didaskalia c. 4, can. apost. 79; in ec. 2 Nicäa 325 (er ift in
das Corpus juris canoniei aufgenommen als c.1 dist. 48) wird das Verbot auf das
Presbyterant ausgedehnt; und c. 10 Sardica 343 (im Corpus juris canoniei c. 10 20
dist. 61) beitimmte gar, daß ein Biſchof alle Grade, Lektorat, Diakonat und Presbpterat
durchlaufen haben müffe. Eine harte Borfchrift, wenn man ſich erinnert, daß man damals
mit Vorliebe angefehene Perfönlichkeiten, die fih in hohen meltlichen Amtern oder fonftwie
bewährt und ausgezeichnet hatten, zu Bischöfen wählte, vielfady ohne darauf Rüdficht zu
nehmen, ob fie Stlerifer waren; und berühmte Beifpiele, wie das des Ambroſius (f. oben 25
Bd I ©. 444) oder Synefius (j. den betreffenden Artikel), die noch nicht einmal getauft
waren, ald man fie zu Bilchöfen wählte, zeigen, daß die Negel nicht überall galt oder
dody Ausnahmen zuließ. Im Orient war man milder; Juſtinian beſtimmte, ein Laie folle
wenigſtens drei Monate lang Kleriker fein, che er Bifchof würde (Nov. 123 c. 1). Über:
haupt jcheint man, wenn man den Titel Neophyt gebrauchte, zunächit nicht daran gedacht 30
zu baben, daß er die nicht vollbürtigen Glieder der Gemeinde bezeichne. Die zahlreichen
Grabfchriften mit neophytus vder veop@toros zeigen, wie großen Wert man darauf
legte, wenn der Verftorbene erſt kurz vor den Tode die Vergebung der Sünden in der
Taufe erhalten hatte. Daher pflegten viele, die fich zur Gemeinde hielten, die Taufe big
zum legten Krankenlager zu verjchieben, wie ſich ebenfall3 aus den Inſchriften ſchließen 3ö
läßt (vgl. die Spnfchriften im Museum Lateranense Wand XI; und die Indices im
Corpus inscriptionum latinarum V. IX. X. XII, Corpus inser. graec. IV, Inser.
graecae Siciliae et Italiae s. v. neophytus u. a.). H. Achelis.
Neostadiensium admonitio. — De libro Concordiae quem vocant, a quibusdam
Theologis, nomine quorundam Ordinum Augustanae Confessionis edito, Admonitio Chri- 40
stiana: scripta a Theologir et Ministris Ecclesiarum in ditione Illustrissimi Principis Jo-
hannis Casimiri Palatini ad Rhenum ... Neustadii in Palatinatu 1581; 3. G. Struve,
Ausführliher Bericht von der Pfälziſchen Kirchen:Hijtorie, Frankfurt 1721, ©. 301 ff. 359.
371; A. Schweizer, Die prot. Gentraldogmen, Zürid) 1854, I, 491ff.; K. Sudhoff, Olevianus
und Urfinus, Elberfeld 1857, ©. 432 ff.; H. Heppe, Geſchichte des deutfchen Proteftantismug, 45
Bd 4, Warburg 1859, ©. 277 ff.
Bon allen Gegenſchriften, melde die Konfordienformel bervorrief, iſt die Neosta-
diensium admonitio die gründlichite: fie umfaßt 455 eng bedrudte Quartſeiten. Als
nad) dem Tode Friedrich des Frommen unter Kurfürft Ludwig Stadt und Univerfität
Heidelberg vorübergehend (1576---1583) zum Luthertum zurüdfebren mußte, fanden die so
reformierten Theologen, an ihrer Spige Urſinus, in dem kleinen Gebiete des Pfalzgrafen
Johann Gafimir, des geiftlihen Waffenträgers feines Vaters, zu Neuftadt a. d. Haardt
eine Zuflubt und an dem neubegründeten Gymnasium illustre Casimirianum eine
Wirkſamkeit. Sie empfanden die Pflicht ihrer gefchichtlichen Lage, die reformierte Theo:
logie gegen das fich jett jtreng und einheitlich zufammenfaljende Luthertum zu behaupten. 55
So jchrieb Urfinus in ihrem Namen feine Gegenfchrift wider die Konfordienformel. Einen
Eindrud des Inhalts gewähren die Kapitelüberjchriften: 1. De persona Christi, verae
doctrinae repetitio. 2. De coena Domini, verae doctrinae repetitio. 3, Dilutio
710 Neostadiensium admonitio Nepos
accusationis falsae nostrarum ecclesiarum de quibusdam falsis dogmatibus.
4. De autoritate Confessionis Augustanae. 5. De vera sententia Confessionis
'Augustanae. 6. De autoritate D. Lutheri. 7. De iniusta condemnatione no-
strae doctrinae in libro Concordiae. 8. Monstratio falsarum assertionum in
slibr. Conc. 9. Monstratio antilogiarum libri Conc. 10. De processu Theolo-
gorum in Concordiae negotio, et de magistratus christiani officio in contro-
versiis ecclesiastieis. 11. De incommodis exsequutionis huius Concordiae.
12. Epilogus de vera christianae Concordiae in ecclesiis constituendae ra-
tione, — Die Differenzlehren, um melde ſich alles dreht, find die Xehren von der Perfon
10 Ehrifti, vom Abendmahl und allenfalls noch von der Prädeftination: die übrigen Stüde
werden faum erwähnt. Bon Chriſti beiden Naturen beißt eg: unitas pariter et di-
stinetas essentias, et essentiales proprietates, et operationes in aeternum re-
tinent. Die unio personalis befteht nicht in reali transfusione proprietatum, sed
in subsistentia et constitutione substantiae unius personae. Zur Abendmahlslehre
15, wird nachdrücklich feftgeftellt, daß die reale Gemeinschaft mit Chrifto fich nur durch den
Glauben vermittelt, tworauf fih dann die Yolgerung gründet, daß an eine Gegenwart
des Leibes Chrifti, welche einen einfach mündlichen Genuß ermöglicht, nicht gedacht werben
darf. Dem Prädeſtinationsartikel der Konfordienformel können die Neuftädter nur Un:
Harheit und unrichtige Tarftellung der Gegenlebre vormwerfen. Aft doch in der That die
20 reprobatio das einzige, was die Konkordienfornel im Vergleidd mit der Tonfequenten
reformierten Orthodorie vermiffen läßt: und gerade auf diefen Punkt, fo gewiß “he ihn
lehren, wollen die Neuftädter felbjt mindeſtens fein befondere® Gewicht legen. Höchft
inftruftiv für die Stimmungen der deutſchen reformierten Theologen find die Rapitel üb
die Autorität Luthers und namentlich der Augsburgifchen Konfeffion: bei allem ehrlichen
35 Zufammenfchluß mit der deutfchen evangelifchen Art will man doch nit an den Bud
itaben eines Partitularbefenntnifjes gebunden fein. So führt der Zwang der hiftorifchen
Lage zu evangelifch-freien Urteilen über die Belenntnisautorität und zu klarer Betonung
des quatenus. ine ähnliche, nur ausführlichere Ausſprache in diefer Richtung bietet
das wenig früher zu Neuftadt erjchienene Buch des Cyriacus Herdejtanus (Pfeudonym:
0 Ambroſius MWolfius): Hiftoria von der Augsb. Konfeffion u. f. w.
Kurz nach der lateinifchen Ausgabe der Admonitio erſchien eine noch ausführlichere
deutfche, mit welcher dann auch der lateinische Tert in Ursini opp. II, 486 ff. weſentlich
übereinftinnmt. Mehrere Gegenfchriften, wie namentlih die zu Erfurt von Selneder,
Chemnig und Tim. Kirchner aufgejegte Apologie des Rontordienkuche empfingen ihre Ant:
35 wort: Examen recitationum D. Nic. Selnecceri 1582. Defensio Admonitionis
Neustadianae contra Apologiae Erfurtensis sophismata . .. 1586. Überhaupt
befand fih in den Kämpfen diefer Jahre das reformierte Hauptlager zu Neuſtadt: aud
eine Anzahl von Schriften der anbaltifchen und bremifchen Theologen find damals dort
gedrudt worden. E. F. Karl Müller.
4 Nephilim ſ. d. U. Kanaaniter Bd IX ©. 737,3 ff.
Nepomuk |. Johann v. Nepomuf Bd IX ©. 306.
Nepos, ein ägyptiſcher Biſchof vor der Mitte des 3. Jahrhunderts. — Duelle:
Eufeb. KG VII, 24. Val. Gennadius, De dogm. eccl. 55. — Litteratur: Tillemont, Mem.
IV, 261 ff.; Wald, Kegerhijt. II, 152--167. Die Schrift J. ©. Schuparts, De chiliaamo
45 Nepotis, Gießen 1724 (mir unbefannt), ward Anlaß zu einem Streit mit D. Beterfen.
Von Nepos erfahren wir durch das 2. Buch des Dionyſius von Alerandrien zei
enayyeiior, ein Werl, das gegen eine Schrift des Nepos ZAeyyos dAAnyopuoraw (zur
Sache vgl. Iren. V,35, 1) gerichtet war. Was Dionyfius über dieſe Schrift berichtet, zeigt
mehr, wie die Urigeniften die chiltajtifche Lehre beurteilten, al8 was deren wirklichen
so Inhalt bildete. Sie erblidten in ihr eine Beifeitefegung des A. und N. T.s und eine Ber:
führung der Cinfältigen, über die Wiederfunft Chrifti und die Totenauferftehbung nict
Hohes, fondern Irdiſches zu Sinnen. Die Anhänger aber des Chiliagmus in Arfinoe
unter der geiftigen Führung eines Diakons Korakion faben in dem Werk des Nepos den
unwiderleglichen Beweis für ein zufünftiges Neich Chriſti auf Erden und für ein re
55 liftifches Verſtändnis der Apokalypſe geliefert und das göttliche Zukunftsgeheimnis offen:
bart. Der Chiliasmus ſoll nad) Dionyfius dort jogar zur Separation ganzer Gemeinden
geführt haben. Nach Gennadius hat Nepos zwifchen der Auferſtehung der Gerechten und
Nepos Nergal 711
der der Gottloſen zeitlich unterſchieden; neben den auferſtandenen Gerechten werde es
während des Millenniums eine noch unbekehrte Völkerwelt geben, die ſich nach demſelben
wider jene erhebt, aber von Gott vernichtet wird. Dionyſius giebt dem Nepos das
Zeugnis eines durch Glauben und chriſtlichen Eifer bewährten, ſchriftkundigen — alſo
offenbar durch exegetiſche Schriften ausgezeichneten — Mannes, der ſich beſonders durch 5
die Dichtung geiſtlicher Lieder verdient gemacht; er muß damals bereits einige Zeit ge—
Itorben geweſen fein (yalumdias 7 u£xoı vüv nolMloi r@v ddeApiv ebdvuovvtaı).
Es handelt ſich hier um einen Zufammenftoß der altirchlichen Eschatologie mit der durch
Origenes zur Herrfchaft gelangten fpiritualifierenden Denkweiſe. Erinnert die Perſönlich—
feit und Stellungnahme des Nepos in etwas an die des Methodius (ſ. d. A. ob. S. 25), fo iſt 10
diefer letere doch fchon jelbft ftart von Origenes beeinflußt. — Die Nepotianer des Ful-
gentius (Adv. Pint. Arian. 2, MSG 65, 709) find, falls wirklich eriftierend, ficher nur
überhaupt Chiliaften, ohne Zuſammenhang mit Nepos. Bonwetſch.
Nergal, babyloniſche Gottheit. — Litteratur: Alfred Jeremias, Monographie über
Nergal in Roſchers Lexikon der Mythologie III, Sp. 250—271.— H. Zimmern in Schrader, 15
Keilinfchriften und das Alte Teftament ?, S. 412 ff.
Nergal war der Stadtgott von Kutba. Der Kult von Kutha hat mit dem von
Babylon (Marduf, |. Art. Merodach Bd XII S.643) und Borfippa (Nebo, f. Art. ob. S.690)
don der aſſyriſchen Zeit an eine politiiche Trias gebildet, deren Sinn und Bedeutung
noch nicht feſtgeſtellt iſt. 20
Der Name Nergal (2 Kg 17, 30: die Leute von Kutha machten den >37) wird
in den aſſyriſchen Götterliſten als Ne-uru-gal „Herr der großen Wohnung (d. i. des
Totenreiches)” gedeutet. Sein Tempel E-Sitlam, deſſen Baugelchichte wir bis in die ſog.
erſte Drnaftie von Ur (ca. Mitte des 3. Jahrtauſends) verfolgen fünnen, ift noch nicht
wieder entdedt worden. Die fonventionelle Annahme, daß der öjtlib von Babylon ge= 25
legene Ruinenhügel Tel Ibrahim die Stadt Kutha birgt, entbehrt des Beweiſes.
Nergal ift die Gottheit der verzehrenden Sonnenglut, dann Gott des Krieges und
der Jagd, Gott der Seuchen (insbejondere der Fieber) und der Peſt, vor allen Gott des
Totenreiched. Sein Tempel iſt das Abbild des Totenreiches, die Unterwelt heißt geradezu Kutha.
Wie Nebos Wirkſamkeit im Merkur fich offenbart, jo offenbart ſich Nergal nad) der wo
Lehre der babylonischen Aitrologen im Saturn, dem Unglüdsftern, dem im fiebenftufigen
Tempel die fchwarze Stufe geweiht iſt. Später wechſelt Saturn mit Mare, der mit
feinem voten Xichte ebenfalls, wie 3. B. die arabifche Anfchauung zeigt, Unglüdeplanet
ft. Die mandäifchen PBlanetenliften bezeichnen Mars mit >72 und 2°3°2 (die letztere
Leſung nur in der noch ungebrudten Handichrift Derae de Malache, Pariſer Hand: 35
fchrift fol. 76a, ſ. bei Roſcher 1. c. Sp. 268).
Als Gott der Glutfonne ericheint Nergal dem Babylonter in Löwengeftalt verförpert.
Die Löwenkoloſſe in den Thorlaibungen beißen deshalb ur(nir?)-gallu und in der Be:
jchreibung der aſſyriſchen Göttertypen (Zeitſchr. für Aſſyr. IX, 114 ff. veröffentlicht von
C. Bezold) Scheint Nergal unter der folgenden Beichreibung, die zu den Löwenkoloſſen 40
jtimmt, zu figurieren: „Horn eines Stiered; ein Haarbüfchel fällt auf feinen Rüden
berab; Dienjchenantlig und Stärke eines ..., Flügel... . feine VBorderfüße und einen
Löwenleib, der auf vier Füßen (ruht)“. Daß der Löwe den Nergal darftellt, ſtimmt zu
feinem Charakter als Gott der Glutfonne. Der Löwe iſt in ganz Vorderafien Symbol
der Sonnenglut. Den beißeiten Monaten Juli und Auguft gebört das Bild des Löwen, 45
die Sonne befindet fih während der Hundstage im Zodiafusbilde des Löwen, dag felbit
die Sonnenglut des Hochſommers darftellt.
Die Belanntichaft mit Wergal ijt wie die der anderen babylonifchen Hauptgötter
über den ganzen vorderen Orient verbreitet. In einem der Amarnabriefe (um 1150),
der von dem König aus Alasdia (Cypern) ftanımt, beißt es: „Die Hand Nergals, feines cv
Herrn, hat alle Leute des Yandes getötet” (Keilinſchriftl. Bibliothek V, Nr. 25). - - Der
arabiiche Tert der Chronologie des Biruni (192) bezeugt den Gottesnamen Nirghal für
Syrien. — Nah Zidon war wirklicher Nergal-Kultus (vgl. auch S. 691 u ff. im Artikel
Nebo die allerdings ſpäten Zeugniſſe für Nebo:Verehrung in Phönizien) durch Asar-
haddon gefommen und er bat ſich dort lange erhalten. Eine aus fpäter Zeit ſtammende 55
Inschrift im Grabe einer Sidonterin erwähnt einen Oberprieſter (7722°) des Gottes
Nergal (Freiberr von Yandau, Beiträge II, phöniziſche Inſchriften Wr. 177).
Nergalim Alten Tejtament. — 2Kg 17, 30 bezeugt beim Bericht über das
aſſyriſche Exil den babyloniſch-aſſyriſchen Nergal-Kultus. In einem Kommentar zum Pen:
712 Rergal Reri
tateuch beruft ſich Nachmonides (12. Jahrh.) auf uralte Bücher der Heiden (er meint
nabatäiſche Schriften), nach weldyen die Kuthäer Sonnenfultus trieben (Babba Bathra
91a vgl. Herrichenfohn Y22N 330 S. 222). Das ift richtig, denn Nergal ift, wie oben
gezeigt tuurde, Sonnengott. Im Hinblid auf die israeliſchen Erulanten galt den fpäteren
5 Juden das Yand der Kutim als rein (im Gegenfag zum SHeidenlande), vgl. Traftat
Mikwot 6 (Serrfchenfohn a.a. 0. ©. 139). Andererjeit3 wurden die Samariter wegen
ihrer Bermifchung mit den Heiden verächtlih Kutim genannt. — Die rabbinifchen An-
gaben zu 2 Kg 17, 30 bringen willfürlih den Nergal von Kutha mit, dem Bilde des
Hahnes in Verbindung (f. Burtorf, Lexikon s. v. =3%2), weil der Hahn >" heißt.
10 HR 6, 4. 10 Scheint eine Spur der fiderifchen Beziehungen, die mit dem Namen
Nergals verfnüpft find, vorzuliegen. Wir ftimmen der ermutung H. Windlers, Altor.
orfch. I, 293 bei, wonach ftatt M1>372 vielmehr 273%: zu Iefen ift. „Wer ift, der da
erborleuchtet gleich der Morgenröte, ſchön wie der Mond, lauter wie die Sonne, furchtbar
wie die Nergale?” Gemeint find die „Zmillinge” des Tierfreifes, die dem Nergal ge
15 weiht find.
335,7 it unter 27% (opp. BAR) wohl eine Perſonifikation der Wüftenglut zu ver:
jtehen. Auch hier verbirgt fich der Gedanke an Nergal. Eine babylonifche Götterlifte
fagt, Lugalgira (d. i. Nergal) wurde im Amoriterlande (Mar-Ki d. i. Amurrü) Sarrabu
genannt (ſ. Zimmern J. e. S. 415, der wohl mit Necht, wenn audy die Leſung Sarrapu
v möglich ift, die Heranziehung des hebrätfchen 97% ef 6 ablehnt). .
Der Name Nergals felbft findet fich noch in den altteftamentlichen Namen TERTS"37:
Ser 39,3.13 — babyl. Nergal-Sar-usur, „Nergal ſchütze der König”, dem bei Berofus
NneıyAloagos entipridht.
H. Zimmern fagt 1. ec. ©. 415: „Es iſt fehr wahricheinlih, daß die Geftalt des
25 babylonifchen Totenreich- und SFieberglut - Gottes Nergal in mehrfacher Hinſicht als
das Vorbild des ſpätjüdiſchen, vom Chriftentum ohne weiteres übernommenen SHöllen:
gottes zu gelten hat.” Aber mo redet das Chriftentum von einem Höllengott?! Mt 10,28
bezieht ſich auf Gott ſelbſt; Mt 25, 41 bezieht fih auf das Endgeriht. Ferner fagt
Zimmern 1. c.: „Speziell auch die Vorftellung vom Höllenfeuer könnte ſehr wohl darauf
30 zurücdzuführen fein, daß Nergal, der Gott des Totenreiches, zugleich ald der Gott der
glühenden Sonnenhite, der Ficberglut, alg ein tütender Feuergott gedacht wurde.“
Sicherlich gehört das Bild vom Feuer der orientalifchen Gedanfenwelt an, ebenjo mie
1 Sa 18 der Schrecken vor dem Tode im Bilde vom altorientalifchen Totenfluß aus-
edrüdt wird: „Die Bäche Belials ſchreckten mich.“ Aber der religiöfe Gedanke, der
35 N im Neuen Teltamente mit dem Bilde vom Höllenfeuer verbindet, hat nichts mit Ba-
bylon und Nergal zu thun. In demfelben Sinne müflen wir die Vermutung ablehnen,
dag „zwiſchen gewiſſen chriftologifchen Vorftellungen und dem babylonifhen Nergalkult
eine Verbindung befteht” (l.c. ©. 387. 414). Chriftliche Weltanfchauung iſt nicht ber:
feinerte Mythologie. Alfred Jeremias.
10 Neri, Philipp, geſt. 1595, und die Oratorianer. 1. Neri und das italie—
niſche Oratorium. Anton. Gallonius, Vita Ph. Nerii (ital.) Rom 1600; auch lat. Mainz
1602 und deutſch durch Aegid. Albertinus München 1611, zuſammen mit der wenig jüngeren
Vita von Girol. Barnabei in ASB t. VI Maii, 460ff. — Spätere Neri-Biographien von * A.
Bacci (Rom 1622, 1645, 1703; deutſch durch Reiching, Regensburg 1869), von A. du Sauſſay
4 (Epitome vitae Nerii, Tulle 1664), von Pösl (deutich, Regensburg 1847; 2.4. 1857), von
P. Guerin (Vie de St. Ph. N., Lyon 1852), von Kardinal Capecelatro (8. Filippo Neri,
2 voll., Mailand 1884; deutfc) durch Zager, Freiburg 1886 ; engl. durch Th. A. Pope, 2 vols.,
London 1894). Vgl. die Fleineren, mehr oder weniger nur für Erbauungsziwede gejchriebenen
Lebensbilder von Kard. Wifeman (Panegyrice of St. Ph. N., London 1856), Zampini
50 (S. F. N., discorso, Turin 1884), Stomtejje d’Ejtienne d'Orves (Saint Ph. de N., Paris 1900,
zu der Sammlung Les Saints gehörig), Augujte Zreiin v. Pechmann (D. hl. Ph. N., Freibg.
1901), F. Bazet (Vie etc., Albi 1902) etc.
Ueber Neris Uratorium: Joa. Marciano, Memorie istoriche della Congreg. dell’Ora-
torio, 5 voll., Neapel 1693—1703 (Säkularſchrift, dag erite Sahrhundert oratorianifcher Ge:
55 ſchichte darſtellend). Billarofa, Serittori Fillipini, 2 voll., ebd. 1837—42 (Litteraturgefchichte
der Kongregation). Jourdain de la Pafjardiere, L’oratoire de St. Ph. de N., Paris 1880.
Adalbert Ebner, Propjt Seidenbuſch und die Einfiiärung der Kongr. des h. Ph. N. in Bayern
und Deiterreih, Köln 1891. — Bal. die AM. „Ph. N.” von Hilger S. J. in KARL IX md
von Littledale in d. Encyl. Britannica; auch E. Sothein, J. v. Loyola u. die Gegenreformation
so (Halle 1895), S. 198— 207.
2. Berulle und das franzöfifhe Uratorium. Franzöf. Biographien Berulles
714 Neri
trat bei dieſer Genoſſenſchaft Die Pflege der Pilger in den Vordergrund. Im Jubel—
jahre 1600 wurden im Hofpiz der Brüderjchaft 270 000 Pilger meift je einige Tage be:
berbergt, im Jahre 1650 ihrer 334000, im Sabre 1720 an 382000, dann nabm die
Zahl der Pilger ab, bei dem Jubiläum von 1825 war es der Beherbergten wieder
5273000. Die angefebeniten Damen und Männer Roms, Päpſte und Laien, verbanden
bier die Wunden der Pilger und pflegten fie. Noch in neueren Zeiten wurden anglı:
fanifche hohe Offiziere und Staatemänner in die Brubderfchaft aufgenommen, was mancen
eine Brüde zur Konvertierung wurde.
Wir verweilen nicht bei dem, mas Filippo mit anderen „Heiligen“ gemein bat, 3.8.
1» den in Kirchen oder Katakomben durchbeteten Nächten. Er verfammelte Alte und Junge,
Prieſter und Yaien zu allabendlichen Andachtsübungen und Betrachtungen, welche fett
1556 eine charafteriftiiche Geftalt annabmen. Abends verfammelte man fich in einem
Betfale (Uratortum). Gebete, Vorleſen aus der hl. Schrift, aus Kirchenvätern, Märtyrer:
geichichten, Geſänge, welche von dem gregorianifchen Geſang volkstümlich abwichen, eine
15 Art von Natechifationen wwechjelten miteinander ab. Kein Vortrag durfte eine balbe
Stunde überfteigen ; alles NRhetorifche, alle Spisfindigfeit war entfernt. Der familiäre
Ton war der Grundton. Aus den apologetiichen Vorträgen über Kirchengefchichte, welche
Gäfar Baronius bier zu balten beauftragt wurde, entitand deſſen großes Werk, die Ann.
ecclesiastiei (j. d. A. Baronius, Bd II, S. 115). Aus dem Schade der Kirchenmufif
2» wurde das anfprechendite herausgenommen, um jene Andadıten zu heben. So entitanden
die „Oratorien“. Noch jetzt werden von den Mitgliedern der danach fo benannten
Kongregation bei Chiesa nova oder St. Maria in Vallincela in Rom, vom Aller:
heiligenfonntag (1. November) bis Palmſonntag abends, ſolche heitere kirchliche Muſikſtücke
mit Inſtrumentalbegleitung aufgeführt und zwar über bibliihe Gegenftände, z. B. die
25 Schöpfung, den Auszug aus Ägypten, Tod Mofis, über David, Efther, Daniel in der
xöwengrube, Tod der Makkabäer bis Chriltus am Ulberg. Ein Knabe fpricht dazwiſchen
ein kurzes Gebet, einer der Brüder hält jtet eine kurze Ansprache. (Näheres bierüber
bietet Irz. W. Böhme, Gef. des Oratoriums ꝛc. (2. Aufl., Gütersloh 1887) ©. 18 ff.
In allem galt ein freundliches Coge intrare; es wurde nichts genommen, obne
3 daß etwas Geläutertes dafür gegeben worden wäre, immer heitere Nordergründe mit
ernſtem Hintergrunde und tbätiger Ausübung der Nächftenliebe. Die Woche ein paarmal
309g Wbilipp - - il buon Pippo, wie ihn das Volk damals nannte, il Santo jchledt-
weg oder il apostolo di Roma nad jpäterer Bezeichnung — mit feinen fämtlichen
Andachtsgenoſſen in die verwabrlofteiten Hofpitäler, um die Kranken zu reinigen und zu
35 pflegen. Im Bruderbaufe verrichteten alle Brüder ohne Ausnabme der Reibe nad alle
für dasfelbe nötigen Dienfte. Noch zeigt man im Kamin die Inſchrift von der Hand
des großen Kirchengefchichtfchreiberg : Caes. Baronius, cocus perpetuus. Dafür reinigte
und ordnete ibın, während er in den Archiven forjchte, beimlih Philipp mit Hilfe eines
Nachichlüffels das Zimmer, bis Baronius, unverjebens beimfehrend, den brüderlichen
40 Scherz wahrnahm.
Filippo war überzeugt, ein fröhliches Gemüt fei viel eber für die chriftliche Tugend
zu gewinnen, ala ein melancholifches, dem auch dieſe bald entleive. Er behauptete, die
Seelenkrankheit der Strupulanten laſſe zwar manchmal einen Stillitand boffen, aber
wahre Heilung könne mur gründlide Demut bringen. Während man ihm die Gabe zu:
45 ſchrieb, Beſeſſene zu beilen, fagte er, man dürfe nicht leicht an Beſeſſenheit glauben, oft
fomme es nur von Melancholie, von Kopffchtwäche u. dgl. ber; nach Umſtänden jeien
(Heduld oder Schläge das befte Mittel dagegen. Einem Schiwermütigen gab cr wohl'
einen Badenftreih -- er fagte, man müſſe den Satan im Menſchen jchlagen — over
fagte er lachend: „fer fröhlich”, oder „es iſt nichts!“ Die meiften ihm zugefchriebenen
so Wunderbeilungen vollbradte er mit Dem Worte: gebe nur fröhlich bin und zweifle nicht!
Auch Bekümmerte an entfernten Orten glaubten ibn mit diefen Worten vor fich zu feben
und zu bören. — Sah er jemanden über fern Verbrechen niedergedrüdt, jo rief er friſch:
O, bätte ich nichts Schlimmeres getban! Gr wußte die Yeute aber auf die Probe zu
jtellen, ob fie felbjt unter Schmäbungen, unter ungerechten Nachreden heiter blicben, mie
55 er denn auch jelbjt einen großen beiteren Gleichmut und guten Humor in folchen Fällen
bewies. So ſcherzte er oft luftig Darüber, als er mit den Seinigen ſelbſt beim Wolke
mehrere Jabre lang Start im Geruche der - - Schwelgeret Stand. Dazu gaben die oft
tagelangen Umzüge VBeranlaffung, welde er, ſpäter zumal in der Faltnachtzeit, mit No:
vizen anderer Orden, ınit Yaten durch die Vignen nad den fieben Kirchen Roms oder
vonach Kapellen um Nom, etwa bis Zt. Paolo machte Die Billa Mattei, von welcher
Neri 715
aus ein herrlicher Blick auf die Kampagne mit ihren antiken Waſſerleitungen und dem
Albaner Gebirge als Hintergrund ſich eröffnet, war ein Lieblingsziel. Man ſang Hymnen,
hielt andante kurze Betrachtungen, ſpeiſte und trank im Freien ein Glas Wein. Philipp
arrangierte Partien Bocceſpiel (das Kugelwurfſpiel); mar es im Gange, fo Stahl er ſich
bei jeite, betete in der bl. Schrift und hatte oft Verzüdungen. 6
Den Heiligen, welche die Kirchliche Neftauration mit ſauertöpfiſchem Eifer anfaßten,
mußte dies großes Argernis und bittere Galle erregen. Philippus wurde beim Kardinal:
vifar von Rom, meldyer die Stelle des Papftes in Tirchenpolizeilichen Dingen vertritt,
hart angellagt, er habe den Seinigen zum Tanze gepfiffen; um eitler Ehre willen und
weil er nach hohen kirchlichen Würden trachte, halte er diefe Zuſammenkünfte ꝛc. Er 10
trug es geduldig, daß er von Beichtftuhl und Kanzel fuspendiert wurde. Die Anklage,
er wolle damit eine Sefte ftiften, kam bis vor den Papſt; feine Rechtfertigung ſoll durch
den feltfam plößlichen Tod des Kardinalvikars befchleunigt worden fein. Die Anklagen
fehrten auch fpäter noch einigemal wieder; es iſt aber, als hätte Filippo ſich abfichtlich
je länger je mehr auf feine heitere, humoriftiiche Meife der Frömmigkeit gelegt. Nach 15
dem Zeugniffe Theiners Furfierten im Echoße des Oratoriums noch neuerdings zahlreiche
beitere Züge aus dem Leben und Verhalten des genialen Stifter. Er ſoll zur Ehmmere-
zeit im Pelze ausgegangen fein oder andere fo ausgeſchickt haben, felbit in die Kirche;
oder er jet wiſſentlich einfeitig rafiert Auenenannen, Sabe zumeilen öffentlich getanzt u. f. f.
Geine Biographien fchreiben dieſes und vieles ähnliche feiner Demut zu, er habe alles 20
Dienfchenlob von fich werfen und es dahin bringen wollen, daß man ihn „für einen
alten Narren” halte. Allein wahrſcheinlicher ift, Daß er durch folchen Humor die fauer:
töpfifche, phariſäiſche Scheinheiligfeit, welche in Rom mit der gewaltigen Reftauration
feit 1560 fiegte, geißeln und die Seinigen davon reinfegen wollte. Darüber, daß mit
feiner humoriftifchen Laune doch ein ftrenger asketiſcher Ernft gepaart war, teilt Bifchof 25
Palafor von Osma (in einer Anmertung zu Ep. 26 der Briefe der hl. Therefia) die
intereflante Anekdote mit: er habe einft einen 12 jährigen Knaben vor allzu vertraulichen
Scherzen und Spielen mit feiner eigenen Schweſter gewarnt, und zivar Dies, indem er
auf des Knaben Einwurf „Sie fer ja doch feine Schwefter” entgegnete: „Nimm dich in
adıt, mein Kind; der Teufel it ein großer Logiker, der dir diefen Sab umftoßen und so
dir jagen wird: obgleich deine Schweiter ſei fie doch dein Weib!” — Es erſcheint be-
deutfam, dag Neri und der fürchterlich ftrenge Papſt Sirt V. (1585— 1590) Zeitgenofjen
waren; auch diefer hat zum Teil durch feinen unverwüftlichen Humor fih dem Andenken
ber römischen Volkes tief eingeprägt, gleichwie unfer Neri zu deſſen Lieblingsbeiligen
gehört. 35
MWiederholten Anträgen von päpftlicher Seite, ihm den Kardinalshut zu erteilen,
mußte er fich auf humoriftifche Weiſe zu entziehen. Als ihm ein fchlichtes Mitglied
feiner Bruderfchaft zufprach, er folle Doch um des Vorteils diefer willen den roten Hut
annehmen, antwortete er: Aber das Paradies, das Paradies! — Verzeihet, Pater, fagte
der Bruder, daran habe ich nicht gedaht! — Einem PBapfte küßte er die Füße, fchrieb 40
7— ne ipäter: Erinnern Sie fc, daß es ich für einen Papft ſchickt, fein Verfprechen
zu balten. —
Theiner teilt aus den Schägen feine archivalifhen Wiſſens mit: umfonjt habe
König Heinrich IV. von Frankreich 1593 ſich wieder zur katholiſchen Kirche befannt und
der ranzöfiiche Epiffopat ſich umſonſt beim Papft verwendet, daß er den König von der #5
Exkommunikation entbinde ; die Gefahr eines Abfall der franzöfifchen Kirche habe infolge
hiervon gedroht. Da habe Neri dein Baronius befohlen, fo lange dem Papfte die Abjolution
nach der Beichte zu verweigern, bis er verfpreche, fie Heinrich zu erteilen; zitternd habe
Baronius gehorcht, Clemens VIII. aber bald darauf dem Könige die begehrte Abfolution
geipendet, worauf diefer dem Oratorium in Rom zum Dante koſtbare Meßgeräte und co
Gewänder geſchenkt habe.
Die Bruderſchaft des Oratoriums erhielt 1575, und dann nochmals 1612, die
äpſtliche Beſtätigung für ihre Ordnungen, welche völlige Gleichheit aller Glieder feſt—
etzen; auch der Superior muß der Reihe nach zu Tiſch dienen. Alles geht durch
Stimmenmehrheit. Erſt mit dem vierten Jahre nach der Aufnahme erhält man be—⸗ bö
ratende, mit dem zehnten entjcheidende Stimme. Die Brüder haben eine gejeßgebende
und richterliche Geivalt auch über den Superior. Die Mitglieder, lauter Weltgeiftliche,
nicht Mönche, zahlen monatliche Beiträge zur Hausbaltung ; nur die nadte Wohnung
haben fie frei. Man verzichtet nicht auf perfünliches Eigentum und kann jederzeit aus:
treten und all das Zeinige mitnehmen; dena man ift durch feinerlei Gelübde gebunden. sa
716 Neri
Doc enthält die Institutio Congregationis Clericor. secul. de Oratorio (bei Holft.:
Brodie, Cod. Regull. VI, 214 -263) in digziplinarischer und liturgiſcher Hinficht mande
recht harte Vorſchriften (u. a. tägliche längere Gebetslitancien der Prieſter vor einem
Marienaltar, ſowie wöchentlich dreimal Mont., Mittm., Freit.) Geißeldisziplinen „ob
ö memoriam flagellorum, quibus innocens pro nobis Deus Dominus caesus fuit
(f. das Nähere bei Zödler, Krit. Geſch. der Askeſe, S. 60f.). — Die casus conseientiae
und dubia, welche noch vor Tiſch vorgetragen und aus Tirchlichen Autoritäten gelöft
werden, Sind befonders auf Beichtväter berechnet. Neri wollte nicht, Daß Die Seinigen
vielerlei Thätigfeiten trieben; nur Gebet, Saframentsipendung, Verkündigung des Wortes
tw Gottes, aber dies gründlich und nachhaltig, follten fie üben. Damit fie nicht zerftreut
würden, ließ er fie nicht gerne in Urlaub, felten zur Gründung eines Bruderbaufes
in anderen Städten. Neugegründeten Häuptern ließ er mehr oder weniger ihre Sonder:
ftelung unter ihrem jeweiligen Bilchof, jo daß die italienischen Uratorien feinen
General, feine Abgeorpnetenverfammlungen, überhaupt keinerlei Gentralifation kannten,
15 noch Tennen.
Zum Mutterhaufe der Kongregation in feiner jegigen Geitalt, der prächtigen im
Gentrum der Stadt Nom belegenen Kirche S. Maria in Vallincella, wurde 1576 der
Grund gelegt; doch bezog Filippo felbft das mit diefer „neuen Kirche” (Chiesa nuova)
verbundene Wohnhaus erſt 1583. Drei Jahre fpäter gründete Tarucci die Oratorien
2 zu Neapel und Mailand, tvelches letztere bald wieder einging; um diefelbe Zeit ent-
ftanden die Häufer von San Severino, Fermo, Walermo. Gin 1595 erlaſſenes Defret
des römischen Mutterhaufes lehnte es zwar ab, dieje oder jonjtige neugegründete Oratorien
in centralifierender Weile von Rom aus zu verwalten; doch wurden Ausnahmen bierbon
gemacht. So gleich drei Jahre nah Erlaß jenes Defrets, wo man das neu entitandene
25 fehr reihe Haus von Lanciano in den Abruzzen mit feinen beträchtlichen Gütern dem
römischen Oratorium einverleibte.
Drei Jahre zuvor, am 26. Mat 1595, war Neri, gegen 80 Sabre alt, aus dem
irdiſchen Leben gejchieden. Seine Haupttbätigfeit blieb bis zu feinem Ende die Seelforge
und der Beichtſtuhl. Das Superiorat über den Orden trat er einige Jahre vor feinem
3 Tode an Baronius ab, der dasfelbe bis zu feiner Erhebung zur Kardinalswürde befleibete.
Zahlreihe erbaulie Züge erden aus Neris paftoralem Wirken erzählt, desgleichen
merkwürdige Proben eines berzdurchdringenden propbetifchen Tiefblids, kraft deſſen er
manchen Sündern, ſchon bevor fie Beichte abzulegen begonnen, ihre DBergebungen
aufs genaueſte fagte, bei andern die Art ihrer Cünde durch den Geruch erfannte u. \. f.
35 Dabei benahmen weder feine gewaltigen Erfolge auf diefem Gebiete, noch die vielen
wunderfamen Gelichte und Verzüdungen, womit er begnadigt war, ihm jeine Demut und
faſt findliche Einfalt.
Er, der im Gebete oft ſtundenlang verzüdt war, bat junge Anfänger um ihre Für:
bitte und war ftets bereit, aus foldhem Gebete fofort fröhlihb zur thätlihen Hand-
40 reichung überzugeben. fters foll er vor den Mugen anderer im Gebet leiblich mehrere
Fuß ber dem Boden ſchwebend gehalten worden fein; fo in einer Krankheit ein Jahr
vor jenen Tode, als er zugleich eine Viſion von Maria batte, welcher er zurief: Sch
bin nicht würdig; o meine beiligfte, ſchönſte, füßefte, gebenedeite Krau, wer bin ich denn,
daß du zu mir kommſt?“ Ein Bild in der Kirche S. Maria in Ballincella ftellt den Heiligen
15 während einer folchen Bebetselevation jchivebend dar. — Im übrigen finden wir felten, daf
er fih in feinen Gebeten an Maria wandte. Als er 1595 öfters ſtarke Blutjtürze batte
und zum letzten Mal das bl. Abendmahl empfing, rief er: „Herr, ich bin nicht würdig;
niemals war ich würdig ; ich babe nichts Gutes gethan. Wer etwas anderes ſucht, als Chriftum,
der weiß wahrlich nicht, was er ſucht“. — Gefichte und Wunder follen unmittelbar nad
so des Heiligen Tode erfolgt fein. Wie feinen (und anderer) Tod foll er mitunter aud
feine Heiligſprechung, die Schon 1622 auf Betrieb Ludwigs XIII. von Frankreich erfolgte,
bumeriftifch vorausgejagt baben. Seine Yandeleute, die Florentiner, hatten ibm ihre
1564 in Nom zu Ehren Sobannis des Taufers erbaute Kirche übergeben. Auf die
Frage, warum er feine Vaterſtadt nicht auch einmal wieder bejuche, antivortete er: im
55 Florenz werde ich aufgebängt werden. Als infolge feiner Heiligfprechung eine Fahne mit
feinem Bilde in der florentiner Kirche dies twiederfubr, erfannten feine Jünger den Sinn
feiner Morte (vol. Gothein S. 206f.). — Bildliche Darftellungen find ihm mehrfach aud
von berübmten Malern zu teil geworden, u. a. durd Guido Rent in der Kapelle
©. Filippo Neri (Detzel, Ikonogr. II, 585).
A Mehrere namhafte theologiſche Schriftiteller find aus der Kongregation der italie:
718 Neri Nero
Übrigens zählte das franzöfifche Oratorium im Jahre 1760 in Frankreich 58, in den
Niederlanden 11, in der Grafſchaft Venaiſſin (päpftlichese Gebiet in der Provence) 2,
in Savoyen 1, im Lüttich 1, im ganzen 73 (reip. 75) Häufer mit Weltprieftern, teils
Seminare, teild Kollegien (ſ. über diefe Verbältniffe bei. Lallemand a. a. D.).
6 Die Erbitterung und das Gefühl der Unmacht, wieder den Stachel Der vereinten
Papſt- und abjoluten Königsmacht zu löden, ließ die „Pbilofophie” des vorigen Sem
bunderts in die Kongregation fich tief einjenfen. So fchloß fie fih teilweiſe Den befieren
Anfängen der Revolution an; die der Givilordnung der Kirchenfachen günftigen Geift:
lichen bejchiworen die Givilverfaflung für Frankreich in der Kirche des Sratoriums (der
10 jeigen reformierten Kirche, in der Nähe des Louvre), bei deren Aufbau Berulle als
Handlanger gearbeitet hatte). — Während der eriten Hälfte des 19. Jahrhunderts ver:
barrte die Kongregation im Zuftande der Auflöfung, bat fich jedoch feit dem Beginn ber
fünfziger Jahre unter Führung des frommen P. Petstot, Pfarrers zu St.-Roch (geft.
1887), wieder aufgethan, auch bereits Schritte in der Richtung auf Wiederberftellung
15 ihres alten Gelehrtenruhms getban ; wie denn Gratry, H. de Valroger und einige andere
auf apologetifchem Gebiete verdiente Schriftiteller zu diefen Uratorianern der Gegenwart
gebören. Bon Englands Uratorianern, in deren Verband befonders zahlreiche Puſeyiten,
dem Vortritt Newmans folgend, eintraten, war oben bereits bie Sede. Schon 1850
befand ſich bier je ein Bruderbaus in Liverpool, Birmingham, London. In England
20 dürfte dieſe Kongregation wegen entſprechender Elemente in den nationalen Traditionen
mehr Ausficht auf Verbreitung haben, als die meilten anderen römifchen Körperjchaften.
Cie hat bier zur Beförderung der römijch-katholifchen Propaganda bereit? manchen wirt:
famen Beitrag geliefert — auf litterarifchem Gebiete u. a. durch fleißige PBublilation von
Dokumenten zur Märtyrergeichichte des britifchen Katbolicismus unter den QTubors, wo:
26 von das Londoner Dratorium bereits mebrere Bände (unter dem Titel Records of the
English Catholics under the penal laws) herausgegeben bat (vgl. Heimbucer
S. 347). (Rendlin +) BZödler.
Nero. — LKitteratur: Schiller, Gefchichte des römiſchen Kaiferreich® unter ber Re:
gierung des Nero, 1872. Vgl. Comment. philol. in honorem Th. Mommsenii 1877, p. Al 6qq.:
30 Renan, L’Ant£christ, 1873, 4. Band der mit der Vie de Jesus beginnenden Origines du
Christianisme; Niſſen in Sybel3 hiftoriiher Zeitſchrift 1874, ©. 337 ff.; Holtzmann, Nero
und die Chrijten, in der gen. Zeitichr. 1874, ©. 1ff.; Aubé , Comptes rend. de ‚l’Academie
des Inscriptions 1866, p. 194 sqq. und in der Histoire des persecutions de l’Eglise 1875,
p. 421; Hausrath, Neutejtamentliche geitgefehichte III®, 1875; Langen, Gejhidhte der römi:
36 ſchen Kirdye bis zum Pontifikate Leos I., 1881; Hilgenfeld, Nero der Antichriſt, Zeitſchrift
für wiilenfchaftlihe Theologie 1869, S. 421 ff.; Hildebrand, Das römiihe Antichriſtentum,
ebenda 1874, ©. 94 ff.; Hilgenfeld, Die neronifhe Ehriftenverjolgung, Zeitſchrift für wiſſen—
iyaftliche Theologie 1890, ©. 223 ff.; E. Zeller, Das odium generis humani der Ghrijten,
Zeitſchrift j. willenfchaftl. Theologie 1891, S. 357 ff.; C. %. Arnold, Die neroniſche Chriſten⸗
40 verfolgung 1888.
Nero, römischer Kaifer, regierte 54— 68. n. Chr., an defjen Namen ſich die erfte große
Ghriftenverfolgung fnüpft, welche die Gefchichte fennt. Dieje den meltbewegenden Kampf
zwwifchen dem antifen Staat und dem neuen Glauben einleitende Verfolgung — zugleich
die einzige Thatſache der Negierungsgefchichte Neros, welche für die Gefchichte der chrift:
45 lichen Kirche unmittelbar in Betracht kommt, — fällt in die ſchlimmſte Epoche des Lebens
Neros und fteht in unmittelbaren Zuſammenhange mit der fchredlichen Kataſtrophe, welche
den Ghriften der Zeit wie „eines der Gerichte Gottes über die große Babel” erfchien
(Apk 18, 19— 20): mit dem Brande Noms, der in der Naht vom 18. auf den 19. Zuli 64
am Züdabbang des Palatin entjtand, 6 Tage und 6 Nächte hindurch wütete und —
so nachträglich auch in den nördlichen Stadtteilen unvermutet nochmals losbrechend — in
drei weiteren Tagen zehn von den vierzehn Regionen Noms mehr oder minder vollftändig
einäfcherte. Inwieweit cs begründet war, wenn die Volksſtimme den Kaifer felbft als
Urheber des Brandes bezeichnete und die Schriftiteller der flawifch-trajanischen Zeit dieſe
Anklage mwiederbolten, läßt ſich mit völliger Evidenz nicht mehr erkennen; wie denn felbit
55 Tacitus — mit den Worten: „sequitur clades forte an dolo principis incertum“
(Annal. 15, 38) — auf ein entjcheidendes Votum in der Frage verzichtet bat. Doc
Sprechen gegenüber der apologetifchen jede Schuld ableugnenden Daritellung des neueiten
deutichen Biographen Neros die von Nenan, Niſſen, Holgmann und anderen geltend ge
machten Gründe entfchieden dafür, daß die Bau: und Verfehönerungspolitit des Katfers
co in frevleriſchem Yeichtfinn die Kataſtrophe abfichtlich herbeigeführt hat, wenn auch vielleicht
Nero 119
der Brand größere Dimenfionen annahm, als man urfprünglich beabfichtigt haben mochte.
Thatſache iſt nad) dem Berichte des Tacitus 15,44, daß die auf fo draftifche Meife erfolgte
Erfüllung des Herzenswunſches Neros, der ſich in feiner Außerung über die Vollendung
der domus aurea: „se quasi hominem tandem habilare coepisse" (Sueton Wero 31)
fundgiebt, mit dem Blute der Chriſten Roms bezahlt ward, und daß die äußere Ber: 6
anlaffung dieſes Martyriums der römischen Gemeinde feine andere war, als das Beltreben
Neros, den Verdacht der Branditiftung und die Volkswut von ſich auf andere abzuleiten,
nachdem ſich alle fonftigen Beichwichtigungsmittel, wie Spenden, Prozeſſionen, Kultusakte
und anderes der Art unzureichend eriviefen, die Grbitterung der Menge zu befänftigen
und das Gerücht zu eritiden. 10
Aus melden Gründen nun aber gerade die Ehriften zum Opfer auserforen wurden,
darüber laſſen fih nur mehr oder minder mwahrfcheinliche Vermutungen ausfprechen. Ab:
zulehnen als völlig unerwiefen find jedenfalls die Motive, welche franzöfiiche Schriftiteller,
jo bejonders Aube, aus Neros Privatleben herangezogen haben, indem fie dem befannten
judenfreundlichen Einfluß der Kaiferin Poppäa und ihrer Eiferfucht gegen Alte, Neros 15
Freigelaſſene und Geliebte, für deren angeblidhes Chrijtentum nur ein ſehr ungenügendeg
Zeugnis vorliegt (Johannes Chryfoftomos Homil. 46 ad Act. Apost.) eine romanbafte
Bedeutung für die Zees beilegen; eine Vermutung, der ſich übrigens auch Hausrath nicht
zu entziehen vermochte, indem er derſelben wenigſtens ſo viel einräumt, daß „es vielleicht
jener judenfreundliche Hofſtaat geweſen, der auf die Chriſten deutete”. Recht künſtlich iſt 20
auch die Motivierung Renans, der in dem oben aufgeführten Werke (S. 153) von einer
„infernalifchen dee” Spricht, welche dem Kaiſer gefommen, „die Verächter der Heilig:
tümer für den Untergang derfelben verantwortlich zu machen”. Danach wäre der religiöfe
Gefichtspunft das Ausschlaggebende geweſen. Die Chriften feien als pafjendes Piaculum
erjchienen, ihre Hinrichtung fei zu einer öffentlichen Verſöhnungsfeier geworden. Dem 26
entipreche auch die Strafe, da nad) dem Juriſten Paullus: sent. V, 29. 1, wie auf dem
Majeftätsverbrechen, jo auch gerade auf dem sacrilegium bei Leuten niederen Standes
(humiliores) der Tod durd Feuer oder Beltien ftand. Gegen diefe Auffaſſung ſpricht
aber ſchon das Verfahren gegen die Beklagten, welches nach allem, was wir darüber
willen, ein rein polizeiliche war. Wenn auch zuzugeben iſt, daß die Angaben, wonach 30
der Präfelt der Prätorianer Tigellinus die Unterfuhung führte und das Urteil fällte
Schol. Juvenal I, 155), feine abfolute Zuverläffigfeit befist, jo ift doch andererſeits Ge:
wicht darauf zu legen, daß von einem bejonderen Gerichtshof nirgends die Nede ift,
während die Kompetenz des Senates für die auf religiöjen Motiven beruhenden Anklagen
außer Zweifel Steht. Vgl. Schiller a. a. O. ©.433. Daß übrigens im erften Jahrhundert 36
das Belenntnis zu Chriſtus an und für fih noch nicht unter den Begriff der religio
illieita fiel, geht zur Genüge aus der befannten Anfrage hervor, welche Plinius d. 5.
als Prokonſul von Bithynien nad) Rom richtete: nomen ipsum, si flagitiis careat,
an flagitia cohaerentia nomini puniantur (ep. X, 96). Daher iſt es auch verkehrt,
wenn Hilgenfeld das Motiv in dem „Zelotismus des inftinktiv feinen Untergang ahnenden 40
römifchen Heidentums“, in der unbewußten Eiferfucht gegen die beneidensiverte Religion
der Zufunft fucht. Fragen wir nun, welche Motive fonjt es geweſen fein können, durd)
Die gerade die Chriſten in die Unterfuchung verwidelt wurden, jo hat die fombinierende
Kritif wohl nicht mit Unredt vor allem auf den tiefgebenden Haß des Volkes zunächft
gegen die Juden (Friedländer, Darftellungen aus der Sittengefchihte Roms, IIT?, 581), 46
dann gegen die Orientalen überhaupt bingewiejen, eine Antipathie, bei der es fehr nahe
lag, den verhängnisvollen Umftand, daß der Brand am Zirkus Maximus gerade bei den
teilmeife orientalischen Handelsleuten gebörigen Buden ausbrach, zu Ungunſten diejes Be:
völferungselementes auszubeuten. Daß dabei aud) der chriftliche Beitandteil desfelben in
Duitteiven\caft gezogen iverden mußte, begreift fich leicht daraus, daß die römijche Ge: so
meinde allem Anjcheine nach überwiegend eine judenchriftliche war, jedenfalld aber die
Zrennung von dem Judentume äußerlih noch viel zu wenig hervortrat, als daß das
Chriftentum für das heidniſche Bewußtſein etivas anderes, denn eine bloße Sefte des
leßteren gemwejen twäre. Wie auf der einen Zeite der Durch die Gährung in Judäa und
durch falſche Propheten und trügerifche meſſianiſche Erſcheinung lebhaft gefteigerte Fana- 65
tismus des Judentums jih in unvorfichtigen Außerungen Luft machen mochte, die jchivere
Gem luchungen des Heidentums durch Jahve verfündeten und in der Cinäfcherung der
MWelthauptitadt eine ſolche begrüßten, fo mochte man ſich dergleichen Wünſche und Er:
twartungen eines baldigen Gerichtes über die Heidenivelt im Kreiſe der des nahenden
Weltendes getvärtigen Anhänger des kommenden Chriftus potenziert denken; und Daß Dies co
1720 Nero
geſchah, Liegt unzweideutig in dem Vorwurf eines „allgemeinen Haſſes gegen das Menfchen:
geichlecht” angedeutet, den nad Tacitus (a. a. O.) die öffentlihe Meinung peziell den
Ehriften machte. Denn man wird jchwerlich mit Zeller annehmen wollen, daß in dieſem
Falle das „Odium humani generis“ nicht mehr zu bedeuten hatte, als etwa bei Cicero,
5 der das griechiiche „wuoavdomria" in diefer Weiſe überjegt hat. Minucius Felix (Oftav.
11, 1) erwähnt ausbrüdli als ein Motiv der Abneigung gegen die Chriften ibre Er-
wartung des baldigen Weltuntergangs durch Feuer; und in der Apofalypfe (18, 9 ff.)
wird der Brand Noms, „des Babylons aller Laſter, deflen Sünden zum Himmel fteigen“,
direft ald Vorbote und Sinnbild des göttlichen Strafgerichts über die Heidenwelt dar:
10 geftellt. Ber diefer Stellung des Ghrijtentums lag für das Volksbewußtſein der Zeit der
Gedanke gewiß außerordentlich nahe, daß die verhaßte Sekte vielleicht ſelbſt das ihrige
dazu gethan, die Norherfagungen von hereinbredhenden Strafgerichten, insbejonderd vom
Feuer, das vom Himmel fallen und die Heiden vertilgen wird, in Wirklichteit umzufeßen.
Wurden doc jpäter auch die Juden in Antiochta aus ähnlichen Motiven morbbrennerifcher
15 Abfichten beichuldigt (Joſephus, Bell. Jud. VII, 3.2—4). Daß die Anklage damals aus-
ichlieglich die Chriften traf, lag wohl nicht an einer Denunziation von feiten der Juden,
die das Verderben dadurh von fihb auf jene abgemwälzt hätten, wie Schiller, Renan,
Hausrath, Langen anzunehmen geneigt find, jondern daran, daß man bei der Größe der
jüdischen Gemeinde Roms und der ohnehin aufs höchſte geleigerten Erbitterung Judäas
20 don einer allgemeinen Verfolgung der gefamten Judenſchaft abfab und fih an die Fraktion
bielt, welche als die fanatischite erfchten, der die Volksſtimme ohnehin die ſchmählichſten
Laſter zutraute, und die ſelbſt ein Tacitus als einen fcheußlihen Auswurf orientalifcher
Verſunkenheit anfab (Ann. 15,44 — quos per flagitia invisos vulgus Christianos
appellabat), Wird doch fchon bei den früheren Unruhen unter der Judenſchaft Roms
35 und der Ausweifung derfelben unter Kaifer Claudius gerade dem chrijtlichen Elemente
eine gebäffige Rolle zugejchrieben (Sueton, Claudius25: Judaeos impulsore Chresto
assidue tumultuantes Roma expulit). Den Berlauf der Unterfuhung charakterifiert
Tacitus mit den Worten: Igitur primum correpti qui fatebantur, deinde indicio
eorum multitudo ingens haud proinde in crimine incendii quam odio generis
80 humani convicti sunt. Ganz aufgeklärt ift das Dunkel, dag auf diefer berühmten
Stelle rubt, no nicht. Daß fatebantur, auf deffen Deutung alles ankommt, nicht im
Sinne der neueren Herausgeber Nipperdey und Dräger von dem öffentlichen Bekenntnis
zum Chriftenglauben verstanden werden fann, jondern nur in der gewöhnlichen Bedeutung,
„lich eines Verbrechens fchuldig bekennen“, bat Schiller (S.435) aus dem Eprachgebraud
35 des Tacitus und aus inneren Gründen wohl zu erweiſen verjucht, aber keineswegs zur
Genüge feitgeftellt, wie denn auch feine weitere Erflärung die Schwierigleit nicht völlig
befeitigt. Wahrfcheinlich will Tacitus jagen, daß zunächſt einzelne als Chriften ſich be
fennende Individuen verhaftet und daß auf deren Nusfagen bin, — inwieweit Diefelben
freitvillig oder durch Folter erzwungen waren, wird nicht gefagt, — die Chriften in Mafle
40 eingezogen und verurteilt wurden, wobei die Behörde nicht einmal die Beweiserbringung
für die Brandftiftung überall für nötig bielt, fondern die Zugehörigkeit zu ber Sekte, aus
der man eine Anzahl für fchuldig befunden, und deren feindfeliger Stimmung gegen bie
übrige Menfchheit man das Schlimmſte zutraute, für ausreichend erachtete, die Schuld:
frage zu bejahen.
45 Die Hinrichtung geftaltete fih zu einem vom Kaiſer den römischen Pöbel gegebenen
Feſte. In den Gärten Neros auf dem heutigen St. Betersplage ftarben die Unglüdlichen
den Tod am Kreuze oder in Tierfelle eingenäbt und von Hunden zerfleifcht, andere bei
einbrechender Duntelbeit als Pechfadel brennend. So erzählt Tacitus mit den Worten:
et pereuntibus addita ludibria, ut ferarum tergis contecti laniatu canum in-
so terirent aut crucibus affixi aut flammati atque ubi defecisset dies in usum
nocturni luminis urerentur. Es beißt daher zuviel in die Stelle hineinlefen, wenn
Hausratb (S. 410) meint, dap „auch andere Unbill den PVerurteilten zugefügt morden“
fei, von der Tacitus „epigrammatifch” berichte: „pereuntibus additit ludibria”, und
daß diefe Judibria mythologiſche Scenen im Stile der Pantomimen geivefen feten, tie
65 ſie nad Sueton (Nero ec. 12) unter Nero aufgeführt wurden und unter welchen felbft
Paſiphae mit dem Stier nicht ausgefchloffen war. Für diefe Annahme, für die Tacitus
mit Unrecht in Anfpruch genommen wird, könnte höchſtens die Notiz einer chriftlichen
Quelle: Clem. ad Cor. I, 6 angeführt werden, welche das Martyrium chriftlicher Frauen
feiert, die „als Dirfen und Danaiden” eingeführt worden feien. Da ſich diefe Angabe
eo unmittelbar an den Hinweis aufs Ende des Paulus (I, 5) anreiht, deſſen lebte Lebens:
Nero 721
[puren unmittelbar auf den Schauplag und in die Zeit der neronifchen Kataftrophe führen,
und der allem Anfcheine nad) ebenfalld derjelben zum Opfer fiel, jo mag man immerhin
mit Holgmann (a. a. O. ©. 12) an die neroniſche Verfolgung und jene jcheußliche Er:
findfamteit denken, welche die Tortur als Sluftration zur Mythologie auf die Bühne
brachte und Hinrichtungen zu einen Gegenitand des Gelächter und Applaudierend machte. 5
Gewagt bleibt aber bei diefem einzigen jo unficheren Anhaltspunkt die Annahme immerhin;
jedenfalls genügt fie nicht entfernt zu Schilderungen, twie fie Nenan im Gejchmad mo:
derner franzöfticher Malerei von den Hinrichtungsfcenen entworfen bat.
Nach Tacitus erfchien Nero felbjt zu dem bei genannter Gelegenheit gegebenen Zirkus-
fpiele im Koftüme eines Wagenlenters, wobei er fogar den Wagen verließ und fich unter 10
das Volk miſchte. Daß übrigens die beabfichtigte Wirkung nicht vollftändig erreicht wurde,
giebt felbit Tacitus zu. Obwohl er an der Schuld der Chriſten nicht zweifelt und fie
der äußerften Strafen für würdig erklärt, unterläßt er es nicht hinzuzufegen, daß ſich
im Publikum das Mitleid regte „in dem Gedanken, daß fie nicht dem gemeinen Belten,
fondern der Graufamfeit eines Einzelnen geopfert wurden”. Dieſe Bemerkung mit dem 15
Biographen Neros (S. 437) einfach abzulehnen als Ausdrud der perfönlichen Gehäffigfeit
des Siftorifers „der nur den Zweck habe, Nero zu belaften”, dürfte wohl kaum gerecht:
fertigt erfcheinen. Dagegen ftimmen wir mit Schiller um fo entſchiedener in einem andern
Punkte überein, daß nämlich die Verfolgung der Chriften nicht auf Stalien und die Pro:
vinzen ausgedehnt wurde, fondern auf die Stadt befchränft blieb, an der fie gefrevelt 20
haben follten. Gegen Tacitus und Sueton, aus denen dies klar hervorgeht, können die
fpäteren gegenteiligen Angaben von Oroſius 7, 7 und Sulpictus Severus 2, 28 nicht in
Betracht kommen. Ihnen fließen die chriftenfeindlichen Aktionen Neros, Domitians und
der fpäteren Kaifer durchaus in Eines zufammen; und daß aud die Angabe der Apofa-
lypſe (12, 13) über die Hinrichtung des Antipas zu Pergamos nichts für eine allgemeine 25
erfolgung beweilt, — ganz abgejehen von anderen teild völlig allgemein gehaltenen,
teild direft auf die römische Kataftrophe zu beziehenden Stellen der Apokalypſe, — das
wird gegen Hausrathd (S.412) und Renans (5.183) gegenteilige Anficht auch von Holt:
mann (a. a. D. ©. 16) mit Recht im Einne Schillers eingeräumt. — Vgl. über den
Charakter der neronifchen Verfolgung als einer Iofal beſchränkten Kataftrophe: Schwegler, 30
Nachapoſtoliſches Zeitalter, II, 14; Hilgenfeld, Apoftoliiche Väter ©. 160; Lipfius, Cle-
mentis epistola p. 141; Über den Urfprung und den älteiten Gebrauch des Chriften-
namens ©. 18. — Eine Berallgemeinerung der Verfolgung hätte nur dann einen Sinn
ebabt, wenn die Religion das Moͤtiv derfelben geweſen märe, in welchem Falle
Nero Ana wie feine Vorgänger in ähnlichen Fällen einen Senatsbefchluß provo- 35
ziert hätte.
Erjcheint aber auch der Schauplak der Verfolgung als ein lokaler, jo war doch die
Wirkung des Ereigniſſes eine um jo gewaltigere und allgemeinere. Sin dem Brande der
Welthauptitadt und der blutig inaugurierten Reaktion des heibnifchen Staates gegen bie
Chriftengemeinde fchten fih der aufs höchſte geſpannten meffianifchen Erwartung das 40
nahende Weltende unverkennbar anzufündigen, zumal die nächiten Jahre weitere bedeu-
tungsvolle Ereigniſſe brachten: den jüdischen Krieg, in dem fich das Geſchick des Volkes,
das feinen Meſſias verworfen, zu erfüllen begann, Nero Sturz und Tod und den blutigen
Bürgerzwift um den Thron der Cäfaren. Aus den Stimmungen und Erwartungen, die
fih an diefe Thatfache anknüpften und die fih am lebhafteiten in dem Klaggeſang der 45
Apokalypſe (18) reflektieren, begreift «8 fich, daß Neros dämoniſche Geftalt, die im Mlittel-
punft der Ereigniſſe ſteht, unmittelbar in den eschatologischen Vorftellungsfreis der Zeit
verflodhten ward. Den Mördern entronnen oder nad) anderer Berfion vom Tode erivedt,
follte er wiederfommen als der Antichrift, der den lebten großen Vertilgungstampf gegen
die Belenner Ehrifti führen, dann aber von dem zum Gericht erjcheinenden Meſſias ſieg- 50
reich überwunden werben wirt.
war hat man neuerdings gemeint, zwifchen der Verfolgung und der Erwartung der
Wiederkunft Neros beftehe kein Zufammenbang. Diefelbe ſei vielmehr in der beibnifchen
Bevölkerung entftanden und von da in die jüdischen Sibyllinen übergegangen. In den
eigentlich chriftlichen Kreifen babe ſie erſt jpät Eingang gefunden und zivar erft dann, 55
nachdem fie vorher von häretiſch und feparatiftiih gefinnten chrijtlihen Sibylliſten ver-
wertet und umgebildet worden jet. — Allein diefe Anſicht tft von Hilgenfeld zur Ge:
nüge zurüdgemwiefen worden. Das von dem Blute der Heiligen und der Zeugen Jeſu
trunkene Babylon (Nom) der Apofalypfe (17, 6; 18, 24) redet Doch eine zu deutliche
Sprade! Robert Pöhlmann. 60
Neal⸗Encyklopädie für Theologie und Kirche. 3. U. XIII. 46
722 Nerſes Neſtor
Nerſes ſ. d. AU. Armenien, und zwar für Nerſes Clajenſis Bd II ©. 73, 10;
Nerſes d. Gr. ©. 76,395 Nerſes Lambron ©. 73, 36.
Nerva, Kaiſer 96-—98. -- Bgl. C. Beter, Gefchichte Roms unter den Kaifern, Halle
1871, 1II, 507 ff.; Overbed, Studien ©. 100 ff.; Aubé Histoire des pers&cutions de l’&glise,
6 Baris 1875, I, 195 ff; Görres, Chriftenverfolgungen in Kraus Nealencyklopädie der drift:
lien Altertümer ©. 225; 8. Wieſeler, Die Ehriftenverfolgungen der Cäfaren, Gütersloh 1878,
S. 12; 8. O. Neumann, Der röm. Staat und die allgem. Kirche I. 1890, ©. 16.
M. Coccejus Nerva wurde fofort nad) der Ermordung Domitians (am 18. Cep-
tember 96) zum Kaifer ausgerufen ımb ale folder alljeitig anerfannt. Ohne Zweifel
10 hatte die Verſchwörung, der Domitian zum Opfer fiel, Mitwiſſer und Leiter in den höheren
Ständen, und dieje hatten fich mit Nerva, der fich ſelbſt durch Domitian bedroht glaubte,
über die Annahme des Thrones verftändigt.
Seine kurze Regierung (er ftarb am 27. Januar 98) beſteht faſt ausfchlieglih in
einer Reihe von Handlungen der Verföhnung und Milde. Nach Hegefipps Angabe (Euseb.
ı5 H. E. III, 19. 20) fowie nach Tertullian (Apolog. 5) hatte Domitian felbft bereit3 die
Verfolgung aufgegeben und die Verbannten zurüdgerufen, nad Dio Caſſ. (68, 1) tbat
diefes erjt Nerva. Beide Nachrichten find wohl vereinbar, denn jedenfalld erfolgte die
Zurüdberufung erſt ganz gegen Ende der Regierung Domitiand und die Werbannten
fehrten tbatfächlich erft unter Nerva zurüd; diefer erjegte auch die Vermögensverlufte und
20 ſuchte das Unrecht feines Vorgängers wieder gut zu machen. Er fteuerte dem Unfug der
Delatoren, ließ feine Anklagen wegen ddedrns und lovdaixa Ndn mehr zu und machte
auch den fisfalifchen Bedrückungen der Juden, unter denen auch die Chriften gelitten
hatten, obne übrigens den jüdischen Leibzoll abzufchaffen, ein Ende (Dio Cass. 68, 1
— Eus. H. E. III, 20 — vgl. die Münze vom Sahre 96 „Imp. Nerva Caesar
25 Augustus P. M. Tr. P. Cos. II Fisci Judaici calumnia sublata‘“ und dazu Eckbhel
Doetr. Numm. VI, 404). Die Humanität des Katjers zeigt ſich aud darin, daß er
den Grund legte zu der Anftalt für die Verforgung armer Kinder, die, von Trajan fort:
gebildet, von großer Bedeutung wurde.
Zu weit würde man übrigens gehen, wenn man die Lage der Ehriften unter Nerva
so ale Zuftand völligen Friedens oder gar der Anerkennung jeitens des römischen Staates
betrachten wollte. Die dabın gebende Angabe des Lactanz (de mort.pers. 3,4: „Res-
ceissis igitur actis tyranni, non modo in statum pristinum ecclesia restituta
est, sed etiam multo clarius et floridius nitdit“) berubt auf einer falfchen Beur:
teilung der damaligen Zeit. Im Gegenteil, die rechtliche Stellung der Chriften blich
35 diefelbe. Wie Nervas Regierung den libergang bildet zu einer neuen Periode der römi-
chen Gejchichte, die mit dem von ihm adoptierten Trajan beginnt, fo bezeichnet fie aud
einen Wendepunkt in der Gefchichte der Verfolgungen. Die aus bloßer tyranniſcher Laune
unternommenen mebr zufälligen Verfolgungen, wie die Neros und Domitians, find zu
Ende, und es beginnt mit Trajan die Verfolgung auf Grund und zunächſt auch in den
so Schranfen der beftehenden Geſetze. G. Uhihorn}.
Neftor und der ältefte rufftihe Annalift um 1100. — Kitteratur: A. L. Schlöger,
Ruſſiſche Annalen in ihrer ſlaviſchen Grundfpracdhe, Göttingen 1802—1809, 5Bde; PH. Strahl,
Beiträge zur ruſſ. Kirchengeſchichte, Halle 1827; 3.3. Ereznevffij, Die Erzählungen v. d. Hl. Boris
u. Gleb (ruſſ.), St. Petersburg 1860; Monumenta Poloniae historica, heraudgeg. von Bie
45 lovffi, Lemberg 1864; Makarij, Geſch. der rufj. Kirche? (Abdrud der 2. A., rujj.), St. Peters⸗
burg 1889, I, 249 ff. II, 133. 324 ff.; €. Golubinffij, Geſch. der ruf. Kirche (rufj.), Moskau
1880, 1,1, 194 ff. 207 ff. 615 ff. (2.9.1901, I, 1, 224 ff. 238 ff. 742 ff.); Levitikij, Die Quellen
für die Taufe Wladimirs (ruſſ.), St. Petersburg 1890; Schachmatov, Das Baterifon und die
Annalen des Kiewer Höhlenflofters, St. Petersburg 1897 ; mehrfadhe Unterfuhungen über die
50 Chronologie der Annalen und iiber ihre ältejte Nedaktion im Jahrgang 1897 des Journals
des Minifteriums der Volksaufklärung; und Die Sammlung der anfänglichen Kiewer Annalen
und ihre Quellen (Arbeiten der ethnograph. Abteil. XIV); Zur Frage nad) der Herkunft des
Chronographen, (Nbteil. der ruſſ. Spr., Bd 66) 1899 (alles ruil.); ®. % Sreznevftij (rufl.)
in Memviren (Zapiski) der Et. Petersb. Akad. der Wiſſ. Bd 72 (1893) und in Memoiren
65 der hift.philof. Abt., Bd 1 (1897); Abramowitſch, Zur Frage nad) den Quellen des Lebens
des Theodoſ. Petſcherskij von Nejtor (Nachr. der Abteil. der rufi. Sprache und Titt. der Atad.
d. Wiſſ., ruſſ., 1898, I, 243). Einiges habe id) aus Berlin erhalten, anderes blieb mir un:
zugänglid).
In dem Mönch des Höhlenklofters bei Kiew Neftor pflegte man lange den ältejten
co Annalijten und Bater der ruffiichen Gefchichtichreibung zu erbliden; jedoch mit Unrecht.
Nero Neftorianer 7123
Der erfte ruffifche hiſtoriſche Schriftfteller ıft wielmehr der Mönch desfelben Höhlenkloſters
Jakob, deſſen Erzählungen zuerft der fpätere Moskauer Metropolit Mafarij 1849 ver:
öffentlicht bat. Vermutlich it diefer Mönch Jakob identifh mit dem Presbyter dieſes
Namens, der mwahrfcheinlid aus dem perejejlanichen Klofter des Boris und Gleb in das
Höhlenklofter gelonmen war, und den der Abt Theodoliug bei feinem Tod 1074 zu feinem 5
Nachfolger vorſchlug. Ebenjo ift es wohl derfelbe Mönch Jakob, auf deilen Fragen der
Metropolit Johann II. feine Antworten: „Kurze Kirchenregel“ (Mafarij, Geſch. d. ruf).
Kirche? II, 352 ff.) gefchrieben. Jener Jakob hat nad) feinem eigenen Zeugnis wenige
Sabre nach. der Ermordung des Boris und Gleb feine Schilderung ihres Endes verfaßt;
jedenfalld noch vor 1072, denn fonft hätte er der Kirche Erwähnung gethan, die 1072
in Wyſchgorod zu ihrer Ehre erbaut wurde. Jene „Erzählung des Martyriums und
Zobrede auf die ermordeten heiligen Märtyrer Boris und Gleb” berichtet über dieſe Er—
mordung und den Kampf zwiſchen Svjatopolk und Jaroslav bis zum Sieg des letzteren
und der Überführung der Leiche des Gleb zu der des Boris nad) Wyfchgorod. Die andere
gleichzeitig geplante, aber etwas fpäter verfaßte Schrift Jakobs ift deſſen „Gedächtnis
und Lobrede auf den ruffiichen Fürlten Wolodimer, wie Wolodimer getauft wurde und
feine Kinder taufte und das ganze ruſſiſche Land von einem Ende zum andern, und iie
getauft wurde Wolodimers Großmutter Olga vor Wolodimer” (Makarij, ebd. I, 249 ff.;
Golub. I, 207 ff. [238 ff.)).
Etwas jünger als Jakob ift Neftor. Nach) feinen eigenen Angaben ift er bald nad) 20
dem ‘Tode des Theopofius ins Höhlenklofter gefommen und fehr bald darauf zum Diakon
oder Archidiakon geweiht worden. Seine „Lektüre vom Leben und Umfommen der feligen
Märtyrer Boris und Gleb“ will ein wirkliches Heiligenleben bieten. In möglichiter Nach—
ahmung feiner griechifchen Vorbilder hat er es unter Verwiſchung des Hiltortichen auf
erbauliche und künſtleriſche Darftellung abgefehen. Auch in feinem „Xeben des Abtes 25
Theodofius” (über diefen vgl. Koſtomarow, Ruff. Geſch. in Biographien, überf. v. Henkel,
Gießen 1891, ©. 18 ff.) herriht die Schablone des Hetligenlebens (Abramowitſch meist
bin auf Anlehnung an das Leben des Sabbag von Gyrill v. Scythopolis), aber bei den
reihen Daten, die ihm bier zu Gebote ftanden, tritt das rhetorische Element mehr zurüd.
Im ganzen ift doch ein maßvoller Gebraudy von Fünftlicher Rhetorik anzuertennen. (Die 30
„Übertragung der Gebeine des Theodofius”, herausgegeben 1890 von Xeonid, ift nicht
von Neftor, jondern ein Auszug aus den Annalen.)
Dit dem Namen des Nejtor find fchon fehr früb, nämlich ſchon im Pateriton des
Kiewer Höhlenklofterg um die Mitte des 13. Jahrhunderts, die älteiten ruffiihen Annalen
verbunden worden. Dennoch ift die Identität Neftors mit dem ältejten ruſſiſchen Anna-= 35
liſten ausgeſchloſſen, denn der leßtere bezeugt felbit ebenfo bejtimmt von fich, daß er noch
bei Lebzeiten des Theodofius Mönch feines Klofterd geworden, mie Neftor von fich das
Gegenteil ausſagt. Siebzehn Jahr alt, bald nad) 1065, trat der Annaliſt, wie es jcheint
ein geborener Kiewer, in das Höhlenklofter ein; 1091 zeigt ihn die Betrauung mut der
Aufgabe, die Gebeine des Theodoſius heimlich auszugraben, als den befonderen Bertrauten 40
feines Abtes. Er iſt wohl ficher der Silvelter, Abt des Klofters des hl. Michael, der
1116 felbit von fich jagt, daß er die Annalen gejchrieben habe. Denn, daß diefer 1116
nur eine Abfchrift der Annalen angefertigt babe, iſt ſchon dadurd jo gut wie aug-
geichloffen, daß dieſe ältejten Annalen Vorgänge bis 1114 berüdfichtigen (Golubinflij
©. 646}. [780f.]). Beionders an Johannes Malala und Georgios Hamartolos hat der 45
Annalift ſich angelehnt, aber ſich an der einfacheren Form der Annalen genügen en
onwetſch.
Neſtorianer, die, als Kirchenpartei. — Litteratur: Die Hauptquelle für innere
und äußere Geſchichte des Neſtorianismus iſt noch immer der umfangreiche 4. Band von Sof.
Sim. Aſſemanis (as Sam’äni) Bibliotheca Orientalis; enthält auf 962 Seiten Fol. eine Disser- on
tatio de Syris Nestorianis, Romae 1728, vom Verf. als tomi tertii pars secunda bezeichnet
und fo von ung fortan citiert; dazu tom. III, p. I, mit unſchätzbaren Ausziigen aus Werten
neſtorianiſcher Schriftitellerei. Zu beachten ift nur, daß der Verfaſſer, ein gelehrter Maronit,
eifriger römifcher Katholik ijt und im Vatikan und jür den Vatikan fchreibt. Ferner Le Quien,
Oriens christianus tom. II, 1740. Sept find mehrere von Aſſemani handſchriftlich benutzte 55
umd erzerpierte Quellenwerke volljtändig ediert, jo das wichtige jyrifche Chronicon ecclesiasti-
cum des Gregorius Barhebräus, edd. Abbeloos et Lamy, Parisiis et Lovanii 1872—77,
3 voll., mit latein. Weberjegung. Bd III handelt fpeziell von den Primates Orientir, den Bi:
ſchöfen von Seleukia, und von den Catholici Nestorianorum big auf den 56. Saballaha III.
Die Heraudgeber führen die Reihen bis auf die neuere Zeit, ins 19. Jahrh., fort und führen 60
auch die haldäifchen Batriarchen vor. Sodann Tiegen gedrudt vor die arabifchen Berte über
46
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[3
5
os Neitorianer
bb owen mwetkan.enondön better yon Märl ibn Sulaiman, "Amr ibn Matta und
NM: Anne Dh de pain che N. eHanrum eommentaria, ce codd. Vatic. ed.
Mose eanbo aror Mars texins arabieus, Romae 1869, Dazu Die
\ oa vo 2 mesnaun Arr ct Scöae textus Romae I896, versio latina
a Br Nee hr a Sırmikzer dei jalobitifchen Patriardıen
N DE Some... deranm Ibe—ll m, brerer von J. 3. Ghabot,
oo no oe htm m en, nn L 2sr, od II 101, bierber ge:
NN N No are Dru,zz bar zur un Webräude (Feſte u. ſ. w.
W . Peter Vneeten. Land. 1812, €. Liöft.
. \ \ notre m im: Dameiore a) Zehar 1878, ©. 3097.
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TR mount Zr ang riet am) F veidichte der mongo:
N tn . tt met Rerier 2Zsr de Mar Jab-Alaha, pa-
EN wi Feiikl vr on zeilüiicdher Geiitlicher,
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ze Karls IS, 2, Muri. Ze neues deutſches
\ : 222 Nal Wrodelmann zu vrpurmın. Ferner gebören
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noen >. Bright (3 voll. Yondon J—— ser der Bodleiana
. or nm 1864, amd der der gi. hie ueer su Verlin von
„Närtften, Wd RL 2, Berlin Kun ve re reitorianiichen
> 12. 122}; Bibliſches. &: BEIDE : Dis Merten, Ge⸗
s. . Bioln, ie Deiligenlegenden, Kin Hm merzie, Togmatit,
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des inneren Lehens der nejtorianiider x :2e VSericüung, fa
a. md die Sammlungen dev Znnofz.2!T:r Eize ſolche von
vis ſgew. Ebedjeſus genannt, geit. — > Zur Berichä von
a an son Wat in Seriptt. vet. nova ellaed 2 N ISSN Dazu
. endtikation von Cotar Braun, Tas Sur ir Zozzcher Nach
one ——— überſeßt und erläutert, Ztung. an! Serm Zee Ferner
u. voomiides Nedtsbuc aus dem 5. atıtandar Nessig 1880:
zer und Biſchofsſiße im V., VI. VN. Qırer. 7 Ra Rp 43,
x arcen Orientale ou Reeneil de —* Nesturler: nal. trad.ete.
N et Extraits tom. 37. 1900, 005 5, 4°. “
x Surbreiting des Nejtorianismus nach Mittel. und Dinterztien iſt ein
x wer Die Schrift von W. Wartbold, sur (eihiz:e des Kbriitentums
0. zenmolifden Eroberung. Teutiche Bearbeitung nd dem ruſſiſchen
nr Stübe, Tübingen und Leipzig 1901: ſ. bei. S. 2Mñ.: vgl. auch
BHa—uunen und Türken Bd Tu. NH IV.
. 2.,: TDomim, Hist. du Nestorianisme, 16580; Zmitb und Tight,
ni. Bolton 185552 Rich, Narrative of a residence in Koordistan and on
Norrch, London 1835, 2 voll: Ninsworth, Travels and researches in
serve, Uhaldaca and Armenia, London 1842, 2 voll.: Juſit. Perkins,
hde vrars In Persia among the Nestorian Christians, New: ort 1843:
NV rien or The Jost Tribes, London 1513, deutic von Preiswert, Yajel 1543
de neruatiſznen nach der Theorie von der Identität der Neſt. mit den Zehn
erid. Niniveh and its remain», London, 6. Aufl. 1854, deutſch von N.
hal ISO: WM. umd jeine lleberreite. Nebjt e. Berichte über einen Beſuch
on. gproten in Nuudiitan ‚über fie >. 120f..; George Percy VBadger, The
ma Bituals, Yondon 1852, 2 voll, noch jetzt in Sachen des Kültus der
yo wuptiperf; Martin, La Chaldéc. Tsquisse historique, Rome 1367. —
Sn Atuyjjath tin Rom erzogener und daher im römiſchen Intereſſe jchreiben-
giyeoboj von Amadia), Syrioorientales seu Chaldaei Nestoriani et Roma-
Neftorianer 725
norum pontificum primatus, Rom. 1870. — Ed. Sachau, Reife in Syrien u. Mefopotamien,
Reipzig 1883 (bei. ©. 358fj.); Hyvernat, Du Onucase au Golf Persique, ä travers l’Ar-
menie, le Kurdistan et la Mesopotamie, Wafhington 1892; Raſſam, Assur and the land of
Nimrod, New-York 1897; W. Köhler, Die kathol. Kirchen de3 Morgenlandes. Beiträge zum
Verfajjungsreht der fogenannten uniert:orientalifhen Kircdyen, Darmitadt 1898. Aug älterer 5
Zeit find noch jeßt beacdhtenswert: Bruns, Neues NRepertorium für theol. Ritteratur und kirch—
liche Statiſtik Bd 1, 2, 3, 5, 6 und namentlich C. Ritter, Erdkunde, 882,7, 9—11 an vielen
Stellen. — Ueber die gelehrten Studien der heutigen Chaldäer und Neftorianer, namentlid)
auf dem Gebiete der ſyriſchen Sprachkunde und deren neuere und heutige Vertreter, wie
Khajjät, Audo, Samuel Giämil, Rev. Paul Bedjan handelt der Aufiag von Rev. Gabriel 10
QOuffani, John Hopkins University, Baltimore, Md., im Journal of the American Oriental
Society vol. XXII, first half, 1901, wiederabgedrudt in den Sohn Hopkins Semitic Papers
1908, * 73—90 („„The modern Chaldeans and Nestorians, and the Study of Syriac among
em‘).
Endlich ift für die Geſchichte der Beziehungen Roms zu den Neftorianern jet Hinzus 15
weijen auf die Urkundenfammlung von Samuel Giamil, Genuinae relationes inter Sedem
Apostolicam et Assyriorum orientalium seu Chaldacorum ecclesiam etc. (aud) mit fyrifchem
Zitel) Roma, E. Loescher ct Co. 1902. XLVIII, 648 ©., gr. 8. Dazu vgl. Brodelmann
im Archiv für Religiondwifjenihaft Bd 6 ©. 198 ff. und Chabot in der Revue critique 1902,
Nouv. Serie, Bd 54 ©. 441 ff. 0
Bal. auch den Artikel „Nejitorianer” von v. Funk in WW, 2. Aufl. Bd IX 1895 ©. 166
bis 180 u. den Art. Nestorians in der Encyel. Britann., 9. Aufl, vol. XVII p. 355— 358.
In den chriftologischen Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts hatte ſich die oftiyrifche
Kirche für die Lehre des Neftortus entichieden. Bon da an bildete ſich der Neftorianis-
mus zu einer mächtigen Kirchenpartei aus, die, infolge des gänzlichen Abbruchs des Ver: 25
fehrs mit der monophufitifchen und der katholiſchen Kirche Weſtſyriens für fih abgefchloffen,
in Lehre und Praxis felbitjtändig fich weiter entwidelte und in großartiger Entfaltung
der Miffionsthätigkeit über Perfien und Indien nad Often bis mweit nad) China hinein
Verbreitung gewann. Berdrängt aus dem Occidente haben die Neftortaner im Driente
bis an die Grenzen der damals befannten alten Welt ihren Einfluß geltend gemacht und 30
ſich noch lange auch unter den Stürmen der verjchiedenen islamitiſchen Eroberungen be:
hauptet. Nette beitehen noch heute. — Zunächſt hat ſich der Neftorianigmus aus den
öftlichen Grenzmarken des römischen Reiches über Perfien verbreitet. Den erjten Impuls
dazu gab der berühmte Brief des gelchrten Presbyters Ibas von Edeſſa (f.d. A. Bd VIII
©. 612) an den Biſchof Mari (Mares) von Harbafher in Perſien; ſ. die Analyfe der 35
vier Artikel dieſes Sendfchreibens bei Assemani, Bibliotheca orientalis, tom. III,
p. II (de Syris Nestorianis), p. LXXsqq. Ibas, fpäter für feine Perſon gleich dem
Theodoret auf dem Konzil von Chalcedon freigefprochen und feit 435 n. Chr. Nachfolger
des Rabulas auf dem edeſſeniſchen Biſchofsſitze, ſchrieb diefen Brief kurz nah der Ver:
einigung des Patriarchen Johannes von Antiochien mit Cyrill von Alerandrien und feste s0
darin den Streit auseinander mit fichtbarer Abneigung gegen Cyrill und Vorliebe für
Neftorius, doch ohne diefen zu ſchonen; zum Schluffe drüdt er feine Freude darüber aus,
daß der Friede zwiſchen Cyrill und den Orientalen wieder hergeftellt ſei. Dieſer Brief
ſowie die Überfegungen der Schriften des Diodorus von Tarfus und Theodorus von
Mopfuefte in die perjiiche Kirchenſprache, das Syrifche, verbreiteten die Lehre des Nefto- 45
rius im ganzen perfiicen Reihe. Dazu famen nody die von dem (anfangs neftortanifch
efinnten) Rabulas von Edeſſa vertriebenen Lehrer der edeſſeniſchen hohen Schule, die
jih in Niſibis niederließen ; der hervorragendfte war Barſumas (fyr. Bar-gaumä), welcher
als Biſchof oder Metropolit von Niſibis (435—489) einen wahrſcheinlich von den Geg⸗
nern, den Katholiken und den Monophyſiten, übertriebenen Eifer in der Augrottung der so
cyrilliſchen Partei entfaltete, twober er die politifche Abneigung des perjifchen Hofes (des
Könige Perozes, perſ. Peröz, arabifiert Firüz) gegen die Römer für feine Zwecke gefchidt
zu benußen verjtand. Ihm fchloß fich Nerfes „ver Ausfägige” an, ebenfalld aus Edeſſa
vertrieben, welcher die aufgelöjte Echule in Niſibis auf perfischent Gebiete neu gründete,
und mehrere andere, welche in Perſien Bistümer erhielten. 65
Nach Perſien war das Chriſtentum ſchon fehr frühe, vielleicht ſchon in der nad
apojtolifchen Zeit, gedrungen, aber die Nachrichten über Diele eriten Yeiten find, wie Die
gleichzeitige Gefchichte des partbifchen Reiches überhaupt, in tiefes Dunkel gebüllt. Wäh—
rend der Herrichaft der partbifchen Arſaciden, welche in Neligionsfachen ganz indifferent
geweſen zu fein jcheinen, hatten ſich die Chriſten wahrſcheinlich ungeftört ausbreiten können, 60
und nur eine kurze Verfolgung derfelben wird von Barbebräus und anderen (j. Assem.
B. Or. III, II, p. XXXIX) erwähnt, aber Trajan verfolgte die Chriſten, ſoweit er
726 Neftorianer
auf feinem Zuge in das parthifche Neid) eindrang, von Edeſſa anbebend. Eine jtarfe
Verbreitung des Chriftentums bis in die Oftprovinzen des perfifchen Reiches ſetzt ficher
der jedenfall® noch in das 3. Jahrhundert gehörige pfeudobardefanifche Dialog „über die
Gejete der Länder” voraus; vgl. auch Euseb. Praep. evang. VI, 10, 46 und Vita
5 Constantini II, 53 (geflüchtete Chriften in der bdiofletianifchen Verfolgung von den
„Barbaren“ d. i. Perſern aufgenommen und bei freier Religionsübung belaffen). Gegen
die Mitte des 4. Kahrhunderts ist, wie aus Afraates und den alten Märtyreraften (ed.
Bedjan) hervorgeht, das Ehriftentum in den Tigrisländern mweit verbreitet und organifiert.
Dieſe bildeten aber noch feine gejchloffene Kirche unter einem Katholikos mit Bifchöfen
ıv und fonftigem Klerus; |. A. Harnad, Die Miſſion und Ausbreitung des Chriitentums
in den erjten drei Jahrhunderten, Leipzig 1902, ©. 442 ff. bei. ©. 444 Anm. 3 (von
Nöldele). Der Biſchof der Haupt und Hefibenzftabt, der Doppelitadt Seleucia-Ktefipbon,
deren Batriarchat von den vielleicht hiſtoriſchen, am Tigris miffionierenden Mär Märi
(f. Raabe, Die Gefchichte des Dominus Mari 1893; Weftphal, Unterfuchungen über die
15 Batriarchenchronifen 1901, S. 30ff.) geitiftet fein fol, den die Legende wie einen ber
12 Apoftel anfieht und zum Stifter des Chriftentums im ganzen entfernteren Orient
macht, erhob fich allmählid zum Oberhaupte der Chriften dieſes Reiches und des dhrift:
lichen Orientes weithin, obwohl ihm dies lange Zeit von dem Bifchofe von Perfien
jtweitig gemacht wurde. Simeon bar Sabbä’&, der Märtyrer, Nachfolger des Papa,
» war nur Bifchof von Seleucia und Ktefinbon, fein anerfannter Katholilos; die leicht zu
durchichauende neftorianifche Legende wollte dem fpäteren Centralſitze Sel.Kteſ. einen be:
fonderen Glanz (mie die römifche Xegende Rom) und der neftorianiichen Kirche ein apoſto—
liches Seitalter verfchaffen, vgl. Harnad 1. c. ©. 443 Anm. 3. Als Papa, der Bilchor
von Seleucia (F 326 in hohem Alter; feine Perfönlichkelt und wohl audy die von ihm
3 im Jahre 313/14 gehaltene Synode ſtehen hiſtoriſch feit, vgl. Weitphal 1. c. S. 60ff.)
den Simeon und den Schahduſt als feine Vertreter zum nicänifchen Konzil ſandte, mar
aud unabhängig von ihm Johannes, Bifhof von Perfien, der ald der Nepräfentant der
Kirchen von ganz Perfien und Großindien angefehen wurde, zugegen; und obgleich aud
Jahballaha, Erzbischof von Seleucta, auf der Synode 420 n. Chr. diefen Bilchöfen von
30 Perſien die Würde von Metropoliten verlieh, fo brachte fie doch erſt Jeſchujahb von Adia-
bene (654— 660) oder fein Schüler und Nachfolger Georgius (660—680) und dauernd
endlich Timotheus (778—820) zur Unterwürfigfeit unter den Stuhl von Seleucia. Beide
Bistümer ftanden erft faktifch, dann nur nominell unter den Patriarchen von Antiochien,
von denen fie die Weihe erhielten, wenigſtens von dem Biſchofe von Seleucia wird Dies
35 ausdrüdlich bezeugt. Da aber die öfteren Kriege der Römer mit den Perſern Die Reife
nach Antiochien erfchwerten oder ganz unmöglich machten, fo unterblieb ſie auleit und
Schachlüfä, welcher nad) den Hiltorifern Amr und Märi 244 ftarb, vgl. aud) .
B. O. III, II, p. XLVI, war nad Barhebräus der erfte, welcher in Seleucia jelbft
von den orientalifchen Biſchöfen geweiht wurde. Dadurch gelangten die Bilchöfe von
jo Seleucia frühe zu einer gewiſſen Gelbititändigfeit und Unabhängigfeit. Schon Papa, der
Nachfolger des Schadhlufa (f. über einen angebl. Brieftwechjel von ihm Braun in ZkTh
Bd 18, 1894, ©. 167 ff.) wird Erzbischof genannt, die Späteren nahmen den Titel eines
Patriarchen oder Katholikos an und ftellten fi dem Range nad) den Patriarchen des
Occidents gleih. Dies geſchah nad) Aſſemani (B.O.III, I, p. 427; III, II, p. LXXX)
4 zuerft von Babäus (fur. Bäbhäi), welcher 198—503 den Stuhl von Seleucia inne
hatte, auf einer von ihm im jahre 499 gehaltenen endemiſchen Synode. Ihn nennt Af.
als den erſten ſchismatiſchen nejtortanifchen Bischof von Eeleucia, während feine drei erften
Vorgänger, Dädhishö, Babäus und Aeacius der katholiſchen Lehre treu und dem Pa-
triarchate von Antiochten gehorſam geivejen ferien. Allein fchon Dädhishö (430-465)
zo hielt eine Synode, auf welcher feitgejcht wurde, daß man den Erzbifchof oder Katholikos
von Seleucia weder verklagen noch richten dürfe, fondern ihm unbedingten Gehorjam zu
leiften babe. In dem arabifchen Synodilon und dem Nomokanon iſt noch hinzugefügt,
daß es nicht verftattet fei, ihn bei den Patriarchen des Occidents zu verklagen ober von
ihm an dieje zu appellieren, — was Aſſemani freilich für eine ſpätere neftortanifche Inter:
5 polation hält. Tie beiden anderen Biſchöfe Babäus und Acacius waren gewiß jehr
ſchwache Kirchenfürften, die 3. B. eine große Sittenverberbnis unter der Geiſtlichkeit dul-
deten (f. den ziveiten Kanon der Synode des Babuäus, Ass. B.O. III, I, p. 436), und
Acacius (ec. 484— 196) bleibt dauernd in dem Verdacht, ein Anhänger der neftor. Lehre,
was er anfangs obne Ziveifel war, bis an fein Ende geweſen zu fein, er, ein Zögling
eo der Schule von Edeſſa — obivohl er als perjiicher Sefandter in Konftantinopel das Ana-
Neſtorianer 727
thema gegen Neſtorius ausſprach. Jedenfalls hat er nach feiner Rückkehr gegen die An—
hänger des Neſtorianismus nicht das Geringſte gethan und ſeine Klage (bei Barhebräus,
ſ. Assem. B. O. III, I, p. 383 not.), daß Xenajad von Mabbugh — d. i. Philo—
renus, der ſyr. Uberjeger des Neuen Teftaments — ihm und den Seinigen den Namen
„Neftorianer” gegeben habe, da er doch von Neftorius gar nichts wiſſe (!), zeigt gerade 5
das richtige Verhältnis; |. gegen Aſſemanis Reinigungsverfuche Wright, Syriac. literat.
p. 60; Abbeloos zu Barhebr. Chron. eccles. III, 74 Anm. 2. Der Name „Nefto:
rianer” kommt bier zum eriten Male vor, Scheint alſo von beſagtem Xenajas herzurühren.
Sie jelbit nennen ſich immer „Chaldäer“, chaldäiſche Chriften, ein Name, welchen man
in der neueren Zeit nur für die mit der römischen Kirche unierten Neftorianer gebraucht. 10
Bei den älteren Syrern beißen fie auch „Urientalen”, madenhäje, bei den heutigen
Türfen Nagärah, d. i. Chriſten. Gegen den Namen Neftorianer legen die Angehörigen
diefer Kirchenpartei Verwahrung ein, fie jagen (nad) Ebedjeschü bei Assem. 1. c. III,
I, p. 354 sqgq.), Neftorius ſei gar nicht ihr Patriarch geweſen, ja fie verftänden feine
Sprache gar nicht, er fer vielmehr ihnen gefolgt, nicht fie ihm, nur da fie gehört, daß er 15
diefelbe Lehre wie fie vorgetragen, hätten fie die feinige durch ihr Zeugnis beftätigt.
Neitorius kommt jedenfalld in den heiligen Büchern der N. häufig vor.
Jedenfalls war der Patriarch Babäus im Unterfchiede von feinen noch ſchwankenden
Vorgängern der erite, welcher ohne Scheu den offenen Bruch mit den Dccidentalen voll:
zog. Babäus (f. über ihn Barhebr. chron. chron. eccles. edd. Lamy et Abbeloos »»
t. III S. 79) war urſprünglich Laie und als folcher verheiratet. Nach einer zweijährigen
Vakanz auf den Sig von Seleucia gelangt, hielt er eine Synode, auf welcher feftgefett
wurde: 1. daß alles, was zwijchen Barfaumas und Acacius (die fich gegenfeitig anathe:
matifiert hatten) vorgefallen jet, vergefien, und deren Briefwechjel vernichtet werben folle;
2. daß es dem Patriarchen wie den Biichöfen, Prieftern und Mönchen verftattet fei, ſich:
mit einer Frau zu verheiraten und den Presbytern geboten jet, nad) dem Tode der Frau
eine andere zu heiraten; 3. daß man dem Patriarchen von Seleucia unbedingten Gehor:
fam zu leiften babe, und 4. daß die Bifchöfe bei ihren Metropoliten nicht zwei⸗-, jondern
nur einmal jährlich, bei den Patriarchen aber nicht, wie bisher alle zwei, fondern fortan
alle vier Jahre einmal, und zwar im Monate Oftober, zuſammenkommen ſollten, um fich zu
über firchliche Angelegenheiten zu beraten, wenn der Patriarch nicht befondere Gründe
bat, fie früher zu berufen. Was den zweiten Kanon betrifft, jo follte deſſen Feſtſetzung
einem weit eingerifjenen Übel im Klerus fteuern, nämlich der unfittlichen Verbindung von
Kleritern mit mehreren Frauen zugleih; ſ. J. A. Assemani, De catholicis seu pa-
triarchis Chaldaeorum et Nestorianorum commentarius, Rom. 1775, 4°, p. 18. 35
Zugleich aber erfolgte diefe, übrigens fchon von Barfaumas mit Rüdfiht auf 1 Ko 7,9
poftulierte Freigebung der Ehe von Geijtlichen nicht ohne Rückſicht auf die gleichzeitige
Verordnung des Perſerkönigs Kobadh (Cavades), die Gemeinſchaft der Frauen betreffend
— ein Erlaß, welcher ohne Zweifel auch unter den Chriften, ja jelbit den Geijtlichen des
perjifchen Reiches die Sittenverderbnis fehr vermehrt hatte. Die Behauptung des mono⸗ 40
phyſitiſchen Mafrian Barhebräus bei Ass. B. O. III, I, 429, Babäus babe in feinem
zweiten Kanon ſeinen Nachfolgern im Patriarchate bei Strafe der Exkommunikation ge—
radezu befohlen, Frauen zu nehmen und den Biſchöfen und Presbytern geradezu geboten,
ſich nach dem Tode ihrer Frauen wieder zu verheiraten, iſt alſo offenbar, jedenfalls
was die höheren Grade betrifft, nur eine gehäſſige Verdrehung. 45
Babäus’ Nachfolger waren ihm gleichgefinnt, alle Bistümer wurden mit Nejtorianern
bejegt, und fie waren eifrig darauf bedacht, ihr Gebiet nach allen Richtungen bin zu er:
weitern. Außer ihnen verbreiteten aber auch das Chriftentum und die neftorianische Lehre
zablreihe Schriftiteller und namentlich die Mönche mehrerer Klöfter in Aſſyrien, ſowie
die Zöglinge verfchiedener Schulen, die an vielen Orten gegründet wurden, die ältefte, bo
die von Nifibis, überftrahlte bald alle anderen an Berühmtheit. Es gingen aus derfelben
aber nicht nur gelehrte Theologen und tüchtige Geiftliche hervor, fondern auch bedeutende
Ärzte und Philoſophen; fie überfegten die griechiſchen Klaſſiker, namentlid) Ariftoteles,
Hippokrates und Galenus, und maren überhaupt in jenen Zeiten ber Finſternis auf
geiftigen Gebiete fast die einzigen Bewahrer der Wiffenfchaften im Uriente und die Lehrer 55
der Barbaren.
Nach Arabien, in die weiten Negionen füdlih von Baläftina, Damaskus und Meſo—
potamten, war das Ghriftentum Schon in der Anfangszeit gefommen, vgl. Pauli Aufent-
balt in „Arabien“ dv. i. in dem Gebiete ſüdlich von Damaskus, nad) feiner Belehrung
Sa1,17. Zur Zeit des Origenes gab es in den Städten fühlid von Haurän zahlreiche w
*
10 Mer ngel e ſtindien,
des 7. — — a —— ii
alten Tradition nt je alten
der Evangelift der —— tli Nee) und 3
San Be a man * hifen —— fie be Bel Thom
15
* 3 (im 6. Jahrh. um
— —— * N Galfann war ein Bikhef der in
der Se robane (Geblon) war eine Kirche mit einem in
* einem Diakonus u. ſ. w., aber nur für Die dort jtationierten perfticher
‚ wie Kosmas binzufeßt, die Eingebornen mit ihrem Fürſten eine andere Religion
nad) Kosmas, um das Jahr 570, hatte der Presbyter Bödh als Periodeute:
„ag: Indiens zu infpizieren |. Wright 1.0. ©. 123. —* aber Jeſujahl von Adinbene
(Batr. 650—60) klagt in feinem Schreiben an Simeon, den Meitopoiten von Perſien
da durch feine und feines Vorgängers Schuld die Kirchen von Indien ganz verwaiſ
jeien — erſt der Patr. Tim gab ihnen einen Metropoliten — und das
tum —* Merv in — fa —— ſei; den Lektoren aber befiehlt er,
* Rn * nicht me — neue zu er⸗
ingan⸗fu ec
De AL — en Fehr ausführliche Inſ in ſyriſcher und dhinefifcher Sprache:
3 funden, — eine lange Liſte von Namen von — Geiſtlichen enthält und ——
großen Ver und Blüte der neſtor. Kirche in China zur daı | |
abl Die — wurde im Jahre 1625 von Ab Jeſuiten
* en Echtheit mehrfach erfolgt, aber jegt wohl auf Der
ber ni ri it ausführlich bebandelt von Ass. B.O. II, II, p. 539 Bad;
vo Rifie On the Nestorian tablet of Se-gan foo, ©. 284. J in der
eſſchen Inſchrift von Kara Balgassun (befamnt ſeit —* vorkommenden
Jünger des Mo-ni nicht Neſtorianer ſondern Manichäer, ſ. Bd XII (3.9)
.224.— Sölibhäzöchä (d. i. „ver Gekreuzigte bat gefi 2 — ernannte
— einen Metropoliten für Ehina. Um Diebe. Er erbielten in a dt und Samar-
d Metropoliten; in Balkh, von wo aus mehrere Biſchöfe nach China gefandt
war jchon frühzeitig ein Bistum errichtet. In der Folgezeit verbreiteten fie ſich
— * Tartarei.
uſtand der Neſtorianer war in den verſchiedenen as und unter den ven
—** egenten und Dynaſtien, welche nach und nad; den Orient beherrſchten, ein
so ſehr verſchiedener. Vertrieben aus dem oſtrömiſchen Reiche, fanden fie — eine will⸗
fommene Aufnahme bei den Perſern, welche fait in fortwährender rd mit den romi⸗
ſchen Katfern lebten. Allein diefe Nube konnte nicht von langer Dauer fein, ba bie
Safaniden, welche unter Wiederbelebung des zoronftriichen Kultus das parthiſche Neich
geftürzt hatten, diefen Kultus auch nicht allein zum berrichenden, jondern zum alleinige
55 in ihren Staaten zu machen ftrebten. Jedoch jcheinen die päteren — ieſer D
naſtie mehr die Politik als die Religiyn im Auge gebabt zu haben, und es wurben babe
bie Ehriften, d. i. die Neftorianer, faft nur bebrüdt, wenn Kri mit den griedhiicher
Kaifern ausgebrochen waren. Firuz Cheroged) war vielleicht du unftig fü
‚ii
die Neftorianer geitimmt worden, während er die Katbolifen ausrotten KHavı
sn fing erjt nach nach jener Nüdtebr von den Hunnen, ju denen er aus Beni,“ Sefänani
geflohen war, Krieg mit dem hiſchen Kaiſer w vier dauerte und die
3
23
B
7 ®
7
se
5
welcher aber nur wenige Monate regierte und Mar Aba I. oder „den ro einen
Chriftentum befebrten Magier, zum "ine Sure hatte 536—62. Diefer
Pituegie der Ref aus bem Griedjif a , eine a Den e er.
ingen des He, Kanbte Hirtenbriefe an die ent-
—— Ye Giltigtei bat, —— — — Yo bie
ag er e t t wu a er ec»
Bijchöfe verheiratet fein dürfen; zugleich ee er die ne eanones und verord⸗
nete, daß man ſich fit an das micäntfche in ing
bi. Schrift aber an die Korte des Theodorus von Mopfuefte u halten habe. Da aber
3 vorhergehenden Schismas an vielen Orten zwei Metropoliten oder zwei Bi—
waren, jo ſetzte er die Unruhe ftiftenden und unwürdigen Beamten ab, s0
nn gleich Rürdigen fieß er den Älteren im Amte, der andere aber mußte bis
Kia 30) Erledigung in feine frübere Stellung zurüdfehren. Der Patriarch Ezechiel (577
— hielt gleich im erſten Jahre, Februar 577, eine Synode, beren er
gegen die Mejjalianer war. Da unter Kobad und mehr noch unter
Rufehirvan di die Monophyſiten ich in dem perſiſchen Neiche weit verbreitet he part jo er 86
—— damals Jakob Baradäus als —— Metropolit in Stellvertretung des ein:
gekerlerten Patriarchen einen Metropoliten des Orients Achudemes (ſyriſch eig, mars
tn ——— Achüh d’emmeh d. i. „frater matris suae“, jo en ber
Nehnlichkeit), den Barbebräus als den erjten a. Des Orients, anfübrt. U Dies
zeichbab unter der Regierung von Chusrav IL., nn nad) einer Vol ge am Ende 1
eines Lebens Chrift geworden jein und feinen Nachfolgern alle ferneren e mit ben
riechen unterfagt baben joll. Er jelbit führte Ze. 8* mit jenen und ſcheint dann
jedesmal die —* verfolgt zu haben Hormizd IV Sohn, und Chusrav II. be:
zünftigten die Neftorianer ſehr, namentlich der Yebtere, Lie alle übrigen Ebriften feines
Neiches van, 3 zu ihnen überzutreten; zulegt jedod verfolgte und bebrücte er fie, da fies
gegen ſeinen Willen den Gregorius zum Patriarchen erwählt hatten, nad) deſſen 608 er-
olgtem Tode er ihnen verbot, einen anderen zu wählen. So blieb der Stuhl des
riarchen 20 Jahre erledigt, bis Siro&s an des ermordeten Vaters Stelle trat, w er
| ı alle Ehriften glei günftig geltimmt mar. Seine Nachfolger unternahmen "ebenfalls
an g bie Chriften, da fie mit der Sicherung ihres Thrones und Yebens vollauf wo
Er und auch zu kurze Zeit regierten.
den Mubammedanern fanden nur jelten Bedrüdungen der Nejtorianer ſtatt;
— rühmen ſie ſich mehrerer Freiheitsbriefe, deren Echtheit aber jedenfalls mit
weifelt wird. Den erſten erlangte nach ihrer Angabe der Patr. Jeſujahb von
Gabala, welcher von 628—47 regierte und die legten perſiſchen Kriege ſah. Bon Mus 5
ed wird erzählt, er babe mit einem neftorianifchen Mönche, namens Sergius, in
bindung geſtanden und verdanfe diefem fein traditionelles MWiffen von den dhriftlichen
An. So foll denn aud der gleichzeitige neſtorianiſche Patriarch Jeſujahb jelbit zu
gegangen und von ibm einen Freibrief erlangt baben, welcher noch vorhanden
und von Gabriel Sionita (Paris 1630) ediert worden iſi. Einen zweiten erhielt derfelbe o
Neſtorianuer
Hamm Son Sara oz: Treenes wur Der geiſtige Leiter von Synoden zu Boitra.
Sr. iron ST Tanken der romücen in Verbindung; |. Sarnad 1. c.
=, 3 rang „zı Sairzem Fass Spaten ihren Dogmen bier Eingang zu ver:
im DD, er. Smmenar zuamam acır die Erſteren, unter den Khalifen Dehnten
3. um os, 2 Er 5 zus um unter dem Batriarhen Mar Aba II.
2 ar rn or Deo Zrhım Aropen zerſtreut lebenden Neſtorianer er:
ern me un Ne Dosrnnm sn Tamaälud tand; jpäter werden auch Metro:
son gr Bun men 2. >Fe mu Damaslus wreinigt war. Die Biſchöfe
one ner ee D- Arne Auto rrengs unter dem Metropoliten von
ne ‘_ mr Sprr. rmm 22 Taken, deilen ganze Weftfüfte zu Anfang
u lm 2 ITIE ren hm mer Der Apoitel Thomas tft in einer
ne se Done mern α ze Nm 3. Aubrbundert ſtammenden Acta
Teumas Ir min. Ir mer Ne zoometlicen Indiens) und Begründer
F ner rmeomam D. ymTe "nme sseereich „Thomaschriften“ nennt. Über
P d . Tu szae Ne Thomaschriſten, Gütersloh 1877
un > tur e2 Tıe Srrar Tzzre in India, Edinburgh and London
x “rom DOTDOTT 2 mn Sam our Jet der perfiichen Berfolgungen
. 1... m penromm Üvener zus Jeruſalem nah Malabar ge
. Oo nern Drmasteormo. Sars. um 530) ſpricht von ciner Kirche
—V————— -5723 Siioi, Der in Perſien ordiniert war, auf
\ Ier2ze0z.noneosrohmmeomeocmem in Perſien orbinterten Pres:
"Ta... om ur Ne dort fationierten perfiichen Raufleute,
x 2.02 8m n. ron ihrem surfen eine andere Religion batten.
, — wm Ar Bresbyter Bödh als Veriodeutes die
a “te S. 23. 1243 aber Jeſujabb von Adiabene
- Srteret an Simern, den Metropolisen von Perſien,
SU 8ur ee on.hss Swrud Me Rirchen von Indien ganz verwaiſt
= nr Tore enen einen Metropoliten — und das Chriften:
" nn . amt£ptker ſei; den Veltoren aber beñeblt er, ihren
Ser aut Brfchofen nicht mehr zu geboren, neue zu er:
>. an sbim su jenden. Won Ghoralan aus, vielleicht
ü on de obriſtennum auc nad China. Hier bar ſich aus
_ . nr. nt 810. Chr, zu Si-ngan-fu ein unbeiträtbar echtes
\ mt Inſchrift in ſyriſcher und chinefticher Sprache ge:
. 2 0 Kamen von neſtor. Geiftlichen entbält und von ber
soo wer Kirche in China zur damaligen Zeit Zeugnis
te Iz25 von Den Jeſuiten wieder entdedt und iſt
nd erfolgt, aber jeßt wohl aufgegeben. Der ſpriſche
aa unadelt von Ass. B. O. III, II, p. 539 sqq.:; j. auch
ame det HE Segan foo, S. 281 ff. Dagegen find Die in der
j .1.% Baigassun (befannt feit 1895) mehrfach vorkommenden
warnte Sendern Manichäer, |. d. U. Dani Bo XII. X
om N Nr Biefreusigte bat geſiegt“) (Pate. 714--26) ernannte
> „Puma. Um Diefelbe Zeit erbiehten auch Herat und Samar—
Sl ven pe aus mehrere Bischöfe nach China geſandt wurden,
entun errichtet. In Der Folgezeit verbreiteten fie ſich aud
x wewwrstiltt war in Den derichiedenen Zeiten und unter den ber:
‚ Nenettten, welche nach und nad den Orient beherrfchten, ein
x yanswrel gie dem eſtrömiſchen Neiche, fanden fie anfangs eine will:
Sa ever. welche faft in fortwäbrender Fehde mit den römi:
ers Min Rube konnte nicht von langer Dauer fein, da die
„oe Wndvtbelstung Des zoroaſtriſchen Kultus das parthiiche Reich
se tal nicht allen zum bherrſchenden, fondern zum alleinigen
era bien Jedoch Fcheinen Die fpäteren Regenten diefer Dr:
oa ce Si Also im Auge acbabt zu baben, und es wurden daber
elite AD nur bedrückt, wenn Kriege mit den griechijchen
oa ti iKerozes war vielleicht Durch Barſaumas günftig für
wordt enbtend er Die Natbolifen ausrotten ließ. Kavades
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oa res Naltie pet den Hunnen, zu denen er aus dem Gefängniſſe
Sol
Neftorianer 729
geflohen war, Krieg mit dem griechifchen Kaiſer an, welcher vier Jahre dauerte und die
Veranlaſſung zu einer Chriftenverfolgung gab. Er hatte die Gemeinfchaft der Frauen
geboten. Deshalb hatten fich die Großen des Reichs gegen ihn empört und ihn in das
Gefängnis geworfen, aus dem er durch die Lift ferner Schweiter entlam. Sein Bruber
Dſchamasp, welcher an feiner Stelle regierte, hob fogleich dieſes Gebot wieder auf, und
da dasſelbe auch auf die Chriften einen entfittlichenden Einfluß ausgeübt hatte, fo bielt
Babäus im Einverjtändnis mit Dſchamasp jene Synode, durch deren Belchlüffe er dem
Unweſen zu jteuern ſuchte. Nach Barhebräus (B. O. II, p. 409) foll Kobad mit Hilfe
der Griechen wieder zum ‚Throne gelangt fein und infolge deſſen die Nejtortaner mit Ge-
walt zum Tatholifchen Glauben aurlicgefübrt haben; doch berichten die älteften Autoren 10
nicht3 davon. Gegen Ende der Regierung des Kobad trat ein Schisma bei den Neito:
rianern ein, welches 12 Jahre gedauert haben fol, indem zwei Patriarchen, Nerjes und
Elifäus, von verfchiedenen Parteien zugleich gemählt wurden und jeder von beiden wieder
Bilchöfe feiner Partei ernannte. Nachdem Serfes im Gefängnis geftorben und Elifäus
in einer Synode von den Bifchöfen abgefegt worden mar, erwählten diefe den Paulus,
welcher aber nur wenige Monate regierte und Mar Aba I. over „ven Großen“, einen
um Chriftentum befehrten Magier, zum Nachfolger hatte 536—62. Diefer überjegte die
iturgie der Neft. aus dem Srieciicen ins Syriſche, eine Liturgie, welche noch heute in
den nejtorianischen Kirchen gebraucht wird (vgl. G. Diettrih, Die neſtorian. Taufliturgie
ins Deutſche überfegt und erforfcht, Gießen 1903), und entwidelte, abgejeben von vielen 20
anderen litterarifchen Arbeiten, eine außerordentliche Thätigkeit, um die Kirchenzucht zu
heben und Friede und Ordnung aller Orten mieberherzuftellen. Er machte zu dieſem
Zwecke Rundreifen in verfchiedene Provinzen des Reiches, fandte Hirtenbriefe an die ent-
fernteren Gemeinden und hielt 544 eine Synode, auf welcher, mas bis auf den heutigen
Tag in diefer Kirche Giltigfeit hat, beftimmt wurde, daß weder der Patriarch nod) die 26
Biſchöfe verheiratet fein dürfen; zugleich beftätigte er die früheren canones und verord-
nete, daß man fich ſtreng an das nicänische Glaubensbefenntnis, in der Erklärung der
bl. Schrift aber an die Worte des Theodorus von Mopfuelte zu halten babe. Da aber
infolge des vorhergehenden Schismas an vielen Orten zwei Metropoliten oder zwei Bi:
ſchöfe eingefegt waren, jo feßte er die Unruhe ftiftenden und unmürdigen Beamten ab, so
und von zwei gleih MWürdigen ließ er den Alteren im Amte, der andere aber mußte bis
zu deſſen Erledigung in feine frühere Stellung zurüdtehren. Der Batriarch Ezechiel (577
bi® 580) hielt gleich im erften Sabre, gorunt 577, eine Synode, deren Hauptgegenftand
ein Edikt gegen die Meflaltaner war. Da unter Kobad und mehr noch unter Chusran I.
Nuſchirvan die Monophyſiten ſich in dem perfifchen Weiche weit verbreitet hatten, fo er: 85
nannte damals Jakob Baradäus als ölumenischer Metropolit in Stellvertretung des ein-
ekerkerten Patriarchen einen Metropoliten des Orients Achudemes Gyriſh eig. IITITR
ur 1387 7778 Achüh d’emmeh d. i. „frater matris suae“, jo benannt wegen der
Aehnlichkeit), ven Barhebräus als den erſten Mafrian des Orients, anführt. Alles dies
geſchah unter der Regierung von Chusrav I., welcher nad einer Volksſage am Ende 40
feine Lebens Chriſt geworden fein und feinen Nachfolgern alle ferneren Kriege mit den
Griechen unterfagt haben fol. Er felbft führte viele Ariege mit jenen und jcheint dann
jedesmal die Ehriften verfolgt zu haben. Hormizd IV., fein Sohn, und Chusrav II. be:
grinftigten die Nejtorianer fehr, namentlich der Letztere, welcher alle übrigen Chriften feines
Reiches zwang, zu ihmen überzutreten; zuletzt jedoch verfolgte und bevrüdte er fie, da fie #6
egen feinen Willen den Gregorius zum Batriarchen ertwählt hatten, nach deſſen 608 er:
Igtem Tode er ihnen verbot, einen anderen zu wählen. So blieb der Stuhl des Pa—
triarhen 20 Jahre erlebigt, bis Sirv&s an des ermordeten Vaters Stelle trat, welcher
gegen alle Ehriften gleich günftig geftimmt war. Seine Nachfolger unternahmen ebenfalls
nichtS gegen die Chrilten, da fie mit der Sicherung ihres Thrones und Lebens vollauf so
zu thun hatten, und auch zu kurze Zeit regierten.
Unter den Muhammedanern fanden nur felten Bedrüdungen der Neftorianer ftatt;
im Gegenteil rühmen fie fich mehrerer Freiheitsbriefe, deren Echtheit aber jedenfalls mit
Recht bezweifelt wird. Ten eriten erlangte nach ihrer Angabe der Patr. Jeſujaht von
Gadala, welcher von 628—47 regierte und die letzten perſiſchen Kriege ſah. Von Mu: 56
mmed wird erzählt, er habe mit einem neſtorianiſchen Mönche, namens Sergius, in
erbindung geſtanden und verdanke dieſem ſein traditionelles Wiſſen von den chriſtlichen
Lehren. So ſoll denn auch der gleichzeitige neſtorianiſche Patriarch Jeſujahb ſelbſt zu
Muhammed gegangen und von ihm einen Freibrief erlangt haben, welcher noch vorhanden
und von Gabriel Sionita (Paris 1630) ediert worden iſt. Einen zweiten erhielt derſelbe eo
o
N
ot
132 Neftorianer
den zei des jalobiti
— — — —
—
er. — — ff da
ie rg go init —— — — in "per Mitte —
ſtatt Neſtoxianer waren damals ſchon auf ein —— —
meon "Bar Mämä 1551.9 Reffe Simeon
Denhä Bar Mämä mit Hilfe des einzigen noch übrigen Metro lite, Ananjeiu, die
ürde in Anſpruch. Cs —— Nic daran die drei nod übrigen
2 Biſchofe von Arbela, Salamäs und Adherbaidſchan mit Pri n und i
Y in® und wählten den | —* Sulläka, Mönd oder Abt des Alofters
Hormiz ’ zum Dar Dana’ Um dieſer Wahl einen befonberen Nachdru —
ig * Jahre
erwählte Part XL. abermals einen —— ee in Amid vefibierte
jeine Vorgänger, und fich Joſeph nannte. Diejen Namen führen von da an ——
10 tria der mit der römifchen Kirche unierten Neftorianer, der ſog. Chalbäer. —
des chaldäiſchen Patriarchen wurde 1830 von Moſul nad) Bagdad verlegt. —
der Sprengel 4 Erzdiöcefen und 17 Didcefen mit etwa 33000 Seelen; vgl
Orbis terrarum catholieus 1890 S.165—171. Inzwiſchen iſt es bei der riarchen—
wahl nicht ſelten zu Streitigkeiten gekommen, und dann Rom ein und beeinflußt
45 fo das innere Leben der neitoriantchen Kirche. Am allgemeinen batten übrigens ti
Brälaten der römischen Propaganda bis in die Tage der Aſſemani —
fallende Unfenntnis von ben etfächlichen Verhältnifjen der ortentalifi
eigten eine dem entſprechende Ungeſchicklichkeit in den Unionsverhanblu
* Tendenz heraus, alles zu latiniſieren. Dies erſieht man beutli
50 gebrudt vorliegenden (nit ganz vollftändigen, für Nom Oianifhen Kin
Sammlung der zwifchen dem heiligen Stuble und ber neftorianischen = her
der Union getverbfelten Driginaldo mente aus den Archiven Des und b
paganda, darunter viele forifche Urkunden, herausgegeben = "Sam Giamil (f. oben
bei Litteratur). Des in Nom lebenden * ebers a Tendenz, Die römi-
55 ſchen Bejtrebungen zu fördern, beraubt ibn des! Perftändni 2 * Die l bewunder
werte, ſelbſtſtändige Entwickelung und eigentliche Blütezeit feiner Kirche; er übert bt Die
nen mit Stillſchweigen. >
Es erijtiert alfo ſeit Ende des 17. Jahrhunderts ſowohl —— arch Für Diel
bäer, welcher i in Moſul reſidiert, als ein anderer für die nicht Neſtorianct, de
so den Namen Simeon führt, ſich aber ebenjo „Patriarch der Chaldäer“ nennt. Lebter
— —
732 Refterianer
den zwei gleichzeitigen Schreiben des jakobitischen Patriarchen Ignatius und des Mafrian
Johannes. — An den Patriarchen Sabballaha (1281— 1317) hatte der Bapit Nikolaus IV.
im Jahre 1288 ein Schreiben nebit Glaubensformel gejandt, und fein Nachfolger Bene
dikt XI. erhielt von demfelben im Sabre 1304 ein Antwortfchreiben, worin er die römifche
b Kirche „Die Mutter und Lehrerin aller anderen“, den Papſt aber, den „Oberbhirten der
ganzen Gbriftenbeit” nennt. Doc ſchließt Affemanı aus diefen Außerungen ſowie dem
beigelegten orthodox fcheinenden Glaubensbefenntniffe mit viel zu großer Sicherheit, daß
der Neftorianer ich der römijchen Kirche angejchloffen babe. Jedenfalls hatte dies feinen
weiteren Einfluß auf feine Nachfolger. Dagegen ſteht feit, daß unter Papſt Eugenius IV.
to füntliche Neftorianer auf der Inſel Cypern 1445 mit ihrem Metropoliten Timotbeus von
Turfus dur den Miffionar, Erzbiſchof Andreas, zum Übertritte bewogen worden find.
Kine nacbaltigere Vereinigung mit der vömifchen Kirche fand in der Mitte des 16. Jahr:
bunderts jtatt. Die Neftorianer tvaren damals ſchon auf ein Kleines Häuflein zufammen-
geſchmolzen, welches — abgejehen von den Thomaschriften in Indien — mit wenigen
1» Bifchöfen fajt ganz auf die Turdifchen Gebirge zurüdgedrängt war. Das Patriarchat mar
frit geraumer Zeit ſchon erblich geivorden, indem den Cheim der Neffe zu folgen pflegte.
Als der Patriarch Simeon Bar Mämä 1551 geitorben war, nahm deflen Neffe Simeon
Denhä Bar Mämä& mit Hilfe des einzigen noch übrigen Metropoliten, Ananjefu, die
Yatrtanbempürde in Anspruch. Es verjanmelten fid) aber darauf die drei noch übrigen
so Wijchöfe von Arbela, Salanıds und Adherbaidſchan mit Prieftern, Mönchen und Gemeinde:
vorſtehern in Moful und wählten den Johannes Sulläk&, Mönch oder Abt des Klofters
Hormizd, zum Patriarchen. Um diefer Wahl einen befonderen Nachdruck gegen jenen Sı-
won Denba Bar Mama zu geben, fandten fie ihn zur Weihe nad Rom, wo er von
Julius IL. als Patriarch der Chaldäer proflamiert wurde. Indeſſen, nach Moſul zurüd:
sa gefebrt, erlebte er 8, daß der Pafcha von Dijär bekr(Amid) ſich gegen ihn und für
Simeon Denhä entjchied, und fo wurde er ſchon nach zwei Jahren, edenfalls auf Anitiften
feine Hegenpatriarchen, in Amid (Diarbefr) gefangen genommen und im Gefängnifie
ermordet. Sogleich wurde ein anderer an feine Stelle erwählt, und fo erhielt fich dieſe
katholiſche Partei genen 100 Jahre und betbätigte ihre Verbindung mit Rom durch Über:
so ſendung von Slaubensbefenntniffen. Sener Simeon Denha hatte aber deshalb, da er bie
treu gebliebenen Neſtorianer binter fich hatte, fein Patriarchat nicht aufgegeben, ſondern
bebielt 8 bie au feinem Tode 1559, worauf feine Anbänger fogleich einen anderen er:
walten, welcher ebenſo wie feine Nachfolger den Namen Elias führte. Der mit Bapit
RPaul V. gleichzeitige neftorianische Patriarch fandte in den Jahren 1607 und 1610 auf
ko Aufforderung des Papſtes Schreiben mit ortbodoren Glaubensbefenntniffen nach Rom,
wid gewährte 1617 Kurz vor feinem Tode auf einer Synode zu Amid die Forderungen
tes Rapſtes, ſeine Nachfolger entjagten aber wieder der Vereinigung. Im Jahre 1684
erwablte Papſt Innocenz XI. abermals einen Patriarchen, welcher in Amid refidierte mie
ſeine Vorgänger, und fi \\ofepb nannte. Diefen Namen führen von da an alle Ba:
wo hriarchen Dev mit der römiſchen Kirche unierten Nejtorianer, der ſog. Chaldäer. Der Sit
dev chaldäiſchen Patriarchen twurde 1830 von Moful nad) Bagdad verlegt. 1888 umfaßte
ber Zprengel 6 Erzdiöcefen und 17 Diöcefen mit etwa 33000 Seelen; vgl. Werne,
Orbin terrarum ceatholicus 1890 S. 165--171. Inzwiſchen ift es bei der Patriarchen:
wabhl wicht ſelten zu Streitigfeiten gelonmen, und dann griff Rom ein und beeinflußte
ba ſo dus innere Leben der nejtortanifchen Kirche. Im allgemeinen hatten übrigens dic
Yale der vömifeben Propaganda bis in die Tage der Aſſemani hinein eine auf
fallende Unkenntnis von den tbatfächlichen Berbältniffen der orientaliihen Kirchen und
zeigten wine dem entfprecbende Ungefchidlichkeit in den Unionsverhandlungen aus ber ein:
ſelligen Jendenz heraus, alles zu latinifieren. Dies erfieht man deutlih aus der jebt
A gebrudt vorliegenden (nicht ganz vollftändigen, für Nom Unliebfames ift weggelaſſen)
—IAmmlung Dev zwiſchen dem beiligen Stuble und der neftorianifchen Kirhe in Saden
ter Union gewechſelten Originaldofumente aus den Archiven des Vatikans und der Pro:
paganda, Darunter viele furifche Urkunden, herausgegeben von Samuel Giamil (f. oben
bei vuteraturſ. Des in Mom lebenden Herausgebers ausgefprochene Tendenz, die römt-
a ſchen Veſtrebungen zu fürdern, beraubt ihn des Verjtändnifjes für die lange, beivunderns-
werte, ſelbſtſtandige Entwickelung und eigentliche Blütezeit feiner Kirche; er übergebt diefe
Meriode mit Stillſchweigen.
Wo eriſtiert alſo ſeit Ende des 17. Jabhrhunderts ſowohl ein Patriarch für die Chal:
däer, welcher in Moſul vefidiert, als ein anderer für die nicht unierten Neftorianer, der
den Namen Simeon führt, ſich aber ebenjo „Patriarch der Chaldäer” nennt. Xeßterer
Neftorianer 733
bat feinen Wohnſitz in dem faſt unzugänglichen, in wilder Gebirgsgegend verftedten
Thale von Kotannes im kurdiſchen Gebirge, nahe bei Dichulamarg am mittleren Xaufe
des großen Zäb, an der Grenze Perfieng und der Türkei.
Hier im kurdiſchen Gebirge und dann in der Ebene am Sce von Urmia tft über:
haupt, abgejehen von wenigen Gemeinden in Oftindien, heutzutage alles zufammengedrängt, 5
was ſich ala kümmerlicher Reit der einjt Mittel: und Hocafien umfpannenden neftoria-
nischen Kirche noch erhalten hat. Sim Jahre 1833 wurde die Zahl der dortigen Nefto-
rianer auf 14054 Familien oder 70000 Seelen angegeben (Smith and Dwight 1. c.
II, p. 218sq.). In diefem abgelegenen, übrigeng gewiß ſchon feit alten Zeiten (4. B.
Er 1111 n. Ebr., |. Aſſem. II, 449) von neftorianifhen Syrern bewohnten Gebiete 10
ind die Nejtorianer feit 1834 von amerikanischen Mifftonaren, Perkins, Stoddard u. a.,
aufgefucht worden und dieſe haben durch eine umfichtige, in jeder Hinficht ſegensreiche
Thätigfeit unter den Neitorianern nicht wenig dazu beigetragen, daß diefer Reit neltoria=
nischen Glaubens nicht auch bereit? von der umlagernden römischen Miffion abforbiert
worden ift. Gegen die Amerikaner entfandte Nom die Dominikaner nad) Mojul, deren ı5
Wirkſamkeit dort noch im Jahre 1875 den Patriarchen Sofepb VI. Audo zu lebhaften
Klagen (f. Giamil ©. 424ff.) nah Rom veranlaßte; darauf wurde er durch eine En-
cyklika mit dem Banne bedroht. Diefe amerikanische Miſſion brachte dem Abendlande
auch die erfte Kunde von der intereflanten Thatfache, Daß diefe Neftorianer in Kurbiftan,
in der Ebene von Moful und in Urmia noch einen Dialekt der alten aramätfchen Sprache ao
als Mutterfprache im lebendigen Gebrauch hätten — eine Thatjache, welche bei der
Überflutung des Gebiets durch andere Sprachen, bei. das Perfifche und Kurdifche, nur
aus der Anhänglichleit der Neitorianer an ihren alten Glauben und deſſen Neligions-
bücher in altiorifcher Sprache zu erklären iſt. Die Miffionare haben diefen Volksdialekt
nach Errichtung einer Druderprejfe in Urmia fünftlidy zur Schriftiprache zu erheben ge: 3
wußt, und es find in diefer gewöhnlich „Neufyriich” genannten Sprache — übrigens
feiner unmittelbaren Tochter des Altſyriſchen — abgejehen von der Bibel A und NT
eine ganze Reihe von Überſetzungen englifcher Erbauungsbücher, 3.8. von Bunyan, The
pilgrims progress (Urmia 1848), von Barter, The saints’ everlasting rest (ibid.
1854) u. a., ſowie felbitftändige theologifche Traftate, Erzählungen, ja auch eine Monats- 30
fchrift zur Beförderung der Volfsbildung aus der Miſſionspreſſe hervorgegangen, bejon-
ders unter der Leitung des verdienten Rev. Perkins. Die Hebung der ziemlich tiefftehenden
Moral diefer neftorianischen Bevölkerung, deren Charakter unbeitändig und ſinnlich iſt und
die zu allerlei Aberglauben neigt, ift übrigens eine ſchwere Aufgabe für die Mifftionare.
Doch fchreitet die Bildung vor; ſonſt fonnte von 200 Neftorianern faum einer lejen und 36
jchreiben, was jest anders it. Im Jahre 1853 gab der gelehrte Miſſionar Stoddard
die erite zufammenbängende Darjtellung von diefem in vieler Hinſicht dem Altjyrifchen
gegenüber originell geformten Tialefte in feiner Grammar of the modern Syriac
language (in Bd V des Journal of the american oriental society). Auf biejer
Arbeit und einer Reihe der erwähnten neufyriichen Terte bafiert die meifterhafte „Sram: 40
matik der neufgrifchen Sprache” von Theod. Nöldefe, Leipzig 1868, die erfte wiljenihaft-
liche Bearbeitung des Neufyrifchen. Seitdem iſt das jprachlihe Material durch Prym⸗
Soein, Duval, Sabau, Lidzbarsli (Die neuaramäifchen Handfchriften der Kal. Bibliothek
zu Berlin, Bd 1. 3 mit inhaltlich interefjanten Märchenterten) u. A. fehr erweitert und
die Thatjache feitgeftellt worden, daß die lebende Sprache wieder in mehrere Dialefte, 4
namentlid) nach dem Gebirge und der Ebene geichteden, die eriteren Dialekte mit volleren
Formen — zerfällt. Dem jegigen Wiſſen entjpricht die Srammatif von A. M. Maclean
(Grammar of the dialects of vernacular Syriac, Cambridge 1895) und desfelben
Verfaſſers Dictionary of the dialects of vernacular Syriac, Orford 1901), —
Conft jchreiben die fchreibfundigen Nejtorianer und „Chaldäer”, 3. B. in Briefen an oo
Abendländer, ein mehr oder weniger korrektes Altſyriſch, ſ. als Probe die Patriarchen:
briefe in Bd 2 der Zeitjchrift für die Kunde des Morgenlandes, ©. 229 ff. ſowie Joſeph
Guriel (d. i. Gabriel, chald. Patriarch), Elementa linguae chaldaicae, Rom. 1860.
Altſyriſch find auch die liturgischen und fonftigen Ritualbücher der Neftorianer und Chal⸗
däer, deren mehrere in diejem und dem vorigen Ssahrhundert in der Propagandapreffe zu 55
Hom gedrudt worden find, 3. B.ordo chaldaicus ministerii sacramentorum sacro-
rum, iuxta morem ecclesiae malabaricae, Rom. 1845. Die Namen der 8 Rang:
Haflen des Klerus bei den Chaldäern find: 1. katholik& oder patrijarkä, 2. mutran
oder metropolitä, 3. episkopä, 4. arkidjakonä, 5. kaschschischä, Prieſter,
6. schammäschä, Diafon, 7. huhpodjakonä, Subdiaton, 8. kärojä, Vorleſer. — co
Leriurianer
77 2er Int oftforiichen Zweige Der ſyriſchen Zunge an
- ° 2 Teroen wie es dor allem die Jakobiten vertreten,
„ en.xcner Der Ausſprache, wie bärtere Pronunciation
„2 selere der Vokale (reines & ftatt Ö, ö jtatt ü).
° zmezensurden leben Die Neſtorianer faft ſtets in offener
i .z RNoſul jeben den Anfendungen mit bämifcer
78.2 und 1846 wurden fie von jenen Durch ein fürd-
“nz, 20 welchen Die fanatifierten Kurden unter ibrem
nuran am BONN Neftorianer jedes Alters und Geſchlechtes
z.r2 oben) beſuchte bald darauf Die Gegend und giebt
- m Wucht unbemerkt bleibe übrigens, daß Die Bejucher
. nme spart judenchriftlichen Charakter betroffen wurden,
.„. war Schismatiker noch jegt bervortritt und auch aus
denen ijt. Damit baben aljo die Neitorianer bis beute
Zus der alten oſtſyriſchen Kirche bewahrt, Die, auf einem der
Soon aufgebaut, von jeber einen Zug zur Seftenbildung
Die Homilien und Nefognitionen des Clemens Nomanus,
re Neftortaner bezeichnen ſich (außer als Chaldäer) als
eo VNeſſias, ale Nasräni (arab. d. i. Chriſten), Syrer,
Zengiien. Die Bezeichnung „Neftorianer”, Die ihnen ver:
zen wrfallen die heutigen nordmeſopotamiſchen Neftorianer
nn, Bechöfen u. ſ. w, |. von Funk, in WW 2. A. Art.
orten Multuseigentüntlichkeiten gehört die Abneigung gegen
mt allein deren Verehrung, jondern auch die einfache Auf:
.... va Die Melfiten und Jakobiten. Nur das Kreuz und das
pt ıbren Gottesbäufern. Ubrigens iſt ihre Saframentenlebre
ide aus der Kirche ſchwankend. Ibhre mittelalterlichen
.. >, Siebenzahl, aber deren Inhalt iſt nicht derſelbe wie im der
m. m Timotheus II. (1318-—-1360) ſchrieb (nach Assem. B.O.
| aber Die 7 Sakramente unter den Überichriften: 1. de
..„meratione ecclesiae et altaris; 3. de baptismo et sacro
‚..» sau’äihentis corporis et sanguinis; ». de benedietione mo-
tue ro defunctis; 7. de sacramento desponsationis; dazu
A.A euil3!a seu poenitentia et remissione peccatorum. Aſſemani
ran wur 3 Zaframente, nämlid Taufe, Cucariftie und Ordi—
. Aciterianern iſt das Abendmahl eine magische Ceremonie mit
an —
20.» de Faſten der Neſtorianer. Der Genuß von Fleiſch iſt für
nn Zoyrpnterletich ejfen je, wie Die Juden und Muslime, überhaupt
022,90. ar ihnen ein Wochentlicher Feiertag, ebenſo wie der Sonntag.
'.. napie, ſie wiſſen nichts vom Fegefeuer. Ihren Prieſtern ift Die
n
st
as Degen, in Zitten und äußeren Gebräuchen baben Die heutigen
aan, Die Neſt. Der Ebene äbneln in der Tradt den Ver:
yaeteert ſind Die Beinkleider und Die runden Hüte Es finden Jic
Nas
un. .n. 8
» N u I » eo . . .. -
\ So wgenettent intelligenter und begabter find als ibre Brüder auf den
—grde Brlüchter, aber nicht von jüdiſchem Typus; fie baben fehr oft
- Toner Mugen Die Geſichtsfarbe der Bergbeivohner iſt ge
5 RAWtull. Intereſſant ſind ihre Hochzeitsgebräuche, ebenſo einige
77 a, die in der Urmia⸗Ebene wenigſtens mit ausgelaſſener Luſtig⸗
we ange Haufereien begangen werden. Die Bergbewohner haben zur
0. ar art Viehzucht. Sie tragen gejtreifte Jacken, umſäumte Mützen
Nun ST Taex um Die Straßen ihrer Sebirgsortichaften, Die mehr jteinige
nn ss vvaltigen zu fünnen. Die Wiebberden werden im Zommer
" PUT. — . > - “ " - R - ne
an Nut x alfüch großartig alpinen Landſchaft gebracht, wo jie aber
' . ‚ua AIR: | 1a :
NEN E15 RN Se omiieht ſind. In einzelnen Tbälern, bejonders denen am
un at Die gewöhnlichen Häuſer find böchſt armjelig, oit
Ni N xtebend und bin und wieder unterirdifch angelent. Ihre
— Darcedner meiſt ſelbſt. Sie verdienen ſich eine Kleinigkeit
R
N Zn
Neftorianer 7135
dur) Sammeln von Galläpfeln, die fie dann verkaufen, berühmt find fie aber durch ihre
Korbmacherei, namentlich der Diftrift Tſcheba; Korbmacher aus dieſer Gegend durchziehen
ganz Weſtaſien. Sonſt wird Handſpinnerei und Strumpfwirkerei getrieben, worin auch)
die Briejter jehr beivandert find. Die Nahrungsbeihaffung ift in dem nejtor. Gebirge ſehr
fchwer; die Bewohner find, da der Weizen nicht gut auf den künſtlich hergeitellten Ter- 5
rafjen gedeiht, angewieſen auf Hirfebrot, geröftetes Mehl, getrodnete Maulbeeren ; font
Milch und deren Produkte; auch Bienenzucht wird getrieben. Bei aller Armut, die die
Leute zwingt, zeittveife auszutwandern, um nach einigem Erwerb wieder in die lieb behal:
tene Heimat zurüdzufommen, find fie höchſt gaftfreundlih und teilen millig mit dem
Fremden den legten Biſſen. — Der Klerus, der übrigens von feinen Gemeindeleuten mit 10
deren Anhänglichfeit an den alten Glauben, auch durch Handkuß und durd) die fonjt im
Drient nicht übliche Begrüßung durch Xüften der Mützen, boch verehrt wird, iſt höchſt un-
wiſſend und kümmert fih um die Volfserziehung Kan gar nicht. Die Bergneftorianer
ftehen unter erblichen Dorficheichen, genannt (arab.) melik, d. i. Könige. Die bürgerliche
Gerichtsbarfeit bat der Patriarch in Kotannes. 15
Es erübrigt noch eine nähere Mitteilung über die Neftorianer Jndiens Die
„Zhomaschriften” in Indien erhielten zuerft unter dem PBatriarchen Timotheus (778 bis
820) einen Metropoliten und von diefer Zeit an auch ihre Bilhöfe unmittelbar vom
Patriarchat. Sie erlangten von den einheimifchen Fürften bedeutende ‘Privilegen, welche
groenteils aus dem Anfange des 9. Jahrhunderts berrühren und auf Thomas Kananäus, 20
auch Mar Thomas genannt, zu bezieben find, der aber wahrfcheinlich nicht Biſchof, fon-
dern ein fehr begüterter und einflußreicher Kaufmann war. Durd) diefe Privilegien und
ihre große Vermehrung gelangten ſie allmählich dazu, einen eigenen Staat zu bilden und
eigene Könige zu ernennen, nadı deren Ausjterben ihr kleines Neich durch Erbichaft an
die Beherrſcher von Kochin überging. Durch die Streitigkeiten und Kämpfe der kleinen 25
indischen Fürſten untereinander, welche die Muhammedaner gefchidt zu ihrem Vorteile
benugten, wurden die Thomaschrijten jehr gedrüdt und boten deshalb 1502 dem dort ge:
landeten Vasco de Gama die Krone an. — Ihre Verbindung mit dem neftorianifchen
triarchat jcheint bald unterbrochen worden zu fein. Um 1120—30 ſoll ihr geiftliches
berhaupt, Johannes, nach Konftantinopel, um dort den Biſchofsmantel fich zu erbitten, so
gelommen und von da nach Rom gereilt fein. Später war die indiſche Kirche ganz ver
waiſt, jo daß nur noch ein Diakonus übrig war, welcher alle geiftlichen Funktionen zu
verrichten hatte. Daber wurden 1490 Georgius und Sofeph zu dem neftorianischen Pa:
triarchen Simeon gefandt, um ſich einen Biſchof von ihm zu erbitten. Beide wurden zu
Prieſtern ordiniert und ihnen die beiden Mönche, Thomas und Johannes, als Riſchote 35
beigegeben. Johannes blieb in Indien und refidierte in Kranganor, Thomas aber Tehrte
bald zurüd. Der Patriarch Elias (geit. 1502) fette 3 Mönche, Jahballaha als Metro:
politen, Jakobus und Denha als Bifchöfe ein und jandte fie mit Thomas nach Indien.
Sie fanden Mar Sobannes noh am Leben und berichteten dem Patriarchen, daß fie
an 30000 chriftliche Familien dort gefunden hätten, weldye in zwanzig Städten zeritreut 40
lebten, am zahlreichiten in Garangol, Valor und Colom, aber chriftliche Kirchen jeien in
allen Städten, Ass. B.O. III, II, 446—451. Spätere portugtefifche Berichte geben
teilweife nur 16000 chriſtliche Familien an. Bald verarmten fie fehr, gedrüdt von ver:
fchiedenen Seiten, daher jie die Portugiefen um Schuß baten, und ihnen verfprachen, den
König Emmanuel als ihren alleinigen Herrſcher anzuertennen. Dies gereichte zu ihrem 45
DVerderben. Denn bald wurden fie wegen diejes Schuges von den einheimischen Fürften,
bald aber auch von den VBortugiejen felbjt hart bevrüdt. Es kamen päpftliche Emilläre,
namentlich Jeſuiten, welde Yilt und Gewalt anwandten, um fie dem Papſte zu unter:
werfen. Der Erzbiihof von Goa, Alexius Menezes, zwang fie mit Gewalt, die Bejchlüffe
der 1599 zu Diamper gebaltenen Synode anzunehmen, fo daß nur wenige Gemeinden co
in den Gebirgen treu und ſtandhaft bei dem Glauben ihrer Väter verharrten. Die Geift-
lien der Thomasfirche ertrugen die durch die Union ihnen auferlegte untergeordnete
Gtellung und die Abhängigkeit von den Jeſuiten mit Widermillen. Aber im Jahre 1653,
faft zu derſelben Zeit, wo das chaldäische Patriarchat wieder einging, fehüttelten auch die
mit Gewalt zu dem Übertritte Gebrachten in einem allgemeinen Aufitande das römifche s5
Joch der ihnen verhaßten Jeſuiten wieder ab, welches ihnen wieder aufzubürden ſeit diefer
Zeit die Barfüßer-tarmeliter mit mehr Eifer ald Glück ih bemüht haben. Seit 1665
verbreitete ſich auch die jakobitiſche Nichtung unter den ſchismatiſchen, nicht mit Rom
unierten Thomaschriften, als, vom Batriarchen Ignatius von Antiochien gejandt, der ja:
fobitifche Metropolit Gregor von Serufalem an der Malabarfüfte erſchien und für Die co
736 Neftorianer
eutychianiſche Lehre, als das direkte Gegenftüd der bisher
l An um, die
Anden When da Er —
Die Zahl der Neftorianer in Kurdiftan und Perfien ift nach Ouffani 1
etwas — 150.000 mit 250 Kirchen, 12 — und —— und über 300 Prieſter
die Zahl der „Chalväer” über 100000 mit 150 Kirchen und über 250 Prieftern. In
Indien find etiva 120000 Neftorianer und 250000 mit Nom Unierte nad) J.B. Chabot,
ı5 Les chrötiens de Malabar Rev. de l’Or. ehröt. 1, 406 ff.
(Betermann +) 8. Kefler.
—— Patriarch von Konſtantinopel (geft. nad) 439) und ber neſtoria—
niſche Streit. — J. Garnier, Praefatio historica in posteriorem partem operum Marii
ur und dissertationes tres de haeresi et libris — de synodis ..., de libris a
20 defensoribus fidei eodeın tempore conscriptis (Opp. Mari Mereatoris,, Paris —
P. I-LX u. 281 - 364 * — L. Douein (8. J., geſt. 1726), Histoire du Nestorianisme, Pari
— Tillemont (gejt. 1698, vgl. db. W.), M&ämoires pour servir ete., bejonders tom. XIV ı
Acacius von Bervea, Corill, Proft ——— —— de Venise 1732. — 7.8. (vgl
A. Bd II, 144— 146), talis I—III, Nom 1719-1728. 2%. a. Fabricius
25 Bibliothen graeca (u70s nes, * nova von ®. Ch. Harles X, 529-549, Hamburg
1807. — €. 3. F. Wald, Entwurf einer volljtändi —— —* Regereien u 289 — 936
Leipzig 1770. — 3. Hefele, Konziliengeihichte IT?, Freiburg Se
der Kirchengeſchichte I*, bearb. von H. v. Schubert, übingen pi Bei J
die Litterafur vor den Artikeln „Chriſtologie, Kirchenlehre“ (Bd —5 von
30 Alexandrien“ (Bd IV, 377), „Dreisfapitelftreit” (Bd V, 21), „Eutyches“ BY
Quellen: Die Akten des Ephejinum und die ihm eingefügten Biete aus = Beit vor
der S obe Mn IV u. V) jowie verwandte Dokumente in ben —* ——
u. VII) und des Dreifapiteljtreitö (Mansi IX). — Die Werfe E br
ipeziell Die antineftorianifchen Schriften (MSG 76) und die Briefe
35 * Reſte der Werfe des Neſtorius (vgl. unten Wr. 3), — Die Opera (vgl.
db XII, 342—344; fe dürfen, wenn Verwirrung vermieden — ſoll, nicht nad)
Garnier [= MSG 48], ion tn nur nach Baluze Mar. Merc. upp., Paris 1684] eitiert
— — Joannis Cassiani (vgl — Bdb III, 746— 749), de incarnatione eontra Nestorium
.M. Petichenig (CSEL vol. — Die Urkunden und Briefe in dem —
40 * b. der zur Zeit bes Dreitapitefftrei veranstalteten lateimijchen Ueberjegung ausgen F ie
und mit Zwiſchenbemerkungen verjfehener] Abſchnitte aus der „ “ bes Sreni
rus (vgl. Bd V 638, 26ff.), zuerſt ediert von Ch. Lupus (®oli, O.8. Aug, gef
Ad Ephesinum eoneilium variorum patrum epistolae Löwen 1682; eg bei
_V, 731—1022). — Theodoret3 Werke, befonders die Streitihriften und ERS —
45 MSG 80—84). — Vincentius x, 008 Commonitorium mp ee
richte (vgl. Fabricius-Harles 538—543) bei Gofrates e, T, ff.) —
— bularum —— ium (4, 12 zeoi — uhe lv. a 365 fj., einem
Nbjchnitt, den man nur von Theodoret herleiten kann, wa man —— für einen ve
Re ar Hält), bei — v. — anz (vgl. d. A. Bo XI, 394 5), 9
cd. ee — (h. e. 6, 2 p. ish), bed JIeju (vgl. d. A.
* et iblioth ECH N III, 1, u.a.
1. Schon Luther, der in jeiner Be „Bon den —— —*
25, 302 ff., 2. Aufl. ©. 362 ff.) zuerft dem Nejtorius mehr G bat
laffen, als es im großen und ganzen (anders Soer. 7,32, — ele
55 Anm. 4) in den Jahrhunderten vorher ber a geweſen war, fühlte fi id a je
dem Streit, der mit dem Namen des Neftorius verknüpft ift. Die
feinen Bifchöfe, jo meinte er (EAN 25°, 362), feien dabin geweſen und an ib
gar ungleiche Väter aufgekommen. Auf das „böje Gebeiß“, 3
habe, wendete er Giceros Wort an: Jam diu torquet — Verb
co graeculos, eontentionis cupidiores quam veritatis (a. a. O. ©. _ Unje
enntnig der eriten, Yutber = unbekannten Quellen nötigt uns, nod ' =
urteilen. Die Überlieferung über feine der altkirchlichen Sehrftreitigfeiten a J ich
| —F
le |
Reftorins 737
durd blinden Parteihaß wie die über den neftorianifchen Streit ; ein Bartei-Coneiliabulum,
das gewiß nicht unter dem Einfluß des zvevua dAndelas ftand, das cyrilliiche Konzil
von Ephefus i. J. 431, ift zur dritten heiligen öfumenijchen Synode geworden; und ber
Mann, deilen ftrupellofe Rückſichtsloſigkeit es fertig brachte, auf dieſem Konzil die ihm
zugedadıte Rolle des Amboß mit der des Hammers zu vertaufchen, Cyrill von Mlerandrien, 6
gilt ald einer der größten unter den „heiligen“ Vätern, während fein ihm fittlich gewi
überlegner Gegner Neſtorius nur in einer jet gänzlich verfallenen Gegenkirche (vgld. A.
Neftorianer) ein Andenken als „Heiliger“ bebalten bat, in der großen Chriftenheit aber
einer der verfluchteiten Ketzer geworden ift. Katholischer Gejchichtöbetrachtung find bier die
Augen gehalten ; doch dem, der ſehen Tann, müfjen nad) den primären Quellen die Dinge
ſich anders darſtellen, als es der Firchlichen Tradition entfpriht. Schon viele ältere
Vroteftanten (vgl. die Verweiſe bei Giefeler KG I’ S.457), ſpäter Ch. W. F. Wald)
und G. D. Fuchs (Bibliothef der Kirchenverfammlungen III und IV 1783 u. 84) und
zurüdhaltender zahlreiche neuere evangelifche Kirchenhiftorifer haben ähnlich geurteilt. —
Da der allgemeine dogmengefchichtlihe Rahmen der Streitigfeit fchon in dem M.
„Shriftologie” (Bd IV, 47, 2°—51, 9) gezeichnet iſt, und der Streit feit der Union von
433 jchon in dem U. „Eutyches“ (Bo V, 636, 46 ff.) eine kurze Beiprechbung erfahren bat,
fo handelt e8 ſich bier nur um den Verlauf des neftorianischen Kampfes bis zur Union
von 433 und um die perjönliche Geſchichte des Neſtorius felbit.
2. Als Atticug von Konftantinopel, der zweite Nachfolger des Chryfoftomus (vgl. 20
Bd IV, 107,2), am 10. Oftober 425 geftorben war (Socr. h.e. 7,25, 21), find nad
Sofrates (7, 26) zwei Presbyter, der neuerdings mehrfach genannte Philippus v. Side (|. d. A.,
vgl. TU V, 2 ©. 165ff.) und Proklus, die Gegenkandidaten des neu ertwählten Biſchofs
Siſinnius geweſen. Und diefe Nachricht des Sofrate® ruht zweifellos (vgl. Soecr.
7,26, 5) auf der yowomarıxn loropla des Philippus felbit. it fie demnach zuverläffig, 25
fo wird man auch der Angabe des Sokrates (7, 29, 1) trauen dürfen, daß nach) dem
baldigen Tode des Sifinnius (geit. 24. Dez. 427; Soer. 7, 28,4) jene beiden abermals
die Kandidaten je einer zahlreichen Gruppe von Konitantinopolitanern waren. Proklus war
freilich inzwifchen von Sifinnius zum Biſchof von Cyzicus ordiniert; aber die Gyzicener
batten nicht Luſt gehabt, von Konftantinopel einen Biſchof fich ſchicken zu laſſen: fie hatten, 30
ebe Proflus kam, einen andern eingeſetzt (Soer. 7 28, ıf.). Proklus war in Ronftantinopel
geblieben und hatte in den Kirchen der Hauptitabt Proben feiner blumenreichen Kanzel:
rhetorik gegeben (ib. 7, 28,3). Daß er nad) dem Tode feines Gönners Sifinntus in
Hoffnung auf den Bilchofsftuhl machte, den er nach einem dritten vergeblichen Kandi-
dieren (Soer.7, 35, ı) bei dem vierten Anlauf auch glüclich erlangt bat (434—446;; vgl. Bd 35
V, 637, su), ijt begreiflich ; und daß Philippus mit Sijinnius zerfallen war (Soer. 7,26, ö),
hat vielleicht feine Ausfichten gemebrt. Aber der Hof (Soer. 7,29, 1; vgl. Vincent.
commonit. 11 al. 16 und Cyrill apol. ad Theodos. MSG 76, 464 D) wollte feinen
Konftantinopolitaner und entichied fih — wohl auch in Rüdficht auf die Verehrung, die
orpoftomus beim Volle genoß (Cassian 7, 30, 2) — für Neitorius, einen antiochenifchen 40
Presbyter, der in Germanicia — in Syria Euphratensis, nicht weit von der Grenze
Giliciend und Kappadoziens (Theodoret h. e. 2, 25,1) — geboren (Soer. 7, 29,2;
„Theodoret“ haer. fab. 1, 12), aber in Antiochien ausgebildet und in den Klerus
aufgenommen war („Theodoret“ a. a. O.; Cassian 6, 3, ı) und ald Mönch in einem
Klojter vor den Mauern Antiochiens lebte (Evagr. h. e. 1,7 MSG 86,2 p. 2436 5
nad) Neftorius felbit; — daß 18 das Euprepiosklofter mar, fügt Evagrius als ihn zus
gefommene Kunde hinzu). Ein außergemwöhnlicher Ruf ging diefen Panne felbit nad)
den Ausſagen der ihm feindlichen Quellen voraus (Vincent. comm. 11 al. 16; Cae-
lestin ep. Jaffé: Nr. 374 = Mansi IV, 1026C; Gennad. de vir. ill. 53). or:
nehmlich galt er feiner Kanzelberedſamkeit; das Volk hoffte deshalb in Neftorius einen 50
zweiten Chryſoſtomus zu erhalten (Cassian 7,30, 2). Und als er im April 428 (Soer.
7,29, 4; vgl. Wald V, 324) die Weihe erhielt, war der Eindrud, den er auf Die
gegenwärtigen Bilchöfe machte, ſelbſt nach römischen und alerandrinifchem Zeugnis ein
vortrefflicher (Caelestin ep. Jaffé 374; Cyrill apol. ad Theod. MSG 6, 464 D).
Nach Sokrates (7, 29, 5) batte der neue Biſchof in feiner Antrittspredigt — vielleicht 5
rhetorifch in persona dei redend — dem Kaifer zugerufen: „Gieb mir, o Kaifer, die
Erde rein von Kebern, und ich werde dir den Himmel dafür geben! Hilf mir die Keßer
vernichten, und ich werde dir helfen, die Perſer zu vernichten!” Großen Kegereifer zeigte
der von Natur rechtbaberifche und leidenjchaftliche Neſtorius (Joann. Ant. ad Nest. ce. 3
Mansi IV, 1064 D) in feiner neuen Stellung in der That ſehr bald. Schon am xo
Real⸗GEncyklopädie für Theologie und Kirche. 3. A. XTIT. 47
— ⸗
0
[_y
b
738 Neftorins
| iA Tr ee een antinopel
'ichten, ſelbſt die 9 | igte er (Soer. 7,29 s—11); er rübım
Synodie. 5 Mansi V, 32.) inter ipsa ordinationis initia das |
has am 30. ai 428
an i
‚ 153 A), Ric ift er in den Huf gefommen ein Da . *
3. Bevor bies —— wird, muß hier über die her der
— eingefü Ben le ie — Geſchichte des jan
Streites ift bi islang ER nicht der igt, die fie verdient.
——
ebenſo — F —— e = EN |
I: yulban Sabilt neauilie Anfudit posten — —
in 88 venena.
an abe, er dann als ofmer Feind der fi — indem x ibrum
de incarnatione domini — et duobus di‘ ‚scriptura
ei Sagen — suo sensu construetum. ——
ich tragoedia
us, L oben ©. 36 a, ben te ſeiner
—
— — die * Namen — nur mit d
35 * bie impios libros nefandi Nestorii adversus "Venerabilem
seetam decretaque sanetissimi eoetus antistitum Ephesi habiti zu verb:
bot (eod. Theod. 16, 5, 40), noch energifcher gewirkt, als fr Ehe A Wir ba
—— der Xiturgie] nur feine Anathematismen gegen Cyrill in beriegung
Mercator (Baluze 142ff.), zwölf andere De yriſcher Leberjeb
so (ſyriſch und lateinifch bei Aſſemani III, 2 p. CIC—CCIN), — Fragmente be
er (im Synodieon, Mansi V, 762—764 und bei Eragrius 4 14
— Brieffragmente (Nr. 1—13 der bei Wald V, 345 ff. |
ercator überjegte Predigten und nicht wenige Gitate aus Neftorius bei e
Nestorium (f. Garnier II, 106110) und in andern Chi ib
4 in den Alten des Epbefinum (ib. 96— 102), in bes Marius Diercator „Exeerpta ex
codieibus Nestorüi“ (ib. 103—106), in den Gloſſen des Marius Mercator su ber
Anathematismen des Nejtorius (Baluze 143f.), bei Johannes Cajfianus, bei „Arnobius
dem Jüngern“ (vgl. Bd II, 117,21; Garnier II, 323), im ſog. Synodilon (vgl. €
©, 736,39), bei Yeontius u. a. Garnier, der das Synobilon noch nicht lannte und
50 —— erſt nachträglich aufmerkſam wurde, bat mit der Herausgabe der von
Diercator überjegten Predigten eine Sammlung der „Citate” 1, Die verdie
geivefen wäre, wäre er nicht von einer konftwuftionsiuftigen Willlur eher] = Jeweſe
die bis zum heutigen Tage die größte Verwirrung ang ius
bietet nämlich außer vier jog. antipelagianiſchen yaeın cn Baluze 120-1:
ss nier I, 76—85, bezw. 94, doch mit willfürlicher Umftellung von Ne. £
fünf sermones adversus dei genitricem: I Baluze p. 3—56 —1 Ga r
5—8; II Baluze p. 56—70 = VII Garnier II, 34-41; III Baluze ꝑ
IV Garnier II, 26—28; IV Baluze p. 74—87 — 'XH Garnier — 98:
p. 87--90 — XI Garnier II, 93--94 (eine andere Überj J
J—
etzung
eo 754 f.). Garnier bat num nicht nur die auch von einer Hanbfeiei
la = en 44
Reftorins 739
gebotene Reihenfolge diefer fünf Predigten willkürlich abgeändert: er hat ſich auch aus den
„Sitaten” acht neue Sermone konſtruiert (II: 8—11; III: 11—17; V: 29:--31; VI:
31—33; VIII: 65—66; IX: 66—67; X: 67; XI: 68), melde Marius Mercator
nicht bietet; wenigſtens ſtammt das Latein, das den griechifchen Fragmenten beigefügt it,
nur zu einem Zeile aus den Excerpta des Marius Mercator oder der von Garnier 5
irrig ihm zugejchriebenen Überfegung der Synodus Ephesina (Baluze p. 171---218), zu
einem Drittel iſt eg, wie eigentlich ſchon die gewaltige Verſchiedenheit der Sprache hätte
verraten jollen, das Yatein der von Garnier benugten Pariſer Cyrill-Ausgabe von 1638
(fo natürlih au „sermo III“ Gamier II, 13 alinea 2 bei ’Anedn yao, xri.). Weil
man dies nicht bemerft hat, bat man über die „vollftändige” griechiſche Erhaltung der 10
meisten von Martus Mercator überfegten Predigten des Neftorius ſich gefreut (Fabricius—
Harles, Walch), hat mit „hom.“ II, III, V, VI, VIII, IX, X und XI bei Garnier
operiert iwie mit den übrigen (Wald V, 343ff.; Hefele IT’, 152ff.); ja man bat ge
legentlihh na MSG 48, wo Garnier Tert obne das Griechifche abgedrudt iſt, alg
„Marius Mercator“ citiert, was lediglich eine von Garnier einem Gitat aus Gyrill 15
mitgegebne mobdern:lateinifche Überfegung ift 3. B. Hefele IT’, 153 Anm. 1 und ich felbft
oben Bd V, 640,2, wo MSL 48, 749 Drudfehler für 48, 769 it). Auch bei den von
Garnier wirflih nah Marius Mercator gedrudten Predigten ift man viel zu vertraueng-
jelig geivefen. Die Terte befinden fich in einem Zuftande heillofer Verwirrung, für den
zum Teil wohl fchon der Überjeper ſelbſt verantwortlich zu machen iſt. Dafür hier nur 2
ein Beifpiel, das für die Geſchichte wichtig ift. In der erjten Predigt über das Yeo-
töxos muß Neftorius das yosororoxos empfohlen haben (vgl. Nest. ad Joann. Mansi
V, 753f. und historia Evagr 1,7 MSG 86, 2 p. 2436); aber der sermo I bei
Marius Mercator, der mit Recht als der primus impietatis in ecelesia ad popu-
lum sermo bezeichnet ift, in quo primo de virgineo partu disputavit (vgl.
Baluze p.53 u. 157) bietet nichts derart, er iſt alſo unvollftändig. Es it wahr:
jcheinlich, Daß von den Eyrillcitaten einige aus dem verlorenen Teile dieſes sermo ſtammen.
Die Fragmente des Neftorius bedürfen dringend erneuter Unterfuchung; ich hoffe, in
dem Oſterprogramm der Univerjttät Halle für 1903 und 1904 einen Beitrag dazu geben
zu können. 20030
4. Der neſtorianiſche Streit wurzelte zweifellos darin, daß die antiochenische Bildung
des Neitorius und der mit ihm gekommenen Klerifer auf dem neuen Boden ihrer Wirk:
famfeit mit Traditionen alerandrinifcher Herkunft oder gar echt apollinarijtifcher Färbung
in Spannung geriet (vgl. Nest. ep. 1 u. ?2ad Cael. Mansi IV, 1021 ff.). Aber daß
die Gegenfäße, um die es fich dabei handelte, ſchon vor Ankunft des Neitorius in Kom: 35
ftantinopel Vertreter hatten, iſt an fich fo wahricheinlih, dag man es dem Nejtorius
glauben darf, er babe bei feiner Ankunft innerhalb der Gemeinde, bezw. neben ihr -
denn das Gros läßt er unbeteiligt erjcheinen - -- einen Spaltungen drohenden Streit
darüber vorgefunden, ob die Darin Yeoröxos oder dvdownoröxos zu nennen ſei (ep.
‘ad Joann. Mansi V, 753f.; historia bei Evagr. 1, 7 MSG 86, 2 p. 2436; vgl. a0
sermo I Baluze p. 54). Ehe Weftorius ſelbſt eingriff, ſoll nach Sokrates (7, 32) der
ihm nabheftebende und ibm gleichgefinnte Presbyter Anaftafius (vgl. Cyrill ep. 10
p. 644; Acta Eph. Mansi IV, 1345A u. D) gegen das Heoroxos ih ausgefprochen
haben. Die gleichzeitigen Quellen wifjen nichts davon. Wenn e8 doch Thatjache iſt,
iſts eine relativ bedeutungslofe Thatſache geweſen. Denn der ſcharf erkennbare Anfang 46
der „Tragödie“ war die oben in Wr. 3 bereits erwähnte Predigt, in der Neſtorius felbft
zu jener Streitfrage Stellung nahm (sermo I Bal. p. 53 - 56). Daß fie am 25. De:
zember 428 gehalten ſei, iſt eine unbeweisbare Annahme Gerniers (II, p. VII u. LIII);
jpäter war es gewiß nicht, wie der weitere Verlauf der Sache beweiſt. Ihr find bald
andere gefolgt ; was in der erften bereit gejagt tit, läßt fich nicht ficher gegen die nächſt—
folgenden abgrenzen (vgl. oben 3. 26f.). Es iſt das auch unnötig, denn daß ſchon
an diefe erjte Predigt allein ſich eine Oppofition angefchloffen habe, jagt feine Quelle.
Mehrere Predigten jet bereits der öffentliche Anfchlag voraus, der „160 „Sabre nach der
Verurteilung des Paulus von Samofata”“ (Mansi IV, 1009A; vgl. oben S. 320, 22)
— alſo vielleicht nohb 428 — den Bilchof des Samofatenismus anflagte (Mansi IV, 6
1008— 1012). Die bl. Synode von Epheſus behauptet, diejer Anjchlag rühre von den
Klerifern der Hauptitadt ber; allem es iſt ein einzelner, der in ihm redet. Diefer einzelne
war nach fpäterer Überlieferung der damals noch im Laienftande lebende Spätere Biſchof
Eufebius von Dorpläum, „der erjte, der Neſtorius überführte“ (Evagr. 1,9; vgl. Leon-
tius adv. Nest. et Eut. MSG 86, 1 p. 1389AB). Star ift es möglich, daß der wo
47°
[2
13
oa
ei)
zr
Neitorins
mit dem 1% N ee er et
— dien —— en De
——
non
sahen, (Bal. 55).
ern 2 — * Contest. a
"1,8 p. 50) flle Die Werfehter des Pnordios den Apanem zur denn diel
Dedrnros Bee are ei en —— — | } ale.
47 erregt dem Neftorin
Fir ie — —60
RE never pooem. 2p.t
— = — — eat. oben & 739,22).
3 * t t er dieſen inus it begrü u baben, da
wie die Termini »vids« und »xugros«, auf beide Naturen —— hinwe
Darlegung der Zweinaturenlehre und die auf ihr fußende Begründung
200 kn —— — bei Neſtorius ganz in den ber &
ich ernftlich, den Vorwurf zu vermeiden
— u Be ann (vol, Bo W. 49, 15 ff.), den Vor
— Ted, orög mal ds mügios” dAl' Eni 100
kovoyErvoVUs ums
Tos, more Ö8 rs —5 — deörnros Akyeraı (be u
2 pooem. an. p- 64) und: 6 (gıorög zara To »Aotorös« ddtaiperos’ oo
#5 Fyoner dvo X; —— obde Övo viovs’ oo dor re DT
TeDoc, obde »al ällos, oböb zalın viös zal Add
ö eis dom denkoüs, ob dfia, alla 7 güoeı (ib. 2,5 p. 84).
Nejtorius, obwohl er in Fan einen individuellen Menſchen fat
vioi (vgl, Bo IV, 49, ı0f.), die bei Diodor von Tarfus und Theodor von Mo
so unleugbar bervortritt, zu vermeiden ſuchte, jo fann man dem Marius Miere
änzlich widerfprechen, wenn er bei Nejtorius dadurd an Marcel (®d XII, 261,38 ff,
* erinnert ſieht, daß Neſtorius confitetur in verbo substantivo —— lilium
raro, licet argute, quia non expresse ab aeternitate filium dieit verbum esse,
sed verbum tantum, quod in substantia patris manens deus sit consubstan-
ss tivus ... filium vero illum esse et diei debere adserit, qui ie matten Biden
(Compar. dogm. Baluze p. 50f.). In der That bezieht N die meifte
Aus jagen von dem vlös ob Dsod auf den Adyos Evoanxos. iſt die
des Marius Mercator nur dann richtig, wenn mar, wie auch er mit dem „raro" yugiebt,
anerkennt, daß Neſtorius gelegentlich auch den Adyos Acapaog den Sohn Gott nennt
we ν ydo ö Veös Aöyos zal po rjc vrandownanoeos vis xal Deds uvam
H
ul
Neftorins 741
narot, ävelaße ÖE &v DorEpoms xaıpois mv Öovlov uoppnv. Aber feit der Menich-
werdung iſt der vios Beod nicht der Adyos an fih: AM’ GV oO Tovrov viös xai
xalovusvos uera ınv9 üvdinyıv od Övvaraı xaleiodaı xexworousrws viös, va um
ÖvVo viovs Öoyuariowuev (bei Cyrill adv. Nest. 2, 7 p. 88), viov yao £y&vynoe
Veov xal N yorororöxos napdEvos (ib. 2, 1 p. 69). Die nähere Begründung diefer 5
Behauptung if freilich wieder rein antiocheniſch: Zreudnneo 6 vios tod Beod Öinloüc
Eotı xara as pvoeıs, Ey&vınoe ev (scil. q xorotoröxos) Tov viöv Tod Veod,|oüx
EyEyynnoe Ö& ımv Deödınra,| Aid’ EyEvvnoe ınv dvdownöınta, Ns Eoriv viös did
tov ovynuu£vov viöv (ib. p. 69) und: dia To» YoooÜUVra ToVv Pogovusvov o8ße,
dıa TOV xEx0vuUUuEvVov N000xVv@ Tv paıwdusvov' AXWOELTTOS Tod pawoutvov Beös' 10
dia Todüro Tod un xworLousvov ımv uunv od —* w' xwoilw tüs poaeıs, AM’
ED mv n000xUvnow (ib. 2, 10 p. 100). Aber eine Modifilation der antiochenifchen
„Zweiteilung“ Chriſti liegt doch vor: wie Leo I. erflärte: agit utraque natura cum
alterius communione, quod proprium est, fo jagt au Neſtorius; 00x EZorı TOV
Deov Aödyov ävev is Avdownöıntos noäfai ı (bei Cyrill 2,7 p. 89). Hätte ı5
Nejtorius zur Zeit des Chalcedonenfe gelebt, er bätte eine Säule der Orthodorie werden
fönnen. Zwar von einer Einigung (&vwars) der Naturen redete er felten (Marius Merec.
Bal. p. 145), fein Terminus tar, wie der der älteren Antiochener: ovvdgpera ; aber diefer
Terminus war an fih unanftößig — auch Proflus, der bochgepriefene Gegner Des
Neſtorius, gebrauchte ihn (hom. ce. 8 Mansi IV, 585 B) — und für Weftorius war diefe 20
ovvyapeıa der Grund einer perfünlichen Einheit des gejchichtlichen Chriftus; dem 2»
ÖVo pVoeoıw dovyyüross, Argkntos, ddaıpkrws, dyweiorws des Chalcedonenſe (Bd V,
646, 15) hätte er gern zugeltimmt. eine Ghriftologie ruht auf der uralten doppelten
Beurteilung des geichichtlichen Chriftus, die auch das Fundament der abendländifchen
Chrijtologie war (vgl. Bd V, 637, 1ff.; X, 263, 36 f.): duoloyodusv rov vr dvdoano %
Deov, oEßousv Töv Ti; Vela ovvagpeia To navroxgdrooı VE OVUNGOCKVVOUUEVOV
äydowrov (bei Oyrill Apol. c. Or. anath. 8 MSG 76, 349D u. adv. Nest. 2, 12
p. 109). Was an diefen Morten und an der gefamten Chriltologie des Neftorius vom
Standpuntte der jpäteren Ortbodorie aus anftößig erfcheinen fann, entfpringt teil3 der Un-
möglichkeit, im Schema der von dem Adyos doapxos ausgepenben Naturenlehre den 30
legtlih an die religiöfe Beurteilung des hiftorischen Chriſtus anfnüpfenden Glauben an
die Menjchwerdung Gottes verftändlich zu machen (vgl. BD X, 250, wff.; 253, 17 ff.;
Bd IV, 49, 2ff.), teil®, wie es fcheint, den Inkonſequenzen, welche die twahrjcheinlich nicht
tiefe theologiſche Bildung des Neftorius fih zu Schulden kommen ließ. Wie ernitlich er
ſich bemüht hat, troß feiner Zweinaturenlehre in dem gefchichtlichen Chriſtus ein ein= 35
heitliches gottmenschliches Subjekt zu jeben, zeigt fih am deutlichiten darin, daß er —
gleichtwie Paul v. Samoſata (vgl. oben ©. 324, 18 ff.) — von der antimonotbeletifchen
Synode von 680 als Monvihelet denunziert iſt, weil er gefchrieben hatte; 00x dAlos
nv ö Veös Adyos xal Akkos 6 Ev ad yEyover Ävdownos‘ Ev yao Tv Auporlowv TO
no0ownov dfia xal Tun), N000xVvoVuevov napa ndons xrioews, underi Tod 7) 40
geöv ®dımu Bovins xal Veinuaros Öimpovusvov (Mansi X, 1120BC). Man
ann Theodorets Urteil verſtehen, wenn er den Neſtorius als einen Mann bezeichnet, qui
nihil praeter doctrinam sanam novi aliquid docuit (Fragm. einer ep. ad Alex.
Hierap. bei Mar. Merc. Baluze p. 3:38).
5. Wenn diefe dogmengeſchichtliche Beurteilung des Neftorius richtig ift (vgl. oben 5
©. 737, 11), wie erflärt fich dann feine Verurteilung? Hat die Lehre des Neftorius wirklich,
wie die Spätere Tradition behauptet, alsbald einen Sturm der Entrüftung hervorgerufen?
Erit dann, als Gyrill von Alerandrien dafür geforgt batte, daß er entjtand! Zwar hat
es in Konftantinopel dem Neftorius nicht an Widerſpruch gefehlt: Eufebius von Doryläum
unterbrach ihn einmal im Gottesdienft und denunzierte ihn in einem öffentlichen An: so
ichlage als Samofatener (vgl. oben ©. 739, 58); unter den Mönchen fanden fich eifrige
Opponenten (supplie. Bas. Mansi IV, 1102 ff.), und es ıft dem Neftoriug zuzutrauen, daß
er diefe ihm entgegentretenden Mönche -— wie fie lagen — nicht ſänftiglich angefaßt
bat. Auch die beiden Nivalen des Neftorius bei der Bifchofswahl traten auf den Plan.
Schroff opponierte der den Alexandrinern nabeftebende Philippus: er machte dem Neftorius 55
den Vorwurf der Ketzerei. Neſtorius vergalt Gleiches mit Gleichem: er ſah in Philippus
— wohl weil er die Gottheit für leidensfählg zu balten ſchien — einen „Manichäer“
und ließ ihn mit einigen Sefinnungsgenoffen durch eine endemifche Synode verurteilen
(Cyr. ep. 11 ad Cael. common. 5 MSG 77,88f.; Nest. ad Cyrill. Mansi IV,
897 D). Proflus muß perfönlich dem Neftorius näber geftanden baben: er bat — wohl eo
742 Reftorins
noch 429 —, wie die alte Ülberfchrift der betreffenden Predigt fagt, „in Gegenwart des
Neftorius (alfo ſchwerlich gegen deſſen Willen) in der großen Kirche zu Konftantinopel“
an einem Marienfeite gepredigt (Mansi IV, 577--588). Diefe durch ihre maßlofe
Rhetorik in hohem Maße abſtoßende Predigt ſteht auch theologifch dem Neftorius nicht
5 fo fern, wie zumeiſt angenommen wird (vgl. neben dem mehrfach vorlommenden „Eywous“
die „ovvapera“ c.8 p. 585B und c.2 p. 580 B die Rechtfertigung des Yeoroxos durch
den Hinweis darauf, daß der Logos feinen Tempel in der Maria fich gebildet habe).
Dennoch iſt die Predigt eine faktiſch gegen Neſtorius polemifierende Rechtfertigung des
Veoröxos (vgl. die Nachweiſungen in den Noten bei Garnier II, 25f.); Neſtorius bat
10 auch im unmittelbaren Anſchluß an dieſe Rede in einer Predigt ihre Ausführungen zu be:
richtigen gejudit (sermo III bei Baluze p. 70— 74, vgl. die Nachweiſungen bei Garnier
II, 27f.; die weiteren Predigten „gegen Proklus“ find Garniers Konftruttion.. Allen
wenn auch den Neſtorius aus all diefem, mie er jelbit an Gäleftin von Rom fchreibt, viele
Känıpfe und Mühen erwuchſen (ep. 1 Mansi IV, 1022D u. ep. 2 p. 1024C), fo darf
ıs man doc dieſe Konftantinopolitaner Wirrniffe nicht überjhägen: nicht nur Cyrill gegen:
über (ep. 1 Mansi IV, 897 D) behauptet Neitorius, die Kirche der Hauptſtadt jer in
blühendem Zuftande; er fchreibt auch den Gäleftin, daß viele der Irrenden Vernunft
angenommen hätten (ep. 1 MansiIV, 1022 D), und unverkennbar ift die Polemik zwiſchen
Proflus und Neftorius (vgl. namentlich die Nede des leßteren) in der Form fern von
u aller Berbitterung. Neftorius bat auch Ende des Jahres 430, fchon ehe er von Johannes
von Antiochien darum gebeten war (Joann. ad Nest. Mansi IV, 1062 ff.), mit feinem Klerus
eine Erklärung darüber aufgejegt, in welchen Sinne das Beoröxos gebraudyt werden
dürfe und folle, bat feinen Widerfpruch gegen den Terminus aljo aufgegeben (Nest.
ad Joann., Mansi V. 753 D), und Johannes von Antiochien meinte damals, die Un-
35 ruhe in Konftantinopel habe fich gelegt (Mansi V, 7560). Was Cyrill (ep. 11, 3 ad
Cael. MSG 77, 81BC) und die gegen Neftorius Tlagenden Mönde (Mansi IV,
1101AB) von einer großen Spaltung in Konftantinopel vermelden, verdient deshalb
feinen Glauben (Mal V, 448), und die oft und gern nacherzählte Mär der erwähnten
Mönce, „das Boll” habe geklagt: „Wir haben einen Kaifer, aber feinen Biſchof“ (Mansi
3 V, 11040), kann höchitens in Bezug auf den fleinen Bruchteil der Bevölkerung wahr
fein, der zu jenen Mönchen in Beziehung ſtand. Und diefe wußten, wenn fie fo ſprachen,
nicht, wie viel erbärmlicher ihr Kaiſer mar, als ihr Biſchof (vgl. die Charalteriftit
Theodoſius' II. bei Gibbon überfegt von Sporſchil ©. 1093 ff.). — Ohne Cyrill wäre fein
nejtorianischer Streit entitanden.
36 6. Neſtorius fcheint Schon in Antiochien Predigten für die Veröffentlichung vor:
bereitet zu haben (vgl. Gennadius de vir. ill. 53, oben S. 738, 1). Nach feiner
Biſchofsweihe hat er — fpätjtens Anfang 429 — diefe älteren Predigten [und Abhand-
lungen?] mit neueren, zu denen auch mehrere über das Heoroxos gebürten, zu einem
viele Quaternionen zählenden Bude vereinigt, und nach) Ausgabe desfelben find fpätere
40 Predigten des Neftorius wie weitere Lieferungen des bereits veröffentlichten Buches in
Girkulation gefegt. Nach Nom bat Neftorius ſelbſt einzelne Predigten oder jenes ganze
Bud früb bingejchidt (Cael. ad Nest, Mansi IV, 1027A, vgl. Cyrill ep. 13
p. 95 B); nad Aegypten kam eine Sammlung feiner Predigten wohl ohne fein Zutbun,
aber anfcheinend noch früher. Cyrill nahm daran, daß „einige leichtfinnige Leute ſich
durch fie einnehmen liegen,” - - wohl nicht lange nach Oſtern 429 (Garnier II, 41) —
Neranlafjung, in einem Briefe an alle ägyptifchen Mönche ohne Nennung des Neitorius,
aber in Auseinanderfegung mit jenen Argumenten, die Berechtigung des VJeoroxos Par:
zuthun. Abſchriften dieſes Briefes kamen nach SKonftantinopel und brachten denen, die
jte lajen, nach Gyrill (ep. 11, 1 MSG 77, 81C) fehr großen Nußen, d. b. fie ftärften
so Die dortige noch ſchwache Oppoſition, und brachten deshalb den Neftorius gegen Eyrill
auf (Cyrill ep. 2 ad Nest. p. 10 0). Einer der Presbyter des Neftorius, Photius mit
Namen, ſchrieb nun gegen Cyrills Brief; Neftorius lich ſich die Angriffe der „Häretifer“
gegen ihn einen Anlaß werden, in einer Predigt (sermo II bei Baluze p. 56—70) mit
Schärfe auszuführen, daß der Heös Adyos weder das Geborenwerden, noch das Leiden
55 babe erfahren können (vgl. Cyrill ep. 10 p. 64f.) Jene Schrift ſowohl wie dieje
Predigt wurde nad Alexandrien gejchidt, die Predigt unter dem Titel Z/oöc tovs dia
up» orvaqeıar i) TI)7 Vedınra Tod IoVoyevoüs ojuxgovvras N) Anodeouvıas rip
dvdownöry;ta (Cyrill ep. 10 p.65A) Noch ehe Cyrill von diefer Sendung erfuhr,
börte er von Alerandrinern, die in Nonftantinopel geivefen waren, von dem Untmillen des
ww Neftorius. Er fchrieb ibm deshalb --— etwa im Spätſommer 429 (Garnier II, 41) — den
[,
[ei
.-
.
iu Neſtorius
bonn hin Aegleitſchreiben an Cäleſtin (ep. 11 p. 80-89). Sn dieſem Briefe
ont ber gegen Eyvrill Jelbit ſchwebenden Klage woblweislich fein Wörtlein geſagt; Eyrill
into ade der eue und geduldige Hüter Der Orthodoxie: er würde geſchwiegen und
au Aeyerung Dev Neſtorius gewartet baben, bätte nicht kürzlich — Cyrill bat das erſt
il irn —patola dogmatiea um XNeſtorius erfabren — ein Biſchof Dorotheus in einer
Kude Kontantuopeld it Gegenwart des Neſftorius, der ſich Dadurch mitſchuldig gemacht
by. vun Anaidem UNE dielenuten ausgeiprechen. welche die Maria Veorbxoc nennen
NEUSS A, Den Velinker Errill erfennt man aber auch in dem Tugend:
Bin x NSS zer. daß ale Binbere im Urnente!) und in Macebonien mit ihm
RNKEPRAUIENGE BU XABK.. zube aber dem Cäleftin doch zu verfteben, daß es nötig jein
Sn. Ne ce Nulelbur Scne ibn, dem Corll, zuftimmendej Geftinnung den macebonifchen
ad du deiutiitöindin Yrbeoren ihriftlic zu erkennen gebe (p. 85 A). — Dieſer
Suin Zulnkug Seile, wie Zundung nach Hom, but vellen Erfolg gebabt. Wie das
N) te, JE anDter a TORE, de su ugen. Term, wenn auc im Abendlande dant
Ne une Imynputg Den Nr Finpert Nr gerichtlichen Terton Jefu das „deus natus“
an Duden site BO IV ne and V oT. T.:: were aud bier die Zenſurierung
Nv \upretar IN RV.L sr. in Name KR ummerue burte, daB die al endländiſche
Xruwialinaltusi Ne iius dei and Ns ame Cerito Bd—V, 41, 2ff. und 42, 1ff.)
ann α— Suriumn ie Zune men: ma EV, »,n ft.) verloren batte:
OU NW rerieriee — NDe Senpupe Dur Chalsefonamks kur es beivteien —, daß abenb-
sadiün Duni Nat Ydunfen Ne XNcittorius viel naher und als denen Cyrills. Hat
Sin vatltab ueltrdeit „ANT, Xcjtorius „made ml mn bloßen Menichen aus
Dein dot nom mn Anteil an Gott zu” (Q ad cleric. Const. Saife?
Mama), 0, 0° mark ent es fo. Denn die von Eileitin — wohl gleich nad)
e ine tens un Avsterrue durch den fpätern Papiı zer L ıngl. Bd XI, 368, 5f.)
pwerntue nd det set Nm Kenzil don Epheſus aeidrichmen Libri VII de incar-
νν „otra Nestorium des Johannes GCaifiamm: wuL Bo III, 748,35) find
“ste ra tin, Suben durch Gyrill und durch den dfintlichen Anjchlag des
Starte Da gelten une, vgl. 6, 3 mit Mansi IV, 1% D. Tab die Wege meifen
“hen Des went ech ein Umſtand den Gäleftin gegen Nowerius eingenommen zu
wa Non Abendiande verurteilten Pelagianer Cäleſtius um> Julian jamt drei an-
a. ünselen wenn nach Stonftantinopel gekommen und bartzen dert den Slaifer wie
x ooyhareber ui Sub zu gewinnen verfucht. Neftorius Dachte ie wenig pelagianiſch, als
a Dtirnateit moglich war (vgl. feine ſog. antipelagianiſchen Vredigten bei Marius
ku. Neue p. 119 130), aber er ivar von den Ereigniſſen im Tecident nicht unter:
ne den Ealeſtius, tie ein Brief an ihn (Baluze p. 131) beweiſt, für unfchuldig
J Sm romiſchen Biſchof in dieſer Sache entgegenzutreten. war freilich ſeine Ab:
ai ben in ſeinem erſten uns erhaltenen Brief an Cäleitin, der den Anfängen
. ebtwe angehören muß (Mansi IV, 1021 f.), erfundigt er ſich, was gegen Sultan
a wenöoſſen vorliege. In einen ziveiten auch noh aus Dem Jahre 429 ſtam⸗
oa Atarnier I, 70) Briefe, den mindeftene noch ein verlomer gleichen Inhalts
all, Wirderbolt er Die Anfrage. Wenig fpäter - - auch noch 429 — muß er übe
bBelagianer aufgeklärt jein dur) das Commonitorium des Marius Mercator (Ba-
up. 1221425 vgl. BD XIL, 343,207), Das nad) Marius Mercators eigener Angabe
Bial gr 152 Die Vertreibung der Belagianer aus Konftantinopel (ſchwerlich noch 129,
wa Garnier 1, > und 71 meint, fondern erft 430) zur Folge batte: jein dritter Brief
un Calekiin, der etwa in derfelben Zeit gejchrieben tft, da Gäleftin gegen ibn Stellung
min Auguſt 450 oder wenig jpäter), erwähnt die Velagianer nicht mebr. Gäleitin
willig. baß Neſtorius nicht pelagianiſch dachte (ad Nest. \affe? 374; Mansi IV, 1033 A),
abe ben ber Bertreibung der Pelagianer hatte er noch nichts gebört (ib. p. 1033 B).
Yu Keſterius dieſe Verurteilten ſchützte, batte ibm offenbar bei Gäleftin längſt geſchadet
db p 10); Cäleſtin hätte jonft auch wohl feine mehrfachen Briefe beantwortet,
ainflall taub Marius Mercator (vgl. BD XII, 343, 15f.) und fen Commonitorium ihn
une tn Kaiſer aufklären zu laſſen. Genug, Gälejtin bielt im Augujt 1430 — die Ey:
Hnobailbrieſe ſind vom IT. Auguſt Datiert - eine Synode in Nom (Cyr. ad Joann.
ep 15p. 96 BI und jchlog Den Nejtorius von der Kirchengemeinſchaft aus, falls er nicht
in ven nachſten zehn Tagen, nachdem ihm dieſer Beſchluß befannt geworden wäre,
»NRentlah widerruſe. In dieſem Sinne ſchrieb er an Neſtorius ſelbſt (Mansi IV, 1025 ff.),
a dan Klerus von Konſtantinopel (ib. 1035ff.), an Johann von Antiochien (ib. 1047),
an Juvenal don Jeruſalem und an Die macedoniſchen Bifchöfe (vgl. ep. ad Cyrill.,
746 Neftorins
Tert derfelben Uberjegung bei Mansi IV, 1099 f.), die feine Lehrweiſe zu ſcharfem Aus:
drud bradıten, zwar nicht das Beoröxos (fo ſchon Marius Merc., Bal. p. 144), aber
die Bezeichnung der Maria als mater dei verbi unter Anatbem ftellten. Und Ne
ſtorius war nicht der einzige, der an den Anathematismen Cyrills Anftoß nahm: Jo—
> bannes v. Antiochien fand, fie ſeien apollinariftiich und Cyrill kaum zuzutrauen (ep. ad
Firmum, Mansi V, 756); Theodoret (ed. Schulze V, 1 ff.) und Andreas v. Samojata
(vgl. Cyrill ep. 41. MSG 77, 228 C) ſchrieben gegen fie. Cyrills Verteidigungsichriften
gegen beide (MSG 76, 385 —452 und 316---385) find vielleicht noch vor dem Konzil
von Epheſus gejchrieben (vgl. Garnier II, 132; Wald V, 681). jedenfalls war jebt
m aus. dem „Wortjtreit” (Nest. ad Cael., Mansi V, 725D) eine die Kirche beivegende
Frage geworden. Und wie giftig die Gegner des Neftorius von ihm fprachen, zeigt die
„Widerlegung“ feiner Anathbematismen durch Marius Mercator (Baluze p. 112). Tod
wiſſen wir über die der Synode von 431 vorausgehenden Monate des Jahres 431 ſehr
wenig; die Nachricht des Marius Mercator, daß Rom die Anathematismen Cyrills ge
15 billigt babe (Bal. p. 142), ift uns deshalb unfontrollierbar.
8. Kaiſer Theodofius hatte in feinem Ausfchreiben die Metropoliten aufgefordert, mit
einigen „wenigen“ geeigneten Bilchöfen ihrer Provinz in Ephefus ſich einzufinden (Mansi
IV, 1113C). Zuerſt traf NReftorius mit feinen Bifchöfen in Epheſus ein (Soer. 7,34,2;
Evag. 1,3); daß «8 16 geweſen find, fchließt man ohne alle Sicherheit au Mansi V,
770. Gleichfalls noch vor dem vom Kaifer genannten Termin (Pfingiten; 7. Juni) fam
Cyrill mit nicht weniger als 50 Bilchöfen (Evagr. 1,3; Mansi IV, 1277 A u. 1381 D).
Johannes v. Antiochien mit den Bischöfen der Diöcefe Oriens ließ auf ſich warten, doc
langte jpäteftens anı 20. Juni (Mansi IV, 12720) ein Brief von ihm an Cyrill in
Epheſus an (Mansi IV, 1121), in dem er von unterwegs nach angeblich 30tägigem Reifen
>; (vgl. Die 40 Tage bei Mansi IV, 1272E) fein Kommen in 5—6 Tagen in Ausficht
ftellte. Auch die Gefandten des römifchen Biſchofs verzögerten ſich. Daß auf die Feblenden
gewartet werde, war die energifche Forderung des Comes Gandidian, den der Kaiſer
als feinen Kommiſſar nach Epheſus gejchidt hatte (Mansi IV, 1120A und V, 770Of..
Allein Cyrill und feine Parteigänger --- Memnon von Epheſus war fein Hauptbelfer,
su und 40 Bilchöfe aus Alien und 12 aus Pamphylien führte er dem Cyrill zu (Mansi
IV, 1381 D) — ließen ſich nicht zurüdbalten: troß fchriftlichen Proteſtes von 68 difjen-
tierenden Bifchöfen und troß aller Segenvorjtellungen des fatferlichen Kommiſſars (Mansi
V, 765. und 770f.; — beide Aktenſtücke fehlen in den corilliihen Alten!) eröffneten
fie am 22. Xuni mit 198 Biſchöfen die Synode (Mansi IV, 1123 ff). Daß Neftorius
35 troß mehrfacher Aufforderung diefer „Synode“ fich nicht ftellte, war nur korrekt. Man
verurteilte ihn gleich am eriten Tage, und nachdem über jeine Verhandlungen mit Cyrill
bis zu deſſen epistola synodica referiert und aus feinen Predigten [vor 430] eine Reibe
von Stellen vorgelefen ivar - - feine fpäteren, fonzilianten Ausführungen find ebenſowenig
erwähnt wie feine Anathematismen! - -, entfchied die „Synode“, daß der von Neſtorius
1 geläfterte Jeſus Chriftus durch die beiligfte Synode den Neftortus der bifchöflichen Würde
und überhaupt des geiftlichen Standes verluftig erfläre (MansiIV, 1212 D). Man fchlug
dies Urteil öffentlih an und ließ es auf den Plätzen ausrufen, doch Gandidian verbot
das Ausrufen, ließ den Anfchlag abreigen und fchidte ihn an den Hof (Mansi IV,
1264AB). Schon am 29. Juni fertigte der Kaifer ein untoilliges Schreiben aus, das
45 die Entfendung eines zweiten Kommiſſars ankündigte, energisch gemeinfame Beratungen
forderte und den Biſchöfen ftreng gebot, Epbejus nicht zu verlafjen, ehe die Sache unter:
jucht fei (Mansi IV, 1378f.). Schon ehe dies Schreiben erging, waren in Epheſus die
Antiochener angelommen, und am 27. Juni eröffneten fie zunächſt in Gegenwart des
faiferliben Kommiffars ihre Synode (Mansi IV, 1259 ff). Tiefe Synode erfommuni-
so zierte Die Bifchöfe, die mit Cyrill getagt hatten, und ſprach über Cyrill und Memnon
das Abjegungsurteil aus. 13 Biſchöfe unterzeichneten diefen Spruch (Mansi IV, 1268 .).
Non beiden Synoden gingen natürlich Berichte an den Kaiſer, und beide Parteien fuchten
durch Geſinnungsgenoſſen ibre Sache am Hofe zu führen. Wir haben über die Gefcheb-
nifje der nächſten 3— 1 Monate viele urkundliche Quellen, aber fie find zufammenbangles
55 und zumeiſt undatiert. Will man nicht in weitſchichtigſte Detatlunterfuchungen ſich ver:
kieren, jo mug man auf die Erzählung weniger Sauptjachen fich beſchränken. Erft im
Juli famen die römischen Geſandten. Sie ſchlugen ich auf Cyrills Seite, und die cyril⸗
liſche Partei bielt nun am 10. Juli mit ibnen eine zweite Sitzung ab (Mansi IV,
1279--91). In einer dritten Sitzung, am 11. Juli, traten die römischen Gejandten
so dem Abſetzungsurteil über Neftortus bei (Mansi IV, 1291—1305). Eine vierte, fünfte
748 Neftorins
Abſchluß. Cyrill bat zwar zu einem Widerruf feiner Anathematismen fich nicht verftanden,
ſonſt aber hat er mehr nadhgegeben, als er thun durfte, wenn Neftorius mit Recht ver:
urteilt war (vgl. Bo V, 637,36); und Johannes von Antiodyien Tann fih mit ibm in
den Ruhın teilen, auf Kojten feiner perjönlichen Ehrenhaftigfeit Frieden geitiftet zu baben.
5 Der Friede wurde, nachdem Paulus von Emeja ald Unterhändler Ende 432 in Aleran-
dria mit Cyrill einig geworden war, nad) Erledigung einiger durch zu weites Entgegen:
fommen Pauls geichaffener Schwierigkeiten perfett durch einen Brieftvechfel zwiſchen Cyrill
und Johannes (Joann. ad Cyrill., Mansi V, 289 ff.; Cyrill. ad Joann. ep. 39
MSG 77,175 ff.) und durch ein Schreiben, das Johann außer an Cyrill aud an Sirtus
100. Rom und Marimian v. Konſtantinopel richtete (Mansi V, 285 ff.): Cyrill acceptierte
ein von Johann ihm vorgelegtes Bekenntnis — es iſt bis auf den neuen Eingang und
den zum Charakter des Ganzen paſſenden Schlußfa das nach glaubwürdiger Nachricht
(Mansi V, 878EE, vgl. Wald) V,602) von Theodoret verfaßte, oben S. 747,» erwähnte orien-
taliiche Belenntnig von 431 (Hahn, Bibliothek, 3. Aufl, S. 2157.), das auch Neftorius
15 hätte unterjchreiben können; Johannes v. Antiochien genehmigte das Urteil der „heiligen
Synode“ (d. i. des cyrilliihen Coneiliabulum!) über Neitorius, belegte feine Lehre mit
dem Anathem und erfannte Marimian v. Konftantinopel an (Mansi V, 285 DE). Die
Forderung der Rehabilitation der auf Maximians Betrieb abgejesten vier Bifchöfe (oben
©. 747, 50 hatte Johannes v. Antiochien fallen laffen müffen; das Anathem über die Lehre
u des Neftorius war ihm fauer geworden. Daß Ddiefer „Friede“ der Anlaß zur Abiplitte:
rung der |perfifchen] Neftorianer von der Kirche wurde, iſt bier nicht zu verfolgen (vgl.
den Art. Neftorianer oben S. 723 ff.). Auch im Reiche waren viele Antiochener mit dem
Frieden unzufrieden (vgl. die intereflanten bei Wal V, 625. aufgeführten Briefe im
Synodikon); die Ehrlichen empfanden die Verurteilung des Neſtorius und feiner Lehre als
35 eine Schmach. Auch Theodoret, der bei Einleitung der Unionsverhandlungen ebenſo wie
der alte Acacius v. Beröa, das Orakel der Antiochener, einer Einigung geneigt geivejen
war, gehörte zu den Unzufriedenen. Nicht menige der Widerſpenſtigen bat Johannes v.
Antiochien im Bunde mit dem inzwischen in Konjtantinopel erhobenen Proflus (vgl. oben
©. 737,35) Ichließlich zur Anerkennung des Friedens gezwungen (Wald V, 630 ff.); ein
30 Theodoret und ein Andreas v. Samofata gaben gutivillig nad, da man ihnen mie an-
deren nachträglich Zuſtimmenden die Verurteilung des Neftorius erließ (vgl. Theodoret
ad Nest., Mansi V, 898f.); andere haben ſich abfegen laflen. Doc war eg möglid,
daß nach einigen Jahren ſelbſt entichtedene Freunde des Neftorius, tote der Comes re:
näus, Biſchofsſtellen erlangen fonnten (vol. Bd V, 638, 18 ff). Die dogmatiſche Frage
35 war nicht ausgetragen und bat erit im eutyebianischen Streit ihre, für die antiochentfchen
Traditionen günstigere Erledigung erfahren (vgl. den Art. Eutuches Bd V, 635 ff.). Aber
das Ephefinum Cyrills, das fein beſſeres Urteil verdient als das Ephejinum von 449
(Bd V, 642,12 ff.), war eine heilige Synode geworden, — und Neſtorius blieb verurteilt.
10. Ya in noch höherem Maße, als bis jett erfichtlich ift, hat Neftoriug die Koſten
10 des Friedens tragen müfjen. Gr lebte feit Herbit 431 in Antiochien (vgl. oben ©. 747,33),
nicht als Verbannter, fondern, wie er jelbit fagt, im Genuß aller Ehre (bei Evagr. 1,7
MSG 86, 2 p. 2436 C). Gäleftin v. Rom wünjchte freilid am 15. März 432 in einem
Briefe an die längſt aufgelöfte] Synode von Epbejus (Saffe* Nr. 385, Mansi V, 268 BC)
und in einem Schreiben an den Kaiſer (ib. 386; Mansi V, 271 B), daß Neftorius aus
45 Antiochien vertviefen und von aller menjchlichen Gefellfchaft entfernt würde. Doch Theo:
doſius iſt zunächſt nicht gefolgt: vier Jahre genoß Nejtorius den Frieden des antiocheni-
chen Klofteraufentbalts (Nest. bei Evagr. 1, 7 p. 24360). Am 30. Juli 435 aber
bat Theodofius ein ſcharfes Edikt erlaffen, das die Neftorianer mit dem Ketzerſcheltnamen
der Simonianer belegte und die Schriften des Neftoriug zu verbrennen gebot (vgl. oben
50 S. 738,54), und wohl zu ungefähr der gleichen Zeit ift Neftorius, wahrſcheinlich unter
Abänderung einer Berfügung, die ihn nad Petra [in Arabien?] verbannte (Mansi
V‚,255D; vgl. Wald V, 565), nad Oaſis in Agypten eriliert (Nest. bei Evagr. 1. c.).
Was den Hof jegt zu dieſer harten Maßregel beitinmte, wiſſen wir nit. Wenn Zada-
rias Rhetor jagt, Cyrill babe den Neſtorius nad Oaſis vertrieben (ed. Abrens und
5 Krüger ©. 92, 10f.), fo wird dies zu Cyrills Ehren als eine in honorem Cyrilli gebildete
monopbofitiiche ‚Fabel angejeben werden dürfen. Doc kann zuverläflig fein, was Eva:
grius (1, 7 p. 2437 A) berichtet, daß Johannes von Anttochten bei dem Kaifer die Ver:
bannung des Neſtorius beantragt babe. Denn Gvagrius fannte die „Tragoedia“ bes
Neitorius, und daß der edle antiochenische Bilchof durch feinen von ihm verleugneten
so Freund in Antiochien ſich geniert ſah, iſt begreiflih. Möglich iſt aber auch, daß Neito:
Neſtorius Netter 749
rius ſelbſt durch ſeine Tragoedia, die vor den Edikt vom 30. Juli 435 geſchrieben fein
muß (vgl. oben S. 738, 36), den Zorn des Kaiſers erregt hatte. — Im Exil in Oaſis lebte
Neitorius noch, als Sokrates bei dem Jahre 439 feine Kirchengefchichte abichloß (h. e.
7, 34, 11). Die Schaudergefhichten von dem Tode des Ketzers bei den Späteren find
wertlos (Wald V, 561 f.), die Nachricht des Zacharias Rhetor, Neftorius fei von Theo 5
dofius zum Konzil dv. Chalcedon berufen, aber unterwegs verendet (ed. Ahrens und Krüger
©. 4,18 ff.), iſt auch in ihrem eriten Teile nicht glaublicher; fie ift nichts als ein mono:
phufitiiches Zeugnis gegen das Chalcedonenfe. Neftorius ift früher geitorben: Schenute (geft.
1. Juli 451) jeßt in einer Predigt feinen längſt erfolgten Tod voraus (J. Leipoldt, Schenute, Diss.
phil. Leipzig 1903 ©.46). Was wir aus der Zeit nad) feiner Verbannung noch willen, hören
wir aus zwei Briefen von ihm bei Evagrius (1,7 MSG 86, 2 p.2440 f.): er ift bei einem Ein⸗
falle barbariicher Nomaden in Dafis gefangen und befreit worden, hat ſich dann felbit, „um nicht
der Flucht oder fonft eines Verbrechens verdächtigt zu werden“, dem Statthalter der Thebais
geitellt und iſt in deilen Auftrag binnen kurzer Zeit von einem Verbannungsort zu
einem zweiten, dritten und vierten gefchleppt worden. Ob er noch weitere Erbärmlich-
feiten hat erleiden müſſen, wiſſen wir nicht. Auch ohne dies ifts ein Schlußwort zu
feiner Geichichte, mas er nach feiner Befreiung durch die Barbaren dem Statthalter als
Begründung feiner Bitte um neue gejegmäßige Inhaftierung ſchrieb: va un naoaıs
&x rooᷣrov yevcals Toaymöntaı xpeirtov eivaı Bapßdowv alyudiwrov N) nodopvya
Baouelas dwualixnjs (Evagr. 1, 7 p. 2440C). Und jene Nomaden werden Heiden 20
geweſen fein, das römische Reich aber war „hriftlich” ! Loofs.
Nethiuim ſ. d. A. Levi Bd XIS. 421,0.
Netter, Thomas, auch Thomas Waldenſis genannt, geſt. 1431, der hervor⸗
ragendſte theologiſche Bekämpfer des Wiclifitismus. — Sein Hauptwerk: Doctrinale anti-
— fidei ecclesiae catholicae wurde gedrudt zuerſt in Paris, und zwar zuerit die 25
eiden legten die Sakramente und Salramentalien behandelnden Bände 1521 und 1523, der
erite Band erft 1532. Zum zweiten Mal wurden herausgegeben der 2. und 3. Band in
Salamanfa 1566. Die dritte volljtändige Edition, die im folgenden benügt wird, veranjtaltete
der Karmeliter oh. Baptijta Rubeo, Venetiis 1571 (3 Yoliobände). ine vierte Ausgabe
erfolgte ebenfall zu Venedig durch T. Bonav. Blandivtti (1757—59). Die ebenfall® ge: 30
wöhnlich Netter zugefchriebenen „Fasciculi zizaniorum Mag. Johannis Wiclif cum tritico*“
gab W. Waddington Shirler) heraus (London 1858). — Ueber Netter3 Leben und Schriften
handeln Blandiotti in der VBorrede zu feiner Ausgabe, Leland, Scriptores brittanici ed.
Hall, p. 441; Cave, hist. litt. II (1743), 112; „Shirley“ 1. c. p. LXXfj.; Lechler, Joh.
v. Wiclif und die Vorgeſchichte der Reformation II (1873), 327 ff. 35
1. Über das Leben Netters willen wir nur wenig. Ex mag gegen 1380 geboren fein
und zwar zu Saffron-Walden in Efier und führte nach feinem Geburtsort den Zunamen
Waldenfis. Seine Bildung erhielt er in Oxford. Er trat in den Orden der Kar:
meliter ein und wurde 1414 englifcher Provinzial des Ordens. Nachdem er Schon 1409
dem Konzil zu Piſa beigeiwohnt hatte, beteiligte er fih auch 1414 als Provinzial an 40
dem Ronftanzer Konzil, zugleich ale Mandatar Heinrichs V. Bei diefem König (1413 bis
1422) nahm er als Beichtvater und Geheimfefretär eine einflugreihe Stellung ein. An
der Verfolgung der Lollarden unter diefem König hatte er erheblichen Anteil, 3. B. bei
den Prozeſſen wider Lord Cobham (1413) und wider Wilhelm Sartor (1422). Im Jahre
1419 unternahm Netter eine Reife nach Lithauen, um den König Jagello mit dem Sroß- 45
meifter des Deutichordend auszujöhnen. Im Jahr 1431 begleitete er den jungen
Heinrich VI. zur Krönung nad) Frankreich und ftarb dort am 3. November 1431.
2. Bon feinen Schriften nennt Sixtus Senensis in ber Bibliotheca: Super
Sententias libri quatuor, Super omnes bibliorum libros postilla scholastica, In
libros ethicorum, In libros physicorum, In libros de coello et mundo, In libros so
de generatione, In libros meteororum, In libros de anima. Auf uns gekommen
find nur die beiden eingangs erwähnten Werke. Die Faseiculi, eine Sammlung von
Urkunden zur Geſchichte Wiclifs und der Lollarden, find nad) Shirleys Nachmweifungen,
denen Lechler zuftimmt, Netter mit größter Wahrfcheinlichkeit zuzufchreiben. Über die Ab:
faſſungszeit des Doctrinale antiquitatum fidei ecelesiae catholicae gibt das Werk 66
jelbft Auskunft. 1. Das erfte volumen, das die Bücher 1---4 des Werkes umfaßt, ift
Martin V. (feit 11. November 1417 Bapft) gewidmet. Die Widmung beivegt ſich in
Ausdrüden, die zeigen, daß der Papſt erſt feit kurzem feine Würde inne hat. Das führt
etwa auf das Jahr 1418, dazu würde im allgemeinen die Angabe der Widmung plus
far
0
u
6
750 Metter
ird. geb ra 1) {
su ka ve des britten Feen (= * 6). vi
ee ee a ee (Beide Urkunden zu Beginn des 2.
10 bezw. 3. Bandes der Ausg. von 1571.) Das geohe Werk wird Bea in Be
F ea. 1415 —— ea. 1429 entſtanden ſein. dies Werk knüpft ſich die geſchichtlich
wir den Inhalt der Schrift zu charakteriſieren. Das ı
ber — bei Wielif, daß er fidem denen dimidiat. —
1 seripta gelten; was Die fides illa ecelesiae communis aus den Vätern, ber
— sehen ftlichen Defreten angenommen bat, wird verworfen. Wichf maße
nis der Offenbarung an, jeine Anhänger wollen allein die heilige
—— — ſeien unbeilig (I praefat.). Die © werben:
finde prima ergo doctrina omnium haereticorum est transformare serip-
»o turas sacras ad detestabiles sensus suos, eadem verba dei sed alieno sensu
vestire (V praefat. doetr. 1). Dieſe Härefie bat ſich nun meit ausgebreitet, ganz Eng:
land iſt von ihr erfüllt, ebenjo Böhmen: Boemiae regnum totum y Wit-
elevistas esse possessum (V praefat. doetr. 10). — Dieſe Lehre will‘ wider⸗
legen. Er — ſich gewifjermaßen dem Maßſtab des Gegners, indem aus er bon
5 der Schriftlehre ausgebt, Ra dieſe ſoll verſtanden * nach der der älteren
Väter, Der Grundſatz des großen Biblieiſten nur seripturae auetoritas ‚ober ‚aber
revelatio a spiritu saneto speeialis reiche aus zur gu ng von Glaubensjä
er
F
will Netter im Prin ap nicht verdammen, aber er meint, d doch mus nur in der a .
aller Häretifer zur Dedung der Arglift dienen foll: non — tz ** sed
0 latentem damno eg —* astutiam versipelle arum ol denn )
5 eordi intelleetu. ecclesiae (IT, 8* Be an bie tatholiihe Kine ee
Wichf eben nicht thue (TI, 23) —, der verfteht die Schrift im Sinne der
Kirchenlebrer und der Hierarchie (ar, 24, 26). Will man, ee
anerkennen, jo werde Chriſtus, dag Haupt von jeinem Leibe, aejchn
Wohl könne man an der Autorität nur eines Vaters sweifeln, 1 = —
10 das Rämliche, jo: fidei robur habet (II, 25.21). Dayı fommt die kirchliche Gewohnbei en
dort eintritt, wo es an Urkunden feblt ober diefe voneinander abweichen. Ipsa-
tudo est animata fides ecclesiae (V, 109). Somit iſt qunächit — ci I F
— daß die Schrift nad) der Auslegung der katholiſchen Väter
eten der Hierarchie zu verſtehen ift, das Haupt mit feinem Xeibe i j ini
46 kommt ein zweites: erſt das Zeugnis der Kirche giebt den Büchern bie
ergo sine auetoritate testificantis ecelesiae non potest liber — esse aucto-
ritatis canonicae, Nun fann aber die Kirche nicht etwa auf Grund dieſer
den Autorität z. B. den vier kanoniſchen Evangelien das Thomasevangelium hing fügen
und zwar deshalb nicht, weil die Schrift einen abgejchlojjenen vollfommenen O —*
so mus bavjtellt: non posse iam augeri librorum numerum — lex Christi ia
attigit ad perfectum. Das Geſetz Chrijti befand ſich im AT im gendſtadium, in
Zeitalter Chrift: und der Mpoftel erreichte es den Abſchluß seine ; = bstums. Es iſt
jetzt vollendet; daher non dubium libri non reeiperentur in auctoritatem saeri
canonis nisi qui de illis temporibus apostolieis agerent et tune temporis essent,
ss quia aliter non facerent de divinis rebus fidem summam. Summa *
praesumptio foret, eos libros nunc probare, quos patres certa ratione —
quos libenter recepissent, si digni fuissent (II, 20). Die Kirde war al
einer inneren Notwendigkeit geleitet, wenn fie gerade diefe Bücher recipierte, Sera
jih dur ein Wort mie das Auguſtins „evangelio non erederem, nisi
so eatholicae commoveret auetoritas" jo wenig über die Schrift, als Philippus oder
GE.
152 Netter
zwei Drittel des Werkes aus. — Hinfichtlich der Kirche wird auf hiſtoriſchem Wege der Primat
des Petrus erwiefen (II, 1—7. 30ff.); gegen Wichfs Definition: ecclesia est prae-
destinatorum universitas iird gelehrt: ecelesiam militantem esse congrega-
tionem omnium vocatorum catholica societate iunctorum ..., et sic huius
5 ecclesiae membra sunt reprobi dummodo per se societatem non exeant vel
per censuras ecclesiae eiecti non fuerint (II, 9). Die Ratholicität und Apoftolicität
der Kirche haftet an ihrer Ausdehnung (II, 17. 18). Dann mird eingehend von der
von Chriftus gebotenen und von der Gefchichte anerfannten Autorität der Päpfte gehandelt
(II, 31ff.), von den beiden Schwertern (II, 49), den Bilchöfen (56 ff.), den pastores
10 secundi ordinis (Il, 63), dei Zehnten (II, 64), der graduatio scholastica (II, 67) x.
Die religio perfectorum wird bis auf das Alte Teftament zurüdgeführt (Setbiten,
Nechabiten, Samuel, III, 2ff.). Auch Chriſtus habe gebettelt (bei der Samariterin IV, 3)
und e8 auch die Apoftel gelehrt (IV, 5). Wichfs Grundfag nur befannten Armen etwas
zu geben, wird ebenjo vertvorfen, wie die von ihm und Wilhelm de s. Amore aus
15 gefprochene Forderung, daß die religiosi von ihrer Arbeit leben follen (V, 11. 22). —
Wichf ift der modernus hostis sacramentorum, der jchlimmer als alle Häretiler vor
ihm wider die Saframente wütet (V, 1. 17). Gegenüber der PVerflüchtigung der Safra-
mente in Symbole gilt: non est diffidendum in sacramentis salutis concurere
caput ecclesiae Christum ad salutem plebis .... nobiscum in pronunciatione
2» evangelii pacis, nobiscum indubie in sacramentis conficiendis, quia nobiscum
est in minoribus sanctificandis (V, 1). Auch ungläubige Priefter, auch praeseiti lünnen
die Sakramente Tonfizieren (V. 5 ff.) Die Abendmahlslehre Wichfs ftamme von Berengar
ber (V, 20). Dagegen: Hoc est, inquit, corpus meum; surge miser et rudis hae-
retice, tolle micas figuralium praedicationum tuarum, quae tibi sunt suaves. Nos
3 non audivimus, Christum dicere: hoc est corpus meum figuraliter, sed quid?
Hoc est corpus meum (V, 23). Die ſymboliſche Auffaſſung ſei vielleicht bei den
Chriſten nicht ganz jelten, aber foldhe jind infidelitate paganis peiores (V, 25).
Die Hoftie ift nicht nur ein efficax signum (V, 27); das Brot bleibt nicht (V, 35. 48),
aber eine Adnihilation an Materie findet nicht ftatt (V, 68). Die Hoftte ift anzu:
30 beten, da Ghriftus aud nad) feiner Menfchheit wegen der hypoſtatiſchen Einigung An-
betung gebühre. Ein Wiclifit babe freilich einst in der Kirche der erhabenen Hoftie den
Rücken gewandt und gemeint in eines dabeiftehenden hübſchen Mädchens Geficht fer Gott
befler als in der Hoftie wahrzunehmen (V, 26). Auch die utraque species wird be-
fampft, nur Matthäus ſage, alle ſollen trinfen, und werden „alle“ abjolut genommen,
35 jo müfle es auch von Kindern und groben Sündern gelten (V, 90). Nun fei zwar
die Transjubitantiation, wie Wichf jagt, fein articulus fidei trium symbolorum,
aber doch fei fie in der communio sanctorum enthalten, die Die communio omnium
fidelium in omni re sancta bezeidine, sed maxime in participatione sacramen-
torum, inter quae maxime servit articulus ille communioni eucharistiae (V,
#95 vgl. hierzu Seeberg, DG II, 127 Anm.). — Auch über die Taufe wird die übliche
Lehre vorgetragen und dabei — nad) jcholaftiicher Tradition — der Begriff „character“
unterfudt. Die Schrift, wie Epb 4, babe den Begriff, ebenjo die prisci patres und
die kirchliche Gewohnheit (V, 109). Der Charakter difponiert die Geele für Gott, ferne
Gebote zu erfüllen und die ſakramentalen SHeiligungen zu empfangen (V, 110). — Im
15 Abjchnitt über den Ordo wird die hierarchiſche Abftufung als urfprünglich erwieſen, und
zwar ſoll nicht die Demut und der Dienſt, wie Wichf will, jondern die differentia
graduum et honorum dieſe Abjtufung berftellen (V, 118). Zurückgewieſen wird der
bäufige Vorwurf Wichts, daß ſeit Konſtantin Prälaten und Kleriker caesarei geworden
jeten (V, 120). Im Bußfatrament wird bejonders die Ohrenbeichte als bibliſch begründet
so eriviefen, ſchon im Alten Tejtament komme fie vor (V, 135f.); und daß die Juden fie
noch heute haben, bat Netter auf feiner Reife nad Volen in Erfahrung gebradt (V,
137). Die potestas elavium iſt nicht, wie Wichf will, die potentia praedicandi
et exemplar virtutum praebendi fidelibus, ſondern die Gnadengabe zu löſen und
zu binden (V, 145). Nicht um eine bloße Kundmacung handelt es fich dabei, fondern
55 Gott wirkt Durch die Prieſter, obne daß der Wandel des Prieſters dies beſchränkt oder fürbert
(V, 146). Tie reservatio casuum diene der Ehre Gottes (V, 149). Die Unter
iheidung von Todfünden und venialen Sünden ſei zwar nicht dem Wortlaut nach in der
Schrift enthalten, wohl aber der Sache nad, fo ſchon in der Geichichte Kains, quia
nolens homo ad peccatum trahitur, non erit ipsi mortale quod non feeit, sel
ww quod patitur (V, 154). Die ventalen Sünden geſchehen per ignorantiam, non
Netter Nendeder 753
sponte, aus Schmwachheit wird das Gebot übertreten, während es bei der Todfünde ver:
achtet wird (V, 155).
Das lebte Buch handelt eingehend von den Saframentalien. Da ift etiva die Rede
vom Gebet, von den jakramentalen Riten, von der Meile, den Fürbitten, der Heiligen:
verehrung, der Kanonifation, den Wallfahrten, von der Heilighaltung des Sonntags durch
Ruhe (VI, 140), dem Kirchbau, der Bilderverehrung (das übliche Bild der Trinität VI,
155), der Anbetung des Kreuzes ıc.
4. Die yeichichtliche Bedeutung des großen Werkes beiteht darin, daß es 1. dem
MWichfitismus gegenüber den theologischen und praftiichen Standpunkt der fatholifchen
Kirche feitlegt; 2. daß dies in zeitgemäßer Form geichieht: nicht fcholaftiich, fondern 10
biblisch-patriftiich it das Beweisverfahren; nicht um fpelulative Dogmen, fondern um
die Feſtſtellung der Autorität der Kirche, um den Erweis des Rechtes der faframentalen
Praxis mit allen ihren Anhängjeln, um die Lebensleitung und Lebenshaltung handelt es
fih bei Netter. Eine Reduktion findet ftatt mie hinſichtlich der Gegenftände, fo auch der
Beiveismittel, bemefjen an der Zeit der großen Scholaftifer. 3. Dadurch hat Netter 16
die Konzentration der Tatholifchen Theologie anzubahnen geholfen, die das Tridentinum
fpäter durchführte. 4. Zugleih hat er aber ein Arfenal von Waffen für die katholiſchen
Polemiker der Gegenreformation gefchaffen — tie Bellarmin — und ijt vorbildlich für
ihre Stoffauslefe und Beweismethode geworden. Wie hoch man in diefer Zeit das Wert
hätte, bezeugt feine Geſchichte. Es iſt im 16. Jahrhundert nicht weniger al3 dreimal, 20
und dann noch einmal im 18. Jahrhundert gebrudt worden (j. oben und Lechler, Wichf
II, 329 f.). N. Seeberg.
Nenbrigeufis, Wilhelm von Newburgh oder Nemborough, englifcher Ge:
ſchichtsſchreiber, geit.1198 (2). — Ausgabe der Historia und der Sermones von Th. Hearne,
3 vols, Ogford, 1719; der Historia allein: von Sylvius, Antwerpen 1597, Commelinur 25
Heidelbergae 1587; 9. &. Hamilton in den Ausgaben der English Historical Society. 2 vols
1856; R. Howlett in Chronicles of the reigns of Stephen, Henry II and Richard I vol. I
and II, Rolls Series 1884/85; ausgewählte Stellen edierte R. Pauli in SS 27, 224 ff. Zur
Bibliographie vgl. Hardy, Descriptive Catalogue of British History II, 513 ff. Zur Biogra-
phie: F. Liebermann, R. U. 4, ©. 18; R. Pauli a. a. ©. ©. 221 ff.; Howlett in der Intro: 30
duktion feiner Ausgabe; Kate Norgate in Dictionary of National Biography 61, ©. 360 ff.
Wilhelm, mit dem Zunamen Parvus (Petyt oder Short), wurde im 1. Jahre
König Stephans (26. Dezember 1135 bis 25. Dezember 1136) zu Bridlington in Nort-
ſhire geboren. Als Oblate in dein 1145 gegründeten Auguftinerhorberrnitift Newborough
bei Coxwold erzogen trat er fpäter felber in das Stift und ftarb dafelbjt als Chorherr 36
nah Mat 1198. Er hinterließ mehrere theologische Werke: 1. einen Kommentar zum
hohen Liebe, noch ungedrudt, Handſchrift Cambridge Univerfity Gg. IV, 16, drei ser-
mones und 2. ein großes hiſtoriſches Werk, Historia rerum Anglicarum, verfaßt
wifchen 1189 und 1198 Mat auf Anregung des Zilterzienferabtes Ernald von Rievaulr,
Horfihire: Buch 1 fummarifche Darftellung der Zeit von 1066—1154; Buch 2 die erften 40
20 Jahre Heinrichs II. 1154—1172; Bud 3 das Ende von Heinrichs Regierung;
Buch 4 die Zeit Richards I. bi8 1194; Buch 5 die Ereigniffe bis Mai 1198. Der
Ruhm Wilhelm! gründet ſich vor allem auf die fcharfe Kritil, die er in dem Prooe-
mium an ven „lächerlichen” und „unverſchämten“ Dichtungen des großen walliſiſchen
Lügner Geoffrey von Monmouth übt. Freeman preift ihn deswegen geradezu als eriten «s
kritiſchen Gejchichtsichreiber Europas. Aber nıan darf nicht vergeflen, daß diefe Kritik
nicht von der Liebe zur Wahrheit, fondern vom Haß infpiriert if. Denn W. haßte die
Kelten faſt ebenfo wie die Heiden und Juden. Immerhin übertrifft er an Weite bes
Blid3 und Beionnenheit des Urteils fämtliche Hiftoriter des 12. Jahrhunderts. Dan hat
ihn wohl geradezu mit feinem großen Landsmanne Baeda verglichen. Er hat von Baeda 50
in der That gelernt und erinnert auch injofern an ihn, als er Hiftorie im großen Stile
fchrieb, ohne je die Grenzen feiner Heimatprovinz überfchritten zu haben. H. Böhmer.
Neuburger Religionsgeipräd |. Bd III ©. 707, 18.
or
Neudeder, Johann Chriftian Gotthold, geit. 1866. — Netrolog in der Go:
thaiſchen Bund r. 163 v. 14. Juli 1866. AdB XXI ©. 479 ff. Der folgende Artitel 66
beruht außer auf dem angef. Nekrolog auf Mitteilungen von Frl. E. Neudeder in Berlin,
Dr. &. Schneider, Dr. H. Georges u. Fr. Hennide in Gotha.
Johann Chriftian Gotthold Neudeder, ijt den 10. April 1807 in Gotha geboren.
RealsEncyllopäbdie fir Theologie und Stirche. 8. A. XI. 48
754 Neudecker
Er empfing in der Taufe die Namen Johann Gotthold, die auch ſein Grabſtein auf dem
dortigen Friedhofe trägt, wurde aber von ſeinen Eltern, Johannes N. und Anna Dorothea
geb. Rus, mit dem Rufnamen Chriſtian belegt und hat ſich ſelbſt auf den Titeln der
von ihm verfaßten Werke ſtets „Chriſtian Gotthold N.“ genannt. Er beſuchte das hei—
b miſche Gymnaſium, welches damals F. W. Döring mit glücklichem Erfolge leitete, in den
Jahren 1816— 1826. Zu Oſtern 1826 bezug er die Univerſität Jena, mo er drei Jahre
lang der Theologie und daneben der Gefchichte und Pädagogik oblag und am Ende feiner
Studienzeit als Doktor der Philofopbie promovierte. Nachdem er in Gotha das theo-
logiſche Kandidatenexamen bejtanven batte, ging er nad) Leipzig, um fih als Dozent an
ı0 der dortigen Hochjchule niederzulaflen; da aber feine befchränkten VBermögensverbältnifie
die Ausführung diefes Planes vereitelten, fo übernabm er nad einer miflenfchaftlichen
Reife in Süddeutſchland und dem Elfaß die Stelle eines Hofmeilters in der ‘Familie der
Reichsgräfin Heſſenſtein zu Kaſſel und bielt auf diefem Poſten mehrere Jahre aus, teil
ihm die an Urkunden der Neformationszeit reiche Bibliothek erwünſchtes Material für
1 N Lieblingsjtudten darbot. 1832 nach Gotha zurüdgelehrt, lebte er bier bis 1842 als
rivatgelehrter und beichäftigte fich teils mit der Ausarbeitung Firchengefchichtlicher Werke,
teils lieferte er Beiträge zu 8. G. Bretichneiderd „Corpus Reformatorum“, ſowie in
H. Gräfes „Neue allgemeine Schul-Zeitung“, die Darmitäbter „Allgemeine Kirchen-” und
„Allgemeine SchulzZeitung“, F. W. Coof8 „Pädagogiſche Litteratur- Zeitung” u. |. m.
0 Den Gedanken an eine geiſtliche Yaufbahn hatte er inzwifchen fo vollftändig aufgegeben,
daß er felbit einen an ihn ergangenen Ruf als Superintendent in Altenburg unbedenklich
ausſchlug. Geiner äußeren Stellung nad immer noch Kandidat der Theologie, trat er
endlich im November 1842 in ein jeiner Neigung zufagendes Amt ein, als ihn nämlid
das herzoglihe Oberkonſiſtorium zum eriten Lehrer an der von A. M. Schulze geleiteten
25 Rnabenbürgerfhule in Gotha ernannte. Im Sanuar 1843 erhielt er den Titel eines
Konreftors, ohne daß fein fpärlicher Gehalt von 300 Thalern dadurch geftiegen wäre,
wurde am 1. April 1855 zweiter Rektor der Garnifon- und Erfurter Vorſtadtſchule mit
einem mäßig erhöhten Sabreseinfommen und im Oftober 1860 mit einer Einnahme von
800 Thalern Direktor der Bürgerfchule. Nachdem er vorher noch im Auftrage des berzog:
30 lihen Miniſteriums die Mufterfchule in Frankfurt a. M. befucht hatte, um fich mit deren
Einrichtungen befannt zu machen, wirkte er fortan als Leiter des umfangreichen ftädtifchen
Schulweſens mit pädagogischer Einfiht und bedeutenden Erfolge bis zu feinem Tode am
11. Juli 1866. Indem cr bemüht war, die von feinem Amtsvorgänger angebahnten
Verbejferungen iveiter zu führen, befeitigte er Mängel und Gebrechen der verfchiebeniten
35 Art und erſetzte Veraltetes durch beiferes Neues, wodurch er das Schulweſen Gothas auf
eine rühmliche Etufe emporhob. Auch als Yebrer wußte er jeine Schüler anzuregen und
zu begeiſtern; vornehmlich geſchah dies int Neligionsunterrichte. Neudeders fchriftitellerifche
Arbeit trat neben feiner Lehr: und Auffichtsthätigfeit mehr in den Hintergrund, und fein
umfangreicheres Werk ift in diefer legten ‘Periode feines Lebens von ihm vollendet worden.
40 Dagegen bat er immer noch feine Beiträge in Zeitfchriften gejpendet und auch eine Reibe
firchengejchichtlicher Artikel für die erfte Auflage diefer Enchklopädie geliefert. Won felbit-
jtändigen, meist Tirchengefchichtlichen IBerten aber bat er in früheren, von der Schule
weniger beengten Jahren die nachbenannten herausgegeben und namentlih dur die auf
die Reformationszeit bezüglichen der Miffenfchaft fich fürderlich erwiefen: „Allgemeines
5 Lerilon der Religions: und chriftlichen Kirchengefchichte für alle Konfeffionen“ (4 Bde,
1834. 35; Zupplementband 1837); „Urkunden (212) aus der Reformationszeit” (1836);
„Merkwürdige Aktenftüde aus der Zeit der Neformation“ (2 Abt., 1838); „Lehrbuch der
bijtorifchefritiihen Einleitung in das Neue Teftament mit Belegen aus den Duellen:
jehriften und Gitaten aus der älteren und neuen Litteratur” (1840); „Neue Beiträge zur
bo Geſchichte der Reformation, mit biftorifchekritifchen Anmerkungen“ (2 Bde 1841); öe
ſchichte der deutſchen Neformation von 1517— 1532” (1842); „Die chriftliche Kirchen:
gejchichte der neueften Zeit von Niffel, oder das neuefte Schmählibel auf Luther und
die proteftantische Kirche, twiljenfchaftlih beleuchtet und widerlegt“ (1843); „Geſchichte
des evangelifchen Protejtantismus in TDeutjchland für denfende und prüfende Chriften“
5(2 le, 18:41— 46; wohlf. Musgabe, 1850); „Die Hauptverfuhe zur Bacifilation der
edangeliich -proteftantifchen Kirche Deutichlande von der Neformation bis auf unfere
Tage” (1816). Kerner lieferte er eine Fortfegung von W. Münfchers „Lehrbuch der
hriftlichen Dogmengefchichte” (3. Aufl, 1832—34) von der 2. Hälfte der 2. Abteilung
an (1838), bearbeitete die 3. Auflage von Chr. Defers „Weltgefchichte für Töchterfchulen
vo und zum Privatunterricht für Das weibliche Geſchlecht“ (3 Tle, 1848) und die 3. Auf
Nendeder Nenjahräfeft 755
lage von desjelben Verfaſſers „Kurzer Leitfaden der MWeltgefchichte für Töchterfchulen”
(1850) und gab heraus: „Handfchriftlihe Geſchichte Matthäus Nabebergers über Luther
und feine Bett, mit litterarifchen, kritiſchen und hiltorifchen Anmerkungen“ (1850), ſowie
gemeinschaftlich mit Ludwig Preller: „Georg Spalatins bijtorifcher Nachlaß und Briefe”
(1. Bd: Friedrichs des Weifen Leben und Zeitgefchichte, 1851). Was er fonjt noch an
bandichriftlihenm Material für das letzte Werk zufammengetragen hatte, das vermachte er
vor jenem Tode der berzoglichen Bibliothef in Gotha, wo es als „Neudederjche Sanım-
lung Spalatinifcher Briefe und Schriften” zu fünftiger wiſſenſchaftlicher Benugung bereit
liegt. A. Schumann.
⁊
Neues Teftament |. Kanon des NTs Bd IX ©. 768ff. 10
Nenjahrsfeft, chriſtliches. — Vgl. die Artikel Feſte, kirchliche, Bd VI, S. 52 ff. und
Kirchenjahr Bd X, ©. 393 ff., und die bei ihnen erwähnte Litteratur. Aus dieſer iſt beſon—
der? zu verweilen auf: Bingham, Origines vol. IX, p. 6 8q.; NRheinwald, Die kirchliche Ar—
chäologie, Berlin 1830, ©. 223 ff.; Achelis, Lehrbud) der praktiſchen Theologie?, I, Yeipz. 1898,
©. 278 ff.; Weber und Welte, Kirchenleriton ?, IX (1895) Sp. 183 ff.; Grotefend, Zeitrechnung I,
©. 22, u. IL, b ©. 191 Cireumeifionsitil, I, S. 89 Jahrestag, S. 134 Neujahrstag; aud)
©. 61 festum calendarum. Ueber die voltstümlichen Feiern und ihre Bekämpfung durch die
Kirche vgl. auh Du Gange unter cervulus und kalendae; außerdem C. P. Bafpari, eine
Auguftin fälfchlich beigelegte homilia de sacrilegiis, Chrijtiania 1886, ©. 10, 12f., und be:
fonder3 die Anmerkungen ©. 33 ff. und ©. 49. 0
Schon in vordhrijtlicher Zeit und fodann in den erften Jahrhunderten unferer Zeit:
rechnung wurden in Rom und im römischen Reiche die calendae Januariae als ein
Öffentlicher Feittag begangen. Die Feier galt dem Anfang des neuen Jahres, der ich
auch namentlich dadurch bemerkbar machte, daß die höchſten Staatsämter von den zu
ihnen Erwählten an diefem Tage angetreten wurden. Die Seit geihah im: Anfchluß
an die Satumalien und auch in ähnlicher Weife. Bei den Kaifern fand ein beſonders
feierliher Empfang jtatt; fie nahmen Neujahrögefchenfe (strenae), auch in Geld, an und
erwwiderten fie teilmeife. Das Volk überließ fih lauter Freude; man befchenkte ſich, be=
luftigte fi) mit Spielen, Gefängen, Scherzen und Mummereien aller Art; beſonders be-
liebt wurden auch allerlei abergläubifche Gebräuche und Berrichtungen, durch welche man wo
bewirken wollte, daß das Jahr ein glüdliches werde, oder aus denen man die Zukunft
erforjchen wollte; nur zu häufig arteten dieſe in Nohheiten und unfittliches Treiben aus
und waren mit vügellofen Ausschweifungen verbunden. Gegen foldyes heidnifches Un-
weſen fonnte fih die chriftliche Kirche nur abwehrend verhalten; und weil auch getaufte
Chrilten an ihm teilnahmen, wurden vielfach in den Kirchen gerade am 1. Januar ernite ss
Straf: und Bußpredigten gehalten, in denen die Ghriften vor diefem Unfuge gewarnt
und zum Halten am Belenntnid ermahnt wurden; es ward ihnen Almofen ftatt der
Neujahrsgeichenfe, Falten ftatt der Schwelgereien, Leſen in der Schrift ſtatt Singens
fhänblicher Lieder empfohlen. Solche Neujahrspredigten haben wir von Ambrofiug,
Auguftin, Petrus Chrofologus, Maximus Taurinenfis u. a.; in ihnen wird die übliche 40
volfstümliche eier der calendae Januariae wegen ihrer Ausartung jcharf getadelt und
in der Teilnahme an ihr ein Rückfall ins Heidentum gefeben, wie das auch ſchon Ter:
tullian that (de idololatria cap. 14, in Corpus sceriptorum ecclesiast. lat. vol. XX,
p. 46); aber einen Hinweis auf den Anfang eined neuen Jahres finden wir in ihnen
nicht. Vol. auch Auguftin contra Faust. XX, + (Migne patrol. Bd 42 Sp. 370): 4
solemnes gentium dies cum ipsis celebratis, ut calendas et solstitia. —
Eine Aufforderung zur Begehung einer Neujabrsfeier im chrijtlichen Sinne finden
wir zuerſt (2) in einer Homilie des Chryſoſtomus (387%), die fih im übrigen auch gegen
jene heidniſchen Unfitten wendet; vol. Rheinwaldt a. a. D. S. 230, Anm. 6 (deutſch in
Augufti, Denkwürdigfeiten LS. 314 ff). Da die Teilnahme der Chrijten an diefen Feiern co
fortdauerte, wurde jpäter zu Neujahr ein dreitägiges Falten (31. Dezember bie 2. Januar)
angeordnet, durch welches die 14tägige Feltzeit von Weihnachten bis Epiphanias unter:
brochen ward. So jeßte dad Coneilium Turonicum II. vom Jahre 567 im 17. Kanon
feſt: ..., et quia inter natale domini et epiphania omni die festivitates sunt,
itemque prandebunt. Exeipitur triduum illud, quo ad calcandum gentilium :;
consuetudinem patres nostri statuerunt privatas in calendis Januariis fieri
litanias, ut in ecclesiis psallatur et hora octava in ipsis calendis ceircum-
cisionis missa deo propitio celebretur; — vgl. aub im 22. Kanon: Enimvero
quoniam cognovimus nonnullos inveniri sequipedas erroris antiqui, qui ca-
48
ur
—
1)
5
756 Nenjahrsfeit
lendas Januarii eolunt, eum Janus homo gentilis fuerit, ...., eerte hie non
potest integer Christianus diei, qui aliqua de gentilitate custodit (Bruns, Ca-
nones apostolorum ete. II, Berolini 1839, p. 227 und 235 d). Aud in den Yetim:
mungen jpäterer Konzilien, wie in denen der Konzilien Narbonne 589, Rheims 624
5 oder N A 650, wird unter andern verbotenen * Gebräuchen auch die
Feier des 1. Januars und die bei ihr übliche — änner in — oder
alte Meiber erwähnt und den Prieftern eingefiärht, & eichen nicht zu dulden (
—— Inquiſition und Hexenprozeß im M X, Münden und Sehgig 1900, .43).
in einem Formular für das Verhör von folchen, die der dololatrie und des Ma-
10 Tefichume verbä tig waren, durch bie ns haereticae pravitatis aus der Zeit
ropter annum novum feeit aliquid —— boni fati, dando * invicem ali-
wid pro —— (Hanfen, Quellen und Unterſuchungen zur —— Hexenwahns,
onn 1901, ©. 43, 3. 19 ff). — Inzwiſchen war, nachdem bi * des Weihnacht
15 feſtes am 25. Dezember in der Kirche angeorbnet war (um die Mitte des 4.
vgl. Bd VI, ©. 55,15 ff.; nach Ujener im Jahre 353, Adelis a. a. D.
1. Januar zur oetava natalis domini geivorden und dadurd) wurde er
e eircumeisionis et nominis Jesu. Als —* Zuee dafür,
rd jo als Nachfeier des Weihnachtsfeſtes beging, ein ° aus dem
0 in nfang des 5. Jahrhunderts genannt, Almachius ic — oder —— der
am 1. Januar den Märtyrertod erduldet haben jo
minici diei sunt, cessate a superstitionibus idolorum et a sacrifieiis -
vgl. Acta sancetorum ,,.collegit... Bollandius, Januarius Tom. I, Antw. 1643,
fol., p. 31. Der eodex Fuldensis aus Mia Jahre 546 giebt in einem en
25 firchli er Xeltionen für Die verſchiedenen age auch eine de eircumeisione do
nämlich Nömer 15, 7 u. 8; vgl. die abe. dieles Koder von Ranle, Marburg, =
Leipzig 1868, ©. 165 u od. Da Das Kl zu Tours 567 eine missa eircum-
cisionis anordnete, Kaben wir ſchon oben. Beda (geit. 753) bielt am 1. Januar eine
omilie de eireumeisione (deutſch bei Augufti a.a.D. ©.317 ff). Im rö *
»0 framentarium des Thomaſius, im Missale Gothicum bei Mabillon, im
Karls des Großen ift der Tag als eireumeisio domini bezeichnet, in ber Ehre
er (get. 766), in den Kapitularien der — ** in ben | — *
ode zu Mainz (813), auch bei Beda und Aelfrik als oetava domini, octava na-
domini oder ähnlich. Hier überall wird, wie — den Homilien —
35 Zeit, wieder nirgends auf den Jahresanfang Nücficht genommen; die Kirche
eigned Jahr, das in Deutſchland meiftens mit Weihnachten begann, Bergen auch ‚ni a bem
1. März, mit dem 25. März oder mit —— ſpäter mit dem 1. Advent begonnen wurde
vol. Bd IX, ©, 718, aff. Deshalb konnte Martin von Bracara etiva 572 von bon
error ſprechen der ignorantibus et rustieis hominibus subrepit, ut calendas Ja-
40 nuarias putent anni esse initium, quod omnino falsissimum est; val. E. P, Ga-
Ipati, Martin von Bracaras Schrift. de correctione rusticorum, Shriftiania 1883,
©. 12f. Und fo it denn auch un Missale Romanum und im Breviarium Roma-
num ber 1. Januar nur als eireumeisio domini bezeichnet und in den —*
beſtimmten Sprüchen, Lektionen und Gebeten auf den Anfang eines neuen Ja
15 Ruckſicht genommen. Da aber im bürgerlichen Leben das Jahr nad wie vor
mit dem 1. Januar begonnen wurde, wie denn auch, fo viel uns befannt, alle Hal
an diejem Yabresanfange — und im bürgerlichen Rechte, ja fpäter auch im #
lichen Rechte (vgl. Grotefend a. a. O. I, ©. 22» unten) nur diefer Jabresanfang ge
jo fonnte auch die Kirche ibn ie t auf ‘die Dauer unberü ichtigt laſſen. Als frübjte:
so Zeichen einer Beteiligung der Kirche an der Feier des Neujabrstages im Abendland
wohl das festum calendarum gelten, auch festum fatuorum vder
festum hypodiaconorum genannt, das fid) namentlid in Frankreich vom 10, Jabrh.
an?) nachweiſen läßt, bis die Sorbonne es im Jahre 1444 verbot (vgl.ob.S.651f.); —
eine Überbietung jener erwähnten heidniſchen Volksfeiern verbunden mit Verzerru g und
65 Merböhnung kirchlicher Gebräuche, Die u ar nievere Klerus erlaubte, eine bäßli
Karrifatur einer erniten kirchlichen eier. Weniger anftößig war die Sitte, „Das ‘ teuja |
bon ber Kanzel auszuteilen“, die jih in den legten Jabrbunderten des MA, aus sbildete
und von den Predigermönden aufgebracht fein joll. Sie beitand darin, daß der Predige
am Neujahrstage feinen Zubörern nad ihren verſchiedenen Ständen border 9 teujabrs
co wünfche auf der Kanzel ausſprach. Es konnte das außerordentlich geichmadles und ohne
&3
— An
Nenjahrsfeft Neumanicdhäer 757
den rechten fittlichen Ernſt gefchehen, wie z. B. in einer Predigt des ſonſt als Prediger
berühmten Auguftiner-Eremiten Gottſchalk Holen, Lektors im Kelofter zu Osnabrüd, geft.
nad) 1481 (vgl. diefe PRE* XVII, 5i1f.; Cruel, Gefchichte der deutfchen Predigt im
MA., Detmold 1879, S. 505; AdB XI, 758; jeine sermones fcheinen exit 1517 ge
drudt zu fein). Gegen folden Mißbrauch der Karel ſprach fi) dann befonders auch 5
Luther aus. In der Tore ee beginnt feine Neujahrepredigt über das Evangelium
Le 2, 21 mit den Worten: „Auf diefen Tag pflegt man das Neujahr auszuteilen auf
der Kanzel, ala hätte man fonft nicht genug nügliches heilfames Dings zu predigen, daß
man ſolch unnüte Fabeln anjtatt göttlich Worts vorgeben müßte und aus folchem ernten
Amt ein Spiel und Schimpf machen. Von der Beichneidung fordert das Evangelium
zu predigen und von dem Namen Jeſu, da twollen wir auf ſehen.“ (Außlegung der Epifteln
und Evangelien, Wittenberg 1522, Blattyy IIr; Erl. Ausg.” X, 319). Er felbit ſpricht
dann mit feinem Wort vom Anfang eines neuen Jahres, wie er denn ja auch das Jahr
vom 25. Dezember an rechnete. Ebenſo ift e8 in dem Sermon am Jahrestage (d. h.
Neujahrstage) 1523 (Erl. Au⸗g XV, 193 ff. Weimarer Ausgabe XII, 400 ff). Und
in der Hauspoftille jagt er: „Dan heißt diefen heutigen Tag den neuen Jahrstag nad)
der Römer Weife. Wir Chrijten fahen len neuen Jahrstag an am heiligen Ehrift-
tage, ... Denfelben en Sahrstag und anderes, jo wir von den Römern
haben, laſſen wir ist fahren. eil man aber auf diefen Tag geleget hat das Feſt der
Beichneidung Chrifti, ifts billig, daß mir heute davon predigen” (Erl. Ausg.” IV, 178). 20
Als dann um die Mitte des 16. Jahrhunderts für Deutichland ganz allgemein der 1. Ja—
nuar als Sahresanfang angenommen wurde, fing man aud an, in den Gottesdienften
auf ben pabeestvehe Bezug zu nehmen; mo die altkicchlihen Perikopen beibehalten
wurden, fonnte aus Le 2, 21 der Name Jeſu in mannigfachen Weiſe dazu verwandt
werden. Auch die Sitte des Neujahr-Austeileng auf der Kanzel kam wieder auf; Jo— 25
hann Arndt bat in feiner Boitille für jeven Stand einen bibliſchen Wunſch; die Perüden:
und Zopfzeit erging fih mit Genuß in umftändlidhen Kanzelneujahrswünjchen. — In der
fatholifchen Kirche wurde im Jahre 1721 das festum nominis Jesu vom festum
eircumeisionis getrennt und auf den zweiten Sonntag nad Epiphanias verlegt. In
der griechifchen Kirche wird am 1. Januar 7 nregiroun Tod Xoıorod gefeiert, zugleich 30
aber und noch mehr das Gedächtnis des Schutzherrn aller Klöfter, Baſilios des Großen.
Daß der 1. Januar ald Tag Basilii gefeiert wurde, fam einzeln auch im Abendland
vor, fo nach Aelfriks Homilien bei den Angelfachfen (vgl. Piper, Die Kalendarien . .
der Angelfachfen, Berlin 1862, ©. 74). (H. Merz +) Carl Bertheau.
Nen⸗Manichäer (Katharer). — Quellen: 1. Zur Gefhichte der Euchiten u. Bo: 3
omilen: Michael Pſellos, /lzoi Eveoyriac daruovor (MSG 122. 537 f.). Euthymios Ziga—
enos, Ilavonkia doynarıxı (MSG 130); — daraus befonders ediert der Abfchnitt tit. 27 wider
die Bogomilen (c. 4, col. 1290—1332) durch Gieſeler (Narratio de Bogomilis, Göttingen
1841.) und der wider die Meffalianer (tit. 26) durch Tollius (Victoria et triumphus de
impia Massalianorum secta, in ſ. Insignia Itinerarii ital., Utrecht 1696). Anna Komnena 40
in d. Alexias (MSG 131, p. 59ff.). — 2. Betr. d. abendbländ. Katharer: Petrus Bene:
rabilig, Epistola adversus Petrobrusianos (MSL 189, 719). Hugo Rotomagenfi3, Contra
haereticos sui temporis 11. III (MSL 192, 1255). Efbert, Sermones XIII adv. Catharo-
rum errores (MSL 195, 11). Evermwein von Steinfeld, Epist. ad Bernardum (MSL 182,
676). Eberhard v. Bethune, Liber Antihaeresis (Bibl. Patr. Lugd. t. XXIV). Alanus, 15
Summa quadripartita contra haereses (MSL 210, 305). Bonacurjus, Vita haereticorum s.
manifestatio haeresis Catharorum (MSL 204, 775). Joh. Moneta (geit. 1250), Adv. Ca-
tharos ct Waldenses (ed. Richini, Rom 1743). Rainer Sacdjoni (geil 1250), Summa de
Catharis et Leonistis in Martene und Durand, Thesaur. nov. anecd. t. V (Paris 1717).
Der Paflauer Anonymus (Pfeudo-Rainer — vgl. K. Müller, D. Waldenjer [1886], ©. 147 f.). so
— Dr aud) C. Dupleſſis d’Argentre, Collectio iudiciorum de novis erroribus, qui ab initio
saec. XII usque ad an. 1632 in ecclesia praescripti sunt, Bari 1726, jowie die Urkunden:
Auzziige bei Döllinger und Fredericq (f. u.), joweit diefelben das Katharertum betreffen.
Neuere Darftellungen. 1. Euditen und Bogomilen: Stirecef, Gefchichte der Bul:
naren (1876), ©. 175 ff.; J. Jacobi, Ueber d. Euditen, ZKG IX (1888), ©. 507 ff.; Schniger, 55
Studd. d. Beiftl. Württembergs, II, 1; after, Greeko-Slavonic litterature and folklore,
Zond. 1887, (p. 15ff).; Karapet fer Mkrettſchian, Die Paulikianer, Lpz. 1897 (bei. ©. 86 if.
119 .).— 2. Zufammenfajiendes über abend: und morgenl. Katharer: 3. C. Füsslin, Unpar:
teiiihe Kirchen: und Keperhiftorie der mittleren Zeit, 3 Bde, Lpz. 1770; J. G. V. Engel:
Hardt, in ſ. Kirhengeihichtlihe Abhandlungen, 1832; Ulr. Hahn, Geſch. der Keßer im MA., 60
3 Bde (insbeſ. Bd I), Stuttgart 1845; Charles Schmidt, Urſprung d. Katharer, in Niedners
3. f. 8& 1847, IV; derſelbe, Histoire et doctrine de la secte de Cathares, 2 vols., Paris
[N
0
et
5
768 Nenmanichãer
1849; derſ., Art. „Katharer“ in Aufl. 1. u. 2 d. Encytktl. — ODſokina, Geſch. d. Albigenſer,
2 Bde, Kaſan 1869 (ruſſifſch); Razki, Bogomili i Catareni, Agram 1869; U. Lombard, Pau-
liciens, Bulgares et Bons-Hommes en Orient et Occident, ®enf 1879; G. Comba, Storia
della riforma in Italia, v. I, Slorenz 1881: el. Tocco, L’eresia nel medio evo, ebd. 1884;
5 Guſt. Steude, Ueber den Urjprung der Katharer: RS V, S. 1—12; 3. v. Döllinger, Bei:
träge zur Sektengeſchichte d. MA.s 2 Bde (I: Geſch. der gnoſtiſch-⸗manichä. Sekten [bier bei.
©. 34—51]; II: Dotomente, vorzüglidy 3. Gefch. der Baldefier und Katharer), München 1890;
K. Miller, Krit. des Döllingerfhen Werts: THLZ 18%, ©.353 ff. Derf., Grundriß der &W,
$ 138. 152. 175 (Freiburg 1892 f.).
10 Aus der Litt. über Jngquifition im MA. (Benrath, Art. „Snquif.“, Bd IX ©. 1527.)
find als befonders wichtig hervorzuheben die Arbeiten von Havet (1881), Douaid (1881), Lea
(1888), Frederichs (Robert le Bougre, 1892) und Frederieq (Corpus documentor. haer. pra-
vitatis Neerlandicae, t. I und II, ®ent 1889. 1896); aud) des lebteren Geschiedenis der
Inquisitie in d. Nederl., I, ebd. 1892. — Bgl. aus nenejter Zeit noch C. Douais, Docu-
156 mentes pour servir à l’bist. de l’inquisition en Languedoc, Baris 1900ff.; F. Zocco, Nuori
documenti sui moti ereticali etc. (im Archiv. di studi ital. 1901); ®. Flade, Da3 römifde
Anquifitionsverfahren in Deutichland bis zu den Hexenprozeſſen, Lpz. 1902.
Für die dualiſtiſche Ketzerſekte des Mittelalters, welche in den beiden früheren Auf:
lagen der PRE der Artikel „Ratharer” behandelte, erfcheint der Name „Neu:-Mani:
20 häer” ganz ebenfo berechtigt. Denn ſowohl hinſichtlich ihrer jchroff dualiftifchen Lehre,
wie in ihrer Urganifation und ihren asketiſchen Grundſätzen ftellt fie ſich als eine Er:
neuerung der Härcfie Manis dar (f. Kepler, Bd XII ©.225f). Daß fie auch genetiſch
mit derfelben zufammenbängt, ift vielfach beftritten worden, aber mit Unrecht, tie die
nachfolgende Darftellung dies zeigen wird.
25 I. Neu: Manidhäer des Orients (Eudhiten und Bogomilen). Die dua
liftijch Lehrenden Häretiker, welche jeit Beginn des 12. Jahrhunderts unter dem Namen
Bogomilen in Bulgarien und den angrenzenden Gebieten in beträchtlicher Stärke aus
gebreitet waren, find nachweislich durch Verjchmelzung zweier älteren Selten, der Pauli:
fianer und der Euchiten oder Mefjalianer (f. d. m Bd XII ©. 667 ff.) entftanden. Beide
30 waren aus ihren Urfigen in den byzantiniſchen Oftprovinzen (Armenien, Mefopotamien,
Nordiyrien) während des 8. bis 10. Jahrhunderts nach Thracien verpflanzt worden, wo
fie mit dem dort anfäfligen flavifchen Volle der Bulgaren in Eins zuſammenwuchſen,
nicht ohne in religiöfer Hinficht umbildend auf dasſelbe einzuwirken. Der Prozeß wechſel⸗
jettiger Annäherung und Jneinsbildung beider Sekten, der mohl ſchon während ihrer
35 früheren Entwidelung auf aſiatiſchem Boden begonnen hatte, gedieh jet zu Ende. Dem
dogmatiſch⸗ethiſchen Tualismus, den die aus marcionitifchen Grundlagen erwachjenen
Baulifianer nach der neuen Heimat am Balkan mitgebracht, gefellte unter Einwirkung des
Euchitismus ein asketiſch-enthuſiaſtiſches Element fih hinzu, das mit jener bualiftifchen
Welt: und Lebensanſicht um jo leichter ſich vermählte, da auch fchon den früheren Bil-
40 bungepbajen der paulifianifchen Sekte ein asketiſcher Rigorismus (gnoftifierenden oder
manichäifchen, nicht etwa Tirchlichen Urfprungs und Charakters) eigen geweien war. Die
Frage, in weldyer Meife der Einfluß des eigentlichen oder perfifchen Manichäismus in
den früheren Stadien des betreffenden Bildungsprozeſſes fich bethätigt habe, mag binfichtlich
der einzelnen Probleme ſchwer zu beantworten fein; daß aber ein folcher Einfluß wahr:
35 ſcheinlich jtattgefunden bat, lehrt dag Endergebnis des Prozeſſes, das und im bogomi:
liſchen Syſtem bedeutſame Anklänge ſowohl an die Glaubens: wie an die Sittenlehre des
alten Manichäismus wahrnehmen läßt. Das Wichtige wird jedenfalls fern, diefe mit dem
Manichäertum gemeinjamen oder an es erinnernden Züge im Bogomilismus nicht ein
jeitig nur von Einem der bei feiner Entjtehung wirkſamen Faktoren berzuleiten, fondern
so fie beide bierfür in Nechnung zu zieben - - den Paulikianismus befonders hinfichtlid
dejlen, was in feier Urganifation an die gefellfchaftliche Gliederung und Te anlin der
Sekte Manis erinnert, den Euchitismus namentlich in Bezug auf feine ſchroff dualiftifche
Hamartologie und feine Damit motivierte entbufiaftifche Gebetsasfefe. Teils altmanidät-
jcheg, teils marsionitisches Erbgut, das den bulgarischen Ketzern durh paulikianiſche
55 Vermittlung zugelommen war, ſcheint (neben der Vertverfung des ATS, der fleifchverbie
tenden asfetifchen Diät und der Verabſcheuung Des Kreuzes) namentlich die hohe Autorität
und Starte Machtftellung ihrer „Apoſtel“ vder Perfecti geweſen zu fein. Als euchitiſch
verntitteltes Llberlieferungsgut altmanichäifchen Urjprungs wird namentlich die Lehre von
der ſataniſch erzeugten böfen Zeele im Mienfchen, die nur durch Gebet und Fürbitte der
so asketiſch Vollkommenen übertvunden werden fünne, zu gelten haben. — Übrigens erfcheint
dieſen Yebrelementen und Grundſätzen von älterer dualiftifcher Provenienz vieles Jüngere
Nenmanichäer 759
beigefügt und angebildet, was wohl erit im Laufe der frübmittelalterlichen Zeit teilg aus
ſlaviſch-heidniſcher Religionsüberlieferung übernommen, teil durch ſelbſtſtändige religiöfe
Spekulation der Häupter der Sekte erzeugt worden war. Das voll ausgebildete Lehr:
gebäude der Bogomilen des anhebenden 12. Jahrhunderts Stellt ſich daher als ein „fünft:
liches mythologifchphilofophifches Syſtem“ (Müller, KO I, 496) dar, dag nur in feinen 5
einfacheren Grundgedanken die Verwandtichaft mit dem alten gnoſtiſch-manichäiſchen Dua⸗
lismus noch unvermwifcht zu erfennen giebt.
Als noch etwas einfachere Vorftufe des eigentlichen Bogomilismus erjcheint die Lehr:
weile jener thraciſchen Euciten um das Jahr 1050, die des Pſellos Dialog „Von der
Wirkſamkeit der Dämonen“ (f. o. d. Litt.) beichreibt. Ihre Gottes: und Weltanficht war
die eines relativen Dualisınus. Dem höchften Gotte, der die überweltlihen Negionen be
herrſcht, entitammen zwei Söhne, deren älterer, Satanael, über die irdiſche Welt, der
jüngere, Chriſtus, über die himmliſche Welt gebietet. Weil beide als göttlichen Ursprungs
gelten und ihre dermalige Entzweiung als nur vorübergehend gedacht wird, wird von
einem Teil der Euchiten dem einen wie dem anderen göttliche Verehrung erwieſen. Andere
verehren nur den jüngeren Sohn, vermeiden es jedoch, deſſen älteren Bruder Satanaöl
zu ſchmähen oder zu läjtern, weil derſelbe fonft ihnen zu ſchaden vermöchte. Eine dritte,
religiögjittlich entartete Eucdhitenpartei foll nur den Satanadl, al3 dem Erjtgeborenen
des höchſten Vaters und Cchöpfer der fichtbaren Welt, göttliche Verehrung erzeigt, ja
Chriſtum als Urheber gewiſſer ſchädlicher Naturwirkungen (Erdbeben, Hagel, Belt u.) be: 0
tradhtet und daher verflucht haben. Auf diefem letzteren Punkte mag Pſellos etwelche
entitellende Berichterjtattung aufgenommen haben; cbenfo vielleicht betreffs deſſen, mas
er über geheime Unzucht der Sekte im Gottesdienst, über Kindermord, Genuß von Blut
und Ajche zu fultiihem Zwecke u. dgl. meldet.
Diefe Euchitenfelte des Pſellos, in der ein jüngeres Entwidelungsproduft der alten 25
Euciten oder Meflalianer zu erbliden fein wird, fcheint bis gegen Ende des 11 Jahr:
bunderts ihren, gewiß ſchon früher begonnenen Prozeß der Verſchmelzung mit den thra—
ciſch-bulgariſchen Paulikianern vollendet und fo die große Sekte der Bogomilen
gebildet zu haben. Den Namen diefer Partei erflärt Euth. Zigadenus eingangs feines
Berichts über diejelbe (MSG 130, 1290) irrigeriveife als zufammengejegt aus Bog „Gott“ 30
und milui „erbarme dich”. Er bedeutet vielmehr „Sottliebende, Sottesfreunde” (Schmidt,
Hist. des Cath. II, 284), iſt aljo wohl Spezialbezeihnung der Perfecti der Sekte, die
fih wohl gern „Freunde Gottes” (Bedgpedoı) nannten; -- weniger wabrfcheinlich iſt Die
von Siredet und Lombard (f. oben) verfuchte Zurüdführung des Namens auf einen an
geblichen Stifter der Sekte „Gottlieb” (Bogumil), der ſonſt auch Jeremias geheiken habe 86
(Döl. I, 35). Ein des öfteren ihnen beigelegter Name, der auf ihr fleißiges Umher—
wandern Bezug zu haben jcheint, iſt Fundaitae (Dovvöaitaı) „Beutelträger”, von
funda, Tajche. Unkritiſcherweiſe werden fie zuweilen auch Euchiten, Enthufiajten oder
Marcianiften genannt (nad) dem euchitiſchen Parteihaupte Marcian im 6. Jahrhundert,
vgl. Bd XII S. 664, 63f.). — Die unter Alexius Kommnenus auch in der oftrömifchen 40
Hauptitadt zu bedrohliher Stärke herangewachſene Sekte wurde durch eine Liſt des ge-
nannten Kaiſers im Sabre 1111 zur Kundgebung ihrer Geheimlehre verlodt. Von ihrem
Oberhaupt, dem Arzt Baſilius — der jeit 52 Jahren, unterftüßt von 12 Schülern oder
„Apoiteln” für ihre Ausbreitung thätig geivefen — wurde dem Katfer und deſſen Bruder
Iſaak, die ſich ala zum Übertritte geneigt anjtellten, umfaſſende Mitteilung über ſämtliche
Hauptlehren und Grundfäge der Bogomilengemeinde gemacht. Dieſes authentifche, von
Bafilius ſpäter durch ftanphaftes Erleiden bes Syeuertodes im Hippodrom zu Konftantinopel
bejiegelte Belenntnis, das ein hinter emem Vorhange verborgener Schnellichreiber auf:
gezeichnet hatte, liegt der von Euthymius im vorlegten Abjchnitt der Panoplia gegebenen
Koftematifchen Daritellung zu Grunde. 50
Danach verwarfen die Bogomilen zivar nicht das ganze Alte Teftament, aber doch
die mofaifchen Schriften, die ihnen als ſataniſch inſpiriert galten (während ſie den Pfalter
und das „Buch der 16 Propheten” famt den 4 Evangelien, den Schriften der Apoſtel
und außerdem verfchiedene Apofrypben in ihrem Kanon hatten). Ihre Lehre von Gott
in feinen Beziehungen zur Welt ijt die nämliche, relativ dualiftiiche wie die der Euchiten. 65
Der Mythus von den ungleichen göttlichen Brüdern Satanael und Chriftus erjcheint in
ihr ausgelponnen zu einem pbantafievollen fosmogonifchen Drama, für deifen Eingangs:
alt der Scöpfunge- und Sündenfallsbericht des 1. Buches Moſe (mit Deutung Des
Schöpfergottes Elohim auf Ehrifti älteren Bruder Satanaël) ausgebeutet wird. Der aus
dem Himmel entfallene Satanaël jiebt fi) auf der noch ungeformten, wüſten und leeren «
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410)
760 Neumanicäer
Engel und jagt „Weil Gott einen mel und
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eine Iaffen!“ x fpradh daher: „2 were dur Ba ah
eine Veſte. Nachdem er diefen zweiten * mit Dchtern ausgeſtattet (zarazxogyı
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er die Erde mit Pflanzen, Tieren u. ſ. tv., und bereitet fie ſo für und feine (
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10 Eid x.) ji runde gerichtet werden. Um en Berderben u * —
Satanasls entgegenzuwirken, und den —— Teil der Menſchheit zu retten
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46 "Enge * großen Nates“, bald le < — * — Vom —
geht er durch das rechte Ohr in die Nungfrau Maria ein und nimmt
irdiſch⸗ menſchlichen Leib an, in Mahrheit aber bringt er einen
aus der höheren Welt mit, In demfelben verkündet der fe ein
Jungfrau Geborene den Menfchen das Evangelium und — ſo den — *
so nun ſein — El gänzlich verliert und zum en st Satan wird ho 8, ze
1306), Auch das Leiden, Sterben und Auferftehen Chrifti erfolgt nur fd einba
Zum Sieger über Satans Neid und Werke getvorden, et der Heiland |
Satanaëls einftige Stelle zur Nechten Gottes; zulett jedoch (vgl. 1 Ko 15,28)"
bes Vaters Schoß, von wo er ausgegangen, wieder zurüd. Die — I
55 milen (wenn man bon einer jo a reden darf) gleicht ber ——— |
fängliche Erweiterung — göttli n Monas zur Trias folgt ſchließl wieder die ie Kom
traftion der Trias zu Monas. Br:
Sp weit der dogmatifche Teil des bogomilifden Syſtems. Ihrem Kultusweſen um
ihrer Ethil Liegen mehrfach Gedanken, die aud) beim Euditismus begegnen, zu Srunde
» Da nach dem Ratſchluß des böchiten Gottes den Dämonen während des gegenwärtigen
Neumanichäer 761
eitlaufs noch Macht über die irdiſch-menſchliche Welt verbleibe, fo ſei dieſen unſichtbaren
dächten, die viel Schaden anzurichten vermögen, eine gewiſſe Verehrung zu erzeigen, in
Gemäßheit des apokryphen Herrnworts: Tıuäte ra dauuövıa, oox va dipeindite rap’
abzav, AAN va un Bildaywow Duäs (c. 10, col. 1315M). Gemeint it die darın
enthaltene Vorſchrift als der gute Nat, Konflikte mit den Behörden und Ordnungen der
Staatsfirche zu vermeiden; denn an dem apofryphen Spruch ſchließt ſich die erläuternde
Bemerkung des Bafılius an: es gelte diejenigen Dämonen, die in den von Menfchenhand
gemachten Tempeln (b.i. in ben Ariftlichen Kirchen) wohnen, zu ehren, damit fie mit ihrer
immer noch geivaltigen Macht nidht Echaden zufügen (vgl. auch c. 18: Adyovaıv &v näcıv Tois
leoois vaois xaroıxeiv tous Ödaluovas, xri.). Alfo eine Empfehlung heuchlerifcher Ak⸗
fommodation an das firchliche Geremoniell, von derfelben Art, wie fie feinerzeit von den
Baulifianern geübt wurde! Echt euchitiih Dagegen Klingt die in dem nämlichen Zu-
a nie begegnende Echilderung: Dämonen des Satan wohnen in allen Menfchen;
e find die eigentlihen Urheber aller von den Menfchen verübten Verbrechen; auch na
dem Tode deren, die fie zu Freveln verführt haben, bleiben fie in oder bei deren Leich- ı
namen als Werkzeuge der Beitrafung für fie. Nur vor den Bogomilen fliehen Diele
Plaggeilter und bleiben auf Bogenjchußtveite von ihnen entfernt; denn ihnen ald wahren
Gottesfreunden wohnt der vom Sohne erzeugte heilige Geift inne; deshalb heißt jeder
Bogomile mit Necht ein Gotteögebärer (deordxos), denn er trägt den göttlichen Logos
in eh und gebiert ihn, indem er Andere lehrt. Die Bogomilen fterben deshalb auch 20
nicht eigentlich, fondern fie werden fchmerzlos umgewandelt, vom ſchmutzigen Gewand
ihres fündigen Fleifches befreit und mit dem Gewand Chrijti (einem ätherifchen Xeibe,
wie diefer ihn auf Erden getragen) befleivet. — Die Saframente der Kirche murden von
der Selte verivorfen — das Abendmahl als ein „Opfer der Dämonen” (Sef 65, 11),
die Taufe als bloße Wafjertaufe ohne miedergebärende Kraft. Statt ihrer bewirkt die 2
Aufnahme in die Gemeinfchaft der Gottliebenden eine Geiftestaufe, vorbereitet durch
Sündenbekenntnis und ein 7tägiges Gebet, vollzogen durch ein Schweigfamteitsgelübde
(nebſt handichriftlicher Beteuerung, nie wieder zur katholiſchen Kirche zurückkehren zu wollen)
und durch Auflegung des Johannesevangeliums auf? Haupt des Täuflingd unter An:
rufung des bl. Geiſtes und PVaterunfergebet. Später, nad) nochmaliger Prüfungszeit, zu
folgte auf diefe Geiltestaufe die abfchließende eigentliche Weihe (Teieiwars), wobei die
Auflegung des Evangeliums auf das (nach Oſten zu gemwendete) Haupt wiederholt wurde
und die anivefenden Witglieber der Sefte alle, Männer wie Frauen, dem neuen Mitglied
die Hände auflegten. — Se den das fchroffe Gejchiedenfein der Sekte von der Tatholi-
chen Kirche befundenden Bräuchen und Grundfägen gehört noch Einige, mas an den 35
—— erinnert, bezw. als Fortentwickelung von deſſen Sitten gelten kann; ſo
die Verabſcheuung des Bilderkults und auch des Kreuzes als eines Zeichens des Fluches,
die Geringachtung der Ehe und Verwerfung des Fleiſchgenuſſes, dreimaliges Faſten in
jeder Woche bis 3 Uhr nachmittags, Verbot aller ſonſtigen Gebete (als unnützen Lippen⸗
werkes) bis auf das Vaterunfer u. ſ. f. Die Heiligen und Väter der Rinde wurden 40
verabicheut, als die „falſchen Propheten”, vor welchen Ehriftug gewarnt habe; fo nanıent:
lich die Kappadofier Gregor der Theologe und Bafılius, ſowie Chryſoſtomus, der, als an⸗
geblicher Fälſcher vom Tert deg Neuen Tejtaments, vielmehr gYvoodorouos zu heißen
verdiene.
Durch jenes Kebergericht unter Alerius, bei welchem Baſilius Märtyrer wurde und +5
feitens eines Teils der Sekte Abſchwörung ihrer Irrtümer erfolgte, während viele andere
ihre Hartnädigkeit mit Icbenslänglicher Kerferbaft büßten, wurde der Bogomiligmus im
byzantinischen Reiche nur äußerlich unterbrüdt. Er bat ſich noch Jahrhunderte hindurch
hier erhalten — zum Teil wobl nicht obne einige Veränderungen oder Reduktionen feiner
Dogmatifchzethifchen Tradition; wie denn die unter Kaiſer Kalojobannes (um 1140) auf: wo
efpürten und durch eine Eynode verdammten Schriften des bogomilijchen Theologen
onftantin Chryfomalos mehr nur Anklänge an das ältere Syſtem der Sekte enthielten.
Auch nah Kleinafien hinein war bogomilifche Häreſie Damals verbreitet, denn zivei kappa—
dokiſche Biſchöfe wurden, als von derfelben angeftedt, 1143 durch eine konſtantinopler
Synode abgeſetzt Manfi XXI, 583). Noch während der Zeiten des lateinijchen Kaiſer- 55
reichs Konſtantinopel betrieben, twie Patriarch Germanus II. damals (um 1230) zu Klagen
hatte, Sendlinge der Sekte ihre Bekehrungsverſuche durch nächtlidhes Sicheinfchleichen in
die Häufer und durch Gewinnung vieler für ihre Irrlehren (Germanus, De exalt. crucis
und De imaginibus, bei Öretfer, Opp. t. II, 439). Ueber die Ausgänge der Betvegung
im 14. und 15. Jahrhundert |. unten, am Schluſſe d. A. 60
a
On)
—
—
—
762 Neumanichãer
II. Abendländiſche Neu-Manichäer (Katharer). Mit größerer Sicherheit, als
dies betreffs der orientaliſchen Dualiſtenſekten möglich iſt, läßt ſich für die entſprechende
Häreſie des abendländiſchen Mittelalters außer der allgemeinen Übereinſtimmung in Yebre
und Grundſätzen auch cin genetischer Zufanımenbang mit den alten Manichäern bebaupten.
5 Von den Zeiten Augufting und Leos d. Großen an, wo manichätfche Gemeinden über
Nordafrila, Spanien, Gallien und Italien in beträchtlicher Zahl verbreitet waren, bis
zum Anfang des 11. Sabrhunderts, wo das Einfchreiten der weltlichen und der kirch⸗
lichen Inquifition gegen „manichätfche” Ketzer in Frankreich, den Niederlanden und ın
Deutſchland anbebt, erftredt fich eine ununterbrodhene Neibe von Spuren, die auf das
10 frühzeitige Vorbringen manichäifch-dualiftifcher Häretifer von den Mittelmeerländern aus
nach Norden zu bindeuten. Die PBriscillianiftenfefte Spaniens mag mittvirfende Beiträge
zu der betreffenden Bewegung geliefert haben; fie jedoch allein, oder auch nur haupt:
fächlib ala Verurſacherin derjelben anzufeben, ift ſchon megen ihrer immer nur beichränft
gebliebenen Berbreitung und wegen des Verſchwindens ihres Namens aus der Gejchichte
15 nah dem 6. Jahrhundert ſchlechthin unmöglid. Daß eigentliher manidhäifcher Dualismus
ſchon im Laufe des 4. Jahrhunderts bis ins nördlichere Gallien vorgedrungen tft, haben
die Nachweife S. Brandt3 über das Herrühren mehrerer dualiftifcher Interpolationen in
Lactanzs Schriften (Inst. div. II, 8, 7; VII, 5; de opif. Dei 19, 8) von einem um
380 in Trier lebenden manichäiſch gefinnten Laien zienlich mwahrjcheinlich gemacht (Brandt,
9 Über die dualiftifchen Zufäge und die Kaiſeranreden bei Lactanz, Wien 1890; vgl.
dazu Guft. Krüger in IhYZ desfelben Jahres, S. 202). Für ein weites Merbreitet-
fein manichäiſcher Häretifer in Jtalien und Gallien während des 6. und 7. Jahrhunderts
zeugen Rundgebungen von Päpiten wie Gelafius I, Gregor d. Gr.; vgl. den um das
Jahr 700 entftandenen Lib. diurnus Rom. Pontificum VI (p. 26 ed. Roziere) und
2: die von Gieſeler (RG IL, 1, 105) beigebradıten Zeugnifje für das Vorkommen der Sckte
in Urkunden aus den nächitfolgenden Jahrhunderten. Auch das Selbitzeugnis der feit
Sec. IX firchlicherfeit8 verfolgten franzöfifchen Ketzer, wonach ihre Xehre und Gemein:
ſchaft von Mani berrühre, darf Ichwerlich als ganz wertlos betrachtet werden (vgl. Sie:
feler, ebd. 104). — Andererfeits liegen gewwichtige Zeugnijle dafür vor, daß das abent-
so ländiſche Manichäertum des MA.s in einem Zufammenbang mit den bdualiftifchen Häreſien
des byzantiniſchen Reichs, alfo mit den Euchiten und Bogomilen geitanden bat. Nach der
Epiſtel Gverweins dv. Steinfeld an St. Bernbard vom Jahre 1146 (ſ. o. die Yitt.) batten
die damals am Niederrhein verbrannten Ketzer über ihre Herkunft ausgeſagt: hanc hae-
resin usque ad haec tempora occultatam fuisse a temporibus martyrum, et
3: permansisse in Graecia et quibusdam aliis terris etc. Mas diefer Zeuge über
die Grundſätze und Einrichtungen der betr. Häretiker, die er ald Pauperes Christi be:
zeichnet, im einzelnen berichtet, weiſt mit unmiderfprechlicher Evidenz auf orientalifchen Ur:
fprung bin; fo ihre Berwerfung der Eirchlichen Abendmahlsfeier, ihre Erfegung der Wafler:
taufe durch eine Geiſtestaufe doppelter Art, ihre Vermeidung des Fleifchgenufles, ihr
10 dielmaliges Vaterunferbeten x. Von den neben den Namen Manichaei und Cathari
(Steger, niederl. Ketters, ital. gazari) üblib gewordenen Bezeichnungen für die Sekte
weiſen zivei befonders oft und viel gebrauchte auf die Ballanlande als Stammfig der:
felben bin: der Wanıe Publicani oder Popelicani (= Pauliciani — wovon das nor:
franzöfifche Piphles |Piphili] wohl auch nur eine Nebenform if) und die befonders in
35 Nordfrankreih und Flandern verbreitete Benennung Bulgari (franzöf. Bougres). Eben:
dahin mweift der als Bezeichnung für einen anfehnlicen Teil der Katharerſekte vorfom:
mende Name Druguria (oder entftellt Dugrutia oder Dugunthia — von welchen Miß—
formen die erftere bei Bonacurfius, Die andere bei Nainer Sacchoni fi findet); denn jo
bieß ſchon in altrömischer Zeit eine tbraciiche Yandfchaft, die unter den byzantiniſchen
so Kaiſern (im der Namenform Drugubitia) zum Exarchat Bbhilippopel gebörte und mit
dualitifch-bäretifchen Bewohnern bejfonders ſtark bevölfert war. Mas fonft noch vor dem
13. Jahrhundert an Geſamtnamen oder an Teilbezeichnungen für das abendländtjche Ka:
tbarertum vorfommt, weiſt auf Oberitalien bin; fo der Geſamtname Patareni (Paterini),
der von der Anhängerſchaft Arialds und Erlembalds um 1060, der fog. Volksrotte, in
55 Matland und Umgebung frübzettig auf Die neumanichäiſchen Neger, als Vertreter einer
übnlichen antiklerifalen Oppoſition wie Die Jener, übertragen wurde, und die Teilbenen:
nungen Mlbanefen (nad der Stadt Alba in Piemont), Goncorrezaner (nach Concorrezzo
bet Monza) und Bagnoleſer (nad Bagnolo bei Brescia) — über melde unten noch nät
‚u bandeln fein wird. Erſt etwas fpäteren Urjprungs find die fühfranzöfifchen Lotal-
0 benennungen, wie namentlich Albigenjer (nad) Albi in Languedoc), auch Tolofaten, Agen:
Nenmanichäer 763
nenjer, Provencalen, und der den Angehörigen der Sekte in diefer Gegend mehrfach bei:
gelegte Zunftname Tisserands oder Texerants (= textores, Weber). — Was fich
aus dem fucceffiven Auftreten diefer Benennungen betreffd des Ausbreitungsprozeſſes der
Härefie mwahrjcheinlich machen läßt, ift jedenfalls ihr teilweiſes Eingewandertfein aus dem
iechiſch-ſlaviſchen Dften, wo bejonders ſeit der Kommenendynaftie ein andauernder Ver: 5
olgungszuftand über beide dualiftiiche Sekten, die Euchiten mie die Bogomilen, herein:
brach. Und zwar werden die von dort vertriebenen Flüchtlinge, als in apoftolifcher Armut
und Stiebrigteit miffionierende Wanderapoſtel (vgl. jenen bogomilifchen Nebennamen Fun-
daitae) ihren Weg aus der Bulgarei über Bosnien und Dalmatien zunäcft nad) Über:
italien genommen und bier zum Teil fi) niedergelaffen, zum Teil ihre Wanderungen
über die Alpen entiveder nad Südfrankreich, vder auch rheinabwärts bis nach den Nieder:
landen fortgefegt haben (vgl. Lombard, p. 85 ff, — mo übrigens der Einfluß diefer „apö-
tres bulgares“ mohl etwas überſchätzt iſt). Empfänglichen Boden für ihr Miffionteren
fanden fie in allen diefen Gebieten. In der Lombardei hatte nicht bloß die patarenifche
Bewegung ihnen vorgearbeitet, ſondern ſowohl hier, wie auch im ſüdlichen und nördlichen ı
an eich, ja bis nach Weit: und Norddeutſchland hinein, waren Überlebfel altmanichät-
cher Gemeinschaften, nachdem ſie jahrhundertelang eine verborgene Erxiftenz geführt, ſchon
um den Anfang des 11. Jahrhunderts an verfchiedenen Orten aus ihrem Dunkel hervor-
getreten und hatten ſich in mehr oder minder lebhafter Oppofition gegen das ſtark ver-
weltlichte katholiſche Kirchentum erhoben. Der Zeugniffe über diefe früheren fporadifchen 20
Vertreter des abendländiichen Katharertums liegen fo viele vor, daß fih aus ihnen eine
ziemlich inhaltreiche, wenn auch manches Dunkle und Unklare umfchließende Borgefchichte
des eigentlichen, in Geſtalt größerer Gemeinschaften organifierten Neumanichäismus des
Weſtens konſtruieren läßt.
Wir weiſen bier wenigſtens auf die Momente dieſer abendländiſch-kathariſchen Vor: 26
eſchichte in Kürze hin, für welche keine beſonderen Artikel in der Encyklopädie vorgeſehen
—* Schon gegen das Jahr 1000 trat (nach Glaber Radulf, Hist. II, 11) unweit
Chalons in Weſtfrankreich ein gewiſſer Leutard mit dem Verſuche einer Sektenſtiftung
auf, der in ſeiner teilweiſen Verwerfung des Alten Teſtaments, ſeiner Verabſcheuung des
Kreuzes: und Bilderkults und feiner ſtürmiſchen Geltendmachung der Virginitätspraxis so
(mitteld Berftogung feiner Gattin) ſich als mwahrfcheinlih von manichäiſchen Einflüfjen
berührt zu erfennen gab. Die 1022 zu Orleans entdedte Sekte des Chorherrn Stephan
und des Scholaftifus Liſoy, von deren VBorlämpfern nicht weniger ald 10 Kanoniker diefer
Stadt den Feuertod zu erleiden hatten, vertrat und verbreitete gleichfalld (nach Glaber
Nadulf III, 8 und nad den Alten einer damaligen Synode in Orleans, bei Manfi 35
XIX, 376) weſentlich manichäifch-tatharifche Lehren und Grundfäge, wozu u. a. Verwer⸗
fung der kirchlichen Taufe und Meſſe, doketiſche Leugnung der jungfräulichen Geburt,
ſowie des Leidens und Auferftehens Chrifti, Auflehnung gegen die Tatholifche Heiligen:
verehrung und die von der Kirche geforderten guten Werke, Verbot des Fleiſchgenuſſes
als verunreinigend gehörten. Cine um eben diefe Zeit (1025) in den Bistümern Lüttich 40
und Arras auftauchende Sekte, die ſich auf einen aus Italien gelommenen Lehrer namens
Gundulf zurüdführte, ericheint als Belämpferin der Kindertaufe, Verächterin der Kirch:
ebäude und des Kreuzes, Predigerin von apoftolischer Armut, Gegnerin des Ehelebens u.f.f.
Nur wenig jpäter (1030) trat im Schloffe Monteforte bei Turin eine fegerifche Gemein-
ſchaft and Licht (unterfucht und vergebens zu befehren gefucht durch Erzbiſchof Heribert 45
von Mailand — vgl. Yandulf, Hist. Mediolan. bei Muratori, Ser. Ital. IV, 88 ff.),
bei welcher der fanatifche Gegenfag gegen die fatholifch-firchlichen Xebensordnungen einen
beionders heftigen Charakter geigte, Sie forderten gejchlechtliche Enthaltung auch jeitens
ber Berbeirateten, gänzliche Vermeidung des Fleiſchgenuſſes, beitändiges Gebet bei Tag
und Nacht, Gemeinſamkeit alles irdischen Befiges. Lebensgefährlich erkrankte Mitglieder vo
ihrer Selte töteten fie, weil ein gewaltjamer Tod ihnen als der ficherfte Weg zur Selig:
feit galt. Statt des Papſtes, deſſen Autorität fie veriwarfen, behaupteten fie der Aufficht
und Seelenpflege eines anderen und bejjeren Uberhaupts, das fie täglich beſuche und
ihnen den Troft der Eündenvergebung bringe, unterftellt zu fein; ob damit der bl. Geift
(Baraklet) gemeint war oder (nad) Ch. Schmidts und Döllingers Annahme) ein heimlich 55
umberwanderndes menschliches Sektenhaupt, bleibt ungewiß. Gleich den Firchlichen Sa:
framenten fcheinen fie auch die Trinitätslchre vertvorfen, bezw. ihren fonfreten Sinn ver:
flüchtigend umgedeutet zu haben. Als, nah jenem fruchtlofen Befchrungsverfuche des
bischof3, die jamt ihrem Vorſteher Girardus verbafteten und nah Mailand gebrachten
englieder dort in die Witte zivifchen ein aufgerichtetes Kreuz und einen brennenden ca
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oO
764 Nenmanicnäer
Scheiterhaufen geftellt wurden, wählten nur menige dag rettende Kreuz; Die meilten
fprangen mit vors Gelicht gehaltenen Händen in die Flammen. — Sogar ın Norddeutſch-
land hatte bie und da jektiererisches Treiben ähnlicher Art um jene Zeit Eingang ge
funden. In Goslar bat Kaifer Heinrich III. um Weihnachten 1052 „quosdam hae-
s reticos, inter alia pravi erroris dogmata — Manichaea secta — omnis esum
animalis execrantes, in patibulis suspendi iussit“ (Hermann Contr., Chron., MG.
VI, 130). — Wenn in den bier berührten Fällen durchweg Spuren manicdhäifchen oder
gnoſtiſch-dualiſtiſchen Einfluffes deutlih zu Tage treten, fo gilt das nicht gleichermaßen
von einigen der erjten Hälfte des 12. Jahrhunderts angehörigen bäretifchen Erjcheinungen.
10 Ber dem Niederländer Tanchelm (1115— 1124) und dem Bretonen Eudo de Stella
(c. 1148) nimmt die antiklerifale Oppofition den Charakter wilder Schwärmerei an, die
beim erfteren verbunden mit geheimen Unzudhtsgreueln, beim leßteren in Geftalt eines
wahnwitzigen apokalyptiſchen Enthufiasmus auftritt (j.d.A.Bd V ©.575). Mehr biblild:
ſpiritualiſtiſch geartet erfcheint die revolutionäre Agitation des Abälardiften Peter von Bruis
15 (geit. auf dem Scheiterhaufen 1137 oder im folgenden Sahre; |. Döllinger I, 81) und
die des Ex-Cluniacenſers Heinrich von Lauſanne (im Kerker get. 1149; vgl. den betr.
Art. Bd VII, ©. 606f.); Ddesgleihen die der Häretifer von Monttoimer (Diödcefe Cha⸗
long) und der, ähnlidy wie fie, gegen Kindertaufe, Mönchsgelübde und Ehe auftretenden
Apostolici in der Bretagne um 1145 und ber gleichnamigen Sekte des Aquitaniers Bon:
0 tius in Perigueur um diefelbe Zeit (vgl. Sachſſe, Art. „Apoftelbrüder”: I, 701,55 ff., und
befonders Döllinger, Sektengeſch. I, 98 ff.). Das dualiftiich-Tatharifche Element tritt bei
biefen dem Zeitalter Bernhards v. Clairvaux angehörigen häretifchen Erfcheinungen mehr
zurüd (am meiſten bei den Henricianern, ſ. Haud, 1. c.), fehlt aber doch auch bei ihnen
nicht ganz — fo daß eine die abendländiſch-neumanichäiſche Bewegung in umfaſſender
25 Vollſtändigkeit darftellende Schilderung ſie nicht unberüdfichtigt laflen darf. Für einen
Zufammenhang aud Peters und Heinrichs mit der tatharijchen Partei fprechen immerhin
doch einige der zeitgenöfltichen Zeugen (außer Bernhard beſonders Alberih und Petrus
Benerabilis). Döllinger mag, wenn er geradezu eine Identität der petrobruſianiſchen und
der benricianischen Richtung mit der Neumanichäerjefte behauptet (I, 96), zu weit geben;
30 aber für ein wenigſtens lokales Zufammenfließen beider Richtungen zu einer Einheit (fo
namentlich bei den bäretifchen Webern oder Tirerands von Orléans) Iaffen ſich Doch triftige
Gründe geltend machen (vol. W. Möller, AG II, 378).
Bernhards und feiner Freunde Bemühungen um Zurüdvrängung der häretifchen Be:
wegung blieben erfolglos. Gerade in den nächften Jahrzehnten nad) der Rernharbieen
35 Epoche ſieht man diejelbe einerſeits in Flandern, andererjeits in Weſt- und Südfranfreid
und in Überitalien ji) Mi großartiger Stärke entwideln, und nicht nur ihre dualiſtiſchen
Lehren offen und rückhaltslos befennen, fondern auch nach äußerem Zujammenfchluß und
einheitlicher Organifation ihrer Anhänger ftreben. Die flandrifchen Katharer follen 1162
von Erzbifchof Heinrich v. Reims öffentliche Anerkennung oder wenigſtens Duldung ver:
#0 langt haben. In Südfrankreich wird 1167 ein großes kathariſches Konzil zu St. Felir
de Caraman beit Touloufe gehalten, bei welchem fogar ein „Papſt“ der Ketzer auftritt,
der einige Zeit vorher aus Konftantinopel gelommen und unter den Katharern Zombar:
diens und Piemonts thätig geweſene Niketas (alias Niquinta); von demfelben wurde auf
der genannten Verfammlung mehreren kathariſchen Biſchöfen die Weihe in Geftalt de
5 jog. Consolamentum, d. h. der Geiftestaufe mitteld Handauflegung erteilt. Hier tritt
alfo das Unternehmen der Errichtung einer kathariſchen Hierarchie gegenüber der katholiſch⸗
kirchlichen zu Tage; wie denn von Biſchöfen der Sekte als in verſchiedenen ſüdfranzöſiſchen
Städten refidierend (3.8. in Touloufe, Carcafjonne, Albi) auch fpäter noch die Rede iſt.
Ebenſo hatten die überaus zablveichen oberitalischen Keßer Thon vor Nifetas Ankunft einen
zo Biſchof gehabt namens Marcus. Auch die mittel: und unteritalifchen Katharergemeinden
waren unter einige „Diöcefen” verteilt; Namen von bifchöflihen Vorftehern diefer Div:
cefen begegnen bis tief ins 13. Jahrhundert hinein. Bosnien foll (nad) einigen Angaben)
der eigentliche Sit de Papa oder oberſten Bifchofs der Sekte — des wahren vicarius
Christi und successor Petri, tie diefe ihn nannte — geivefen jein. Ein Stellvertreter
55 dieſes Wapites, der Biſchöfe zu weihen und die Verbältniffe der Gemeinden zu orbnen
hatte, ſcheint namentlihb in Südfrankreich ftetig gewirkt zu haben. Zu den die lokale
Gemeindepflege wahrnehmenden Gliedern der kathariſchen Hierarchie gehören der Filius
maior und Filius minor, die den einzelnen Bifchöfen beigegeben waren. Auch von
kathariſchen Diakonen und Diakoniffen iſt gelegentlich die Nebe.
u Die bei jenen früheren Vorgängern des abendländifchen Neumanichäismus noch wenig
vier
o die ewige Koeriftenz
— ————
nſequen ie nur
enter Rat. überhaupt die
| öl. I, Smilfhen Site
: z ü | | *
Satana ogomi — Dieſer ur glich gute
— Geil iR der Got des Alten ments, w n One
e Propheten find nur Diener des bö v
Kin hen u ——— Huch beireffs der Erfchaffung der toi eicher
nejen und Albigenjern gelehrt: der Böje babe bie Beiber ve ende Menſchen—
u gebildet, Gott aber die Seelen in fie hinein — und von den Seelen Ada ie
so und Evas ftammen die aller ihrer Nachkommen ab. traduzianiſche
lehre — im Gegenſatz zur präexiſtenzianiſchen jener abfoluten Dualiten!
auch nicht Annahme F Seelenwanderun — oftrin, und 0 —
Lehre vom Tod und vom irn Mrs enſchen in die —— 1
weniger bofeti Chriftologie huldigten von diefen milderen Dualiften wenigſtens die
35 > nolefen, während die Goncorrezaner ihrer Mebrbeit nad) —— der Mutter Jeſu wie
jelbft eine wahre Menſchennatur beilegten. Betreffs des Verhältniſſes von Vat
ea Dane Ben ve Sa Pe
en — ähnliche monarchiani elliani ungen wie die Bogomilen ge
einige aber mehr arianiſch Darüber gedacht zu haben (f. überhaupt DEU, 15741
40 Größere Übereinjtimmung als betreffs diefer theologiſchen Leh und Sch ulfrager
bericht auf dem Gebiete der Kultusbräude und Sitten, bie !
legende und direft Beitimmende für die Lebensorbnung der Sette b Tief
ihr Begriff vom Weſen der Sünde, als des Zugs zur Materie bin, in ihr ganzes!
en. Als Todfünden galten ihnen: Beſitz indifchen, Buts, Umgang mit Weltmenſchen
15 Yüge, Krieg, Töten von Tieren (mit Ausnahme der fchlangenartigen Reihe Genuß
von animaliichen Speifen, mit Ausnahme von Fiſchen; biete —— waren 3 eſſen ne
ſtattet, weil fie angeblich nidht, gleich den übrigen Tieren, ex | nden, |
als größte aller Sünden galt die geſchlechtliche — ob in als * hal
Ebe; den Volllommenen der fatbarıichen Gemeinfchaft war leiztere ——
so den übrigen einftweilen noch geftattet. Den Eintritt in den Volltommenbeitsita
mittelte nicht irgendwelche W —— nach Art der katholiſchen, ſondern die durch
auflegung ſeitens der Vollkommenen bewirkte Geiſtestaufe, Consolamentum ge
weil durch fie dem Empfänger der Tröſter zugeſellt werde (welchen Parallet die ge
teren Dualt Deikhen Gott den bl. Gerft, die aus für einen der himmliſchen Schub:
55 engel, die den Menjchenfeelen vor deren Fall beigegeben waren, erflärten). Na Empfang
dieſer Geiftestaufe —* das Mitglied der Sekte zum Stande der wahrbe t Neinen (C
thari im eigentlichen Sinne), der Perfecti, oder — tie fie beim franzöftichen €
Sekte ur — ber Bons hommes. Nur dieje Vollfommenen durften dem übrigen
Seltenglievern oder „Gläubigen“ (Credentes) daS Consolamentum — mb fiben
oo haupt die kultiſchen Gebräuche verwalten; fie waren zu ftrengiter Vermeidung jeder A
Neumanichäer 767
von Todſünde, vor allem der Geſchlechtsgemeinſchaft verpflichtet, mußten bei ihren Wan—
derungen ſtets zu Zweien ſein, alſo einen Socius bei ſich haben, der übrigens auch ein
bloßer Gläubiger ſein durfte. Auch zu nicht einſamem, ſondern ſtets gemeinſamem Brot-
ſegnen (vgl. u.) und Eſſen waren fie aufs ſtrengſte verpflichtet — weshalb in Einzelhaft
gefangen Gehaltene nicht felten jede Nahrung vertveigert und ſich zu Tode gehungert haben 6
follen. Die Strenge der durch dad Consolamentum übernommenen Verp ichtungen
war überhaupt eine derartige, daß auch nur Eine Übertretung derſelben als den Verluft
der Seligkeit nad) ſich zichend galt; daher einerjeits die Gläubigen den Empfang jencs
Sakraments möglichſt lange hinausfchoben (indem fie durch einen Vertrag, die jog. Con-
venenza, fid) fir den Fall gefährlicher Erkrankung zu feinem Empfange verpflichteten), 10
andererjeitö manche Perfecti durch freiwillige Übernahme des Tods fich gegen Todfünden
und Seligfeitöverluft gejichert haben follen. Dieje jog. Endura, tvelche meift als Hungertod
vollzogen wurde und inäbefondere an gefährlich erfrankten und deshalb mit dem Conſo—
lament verfehenen Kindern vollitredt worden fein fol, jcheint eine aus Oberitalien (mo
jene Sekte von Monteforte ſchon um 1030 fie ausübte) in Südfrankreich eingewanderte
©itte geweſen zu fein, die außerhalb des Gebiet? der albigenfifchen Katharer Teine Aus:
breitung erlangte (vgl. Ch. Molinier, L’Endura, coutume religieuse des derniers
sectaires Albigeois, Bordraur 1881, ſowie K. Müller, Th23Z 1890, 356). — Bon der
Gliederung der fatharifchen Hierarchie und deren Beamten iſt fehon oben die Rede ge:
weſen. Als befondere Kultusakte und Geremonien der Sekte mögen hier noch erwähnt 20
werden: die Beichränktung des Rechts zum Beten des Vaterunferd auf die Perfeeti, die
daher von den Credentes nur um ihre Fürbitte angegangen wurden; die VBerrichtung
von Gebeten für ſolche veritorbene Gläubige, die das Gonfolament noch nicht erlangt
hatten (und daher noch das Überwandern in andere Leiber fortfegen mußten); die Brot:
fegnung durch Gebet der Perfecti — welchem Akte man eine ähnliche befondere Kraft: 25
wirkung zufchrieb, wie die Katholiken ihrer Weihmafjerbeiprengung (meshalb man in Ver:
folgungszeiten oder bei plöglicher Todesgefahr womöglich geſegnetes Brot zu erlangen
fuchte, ja dasjelbe wohl gar als vermeinten Erſatz für das Gonfolament genoß); das
Brotbreden oder apparellamentum, ein allmonatlich wiederkehrender, der Fatholifchen
Beichte verwandter feierlicher Akt, wobei ein öffentliches Sündenbefenntnis abgelegt und so
die dasjelbe entgegennehmenden Vollkommenen jeiteng der täubigen durch Kniebeugung
(melioramentum, adoratio) geehrt wurden; ferner beim Vollzug des Conſola—
mentum teilmeife ähnliche Riten wie bei dem entiprechenden bogomilifchen Sakrament
(Auflegung nicht bloß der Hände, fondern aud des Evangelienbuchs aufs Haupt des
Empfängers; Lektion des Eingangs des Sohannesevangeliums; Erteilung des Friedens: 35
kuſſes an den Geweihten, bezw. bei Aufnahme von Frauen die Berührung von deren
Ellbogen oder Schulter). Ber Empfang des Conſolaments pflegten bejonders Kranke ihr
Vermögen ganz, oder wenigſtens teilmeife, den Perfeeti zu ſchenken, da diefe, als ausschließlich
der Gemeindeptlege Obliegende, von der Sorge für ihren Lebensunterhalt entbunden waren.
Wie aus dem Bisherigen erhellt, find einerjeit3 Oberitalien, andererjeits Südfrank- 40
reich zu Hauptichauplägen für das Wirken der abendländifchen Katharer geworden. Im
eriteren Gebiete hat ſich die Sekte, objchon heftig verfolgt durch die weltlichen Machthaber
(bejonders Kaifer Friedrich IL.) und durch die päpftliche Inquifition feit Gregor IX.,
während des ganzen 13. Jahrhunderts in anſehnlicher Stärke behauptet. In Städten
wie Mailand, Brescia, Viterbo, Ferrara, Florenz zählten ihre Anhänger nad vielen 45
Hunderten, ja Taufenden. Das megen feiner Woblthätigfeit und Frömmigkeit in weiten
Kreifen angejebene und beliebte kathariſche Sektenhaupt von Ferrara, Armanno Bunzilovo,
wäre, zumal fich nach feinem Tode (1269) Wunder an feinem Grabe zutrugen, beinahe
unter die Heiligen der römischen Kirche aufgenommen worden; erjt unter Papſt Bonifaz VIII.
(1301) kam e8 an den Tag, daß er ein heimlicher Katharer geweſen. Florenz fol um co
das Jahr 1228 fat zu einem Drittel feiner Einwohnerſchaft fatbarifch geweſen fein. Ein
Biſchof Philipp Paternon wirkte dort längere Zeit an der Spite der Sekte. Daß fogar
Dante zu derfelben gebört und feine Divina Commedia als ein allegorifches Schmäh-
gedicht gegen die katholiſche Kirche verfaßt habe, iſt zmar eine leere Phantaſie (vorgetragen
von dem franzöftichen Katholiken Arour in einigen Schriften, befonders in „Dante h&- 5
retique, r&volutionaire et socialiste”, Paris 1854); doch gab es noch im Zeitalter
Dantes, und darüber hinaus, ſowohl in Florenz mie anderwärts in Mittel: und Ober:
italien fatharische oder (wie fte dort gewöhnlicher heißen) patarenifche Ketzer. Erſt bis
gegen Ende des 14. Jabrbunderts hatte hier die Inquifition ihr Vertilgungswerk an der
Sekte ganz vollfübrt. |
—
[0]
60
768 Reumanichäer
Zu den großartigiten Dimenfionen entwickelte ſich ſeit dem letzten Viertel des
12. Jahrhunderts das Keßerivefen in Südfranfreih. Elf Jahre nad) jenem Konzil zu
St. Felix verfuchte der vom Grafen Raimund V. von Touloufe geladene päpftliche Legat,
Kardinal Petrus a S. Chryfogono, die duhrer der dortigen Häretiker durch ein Religions:
5 gefprädy in Touloufe (1178) zum Tatholifchen Glauben zurüdzuführen, richtete aber went
oder nichts aus; Meder Predigten der ihn begleitenden Mönche und Prälaten, —*
Drohungen und Urteilsſprüche konnten das in ſchwärmeriſcher Verehrung an den Bons
hommes hängende Bolt abwendig maden. In Gemäßheit des wider die Ketzer
gefürchteten Erlaſſes des dritten öfumenifchen Laterankonzils (1179) fandte Aleran-
10 der III. den Kardinal Heinrich, früheren Abt von Clairvaux, an der Epite eines
Kreuzheeres nach Languodor, wo damals Bicegraf Roger von Bezier (geft. 1194)
ale Beihüser der kathariſchen Bewegung auftrat. Aber auch diefer erite Ketzerkreuz⸗
zug (1181f.) richtete nichts aus. Man eroberte ein paar feite Pläge, brachte einige
Bons hommes zum Abfall, tötete mehrere andere — aber die Keberei blieb nad mie
15 vor übermächtig. Der politische und kirchliche Zuftand des Landes, die fittliche Kor:
ruption des fatholifchen Klerus, die freieren Sitten und der höhere Bildungsgrad der
Provengalen — alles vereinigte fih dazu, die Sekte zu erfolgreihem Widerltand gegen
die Unterbrüdungsverfuche aufzumuntern. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts gebörten
faft fämtliche Fürften und Barone des Südens zu den Gläubigen. In Schlöfjern und
20 ın Städten hielten die Bons hommes öffentlih ihre jtart bejuchten Verfammlungen;
in vielen hatten fie Bethäufer und Schulen für Knaben und Mädchen. Die Latholifche
Kirche war zum Gefpötte geivorden; fie war herabgejunfen zu einer nur noch gebulbeten,
überall mit Verachtung behandelten Anſtalt. — Bald nad Innocenz' III. Stublbeitei:
gung begann jener von Rom aus mit eiferner Konfequenz betriebene Kampf auf Leben
25 und Tod wider die Härefie, dem diefe troß tapferfter Gegenwehr jchließlich erliegen
mußte. Legaten mit unbejchränftefter Vollmacht wurden in das Land entjandt, die an-
fänglich mit Drohungen und harten Strafmaßregeln zu Werte gingen, dann eine Zeit lang
(1206—8), folange Biſchof Didacus v. Osma und fein Subprior Dominitus [vgl IV,
770, 83ff.]) beim Ketzerbekehrungswerke mitwirkten, nah Grundſätzen apoftolifcher Milde
30 handelten, zulegt aber zum gewaltſamen Unterbrüdungsverfahren mit verdoppelter Härte
zurüdfehrten. Die Ermordung des Legaten Peter von Gajtelnau (1208) wurde dem
die Häretiker bejchügenden Grafen Raimund VI. von — Schuld gegeben und da⸗
ber auf Befehl des Papſtes abermals ein Kreuzheer ausgerüjtet und der Führung des
fanatifchen Abts Arnold v. Citeaux unteritellt. —**8* ein von Raimund unter demü—
35 tigenden Bedingungen mit der anrüdenden Feindesmacht abgejchlojlener Separatfriede die
Widerſtandskraft der Häretifer in erheblichen Maße geſchwächt hatte, fiel Arnold über
das Gebiet des treu und feit zu den letzteren ftehenden VBicegrafen Raimund Roger II.
von Bezierd her und richtete fürchterliche Verwüſtungen hier an. Über fein Verfahren
bei der Erftürmung der tapfer verteidigten Stadt Bezierd berichtete er (inter epp.
40 Innoc. III., 1. XII, ep. 108) trumpbierend an den Papſt: „Nostri non parcentes
ordini, sexui vel aetati, fere viginti milia hominum (?) in ore gladii pere
merunt: factaque hostium strage permaxima, spoliata est tota civitas et
succensa, ultione divina in eam mirabiliter saeviente.“ Unter ähnlichen Greueln
wurde Garcafjone verwüftet und überhaupt das ganze Land erobert, das dem Hauptfeld
45 herrn des Kreuzheeres, den Grafen Simon von Montfort, als Lohn für feine tapfer
Führung zugeſprochen wurde. Seit 1211 wendete diefer fih dann auch gegen Raimund
von Touloufe; vergebens hoffte dieſer vom Papſte, dem er fich früher — in die
Arme geworfen hatte, Schutz und Rettung. Auch ſein ganzes Gebiet fiel dem gierigen
Räuber Montfort in die Hände und wurde durch Beſchlüſſe eines Konzils zu Montpellier
co und der noch im nämlichen Jahre gehaltenen vierten Lateranſynode (1215) ihm förmlid
als Beſitz zugefprochen. Eine günftige Wendung für die Sache der Albigenfer führte der 1218
erfolgte Tod Simons von Montfort herbei. Raimund VI. tritt während feiner leßten
Sahre mit wachfenden Glüd gegen deijen Sohn und Nachfolger Amalarih ; ja der 1222
auf jenen gefolgte Raimund VII. entriß diefem Gegner fein ganzes väterliches Erbe
65 wieder. Aber die päpftliche Politik hielt auch unter dem fanften Honorius III. g
1216) unausgeſetzt auf ſeiten der katholiſchen Gegner der ketzerfreundlichen toloſaniſ
Grafen. Auf dieſes Papſts Betrieb führte Louis VIII. von Frankreich ein neues Kreuz
heer gegen die Albigenjer, und eroberte, bevor er gegen Ende 1226 ftarb, wenigſtens
einen Teil der Grafſchaft. Nach weiteren drei Jahren blutiger Kämpfe fette endlich ber
co Friedensichluß von Toulouſe 1229 dem 20 jährigen Religionstriege ein Ziel Schlimmer
Neumanichäer 769
für die kathariſche Sache als die Abtretung eines beträchtlichen Teils der Grafſchaft an
die franzöſiſche Krone ſeitens Raimunds VII. waren die dieſem auch ſonſt noch auf—
erlegten demütigenden Bedingungen. Es gehörte dazu vor allem die Genehmigung eines
ſtehenden Inquiſitionsinſtituts, das laut Beſchluß des Toloſaner Konzils von 1229 (ſ.
die 45 Capp. desjelben bei Manſi XXIII, 192ff.) zunächſt den Biſchöfen der Gegend 5
unterftellt, fpäter aber durch Gregor IX. (1232) in ein von Dominifanern zu leiten:
des päpftliches Inftitut umgewandelt wurde. Raimund VII. mußte felbjt eine Reihe
von Geſetzen zur Förderung dieſer Anftalt erlafjen (Manſi XXIII, 265) und zu
dem blutigen Werke der Ausrottung feiner früheren Schüglinge mitwirken. Der Reft
der in kriegeriſcher Erbebung ſich ihm Miderfegenden flüchtete jchließlich in das auf hohem 10
Felſen gelegene feite Schloß Montjegur, nach deifen Erftürmung durch Raimunds Truppen
nicht weniger ald 200 Vollkommene den Feuertod erleiden mußten. — Selbjt nad) diejer
legten friegerifchen Kataſtrophe hörte die Sekte der Albigenfer nit auf. Eine lange
Reihe von actus fidei, bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts ſich fortziehend, bemeift,
wie hbartnädig ſie den zu ihrem Untergang verſchworenen Mächten widerſtand (j. bef. den ı6
Liber sententiarum Inquisitionis tolosanae aus den Jahren 1307—1323, hinter
Phil. v. Limborch, Hist. Inquis.,, Amfterdam 1692; au Füßlin I, 417, ſowie Douais
a. a. O.). — Später findet man in Südfrankreich zwar noch Waldenjer in ziemlicher
—— aber keine Katharer mehr. Als letzte —* dieſer letzteren haben wohl die
gots der Pyrenäen zu gelten, die durch rote Kreuze gekennzeichnet und von ihren 20
katholiſchen Nachbarn als eine Art von Parias mit Abſcheu gemieden, an die aus
Schreden bekehrten Credentes jener Kreuzzugsepoche erinnern. Noch während des
vorigen Jahrhunderts follen diefelben ſich Christaas genannt und ald Nachkommen der
einftigen Anhänger des Raimund von Touloufe bezeichnet haben (j. außer Ch. Schmidt
[II, Anm. 14] bef. Lombard p. 108 u. 285f.). 25
Ungefähr fo lange wie in Südfrankreich fcheint das Katharertum im nördlichen
Spanien fich gehalten zu haben. — Schon etwas früher find die nordfranzöfifchen, flan-
driſchen und rheinländischen Katharer den Streichen der Inquifition erlegen. In Nord»
frankreich und Flandern wütete unter Gregor IX. mit befonderer Graufantkeit der domi-
nifanifche Inquiſitor Robert, dem man, weil er felbjt 20 Jahre lang Mitglied der Tatha= zu
rifchen Kirche getwefen, den Beinamen „der Bulgare” (le Bougre) erteilte. Er foll einft,
furz vor Pfingiten des Jahres 1239, 183 Häretifer auf einmal dem Feuertode über-
liefert haben, zog ſich übrigens zulegt (wie Matth. Baris berichtet) das Mißfallen feines
päpſtlichen Gönners zu und wurde zu ewiger Kerkerhaft verurteilt, in der er jtarb (vgl.
außer Friedrichs ſſ. o. d. Litt.) C. H. Hasfıns, Robert le Bougre and the beginning ;;
of the inquisition in Northern France, im Americ. Hist. Rev. 1902, 631 ff.).
Über den deutjchen Zeit: und Schidfalsgenofjen (aber wohl nicht dominifanifchen Ordens-
genofjen) dieſes Nobert, den Kegermeilter Konrad von Marburg (gejt. 1233) handelt ein:
gehend der Artikel von Benrath) X, 747— 751. Zu den Opfern, die fein fanatifches
Wüten hinraffte, fcheinen neben dualiftifch-fatharifchen auch waldenſiſche Häretiker gehört wu
zu haben. Eigentliche Katharer oder Neumanichäer dürften in Deutichland während des
13. Sabrhunderts überhaupt nur ganz fporadifch Gegenftand inquifitorifcher Belangung
geworden fein; die freibeitliebenden friefifchen Stedinger find ficher ganz ungerechtfertigter:
weile als „albigenfische” Keger angellagt und verfolgt worden. Und von den Straf
maßregeln der feit der Epoche der Avignonenſer Päpfte (Clemens VI, Urban V., Gre u
or XI.) auch für die deutfchen Lande organifierten päpjtlichen Inquiſition find weſent—
ih nur Waldenfer und diefen nächſtverwandte Häretifer, nicht mehr Vertreter dualiftifch-
tathariicer Lehren betroffen worden (vgl. H. Haupt, Waldenfertum u. Inquiſition: DIZWG.
, 1889).
Am längften bat der Neumanichäismus als kirchlich organifierte Gemeinschaft fich co
auf der Baltanhalbinfel behauptet, und zwar in Bulgarien ale Bogomiliemus bis in die
zweite Hälfte des 14. Jahrbunderts, ja in Geftalt einzelner Eleinerer Gemeinden bis in
Die neuere Zeit hinein, in Bosnien aber als ftreng dualiſtiſch lehrende, den Albaneſen
Oberitaliend mehr oder weniger gleih geartete Sekte. Dieje bosnifchen Katharer oder
Paterini (ie jie in den betr. abendländifchen Quellen fonftant genannt iverden) wurden 565
feit der Zeit Innoncenz' III. und Honoriue’ III. von Ungarn aus durch iwiederbolte
Kreuzzüge, durch jtrenge Gewaltmaßregeln, welche die Erzbifchöfe von Colocza und die
ungarijchen Könige wetteifernd über fte verbängten, fowie durch die zum Teil milder ge:
arteten Bemühungen franzisfanifcher Miffionare zu unterdrüden verſucht. Sie behaupteten
fih aber bis in das 15. Jahrhundert hinein an als die jtärkite kirchliche Gemeinſchaft ww
Reals@ncpllopädie für Theologie und Kirche. 3. W. XIII. 49
770 Neumanichäer Neumann
des Yandes und batten an mebreren der bosnijchen Bane, namentlih an dem 1376 zum
König gefrönten Stephan Tyoartko, fräftige Beichüger. Sie ftanden unter mebreren
Biſchöfen als geiftliden Iberbäuptern ; vier dieſer bosniſchen Bilchöfe jollen 1433 beim
Basler Konzil erſchienen, aber wegen ihres Feſthaltens an der „paterinifchen” Xebre von
6 den Konzilspätern zurüdgewiefen worden fein. Der unaufbaltfame Niedergang der Sekte
begann mit dem Übertritte des ibr angehörigen, aber ſchon ein Jahr nach feiner Thron—
beiteigung (1444) ihr untreu geiwordenen König Stephan Thomaſch zum Katbolicismus.
Nachdem ſchon diefer Herricher mit einem Verbot des Kirchenbaus und mit anderen Be
ſchränkungen gegen fie vorgegangen war, erließ fein Nachfolger Stephan Thomaſchewich
10 1459 ein Edikt von barbarifher Härte, das ihnen nur die Wahl zwiſchen Uebertritt zum
Katbolicismus und zwiſchen Auswanderung ließ. An 40000 ypaterinifchen Bosniaten
jollen damals nad) der Herzegowina übergewandert fein. Seit der Eroberung des Yandes
durd die Türken (1463) verſchwindet die bosnische Katharerſekte äußerlih aus der Ge
ſchichte. Die Mehrzahl der bis dahin ihr anbängig Gebliebenen dürfte fich unter den
15 demnächſt mafjenbaft zum Islam abgefallenen Yandbewohnern befunden haben; doch mill
man Spuren einer verborgenen Fortexiſtenz der Sekte noch während der legten Jahr:
zehnte des 19. Jahrhunderts wahrgenommen haben (Zireied, 1. c. ©. 367ff.; Döllinger
Il, 242 —252). Zödler.
Neumann, Caſpar, geit. 1715. — AdB 23, 532ff. — Koch, Kirchenlied 5, 456 ff.;
20 Fiſcher, Kirchenlieder-Lexikon, S. 459 ff.; Bed, d. rel. Volkslitt. d. ev. Kirche Deutſchlands,
S. 250ff.; Große, Die alt. Tröſter, Hermannsb. 1909, ©. 528ff. — Bon ält. Arbeiten:
Acta erudit. (deutſch) Bd 33, 728ff. mit Nachtrag S. 943 ff. ein Lebensabriß mit Angabe der
Werte N. s. -- Zöcher, Gel.-Lex. 1751, 3, Sp. 881.
Gafpar Neumann wurde am 14. September 1648 in Breslau als der Sohn eine
25 Natsfteuereinnebmers geboren. Nach dem frühen Tode des Vaters für den Apotbefer:
beruf beftimmt, wurde er von der Mutter in Erfüllung des dem Gatten gegebenen ®er:
iprechens den gelehrten Studien zugeführt. Von 1667 an widmete er fich in Jena
unter Mufäus und Gerhard (d. jüng.) der Theologie und Philoſophie und babilitierte
ih 1670 ale magister legens. Cr las unter großem Beifall über Politik, Rhetorik
und Homiletit. Won Herzog Ernſt dem Frommen wurde er 1673 als Neifchegleiter
für den Erbprinzen Chriftian erwählt. Als folcher lernte er das weſtliche Deutjchland,
die Schweiz, Südfrankreich und UÜberitalien tennen. Auf die ihm übertragene Hof:
predigeritelle in Altenburg verzichtete er nach Turzer Zeit, um (1678) einem Rufe an die
Maria Magdalenakirche feiner Vaterſtadt zu folgen; 1689 wurde ihm das Pfarramt an
36 diefer Kirche verlichen. Als er eine Berufung als Superintendent nach Lüneburg aus:
ſchlug, wurde er (1697) zum Pfarrer an ©t. Elifabeth in Breslau befördert. Damit
überfam er zugleihb die Inſpektion über ſämtliche Kirchen und Schulen der Stadt und
die erſte Profeſſur an den beiden ſtädtiſchen Gymnaſien. In dieſer Stellung wirkte
Neumann im Segen bis zu ſeinem Tode am 27. Januar 1715.
40 Neumann, der in Jena Baco und Descartes ftudiert hatte, verfügte über ein reiches
Kiffen nah dem Maße feiner Zeit; er bat fih befonders auf dem Gebiete der Staats:
wiljenschaft einen Namen gemacht. Ber der Errichtung der Berliner Akademie der Willen:
ſchaften wurde er von Yeibnig in erfter Linie als Mitglied vorgejchlagen. Leibnig war auf
N. aufmerkſam getvorden durch feine Denkſchrift: Reflexiones über Leben und Tod bei
46 denen in Breslau Gebornen und Geftorbnen (1689), in der N. mit wifjenjchaftlicher
Schärfe über die Zablenverbältnifje der jährlichen Geburten und Todesfälle Beobad-
tungen anftellte Er bejchäftigte Tih auch mit meteorologifchen Studien. Mir beftsen
von N. einige theologiſche Arbeiten gelebrter Art, die wohl nicht mit Unrecht der Per:
geſſenheit anbeimgefallen find; fie bewegen fih auf dem Gebiete der hebrätfchen Sram:
o matik und Yertfograpbie. Dem Pietismus abbold und im Kampfe gegen ihn auf Löſchers
Seite jtebend iſt Neumann doc von tiefer Herzensfrömmigfeit, der man es abfühlt, daß
jie vom Geiſte Speners berührt worden iſt. Es ift etwas Ruhiges, Mildes, Abgellärtes
an dem Manne, der um destwillen von der Achtung und Liebe der Gemeindeglieder in
Altenburg und dann in Breslau getragen war. Man fehägte ihn vor allem wegen
65 feiner Predigten; ſie zeichnen jih aus durch gründliche Tertunterfuchung, wohlthuend
natürliche, veine Sprache, kurzen Ausdruck, trefflih gewählte Bilder. In feiner Grab:
jchrift wird er überſchwenglich als Chrysostomus Vratislaviensis gepriefen. Wir be:
jigen von Neumann GEvangelienpredigten u. d. T. Yicht und Necht (1716 und 1731)
Neumann Nenmeiſter 771
und Geſammelte Früchte (2 Teile 1707 und 1733), unter denen ſich feine berühmten
Trauerreden befinden.
Mehr noch als durch feine Predigten iſt N. durch fein Gebetbudy: Kern aller Ge:
bete befannt geworden, in der erjten Geftalt (1680) ein für den eigenen Gebrauch
niedergefchriebenes Gebet. Es umfaßt kurze nad dem Schema: Bitte, Gebet, Fürbitte,
Dankfagung geordnete im Tone und Rhythmus der Litanei gebaltene Einzelbitten in
edler Sprache, voll reichen bedeutenden Inhalte. Als das Gebet durch Unberufene Zu:
fäße und Erweiterungen erfuhr, nahm Neumann die Sadje ſelbſt in die Hand und er:
meiterte e8 zu einem umfänglichen Gebetbudhe nach der Sitte und dem Geſchmacke der
Zeit (2,—4. Aufl. 1686— 1693); es wurde bis zu Neumanns Tode 22 mal aufgelegt. 10
Auch Überfegungen in faft alle europäiſchen Sprachen wurden veranftalte. Benjamin
Schmolk hat ihm die Ehre angethan, e8 in Verfe zu bringen (abgedrudt in der Aus:
gebe der Schmolfichen Lieder und Gebete von Grote, Leipzig 1855, ©. 241ff.). Neue
usgabe: K. N.s Kern aller Gebete und Gefänge, Eisleben 1882, chriſtl. Ver. i. nördl.
Deutichland. Die Gebete tragen biblifche Färbung und find würdig und bewegt im Aus: 15
drude, doch werden fie im Gegenfabe zu der urfprünglichen Geltalt des Kerns durch
Breite und Umftändlichfeit beeinträchtigt. — Im Wechſel mit der alten Xitanei und
dort, mo das Nefpondieren der Gemeinde nicht üblih iſt, eignet ſich unter gewiſſen
Modifikationen Neumann Kern in der eriten Faſſung trefflicd zum Gebrauche in Gebets-
gottesdieniten. 20
In der evangelifchen Kirche lebt das Andenken Neumanns vor allem durch feine
Kirchenliever fort (31, nad) andern 39). Etwa 10—12 haben ſich bis heute in den
landeskirchlichen Geſangbüchern erhalten. Zu den befanntelten zählen: Großer Gott von
alten Zeiten; Herr, du haft für alle Sünder; Herr, es ift von meinem Leben; Mein
Gott, nun iſt es wieder Morgen; O Gott, von dem mir alles haben, Nun bricht die 25
finjtre Nacht herein. Die Lieder faſt durchweg im Tone des Gebet? gehalten, ſind
fließend in Rhytmus und Reim, voll warmer religiöfer Empfindung, ohne dabei in Die
füßliche Empfindfamfeit der pietiftifchen Liederdichtung zu geraten. Freilich iſt auch ihr
dichterifcher Gehalt nicht groß; fte tragen etwas nüchtern=verjtändiges an ſich, das Iyrifche
Moment tritt zurüd. In Neumann Proſa ſteckt mehr Poefie als in diefen feinen 30
Liedern. — Neumann hat fi) auch durch die Herausgabe eines Kirchengeſangbuchs für
Schleſien (1703) verdient gemadht. Hermann Bel.
©
Nenmart, Seorg, geit. 1681. — AdB 23, 339ff.; Koch, Kirchenlied, 3, 410ff. und
4, 146ff., beide mit Angabe der älteren LXitt. u. ber Werte N.s. — Vgl. auch die Litteratur:
geſch. v. Kurz, Gervinus u. a. 95
Georg Neumark, geb. 1621 in Langenſalza und dort am 7. März a. St. getauft,
war in Schleufingen auf der Schule, von wo er ih auf mühfeliger, langjähriger Wan-
derung, von S. Dad) angezogen, nach Königsberg begab. Er ftudierte hier Rechtswiſſen—
ſchaft und beichäftigte fich mit Dichtlunft und Muſik. Nach ungefähr fechsjährigem Auf:
enthalte in Königsberg zog er in die Heimat zurüd und fand in Weimar eine Anjtellung 40
als herzoglicher Biblivthefar und Regiſtrator. Er ftarb als Archivfelretär und Taiferlicher
Pfalzgraf am 8. Juli 1681. — Bon Neumark zahlreichen mweltlihen Dichtungen Tann
bier abgejeben werden; er war unter dem Namen: der Sproflende Mitglied der frucht:
bringenden Geſellſchaft. So hochtönend und zugleich troden und matt, weil von kalt
berechnenden Berftande eingegeben feine Neimereien auf dieſem Gebiete find, jo wertvoll 45
it ein Teil feiner geiftlichen Lieder, in denen ſich ein ftarfes in der Tiefe der Erfahrung
wurzelndes Gottvertrauen und innige Empfindung ausſpricht. Unter den Liedern iſt
das bebeutendite und befanntejte, von unvergänglichem Werte: Wer nur den lieben Gott
läßt walten, zu dem Neumark aud die Melodie erfunden hat. Es ıft wahrſcheinlich in
Kiel auf der Wanderung nach Königsberg Ende 1640 oder Anfang 1641 entitanden so
nad Errettung aus großer Not. Ferner find zu nennen: Es bat uns heißen beten,
o Gott, dein lieber Sohn (Morgenlied); Sch bin müde mehr zu leben; Sch laſſe Gott
in allem walten; Sei nur getrojt und unverzagt; So begrabt mich nun immerhin (vom
Chor im Wechſel mit dem Gemeinlied: Nun laßt uns den Yeib begraben gejungen;
Sächſ. Gefangb. Nr. 650); Wie mein gerechter Gott nur will. Einige diefer Lieder 55
haben ſich bis auf den heutigen Tag im Gebrauche erhalten. Hermann Bel.
Nemmeifter, Erdmann, gelt. 1756. — AdB 23, 543 ff. — Koch, Geſch. d. Kirchenl.
5, 371; Fiſcher, Kirchenlieder:Xeriton 8. v.; Ritſchl, Piet. 2, 422. 423; Bed, d. rel. Volks:
49*
Kenmeiiter Nenplatonismus
. d. u: N Hamb. Schriftſteller V: Wetßzel, Bene
>. E >, 222. Ein großer Zeil ſeiner diber Zee
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"ale Ad Al Naulti. Pur. In; ol: A. Harnack. Ter Neupieten nismus,
Y..Xrı der Taenten NETTE, zuerit vn sid ın der Enevelop. Britannien;
ya Werber. Deib, Is Blenmenmus 2 Th. Götiinaen 1834: M. Deine,
s 5 NYtieloi, Plilvi., Ten? 1872. Ueber Ammonios, E. gelier, Am—
Nenplatonismns 773
monius Saffas und Plotinus, Arch. f. Geſch. d. Philoſ, VIL 189. Ueber PBlotin: C.
Herm. Kirdiner, Die Philoſ. des Plotin, Halle 1854; Arth. Richter, Neuplatoniſche Studien,
1.—5. Heft, Halle 1864—1867; Herm. Yerd. Müller, verjchiedene Abhandlungen, von denen
bejonders zu erwähnen Ploting Forſchung nad) der Materie, Slfelder Progr. 1882, Dispofi:
tionen der drei erjten Enneaden des Pl., Bremen 1883; H. v. Hleift, Bloting Kritit des Ma: 5
terialismus, Philoſ. Monatsh., Bd 14, 1878, und andere Abhandlungen; 2. Piſynos, Die
Zugendlehre des Pl. mit befonderer Berücdjihtigung des Böfen u. der Katharfig, Lpz. 1895.
Veber Hypatia: Rich. Hoche, H., die Tochter Theons, Philologus, 15, 1860. Ueber Damas-
kios: E. Heiß, D. Bhilofoph D., in Straßburger Abhandlung. zur Philof., Ed. Zeller zu f.
70. Seburtstage, Freibg. u. Tüb. 1884. Ueber Boethius, Fr. Nipih, Das Syitem bes B., 10
Berlin 1860; U. Hildebrand, B. und feine Stellung zum Chriftentum, Regensb. 1885, u. a.
Ueber die gejchichtliche Stellung ded Neuplatonismus überhaupt und über jein Verhältnis
zum GChrijtentum ſ. die größeren Kirhen: und Dogmengeihichten, ferner Tzſchirner, Fall des
Heidentums, Lpz. 1829; Jean Réville, La religion de Rome sous les Severes, Par. 1886,
überf. v. G. Krüger, Lpz. 1888 u. a. Weitere Litteratur über die Neuplatoniter ſ. bei Ueber- 15
weg-Heinze, Srundr. d. Geſch. d. Vhilof., I, 9. Aufl. 1903.
Der Neuplatonismus ift die legte Form der griechifchen Philoſophie, in welcher fich
der antife Geift unter Benugung vieler Elemente der vorhergehenden Lehren, namentlich)
ber platonifchen, mit Überfchreitung der realiftifchen Richtungen der Stoa und Epikurs,
ſowie dogmatifcher Überwindung des Skepticismus, zu bochfliegender, zum Teil myſtiſcher:
Spekulation erhob, auf meldye orientalifche, auch chriftliche Einflüffe ftattfanden. Das
forichende Denken richtete fich in ihr befonders auf die Gottheit und das Verhältnis der
Melt und des Menfchen zu diefer, ohne daß Phyſik, Ethik und Logik vernachläffigt worden
wären. Im Gegenfaß zu dem früheften Tosmozentrifchen, dem fpäteren anthropozentrifchen
Standpunkt der griechiſchen Philoſophie, tritt in dieſer fpäteften Phaſe der theozentrifche :
mehr bervor, woraus es erflärlich ift, daß in ihr das veligiöfe Element ſich ſtark geltend
machte. Freilich iſt es unrichtig, Die ganze neuplatonifhe Nichtung als Religion und
nicht als Philoſophie zu bezeichnen, da vielfach das Irdiſche überfliegendes Denken ohne
religiöje Motive, rein dem Trieb nad Erfenntnis entfpringend, vorkommt. Allerdings,
fobald das Myſtiſche hervortritt, hat auch das Neligiöfe die Oberhand, das ja ſchon bei 30
Platon deutlich eine Nolle fpielte, und mit biefer theofophifch.myftifchen Nichtung bängt
es zujammen, daß der Neuplatonismus nicht mit der gleichen wiflenfchaftlichen Strenge
verfuhr, wie frühere griechifche Philoſophen. Schon daß Platons Schriften für ihn gleich:
ſam als Offenbarungsurfunden galten, die dunfelften, wie der Parmenides, von ihm am
höchſten gefchäßt waren, läßt ihn die gefchloffene philoſophiſche Methode oft und weit 35
überſchreiten. Nah Blaton wollen diefe Philoſophen auch genannt fein, wie Auguftin
Deciv. Dei, VIII, 12 berichtet: recentiores tamen philosophi nobilissimi, quibus
Plato sectandus placuit, noluerint se dici Peripateticos aut Academicos, sed
Platonicos. Ex quibus sunt valde nobilitati Graeci Plotinus, Jamblichus, Por-
phyrius. Dem Gedanken nad jteben fie dem Philon fehr nahe, näher, ald man in der w
Hegel meint, aber der äußere Zufammenbang tft nicht nachgetwiefen, abgefehen davon, daß
Philon in Alexandria gelebt hatte, wo auch Ammonios lehrte. Gefchichtlih knüpft der
Neuplatonismug unmittelbar an die Neupythagoreer und die pytbagorifierenden oder eklek—
tischen Platoniker an, unter welchen legern namentlich Numenios als Vorgänger des
Ammonios und des Plotin anzufehen it. Behaupteten doch manche, Plotin mwiederhole 45
nur die Lehren diefes Philofophen, der Pythagoreifches mit Platoniſchem vermifchte, die
griechifchen Philoſopheme auf orientalifche Wersheit zurüdführte und den Platon felbft
einen attiſch redenden Moſes (Mwvons Aärrıxilwv) nannte. Daß aber der Neuplatonie-
mug viel mehr Eigenes und Selbititändiges hatte als diefe feine Vorgänger, läßt fich leicht
erfennen. Er bradte troß allem Anschluß an frühere das ganze philofophifche Wiſſen so
in FH neues philojopbifches Syſtem, in dem nicht nur die Form den Unterſchied aus:
machte.
Der Neuplatonismus entftand in Alerandria, wo mit dem Völkergewirr auch die
damals noch geltenden philoſophiſchen und religiöfen Richtungen zufammenliefen und fich
vielfach vermifchten. Sein Begründer war Ammonios Sakkas (etwa von 175 bis
242 n. Chr.), für den es bezeichnend ift, daß er ın der chriftlichen Neligion erzogen
worden var, päter jih aber dein Hellenismus wieder zuwandte. So ftand der Neu:
platonisinus ſchon von feinem Begründer ber in Beziehung zu dem Chriſtentum, die nicht
ausgeiprochen feindlich ageivefen zu fein braucht. Ammonios hat ferne Lehre nicht nieder:
gejchrieben, fondern fie nur mündlich überliefert, woraus es erflärlich ift, daß wir ſehr so
wenig von ihr wiſſen, namentlich nicht beurteilen fünnen, wie ſich die plotinifche zu ihr
ko
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774 Neuplatonismus
verhält. Seine Schüler waren der bedeutendſte unter den Neuplatonikern überhaupt:
Plotin und neben diefem Origenes, der Neuplatonifer, und Drigenes, der Chrit,
fowie Konginos, der Philolog. Von diefer alerandriniichrömischen Schule unterjcheidet
man die furifche, deren Haupt Jamblichos, der phantaftifche Theurg tft, und die athenien:
5 fifche, Die fich wieder mehr der theoretischen Spekulation zumandte und in Proklos ihren
Hauptvertreter fand. Wenn man von neuplatonischer Philoſophie redet, fo verftcht man
vor allem die Yehre Plotins darunter, deifen tvefentliche Lehren auch im ganzen von
den fpäteren Neuplatonifern wiederholt tvurden. Sie wird deshalb aud hier vornehmlich
zur Darftellung fommen; bat fich doch in ihr noch eine herrliche Blüte des griechifchen
10 Geiftes entfaltet.
Nlotin war 204 in Lykopolis in Oberägypten geboren, ſprach über Vaterſtadt,
Eltern und Zeit feiner Geburt nie, da er das alles für zu irdiſch achtete, wie er ſich ſogar
zu fhämen fchien, im Leibe zu fein. Erft mit 28 Jahren fing er an, ſich der Bhilofophie
zu widmen, hörte in Alexandrien unter andern namentlich den Ammonios, der feinen
15 Miffensdurft befriedigte, und bei dem er etwa 10 Jahre ald Schüler blieb. Dann fchloß
er fi dem Kaiſer Gordianus auf deſſen ſchließlich verunglüdtem Zug gegen die Perfer
an, um die perjiiche Philofophie Tennen zu lernen. Dieſe Abficht erreichte er nicht und
wandte fih etiva 244 nach Rom, wo er für feine Lehren Anhänger, unter dieſen ſogar
den Raifer Gallienus und deſſen Gemahlin Salonina, fand. Der Blan, mit Unterftüsung
2 des Kaiſers in Campanien eine Philoſophenſtadt Platonopolis zu gründen, die nach Pla-
tons Beltimmungen eingerichtet werben follte, fcheiterte, mie berichtet wird, am WMWiber:
ftreben der fatferlichen Natgeber. In Rom lehrte Plotin in einer aufs höchfte anregenden
und die Fragen feiner Schüler fehr eingehend berüdfichtigenden Weife bi8 zum Sabre
268, bielt fid dann in Campanien auf dem Landgute eines VBerehrerd auf, mo er fchon
3 im Sabre darauf ftarb. Erſt ziemlich Spät ftellte er feine Lehre ſchriftlich dar, veröffent-
lichte aber feine Schriften nicht felbit, fondern Died that nach dem Tode des Meifters
jein Schüler Porphyrios, der die 54 von Plotin verfaßten Abhandlungen in 6 Enneaben
zujammenjtellte, wobei er das Zufammengebörige vereinigte und vom Leichteren zum
Schwereren fortging. Doc kennen wir durch denfelben auch die chronologifche Folge ver
3» Schriften. Herausgegeben find fie zuerft in lateinifeher Überfegung von Marfilius Fieinus,
Florentiae 1492, griechifch und lateiniih Basileae 1580, in neuerer Zeit von A. Kırd-
boff, Yeipz. 1856, von H. F. Müller, Berl. 1878 und R. Volkmann, Leipz. 1883, 84.
Sins Deutſche find fie überjegt, zugleich mit der Lebensbeichreibung des Plotin von Por:
phyrivg, von H. 5. Müller, Berlin 1878, 80.
35 Was den Plotin weſentlich von Platon ſowie von feinen unmittelbaren Vorgängern
unterscheidet, ift die Annahme eines über dem vods ftehenden Prinzips, während noch
bet Numenios der vods als das Höchite gegolten hatte. Plotin glaubt freilich in dieſer
Beziehung die Lehre Platons zu vertreten, da dieſer auch noch einen Vater des vous
oder des Demiurgen, nämlich das Gute, annehme, während in Wahrheit bei Platon das
10 Gute mit dem »odös oder der Gottheit zufammenfällt. Der fpelulative Drang nad der
Einheit des böchften Prinzips lies den Plotin mit der Annahme des vods als eines
ſolchen nicht zufrieden fein. Der voös iſt ihm feine volllommene Einheit, genügt ın
dieſer Beziehung dem Denken als höchſtes Prinzip nicht, da er zugleih Subjeft und Ob-
jeft des Erkennens iſt, vooOv und vooVuevor, alfo in eine Zweiheit zerlegt werben mus
5 Es fommt darauf an, über diefer Zweiheit noch etwas Höheres zu fuchen (Enn. III,
8, 8: xai olros voüs xal vontöv Ana, el ôè Övo, dei ro noö Övo Jaßeiv. Ebd.:
To noÖTEOOoV Twv ÖVo Tottwr Ennexeıwa Tod vod elvaı). Ties iſt das abjolut Eine
oder das Eins (TO £r), das Höchite, mas überhaupt gedadıt werden kann. Wenn e8 nicht
die Vernunft ift, fo iſt es damit nichts Unvernünftiges, vielmehr ein Übervernünftiges
(Hrtepßeßnxös ty? voor qotv), einfacher al$ der vods, ibentifch mit der Gottheit, das
böchite, als durchaus tranſcendent gedacht, da das erfte Sein über dem abgeleiteten, vielen
jein muß. Das Eine oder die Gottbeit näher poſitiv zu beftimmen, kann dem Blotin
nicht gelingen, da es über alles Denken, über alles Sein hinausgeht, da es über dem
Guten, als welches «3 freilich öfter bezeichnet twird, über allem Schönen, über aller Thätig-
5 feit ftebt, obwohl es Öivaus 7 roW@rn genannt wird. Iſt es dies alles nicht, Tommen
ihm überbaupt feine pofitiven Eigenſchaften zu, fo gebt doch alles Denfen, alles Sein,
alles Gute und Schöne, auch alle Thätigfeit von ihm aus; es iſt die Urfache, Die Duelle
von allem. Damit wäre eigentlih das einzig Poſitive von ihm ausgefagt. Wollte man
nit dem Namen „Eins“ ſein Weſen bezeichnen, jo gebt aud das nicht, da mit dieſem
so Namen nur angegeben werden joll, daß es ohne alle Vielheit, ohne allen Unterſchied in
Nenplatonismns 775
ih, ohne alles Sleichartige außer fid) gedacht werden muß. Es iſt alfo aud) dies eigentlich
nur eine negative Beitimmung: das Höchite ift eben ohne pofitiven Inhalt, obgleich alles
von ihm ausgeht, geradezu ein Wunder.
Die Tranfcendenz Gottes war jchon bei Vorgängern von Blotin, 3. 3. bei Bhilon,
bei Plutarch u. a. sehr beſtimmt feitgebalten, welch leßterer bereits lehrt, dag Weſen 5
Gottes ſei nicht zu erkennen und nicht durch Denken zu erreichen, es könne nichts
von Gott ausgeſagt werden, als daß er ſei. Namentlich war auch die Kluft zwiſchen
dem ewigen unveränderlichen Sein und der Welt des Werdens, der Vielheit, ſehr ſcharf
hervorgehoben, und der Verſuch gemacht, durch die Mittelweſen ſie zu überbrücken. Das
oberſte Prinzip Plotins iſt aber noch mehr tranſcendent, noch mehr von allem geteilten
Sein und Werden entfernt, wenn es auch Befriedigung gewähren mochte, mit feiner Feſt⸗
jtelung bi zum Außerjten, Höchſten und Lesten gekommen zu fein. Wie ift nun aber
aus dem unveränderlichen Sein das Werden, aus dem Einen die Wielbeit entftanden?
Diefe am ſchwerſten Lösbare aller metaphufifchen Fragen, warum das eine Sein nicht in
fih verharrt, jondern „eine Menge oder Zweiheit oder Zahl” aus ihm feine Dafeins-
form erhält, erjcheint dem Blotin mit menfchlicher Kraft nicht zu beantworten. Er meint
(Enn. V, 1,6), in der Weiſe müßten mir hiervon \prechen, vah wir Gott felbjt anriefen,
nicht mit lauten Worten, fondern indem mir unfere Seele jtredten zum Gebet, die wir
ir Gott nur dann beten fünnten, wenn wir allein ihm allein gegenüberträten. — Das
Viele in feiner Mannigfaltigkeit entjteht aus dem Einen, das durchaus in Ruhe bleibt, zu
durch Emanation, Ausftrahlung (neollauwyıs), gleichwie aus der Sonne der fie um:
gebende Glanz. Es it nidhts in dem Eins, aber es iſt Alles aus ihm, es tft feins von
den Dingen und doch Alles, keins, fofern die Dinge fpäter find, Alles, weil fie alle aus
ihm hervorgehen; es ift eigentlich nicht richtig zu jagen, daß es Alles ift, womit ber
Pantheismus abgemiejen wird, es ift vielmehr vor Allem. Mit diefen Annahmen tft 25
aber immer noch nicht erflärt, twie das Eins dazu fommt, die Vielheit auszuftrahlen.
In Anlehnung an Platon fagt Plotin, die Urſache davon jet die Güte, die in Gott
ruhen müfje und zur Hervorbringung des Vielen bringe Ale Weſen, nit nur die
befeelten, fordern auch die unbefeelten, bleiben nicht bei fich, fondern bringen Anderes
bervor. Wie jollte da das vollendetite Mefen, welches zugleich das erfte Gute und die 30
höchſte Macht ift, in ſich beharren, als ob es Neid empfände und ohnmädtig wäre? Es
ift dies freilich mehr eine anthropomorphifchzethifche als eine metaphyſiſche Erklärung. Die
letztere wird darin gefunden werden, daß das höchite Sein übervoll iſt und als das Höhere
das Geringere zivar nicht gerade in ſich hat, aber doch aus feiner überquellenden Voll:
fonımenbheit hervorgehen läßt (Enn. V, 2, 1: dv yao r&lsıov to undev Inteiv unde 36
Eyeıv umde Öslodaı olov bnegeodin al ro Öneoninges alrov nenolmxev Aldo).
terin liegt auch die Löſung der Schwierigkeit, twie die Vielheit aus der Einheit, obwohl
ſie nicht in ihr enthalten war, hervorging. Diefer Emanationsprozeß, der dem Plotin
wie auch andern Neuplatonikern ficher zugefprochen werden muß, fett fich für die von
dem &» entfernteren Prinzipien fort, indem das Niedrigere immer aus dem Höheren ber: 40
vorgeht. Es kann fih in diefer Lehre ein Einfluß aus dem Orient zeigen, aber ber
Emanationsgedanfe tritt ſchon in der Stoa, freilid noch mehr bei Bhilon auf, wenn auch
in beiden Lehren nicht fo durchgeführt wie bei Blotin.
Das, was aus dem Eins zunächit hervorgeht, ift der vods, der jchon das Anders-
jein in ſich aufweist, da ihm die Zweiheit des Erkennenden und des Erfannten zulommt. 45
Er denkt ſich felbjt als Erzeugnis und Abbild des Eins und wendet fich feinem Urbild
p um es zu erfaſſen. Hierdurch erhält er die Kraft zu erzeugen, die er in Vieles zer-
egt, da er fie in ihrer ganzen Fülle weder in fich ertragen nod erhalten kann. So
entjteht als fein Inhalt die Ideenwelt, der xoouos vontös, die intelligible und zugleid)
wahrhaftige Welt, während die Erjcheinungswelt nur ein trügendes Abbild von diefer ift. bo
Der vods ift nicht nur Denken, fondern wirkliches Sein, indem er alles Seiende umfaßt
wie die Gattung die Arten; Alles hat er in fich zufanımen und dod als Geſchiedenes,
wie die Seele auch Vieles weiß, ohne daß dies miteinander vermischt wäre. Die Ideen
ind im voös enthalten, nicht diefer in einer dee, wie das bei Platon der Fall ift, der
den vods in der der des Guten befaßt denkt. — Ein großer Unterſchied zu Platon 55
findet fich bei Blotin darın, daß es bei Platon nur Ideen giebt für ſolche Gegenftände,
die einem gemeinfamen Begriff oder Namen angehören, während bei letterem es deren
von allen Einzelweſen giebt. Es werden nicht zwei Dinge in der Melt gefunden,
die einander ganz gleid wären, weshalb jedes Einzelding auch fein cigenes Urbild
haben muß. Freilich kommt dies in den aufeinanderfolgenden Weltperioden zur Nach= 60
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bildung feiner felbft. Hierbei bat fich ee
Aus dem weiterhin die Seel das dritte De bei Blotin. Wi
—— voũg u Dam — — jo aus üm be hie gr
dem Brinzip 1 Denten, | m ‚eb * efle
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logiſe gr est 1 * (eins —— als er von ibm ausgehende Se h
zum Niebrigeren = die Erjchei t überhaupt * — en
ei ae Vermittlerin et der intelligiblen und der menalen %
— Seele aus * Emanation weiter zur äußer
das —53 ——
Tas Rn die Dre, | die alerbinge bei Rlotin in der Hegel nicht ald aus der Seele
H vend angej — vielmehr meiſt nach der Weiſe? ———
15 gleihjam » rinzip gegenüber dem formgebenden aftiven, jo daß jogar Art
| —S——— ähnlich wie die Stoiler das zoodr und zd-
oxov In dual tn etonen, aber von einem wirklichen Dualismus de⸗ *
entfernt find. Die Materie — bei Platon qualitätslos,
om —— das durch das zdoas feine Form erhalten, der dunkle d, ber Yıcht
"net — Die ug vi öglichteit na Seite s, Die abe durch fich
n iv ondern ie ‚ea Leben t. igt | er be
der ber Wiaterie ein Aiberfpruc —— der
— "Syiens Ben — — noch bei anderen a un bei de
30 * ordnet * beberrfcht fie (Enn. IV * 3: —
= Eu a — — = —
— VOEL, nv OLE auUTH
»oouel re »al Ötorzei xal Goyeı adrod). Wie geſchieht dies aber? —* daß
Inhalt der Seele in das Niedrigere hinabſteigt. Der Inhalt des vous die It
35 R — ter "ie Adyon — Ki * Seele, a efafung, de der | tl
ein. ind dies die ot, Die 6 eren 3 amm —
Seele ſelbſt, aus dem voũ eis 3080
ov vod —— zal del ——
Enn. III, 2 u der voüg in reiner ET aufgeht ft di die Seele ver-
10 nünftiges, d. b. —* wes Dean Sie ift auch gewiſſ vods,
er eben — — Es *— über die —— ei Aöyoı * —— —
— oder de Fe — darin, * bie ® —
Ariſtoteles feine Materie exiſtiert. Cine bloße Materie ie 53* wie — fan 1
fern und bei Aristoteles nichts als eine Abjtraftion. Ebenſowenig fönnen die —
Materie wirkſam ſein; nur in ihr erfüllen fie ihre eigentliche ——
so Kräfte. Sie haben offenbar Ännlichteit mit den Adyor aneouarıxol kr Stoie, tl
nur mit diefen nicht die Eigenfchaft des Materiellen; jeder Körper muß einen Logos
baben, als Inbegriff der Qualitäten. Die Aöyoı fi nd das We —— ig der & —* tu e
Der Materie, die in organifcher, nicht in per 3 Weiſe ih et wird; dieſe Bil-
dung allerdings Zwede voraus, aber nicht Wiſſen oder Überlegung, hie nad
> Heraflit alles Werden vernünftig vor fich gebt, und doch feine bewußte
twaltet. 7 —
Iſt Alles von den vernünftigen Kräften gebildet und durchdrungen, indem ie Se
mit ibrem Anhalt überallbin reicht, jo muß auch Alles vernünftig ober fein,
wie ein befannter Ausſpruch Plons lautet: doyn ob» Ädyos zai —— y
«» Enn. III, 2, 15. Wenn aud die Yogoi niedriger find als ihre Urbilder, und ibre
Nenplatonismns 177
bindungen mit der formlofen Materie noch tiefer ftehen, fo zeigen fih doch bei Plotin
aud in diefer Erſcheinungswelt nody Spuren von dem dochſten Die Begriffe können
ſich nicht rein zur Darſtellung bringen, da ſie zerteilt ſind, aber das Schöne und Gute
iſt doch noch ſichtbar in der Sinnenwelt. Der Geiſt Platons, wie er ſich zum Schluß
des Timaios ausſpricht, daß dieſe ſinnliche Welt ſehr groß und ſehr ſchön und ſehr voll- 5
endet, ja ein ſeliger Gott ſei, hat den Plotin noch erfüllt, ſo daß er trotz der das Böſe
erzeugenden Materie dieſe Welt keineswegs als ſchlecht oder häßlich anſah. Er hat eine
längere ſehr beachtenswerte Abhandlung gegen die Gnoftifer oder gegen die, welche jagen,
der Weltbildner ſei fchlecht, und die Welt fer jchlecht, gejehrieben (Enn. 11, 9), offenbar
unächſt gegen die Valentinianer gerichtet, in welcher er e8 als Thorheit bezeichnet, dag 10
* der Götter zu mißachten, da hierbei die Verehrung der Götter nicht beſtehen könne.
Er meint, wer die Natur der Welt tadle, wiſſe nicht, was er thue, noch wieweit er ſich
in ſeiner Kühnheit verſteige. Dies komme daher, weil er das Geſetz der Stufenfolge
vom Erſten, Zweiten, Dritten bis zum Letzten nicht kenne, weil er nicht wiſſe, daß man
es den Dritten nicht vorwerfen dürfe, wenn ſie ſchlechter ſeien als das Erſte daß man 15
ſich geduldig in das Naturgeſetz des Alls zu fügen habe, rüſtig zum Erſten empor—
eilend. Auch könne man ein Walten des Göttlichen im Menſchen nicht annehmen, wenn
man es im Weltganzen leugne, das doch noch viel mehr Ordnung und Vernunft auf—
weiſe. Er vertritt bier den im ganzen das griechiſche Denken beherrſchenden Upti-
mismus gegenüber der chriftlichen tveltverachtenden Richtung (vgl. Neander, Über die zu
welthiftorische Bedeutung des neunten Buchs in der zweiten Enneade des Plotinos, ABA
1813).
Geradezu eine Theodizce, die ausgeführtejte im Altertum, giebt er in feinen Büchern
ITeot roovoias (Enn. III, 2u.3). Niemand, fagt er da, könne der Welt vortverfen, daß
fie nicht fchön oder von allem Körperlichen nicht das Beſte fei; ebenſowenig könne man:
die Urſache ihres Seins anklagen, da die Welt aus Notwendigkeit, nicht aus Reflerion
geworden fei, und nur das höbere Prinzip fie naturgemäß ſich ähnlich machte. Indem
er will, daß die Welt in ihrer Geſamtheit betrachtet werde, nicht nur ein Teil von ihr,
etiva wie bei einem Organismus ein Haar oder eine ehe, läßt er dieje felbit ihre Ver:
teidigung übernehmen: „Mich hat Gott geichaffen und ich bin von dort geworden, voll:
kommen unter allen lebenden Wefen, mir jelbit genug und ausreichend, nichts bebürfend,
weil alles in mir ıft: Pflanzen und Tiere und die Natur alles Gewordenen; viele Götter
und Scharen von Dämonen und durd Tugend glüdjelige Menfchen. Nicht iſt es fo,
daß nur die Erde geſchmückt ift mit allerlei Pflanzen und Tieren, und ſich die Kraft der
Seele bi zum Meere ausdehnt, während die ganze Yuft und der Ather ohne Seele wäre, 35
fondern dort find lauter gute Scelen, die den Sternen Xeben geben und dem twohlgeord-
neten ewigen Umſchwung des Himmels, der den Geiſt nachahmend fich. um denſelben
Punkt ftets im Kreis mit Bewußtſein bewegt. -- Alles in mir ftrebt nach dem Guten,
und alles Einzelne erreicht es je nach feinem Nermögen. — Das Eine jcheint nur am
Erin teil zu haben, das Andere am Leben und zwar Einiges mehr an der Empfindung, 40
Anderes bat Schon Vernunft, wieder Anderes hat das ganze Yeben. So darf man nicht
Gleiches verlangen für das, mas nicht gleich iſt. Eignet doch auch das Sehen nicht dem
Kinder, ſondern dem Auge, dem Yinger aber, feine befondern Cigentüntlichkeiten zu haben.”
an muß die Teile in Beziebung auf das Ganze betrachten, ob fie mit ihm jtinmen,
da es auf die Harmonie des Ganzen ankommt, dem das Einzelne fich einfügen muß, zu 45
welcher auch das Schlechte gehört, damit das Gute zur Geltung komme. Auf einem Ge
mälde ſeien nicht überall ſchöne Karben, in einem Drama träten audı nicht nur Helden,
fondern auch Sklaven und Bauern auf; nähme man dieje weg, fo würde es fein jchöneg
Kunſtwerk mehr fein. Im ganzen fließt fih Plotin in feiner Erklärung des Übels in
der Welt und in der Nechtfertigung der böberen Prinzipien eben wegen des Übels an die
Stoiker an, unter denen Chmfipp fehr ins Einzelne ging, ja ſogar Lächerliches vorbracte.
Betreff des Verhältniffes der Einzelfeelen zur Weltſeele berricht bei Plotin Feine
volle Klarheit. Während die Gefamtfeele nirgends wurde, auch nicht irgendwoher kam,
da fie an feinem Orte war, geben die anderen, d. b. die einzelnen Seelen, von ihr aus,
find aber nicht Teile von ihr. Sie fallen die Ideen in zweifacher Weiſe in ſich, einmal 55
alle zufammen, wie der göttliche vovs fie alle zuſammen in fich bat, fodann in der Seele
ſelbſt als getrennte, ettwidelte Begriffe, wie fie in der Weltjeele entbalten find. Mit Diefen
Aöoyoı oder Begriffen arbeiten fie beim Denken. Da fie herab in die Körper gejtiegen
find, vergaßen ſie des Höheren, Göttlichen, von dem fie gekommen, glaubten felbjtjtändig
fein zu fönnen, gerieten jo immer tiefer binab und bielten fih an das Niedere und Ber: 60
ts
[41]
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778 —
gay: unfreitilig, und mir bas vernünftige in der Mat dei
— — — wird bei as * * als — mit, Fe
Sa bald Orr ve Pete denſchen
. — * —* ang ana — rachten
— ru —— und wenden ſich dem
2) era ge otin — tgerliche (m
ke ernt ent An für fi —
af pie ber per un
Kö t tet, endl ichen ob;
— — Streben on Mi —* —* aber at * —
ae Sie ie auch eine . Einheit, bat einen — und ſo F es mög
40 Biefe hnlichkeit, daß, fie in Gemeinfchaft mit dem Höchſten kommt. Alle
in dieſer aufgelöft; wir ar en das KHöchite in einem Ga, um Reigentanze, und
bliden iebe die Duelle d Kibens, bie | we ber Einficht, Prinzip Nein,
bedarf. Da —— wir ibn und uns et bee leicht, Gott geivorden ober
vielmehr Gott feiend. Nachdem der Menfch ſich ſelbſt erblickt Kable „= er mit elbit
als einem ſolchen verbunden fein und ſich als einen foldhen fühlen, der einfach g worden
it, ohne allen Unterfchied im fih und andern gegenüber. Ja es lann von Schauen be
so biefem ganzen Zuftande nicht mebr die Rede fein, da bei dieſem ein |
Gejchautes wäre, bier aber volle Einbeit herrſcht; am beiten wird er I seid net r rc
ünkaaıs. otin ſelbſt ift zu Diefer Einigung mit Gott nah dem Zeugn ; Bor:
pbyrios in den ſechs Jahren, die diefer bei ihm war, nur viermal gelangt. © * d,
warum ein irbifcher sap nicht ſtets in diefem Zuftand verharren kann, ing Mu rin,
55 daß er fidh noch nicht vollitändig vom Irdiſchen abgewandt hat. Die Zeit ==
Vereinigung wird fommen, wenn er von feiner Unrube des Körpers ——
(Enn. IV, 9, 9 u. 10). Weſentlich unterſcheidet ſich dieſer von ——
geprieſene Zuſtand nicht von dem unmittelbaren Ergreifen des un
wahren Seins bei Philon. Auch bei dieſem ſtirbt der —S
so Bewußtſein wird aufgegeben, es tritt eine Art korybantiſchen Mabnfinns "ei
Nenplatenismns 779
I ganzen Vorgang ausführlicher gefehilvert, tie der Menſch fih ſtufenweiſe
* Sinnlichteit bis zur engiten Gemeinſchaft mit dem Höchiten. Daß bier
N Beer des Orients jtattfindet, läßt fih kaum leugnen, wie Philon be⸗
5 2 Ko 12, 2f, vgl. ebd. 5, 13, wenigſtens einmal in einen
nd Fam, im dem er das Bewußtſein verlor, in den dritten Himmel
ibies entrüct wurde und da unausjprechliche Worte hörte, die fein Mensch
4 kamen bei den Griechen im Dienſte des Dionyſos und in den Pin:
Bam den vor, die den Plotin als Mufter neben anderen gegolten
| ſt auch Enn. VI, 9, 11 der Myſterien erwähnt.
— der Seele hat Plotin ein eigene® Buch gefchrieben (Enn.
pe 1 er ſich an Platon meift anfchließt und befonders hervorbebt, daß die
liches, nichts Zufammengejeßtes, demnach ale einfach tnauflöglich ſei.
———— der Seele mit dem Körper in einer Auferſtehung des
1 denken unmöglich, dem vielmehr das wahre Erwachen ein Auferſtehen
hr mit dem Körper ift. Die vollftändige Trennung der Seele vom 15
tt ‚ da ja diefer das der Seeld Entgegengefegte zu feinem Weſen hat.
Stel ng Plotins zur Religion anlangt, jo ift ſchon oben von vielen Göt:
Dnen, welche die ® Kelt in fich habe, die Rede geweſen. Es ift ja offenbar
Einheit des höchſten Urweſens der Monotheismus beftimmt zum Aug:
aber unter diefem ſtehen bie Jämtlichen — aus ihm, die als Gott: vv
I Werben, der vos und die yon, und ber reiche Inhalt biefer beiden,
Knight nur Gedanken in dem voüs, fondern gleichſam perjonifiziert find,
ie ähnlich betrachtet werden müſſen. Neben diefen metaphyſiſchen Po—
afiert werben, giebt es auch noch fihtbare Götter, die Geftirne. Außer
eren noch Dämonen, die als niedere Weſen in der Region unter dem:
Wie nun die Stoifer die Götter der Volksreligion in ihre Philo—
Mn hatten, fie allegoriih (ratio physica) umdeutend zu Naturmächten,
1 die philoſophiſchen Begriffe und Beitimmungen in ben Mythen zu
% Be“ eine Urtvefen Uranos, und Kronos, der feine eigenen Kinder
er die intelligible Welt als jein Erzeugnis in fich — jo be: w
* von Minos als Tiſchgenoſſen des Zeus, daß dieſer die Ge⸗
en genofien, und daß er von dieſer Berührung voll ausgerüſtet zur
egeben babe (Enn. VI, 9, 7). Die Mytben müſſen, was fie aus:
N: erlegen und vieles Seiende, was zwar zugleich aber nach Kraft
ſchi den ih voneinander trennen, wie fogar begrifläche. Darftellungen das 35
titeben lajien und das zugleich voneinander trennen müfjen, um fo dem
‚gu ammenfafiung zu überlaffen. Daß diefe Faſſung des Mythos dag Ver:
tellung zum Begriff bei Hegel gewiſſermaßen vorausgreift, iſt leicht er:
bon von Andern bemerkt worden. Wie die Mythen in die Philofophie
den, jo juchte ‘Blotin auch den Glauben feiner Zeitgenoffen an Magie, 10
| Meiefagungen, Gebetserhörungen auf vernünftige Weife zu rechtfertigen,
<= Zioa bier, wie auch ſonſt, vielfach eine Führerin war, der er gern folgte
erb bei namentlich die Lehre von der Sympathie aller Dinge untereinander.
Mefen im Meltganzen feelifche Kräfte zu, e8 wird daher jedes von alleın
geidicht es, daß die Sebete von dem Betenden nach den Geftirnen fich 15
b * diefen eine entiprechende Wirkung ausgeübt wird, ohne Willkür und
ft bie Künfte der Magier find nur möglich dur die Harmonie des Alle,
wechjeljeitigen Sympathie der Kräfte, da auch der Erbe Empfindung
muß, zunächſt eines Teils mit dem Teil, Sodann auch des Ganzen mit
nb ben übrigen Dingen, damit fie Die menfchlichen Dinge, ſoweit fie ihr zu: 60
I orbnet, d. b. in ſympathiſcher Weiſe, auch an e Bitten erhört und fich den
J jeboch nicht in unferer Weiſe (Enn. IV, l, 26).
? Schülern des Plotin find zu nennen Aniclios (jeit 246 in Nom), der
Adıem von feinem Meiſter abtvich, und als der bedeutendfte der Sprer Por:
ehr als Plotin fib nach der praktischen und religiöfen Seite hinwandte, 55
berhältnismäßig frei von Aberglauben bielt. Um 262 wurde er Anbänger
m und ſoll dafelbit 304 geftorben fein. Er wollte nicht ſowohl Fortbildner
ad Apologet der plotinifchen Lehre fein, bat ein Yeben feines Meifters ge:
e dag Leben des Pythagoras, Abhandlungen De abstinentia und De an-
um, einen Brief ad Marcellam, ſowie cinen de diis daemonibus ad 6o
©:
| 2
Fol
—
tz
gr
780 Neuplatonismus
Anebonem, ’Ayopuai noös ra ronra (ein kurzer Abriß der plotiniſchen Lehre), eine
Fioaywyı) eis tags ("Apıorot£Äovs) xarnyopias (neol yEvovs xal eldovs xal Ötayopäs
xai lölor al ovußeßnxoros), die und noch erhalten find. Eine Anzabl anderer
Schriften tft uns verloren. Won großer Bedeutung für die Gedichte der Philoſophie
5 ft die Einleitung zu den Kategorien, an welche fich der ganze Streit des Nominalismus
und Realisinus fnüpfte, indem Porphyrios jelbft ſchon die Frage aufgeivorfen batte, ob
die „quinque voces“ fubjtantielle Exiſtenz hätten, oder nur in unfern Gedanken jeien,
fie aber ala zu ſchwierig für feine einleitende Schrift anfah. — Der religiöje Charakter
des Philoſophierens zeigt fih bei Porphyrios fehon darin, daß er den Zweck desfelben in
10 die owrnoia ns ypuxis ſetzte. Die Mittel zur Befreiung der Seele von dem Böfen,
das in ihrem Hange zum Niedrigen, nicht im Leibe liegt, find die xddapaıs und die
Erkenntnis des Höchften, indem Porphyrios viererlei Tugenden annimmt, die politischen,
die einen rechtichaffenen Dann machen, die reinigenden (xadaprıxal), durch die der Menſch
ein dämoniſcher wird, die der Seele, die fich dem voöc, d. h. ihrer Urfache, zuwendet,
15 das ift die vernünftige Scelentbätigfeit, und zu viert die Tugend des vods als foldhen,
das ijt die paradigmatifche. Mit der Reinigung, die Porphyrios ald die dem Menſchen
nottvendige Tugend bezeichnet, da er fie erlangen kann in diefem Leben und durd fie
um Höheren auffteigt, hängt die ftarfe Askeſe, die Porphyrios empfahl, zufammen, bie
* namentlich auf Enthaltſamkeit vom Fleiſchgenuß und vom Geſchlechtsgenuß bezog. Der
20 erſtere beflecke ung, weil er die ſinnlichen Triebe nähre und uns in Berührung mit Toten
brächte, der letztere, weil er die Seele durch die Luſt niederbrüde und durch Erzeugung
neuer Menſchen geiftige Kräfte an die Materie feſſele. Das höchſte Ziel, das dem
Plotin vorjtand, erreichte auch er einmal; freilich, al3 er fchon 68 Jahre alt war, wurde
es ihm erſt zu teil, jich dem höchſten Gott, der über alles Denken und Denkbare hinaus:
25 geht, zu naben um mit ihm fich zu vereinigen. Während Porphyrios die National:
religionen als berechtigt anerfannte und bierbei feinen Unterfchied zmifchen griechifchen
und barbartichen machte, trat er mit der größten Entjchiedenheit gegen das volllommen
Neue des Chriltentums in feinen 15 Büdern xara Xorotiav@v auf, die uns verloren
gegangen find, nachdem fie der Kaiſer Theodofios II. im Jahre 335 hatte verbrennen
3 laſſen. Sie find ein Zeichen dafür, daß die Neuplatoniker den ganzen Hellenigmus und
ihre eigene Stellung durch das Chriftentum für fehr bedroht hielten‘ und erfchienen den
Ghriften jo bedeutend, daß eine Anzahl Widerlegungsfchriften gegen fie veröffentlicht
wurden, fo von Metbodios, Eufebios von Cäfarca u. a., die uns aber auch nicht erhalten
fund. Die ganze Abficht des Porphyrios iſt uns aber aus Berichten der Kirchenväter
35 befannt: Er beitreitet namentlich die Gottheit Chriſti, den er jedoch für einen frommen und
ausgezeichneten Menjchen anfiebt, deſſen Seele auch uniterblicd geworden ſei (ſ. die rag:
mente aus des Porphyrios Schrift regi ins Ex Aoyiwv pilocopias bei Eus. De-
monstr. evang. III, 7 und August. De eivit. D. XIX, 23), während er die ihn als
einen Gott verehrenden Chriſten für tböricht bält.
40 Zeigte ſich Porphyrios in Anlehnung an feinen Lehrer verhältnismäßig befonnen
in feinen Spekulationen, fo ging fen Schüler Jamblichos aus Chalkis in Cöleſyrien,
der ſich eutige Zeit in Rom aufbielt und um 330 im Sprien ftarb, in feinen fublimen
Gedanken und in feinem Glauben an Magie, Wunder und namentlich Theurgie, d. b.
die Nunft, Durch gewiſſe Zeremonien Tämonen und überirdifche Mächte zur Herbor:
35 bringung übernatürlicer Wirkungen zu zwingen, über alles Maß hinaus. Eunapios bat
in den Yebensbeichreibungen von Philoſophen und Sophilten auch die Biographie des
Jamblichos gegeben, aber darın falt nichts weiter als die munderbarften Beispiele von
feiner übernatürlichen Mraft mitgeteilt, wozu gehört, daß er 10 Ellen über der Erde ge
ichwebt, jein Gewand in Gold geglänzt und fein Geſicht in einem göttlichen Lichte ge:
zo Itrablt babe. Die wunderfüchtige Umgebung, befonders feine Verehrer glaubten an fein
böberes Weſen und nannten ihn den „Böttlicben” oder auch den „Göttlichiten” (Yeıo-
taros). Bon feinen Werfen find uns fünf Bücher aus einer größeren Schrift: Zure-
yoyı) av Ildayogeiwr Öoyuarwr erbalten, von denen die Vita Pythagorica und
die Adhortatio (Hooroertuxöe) ad philosophiam hervorzuheben find. Das Werl
» De mysteriis, das Broflos dem Jamblichos zugefchrieben haben fol, ftammt keineswegs
von ibm, jondern tft wahrſcheinlich in feiner Schule entjtanden. Es iſt voll des müfteiten
Aberglaubeng, indem es namentlich Die Mittel angiebt, mit der unermeßlichen Melt der
Dämonen und Götter in tbeurgifeben Verkehr zu treten, aber doch noch falfhe Theo:
phanien von den wahren, von der wirklich göttliben Magie die gewöhnlichen Zauberkünſte
so unterscheidet. Die UÜbervernünftigkeit wird nicht nur dem böchften Weſen, fondern allen
Reuplatonismus 781
Göttern zugeteilt, auf welche zugleich der Eat des Widerfpruchg feine Anivendung finden
lol. Jamblichos jelbft macht den Verſuch, den ganzen Volytheismus zu begründen und
zu rechtfertigen, indem er die ſämtlichen griechijchen und orientalifchen Götter hereinzo
und die oberen Gottheiten Plotins nod) vermehrte. Ihm war das Eins des Plotin noch
nicht erhaben genug; er fette über dieſes noch ein fchlechthin erites &u, welches über 5
allen Gegenfägen ſtehe, auch über dem Guten, völlig eigenjchaftslos, zavın äpentos
doyn. Unter diefem fteht das Eins des Plotin, das identiſch fein joll mit dem dyador
und zwifchen dem höchiten Einen und der Vielheit die Mitte bilde. Diefes läßt aus ſich
die intelligible Welt (xbouoc vonrös) emanieren, aus welcher meiterhin die intellektuelle
Melt (xöouos vocods) hervorgeht. Das Antelligible will Jamblichos möglichſt einfach 10
halten, alle Bielheit und Zufammenfegung von ihm verneinen. Trotzdem nimmt er eine
Dreiheit in ihm an: Bater oder Wirklichkeit, Kraft und Nus oder Thätigkeit (rzarro,
Övvauıs, vods, oder Unapkıs, Övvanıs ins Indofews, vonaıs Tis Övvduews). Ferner
werden diefe einzelnen Glieder wieder in Triaden geteilt. Diefer höchften Götterordnung
folgt die zmeite, die intelleftuelle, die abermals als Trias gefaßt wird, nämlich ald vods, 16
Övvaıs und Önmovoyös, die wieder in Triaben geteilt werden, oder aud) in eine Heb—
domas. Diefe intelleftuelle Welt ift die der Ideen, indem bier erft Scheidung in Gat—
tungen und Arten ftattfindet, während in der intelligiblen fic) die Urbilder finden. Auf
die intellektuelle Melt folgt das Phyſiſche, ebenfalls dreigliederig gedacht, indem die über:
weltliche Seele zwei andere Seelen aus ſich bat emanieren laflen. Der Welt gehören 20
an, aber über dem Menſchen ftehend, die Seelen der Götter des Volksglaubens, der
Engel, der Dämonen und Heroen, von denen Jamblichos ganze Reihen kennt, indem er
fie pythagorifierend nad) einem Zahlenfchematismus ordnet. So werden von den Göttern
wieder drei Klafjen angenommen: zuerjt die 12 oberen Götter, die aber in Triaden zer:
fallen, jo daß zunächſt 36 und weiter 360 werden; von diefen 36 jtammen zu zweit 2
72 Ordnungen unterhimmlifcher Götter ab; zu dritt fennt Jamblichos 21 Weltberricher
(Hysuöves), und diejen entfpredhend 42 Ordnungen von Naturgöttern (Beoi yeve-
orovoyol). Zu diefer großen Zahl famen noch die Schutzgötter von Völkern und Ein-
zelnen, jo daß es ihm möglich wurde, die ganze Mythologie in feinem Syſtem unter:
zubringen. Mit dem Hang zur Theurgie jteht der Glaube in Verbindung, daß aud) die Götter: so
bilder, mögen jie vom Himmel herabgefallen oder von Menſchen gebildet fein, an der
Gottheit ſelbſt teil hätten und fo Wunder verrichten könnten. Das ficherjte Mittel, den
göttlihen Schuß zu gewinnen, it das Gebet, das die Götter auch ohne Sinneswerkzeuge
vernehmen können. Die Rückkehr zur überfinnlichen Welt kommt durch die Tugenden
zu Stande, für die Jamblichos zunächſt die 4 Klaſſen des Porphyriog annahm, denen 55
er aber nod) eine fünfte hinzujegte, nämlich die priefterlichen oder einfachen (ieoatıxal
oder Eraiaı, auf das &> bezügliche), durch die ſich die Seele zu dem höchſten erhebt, d. h.
die myſtiſche Vereinigung erreicht.
Unter den Schülern des Jamblichos, die ſich mit wiſſenſchaftlicher Beweisführung
kaum abgaben, tritt gegen die anderen durch einigermaßen ſelbſtſtändiges Denken hervor 40
Theodoros von Aſine, der das höchite Er des Jamblichos nicht mehr annahm, ſondern
mit dem einen &» über dem Intelligibeln fich begnügte, aber das Triadenſyſtem meiter
ausbildete. Außer ihm find noch von der ſyriſchen Schule zu nennen: Dexippos, Aide—
ſios aus Kappadozien, der lange eine hochangeſehene Schule in Pergamum leitete,
Chryſanthios aus Sardes, Eunapios, befannt durch feine Biographien von Philoſophen 45
und Sophilten. Durch Schüler des Aideſios wurde der Kaiſer Julian unterrichtet, dem
die Philioſophie als Mittel dienen follte, mit Göttern und Dämonen zu verfehren, ohne
daß er etwas eigenes Philoſophiſches in feinen Schriften gebracht hätte. In feiner ver:
loren gegangenen Schrift wider die Chrilten, gegen die Kyrillos von Alerandrien eine
nod vorhandene Entgegnung verfaßte, betont er befonders die Herrlichkeit der heidniſchen so
Bildung und Religion im Gegenſatz zu den armfeligen Chriſten. Sein Verſuch, das
Heidentum mit Gewalt wiederberzuftellen, mußte an der Schwäche auf der einen Seite
und der aufiteigenden Kraft auf der andern fcheitern. Berühmt mar zu ihrer Zeit wegen ihrer
Gelehrjamteit und der Anziehungskraft ihrer Vorträge die Philoſophin Hypatia, ermordet
415 von dhriftlichen Pöbelhaufen, Tochter des Mathematifers Theon in Alerandria, die von 65
dem Phantaſtiſchen der ſyriſchen Schule jich frei gehalten zu baben fcheint, ſich mit Er:
Härung des Platon und Ariſtoteles vornehmlich beichäftigte, eigenes Philoſophiſches
aber faum gebracht hat. Ihr Schüler und Verehrer Syneſios, der Chrift und Biſchof
wurde, bat in feinen Schriften, auch in feinen Hymnen, viel Neuplatonifches, fo daß
man ihn beinahe ala Neuplatoniter bezeichnen fan. Das Chriftliche zeigt ſich bei ihm wo
Se)
[oT
-
182 Nenplatonismus
nur als u Se San ee Philoſophie. Bon ihm ift es erlaubt, einen
nu 2 Pen Side N — die ihr hu arm
2 voll, Beibyie 1899,
r⸗ xard —— Deoloylas. Die fü mtlichen
en von Diet. Coufin, 6 voll,, 2. Aufl,, Paris 1862. |
patoniter ie —* der zweitbeden tendſie indem er ſich dure
„dus — raft und Tiefſinn auszeichnete, womit er
ae Vi und zu —— —— c verfuchte als es
rung er u en Ir Bm * —— im bie ot mi
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> han) , und bor Jembtios hat Sr
— a die ganze — des
4 nach
inen, vor ſi ——
— von beiben abweid) — in, het rweſen fiebt
40 die Einheit an, die Quelle aller ielheit, die Urfache alles Seienden und alles Guten,
der ſich auch Alles wieder hinwendet. Als „Einheit“ ul. man dies über jede Bejabung
und Verneinung Erhabene nicht in entjprechender Weiſe en, aud) nicht als , —*
oder als "Uriacıe”, es it dramios almıov und ndons —— [7 v . Aus
diefem Höchften gebt nach Proklos eine Vielheit von Einheiten eg (Evades), die Ib
15 alles Sein, Leben, über aller Vernunft und Erkenntnis jteben, eine Art Nangverbält
untereinander baben, auf die Melt einwirken und Götter in es Wort
find. Auf fie folgt die Trias des ntelligibeln, des ——
Intellektuellen: die Weſen dieſer drei * iedenen Reiche gliedern
das vonror und das vonror üna zai woegdv, nach Triaben, das 9EoÖ»,
co in eine Hebdomas, von deren Gliedern wieder jedes in fieben geteilt wird So it, di
Möglichkeit gegeben, auf dieſe große Anzahl von Gliedern Volfsgötter und fpekulativ-fingiert
Weſen allegorifch zu beziehen. Das Intellektuelle läßt aus fih das Seeliide bevor
gehen, das alles jeinem Weſen nad ewig, feiner Thätigkeit nad in der Zeit iſt und ſich
gliedert in görtli e, dämoniſche und menjchliche Seelen. Am ibrem Unheil find bie
5 Yeßteren felbit © uld, fie vermögen fi) aber zum Göttlichen —J——— Die dre
Hauptgattungen gliedern ji) wieder in Unterarten, 3.8. bie ichen in Wsol yes
noviroi, Veol Andkvroı und Deoi Eyxöauor, die abermals weiter eingeteilt werden. Di
innertveltlichen Götter unterfcheiden ſich dadurch von den anderen, daß fie ‚einen Yeib
haben, und find geteilt in Sterngötter und die unter dem Monde, oder Elemeniargötie
co Jeder der Deol dyrdazuoı bat eine Anzabl von Dämonen unter ich, welche y die Verwa
Neuplatonismus 783
tung der gefamten irdifchen Welt vermitteln. Die Materie geht nicht wie bei Plotin
aus dem früheren Brinzip durch Abſchwächung hervor, ſondern fie entſteht aus der ur
Iprünglichen Unbegrenztheit, ift auch weder gut noch böfe, jondern nur Quelle der Natur:
notwendigfeit. In fie gehen Begriffe, Formen (Aöyoı) ein, indem fie vom Demiurgen
nach den transjcendenten Ideen gebildet wird. 5
Viel weniger als Proflos fpekulierten feine Nachfolger im Scholarchat zu Athen:
Marinos aus Sichem und Zenodotos, Iſidoros aus Alerandria, Hegtas und der leßte
Damaskios aus Damaskos, der in feinen Aropiaı xai Avoeıs negi Tav nowwy doxW@v
bejonders danad) ftrebt, das Urweſen über alle Gegenfäte zu erbeben. Belanntlid) wurde
529 vom Kaifer Juftinian der philofophifche Unterricht in Athen verboten, ſowie das 10
Vermögen der Schule eingezogen. Zwei Jahre fpäter wanderte Damaskios mit dem be
rühmten Kommentator des Artjtoteles Simplifios und mit anderen fünf Neuplatonitern
nach Berfien aus in der Hoffnung, in dem Könige Chosroes einen wahren Freund der
Philofophie zu finden. Bitter enttäujcht, Tehrten fie 533 von dort nad Athen zurüd.
Pie Schon vielfach vorher, wandte fih nun der Fleiß der Erklärung früherer Philoſophen, 15
namentlich de3 Platon und Ariftoteleg, zu. Hier jind nod der jüngere Olympiodoros
und der Ehrift Philoponos vor anderen zu nennen. Die Philoſophie wurde jo mehr und
mehr Sache der Gelehrſamkeit. Kommentare zur ariftoteliichen Schriften jchrieb Boethius
(480— 525), wie er auch einzelne® von Ariſtoteles überſetzte; jo übermittelte er die
ariftotelifche Logit dem Mittelalter als formale Grundlage für die Scholaftil. Ob er 20
Chriſt geweſen iſt, ſteht noch nicht ganz feit, doch iſt es wahrſcheinlich; jedenfalls zeigt
ſich in ſeiner auf neuplatoniſcher und ſtoiſcher Grundlage beruhenden bekannten Schrift
De consolatione philosophiae von dem Chriſtentum nichts. — Der Neuplatonismus und mit
ihm die helleniſche Philoſophie löſte ſich auf und verfiel teils durch die eigene Schwäche,
die 19 beſonders in der maßlofen Phantaſterei zeigte, teild durch die fittliche und religiöfe 25
Kraft‘ des Chriftentums. Der neuplatonischen Schule half zu ihrem Grlöfchen der Um:
ftand, daß vorzügliche und wertvolle ihrer Lehren als dauernder Beſitz von der dhrift-
lichen Theologie aufgenommen worden waren, in der fie gleihfam zu neuem Leben
erwachten. War es der Stoa doch Schon ähnlich ergangen, nachdem hauptfächliches von
ihr in die neue fräftigere Bewegung übergangen war. Wie neuplatoniiche Gedanken 30
und Strebungen im Chriftentum meiter wirkten und fo ıhre Kraft veibätigten, zeigt die
Gefchichte der chriftlichen Dogmen und der chriftlihen Philoſophie. Daß Auguftin die
neuplatoniihen Lehren bedeutenden Einfluß auf feine chriftlichen Anjchauungen gewinnen
ließ, ijt befannt; er that dies auch mit flarem Bemwußtfein. In vielen Teilen jeiner
Doktrin ift er geradezu als Neuplatoniker zu bezeichnen. Was er alles in den Schriften 35
der Blatoniker, d. h. der Neuplatoniter, gefunden habe, giebt er felbft am deutlichjten an
in feinen Confessiones, VII, 9ff., wo er aud, an den Anfang des Evangeliums
Johannis anfnüpfend, genau bezeichnet, worin ſich das Chriftentum vom Platonismus
unterjcheide. Die Sauptjache it: Quia verbum caro factum est et habitavit in
nobis, non ibi legi, ebenfowenig: Quod secundum tempus pro impiis mortuus 40
est. Vielfach erhielten ſich neuplatoniiche Anfichten in chrijtlichem Gewande, wie bei dem
ſchon erwähnten Synefios, mehr noch bei dem fogen. Dionyfios Areopagita, der eine Ver:
bindung der neuplatonifchen Lehren mit dem Chriſtentum verfuchte, die myſtiſche Erhebung
annahm und fie als VBergottung bezeichnete. Sobannes Eriugena überjegte die pjeudo-
dionyſiſchen Schriften, nachdem Marimus Confeſſor einen Kommentar zu ihnen geichrieben, «5
und lehnte fi) im ganzen Aufbau feines Syſtems, den Begriffen der resolutio oder
analysis und reversio oder deificatio, an den Neuplatonismus an, indem er den
chriſtlichen Cchöpfungsbegriff nad) der Emanationglehre umdeutete. Auf die Entwidelung
der chriftlihen Richtungen des Mittelalters geivannen die dionyſiſchen Anfchauungen,
namentlich durch das Mittel des Eriugena einen bedeutenden Einuk- die Myſtiker wie co
die Pantheiſten des Mittelalters (Amalrich von Bennes, David von Dinant) wurden in
ihrer Richtung durch fie beftimmt. Neuplatonisc find auch die viel benußten pfeubo-
ariitotelifchen Werke: Theologia, wahrjcheinlich aus dem 8. Jahrhundert, und das Bud)
De causis, etwa im 9. Jahrhundert von einem Juden oder Muhammedaner verfaßt.
Araber und Juden nahmen vielfach neuplatonifche Anfichten auf, jo Alfäräbi, Averroes, 65
Avicebron u. a., aber ſelbſt chriftliche Kirchenlehrer verſchmähten fie nicht, um Dogmen
zu begründen, ſo Anſelm für die Trinität und die Inlarnation, ja Albertus fieht die
Schöpfung ale Ausfluß aus dem notwendigen Sein vermittelft der oberjten Intelligenz
an. Eine Auferjtehung erlebte geradezu der Neuplatonismus, vielfadh vom Platonismus
nicht - unterfchieden, in der Menaiffance, wo die Namen der Medizeer, des Marſilius co
Sk Nenplatonismus Midraſch
mus, der Pico von Mirandola beſonders bervorleudhten. Von bier aus haben ſich die
rapisitoittichen (Gedanken vielfach in die neuere, ja bis in Die neue Zeit fortgepflangt,
schutiehs Durch Giordano Bruno vermittelt, haben auch cin Gegengewicht im Bunde
1 der innen verwandten Magie und Alchymie gegen den trodenen Rationalismus ge
um Im neunzehnten Jabrbundert nimmt Schelling neuplatonifche Anſchauungen auf
an Kroudung mit ſolchen Jakob Böhmes, nanentlih in feiner Schrift „Philoſophie
ind Religion“, Tübingen 1804, wo er die Leiblichkeit und Endlichkeit als em Produkt
v Abjalls vom Abjoluten anjiehbt und e8 als die Endabficht der Gefchichte beitimmt,
Aeſjen wieder gut zu maden. Wenn wir bei Fichte Die Trias eine jo große Rolle
vieien ſehen, bei Hegel ebenjo in feinem dialektifchen Prozeß, jo werden wir zu ftarf an
Ir Neuplatoniker, namentlib an Proklos erinnert, als daß wir nidht einen Einfluß
von Diefer Seite anzunehmen geneigt fein Tönnten. Wollte man bei Hegel und anderen
udn, jo würde man nod viele Spuren der legten griechiſchen Cpelulation ent:
len. M. Heinze.
ä Nen⸗Seeland ſ. d. A. Auſtralien Bd II ©. 299.
Midraſch. Inhaltsüberſicht I. Bedeutung des Wortes (S. 784. A. des
Midraſch (S. 785). III. Schriftliche Fixierung des Midraſch (S. 7881. IV. Bemefturzen
zur Struktur der Midraſchim (S. 786). V. Die drei thannaitifhen Midraſche: Meklbiitur. Huöre
und Siphra (S. 787). VI. Die vier anderen alten Midraſchim: Gen Rabba, Thyren. Ke—
sigtha, Selamdenu (S. 788). VII. Homilien-Midrafhim (S. 791). VIII. Andre sep ibe
Widraihim (S. 793). IX. Sammelwerte (©. 795). X. Erzählungshaggada (E.:%,. XI.
Ethifhe Midrafhim (S. 797). XII. Geheimlehre (S. 795). XIII. Midraihfammliungen
(5.798). XIV. Ueberjegungen (5.798). XV. Hilfsmittel zum Berjtändnis (S. 98}.
Da dieſer ganze Artikel einerjeit3 im Hinblid auf die überwiegende Mehrzahl der Leiter,
> andererjeits wegen der Notwendigkeit räumlicher Beichräntung den Charakter einer Titteratur:
überficht tragen mußte, ijt zur Erreihung größerer Ueberjichtlichkeit und zur Vermeidung von
Wiederholungen Die zu vergleihende Litteratur niht am Anfange des Ganzen, jondern am
Schluß der einzelnen Abjdnitte genannt worden. Aus bdenjelben Gründen babe id von
bebrüifch gejchriebenen Büchern und Aufſätzen nur eine Auswahl citiert, auch ſonn nidyt nad)
w Boltftändigfeit, fondern nur nah Marer Zuſammenſtellung des Wichtigſten geitert. Gern
danke ich auch hier Herrn Rabbiner Dr. %. Theodor für brieflidy mir gegebene Anregung. —
Pauptwerk: 2. Zunz, Die gottesdienitlichen Vorträge der Juden, hiſtoriſch entwidelt, Berlin
[832 (die 2. Auflage, Frankf. a. M. 1892, ijt nur um einige aus dem Handexemplar des Verf.
herrührende Zufäße und ein Negiiter vermehrt). || Aus 3.9. Weiß Pan “77 711, Zur
+5 Bejchichte der jüdiſchen Tradition, Wien, vgl. bef. II (1876), 225—239 (Mekhiltha, Sipbra,
Siphre), — (Megillath Tha anith, Geber “Olam); III (1883), 252—297, IV (138%),
208 218.
Abkürzungen: JQR = Jewish Quarterly Review (2ondon). R&j. = Revue des Etudes
juives (Paris). MyWI — Magazin für die Wiſſenſchaft des Judenthums (Berlin 1874— 1893).
WEHR — Monatsihrift für Geſchichte und Wifjenichaft des Judenthums (Breslau). .
Catal. Bodl. = M. Steinichneider, Catalogus librorum Hebraeorum in Bibliotheca Bod-
Iojana, Berlin 1858—1860. | Wolf, B. H. = J. Chr. Wolf, Bibliotheca Hebraea, 4 Quart:
bände, Hamburg 1715—1733.
Midraſch. I Bedeutung des Worted Das Wort M. findet ſich zuerit
32 Chr 13, 22, wo in Betreff des Königs Abia auf 779 8257 0772 vertiefen wird,
und 24,27 als Quelle für die Gefchichte des Könige Jehoas von Juda a2 “es “n
(bier iſt D wohl eine Gloſſe; LXX bat nur 779 yoapıjv, Zufianog yoaypnv Pußliov,
ſ. Fields Hexapla I 749%); doch ift Die Bedeutung an diefen beiden Stellen zweifel—
haft. gm nacbibl. Hebr. bedeutet ET: (eine Schriftitelle) „erforfchen, erläutern”,
waneb: etwas Durch Deutung finden Soma 8,9. Tas Subft. Wy72 iſt zunädft all:
gemein „Forſchung“ und zwar ſowohl in Dem Einne von „Studium, Theorie”, 3. B.
Abotb 1,17 „Nicht der M. iſt das Wejentliche, fondern das Thun "792727 (Daher
mehrfach ſynonym mit 77222, 3. B. pal. Pesachim III, Blatt 30®, 3. 41ff.), als auch
in der Bedeutung „Auslegung“, z. B. Kethuboth 4, 6: „er wana m alfo deutete er“
als Objekt das Gedeutete). Speziell wird dann M. auf die Beichäftigung mit Der
bi. Schrift bezogen, 3.8. pal. Joma III, 40°, 3.23 „er222 7210252 jede Schriftdeu—
tung muß ſich nach dem Inhalt richten” ; Gen Rabba 42: „Diefe Schriftdeutung "> haben
wir aus den babyloniſchen Exil mitgebracht, daß überall, wo in der heiligen Schrift
sy 99 vorkommt, eine Leidenszeit gemeint fer.“ Daher 3 2 Xehrbaug, Haus ın
=
—
[3
-
- Midraſch 785
dem man dem Gejeßesitudium —— Sabbath 16, 1, Plural NEIT: Pesachim 4,4.
Endlih wird Midraſch, Mehrzahl Midraſchim, auch konkret zur Bezeichnung älterer Werte
gebraucht, die haggadiſche, feltener halachiſche Schriftdeutung enthielten, zum Teil ſo, daß
die gemeinten Schriften auch den Titel M. haben, z. B. Midraſch Ruth. (Nicht wird der
Name M. angewendet auf die ganz oder doch im weſentlichen halachiſchen Werke Miſchna, 6
Thosephtha und Thalmud, |. d. U. Thalmud.) — Schriftdeutung: RNIT (Aram.);
Schriftdeuter, Prediger: NY (Aram.) und: 7xN)757 (Hebr.). — Vgl. auch W. Bacher,
Die älteſte Terminologie der Jüd. Schriftauslegung, Leipzig 1899, ©. 25ff. 103 ff.
II. Wefen des Midrafch. Auf die Königsherrichaft folgte in Israel nicht, mie
man vielfach jagt, die Periode der Hierofratie, fondern die Zeit des Nomismus, der 10
Geſetzesherrſchaft. Seit der Rückkehr aus Babel bildete das Oeleh mehr und mehr die
Richtſchnur, nach mweldyer fi) das gejamte äußere Leben regelte, war das Geſetz das
Centrum alles geijtigen Lebens in Israel. Schon Haggai (2, 10ff.) prägt die mahnende
Belehrung, daß es Gott gegenüber auf die rechte Gefinnung ankomme, dem Gedächtniſſe
der Juden dadurch ein, daß er an Stellen des Ceremonialgeſetzes (Le 6, 20; Nu 19,22) 15
anfnüpft, bei welcher Gelegenheit er die Prieſter als die anerlannten Rehrer dieſes
Geſetzes vorausſetzt. Esras, des Schriftgelehrten ("PIO nicht „Schreiber“), ganzes Streben
ging darauf, das vorhandene Geſetz Moſes auch gu thatfächlichen Befolgung zu bringen.
Die Erinnerung an den äußeren Glanz des Königtums verlor mehr und mehr an
Lebendigkeit, die Ausficht auf dauernde Wiederberitellung des alten Glanzes rüdte in 20
immer nebelhaftere Ferne; nur einige Sahrgehnte beitand unter den Hasmonäern nationale
Selbftftändigfeit in einem gegen früher Heinen und unfcheinbaren Gemeinweſen, und im
Jahre 70 n. Chr. ſank mit Serufalem des Tempels Heiligtum in Trümmer: it e8 da
zu verwundern, daß das gejchriebene Geſetz, das einzige aus der vorerilifchen Zeit ge-
rettete Heiligtum des Volkes (Bundeslade, Urim und Thummim u. |. w. waren zu Grunde 25
gegangen), der Juden Ein und Alles wurde, daß die ganze geiftige Thätigfeit des
Judentums den Charakter der Schriftforichung, des Schriftitudiumg annahm?
Die gefchriebene „Ihora Moſis“ war fein vollftändiger Geſetzeskoder, fie war nicht
für die Verhältniffe in den erften Sahrhunderten nad) dem babylonifchen Exil, noch
weniger für die Zeit nad) dem völligen Aufhören des jüdiſchen Staates berechnet. Sie so
mußte daher erſtens den fpäteren Zeiten angepaßt, zweitens in nicht wenigen Punkten
ergänzt werden. Beides geichah durch Midraſch, Schriftforichung, Schriftauslegung.
iefe auf. die Normierung des Lebens durch das Geſetz bezügliche Thätigkeit beißt
die nie die aus ihr fich ergebende fefte Norm: Halakha 727, eine Samm-
lung halachiſcher Säge: Salatbeth N1227, Die erite erhaltene und zugleich autoritativ 35
gewordene Sammlung folder Säge ift die Mifchna des Jehuda ha⸗naſt; eine andere
Sammlung ift die Thosephtha; viel altes halachiſches Material findet ſich auch in den
in F ne aufgenommenen Baraithoth, in den Midraſchim Mekhiltha, Siphra,
iphre u. |. mw.
Das Geſetz (Gefe hier in weiterem Sinne — Bibel, Sammlung der heiligen s0
Schriften; über die Bedeutung von Tmın und vduos |. „Kanon des AT” PRE* IX,
767, ff.) galt den Juden aber auch als Summe und Inbegriff alles Guten und
Schönen, alles Wiſſenswerten: darum mußte e8 auf alle Zebensverhältniffe anwendbar
fein, es mußte tröjten, ermahnen und erbauen, es mußte als alles, wenn auch nur
feimartig, enthaltend nachgewiefen werden, vgl. Aboth 5, 22 2 85157 72 Tem 2 797 6
(f. auch Taylor zur Stelle).
Diefe Verwertung der bl. Schrift geichah gleichfalls durch Midraſch; aber diefe
midraſchiſche Thätigfeit wird jet gewöhnlich mit dem Ausdruck Haggada bezeichnet:
1337; im peräluiniieen TIhalmud "758 (wörtlich: das Ausjagen, das Lehren des Schrift:
wortes; vgl. W. Bacher, JQR IV [1892], 406—429). Die H. fchloß fich teils eng an oo
den Bibeltert an, oft aber bildete diefer nur den Anknüpfungspunkt für Darlegungen
verichiedenfter Art. „Die Haggada, die der Gemeinde den Himmel näher bringen und
den Menfchen wiederum zum Himmel emporheben foll, tritt ın dieſem Berufe einerſeits
als Gottes Verherrlihung, andererfeits als Israels Troft auf. Darum find religtöfe
Wahrheiten, Sittenlehren, Unterhaltungen über gerechte Vergeltung, Einfchärfung der die 56
Nationalität beurkundenden Gefete, Schilderungen der vormaligen und dereinftigen Größe
Israels, Szenen und Sagen aus der jüdischen Gefchichte, Parallelen der göttlichen und
ber israelitiichen Inſtitutionen, Lobpreiſungen des bl. Landes, aufrichtende Erzählungen
und Troft aller Art der Vorträge mwichtigfter Inhalt“ (FJunz, GV 349 |.) Über diefe in
Synagoge oder Lehrhaus, geeignetenfall8 aud in Privathäufern oder im Freien, vor= 60
NRealsEncyllopädie für Theologie und Kirche. 8. U. XIII. 50
Thätigkeit bald
h — —— — *
ur mſchaften: ——
en —* LITE a . *
Fr Bencrtungen zur Struftur der —— — Et A
e Aust en B des zu Grunde gelegten
i Rabba; Sipbre.
en bie Homilien ſich an —— an den — Kon dei
46 an —— eſttage (Pesi — cha an in ung er 154175 bichni
in bie die ea sum Smede ber Ye an den I
Pe — in JOR V dis 93)
d |
120408), — er Klarheit ge g —— zu haben nor das Verdi
die Abhandlu * ie Midrafchim zum Pt und der — palät. Cyflus“ in UM F
ee bei. 1885, ©. 356, (Der Wiperfpruch A. Berliners, Über den Cinfluf, be
bebr. Buchdrudes — a: D. 1896, ©. 36. 37. ——
— beginnt —* einigen Proömien ( ER von ae d. — ber
des Tertes an einen meift nichtpentateuchif
Die Proömien find einfache oder erg 0 —* ie — ins
— erſe eine fortlaufende Erklärung zu teil wird, d g ——
Kane, 0 Teile auf das Thema id) bezieht (vgl. ING —— + 9, ©. 169;
— 1880 — 200. 202), Zuweilen finden nur $ hitüide, ı * ng
ift nu deſſen Anwendung auf das au fü iden Dem —* |
rm a) überlaffen bleibt, Hupe find diejenigen Proömien, fü rt
verſchiedene, in fich jelbitftändige Auslegungen verjchiedener Hagga A
Midraſch 787
wurden. Die letzte Auslegung oder doch deren Schluß muß auf das eigentliche Thema
überleiten (Theodor 170, Lerner 204). Die Autoren der homiletiſchen Midraſche waren
bemüht, zu jedem Abfchnitte (Paraſcha, Pisqa) mehrere Proömien zufanmenzuftellen. In
der von Buber edierten Pesiqtha hat jeder Vortrag Due th vier Pethichoth, Vor⸗
trag 11 und 25 haben je ſieben; in Gen Rabba ſchwankt die Zahl zwiſchen 1 und 7; 6
Seftion 53 hat 9, wohl mweil der Abfchnitt Gn 21,1ff. am Neujahrstage verlefen und
deshalb vielfach ausgelegt wurde (Lerner 169). Beſonders reich an Einleitungen ift der
Midrafh Klagel. Rabba. Genauere Unterjuchungen über die Prodmien in der Pesigtha
ſ. bei Theodor 108. 110-—113. 164--175. 271—278, über die in Gen Rabba bei Lerner
168— 174. 197—207. In Betreff der Proömien vgl. noch S. Maybaum, Die älteften 10
Phaſen in der Entwidelung der jüd. Predigt I (Berlin 1901), ©. 14—27.
Schon von R. Meir wird berichtet (Sanhebrin 386 Ende), daß er feine Vorträge
aus Halachiſchem, Haggadiſchem und Gleichniffen zuſammenſetzte. Bon R. Thanchum lefen
wir, daß er einen halachiſchen Vortrag haggadiſch einleitete (Schabbathb 30%). Cine
Eigentümlichfeit der jüngeren Midrafche aber Kun „GBV 234) ift die (freilich jehr ıs
verfchieden erklärte, vgl. Zunz 354 und Öräb, b SLR 1881, ©. 329) Sitte, den bag:
gadiſchen Vortrag durch Erörterung einer leichten halachiſchen Frage einzuleiten, vgl.
Nu Rabba Sekt. 15—17 u. 20—23, Dt Rabba, Zelamdenu und Pesigtha Rabbathi
(Zun; 258; 252; 227. 231; 242. 243). Das halachiſche Erordiun beginnt in den
beiden erftgenannten Werken mit 7257, in den beiden anderen mit der Formel 1-75" 20
12% unjer Rabbi lehre und. Die Pesigtha de Rab Kahana hat noch fein haladhifches
Erordium, vgl. Theodor, MEWI 1879, 166 gegen Zunz 195. 227. 355.
Auf die Prodmien folgt die Auslegung In den Homilien-Midrafchim (Pesigtha,
Thanchuma, Le u. S. w.) erjtredt fich die eigentliche Auslegung nur auf wenige (etwa 3
oder 4) Verſe, und zwar wird die längite haggadiſche Ausführung in der Negel an den 2:
eriten bedeutfam erfcheinenden Vers oder Versteil des Tertes angefnüpft, während die
Auslegungsfäge zu den übrigen Verſen oder Versteilen mehr oder minder Turz find.
Geſchloſſen werden die meilten Vorträge mit Anführung von Bibelverfen, welche die
hoffnungsreiche Zukunft Israels verfünden, |. Theodor, WOW 1879, ©. 108. 109.
V. Die drei thbannaitifhen Midrafche Mekhiltha (Er), Siphre Nu, Di) w
und Stphra (Le). Vgl. 3. Sranfel, Hodegetica in Mischnam, Leipzig 1859, ©. 307 bi8
3115 3.9. Weiß, Dann 77 77 (Zur Gefchichte der jüdischen Tradition) II, S. 225 big
239 (Wien 1876); D. Hoffmann, Zur Einleitung in die halachiſchen Midraſchim, Berlin
1887. — Die Autoren der in ihnen enthaltenen Säge find falt durchweg Thannaim,
die legten Nedaktoren aber waren Amoräer. Zwei Strömungen geben, wie D. Hoff: 35
mann erfannt bat, nebeneinander her: die des Lehrhauſes 27 2, d. i. der Schule R. Aki⸗
bas, und die der Schule feines Zeitgenoflen und Gegners R. Ismael. Von Midrafchim
der erjtgenannten Richtung find ung erhalten: a) zu Le der unter den Namen Siphra
oder Thorath kohanim befannte Midraſch; b) zu Dt der das eigentlich Gefetliche des
Dt, die Kapp. 12—26 erörternde Teil des Siphre zu Nu-Dt; c) zu Er die im Midrafch su
ha-gadol erhaltenen Excerpte aus der Mekhiltha des Simon ben Jochai (f. I. Lewy, Ein
Wort über die Mechilta des R. Simon, Breslau 1889 [40 S.)); d) zu Nu die im Jalqut
Schim'oni und im Midraſch hasgadol erhaltenen Auszüge aus Siphre zuta (f. N. Brüll
in: Jubelſchrift für Graeß, Breslau 1887; B. Königsberger, Sifre futa ... herausgeg., Frank⸗
furt a. M. 1894, Lief. 1; S. Schedter in JQR 1894, 656—663). Der Schule des R. Is⸗ 4;
mael entjtammen: a) zu Er der Mekhiltha genannte Midrafh; b) zu Nu der Midraſch
Siphre zu Nu; c) zu Dt die haggadifchen Partien des Midraſch Siphre zu Dt und die
im Midrafch ha-gadol entvedten Auszüge aus der Mekhiltha des NR. Ismael zu Di
(f. D. Hoffmann, Likkuté Mechilta, Collectaneen aus einer Mecilta zu Dt, in: Aubelichrift
für J. Hildesheimer, Berlin 1890 [S. 83—98 ; hebr. Teil S. 1—32]; Neue Coflectaneen aus 0
einer Mechilta Bir Dt, Berlin 1897 [36 S.; Jahresbericht des Rabbinerfeminarg zu Berlin
für 1895 u. 96]); d) auch zu Le hat es eine Mekhiltha des R. Ismael gegeben, aus der
namentlich in den beiden Thalmuden Stellen angeführt find (ſ. D. Hoffmann, Zur Einleitung
S. 18—20. 73—77). Die Midrafhim der Schule Ismaels find für den Kundigen leicht zu
erfennen namentlich erfteng an den Namen der genannten Lehrer, z. B. R. Sofia und 5
R. Jonathan, melde weder in den anderen thannaitifchen Midraſchim noch in der Miſchna
oder der Thosephtha vorlommen, zweitens an fehultechnifchen Ausdrüden (f. Hoffmann,
Zur Einl. ©. 43f.).
Nenn man von Mekhiltba, Siphre und Siphra fpricht, meint man gewöhnlich folgende
Midraſchim: co
IE
788 Midraſch
a) Mekhiltha wdr272 bedeutet eigentlich: Maß, Form, Regel für Ableiten der Ha-
lakha aus der Schrift, bebr. "772; dann geradezu: Midrafch (nad) Güdemann in NEW
1870, ©. 283, eigentl.: Kompendium, v. >12). Als Name des thannaitifchen Midraſch
zu Er aus der Schule Ismaels findet fih M. im Arukh und bei Raſchi; in älterer
5 Zeit iſt dies Buch in der Kollektivbezeichnung Siphre mit gemeint. Jetziger Inhalt: Midraſch
zu Er 12, 1—23, 19; 31, 12—17; 35, 1—3. Urſprünglich follte diefer M. wohl nur
Halachiſches enthalten, twie aus feinem Anfange geichloflen werden kann; doch tft, zur
Gewinnung einer zufammenhangenden Auslegung, aud der Erzählungsitoff 13, 17 ff. mit
in den Bereich der Exegeſe gezogen worden (nad 3. Frantel, NOMS 1853, ©. 391,
10 erſt fpäter). Das auf 23, 19 Folgende ift mit Ausnahme zweier Heiner Stüde verloren
gegangen; daß nämlich einjt noch mehr vorhanden var, ergiebt fih aus manchen Spuren,
befonders einigen im Siphra angeführten Stüden. — || Ausgaben: Konftantinopel 1515
Sol. Venedig 1545 Yol., Wien 1865 mit Kommentar von 3.9. Weiß, Wien 1870 mit
ommentar von M. Friedmann. | Sonit vgl.: Wolf, B. H. II, 1349 ff.; III, 1202; IV, 1025;
15 3. Frankel in MEWJ 1853, ©. 390 ff.; 1854, 149 ff. 191ff.: H. Almypift, Mechilta Bo
[d. h. zu 12, 1—13, 16], Pesachtraktaten med noter.... inledning ock glossar, Lund 1892
(XVI, 158, 128 ©.); derf., Mech. Bo ... översatt, Lund 1892 (147 ©.).
b) Siphre (eigentl.: Bücher, thalmud. Plural von 20), anfangs Kollektivbezeichnung
der thannaitifchen Mibrafchim zu Er, Nu, Dt im Gegenfat zu Siphra, fpäter, ald der
HM. zu Er Mekhiltha genannt wurde, Name nur für die thann. Midrafhim zu Nu, Dt;
weil mit Nu 5 beginnend, auch ES = genannt (Nu 5,2). Das jet Siphre ge:
nannte Werk iſt nicht einheitlich, fondern Siphre-Nu ſtammt aus der Schule Ismaels;
Siphre-Dt nur in den haggadiſchen Partien, während das die geſetzlichen Kapp. 12—26
behandelnde Stüd der Lehrweiſe der Schule Akibas entfpricht.— || Ausgaben: Benedig
25 1545 %ol.; Dyhrenfurt 1811 (Teil I) und Radawel 1820 (Teil II) mit Komm. von Abr.
Lichtſchein; Wien 1864 mit Komm. von M. Friedmann (die ausführlide „Einleitung“, Zeil II,
ift nicht erjchienen). | Sonft vgl.: Wolf, B. H. II, 1389; IV, 1030f.; über Melt. und
Siphre ſ. Abr. Geiger, Urichrift und Ueberjegungen der Bibel, Breslau 1857, ©. 434450
und (mit befonderer Rüdfiht auf Weiß und Friedmann) Jüd. Ztſchr. IV (1866), 96—126;
3% IX (1871), 8-30.
c) Siphra ned, d. i. das Buch, auch DrI7> nn genannt, Midrafch zu Le, mit
Ausnahme weniger Stellen (j. bei. 8, 1—10, 8;. 18, 1—5; 26, 3—46) halachiſch, aus
der Schule Alibas. Der Name Siphra ftammt daher, daß man (fo berichtet der dem
weiten Amoräergefchlechte angehörige R. Aſſi als längſt feititebende Gewohnheit Ye
35 Rabba 7) den Schulunterricht mit dem dritten bibl. Buche, nicht mit dem eriten begann.
Im Thalmud Soma 27a ift uns noch ein Stüd aus dem Unterricht, den Abaje feinem
Sohn erteilte, erhalten. „Ganz folgerihtig nannte man nun dem Buche (d. 5. dem
dritten) gegenüber alle übrigen Bücher insgefamt "EI "RE oder 37 27 ed. Allmäh⸗
lidy wurden dann diefe Bezeichnungen, welche urſprünglich nur für die biblifhen Bücher
40 ſelbſt galten, auf die dazu gehörigen Midrafchfammlungen übertragen” (Güdemann, MERIS
1870, 281f.). Vgl. jedoch Raſchi zu Chullin 66°; D. Hoffmann, Einl. in die halach.
Midr. ©. 15. 20. — Als Grundbeitandteil des Siphra it wohl die Auslegung des
R. Jehuda, eines Schülers des Alıba, anzujehen, (Thalm. Sanhedr. 86° "= nmed ons
7177); der Schlußredaftor war R. Chijja der Ältere, Schüler und Freund des Rabbi
4 Jehuda ha-naſi. Der Midraſch der Schule Ismaels iſt ſchwerlich anders als indireft
benugt, |. Hoffmann, Zur Einl. ©. 27f.; Geiger freilich meinte, viele den Anfichten
Ismaels entfprechende Elemente feien durch fpätere Umarbeitungen unfenntlid) gemacht
worden. — || Ausgaben: Venedig 1545 Fol. Venedig 16091611 (Titel AR Jar ‘o)
mit Komm. von Naron ibn CHajjim; Bulareit 1860 mit Komm. von M. L. Malbim; Wien
50 1862 Fol. mit wertvollen Kommentaren von Abraham ben David und dem Herausgeber 3.9.
Weiß; Warſchau 1866 Fol. mit Komm. von Simfon aus Send; eine neue Ausgabe, bei der
zwei Kodices der Vatikaniſchen VBibliothef zu Grunde gelegt werden follen, hat M. Fried—
mann angekündigt. | Sonit vgl.: Wolf, B. H. II, 1387 ff.; ILL, 1209; IV, 1030f.; 8. Frankel
in MGWgJ 1854, ©. 387 ff. 453 ff.; Geiger, Jüd. Ztſchr. XI (1875), 50-60.
b5 VI. Die vier andren alten Midrafhim: GenRabba, Threni, Pesiqtha,
Selamdenu.
a) Genefis Rabba, Bereihith Rabba xa7 norn2 (fo, Ran mit Nam Ende, ift
die beſtbezeugte Schreibweife), d. i. wahrſcheinlich: großer Midraſch zur Gen, vermutlich
zum Anterjchied von einem fürzeren älteren Midrafch, deſſen Grundlage ganz wohl von
Rabbi Ofchafja RWR berrühren kann (M. Lerner, MMS 1880, ©. 157, 3. Theodor,
MGWg 1894, 518). Dem der erften Generation der Ymoräer angebörigen in Pa—
läftina wirkenden N. Ofcha'ja oder Hofchafja, mit deſſen Namen das erjte Brodmium in
Midraſch 789
GenR beginnt, nämlich ſchreibt eine weitverbreitete Tradition die Abfaſſung dieſes
Midraſch zu. Die Bezeichnung Rabba wurde ſpäter auf den je verbreitetſten haggadiſchen
Midraſch zu den anderen Büchern des Pt (Tan amen im Arukh, Tan oma rar im
Jalkut) und dann auch zu den fünf Megilloth (HL, Ruth, Klagel,, Prd, Ejft) über:
tragen, leßteres zuerft wohl in der Ausgabe Venedig 1545, Teil I: >> man wenn; 6
man warnen, Tel II: anan mom won won. Nur bei zwei der Midrafche zu
den fünf „Rollen“ Iautet die Überfchrift: 734 oma mo, bezw. na ; bei
den drei anderen einfadh: ma 7, Amos n5aa und nor =. Erit die Ausgabe Amſter⸗
dam 1641 hat Tan =, erit die Wilnaer Ausgabe jet 73% auh zum Midraſch
über das Buch Eſther. (Der erſte Drud diefer Midrafhim zum Pt, 1512, beginnt
„an mronea derms an dr wa; der Titel des erften Drudes des M. zu den Me:
gillotb, 1519, lautet na wen wer). Nichts zu thun hat die Bezeichnung Rabba mit
dem Beinamen 727 „der Alte” oder „der Große” des Ofchafja. — GenR bietet teils
einfache Wort: und Satzerklärungen, teils, in oft nur loſer Anfnüpfung, kurze oder
ausführliche haggadifche Deutungen und Darlegungen, wie fie für öffentliche Vorträge 15
üblich waren; häufig find Gentenzen und Gleichniffe hineinverflochten. (Selten find ha:
lachiſche Erörterungen, |. zu Gen 2,24; 4,4; 8,17; 9,6. 24; 12,3.) Der Umfang der
Erklärungen ift jehr verfchieden, je nad) der Anregung, die der Inhalt bot, und nad)
dem dem Bearbeiter (den Bearbeitern) befannten Stoffe. Was urfprünglich Beitandteil
diefes M. war, läßt fich nicht mehr genau angeben. Das Zunehmen an Umfang liegt 0
in der Natur der haggadischen Auslegung. Die Grundlage kann von R. Ofcha’ja
ftammen. Die kunſtvolle Geftaltung vieler Broömien iſt ein Werk fpäterer Zeit, jedoch
nad %. Theodor nicht viel fpäter als die Zeit der Redaktion des paläftinischen Thal:
muds. Danad) ift wohl noch) manches —8 ſpätere Schreiber (Erweiterer) hinzugefügt
worden: von (dev jetzigen Sabbathperikope now) 32, 4ff. an tragen umfangreiche Stücke 25
den Charakter der jüngeren Haggada; viele noch fpätere Zuthaten in den jüngeren Hand-
fchriften und den bisherigen Druden merden durdy Theodors kritiſche Ausgabe als folche
für alle kenntlich gemacht werden. Wie es fcheint, ift die Redaktion von Gen nicht
zum Abfchluß gefommen: von wa 44, 18 an geht die Auslegung nicht mehr von Vers
zu Vers; einiges fcheint aus Thanchuma:Homilien entlehnt (31 Ende, 7 Anfang) ; zu
zu 18, 1—14 fehlt die Auslegung in den Ausgaben, zum ganzen Kap. 48 fehlt fie ın
allen Handichriften; die Auslegung von Kap. 49 bieten fajt alle genbfehriften in einer
junge Zufäge enthaltenden Necenfion. Nicht zureichend ift die Begründung, mit der
S. Maybaum, Die älteften Phaſen in der Entividelung der jüdiichen Predigt I (Berlin
1901), ©. 43 die Anficht verficht, der ganze Midrafh Gen fei erjt Ende des 7. Jahr- 36
bundert®, möglicherweife fogar erft in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts redigiert
worden: Die haggadiichen Deutungen von Gen 16, 12 und 25, 18 beweiſen weder für
damalige Herrichaft der Araber in Paläftina noch gar für dag Geftürztjein der Ommajaden;
nad Threni R 1,5 (Buber 338) haben ja fremde Heerführer, fo der KOT 97377,
alfo ein Ismaelit, im Heere Vespaſians mitgefämpft. Gent ift in den meilten Druden wu
in 100 Parafchen eingeteilt; Handfchriften und Auegaben ſchwanken zwiſchen 97 und 101
(vgl. MEOWdJ 1895, 488 #), doch Stimmen faft alle Zeugen in Bezug auf die erften 96
überein, fo daß Parafche 96 mit 7 47,28 beginnt. Zu Grunde liegt die Einteilung
nach den Heinen Barafchen (mirmne und mimnnd, deren die Gn 43 +48 hat), teilmeife
auch die nach den Sedarim des dreijährigen paläft. Cyklus der Sabbathlektionen; am +
Anfange find Teilungen auch durch die Stofffülle veranlagt (die jetige Sabbathperifope
Bereichithb hat 29 der 100 Barafchen und füllt etwa den vierten Teil des Midraſch;
bier finden ſich Barafchen, die nur wenige, ja nur Einen Vers behandeln, |. Nr. 1, 2,
9, 11, 12, 14, 28, 29). J. Theodor meint, diefer Teil ftamme vielleicht aus einem
anderen, größer angelegten und unvollftändig gebliebenen Midrafch zur Gen, ſ. MEWX 5
1885, S. 364 ff. und 1894, ©. 518. Ausgaben. A. Rabboth, gum Pt: Konitantinopel
1512; zu den Megilloth: (Peſaro?) 1519, Konitantinopel 1520. — Gelamtausgaben: Venedig
1545. Mit Kommentaren: von Iſſachar Baer ben Naphthali Kohen aus Szezebrzescin
372 mına (1550 vollendet) Kralau 1587/88; von Samnel Sapheh Aſchkenazi “un 19",
Venedig 1597 ff. (zu Gen), Ven. 1657 (zu Er), Konftantinopel 1648 (Te); von David Luria 55
u. Samuel Strafhun, 3. B. Wilna 1843/45; von Wolf Einhorn z. B. Wilna 1855 ff. Andere
Ausgaben mit Kommentaren 3.8. Berlin 1866, Wilna 1878. Vgl. noch Cat. Bodl. Nr. 3753
big 3784, und M. Roeft, Catalog der Hebraica und Judaica aus der L. Rofenthalfhen Bi-
blivthet, Amsterdam 1875, ©. 808—813 [der Kürze wegen wird diefer durch Reichtum des
Inhalts wie durch Genauigkeit ausgezeichnete Katalog (1729 Seiten!) nur bier eitiert]. Außer: wo
dem vgl. Wolf, B.H. II, ©. 1423—1427; III, 1215; IV, 1032. 10587.
—
Ö
790 Midraſch
B. GenR allein: Venedig 1567 mit dem fälſchlich Raſchi beigelegten Kommentare in dem
Saw IR genannten Buche, das, von Abraham ben Gedalja ibn Aſcher herausgegeben, auch
deflen 572 7372 betitelte Auslegung enthält, f. A. Epitein in Mag, f. die Wiſſenſch. des
Judth. 1887, S. 1—17, und %. Theodor, MEWI 1893, ©. 171. Bon der auf reichem
5 handichriftlidem Material ruhenden neuen Ausgabe „Berefhit Rabba mit kritiſchem Apparate
und Konımentare von J. Theodor” ift fveben 11903) die erite Lieferung erfhienen (80 ©.
r. 4°, Eelbjtverlag de Verf, Bojanowo, Prov. Poſen). — Zur Einleitung: M. Lerner,
nlage des Berefhith Nabba und feine Quellen, in: MgWT 1880. 1881 [Sonderausgabe
Berlin 1882, 145 ©.]. 3. Theodor, Die Midrafhim zum Pt und der dreijährige paläjtinen:
10 ſiſche Eyklus, in: MEWA 1885, 363—366. 408—421. 454-467; Der Midrafh BR. dai.
1893 (über die Londoner Handidhrift) und 1894. 95 (über das Uebereinſtimmen diejer Hand:
ihrift mit den Citaten im Arukh). N. Netter, Die Gedichte Noah und der Sündflut,
Midraſch Rabbah Geneſ., Straßburg 1891 (132 ©.) ©. Auſcher, Die Geſchichte Joſefs ...
Bereſchith Rabba, Berlin 1897 (47). M. Margel, Der Segen Jakobs, Midraſch Bereſchith
15 Rabba, Frankf. a. M. 1901 (82).
b) Midrafh Threni 78, Aggadath Ekhah (N. Chanan’el), auch Megillath Ekhah
Arukh) und Ekhah Rabbathi (Raſchi, Jalqut), meld) legterer Name anfangs nur den M. zum
1. Kap. bezeichnete; einer der ältelten Midraſche paläftinifchen Urfprungs, wofür auch die
Dienge der griechiichen Fremdwörter ſpricht. Die große Zahl der am Anfange ftehenden
20 Proömien (36) erklärt fich daraus, daß man feit früher Zeit, beſonders am 9. Ab (Tag der
Zerftörung Jeruſalems) Vorträge über die Klaglieder pepalten hat, vgl. das im paläftın.
Thalmud Schabbath 15° von Jehuda ha-Nafi, Ismael ben Joſe und Ehija Erzäblte. Aus
folchen Vorträgen ſtammt wohl auch der größte Teil der nad) ver Reihenfolge der Verſe
eordneten Auslegung. Die Redaktion gehört zwar einer jüngeren Zeit an als der paläftin.
25 Thalmud: doch Kind ältere Quellen benußt und zwar wahrſcheinlich, wenigſtens teilweise,
diefelben, welche den Eammlern des M. Gent, der Pesigtha de Rab Kabana und, viel:
leicht, auch des paläft. Thalmud vorgelegen haben; die genannten Autoritäten find nicht
jünger als der paläft. Thalmud. — Die Auslegung zeigt denjelben Charakter wie in
GenR: neben fchlichten Erklärungen haggadiſche Stüde, die oft nur loſe angereiht find
30 und durch melde die Behandlung der einzelnen Abſchnitte ungleihmäßiger erjicheint, als
fie in Wirklichkeit ift; mancde Wiederholungen. Die Vermutung von Zunz, daß unfer
M. „nicht vor der zweiten Hälfte des 7. Säkulums“ redigiert worden 3 * ſich auf
die Vermutung, daß an einer Stelle ſchon auf die Araberherrſchaft angeſpielt werde; aber
nad) richtiger Lesart iſt zu 1,15 (Ausgabe Buber Bl. 39) Seit, nicht Ismael, neben Edom
genannt. Ausgaben, ſ. bei GenK; S. Buber, Tan IR 277, herausgegeben [nad einer
Handſchrift in Rom und einer im Britiſh Muſeum], commentirt und mit einer Einleitung.
Wilna 1899 (76 und 160 ©.). || Zunz, GV 179-181; of. Abrahams, The sources of the
Midrash Echah rabbah, Deſſau 1881 (60 ©.).
c) Pesiqtha. Den älteften Midraſch dieſes Namens, daher jchlechtiveg die P. ge:
nannt, auch P. de-Rab Kahana, kannte man lange nur aus Citaten, befonders im Arukh
und im Salqut. Zung verſuchte in einer meifterhaften Abhandlung, GB Kap. 11, ibren
Anhalt zu vefonftruteren. Daß ibm dies im weſentlichen gelungen, bat die auf Grund
vier nachher befannt (benugbar) gewordener Handjchriften von ©. Buber veranftaltete
Ausgabe betätigt (gegenüber der Geigerfchen Überfhägung der Darlegungen Zunz' vgl.
45 die 135 Berichtigungen durd) Buber in Hasfchadar III [1872], S. 13—66). Diefe P.
beitebt aus etiva 32 Homilien, welche an Feſttagen und ausgezeichneten Zabbathen vor:
getragen zu werden bejtimmt twaren (Buber zählt 31, aber die Nummern 22 und 30 find
doppelt; 1877, bei Buber Nr. 24, ift nicht urfprünglid. Weiteres über die Frage nad
der Achtbeit einzelner Vorträge ſ. bei Theodor, MERKT 1879, ©. 104f). Sie fcheint
so aus zwei Sammlungen zufammengefegt, von denen die eine mit dem Neujahrstage
(1. Thiſchri) begann, während die andere aus Vorträgen über die 11 (12) Hapbtaren nad)
dem 17. Ihammuz beftand (3 ftrafende 3. vor dem 9. Ab, dem Tage der Zerftörung
Jeruſalems, 7 tröftende nah dem 9. Ab und 1 [2] Bußhaphtare gegen Neujahr). Den
Anfang der erftien Sammlung erſchließt man daraus, daß im “Arufh (on, TrO=
55 zwei zur Neujahrshomilie gebörige Stellen als „am Anfange der Pisqas“ ſtehend citiert
iwerden; den Anfang der zweiten Samınlung daraus, daß die Homilie zur erften der
3 ftrafenden Haphtaren (7727 737 Ser 1, 1) mit den Worten NE 8273-2 an
beginnt. Als eine aus diefem Anfange ftanımende Abkürzung nämlich erklärt man jetzt
gewöhnlich die bei Mejchullam ben Moje (ein Geſchlecht vor Raſchi) und anderen ich
so findende Bezeichnung unferer B. als 8273 277 872°02 (Buber, Einleit. Nr.2; W. Bacher,
Agada der paläjt. Amoräer IL, S. 50H. Koder Carmoly, der freilid) viel Unächtes ent:
hält (.. NGWJ 1879, 109. 166), beginnt wirklich mit dem Vortrage über diefen Zab:
&
J
De)
Midraſch 79
bath, und Koder de Rofji Nr. 261, der Hapbtaren-Midrafch betitelt ift, enthält nur bie
zu diejen elf Sabbathen gehörigen Homilien (Buber S. XLIX). Die von Buber nad
Koder Luzzatto und Kodex Orford befolgte Anoronung, welche mit dem Chanuffafelte
beginnen läßt, ift ſonach nicht urſprünglich. Doc, verdient Erwähnung, daß die Reihen:
folge in Pesigtha Rabbathi mit der in der Buberfchen B. in mehreren Yuntten, befonders 5
in der VBoranftellung des Chanuffafeftes, auffällig übereinjtimmt, vgl. Zunz, GB 240.241.
Die Schägung des Alters der B. hängt ab von dem Urteil über die litterarifchen
Beziehungen. Zunz, GB 195 meinte, die P. fer abhängig von Gent, LER, Threni Nabba,
und bielt das Nabı 700 für bie ungefähre Zeit ihrer Abfaſſung. Buber, Einl. Nr. 9,
erklärt die B. für älter, und Theodor hat meines Erachtens die Abhängigkeit namentlich
der Midrafche XeR und Threni Rerwieſen MGWJ 1879, 102—104. Es bedarf nod)
der Aufklärung, wie alt der Cyklus wo zer m mon ift, d.h. der Gebrauch an den
12 Sabbathen vor dem Hüttenfefte die Hapbtaren Ser 1, 1; 2,5; Jeſ 1,21; 40,1;
49, 14; 54,11; 51,12; 54, 15 60,1; 61,10; 55, 6; Hof 14,2 zu lefen, |. Theodor
S. 105 Anm, 2. Offenbar bejigen wir die P. nicht mehr in der Gettalt, in der fie aus 15
der Hand ihres erften Urhebers hervorgegangen, jondern fie hat mandjerlei Zufäge und
Veränderungen erfahren; mas ſich namentlich daraus leicht erflärt, daß fie eine Samm-
lung von Vorträgen für Felttage und ausgezeichnete Sabbathe ift.
Der Name P. ift mit Pasuq, Paseq, Pisqa verwandt und bedeutet Abſchnitt,
Seltion. „Urfprünglich hat daher nur jeder einzelne Abfchnitt den Namen PBesigtha oder u
Pisqa erhalten und zwar mit Beifügung des Titeld, welches bei den älteften Schrift:
ftellern, infonderbeit beiR. Nathan, falt ohne Ausnahme vermittelft der Präpofition ... 7
ausgedrüdt wird. Das Geſamtwerk wurde daher Pisqoth, d. h. Pisqas genannt. Als
man aus diefem ohne Angabe des Abjchnittes citierte, ging der allgemeine Name Pe-
sigtha auf den Geſamtinhalt, folglid) auf dag ganze Buch über.” (Zunz 192; vgl. aud)
Buber, Einl. Nr. 1. || Ausgabe: ©. Buber, unpce, Peſitta, die ältefte Hagada, redi-
giert in PBaläftina von Rab Kahana [nad Handichriiten, mit Anmerkungen und Cinleitung.
Leider hat B. nicht die Orforder Handichrift zu Grunde gelegt], Qyd 1868 (L ©. u. 207 Bl.).
Dazu Abr. Geiger, Jüd. Ztſchr. VII (1869), 187—195. | Zur Einleitung: J. Theodor, MGWJ
1879, 97—113; 164-175; 271— 278; 337—339 ; 455 — 457 (namentlid) über die Broömien), 30
Bloc), daf. 1885, 166-184; 210 -224; 257— 269, 385 —404 u. 1886, 165—187;, 389—405.
d) Midraſch Kelamdenu (fo befonders im “Arufh und im Jalqut), nad) der
halachiſchen Introduktion 7:32 729) (es belehre uns unfer Meifter); au Midrafch
Thbandhuma genannt (jo 3. B. bei Raſchi und auch im Salqut), weil mehrere Bor:
träge beginnen xas "a nıııren nme >, oder — (jo W. Bacher, Agada der paläft. 35
Amoräer III, 502.) weil der genannte Amoräer felbjt die Grundlage zu diefen Mi-
draſchim gejchaffen babe, umfaßt den ganzen Pt. Urfprünglich enthielt diefer M. zu
jedem Seder (ſ. oben ©. 786,45) oder jeder Zabbathleftion nur Eine Homilie. Charafte-
viftiich ift die Anlage diefer Homilien: Halachiſches Erordium, mehrere Proömien, Aus:
legung der erſten Verſe des Ptabjchnittes, meffianifcher Schluß. Nach diefen Typus find a0
mehrere Sanımlungen veranftaltet worden, oder es fonnte aus Einer urfprünglichen
Zanmlung (Jelamdenu) durch Weglaſſung mancher Homilien und Aufnahme anderer
Homilien von gleicher Form (ſolche H. haben wohl in großer Zahl anonym cirkuliert)
mehrere Werke entjtehen, die ſtark voneinander abwichen. Dem Autor des Jalqut
lagen wenigſtens zwei Sammlungen vor: die eine (die eine Art) heißt bei ihm Than: &
duma, die andere \selamdenu. 2. Grünhut, np ‘do, Teil IV. V (SZerufalem 1900.
1901), hat die an verſchiedenen Orten zerftreuten Citate aus dem Selamdenu, bejonderd zu
Yu, zu ſammeln verfuht. — Ausgaben de! M. Thandhuma: Konftantinopel 1520/22, Be:
nedig 1545, Mantua 1563, Verona 1595 und ſonſt; mit den Kommentaren om Yr und
or Wilna:Grodno 1831, Stettin 1864; Cat. Bodl. 3795—3801. | &. Buber, Midrafd) so
Thanchuma [nad Handidriften zu Oxford, Ron, Parma, München. B. hätte die Vatikaniſche
Handihrift zu Grunde legen follen]), Wilna 1885 (5 Teile in 3 Bänden). Der von B. ver:
öffentlichte Text weicht zu Gen und Er ftark von dem der anderen Ausgaben ab, während er
zu Le, Nu, Dt im wejentlihen übereinjtimmt. Vgl. W. Epitein, vrman nam Prekburg
1886 (Sunderdrud aus Bet Talmud, Bd V). ıı Jur Einleitung: Zunz, GV 226—238; %. Theo: 55
dor in MGWJ 1885, 34 ff. 405 ff. 424 ff. und Jahrgänge 1886. 1887 (über die Anknüpfung
an die Sedariım des Pt); Ad. Neubauer, Le Midrash Tanhuma et extraits du Yelamdenu,
in: Réj. XIII (1886), 224—238, und XIV (1887), 92 - 107. 111—114. Bgl. auch 8. Grün:
hut in Sepher Hazligqutim I (1898) und N. Epftein, daſ. II (1899).
VI. Homilien-Midraſchim (außer Pesigtha und Selamdenu). Zuerjt gedenken 60
wir der ſog. „Rabboth“ zu Er, Le, Nu, Di. a) Exodus Rabba, Schemoth Nabba,
—
Ö
26
IS
192 Midraſch
in 52 Abſchnitten. In den erſten 14 Abſchnitten fortlaufende Auslegung zu ſämtlichen
Verſen jedes Seder; von Abſchnitt 15 an (Er 12, 1) nur Proömien und Auslegungen
der je eriten Verfe. Demnach wird man zwei Teile zu unterjcheiden haben, für dera
erften wohl ein alter Auslegungsmidrafch die Duelle gebildet hat, während Der zweite
z von Tanchuma-B. (Ausgabe Buber) abhängig ift und zweimal auf eine Homilienjamm:
lung vermweift (Abjchnitt 15 und 39, |. MEMWN 1886, 256. 299; wenn Diele „Ber:
weifung” nicht Abkürzung feitens jpäterer Abfchreiber iſt. Ausführliche Analyfe giebt
Theodor in MEWA 1886, 212—218. 252—262. 299306. Wal. noch 1885, 405.
Nach Zunz, GV 256258, mahrfcheinlich aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. || gun
10 ae Bord, Bodlejana Nr. 147 und 2335 des Neubauerſchen Katalogs. de
. bei VIa
b) Leviticus Nabba, Bajjigra Rabba, beiteht aus 37 Homilien zu Sebarim und
u Feittagsleftionen, die dem Le entnommen find (vgl. Abfchnitt 20. 21 zu Le 16, 1;
bien. 28 zu Le 23, 9). Vgl. Theodor in MG 1886, 307—313. 406—415;
15 vgl. auch 1885, 353. 405 und 1881, 500—510. Die Abfchnitte 20. 27—30 find, von
einzelnen Abweichungen abgefeben, gleich Pesigtha de-Rab Kahana Nr. 27. 9. 8. 28.
28. Zunz 181—184: „jcheint etiva der Mitte des 7. Jahrhunderts anzugehören”. Hand:
ichriften: Bodlejana Nr. 147 u. 2335 (Kat. Neubauer); Britiſh Mufeum Add. 27169;
Pan, Cat. des mss. h&breux de la Bibliothöque Imp£riale Nr. 149. PDrude
20 |. bei VIa.
c) Numeri Rabba, Bemidbar Rabba over (jo im eriten Drude Konftantinopel
1512) Bemidbar Sinai Rabba, in 23 Abfchnitten, beſteht aus zwei fehr verfchiedenartigen
Teilen. Der erite (Abfchnitt 1—14, etwa drei Viertel des Ganzen) tft eine junge bag-
gadifche Bearbeitung von Nu 1—7; in Nu 1-4 (Sabbathparafche Bemidbar) erkennt
35 man durch ſtarke Erweiterungen hindurch noch die Homilien der Thanduma-Plibrajchim
% Nu 5—7 (Sabbathparafche Nafo) tritt das Beſtreben, einen den ganzen Text beban-
enden Midraſch zu liefern, noch mehr hervor. „Statt der furzen Erläuterungen oder
Allegorien der Alten, Statt ihrer teten ung uf Autoritäten, lefen mir bier Kom:
pilationen aus halachiſchen und haggadifchen Werken, untermifcht mit fünftlichen, oft
30 fpielenden Anwendungen der Schrift und finden viele Blätter hindurch feine Duelle nam:
baft gemacht“ (Zunz). Diefer Teil wird nicht älter fein al3 das 12. Jahrhundert. Nur
in ihm finden ſich die umfangreichen Vermehrungen, die teild aus Pesiqtha Rabbathi, teils
aus Werken jpäterer, namentlich franzöfifcher Rabbiner geflofjen find (von den bei Zunz
259. d angefürten Stellen ift nur die von ihm felbjt befprochene Deutung des Zahlen:
35 wertes von MER ficher älter). Aud) der Midrafch zum Hohenliede ift benußt, |. Theodor,
MGWg 1879, ©. 276. — Der zweite Teil (Abjchnitt 15—23 iſt weſentlich der Mi—
draſch Thanchuma zu den acht MWocenabfchnitten von Nu 8 nay2 an, wie fhon M.
Benvenifte im Vorwort zu mas mas, Salonifi 1565 erkannt hat. Statt der im M.
Thanch. üblichen halachiſchen Introduftion 122° 177297 haben die Trude von NuR 7535;
so nach dem Zeugnifje A. Epfteind aber bat die Pariſer Handichrift Nr. 150 (des Catal.
des mss. hebreux de la Bibl. Imper.) die hier ältere Formel 1:2” era. Die
9 Hauptabfchnitte entiprechen je einer Sabbathperikope des einjährigen Cyklus, nad) dem
unfere Bibeldrude eingeteilt find (nur die Perikope TIP erjtredt fich über die zwei Ab:
Schnitte 16 und 17); man kann in ihnen aber 30 Homilien unterſcheiden. Über die im
15 Thanchuma:B., im Tanch. der anderen Ausgaben und in NuR erkennbare Einteilung
in Homilien |. Theodor in MGWI 1886, 443-459. 558, vgl. aud) 1885, 405f. 427
bis 430. || Sandichriften: Bodlejana Nr. 147 und 2335; Abſchnitt 1—5 in Cod. Paris
149. Drude |. bei VIa.
d) Deuteronomium Rabba, Tebarim Nabba, ift in den Druden nad) den
5 Sabbathperikopen des einjährigen Cyklus in 11 Abjchnitte geteilt (die Ausgaben Kon:
ftantinopel 1512 und Venedig 1545 haben nur 10, da erax: Dt29,10 und 75 31,1
verbunden find). In Wirklichkeit befteht DER aus 27 in fich abgefchloffenen Homilien
(darunter 2 Fragmenten), die auf Terte des drejjäbrigen Cyklus ſich beziehen; Die Aus-
nahmen erklärt man am beften durch die Annahme, daß eine von der uns früher allein
55 befannten abweichende Einteilung der Sedarim zu Grunde liegt. Die Homilien beginnen
mit einem halachifchen Erordium (Einführungsfornel ftet3 1297, wie oft in NUR); dann
ein oder mehrere Proömien, die hier jchon ziemlich felbitftändige homiletiſche Gebilde find;
Auslegung des Anfangs des Schriftabſchnittes; verbeißender oder tröftender Schluß. Als
Duellen jind der paläft. Thalmud, GenR und Let deutlich zu erkennen. Entitehungszeit
sonach Zun; um das Jahr 900; der Verf. des Arukh und Raſchi citieren unferen M.
Midraſch 793
nicht, im Jalqut wird er oft als an d or angeführt. Bemerkenswert iſt, daß
Autoren des 13. und folgender Jahrhunderte Stüde aus DIR als Thanchuma anführen;
aber inhaltlich hat DER mit den gedrudten Thandhumaterten wenig gemeinfam. Letztere
haben zum Dt nur drei vollftändige, regelrecht gebildete Homilien (14,22; 25, 17; 33,1),
und diefe find aus der Besigtha entnommen. Bol. Zunz, GB 251—253; Theodor in 5
MEGMWX 1886, 559—564 und 1887, 35—48. 322. — || Die handfchriftliche Über-
Lieferung ift nicht einftimmig. Die Kodices der Bodlejana 147 und 2335 enthalten den
Midraſch Rabba zum ganzen Bt. Koder Epitein giebt zu OrmaT und jernnı, 1, 1—7, 11,
anz andere Homilien, Apr bis ıaxS, 7, 12—30, 20 ftimmt mit unſerm DER (dad)
—3* — mit Zuſätzen); die beiden letzten Perikopen 1a big 73-277 narı ſind mit 10
den Thandhumadruden gleichlautend. Ebenfo Koder München 229; doch fehlen rn
3, 23—7, 11, wre und ar nan. Die Perikope Om27 und die Zufäte in E28:
bat aus diefem Koder ©. Buber veröffentlicht in wur paar mon won vum,
Wien 1885, S. 10—32. || Drude |. bei VIa.
e) Aggadath Berefchith, Homilien zu den Sedarim, fcheint noch jünger als der 15
Schluß von Genf (m) zu fein. Zuerſt Venedig 1618 am Schluß der IT von Me-
nadhem di Zonjano; Bet ha-Midraſch IV; Benj. Epftein MONI NUN Haggadiſche
Auslegung mit Kommentar usa nor, Shitomir 1899 (132 ©.). || Zunz, GV 256; Cat.
Bodl. 3727 —3729.
f) Pesiqtha Rabbatbi, gleich der Pesigtha de Rab Kahana eine Homiltenfammlung 20
zu Feſttagen und ausgezeichneten Sabbathen und zwar ähnlich geordnet (Neumond, Cha-
nuffa am Anfang). Nach Zunz, GV 239— 251, darf die Abfafjung „ficher nicht vor der
weiten Hälfte des 9. Sabrunderts angejegt werden” ; er führt dafür innere Gründe an,
Ferner das Benugtfein der um 750 n. Chr. verfaßten Sche’elthoth des R. Acha aus Schabcha
und das Zeugnis des Buches felbit (Ausg. Friedinann 1®), nad) dem feit Zerftörung des 25
Tempel® mehr als 777 Jahre verfloflen waren, alfo das Jahr 845 ſchon vorüber tar.
Mit diefer Datierung haben ſich neuerlich Isr. Levi, Réj XXXII (1896), 278—282,
und W. Bacher, daſ. XXXIII, 40—46 einverftanden erklärt und zugleich zu begründen
gefudyt, daß das Buch in Stalien verfaßt fei (RS, Friedm. 135®, fei Eari) Fried⸗
mann freilich meint, R. Acha ſei von PR abhängig und die Zahlenangabe 777 ſei cine 30
Gloſſe; ſchon der Redaktor von LeR habe unfer Buch benust; ja ſogar in Gent fänden
ih Säte, für welche die Grundlage in PR enthalten fei. Weiter ift Friedmann der An-
Jicht, daß nicht die ganze PR von Einer Hand fei, jondern die Rapp. 21—24, 26—28
und 34—37 von drei anderen Berfafjern herrühren, und zwar feien die letztgenannten
+ Rapp. die älteften im ganzen Buche. Der gedrudte Tert ift durch Lücken und Glofien 35
vielfach entftellt. || Drude, zuerft ohne Ort und Jahr (Prag, um 1656, 4%), Sklow 1806,
Breslau 1831 (mit Kommentar von Seeb Rolf), Lemberg 1853; M. Friedmann, Peſikta
Rabbati ... Eritiich bearbeitet, commentirt, Wien 1880 (26 ©. und 205 BI.). Leider hat
Fr. feine Handicriften zu Rate gezogen, obgleih wenigſtens Koder Parma, de Roſſi 1240
(von de R. ſelbſt irrig für Senad) Eos des Tobia ben Eliejer gehalten, j. jeinen Katalog III, 40
117 ff.), gewiß leicht zugänglich geweſen wäre.
g) Treue Pesintba, RNIT NNP°OB, ift ein kürzerer Midrafch für die Feſttage, den Ad.
Jellinek in Bet ha-Midraf VI, 36-70, veröffentlicht hat. Quellen: Gen, Pirge N.
Cliefer, Buch Jezira u. |. w.
VIII Andre eregetifhe Midrafche (nach der Reihenfolge des alttejt. Kanons). 45
a) Legach Tob. Mit Unrecht ift der Name Pesigtha oder nut Nnp’oD (zZ. B. bei
Aſarja de’ Roſſi) dem Midrafch des R. Tobia ben Eliefer beigelegt worden. Der Verfaſſer
jelbit, der nicht aug Mainz ſtammte, überhaupt fein Deutfcher, jondern aus Nm» in Bul⸗
garien war (f. Buber, Einl. ©. 18. 20. 21), hatte fein Bud 1a rıp5 genannt nacı Pr 4, 2
und in Nnfpielung auf feinen Nanten rat. Nah den in den Handichriften erhaltenen 50
Daten zu urteilen, ift es wahrjcheinlich im Jahre 1097 gefchrieben, in den Sabren 1107 und
1108 vom Autor ſelbſt mit Zufägen und Berbeflerungen neu ediert (daf. ©. 23—26). Leqach
Zob erjtredt jih über den Pt und die Megilloth, „halb Kommentar, Halb Haggada, großen:
teils aus älteren Werten”. Zunz, GB 293.205. Catal. Bodl. 7304. || Drude: xnp’oe
nme Rn ara, Venedig 1546 (Le, Nu, Dt), danach mit dem richtigen Titel a rıpb WO 55
und einem eignen Kommentar von A.M. Padua (RYYRD), Wilna 1880. Den Midrafch zu
Sen, Er hat erft S. Buber ediert: Lekach tob (Peſikta futarta), ein agadifher Commentar zum
eriten und zweiten Buche Moſis von Rabbi Tobia ben Eliefer, Rilna 1880.
b) Sefhel Tob. ©. Buber, a1 53% war Midrafch Sechel Tob zum erjten und zweiten
Bud Moſe von Rabbi Menadhem ben Salomo verfaßt i. J. 1139 [nad 2 Handichriften der an
Bodlejana] herausgegeben . . „, commentiert und mit einer ausführl. Einleitung, 1900. 1901
(LX, 336 und 344 ©.). Der Verf. benugt den Selamdenu, nit den M. Thanchuma Bubers,
794 Midraſch
ſ. Ztſchr. f. hebr. Bibliogr. 1901, S. 98. Sein Werk, das kaum ein Midraſch zu nennen iſt,
wird hier nur, damit es nicht vergeſſen zu ſein ſcheine, erwähnt.
c) Bereſchith Rabba major. Moſe hasdarihan aus Narbonne, 1. Hälfte des
11. Jahrh., oft von Raſchi und von deflen Enfel Jakob Tham angeführt, verfaßte Kom:
b mentare zu biblifchen Büchern (T°*) und fompilierte Midraſchim: nad) Raynıundus Martin
den M. Berefhith Nabba major, nad) Epftein aud den M. Thadſche nun. Ueber Iep-
teren M. vgl. noch Zunz, GB 280. Die Glaubwürdigkeit der Citate des Raymundus im
Pugio fidei ijt mehrjady beftritten worden, zulegt namentlih von S. M. Schiller-Szineſſy im
Journal of Philology XVI (1887), 131—152. Für die Glaubwürdigkeit find eingetreten:
10 gun, BB 287—293; Sellinel, Bet Ha:Midrafh VI, ©. XIV—XVI; E. 8. Bufey in der
infeitung zu The fiftythird chapter of Isaiah according to the Jewish interpreters, Bd II,
Orford 1877; Ad. Neubauer, The book of Tobit, Orfvrd 1878, S. VII-IX. XX—XXIV,
und in The Academy 1887, Sept. 17 und 24; W. Epftein in: Mag. f. die Riff. des Judth.
1888, 65—99 (wo aud) Genaueres über die von Zunz 2884 erwähnte Handſchrift der jüd.
16 Gemeinde in Prag) und: Mofes had-Darſchan aus Narbonne, Fragmente jeiner litterarifchen
a nad Drudwerfen und mehreren Handſchriften mit Einleitung und Anmerft., Wien
d) Midrafh Samuel Samy wen2 oder "TS ns, baggadifhe Deutungen zu
Verſen der Bücher Sam, durchweg aus älteren Schriften gefammelt, namentlich aus dem
u paläft. Thalmud, Gent, LER, doch aud) DohR u. a. In Paläſtina gefammelt, daher
werden von Amoräern nur paläftinifche genannt. Handſchrift: Parma, de Roſſi 563.
Drude: Konitantinopel 1517, Stettin 1860, ©. Buber, Midraſch Samuel.. kritiſch bearbeitet,
commentirt und mit einer Einleitung, Krakau 1893 (142 ©., |. NEWS 1895, 331— 336.
368— 370). Vgl. noch Zunz, GV 269. 270; W. Bader, Réj. XXVI (1893), 304 —309 (Bader
35 hält diefen M. für älter al3 den zu den Pjalmen).
e) Midraſch Jona, poetiſche Ausmalung der Geichichte Jonas, bat namentlid
aus den Pirge R. Elieſer viel entlehnt, |. Zunz, GV 270. 271. Drude: Prag 1595
und Altona (ohne Jahr, um 1770), beidemal Hinter der Reife des R. Pethachja; in Bet ba:
Midraſch I; drei Recenjionen in der Sammlung von Ch. M. Horomwiß).
30 f) Midraſch zu den Pſalmen, 25— wer oder, nad den Anfangsworten
ae , beftebt, wie ſchon Zunz, GV 266—268, richtig geſehen bat, aus zwei
ganz verfchiedenen Teilen; der erfte umfaßt die Pſſ 1—118 (nur diefe in der Editio
princepg) und vielleicht ein Stüf von Pf 119 (vgl. den Jalqut). Er ift nicht das ein—
heitliche Werk Eines Nedaftors; die Hanbdfchriften bieten recht verjchievene Recenſionen
35 dar. Von den alten haggadifchen Sammlungen über die Pfalmen (vgl. ſchon pal. Thalmud
Killaim 32° Zeile 49) werden Nefte noch vorhanden geweſen fein, als ſpätere Haggadiſten
Midraſchim zu biblifchen Büchern in größerer Zahl berftellten. „Man fammelte aus den
verfchtedeniten Quellen, trug Homilien, Auslegungen über einzelne Pjalmverfe, die überall
zerftreut fich vorfanden, nad der Neibenfolge der Pfalmen zufammen, und die Samm:
40 lungen wurden im Laufe der Zeit ergänzt und ermeitert, bi allmählih ein ganzer Mi:
draſch entitanden war, bei dem man nad dem Befund der Handſchriften von einer end-
giltigen Redaktion faum Sprechen kann“ (Theodor). Daber läßt eine beitimmte Ab-
fallungszeit wie für viele andere Midraſchim, fo auch für den zu den Pjalmen fich nicht
wohl angeben. Zunz wies ganz allgemein auf die leßten Jahrhunderte der geonäiſchen
5 Epoche. Als dag Heimatsland wird man mit S. Buber Paläjtina betrachten dürfen;
Zunz dachte an Süditalien, wogegen Bubers Ausgabe zu Pf} 9, 8 zu vergleichen ift. —
Der die Pſſ 119 ff. umfassende zweite Teil, zuerſt allein in Saloniki 1515 gedrudt, findet
fih in feiner Handſchrift und iſt großenteils (PT 122. 124— 130. 132—137) wörtlich
aus dem Jalqut entlehnt. — Gedrudt ift der Midraſch zu den Pſſ mehrmald zuſammen
so mit den Midrafchen zu Sam u. Spr., jo Venedig 1546, Prag 1613, Amijterdam 1730; allein
als 2x: Ars warn Lemberg 1851, Warſchau 1873; ©. Buber, Midraſch Tehillin [nad
Kod. Parma, de Rojii 1332, mit Bergleihung nod) 7 andrer Handichriften] . . kritiſch bearbeitet,
commentirt und mit einer ausführlichen Einleitung, Wilna 1891 (128 u. 542 ©.). Bal. nod)
Catal. Bodl. 3788—3792;, Sellinet, Bet ha-Midraſch V, Einleit. XXIX—XXXI u. bebr.
55 Tert ©. 70-86.
g) Midraſch zum Bude der Sprüche, ws woT2, zuerſt von R. Chanan'el
(um 960) angeführt. Der babyloniſche Thalmud (nicht der paläftintfche) iſt benutzt;
daraus folgt aber noch nicht die von Buber behauptete Abfalfung in Babylonicen.
Trude: Konjtantinopel (um 1512/17, nam ws 712 Do Stettin 1861; ©. Buber, Mi:
60 draſch Miſchlé (nach Koder Paris 152.. kritiſch bearbeitet, commentirt und mit einer aus:
führl. Einleitung, Wilna 1893 (112 ©.).
Die Midrafbim zu den fünf Megillotb (HR, Ruth, Prd., Klagl., Eit)
gitiert man meiſt nach den Berfen, zu welchen die anzufübrende Bemerkung gehört, zu:
Midrafd) 795
mweilen (wie meijt Die „Rabboth“ zum Pt) nach den Blattzahlen älterer Ausgaben. (M.
Threni f. oben S. 790).
h) Widrafh zum Hobenliede, [men D, nad dem gleih am Anfange
angeführten Verfe Spr. 22, 29 mm wm mm aud Aggadath Chazitha genannt. Be:
fonders benußt find pal. Thalmud, GenR, Vesigtha, LeR, außerdem auch ung nicht mehr 5
erhaltene Widrajche, |. Theodor in MGOWJ 1879, 337 —344. 408—415. 159—-462 u.
1880, 19—23, vgl. auch denfelben MEOWJ 1879, 271—275. Bgl. noch Zunz, GB
263. 264 u. ©. Ealfeld, MoMX 1878, 120— 125.
i) Midrafh Ruth, in 8 Abfchnitten. Hauptquellen: pal. Thalmud, Gent, Let,
M. Ekhah; wird von Raſchi zu Dan 8, 15 und in den Thosaphoth zu Jebamoth 82b 0
eitiert. Vgl. Zunz, GV 2655; P. D. Hartmann, Das Buch Ruth in der Midrafch-Litte-
ratur, Frankfurt a. M. 1901 (100©.).
k) Midraſch Dobeletb, in 3 Ordnungen ET (Anfänge 1, 1; 7,159, 7.
unz, GV 265. 266; 2%. Grünbut, Kritifche Unterfuchung des Midraſch Kohelet Rabba.
: Quellen und Redactionszeit, Frankfurt a. M. 1892 (57 ©.). 15
) Midraſch Eftber, aud) Haggadath Megilla in 6 Abjchnitten, die 1,1.4.9. 19;
2,1. 5 beginnen und als vom Verfafler gewollt durh Proömien gefennzeichnet find
(4 diefer Abfäge Stimmen mit den gejchloffenen Abjägen mY=ınO des überlieferten Bibel:
textes überein). Daß auch 3, 1 ein Abfchnitt beginnen follte, ift aus den vorangeitellten
Proömien zu Schließen. Wie die Einteilung macht auch die Auslegung den Eindrud des 20
Unvollendeten; legtere wird zu Kap. 7 ſpärlich und hört am Ende des Kap. 8 auf. Das
aufgenommene Material iſt großenteils ſehr alt (das Buch Eſther wurde ja fchon früh
in den Lehrbäufern ausgelegt, |. bab. Megilla 10® ff.); benutzte Quellen: paläft. Thalmupd,
Gent, Leit, Pirge de NR. Eliefer. In Abjchnitt 6 findet fich eine lange Entlehnung
aus Joſippon (Traum und Gebet Mordekhais, Gebet Eſthers und ihr Erfcheinen vor:
dem Könige). Doc hat man weder daraus noch aus dem Nichteitiertiwerden des M. Either
bei Raſchi, im "Arufb und im Jalqut ein Recht auf Späte Abfaſſung diefes Midraſch zu
ſchließen. Er iſt paläftinifhen Urfprungse — Vgl. Zunz, GB 264.
m) Andere Midrafhim zu den Megillothb. ©. Buber zur wen Midrasch
suta. Hagadifche Abhandlungen über Schir ha-Schirim, Ruth, Echah und Koheleth nebſt Jalkut 30
zum Buche Ehah . . nach Handſchriften herausgegeben, kritiſch bearbeitet und mit einer Ein-
leitung, Berlin 1894 (172 ©.).
Denſelben Midrafch zum Hohenliede hat S. Schecdhter ediert: mw TW nmaR, Aga-
dath Shir Hashirim edited from a Parma manuscript, Cambridge 1896 (112 S.; vorher in
JQR V. VT. 35
Ein dritter Midraſch ift der von 2. Grünhut herausgegebene: Midraih Schir Ha-Schirim
.. lnach einer Handichrift v. J. 1147] ediert, kritisch unterſucht, mit .. Einleitung, Serufalem
1897 (38 u. 1046.); vgl. ®. Bader in Réj. XXXV (1897), 230—239. Diefer Midraſch ift
von Autoren des 11. bis Anfang 14. Jahrh. benutzt.
©. Buber “MoR MBr2 NNTNT ES, Sammlung agadiider Commentare zum Bude 40
Either, enthält: Midrafh Abba Gorion; Midraſch Ponim Acherim; Midraſch Lekach Tob.
Nach Handſchriften .. mit Erklärungen und einer Einleitung, Wilna 1886 (14 u. 112 ©.).
Bol N. Brüll in: Sahrbücher für Jüd. Gefch. u. Litt. VIII (1887), 148—154.
Der jhon von Raſchi citierte M. Abba Gorion zum Buche Efther ift auch in Bet ha-Mi—
draſch I gedrudt. Vgl. noch Zunz 279. 45
©. Buber, ANOR NEN, Agadiſche Abhandlungen zum Buche Eſther [nach 2 Handichriften
aus Jemen) herausgegeben und mit Anmerkungen, Krakau 1897. Der Sammler benußte Al—
faſi und Maimonides, fchrieb wohl nicht früher ala im 14. Jahrh.
n) Leqach Tob (vgl. oben VIIIa) des Tobia ben Eliefer. Der Midrafh zu den Me:
gilloth ijt handſchriftlich B. in Parma Cod. de Roſſi 261, in der Bodlejana (KRatal. Neu: so
bauer) Nr. 240 und zu Ooheleth Nr. 163. Einige Auszüge veröffentlichte Ad. Jellinek in:
Commentarien zu Efther, Ruth und den Klageliedern von R. Menachem ben Chelbo, R. Tubia
ben Eliefer .., Leipzig 1855; J. Nacht, Tobia ben Elieſer's Commentar zu Threni (Lekach
Tob [Nah Mſ. Münden] mit einer Einleitung u. Anmerft., Berlin 1895 (67).
IX. Sammelwerfe a) Jalqut Shimtoni wer=W 2er, gewöhnlich ſchlechtweg 55
Jalqut genannt, eine aus mehr als 50 zum Teil jegt verlorenen Schriften jchöpfende
Kompilation, die dem Inhalt der gefamten bebr. Bibel folgt; ift in Paragraphen ein-
geteilt, eine neue Zählung beginnt bei Jofua (vgl. MWJ 1895, 481 Anm. 5). Die
Zeit der Abfaffung hat man in die erfte Hälfte des 13. Jahrhunderts zu fegen. Der
Berfaffer hieß 71720; der Ehrentitel Darſchan iſt ihm wohl erſt nach feinem Tode bei= 80
gelegt worden; nach den Titelblättern der Ausgaben wäre er aus Frankfurt [a. M.] ge
weſen. Rapoport (Keren Ghemed VII, 4 ff), U. Levy, Die Eregeje bei den franz. Israe⸗
10°]
or
794 Midraſch
ſ. Ztſchr. f. hebr. Bibliogr. 1901, S. 98. Sein Werk, das kaum ein Midraſch zu nennen it,
wird hier nur, damit es nicht vergeſſen zu ſein ſcheine, erwähnt.
c) Bereſchith Rabba major. Mofe hba:darichan aus Narbonne, 1. Hälfte des
11. Jahrh., oft von Raſchi und von deflen Enkel Jakob Tham angeführt, aßte Kom:
s mentare zu biblifchen Büchern (77°) und fompilierte ° rain: nah Raymundus Martın
den M. Berefchith Rabba major, nad Epftein audy den M. Thadſche wor. Leber letz⸗
teren M. vgl. noch Zunz, GB 280. Die Glaubwürdigkeit der Gitate des Naymundus im
Pugio fidei ijt mehrſach bejtritten worden, zulegt namentlid von ©. M. Sciller-Szinejiy im
Journal of Philology XVI (1887), 131—152. Für die Glaubwürdigkeit find eingetreten:
10 gun, GV 287—293; Sellinel, Bet ha-Midraſch VI, S. XIV—XVI; € 8. Puſey in der
infeitung zu The fiftythird chapter of Isaiah according to the Jewish interpretere, Bo II,
Drford 1877; Ad. Neubauer, The book of Tobit, Orford 1878, ©. VII-IX. XX—XXIV,
und in The Academy 1887, Sept. 17 und 24; 9. Epftein in: Mag. f. die Wiſſ. des Judth.
1888, 65—99 (mo auch Genaueres über die von Zunz 2884 erwähnte Handidrift der jüd.
15 Gemeinde in Prag) und: Moſes had-Darſchan aus Narbonne, Fragmente jeiner litterarifchen
N nad Drudwerten und mehreren Handſchriften mit Einleitung und Anmerft., Wien
.ı) .).
d) Midraſch Samuel >arıo oder "s mas, haggadiſche Deutungen zu
Verfen der Bücher Sam, durchweg aus älteren Schriften gejammelt, namentlid) aus dem
au paläft. Thalmud, Gent, Veh, doch auch DobR u. a. In Paläftina gefammelt, daher
werden von Amoräern nur paläftinifche genannt. Handſchrift: Parma, de Roſſi 563.
Drude: Konftantinopel 1517, Stettin 1860, S. Buber, Midrafd) Samuel.. kritiſch bearbeitet,
commentirt und mit einer Einleitung, Krakau 1893 (142 ©., |. MOWJòg 1895, 331—336.
368— 370). Vgl. noch Zunz, GV 269. 270; W. Bader, Béj. XX VI (1893), 304 —309 (Bader
2: hält diefen M. für älter ale den zu den Pialmen).
e) Midrafch Jona, poetiiche Ausmalung der Gefchichte Jonas, hat namentlich
aus den Pirqe R. Eliefer viel entlehnt, f. Zunz GB 270. 271. Drucke: Prag 1595
und Altona (ohne Jahr, um 1770), beidemal Hinter der Reife des R. Pethachja; in Bet ba-
Midraſch I; drei Recenfionen in der Sammlung von Ch. M. Horomiß).
30 f) Midrafh zu den Pfalmen, ern weTa oder, nad den Anfangsworten
au “na 2, befteht, mie ſchon Zunz, GB 266--268, richtig geſehen hat, aus zwei
ganz verfchiedenen Teilen; der erjte umfaßt die Pſſ 1-—118 (nur diefe in der Editio
princeps) und vielleicht ein Stück von Pf 119 (vgl. den Jalqut). Er ift nicht das ein-
beitliche Werk Eines Redaktors; die Handſchriften bieten recht verjchiedene Recenſionen
36 dar. Von den alten haggadiſchen Sammlungen über die Pfalmen (vgl. ſchon pal. Thalmud
Killanm 32» Zeile 49) werden Nefte noch vorhanden geweſen fein, als jpätere Haggadiſten
Midrafhim zu biblifchen Büchern in größerer Zahl berftellten. „Man fammelte aus den
a Rh Duellen, trug Homilien, Auslegungen über einzelne Pfalnverfe, die überall
zerftreut fich vorfanden, nach der Reihenfolge der Pfalmen zufammen, und die Samm:
40 lungen wurden im Yaufe der Zeit ergänzt und eriveitert, bi8 allmählich ein ganzer Mi:
drafch entftanden mar, bei dem man nad dem Befund der Handichriften von einer end-
giltigen Nedaftion kaum fprechen kann“ (Theodor). Daher läßt eine beitinnmte Ab—
fafjungszeit wie für viele andere Midrafchim, fo auch für den zu den Palmen fich nicht
wohl angeben. Zunz wies ganz allgemein auf die legten Jahrhunderte der geonäifchen
45 Epoche. Als dag Heimatsland wird man mit S. Buber Paläſtina betrachten dürfen;
Zunz dachte an Süditalien, wogegen Bubers Ausgabe zu PI 9, 8 zu vergleichen ift. —
Der die Pi 119 ff. umfassende zweite Teil, zuerſt allein in Saloniki 1515 gedrudt, findet
ih im feiner Handſchrift und it großenteils (Pſſ 122. 124--130. 132— 137) wörtlich
aus dem Jalqut entlehnt. — Gedrudt ift der Midrafh zu den Pſſ mehrmald zufammen
so mit den Midrafchen zu Sam u. Spr., jo Venedig 1546, Prag 1613, Amjterdam 1730; allein
als ax ro wera Lemberg 1851, Warfchau 1873; S. Buber, Midrafh Tehillin [nad
Kod. Parma, de Roſſi 1332, mit Vergleichung noch 7 andrer Handichriften] . . fritifch bearbeitet,
commentirt und mit einer ausführliden Einleitung, Wilna 1891 (128 u. 542 ©.). Vgl. nod)
Cntal. Bodl. 3788—3792; Sellinet, Bet ha-Midraſch V, Einleit. XXIX—XXXI u. bebr.
65 Tert ©. 70-86.
g) Midrafh zum Buche der Sprüde, Wr wTz, zuerft von R. Chanan'el
(um 960) angeführt. Der babvlonifche Thalmud (nicht der paläftinische) iſt benutzt;
daraus folgt aber noch nicht Die von Buber behauptete Abfaffung in Babylonien.
Drude: Konjtantinopel (um 1512/17), man Sen wen d Stettin 1861; ©. Buber, Mi:
60 drafh Miſchlé (nad Koder Paris 152.. kritiſch bearbeitet, commentirt und mit einer aus:
fügrl. Einleitung, Wilna 1893 (112 ©.).
Die Midrafhbim zu den fünf Megillotb (HL, Ruth, Prd., Klagl., Eſt)
gitiert man meiſt nach den Verſen, zu welchen die anzuführende Bemerkung gehört, zu:
Midraſch 795
weilen (wie meiſt Die „Rabboth“ zum Pt) nach den Blattzahlen älterer Ausgaben. (M.
Threni ſ. oben S. 790).
h) Midraſch zum Hohenliede, mem H, nad dem gleich am Anfange
angeführten Verſe Spr. 22, 29 me vx mm aud Aggadath Chazitha genannt. Be:
fonders benugt find pal. Thalmud, Gent, Pesiqtha, LeR, außerdem auch ung nicht mehr
erhaltene Midrafche, |. Theodor in WOW 1879, 337—344. 408—415. 455—462 u.
1880, 19—23, vgl. auch denfelben MEGWJ 1879, 271—275. Vgl. noh Zunz, GV
263. 264 u. ©. Salfeld, MgWJ 1878, 120—125.
i) Midraſch Ruth, in 8 Abfchnitten. Hauptquellen: pal. Thalmud, GenR, Let,
M. Ekhah; wird von Raſchi zu Dan 8, 15 und in den Thosaphoth zu Jebamoth 82 ı0
citiert. Vgl. Zunz, GB 265; PB. D. Hartmann, Das Buch Ruth in der Midrafch-Litte:
ratur, Frankfurt a M. 1901 (100©.).
k) Midrafh Doheletb, in 3 Ordnungen ET (Anfänge 1, 1; 7,159, 7).
Zunz, GV 265. 266; 2. Grünhut, Kritische Unterfuhung des Midraſch Kohelet Rabba.
I: Quellen und Nedactiongzeit, Frankfurt a. M. 1892 (57 ©.). 1
) Midraſch Efther, auch Haggadath Megilla in 6 Abjchnitten, die 1,1.4.9. 13;
2,1. 5 beginnen und als vom Verfafler gewollt durch Proömien gekennzeichnet find
(4 diefer Abſätze ftimmen mit den gejchlofjenen Abſätzen mYnno des überlieferten Bibel:
tertes überein). Daß aud 3, 1 ein Abfchnitt beginnen follte, ift aus den vorangeftellten
Proömien zu fchliegen. Wie die Einteilung macht auch die Auslegung den Eindrud des 20
Unvollendeten; legtere wird zu Kap. 7 jpärli und hört am Ende des Kap. 8 auf. Das
aufgenommene Material ift großenteils fehr alt (das Buch Eſther wurde ja fehon früh
in den Lehrhäufern ausgelegt, ſ. bab. Megilla 10® ff.); benußte Quellen: paläft. Thalmud,
GenR, LER, Virge de R. Eliefer. In Abſchnitt 6 findet fich eine lange Entlehnung
aus Sofippon (Traum und Gebet Morbefhais, Gebet Ejthers und ihr Erfcheinen vor 3
dem Könige). Doc hat man meder daraus noch aus dem Nichteitiertiverden des M. Ejther
bei Rafcht, im “Arufh und im Salqut ein Recht auf fpäte Abfaffung diefes Midrafch zu
ſchließen. Er ift paläftiniihen Urſprungs. — Bel. Zun, GB 264 f.
m) Andere Midrafhim zu den Megiliotk, ©. Buber zur Midrasch
suta. Hagadifche Abhandlungen über Scir ha-Schirim, Ruth, Echah und Koheleth nebſt Jalkut 50
zum Bude Ehah . . nad) Handſchriften herausgegeben, kritiſch bearbeitet und mit einer Ein-
leitung, Berlin 1894 (172 ©.).
Denſelben Midrafd) zum Hohenliede hat S. Schedhter ediert: N, Aga-
dath Shir Hashirim edited from a Parma manuscript, Cambridge 1896 (112 S.; vorher in
JQR V. VI). 35
Ein dritter Midraſch ift der von 2. Grünhut herausgegebene: Midrafh Schir Ha-Schirim
.. nach einer Handichrift v. J. 1147] ediert, Fritiich unterfucht, mit . . Einleitung, Serujalem
1897 (38 u. 1046.); vgl. ®. Bader in Réj. XXXV (1897), 230—239. Diefer Midraſch ift
von Autoren des 11. bis Anfang 14. Jahrh. benusgt.
©. Buber AnoR n5r2 8naNT es, Sammlung agadiiher Commentare zum Buche 40
Either, enthält: Midraſch Abba Gorion; Midrafh) Ponim Acherim; Midrafh Lekach Tob.
Nach Handſchriften . . mit Erklärungen und einer Einleitung, W®ilna 1886 (14 u. 112 ©.).
Vgl. N. Brüll in: Jahrbücher für Jüd. Geſch. u. Litt. VIII (1887), 148—154.
Der jhon von Raſchi citierte M. Abba Gorion zum Buche Efther ift auch in Bet ha⸗Mi—⸗
draſch I gedrudt. Vgl. noch Zunz 279. 45
. Buber, ANOR NIS, Agadiihe Abhandlungen zum Buche Either [nach 2 Handichriften
aus Jemen) herausgegeben und mit Anmerkungen, Kratau 1897. Der Sammiler benußte N:
faſi und Maimonides, ſchrieb wohl nicht früher al® im 14. Jahrh.
n) Leqach Tob (vgl. oben VIIIa) des Tobia ben Eliefer. Der Midraſch zu den Me:
gilloth iſt handſchriftlich B. in Parma Eod. de Roffi 261, in der Bodlejana (Katal. Neu: 50
bauer) Nr. 240 und zu Ooheleth Nr. 163. Einige Auszüge veröffentlihte Ad. Jellinek in:
Conmentarien zu Efther, Ruth und den Klageliedern von R. Menachem ben Chelbo, R. Tobia
ben Eliefer .., Zeipzig 1855; J. Nacht, Tobia ben Eliefer’3 Commentar zu Threni (Lekach
Tob (Nah Mi. Münden) mit einer Einleitung u. Anmerft., Berlin 1895 (67).
IX. Sammelwerfe. a) Jalqut Schimoni mersw ver, gewöhnlich ſchlechtweg 55
Jalqut genannt, eine aus mehr als 50 zum Teil jegt verlorenen Schriften ſchöpfende
Nomptlation, die dem Inhalt der gefamten bebr. Bibel folgt; ift in Paragraphen ein:
geteilt, eine neue Zählung beginnt bei Joſua (vgl. MWJ 1895, 481 Anm. 5). Die
Zeit der Abfaſſung hat man in die erfte Hälfte des 13. Jahrhunderts zu ſetzen. Der
Verfaffer hieß 7728; der Ehrentitel Darſchan ift ihm wohl erft nach feinem Tode bei= 80
gelegt werden; nach den Titelblättern der Ausgaben wäre er aus Frankfurt la. M.] ge
weſen. Rapoport (Kerem Chemed VII, A ff.), A. Levy, Die Eregeje bei den franz. Israe⸗
[e1}
796 Midraſch
liten, Leipzig 1873, S. XXII), D. Caſſel, Lehrbuch der jüd. Geſch. u. Lit., Leipz. 1879,
S. 357, u. andere laſſen dieſen Simeon Darſchan einen Bruder des Menachem ben Cbelbo
fein, alſo den Vater des Joſeph Dara; dann müßte er ſchon in der zweiten Hälfte des
11. Iabrh. gelebt haben. Mit Necht ift diefe Identifizierung beftritten von Abr. Geiger,
5 Dis: in, Breslau 1847, ©. 10, u. Süd. Ztſchr. XI, 115; R. Kirchheim, Litbl. des
Orients V, 253, u. bef. von A. Epftein, ww umdm Rp sera “, Krakau 1891.
Der Wert des %. liegt nicht nur darin, daß er ein bequemes Nachfchlagebuch tft, fondern
auch und vornehmlich darin, daß er viele Stüde verlorener Midrafchim erhalten bat und
die Tertkritit noch vorhandener Werte durd gute Lesarten fördert. Diefer 3. iſt iwenig-
10 fteng ein Jahrhundert älter als der gleich zu nennende J. ha-Makhiri: er kennt den Midr.
NuR nody nicht, der von Makhir jchon Kart be wird; |. A. Epftein, Rej. XXVI
(1893), 75—82, gegen M. Gafter, welcher daſ. XXV, 44 Hr. das höhere Alter Makbirs
behauptet hatte. 2 noch Zunz, GB 295—305. || Ausgaben: Salonifi 1526/27 (Teil I)
u. 1521 (Zeil II), Venedig 1566 (mit vielen Aenderungen, vgl. MGWJ 1895, 484 Anm.),
15 Krakau 1595/96, Frankf. a.M. 1687, Warſchau 1876.
b) Jalqut ha-Makhiri. Makhir ben Abba Mari hat wahrjcheinlih in Südfrank—⸗
reich gelebt; ficher vor dem Ende des 14. Jahrh., denn eine der vorhandenen Handichriften
(in Leiden) gehört dem Anfange des 15. Jahrh. an. Sein aus älteren Schriften zu:
Sammengeftelltes Werk umfaßte die eigentlich prophetiichen Schriften und die drei eriten
20 Hagiographen. Der Wert diefes Midrafch Tiegt wejentlich in den Ercerpten aus Jelam⸗
denu (Thanchuma) und den Varianten, die er zu dem anderweit befannten Texte feiner
Quellen bietet.
Veröffentlicht find folgende Stüde: J. Spira, an upb, The Yalkut on Isaiah
of Machir ben Abba Mari [nad) Cod. Xeiden, in dem 20, 4—40, 20 und 63, 2 bis Ende
5 fehlen], Berlin 1894 (30 u. 278 ©); ©. Buber, = wıpb, Sammlung haladifher und
haggadiſcher Stellen aus Talmud und Midrafhim zu den 150 Palmen von R. Madjir ben
Abba Mari, Berdyczem 1899 (354 u. 294 ©.); 2. Grünhut, Su dr a Horn od, Samm:
fung midrafhifcher Auslegungen der Sprüde Salomo? .. mit Anmerkungen, Öuellennachiveis
und Einleitung, Frankfurt a. M. 1902 (20©. u. 104 B1.), vgl. die Beiprehung von W. Bader
zo in GgA 1902, Nr. 10. Der am Anfang und Ende unvollftändige Koder Surfen 5704 ent:
hält den Midraſch zu den Heinen Propheten, M. Gaſter will ihn herausgeben; M. zu Obadja
ſ. Rei. XXV, ©. 637.
c) Midraſch ha-gadol, zum Pt, in Jemen zufammengeftellt, und zwar nad) Mai:
monides, deſſen Jad ha-chazaqah jehr oft citiert wird; wertvoll befonders wegen der Er:
35 cerpte aus verloren gegangenen tbannaitifhen Midrafchim, vgl. oben V. Handichriften in
Berlin (Ms. Or. fol. 1204--1208), Orford (Bodl. 2338), Cambridge (3404—-3407),
St. Francisco.
S. Schediter, Midrash ha-gadol forming a collection of ancient Rabbinic homilies to
the Pentateuch . . Genesis, Cambridge 1902 (825 ©.).
10 Nur ihres Titels wegen ſeien hier erwähnt: d) Jalqut Rubenti TAI br am upb-
(auch J. Rubeni gadol genannt, zum Unterfchiede von den in Prag 1660 u. f. gedrudten
J. Rub. desjelben Verfaſſers, einem Inder zu fabbalijtiihen Büchern), von Ruben ben Höſchke
(Hoſchke, DER) Kohen aus Prag, geit. 1673. Diefer J., gedrudt in Wilmersdorf 1681,
bejier in Amfterdam, eine Sammlung kabbaliftifher Auslegungen zum Pt, ift für die Willen:
5 ſchaft wertlos. || Cat. Bodl. 6824. — || e) Der neue Jalqut, vn ums, gleichfalls kabba⸗
liſtiſch, anonym erſchienen (iſt von R. Israel), zuerſt Lublin 1648. || Cat. Bodl. 3554—3557.
X. Erzählungshaggada. Hinſichtlich der in Betracht gezogenen Zeit find als
unfaffende zu bezeichnen:
a) Seder "Olam Nabba, dem Jose ben Chalaphtba (um 160 n. Chr.) zugejchrieben,
so ſehr alt, doch einige Spätere Einfchaltungen. Zunz, GB 85. B. Ratner, bb Som man
„9, ®ilna 1894 (162 ©.); Seder Olam Rabba. Die große Weltchronif. Nach Handichriften
und Druckwerken mit kritiihen Noten und Erklärungen, Wilna (Frankf. a. M.) 1897 (151 ©.).
Eine neue fritiihe Ausgabe bereitet AU. Marx vor.
b) Seder Olam Zuta, au Dbw 70. Zunz, GB 135—139. ©. Schechter hat den
55 Tert in MGWJ 1895, S. 23—28 nad) Kod. Parnıa de Roſſi 541 abgedrudt. || Leber beide
Werte vgl. 3. Meyer, Chronicon Hebraeorum majus et minus [Tert, Ueberjegung, Anmerft.
u. 3 Diſſertat., Amiterdam 1699; Wolf, B. HA. I, 492—499; IV, 1029 f.; Cat. Bodl. 3873.
c) Megillath Thafanitb Mr n223 zäblt die Tage des jüdifchen Jahres auf, an
denen wegen eines freudigen Ereigniſſes nicht gefaftet werden darf; zum Teil aus dem
so 2. Jahrh. n. Chr. berrübrend. Oft gedrudt, 3.8. Amjterdam 1659, Warſchau 1839. || Zunz,
BB 127. 128; Cat. Bodl. 3723—3726; ©. Dalman, Grammatik des jüdifch-paläft. Aramäifch,
Leipzig 1894, ©. 7. 8; Joſ. Schmilg, Ueber Entftehung und Siftoriihen Werth des Sieger:
Midraſch 797
kalenders Megillath Taanith, Leipzig 1874. Dazu vgl. M. Brann, Entſtehung und Werth
der Megillat Taanit, in MOWS 1876, 375—384. 410—418. 445—460.
d) Pirge R. Eliefer, Ar an muB, aud 8 Xr“s, nah S. Friedmann
zivifchen 809 und 811 in PBaläftina verfaßt; beginnt mit dem Lobe des Eliejer ben Hyr⸗
kanos und behandelt dann den Anhalt des Pt haggadiſch, bridyt aber bei der Beltrafung 5
Mirjams plötzlich ab, ift allo unvollendet geblieben. Drude: Konftantinopel 1514 u. vft;
Guil. Henr. Vorstius, Capitula R. Elieser [2atein. Ueberjegung u. Anmerkk., ohne hebr. Text],
Leiden 1644; mit Kommentar von David Luria, Warſchau 1852, Fol. || Zunz, GB 271— 278;
Cat. Bodl. 4008—4018; ©. Friedmann, Züd. Litbl. 1879, ©. 30 f. 34 f.
e) Joſippon eine mit vielen Fabeleien durchwirkte Gejchichte der Juden vom Falle 10
Babeld bis zur Zerftörung des Tempels in Jeruſalem; vgl. Vogeljtein u. Rieger, Ge-
Ichichte der Juden in Rom I (Berlin 1896), S. 185—200; in der zweiten Hälfte des
9. Jahrhundert? in Italien gejchrieben. Oft gebrudt. I. F. Breithaupt, Iyaaı 72 jBr0n ..
sive Josephus Hebraicus . . Latine versus ... atque notis illustratus, —* 1707. Zunz,
GV 146—154; Cod. Bodl. 6033. 15
f) Sepher ha⸗jaſchar, von Adam bis auf den Anfang der Richterzeit reichend; viel:
leiht im 12. Jahrh. verfaßt, Venedig 1625 u. mehrfach. || Zunz 154—156; Cat. Bodl.
3581—3086.
Auf einzelne Zeiten beziehen ſich g) Midraſch Vajjisfu, won =, Krieg von Jakobs
Söhnen gegen die Kanaaniter und Eſau. Gebrudt in Bet ha-Midraſch III. Zunz 145. 20
h) Pesah-Haggada, TOP n7:7. Zunz 126, Cat. Bodl. 2671 ff.
ji) Midrafch vom Ableben Aharong, Ar nice ‘2, und k) M. vom Ableben Mofig,
mo neun m. gung 146; Cat. Bodl. 3996— 4000; Bet ha:M. I und (andere Necen-
fionen vom Ableben Mofis) VI.
I) Buch des Daniten Eldad, ır Ton ana, Ende des 9. Jahrhunderts, enthält
Märchen über die Israeliten jenfeits des Fluſſes Sambation, aber auch Trümmer älterer
Sagen. Drei verjchiedene Recenfionen teilte Jellinet mit in Bet ha-M. II. III. V. Ge:
nauere? gab D. H. Müller, Necenfionen und Berjionen des Eldad Had-Daͤni nad) den alten
Druden von Konjtantinopel, Mantua und Venedig und den Handidhriften von London, Or:
jord, Barma, Rom, St. Petersburg und Wien veröffentlicht und kritiſch unterfudht, Wien 1892 30
(Dentichriften der Akad. der Will. in Wien, Bd 41) 80 ©. Fol. Bal. ferner: A. Epftein,
Eldad ha-Dani, feine Berichte über die 10 Stämme und deren Ritus, mit Einleitung und
Anmerlungen, Preßburg (Wien) 1891 (LI, 192 ©.). Zunz, GV 139; Cat. Bodl. 4934.
m) Serubbabel:Bud. Zunz 140; Cat. Bodl. 1400. 1401.
n) Megillath Antiohus oder das Hasmonäerbuch, wohl im 8. oder 9. Jahrhundert 35
gei@rieben in einer dem biblifchen Aramäifch nachgebildeten Sprache. Den aramäifchen
ext veröffentlichte zuerjt H. Filipowsti am Ende von ENMET "an 20 To x (auch unter
dem Titel: The choice of Is [des Ibn Gebirol) .. To which is added the book of An:
tiochus . . in Aramaic, Hebrew, and English), London 1851; fpäter W. Sellinet in Bet
ha-Midraſch VI (1877) und M. Gafter in: Transactions of the Oriental Con London 40
1891, vol. II (vgl. Ad. Neubauer in JQR 1894, 570—576). Oft in hebr. Ueberfegung ge:
ma h, Oat., Bodl. 1382—1388. || Zunz, GV 134; Dalman, Gramm. des jüd.-paläft. Ara-
mäiſch, ©. 6. 7.
0) Midrafch TOTER TER befchreibt die Sinrichtung von 10 berühmten Mifchnalehrern.
un; 142a; Cat. Bodl. 3730-3732, || Bet ha-Midraſch IL und (zwei andere Recenjionen) VI; 45
. Möbius, Midrafch der zehn Märtyrer überfegt Leipzig 1854 (32 ©.).
Nein legendarifh find: p) Midraſch VBajjofha‘, 377 2, Sage von Armilus. Zunz 282;
Cat. Bodl. 3734—3739; Bet ha:M. I.
q) nme naw> 'n Midrafd der Zehn Gebote. Zunz 1424; Cat. Bodl. 3751. 4986, °;
Bet ha-M. I. 50
r) nYwyn "nam. Bun; 1306; Cat. Bodl. 3869 ff. — Ueber die zahlreichen Hebrätjchen
und jüdifchdeutfhen mWwsr3-Bücdjer |. Cat. Bodl. 3869 — 3942.
XI. Ethiſche Midrafhim. a) PIE 77, Kar yar 777 und BET DE, vom
Lebenswandel. Bun; 110f.; Cat. Bodl. 1636; 3. Harburger, wur yar 7 n>0n. Eine
Sammlung der reinften und ternhafteften Sitten: und Anftandslehren der ältelten Rabbinen 65
. mit Ueberjegung und Anmerkungen, Bayreuth 1839 (56 ©.) M. Wortberg Der talmu⸗
diiche Zraftat Dered) Erez Rabba, neu ediert, mit Anmerkungen, 1. Heft, Breslau 1888.
Ahr. Tawrogi, Der talmudifhe Tractat Derech Erez Sutta nad) Handſchriften und feltenen
Ausgaben . . bearbeitet, überjegt und erläutert, Königsberg i. Pr. 1885 (52 ©). ©. Krauß,
Le trait6 talmudique „Der&ch Er6c“ in R&j xxxvi (1898), ©. 27-46. 205-221; 0
XXXVII ©. 45—64.
b) Thanna de:b& Elijahu or a7 mon. Der Zived des Buches ift: den richtigen
Lebenswandel (PAR 777) und das Gejegesftubium zu verberrlichen. Als Nedender tritt
t>
o
798 Midraſch
der Prophet Elia auf. Zunz, GV112-117; Cat. Bodi. 4111. 4112. M. Friedmann, Seder
Eliahu vabba und Seder Eliahn zuta (Tanna d’be Eliahu) [nad) Cod. Batic. v. 3. 1073}
ediert, tritifch bearbeitet und conmentiert, Wien (Warſchau) 1902. 1900 (10 u. 150 ©. Ein:
leitung; X u. 200 ©. Text). Tazu vgl. die Beiprehungen durh J. Theodor in MER
6 1900, &. 380384. 550—561 (Text) u. 1903, ©. 70—79 (Einleitung).
ce) Alphabet bes Ben Sira. Zunz 105; Cat. Bodl. 1363 ff,
d) Midraſch Themura maTEn WIE. Dies ethiih-haggadiihe Schriften will „darthun,
daß Abwechjelungen und Kontrafte in der Welt nötig feien”. Zn Kap. 2 treten R. Ismael
und R. Akiba lehrend auf; das legte (dritte) Kap. legt den 136. Pfalm mit Beziehung auf
10 Pred 3, 1—8 aus. Zunz 118; Cat. Bodl. 3793; Bet ha-Midraſch 1.
XII. Geheimlehre. a) Das Buch Jezira mar ED, aus der geonätjchen Zeit,
Ion im 10. Sahrh. von Saf adja Gaon, Schabbathat Donnolo und Jakob ben Niſſim
onmentiert. Von Ausgaben feien erwähnt: J. ©. Rittangel, Amfterdam 1642, mit latein.
Ueberjegung; 3. %. v. Meyer, Leipzig 1830 mit deutfcher Weberjegung; Iſidor Kaliſch, New
156 Hort 1877 mit engl. Meberjegung,; Warſchau 1884 mit vielen Kommentaren; Laz. Golb-
ihmidt, Das Bud) der Schöpfung, Tert nebjt Ueberfegung . . Erklärungen und einer aus:
führl. Einleitung, Frankfurt a. M. 1894, vgl. RE. XXIX (1894), ©. 310-316. || Zunz, GB
165. 166; Cat. l. 3562-3574. David Gaftelli, Dan may ab war "es, Il com-
mento di Sabbatai Donnolo sul libro della creazione . . testo ebraico con note critiche e
20 introduzione, ylorenz 1880. A. Epitein, Recherches sur le Sefer Yegira, in: Rei. XXVII
(1894), ©. 95—108; XXIX, 61— 78.
b) Alphabet (oder Othijjoth mm) des R. Aliba. Zunz 168; Cat. Bodi. 3395 —3401;
Bet ha-Midraſch III, vgl. aud Band V.
c) Die großen und die Fleinen Hekhaloth, naar mIoamı nam mas, zuerſt von Hei
2 Gaon citiert. Zunz 166. 167; Cat. Bodl. 3457—3459.
d) Midraſch Konen 3775 3. „Schilderungen von Himmel und Erde, Hölle und Paradies“.
Zunz 169; Cat. Bodl. 3743— 3745; Bet ha-M. LI.
e) Bud) Nafiel, Sur =oS, Zunz 167; Cat. Bodl. 4042,
- XII Midrafhfammlungen. Ad. Sellinet, WITT 2, aud mit deutſchem
so Titel: Bet ha-Midrafh. Sammlung Heiner Midraſchim und vermilchter Abhandlungen
aus der ältern jüdischen Literatur. Nach Handichriften und Druckwerken gefammelt und
nebft [deutichen] Einleitungen herausgegeben. 8°, Bd 1—4, Leipzig 1853 — 1857; Bd 5,6
Wien 1873. 1877. || Chajjim M. Horomig, Drsp arwmTrz Ya Mas Nas, Sammlung
Heiner Midraſchim. Der allein erfchienene erfte Teil (Berlin, auch Frankfurt a. M.1881) ent:
35 hält: Pereq Rabbi Eliefer ben Hyrkanos, drei Recenfionen des Midrafh Jona, Agadatb
Darne Remim, Erzählung von Abraham, Abhandlung von zehn Königen, Midraſch Me:
gillath Either, Agada aus dem Buche hasmafafim. | Derjelbe, ns >> 72, Biblio-
theca haggadica, 2 Hefte, Frankfurt a. M. 1881. | Derfelbe, Uralte Tofeftas, I (Mainz
1889). IV u. V (Frankf. a. M. 1890). || S. A. Wertheimer, mar: na, Kleinere Mi:
40 drafchim, Serufalem, 4 Hefte (bis 1897). || X. Grünhut, rap "es, Sefer ba-Lilkutim.
Sammlung älterer Midrafchim und wilfenichaftlicher Abhandlungen, Serufalem 1898— 1901,
5 Hefte (Heft 4. 5 ſ. oben VId, ©. 791).
XIV. Ueberfegungen. a) Blafius Ugolinus bat in feinem Thesaurus antiqui-
tatum sacrarum (Venedig, Fol.) folgende Midrafche im Grundtert mit eigener gegen:
5 überftehender latein. Überjegung abgedrudt: Mekhiltha und Siphra Bd XIV (1752);
Siphre Bd XV (1753), Spalte 1--996; Leqach Tob zu Le, Nu, Dt ale Pesictha
Bd XV, Ep. 997—1226, und XVI (1754). — || b) Aug. Wünfche veröffentlichte unter
dem Geſamttitel „Bibliotheca rabbinica. Eine Sammlung alter Midrafhim zum erſten
Male ins Deutjche übertragen” mit Einleittungen und furzen Anmerkungen, Leipzig: Gent
co 1881; ExR 1882, WR 1884, NuR 1885, DIR 1882, HU 1880, Ruth 1883, Klagl.
1881, Dob 1880, Eſth 1881, Midrafh Mifchle 1885, Pesiqgtha de Rab Kahana 1885.
Ferner überfegte A. Wünſche: Midraſch Tebillim, Trier 1892. 1893.
XV. Über die Hilfsmittel zum VBerftändnis der Sprache, die Hermeneutif des
Midrafch, die Verwendung diefes Yitteraturgebiets für die Theologie u. ſ. w. vgl. meine
65 „Einleitung in den Thalmud“, 3. Aufl., Xeipzig 1900. — Außerdem weiſe ich mit be
fonderer Empfehlung auf die große Arbeit von W. Bacher: Die Agada der Tannaiten,
2 Bde, Straßburg ı. E. 1884. 1890, Die Agada der babylonifchen Amoräer 1878, Die
Agada der paläftinenfiichen Amoräer 1892. 1896. 1899, Bibetftelentegiliet 1902. —
Derz3eidhnis
der im Dreizehnten Bande enthaltenen Artikel.
Artikel: Verfaſſer:
Methodismus in Amerika
J. L. Nuelfen .
Methodius Bonwetſch
Methodius, Erzbiſchof von Sirmium .
Bd IV ©. 384, ıs
Methufala, | d. nl. Seth u. d. Sethiten.
Metrophanes Reitopu ne
Gaß F.) Pb. Meyer
Metropolitf.d. A. 2 Bd V 5.488.
Mette Drewd .
Meg, Bistum Hau
Meuniter, ſ. d. A. Maon Bo xıus
‚243.
- Meurer Th. Fider
Mexiko Wilh. Götz . .
Meyer, H. U. D. Fr. Düfterdied
Meyer, J. 8 Senior Dr. Steiß T
Meyfarı pente rt.
Micha
Vol
Michael Cärularios |. ) 2 Cärulariog
Bd III ©. 620.
Michael von Cejena j. d.9. Franz von
Aſſiſſi, Bd IV S. 212, 7 ff.
Michael, Engel ſ. d. a BpVE. 366, 30 ff.
Michael Scotnd Carl Mirbt
Michelis N. Kittel . .
Michaelsbruderſchaft f. d. U. Bruder»
ſchaften Bd III ©. 441, 10 ff.
Midelianer j. d. A. Hahn, Mid. 8b VII
©. 343, so,
©.
Micronius
Midian Suthe .
Midraſch |. am Schluß des Bandes.
Mieczyslaw D. Dr. Erdmann .
Migetius (MöllerF) Haud .
Militärſeelſorge ſ. —8
Plitſch von Kremſier 3. Roierth .
D. van Been .
Caſpar Rene Gregory
Millennium ſ. d. N. Chiliasmus Bd III
S. 800.
Milner C. Schoell 7 .
Miltiades Adolf Harnack . .
Miltiades Bapit ſ. d. N. Melchiades
Bd XI ©. 548.
Milton
Rt. Eibach
Minäer |. d. A. Arabien Sol ©. 766, ff.
Minden
Minimen ſ. d. N. Yan von Baula
Bd VI ©. 223,
53
56
57
60
67
68
73
Artikel: Verfaſſer:
Minoriten ſ. d. N. Franz von Aſſiſi
Bd VI S. 197.
Minucius Felix H. Boenig .
Miramionen f. d. N. Benovefanerinnen
Bd VI ©. 517, ».
Miserere H. A. Köftlin.. .
Miffale ſ. d. U. Mefe Bd XII
©. 723, 22
Mißheirat Baferiäleben D
Sehling . -
Miſſion, innere Rahlendec
Miſſion, katholiſche CSteiß F. . .
Milfion unter den Heiden, latholiſche
. Örundemann .
Miffion unter den Heiden, proreſtantiſche
Warned .
Mifjion unter den Juden
Heman .
Miffionspriefter ſ. d. 4. Bincentins de
Paulo.
Mitra f. d. N. Kleider und Inſignien
Bd X ©. 331, ae.
Mittagsland ſ. d. U. Negeb.
Mittler |. d. U. Verföhnung.
Moab Fr Buhl . .
Modaliften ſ. d. U. Monardjianismus,
Modeftug . Krüger . .
Möhler (Wagenmann ) Hand
Möller, Zoh. Friedr. W. Möller F
Möller, Wilhelm G. Kamwerau
Möndtum Srüpmader
Möritofer ander von Knonau
Mörlin (® agenntann f)
Lezius.
Mörlin K. Wieber —
Mogilas (Gaß FT) Ph. Meyer
Molanıs (Hente +) Haud .
Molina und der Molinigmus
(Belt +) Zöckler
Molinos (Tholud +) Bödler
Moll Acquoy +
Moller Carl Bertheau
Moloch Wolf Baudiſſin
Molther G. Boſſert . .
Monarchianismus Adolf Harnad .
Monate bei den Hebräern ſ. d. AA. Jahr
bei den Hebr. Bd VIII ©. 524, so ff.
und Mond unten.
Seite:
82
87
800
Artikel: Berfaffer:
rannte, Pa päpftl. An d. U. Menses papales
Mond bei ben Sebräern Wolf Baudijjin
Mongolen W. Heyd ...
Monheim Ed. Simons . .
Monod, Adolphe Bonnet }) Pfender
Monod, Friedrich ugen Lachenmann
Geite:
337
349
355
358
362
Monogamie f. d. A. Ehe Bd V ©. 182.
Monogramm Eprifti (5: Piper +) Haud
Monoimos Liechtenhan
Monophyſiten G. Krüger .
Monotheismug f. Theismus.
Monotheleten (W. Möller ) G. Krüger
Monſtranz Ken Hulte .
Montalembert C. Pfender .
Montanismus Bonmetic
Monte Caſſino Bödler
Montenegro W. Gh. .
Montes pietatis (Neudeder r) Haud
Montfaucon ®. Laubmann .
Moody L. Brendel .
Moralijten, engliſche E. Tröltid .
Moralitäten ſ. Spiele, geiitliche.
Morata Benrath . .
Mord bei den Hebräern |. d. a. Gericht
und Recht Bd VI ©. 579.
Morgan, Thomaß, geit. 1743 ſ. d. 9.
Deismus Bd IV ©. 544, us ff.
Morganatiihe Ehe |. d. 1. Mißheirat,
. 89, 80.
Moria ſ. d. U. Serufalem Bd VIII
©. 677, 120.
Morig von Heilen ſ. d. U. Verbeſſe—
rungspunfte.
Morig zn Sagen ſ. d. A. Interim
Bd IX
— ———— J. R. v. Belt.
Morone Benrath . .
Mortuarium f. d. N. Abgaben 8 I
S. 9,1.
Morus Mangoldt f)
Georg Miller. .
Morus, Thomas f.am Ende des Wertes.
Moschus Erwin Preufchen .
Mofe v. Drei
Moſes Ehoronenfis ſ. d. , Armenien
B II ©. 71,8 ff.
Mosheim Bonwetſch
Mozarobiſche Liturgie ſ. d. A. Meſſe
Bd XII S. 711,5.
Mozarabiſche Beritupen ſ. d. A. Perikopen.
Mühlen bei den Hebräern ſ. d. A. Brot
Bd III S. 420, 2: ff.
Mühlenberg Adolph Späth .
Mühlhäußer Ne
Müllenſiefen
Georg KRietſchel
Kolfhaus . .
Hermann Bed. .
(3. Kichhofer })
G. Kirchhofer . .
Müller, 3. Gg. Jakob Kündig .
Müller, Julius David Hupfed .
Mümpelgarter Kolloquium
Aler. Schweißer t
Ulhorn 7 .
Saud ..
Müller, Georg
Miller, Heinrich
Müller, 3. ©.
Mündmeyer
Münſcher
367
372
372
523
526
529
534
536
537
Berzeihuis der im dreizehnten Bande enthaltenen Artikel
Artifel: Berfafler:
Müniter, Bistum Haud.
Münſter, Wiedertäufer
W. Köbler . . .
Münter Fr. Nielfen. .
Münzer Theodor Kolde .
Muiberg Hermann Haupt
Munoz, gi. ſ. Eiemens VIII. Bd IV
©. 146, ss.
Muratori G. Laubmann . .
Muratorifches Fra mem! f. Kanon Mu⸗
ratori Bd IX €. 79
Murner Sit ..
Muſäus, Johann Gent +)
obanne® Kunze .
Mufäus, Peter (Hente})
Johannes Kunze .
Mufaph ſ. d. U. Gottesdienſt, ſynagog.
Bd VII ©. 11,1 ff.
Musculus, Andread G. Kamwerau
Musculus, Volig. Ken
Mufit Inge:
Myconiug, Friedrich —* Schinidt )
. Kawerau
Mylonius, Oswald (Bernb Riggen-
r) Edi . -
Myniter * Nielien. ..
Myrrhe (Rüetihi T) Kittel
Myrte (Rüerihi +) Kittel
Myftagogifche Theologie
g' Kattenbufh .
Myſterien ſ. die Artitel Satramente und
Spiele, geiftl.
Myftit ſ. Theologie, myſtiſche.
N.
Naaffener ſ. Opbiten.
Nabatäer |.d.A. Arabien BIS. 767, 22ff.
Nachtmahlsbulle ſ. Bulla
Domini Bd III ©. 535.
Nachtwache f. Tag bee den debräern.
in coena
Nahum
Name v. rei .
Nanaia Wolf Baudiffin
Nantes C. Schmidt +.
Naogeorg ſ. Kirhmeyer Bd X ©. 496 fr.
Naphtbali f. d. N. Balilda Bd VI
©. 338, s ff.
Narbe (Rüetſchi F) Kittel
Narrenjeit . Böhmer. .
Nartber ſ. d. U. Kirhenbaun Bb X
©. 782, s ff.
Naſiräat v. Oreli. .
Nasmith, David |. Stadtmiffion.
Natalid r. Uhlhorn +
Natalitia ſ. d. U. Märtyrer Bd xII
6. 51, 2.
Nathan Kittel .
Naturgeſetze M. denat ..
Natürliche Religion f. d. . Deismus
Bd IV ©. 533, 1 ff.
Naudäus Cuno .
Naumburg Hauck.
Naumburger Fürſtentag
Kawerau
Nauſea G. Kawerau
612
Berzeichnis der im dreizehnten Bande enthaltenen Artikel
Urtikel: Verfaſſer:
Naylor, James ſ. d. A. Quäler.
Nazaräer ſ. d. N. Ebioniten Bd V
S. 125, 4.
Nazarener, ungariſche ©. Cramer.
Nazarener, württembergiſche
. Herzog -
Nazareth Sutbe 0.
Neander, Auguft &. Ulborn + .
Neander, Joachim Co. Simon? .
Nebajot [.d. A. Arabien BIC. 767, 2 ff.
Nebo Alfred Jeremias.
ent ſ. Nimigen u. Babylon.
the
Neo ſ. d. A. Ägypten BIC. 214, ss ff.
Nehemia A. Kloftermann
Nektarius von Serufalem
F. Kattenbuſch
Nektarius von Konſtantinopel
Loofs.
Nemeſius (Möller +)
R. Chmid .
Neophyten 9. Adelid .
Neostadensium admonitio
E. 5. Karl Müller
Nephilim f. d. A. Kanaaniter Bd IX
. 737, + fi.
Repomut f. Sohann v. Nepomut Bd IX
S. 306.
Nepos Bonwetſch.
Nergal Alfred Jeremias.
Real⸗Gucij:? lapadie für Theologie uud ſtitche 3. U. ZIIL
Seite:
672
674
676
679
687
690
692
200
105
706
708
109
709
10
711 , Midraid
Urtikel: Berfafler:
Neri Reuchlin F) Zödler
Ner Robert Pöhlmann
Neried ſ. d. 4. Armenien, und zwar für
Nerſes Clajenſis Bd II ©. 73, 1;
Nerjes d. Gr. ©. 76,3; Neries Lam-
bron ©. 73, ss.
Nerva G. Uhlhorn +.
Neſtor Bonwetſch
Neſtorianer (Petermann })
— Keßler.
Neſtorius oofs.
Nethinim ſ. d. A. Bei B xI6 421, “.
Netter N. —5
Neubrigenſis
9-8
Renburger Religionskefpräd | ve IH
7,18.
Neudeder A. Schumann . .
Neues [gekament j Ranon des NIE
Bd IX ©. 768
Renahrsieit (9. Merz) Garl
Bertbeau ..
Neumanichäer öckler
Neumann rmann Beck.
Neumark ermann Bed.
Neumeiſter Hermann Bed .
Neuplatonisſsmus M.
Heinze
Neuſeeland ſ. d. A. Auſtralien B II6.299.
9. 2. Strad . .
51
801
Geite:
712
718
722
722
723
736
749
753
753
«55
757
770
771
771
772
784
. 59 fies 823 ftatt 723.
sa. 20
00)
[0]
Wa
9
Nachträge und Berichtigungen.
2. Band.
. 23 lies 1893 ftatt 1843.
16 lies Germershauſen flatt Germersheim.
3. Band.
60 lies 825 Statt 725.
59 lies illustrata ftatt illustris.
9 lies 2. W. Graepp Statt C. W. Granepp.
„ 58 lied 1093 ftatt 1039.
„ 53 füge bei: Eine Bearbeitung des in 22 Bänden in der Biblioteca de la Aca-
demia de la historia zu Madrid vorhandenen Prozefjed Carranza liegt im
2. Bde der Historia de los Heterodoxos Protestantes des Menendez Pelayo
(S. 359 ff.) vor. Neucrdingd bietet Schaefer in den Beitr. 3. Geſch. d. ſpan.
Broteit. Bd III (1902) Zeugniſſe Ballifoletaner Proteftanten’ aus defien Alten
(S. 727--812); wir lernen da den Einfluß fennen, welchen C. auf einige ge:
habt hat, die als Proteftanten in Balladolid erfcheinen. Benrath.
4. Band.
©. 84 Z3. 23 füge bei: Hierzu vgl. %. C. Conybeare, The Date of the Composition of the
aschal Chronicle ın Journ. of Theol. Studies 2, 1901, 288—298, der gegen
Gelzer die [don von 2. Holiten auf Grund von handidriftlihem Material auf:
gejtellte Behauptung wieder aufgenommen hat, daß das jegige Chr. P. eine
ältere, um 354 entitandene Redaltion vorausfegt. Krüger.
„ 202 „28 lieg XVII Statt XXVIT.
„ 735 lie8 die Eeitenzahl 735 itatt 435.
„ 812 3.18 v. u. lied 659, ss ftatt 659, sa.
„Sr,
„603 „
„649 „
6 v. u. lies 528, 42 ftatt 528, a.
5. Band.
. 46 füge vor Wilhelms IV. ein: Friedrich.
41 füge bei: Th. A. Fiſcher, The Scots in Germany. GEdinburg 1902 I ©. 174 ff.
13 füge ein: gl. die Sammlung der in den "Jroa enthaltenen Bruchftüde bei
EC. Hol, Fragmente vornicänifher Kirdjenväter aus den Sacra Parallela
(TU, NF. 5,2). Leipzig 1899, 214 —232.
18 füge ein: TH. Zahn, Eine altkirchliche (dem Euf. Alex. zugeichriebene) Rede
über die Sonntagsruhe nebjt Unterſuchungen über ihren Verfaſſer (mutmaplic
Euſebius von Emefa) in ZEWL 5, 1884, 516—534. Krüger.
18 füge ein: Th. Zahn in ZERR 5, 1884, 516—534 fucht in Eufebiuß von Emeſa
den Perfajier der dem Euſebius von Wlerandrien (f. d. U.) ‚zugefchriebenen
Homilie über den Sonntag, die er (S. 528—533) in deuticher Überſetzung ab⸗
druckt (wiederholt in: Skizzen aus dem Leben der alten Kirche ?, Erlangen u.
Reipzig 1898, 321— 330). Krüger.
42 füge bei: Eine kritiſche Ausgabe von J. Bidez und L. Parmentier (The Eccle-
siastical History of Evagrius with the Scholia) erſchien London 188.
ger.
Nachtraäge und Berichtigungen. 803
6. Band.
©. 387 3. 30 lieg Hbr 12, 17 ftatt 12, 18.
„561 „ 47 lies Feeſche ftatt Feſche.
„ 732 „ 28 füge bei: Vgl. C. Schmidt, Plotind Stellung zum Gnoftizismus und kirchlichen
Ehriftentum. TU, NF. 5. Bd 4. H. Leipzig 1900. Krüger.
7. Band.
©. 592 3. 38 lies Soel 3 ftatt Joel 8.
8. Band.
S.567 3. 5 füge bei: M.⸗A. Kugener, Récit de Mar Cyriaqtie racontant comment le corps
de Jacques Barad&e fut enlev& du couvent de Casion et transport au couvent
de Pheesiltha, in Rev. de l’Orient Chretien 7, 1902, 196—217. Krüger.
„581 „ 24 lied zwölf ftatt zehn.
„581 „56 lieg 2,2. 9. 21; 4, 11; 5, 11. 17 Statt 2,2; 9; 21, 4; 11 fi. 5; 11. 17.
„582 „ 4 lie 2,7. 14 ff.; 5,7.
„583 „ 14 lies bes 4.8.8 Statt dad U.B.
„583 „ 22 lieg 1,1; 2,1 Statt 2,5, 7. 8.
„584 „26 fliege nad 20 die Klammer.
„693 „ 39 füge bei: Vgl. auh 2. v. Rante, Briefwechſel Friedrich Wilhelms IV. mit
Bunfen ©. 85 ff.
9. Band.
S. 153 3.11 füge bei: Quellenmaterial zur Vorgefchichte der großen Handbücher von Bern.
Guidonis, Eymerih u. N. bietet Eh. Molinier bei. im 2. Zeile der Etudes sur
quelques mscr. des Bibl. d’Italie . . . (Paris 1887). — Reiche Belege betr. das
Verfahren der fpanifhen Snauifition bei Schaefer, Beiträge zur Geſch. d. fpan.
Proteſt. und der Inquiſition (1902, 3 Bde). Benrath.
„319 „ 54 lieg 13. November ftart 14. November.
„ 603 „ 21 lieg 380—390 ftatt 480—490.
„608 „ 9 lieg Schwochheiten ftatt Schwadhleiten.
„635 „10 füge bei: Über Paulus den Perfer vgl. G. Mercati, Per la vita e gli seritti di
Paolo il Persiano, in Note di letteratura biblica e cristiana antica, Studi e
Texti Vol. 5, Roma 1901, 180—206. Krüger.
„651 „ 7 lied 13. November ftatt 14. November.
„653 „ 16 füge bei: Daß das Ehriftentum auf Philde nicht erft, wie man feit Letronne
allgemein annahm, durch J. nad) Zerjtörung des Iſiskultes Eingang fand,
fondern daß ſich ſchon in der 1. Hälfte des 5. Jahrhundert? dort chriftliche
Kirhen befanden und dab es in Syene-Elephantine einen duriftlichen Biſchof
ab, zeigt U. Wilden, Heidnifches und Chriſtliches aus Ägypten, im rd. f.
Bapyrusforfhung 1, 1901, 396 —436. Krüger.
„655 „ 3 füge bei: Hierzu vgl. jet G. Pfannmüller, Die kirchliche Gefeggebung Juftiniang,
bauptfählih auf Grund der Novellen. Berlin 1902. Krüger.
„810 „ 3 v. o. lieg 174 ft. 147.
10. Band.
S. 112 8.13 füge bei: S. Pétridès, Cassia, in Rev. de l’Orient Chret. VII, 1902, ©.218— 244.
„454 „ 18 füge bei: Vollhardt, Geſchichte der Kantoreien und Organiften von den Städten
im Königreih Sadfen. Berlin. 1899. — U. Werner, Geihichte der Kantorei—
gefelfhatten int Gebiete des ehemaligen Kurſürſtentums Sachſen. Leipzig. 1903.
— 5. Rautenftraud, Die Kalandbrüderichaften, das kulturelle Vorbild der fäch-
jiihen SKantoreien. Ein Beitrag zur Gefchichte der kirchlichen Mujitpflege in
vor» und nachrejormatorifcher Zeit. Dresden. 1903. H. N. Köftlin.
11. Band.
S. 62 3.50 lies 11 ftatt 15.
399 „ 21 lies Ehriftologie Bd IV ©. 42, « Statt Neftorianismus.
567 „ 56 füge bei: Die Frage betr. die Zuverläfjigkeit feiner Angaben wird von Schaefer,
Beiträge 3. Geſch. d. fpan. Brot. 2c. ... (3 Bde, 1902) neu verhandeltZund
verneint. Benrath.
8
*
-
804
Nachträge uud Berichtigungen.
S. 593 3.40 lies XI ftatt X.
„53 lies Hanfaftadt ftatt Hanfenftadt.
„ 671
„ 672
672
„ 672
x
„ 112
©. 225
„ 249
„ 268
„ 287
„ 108
⁊
DD MN a ni a
„ 42
„ 13
„ 25
„ 49
„ 139
„ 231
„ 277
„ 392
„355
„358
„375
„392
„ 401
„ 402
„ 307
„Aal
„ 569
”
[22
8.
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”
3 füge bei: Der größte Zeil der Vorſtadt St. Gertrud ift im Jahre 1902 von
dem Kirchfpiel, zu welchem er bis dahin gehört hatte, abgetrennt unb in ein
jelbjtftändiges Kirchipiel umgewandelt worden. Die Zahl der Kirchſpiele in. der
Stadt Lübeck hat ſich infolgedefien auf 8 vermehrt. Dagegen ift die Bahl der
Geijtlihen und Ceelforgebezirte unverändert geblieben.
31 lied Hauptpaftoren ftatt Hauptperjonen.
33 füge bei: Geit dem Jahre 1902 haben die Kübediihen Kandidaten nad einer
mit dem ſchleswig-holſteiniſchen Konfiitorium getroffenen Vereinbarung die beiden
theologifchen Prüfungen vor der Prüfungebehärbe in Kiel abzulegen. Beſtehen
fie diejelben, fo erlangen fie dadurd die Unftellungsfähigfeit wie in der Lübeck⸗
iſchen, fo auch in der ſchleswig-holſteiniſchen Landeskirche.
31 ftreiche zu.
12. Band.
32 lied Brudner ftatt Brückner.
3 füge bei: Egli, Luther und Zwingli in Marburg in Meillis Theol. Zeitjchrift
aus d. Schweiz. I, 1884, ©. 1 ff.
18 füge bei: Unter Pius ift nad) den: Zufammenhang der Stelle bei ZTertullian
der Kaiſer zu verjtehen.
20 lieg Bd VI ftatt Bd V.
19 lieg III, ©. 314 ff. ftatt II, ©. 558. .
33 lieg 431 ftatt 451.
31 lied Nitiges ftatt Vitiges.
27 lies Haureau ftatt Haurean.
50 lie et mortuis ftatt mortus.
13. Band.
27 lie® Making ftatt Malking.
39 lie8 Lost ftatt Loss.
25 ließ vorzunehmen ftatt anzunehmen.
31 lieg veranlaßte Statt veranlaßten.
39 lies Jahre ftatt Jahren.
47 lied verböten ftatt verbieten.
48 bewegten ſtatt beivegen.
39 lies C. 3. Baur ftatt Bauer.
10 lied Unterhaltungsfonds ftatt Unterhaltungsfond, ebenfo Beile 31, 34, 39 und
Geite 23 Zeile 20.
24 füge bei: Die ganze Summe von 20 Millionen Dollars ijt bis zum 31. Dez.
1902 gejichert worden, j. The Christian Advocate vom 15. Januar 1903, wo die
Bejantjumme von 20656970 Dollars berichtet wird.
3 lies fein ftatt feien.
25 lieg 1797 ſtatt 1897.
20 lie8 Bd III ©. 749 ftatt 649.
‚52 lied 106 Aanıder ftatt to Baßıdet.
50 füge bei: Über Khan Argun und feinen Gejandten Bar Eauma |. d. A. Jah—
ballaya Bd VIII, S. 523, wo J. 8. Chabot, Suppl&ment à Y’histoire du
patriarche Mar Jabalaha III et du moine Rabban Gauma 1900 nachzu—
tragen ijt. Ed. Neftle.
59 lies Cohrs ſtatt Chor2.
10 lied Artopaeus ftatt Artopoeus.
15 lieg März 536 ſtatt 535.
2 füge vor angejegt ein: auf 533.
50 lied Fouqueré ftatt Fouquidre. Vgl. Tassin, Histoire litteraire de la Con-
gregation de Saint-Maur p. 286—87. Notiz von Dom 9. Quentin O. B.
2 füge bei Brooks Hinzu: und Byz. Beitfchr. 7, 1898, 32—39.
52 füge bei: Brooks ift in feinem zweiten Artikel (f. o.) diefer Annahme ebenfalls
beigetreten und feßt den Tod des Pyrrhus (ſ. XII, 407, 57) auch in das
Jahr 654. Krüger.
26 füge bei: 9. Holzapfel, Die Anfänge der Montes Pietatis. Münden 1903.
22 lieg Röhrich ftatt Röhrig. |
20. Auguft 1903.